Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2018 - 2 StR 359/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
a) im Strafausspruch,
b) soweit die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten- 1
- Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie und wegen Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht die Frage der Unterbringung des
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- Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 7 Abs. 1 JGG in Verbindung mit § 64 StGB nicht geprüft, obwohl es nach den Feststellungen dazu gedrängt gewesen ist. Zwar besteht keine Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten.
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- Dies ist aber für die Annahme eines Hangs zum Konsum von Betäubungsmitteln im Übermaß auch nicht erforderlich. Dafür ist vielmehr eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2017 – 1 StR 367/17, NStZ-RR 2017, 370 f. mwN). Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumiert der Angeklagte
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- bereits seit dem dreizehnten Lebensjahr Cannabis. Bei der Tat vom 11. Oktober 2017 besaß er Marihuana zum Eigenkonsum. Die Kurierfahrt am 12. November 2017, bei der er 4.888 Gramm Marihuana transportierte, beging er, um „drei Rationen Drogen für sich“ zu erhalten. Eine soziale Gefährdung des Angeklag- ten infolge des Betäubungsmittelkonsums kommt auch in der den früheren Verurteilungen zu entnehmenden Begehung von Straftaten sowie darin zum Ausdruck , dass der Angeklagte seine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer wegen Fehlzeiten nicht abgeschlossen sowie gegen die Weisung in der Führungsaufsicht verstoßen hat, keine Betäubungsmittel zu konsumieren. Die nunmehr abgeurteilten Betäubungsmitteldelikte erscheinen zudem symptomatisch für seinen Hang zum Konsum von Betäubungsmitteln im Übermaß. Nach den Tatumständen und mit Blick auf die Persönlichkeit des Angeklagten liegt auch die Annahme nahe, dass ohne die Maßregel künftig weitere Straftaten durch ihn zu erwarten sind. Daher wird der neue Tatrichter die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, auch im Hinblick auf die Frage einer konkreten Aussicht auf einen Therapieerfolg, zu prüfen haben. Die fehlerhafte Nichterörterung der Maßregelanordnung zieht wegen
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- Wechselwirkung von Maßregel und Jugendstrafe gemäß § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG auch die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2014 – 5 StR 509/14). Der Senat lässt offen, ob er hierzu – dem Generalbundesanwalt folgend – schon deshalb gelangt wäre, weil das Landgericht erörtert hat, ob bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht ein minder schwerer Fall der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgelegen hätte. Dies könnte in einem Fall entbehrlich sein, in dem – wie hier – Jugendstrafe nur wegen schädlicher Neigungen des Angeklagten, nicht aber wegen der Schwere der Schuld verhängt wird. Bei der Vergleichsbetrachtung mit dem Erwachsenenstrafrecht handelt es sich jedenfalls im Wesentlichen um ein Mittel zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld des jugendlichen oder heranwachsenden Täters. Diese hat bei der Bemessung der Höhe der Jugendstrafe mit Blick auf den Erziehungsgedanken eine allenfalls untergeordnete Bedeutung. Schäfer Appl Eschelbach Zeng Bartel BESCHLUSS 2 StR 359/18 vom 9. Januar 2019 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
„Sa. “ und nicht „Se. “
lautet.
Franke Krehl Eschelbach Meyberg Grube
ECLI:DE:BGH:2019:090119B2STR359.18.0 BESCHLUSS 2 StR 359/18 vom 23. Januar 2019 in der Strafsache gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. hier: Berichtigung
ECLI:DE:BGH:2019:230119B2STR359.18.0
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2019 beschlossen :
Der Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 wird wegen offensichtlicher Schreibversehen - im Text zu Rn. 1 der Gründe dahin berichtigt, dass der erste Satz unter Wegfall des Wortes „sowie“ wie folgt lautet: „DasLandge- richt hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt.“ - im Text zu Rn. 5 der Gründe dahin berichtigt, dass der zweite Satz unter Einfügung des Wortes „nicht“ wie folgt lautet: „Der Senat lässt offen, ob er hierzu – dem Generalbundesanwalt folgend – schon deshalb gelangt wäre, weil das Landgericht nicht erörtert hat, ob bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht ein
minder schwerer Fall der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgelegen hät- te.“
Franke Krehl Eschelbach Zeng Meyberg
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).
(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn
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der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens - a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder - b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
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die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.
(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn
- 1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und - 2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.
(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.
(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.
(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
- 1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder - 2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.