Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2014 - 1 StR 10/14

bei uns veröffentlicht am12.02.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 0 / 1 4
vom
12. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Februar 2014 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München I vom 2. Oktober 2013 im Strafausspruch aufgehoben
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Diese hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen attackierte der durch eine Beleidigung gereizte Angeklagte seinen Trinkkumpanen mit bedingtem Tötungsvorsatz mittels eines Springmessers. Den ersten Stich konnte der Geschädigte noch durch Wegschlagen abwehren, der zweite traf ihn jedoch neun Zentimeter tief in den Mittelbauch. Durch das Dazwischentreten von Dritten wurde ein Nachsetzen durch den Angeklagten verhindert. Der Geschädigte, dessen Dickdarm durch den Stich eröffnet worden war, konnte durch eine Notoperation gerettet werden.
3
Im Anschluss an zwei hierzu gehörte Sachverständige konnte das Landgericht eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei dem alkoholabhängigen Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht ausschließen.
4
2. Während der Schuldspruch rechtsfehlerfrei ist, hält der Strafausspruch revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
5
Das Landgericht hat nach – nicht zu beanstandender – Ablehnung eines minder schweren Falls nach § 213 Alt. 1 StGB einen sonstigen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 2 StGB angenommen. Hierzu hat es neben anderen Milderungsgründen herangezogen, dass aufgrund der „erheblichen Alkoholisie- rung des Angeklagten eine Verminderung der Schuldfähigkeit nicht auszu- schließen“ und die Tat im Versuchsstadium, wenn auch mit Nähe zum Erfolgs- eintritt, stecken geblieben sei. Eine weitere Verschiebung des Strafrahmens wegen des Vorliegens der Milderungsgründe des § 21 StGB oder des § 23 StGB hat es sodann ausgeschlossen. Der Annahme eines minder schweren Falls nach § 213 Alt. 2 StGB hat es sodann die Möglichkeit der zweimaligen Strafrahmenverschiebung nach diesen Milderungsgründen gegenüber gestellt, da der danach eröffnete Strafrahmen eine Strafrahmenobergrenze unter der verhängten Strafe bereit halte. Eine solche Strafrahmenbestimmung hat es aber auch „unter Berücksichtigung dessen, dass eine verminderte Schuldfähig- keit lediglich nicht auszuschließen“ sei, nicht vorgenommen.
6
Die letztgenannte Erwägung erweist sich als rechtsfehlerhaft. Führt die Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB zu einem milderen Strafrahmen als die Annahme eines minder schweren Falles unter Verbrauch von vertypten Milderungsgründen , so ist der Tatrichter zwar nicht von vornherein gehalten, bei der Bemessung der Strafe von dem milderen Strafrahmen auszugehen. Er hat vielmehr im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen und darzulegen, welchen Strafrahmen er nach den konkreten Umständen des Einzelfalls für angemessen hält (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 – 3 StR 54/13; vgl. auch Beschluss vom 23. Januar 2013 – 5 StR 635/12). Die hierzu vom Landgericht getroffenen Strafzumessungserwägungen lassen jedoch besorgen, dass das Landgericht der erheblichen Schuldminderung in diesem Zusammenhang geringeres Gewicht beigemessen hat, weil sie nicht positiv festgestellt, sondern lediglich aufgrund des Zweifelssatzes unterstellt worden ist (vgl. zur Anwendung des Zweifelssatzes auf nicht behebbare tatsächliche Zweifel hinsichtlich Art und Grad des psychischen Ausnahmezustands BGH, Beschluss vom 25. Juli 2006 – 4 StR 141/06, NStZ-RR 2006, 335; Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66). Dies ist unzulässig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2005 – 1 StR 369/05, NStZ-RR 2006, 6; vom 15. Oktober 1991 – 1 StR 548/91). Denn auch in den Fällen, in denen unter Anwendung des Zweifelssatzes von einem bestimmten Sachverhalt auszugehen ist, ist dieser Sachverhalt bei der rechtlichen Würdigung von der gleichen Bedeutung, wie ein zur Überzeugung des Gerichts festgestellter (BGH, Urteil vom 9. Februar 2000 – 3 StR 392/99, NStZ-RR 2000, 166).
7
Auch angesichts der sonstigen Strafzumessungserwägungen kann der Senat nicht ausschließen, dass die Höhe der ausgesprochenen Strafe auf der rechtsfehlerhaften Erwägung beruht (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1999 – 2 StR 546/99).
8
Der Strafausspruch bedarf daher einer erneuten tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt, konnten die tatsächlichen Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neuen Tatrichter sind möglich.
Raum Graf Jäger Cirener Mosbacher

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 54/13
vom
28. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 9. November 2012 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchtem schwerem Raub sowie mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
2
1. Näherer Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
3
Das Landgericht hat dem Angeklagten eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Tat zugebilligt (§ 21 StGB). Unter Verbrauch sowohl dieses Strafmilderungsgrundes als auch der Möglichkeit, den Versuch milder als die vollendete Tat zu bestrafen (§ 23 Abs. 2 StGB), hat es einen minder schweren Fall des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB angenommen und bei der Bemessung der Freiheitsstrafe den Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zu Grunde gelegt. Davon, stattdessen den Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB zweifach nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, hat das Landgericht abgesehen.
4
Hiergegen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
Führt die Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB zu einem milderen Strafrahmen als die Annahme eines minder schweren Falles unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes, so ist der Tatrichter nicht von vornherein gehalten , bei der Bemessung der Strafe von dem milderen Strafrahmen auszugehen, auch wenn dies im Zweifel nahe liegen mag. Er hat vielmehr im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen und darzulegen, welchen Strafrahmen er nach den konkreten Umständen des Einzelfalles für angemessen hält (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 50 Rn. 5 mwN). Auf die Zahl der festgestellten und zur Begründung des minder schweren Falls herangezogenen vertypten Milderungsgründe kommt es dabei nicht entscheidend an (vgl. BGH, Urteil vom 4. August2004 - 2 StR 183/04).
6
Entgegen dem Verständnis des Generalbundesanwalts werden die Darlegungen im Urteil den an eine solche Gesamtabwägung anzulegenden Maßstäben noch gerecht. Nach Würdigung des Tatbildes, des Umstands, dass es beim Versuch blieb, und der alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht zunächst den Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB für unangemessen gehalten. Sodann hat es die Anwendung eines milderen als des sich aus § 250 Abs. 3 StGB ergebenden Strafrahmens ausdrücklich erwogen, indes angesichts der tateinheitlich hinzutretenden vollendeten Körperverletzung als unbillig erachtet; die beiden festge- stellten vertypten Strafmilderungsgründe hat es dabei als mit der Annahme eines minder schweren Falles ausreichend berücksichtigt angesehen. Dass das Landgericht mit diesen weiteren Erwägungen lediglich (nochmals) hat zum Ausdruck bringen wollen, ein minder schwerer Fall nach § 250 Abs. 3 StGB komme nur unter Verbrauch der vertypten Milderungsgründe in Betracht, schließt der Senat aus.
7
2. Im Übrigen ist das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Schäfer Pfister Mayer Gericke Spaniol
5 StR 635/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2013

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5. September 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO in den Rechtsfolgenaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die beiden Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und zehn Monaten (T. D. ) und drei Jahren und zwei Monaten (P. D. ) verurteilt. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerhaft. Das Landgericht ist für beide Angeklagte jeweils vom Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB ausgegangen , den es nur unter Berücksichtigung der – von ihm angenommenen – vertypten Strafmilderungsgründe der § 46a und § 46b StGB, im Falle der Ange- klagten T. D. auch des § 21 StGB, bejaht hat. Es hat sich dabei nicht damit auseinandergesetzt, ob alternativ mehrfache Strafrahmenverschiebungen nach § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen gewesen wären, die für beide Angeklagte günstiger gewesen wären.
3
2. Das Urteil hat auch keinen Bestand, soweit das Landgericht für beide Angeklagte eine Unterbringung in der Entziehungsanstalt nach § 64 StGB abgelehnt hat.
4
Die sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass bei den Angeklagten zwar keine Alkohol- oder Betäubungsmittelabhängigkeit besteht, jedoch jeweils ein schädlicher Gebrauch von Alkohol und Drogen (ICD-10 F 10.1) vorliegt. Beide standen bei der Tat, einem Wohnungsüberfall auf eine Bekannte, unter nicht unerheblichem, wenn auch jeweils die Schuldfähigkeit nicht erheblich verminderndem Alkoholeinfluss; T. D. hatte auch Methadon und Cannabis zu sich genommen.
5
Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, wenn sich das Landgericht zur Begründung der Ablehnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf die Auffassung des Sachverständigen stützt, „es lasse sich nicht feststellen, dass man dem durch beide Angeklagte in dem beschriebenen Umfang betriebenen Drogenmissbrauch über einen ‚Hang‘ im Sinne des § 64 StGB primären Stellenwert im Beziehungsgefüge der spontan begangenen Raubtat einräumen müsste“ (UA S. 53 f.). Zum einen ist nach ständiger Rechtsprechung nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang auch dann zu bejahen , wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 – 3 StR 191/09, BGHR StGB § 64 Zusammenhang , symptomatischer 5). Zum anderen ist nicht ersichtlich, weshalb die von den Angeklagten vorgenommene spontane Tatplanänderung einen möglichen Bedingungszusammenhang zwischen „Hang“ und Taten durchbrechen sollte.
6
3. Das neue Tatgericht wird sich deshalb für beide Angeklagte mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO) differenziert mit den Voraussetzungen des § 64 StGB – in diesem Zusammenhang nach Aufhebung der Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch auch bei beiden Angeklagten wiederum mit den Voraussetzungen zum § 21 StGB – zu befassen haben. Dabei wird es auch erneut jeweils die Frage des Bestehens eines Hanges im Sinne einer eingewurzelten, aufgrund psychischer Disposition bestehenden oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2007 – 3StR 194/07 Rn. 8; Beschluss vom 4. April 1995 – 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5), zu prüfen haben.
Basdorf Raum Schneider Dölp König

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 141/06
vom
25. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Juli 2006 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 20. Oktober 2005 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zu den Vorfällen am 19. Februar 2005, aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es gegen den Angeklagten die Sicherungsverwahrung angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Der Verurteilung des Angeklagten liegt Folgendes zu Grunde:
4
1. Am 8. Januar 2005 hielt sich der nunmehr 34 Jahre alte Angeklagte gegen 8.45 Uhr an einem Kiosk in Iserlohn auf. "Er öffnete seine Hose und onanierte vor den Zeuginnen F. und ihrer Tochter H. , die sich im Kiosk aufhielten, an seinem Penis, weil es ihn sexuell erregte, sich in dieser Weise fremden Frauen zu zeigen". Als ihn die Zeuginnen anschrieen, entfernte sich der Angeklagte. Seine Blutalkoholkonzentration betrug zum Zeitpunkt der Tat max. 1,6 ‰ (Fall II. 1 der Urteilsgründe).
5
2. In der Folgezeit suchte der Angeklagte in den Abend- oder Nachtstunden etwa 80 bis 100 mal verschiedene Wohngegenden in Iserlohn auf, um eine günstige Gelegenheit zu finden, "zu voyeurieren oder exhibitionistische Handlungen vorzunehmen".
6
Am 19. Februar 2005 drang er gegen 5.30 Uhr in ein Altenheim der Arbeiterwohlfahrt in Iserlohn ein, das etwa 500 m von seiner Wohnung entfernt liegt. Er betrat nacheinander die Zimmer von drei Heimbewohnerinnen. Zwei der Zimmer verließ er wortlos, als die 65 bzw. 79 Jahre alten Heimbewohnerinnen erwachten. In einem weiteren der Zimmer trat er an das Bett der 83jährigen Heimbewohnerin heran und streichelte deren Wange. Als diese ihn fragte, was er denn da mache, verließ der Angeklagte das Zimmer. Dieses Geschehen ist nicht Gegenstand des Anklagevorwurfs.
7
3. Am 6. März 2005 suchte der Angeklagte nach dem Besuch einer Gaststätte (Blutalkoholkonzentration max. 1,6 ‰) erneut das Altenwohnheim auf und drang über eine unverschlossene Terrassentür in die gemeinsame Wohnung der 91jährigen Frau Sch. und der 94jährigen Frau O. ein. Er ging zunächst zu deren Bett, fasste ihr unter dem Nachthemd an die Brüste und massierte diese, bis Frau O. aufwachte und die Hände des Angeklagten weg schob. Sodann ging er zu dem Bett der Frau Sch., fasste ihr oberhalb der Nachtbekleidung an die Brüste und massierte diese. Als Frau Sch. erwachte, sagte der Angeklagte: "Halt die Klappe", und flüchtete durch die Terrassentür (Fall II. 2 b der Urteilsgründe).

II.


8
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 27. Juni 2006. Ebenso rechtsfehlerfrei sind auch die Feststellungen zu den Vorfällen am 19. Februar 2005, die deshalb bestehen bleiben können.
9
2. Dagegen kann der gesamte Rechtsfolgenausspruch nicht bestehen bleiben, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nach § 21 StGB in beiden Fällen ausgeschlossen hat, rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten.
10
a) Das Landgericht hat zur Frage der Schuldfähigkeit im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Soweit der Angeklagte vor der am 8. Januar 2005 begangenen Tat seit Ende November 2004 etwa 10 Injektionen Testosteron zu je 250 mg erhalten habe, spiele dies nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen weder für sich betrachtet noch im Zusammenhang mit der Alkoholintoxikation eine forensisch relevante Rolle, wenngleich nicht auszuschließen sei, dass die sexuelle Enthemmung beim Angeklagten verstärkt worden sei. Zur Frage der Wechselwirkung von Alkohol und Testosteron gebe es keinerlei verlässliche wissenschaftliche Studien oder Abhandlungen darüber, dass Testosteron die Wirkung von Alkohol verstärke. Auch im Fall II. 2 b der Urteilsgründe habe in Übereinstimmung mit dem mündlichen Sachverständigengutachten , "nach dem eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht sicher angenommen werden könne," eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten gemäß § 21 StGB auch vor dem Hintergrund der Testosteronbehandlung nicht festgestellt werden können.
11
b) Diese Erwägungen lassen besorgen, dass das Landgericht bei der Prüfung der Frage einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit den Grundsatz "in dubio pro reo" außer Acht gelassen hat. Dieser Grundsatz ist zwar auf die rechtliche Wertung der zur Schuldfähigkeit getroffenen Feststellungen nicht anwendbar (vgl. BGHSt 14, 68, 73; BGH NStZ 1996, 328 m.w.N.). Anwendung findet der Zweifelssatz jedoch bei der Entscheidung über die Voraussetzungen der verminderten Schuldfähigkeit, wenn nicht behebbare tatsächliche Zweifel bestehen, die sich auf Art und Grad des psychischen Ausnahmezustandes beziehen (vgl. BGH aaO).
12
c) Die Verneinung der Voraussetzungen des § 21 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken auch deshalb, weil die Urteilsgründe die für die Beurteilung der sich nach den Feststellungen aufdrängenden Frage, ob beim Angeklagten eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB vorliegt, gebotene Gesamtschau von Täterpersönlichkeit und Taten (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 16, 33, 37) vermissen lassen.
13
Das Landgericht hat lediglich im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen des § 63 StGB darauf hingewiesen, dass nach den Ausführungen der Sachverständigen zwar auf der Grundlage einer dissozialen Persönlichkeitsstörung eine „dissexuelle Fehlentwicklung“ vorliege, diese jedoch nicht die Kriterien einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erfülle, weshalb eine Unterbringung gemäß § 63 StGB nicht in Betracht komme. Zudem bestehe kein Anhaltspunkt für die Ausbildung einer sexuellen Perversion oder von sexuellen sadistischen Zügen. Vielmehr resultiere die sexuelle Dissozialität aus einer "unterliegenden selbstunsicheren Persönlichkeit des Angeklagten", der damit sein Sozialversagen im Sexuellen ausdrücke (UA 31).
14
Auf die Auffälligkeiten bei den abgeurteilten Taten, wie sie sich aus den Urteilsfeststellungen ergeben, ist das Landgericht dagegen - ebenso wie bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB - nicht näher eingegangen. Dies gilt auch für die Auffälligkeiten der Vortaten, die den einschlägigen Vorverurteilungen des Angeklagten durch Urteil vom 5. September 1996 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und exhibitionistischer Handlungen zu einer zehnmonatigen Gesamtfreiheitsstrafe mit Bewährung, durch Urteil vom 24. Juni 1998 wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten sowie durch Urteil vom 21. Juni 2002 wegen sexueller Nötigung und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten zu Grunde liegen. Im Rahmen der Begründung der auf § 66 Abs. 1 StGB gestützten Anordnung der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht hierzu zutreffend ausgeführt, dass sowohl die abzuurteilenden Taten als auch die Vortaten "alle eine für den Angeklagten eigentümliche Art und Richtung des verbrecherischen Hanges" aufzeigen. Sowohl die Vortaten als auch die abzuurteilenden Taten machten deutlich, dass der Angeklagte es nicht beim bloßen Exhibitionismus und Voyeurieren belasse, sondern bei einigen der Taten in private Wohn- und Lebensbereiche eingedrungen sei und dort den sexuellen Kontakt zu ihm unbekannten und zum Teil wehrlosen Opfern gesucht habe. Beweggrund sei dabei stets gewesen, sexuelle Tagträume und Phantasien in deviante Handlungen münden zu lassen. Zudem sei eine deutliche Steigerung zu verzeichnen, weil die Taten nicht nur auf die Begehung exhibitionistischer Handlungen, sondern auch auf Sexualdelikte von Gewicht gerichtet gewesen seien.
15
Diese Besonderheiten, insbesondere auch die - allein im Zusammenhang mit der Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung erörterte - kurze zeitliche Abfolge der Taten und die seit 1995 mehrfach gescheiterten Versuche, eine Sozialtherapie durchzuführen, hätten bei der Prüfung der Frage, ob bei dem Angeklagten eine schwere andere seelische Abartigkeit mit der möglichen Folge einer erheblichen Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit vorlag, namentlich unter dem Gesichtspunkt einer Triebstörung (vgl. BGH NStZ 2001, 243; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 16, jew. m.w.N.), einer Gesamtschau unterzogen werden müssen.
16
d) Dass eine bei umfassender Beurteilung gegebenenfalls festzustellende schwere andere seelische Abartigkeit die Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Folge gehabt haben könnte, lässt sich nach den eingehenden Feststellungen zu seinem Werdegang und seinen Taten ausschließen, nicht aber die Möglichkeit der Feststellung oder Nichtausschließbarkeit einer erheblichen Vermin- derung der Steuerungsfähigkeit. Dies hat die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs zur Folge.
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3. Der die Schuldfähigkeitsbeurteilung betreffende Rechtsfehler nötigt hier auch zur Aufhebung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung. Zwar hat das Landgericht das Vorliegen der formellen und materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB bejaht. Der Senat kann aber nicht ausschließen, dass der neue Tatrichter sogar zu der sicheren Feststellung gelangt, dass der Angeklagte aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat, so dass die Anordnung der Maßregel der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß 63 StGB in Betracht kommt (vgl. BGHSt 34, 22, 26; 42, 385, 386), die gemäß § 72 Abs. 1 StGB Vorrang vor der Anordnung der Sicherungsverwahrung haben kann.
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4. Für das weitere Verfahren wird es sich empfehlen, einen weiteren anerkannten psychiatrischen Sachverständigen zuzuziehen. Die knappen Urteilsausführungen zur Frage einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit geben Anlass zu dem Hinweis, dass der Tatrichter seiner Aufgabe, sich eine eigene Überzeugung über den Zustand des Angeklagten zu bilden, grundsätzlich nicht dadurch gerecht wird, dass er lediglich die Befunde des Sachverständigen wiedergibt, ohne sich mit diesen auseinanderzusetzen. Jedenfalls müssen, wenn der Tatrichter dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens ohne Angabe eigener Erwägungen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergegeben werden , wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH NStZ 2001, 243 m.w.N.).
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanović RiBGH Dr. Ernemann ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben.
Maatz

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 369/05
vom
12. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Oktober 2005 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Traunstein vom 3. Mai 2005 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts darf einer erheblichen
Schuldminderung nicht etwa deswegen geringeres Gewicht
beigemessen werden, weil sie nicht positiv festgestellt, sondern
lediglich aufgrund des Zweifelssatzes unterstellt worden ist
(BGH StV 1992, 117). Es kann dahinstehen, ob das Urteil darauf
beruht; jedenfalls ist die Strafe angemessen (§ 354 Abs. 1a
Nack Wahl Kolz
Elf Graf