Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2017 - 1 StR 367/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:230817B1STR367.17.0
bei uns veröffentlicht am23.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 367/17
vom
23. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:230817B1STR367.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 23. August 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 25. Januar 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und zehn Monaten verurteilt und von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ge2 mäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil zu besorgen ist, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
3
1. Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige hat bei dem Angeklagten einen Missbrauch im Sinne eines schädlichen Gebrauchs von Alkohol diagnostiziert, der die Schwelle zum Abhängigkeitssyndrom (noch) nicht erreiche. Im Falle des Aufstauens unverarbeiteter Eindrücke bewirke der Alkohol bei ihm eine Mobilisierung der Gefühle. Dies begründe eine hohe Affinität des Angeklagten zu Alkohol. Unter Alkoholeinfluss zeigten sich bei ihm wesensfremde aggressive Verhaltensweisen, über die er sich auch durchaus im Klaren sei. Der Angeklagte konsumiere regelmäßig an den Wochenenden Alkohol. Bei ihm bestehe bereits eine deutliche Toleranzentwicklung bezüglich alkoholbedingter Auswirkungen; diese setze sich allerdings nicht bis in höchste Konsumbereiche fort, sondern verbleibe im Bereich einer Alkoholisierung zwischen 1,5 und 2 Promille. Es fehle außerdem an einem überdauernden starken Suchtdruck und einer ausgeprägten Einengung des eigenen Interessenbereichs. Die zentralen Lebensbereiche des Angeklagten – Arbeit, Fußball und Führerschein – würden nicht von seinem Alkoholkonsum dominiert. Bemerkenswert sei auch seine Fähigkeit, den Alkoholkonsum in diesen Bereichen zu begrenzen und so auch über längere Zeiträume hinweg abstinent zu bleiben. Dennoch spiele der Alkohol im Leben des Angeklagten eine wichtige Rolle. Eine Grundbereitschaft zur Abstinenz bestehe trotz negativer Erfahrungen und aggressiver Verhaltensweisen nicht. Zu Abstinenzphasen komme es nur dann, wenn der Angeklagte bestimmte Ziele verfolge, die ihm wichtiger als der Alkoholkonsum seien (UA S. 17-18). Zwar habe der Alkoholkonsum keinerlei Auswirkungen auf die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Angeklagten gehabt. Aller- dings sei die Tat ohne die Alkoholisierung des Angeklagten nicht vorstellbar und widerspreche seinem übrigen bürgerlichen Lebensentwurf. Vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeit, seiner hohen Affinität zu Alkohol, der Wirkung von Alkohol auf ihn und seiner Weigerung, dauerhaft auf Alkohol verzichten zu wollen, insbesondere trotz bürgerlicher Sozialisation, sozialer Ächtung und strafrechtlicher Konsequenzen, lägen die Voraussetzungen einer sozialen Gefährlichkeit vor (UA S. 45).
4
2. Gleichwohl hat das Landgericht – entgegen der Einschätzung des Sachverständigen – von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB abgesehen, weil es einen übermäßigen Konsum von alkoholischen Getränken durch den Angeklagten nicht festzustellen vermochte. Insbesondere sei der Angeklagte in Anbetracht der konkreten Umstände weder sozial gefährdet noch gefährlich. Seine Neigung zu wesensfremdem und aggressivem Verhalten unter Alkoholeinfluss begründe seine soziale Gefährlichkeit nicht. Er sei auch im alkoholisierten Zustand in der Lage gewesen, „seine Aggressionen gezielt zu steuern“ und habe zu keinem Zeitpunkt Freunde oder Mannschaftsmitglieder attackiert und daher nicht haltlos und vollkommen unberechenbar agiert (UA S. 48).
5
3. Diese Ausführungen sind infolge eines zu engen Verständnisses eines Hanges im Sinne des § 64 StGB nicht frei von Rechtsfehlern.
6
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15; Urteile vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13, NStZ-RR 2014, 271). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198; vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15; vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16, NStZ-RR 2017, 198 und vom 26. Januar 2017 – 1 StR 646/16, NStZ-RR 2017,

239).


7
b) Die Ausführungen des Landgerichts zum Hang begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat hier die Anforderungen an das Vorliegen einer sozialen Gefährlichkeit des Angeklagten überspannt. Soziale Gefährlichkeit liegt typischerweise im Falle von Beschaffungskriminalität vor, ist hierauf jedoch nicht beschränkt. Denn es kommen auch andere Delikte als solche der Beschaffungskriminalität als Hangtaten in Betracht, wenn sich in ihnen die hangbedingte besondere Gefährlichkeit des Täters zeigt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113 mwN). Vor diesem Hintergrund hätte die hohe Alkoholaffinität des Angeklagten und seine signifikant gesteigerte Aggressionsbereitschaft schon bei mittleren Alkoholmengen berücksichtigt werden müssen und zwar auch dann, wenn der Angeklagte zu längeren Abstinenzintervallen in der Lage ist. Er ist ausweislich der landgerichtlichen Feststellungen unter Alkoholeinfluss bereits zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten und hat darüber hinaus mehrere tätliche Übergriffe unter anderem zum Nachteil seiner Eltern begangen.
8
4. Den getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel nicht gegeben sind. Insoweit ist der Sachverständige vielmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass die übrigen Voraussetzungen des § 64 StGB aus forensisch-psychiatrischer Sicht zweifelsfrei vorlägen (UA S. 45).
9
5. Die im Hinblick auf die Nichtanordnung der Maßregel getroffenen Feststellungen waren mit aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO), denn infolge des rechtsfehlerhaften Verständnisses zum Hangbegriff sind die dazu getroffenen Feststellungen ihrerseits nicht tragfähig.
6. Das Verschlechterungsverbot steht einer Nachholung der Unterbrin10 gungsanordnung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2017 – 1 StR 646/16, NStZ-RR 2017, 239 und vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; Urteil vom 10. April1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Raum Graf Radtke
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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 4 1 5 / 1 5
vom
14. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2015 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Passau vom 9. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben
, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ei- nen Geldbetrag von 2.000 € für verfallen erklärt.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), soweit eine Unterbringung in der Entziehungsanstalt unterblieben ist; im Übrigen ist es, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 20. August 2015 ausgeführt hat, unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

3

4

II.


3
Die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat ausgeführt, dass zwar ein polyvalenter Suchtmittelmissbrauch des Angeklagten in Bezug auf Alkohol, Cannabis, Kokain und Amphetamin bzw. Metamphetamin vorliege, von einem Hang des Angeklagten , alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, könne jedoch nicht ausgegangen werden.
4
Allerdings hat das Landgericht selbst festgestellt, dass der Angeklagte vor 3-4 Jahren begann, auf Partys Ecstasy zu konsumieren. Schon als Jugendlicher hatte er mit Marihuana Kontakt und begann dann auch, dieses selbst zu kaufen, was er ein- bis zweimal werktags, am Wochenende mit Gästen oder abends beim Fernsehen konsumierte. Außerdem konsumierte der Angeklagte Kokain, um den Schlafmangel auszugleichen oder sich nach Stresssituationen Entspannung zu verschaffen. Crystal und Speed konsumierte er ebenfalls, allerdings nicht täglich und nicht intravenös. Zusätzlich trank der Angeklagte täglich zwischen ein und fünf Flaschen Bier, nachdem er den vormals erheblich umfangreicheren Alkoholkonsum auf Drängen seiner Ehefrau reduziert hatte.
5
1. Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen einen Hang des Angeklagten, berauschende Mittel, nämlich Alkohol und Drogen , im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht anzunehmen vermocht. Zwar liege beim Angeklagten ein problematischer Umgang mit Suchtmitteln vor; Anhaltspunkte für eine Depravation oder eine drogenbedingte Persönlichkeitsstörung seien aber nicht zu Tage getreten. Desgleichen fehlten Anzeichen für eine auf den Drogenkonsum zurückzuführende erhebliche Einschränkung der Arbeitsund Leistungsfähigkeit des Angeklagten oder relevante Entzugserscheinungen.
6
2. Diese Begründung lässt besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
7
Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; Urteil vom 15.Mai 2014 – 3StR 386/13). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198; Beschluss vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZRR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen dürften, schließt deren Fehlen je- doch nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198; Beschluss vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15).
8
3. Dies zu Grunde gelegt, drängt sich das Vorliegen eines Hanges hier schon angesichts des festgestellten und zutreffend als polyvalent bezeichneten Suchtmittelmissbrauchs auf, welcher deutlich auf eine den Angeklagten treibende Neigung hindeutet, Alkohol und Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren.
9
Der Bejahung eines Hanges steht im Übrigen nicht entgegen, dass der Angeklagte nach seiner Inhaftierung keine schweren körperlichen Entzugserscheinungen aufwies; immerhin stellten sich bei ihm Schlafstörungen, grundloses Schwitzen und Juckreiz ein. Zudem traten bei ihm bis zuletzt abendliche Kopfschmerzen und ein Gefühl der Unruhe weiterhin auf.
10
4. Der neue Tatrichter wird deshalb das Vorliegen eines Hanges des Angeklagten , alkoholische Getränke und Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, neu zu beurteilen und auch Feststellungen zu treffen haben, inwieweit ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Drogensucht und den Betäubungsmittelstraftaten des Angeklagten und eine hinreichend konkrete Therapieaussicht besteht.

6

III.

7

11
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; BGH Beschluss vom 21. Oktober 2008 – 3 StR 382/08, NStZ-RR 2009, 59). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht ausdrücklich nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

8

Raum Graf Cirener Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 56/08
vom
1. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 16. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer und Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner eine isolierte Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren angeordnet. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel hat jedoch insoweit Erfolg , als das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB anzuordnen.
3
1. Nach den Feststellungen konsumiert der Angeklagte bereits seit seinem 16. Lebensjahr in großen Mengen Alkohol. Ab Anfang des Jahres 2007, mithin auch während des Tatzeitraums, hatte er zwei- oder dreimal wöchentlich einen Vollrausch. Insbesondere an den Wochenenden trank er acht bis zehn halbe Liter Bier und bis zu einer Flasche Wodka täglich. Mit 17 Jahren begann er zusätzlich Haschisch zu rauchen und ab dem 20. Lebensjahr zeitweise täglich Kokain zu schnupfen. Bei Begehung sämtlicher Taten war der Angeklagte alkoholisiert und stand teilweise zusätzlich unter erheblichem Drogeneinfluss. Während des ca. 1 ½ Stunden dauernden Raubgeschehens zum Nachteil der Nebenklägerin trank der Angeklagte mindestens vier Flaschen Bier. Bei Begehung der letzten Tat, bei der es anlässlich seiner Festnahme zu Widerstandsund Körperverletzungshandlungen kam, wies der Angeklagte eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Der wegen Körperverletzungsdelikten vorgeahndete Angeklagte weiß, dass er unter Alkoholeinfluss zu aggressivem Verhalten neigt. Bei drei der fünf ausgeurteilten Taten hat das Landgericht nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte infolge einer akuten Alkohol- bzw. Drogenintoxikation im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert steuerungsfähig war.
4
Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen einen Hang des Angeklagten, berauschende Mittel, nämlich Alkohol und Drogen, im Übermaß zu sich zu nehmen, "noch nicht" anzunehmen vermocht. Zwar lie- ge beim Angeklagten ein problematischer Umgang mit Suchtmitteln vor, eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeits-, Gesundheits- und Leistungsfähigkeit im Sinne einer schweren süchtigen Fehlhaltung könne bei ihm jedoch noch nicht festgestellt werden.
5
2. Diese Begründung lässt besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
6
Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH NStZ 2005, 210). Insoweit kann auch dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen erheblich beeinträchtigt ist, indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen dürften, schließt deren Fehlen nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus.
7
Dies zu Grunde gelegt, drängt sich das Vorliegen eines Hanges hier schon angesichts der getroffenen Feststellungen zum Konsumverhalten des Angeklagten auf. Aber auch die festgestellte Neigung des Angeklagten, unter Alkoholeinfluss Aggressionshandlungen zu begehen, deutet auf eine abhängigkeitsbedingte soziale Gefährdung und Gefährlichkeit des Angeklagten hin, zumal dieser in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Körperverletzungsde- likten verurteilt worden ist. Der Bejahung eines Hanges steht demgegenüber nicht entgegen, dass der Angeklagte nach seiner Inhaftierung körperliche Entzugserscheinungen nicht aufwies, mithin eine körperliche Abhängigkeit (noch) nicht festgestellt werden konnte. Ebenso wenig ist für die Annahme eines Hanges - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - erforderlich, dass bei dem Täter infolge der Rauschmittelabhängigkeit bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (vgl. BGH NStZ 2007, 697; BGH NStZ-RR 2008, 8).
8
Auch der Symptomwert der festgestellten Taten für den Hang des Angeklagten liegt - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nahe mit Blick auf dessen Neigung, nach übermäßigem Rauschmittelkonsum Aggressionshandlungen - wie sie hier mit Ausnahme der Trunkenheitsfahrt durchweg vorliegen - zu begehen. Anhaltspunkte dafür, dass eine stationäre Therapie bei dem vergleichsweise jungen und bislang noch nicht behandelten Angeklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 64 Satz 2 StGB), oder dass andere Voraussetzungen der Maßregelanordnung offensichtlich nicht vorliegen, ergeben die bisherigen Feststellungen nicht.
9
Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb der erneuten Prüfung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB n.F. zu beachten haben.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 420/05
vom
14. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2005 beschlossen
:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 24. Juni 2005 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb in 20 Fällen, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln in 24 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

II.


1. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der von der Verteidigung nicht näher ausgeführten Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Der Generalbundesanwalt hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs beantragt, das Urteil aufzuheben, weil eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Der Senat vermag diesem Antrag nicht zu entsprechen.

a) Die Revision erwähnt § 64 StGB nicht. Die Feststellungen des Landgerichts ergeben kein vollständiges Bild zur Abhängigkeit des Angeklagten und damit zum "Hang" im Sinne des § 64 StGB. Der Senat kann den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass eine neue Verhandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Unterbringungsanordnung führen wird (vgl. BGHSt 37, 5, 9). Auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten hat die Strafkammer einerseits festgestellt, dieser habe während der Zeit bei der Bundeswehr große Mengen Alkohol getrunken. Am Ende der Bundeswehrzeit und während seiner Ausbildung zum Bürokaufmann habe er mit dem Konsum von Kokain begonnen, den Konsum von sich aus wieder eingestellt und im Oktober 2001 erneut damit begonnen. Auch danach habe er immer wieder, auch für längere Zeit, den Konsum unterbrochen. Im Frühjahr 2003 sei er mit Amphetaminen und Ecstasy in Berührung gekommen, die er regelmäßig konsumiert habe. Ein Leben ohne Drogen habe er sich nicht mehr vorstellen können. Von Januar bis mindestens Ende August 2004 habe er täglich Kokain konsumiert, zudem unregelmäßig auch Amphetamin und Ecstasy; er habe sich ständig in einem berauschten Zustand befunden, wobei er schnell höhere Dosen an Kokain benötigt habe, um
eine ausreichende Wirkung zu verspüren. Er habe bis zu vier Gramm täglich konsumiert und seine Persönlichkeit habe sich durch den Missbrauch verändert. Die abgeurteilten Taten habe er begangen, um seinen Kokainkonsum zu finanzieren. Das Landgericht hat aber auch festgestellt, dass der Angeklagte im Sommer 2004 seinen Kokainkonsum beendet habe (UA S. 4). Im Spätsommer 2004 habe er (nur noch) größere Mengen Medikamente eingenommen, weil er depressive Phasen gehabt habe. Einer Drogentherapie hat sich der Angeklagte bisher nicht unterzogen.

b) Voraussetzung für eine Unterbringung gemäß § 64 ist (unter anderem) ein Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss (vgl. nur BGHSt StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; Körner BtMG 5. Aufl. § 35 Rdn. 297; Hanack in LK 11. Aufl. § 64 Rdn. 40 jew. m.w.N.). "Im Übermaß" bedeutet, dass der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeitsund Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (Körner aaO; Hanack aaO Rdn. 44 m.w.N. in Fußn. 12). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch die unterbliebene Erörterung einer Unterbringung bei einem Täter gebilligt, bei dem zwar "eine Tendenz zum Betäubungsmittelmissbrauch ... jedoch keine Depravation und erhebliche Persönlichkeitsstörung" vorlag (BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 1).

c) Auf der Grundlage der im Revisionsverfahren allein maßgeblichen Urteilsgründe zu den Auswirkungen des Rauschgiftkonsums auf Sozialverhalten und Gesundheit des Angeklagten liegt die Annahme eines Hangs i. S. d. § 64
StGB beim Angeklagten eher nicht nahe. Eine Unterbringungsanordnung gemäß § 64 StGB kommt jedoch nur in Betracht, wenn das Vorliegen eins Hangs sicher ("positiv") festgestellt ist.
3. Der Senat ist nicht gehindert, gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu entscheiden. Der Aufhebungsantrag hinsichtlich der Entscheidung über eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB wirkt zu Lasten und nicht zu Gunsten des Angeklagten im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO (BGH NStZ-RR 2003, 106, 107 m. w. Nachw.).
Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 56/08
vom
1. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 16. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer und Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner eine isolierte Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren angeordnet. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel hat jedoch insoweit Erfolg , als das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB anzuordnen.
3
1. Nach den Feststellungen konsumiert der Angeklagte bereits seit seinem 16. Lebensjahr in großen Mengen Alkohol. Ab Anfang des Jahres 2007, mithin auch während des Tatzeitraums, hatte er zwei- oder dreimal wöchentlich einen Vollrausch. Insbesondere an den Wochenenden trank er acht bis zehn halbe Liter Bier und bis zu einer Flasche Wodka täglich. Mit 17 Jahren begann er zusätzlich Haschisch zu rauchen und ab dem 20. Lebensjahr zeitweise täglich Kokain zu schnupfen. Bei Begehung sämtlicher Taten war der Angeklagte alkoholisiert und stand teilweise zusätzlich unter erheblichem Drogeneinfluss. Während des ca. 1 ½ Stunden dauernden Raubgeschehens zum Nachteil der Nebenklägerin trank der Angeklagte mindestens vier Flaschen Bier. Bei Begehung der letzten Tat, bei der es anlässlich seiner Festnahme zu Widerstandsund Körperverletzungshandlungen kam, wies der Angeklagte eine Blutalkoholkonzentration von über 2 ‰ auf. Der wegen Körperverletzungsdelikten vorgeahndete Angeklagte weiß, dass er unter Alkoholeinfluss zu aggressivem Verhalten neigt. Bei drei der fünf ausgeurteilten Taten hat das Landgericht nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte infolge einer akuten Alkohol- bzw. Drogenintoxikation im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert steuerungsfähig war.
4
Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen einen Hang des Angeklagten, berauschende Mittel, nämlich Alkohol und Drogen, im Übermaß zu sich zu nehmen, "noch nicht" anzunehmen vermocht. Zwar lie- ge beim Angeklagten ein problematischer Umgang mit Suchtmitteln vor, eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeits-, Gesundheits- und Leistungsfähigkeit im Sinne einer schweren süchtigen Fehlhaltung könne bei ihm jedoch noch nicht festgestellt werden.
5
2. Diese Begründung lässt besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
6
Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH NStZ 2005, 210). Insoweit kann auch dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen erheblich beeinträchtigt ist, indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen dürften, schließt deren Fehlen nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus.
7
Dies zu Grunde gelegt, drängt sich das Vorliegen eines Hanges hier schon angesichts der getroffenen Feststellungen zum Konsumverhalten des Angeklagten auf. Aber auch die festgestellte Neigung des Angeklagten, unter Alkoholeinfluss Aggressionshandlungen zu begehen, deutet auf eine abhängigkeitsbedingte soziale Gefährdung und Gefährlichkeit des Angeklagten hin, zumal dieser in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Körperverletzungsde- likten verurteilt worden ist. Der Bejahung eines Hanges steht demgegenüber nicht entgegen, dass der Angeklagte nach seiner Inhaftierung körperliche Entzugserscheinungen nicht aufwies, mithin eine körperliche Abhängigkeit (noch) nicht festgestellt werden konnte. Ebenso wenig ist für die Annahme eines Hanges - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - erforderlich, dass bei dem Täter infolge der Rauschmittelabhängigkeit bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (vgl. BGH NStZ 2007, 697; BGH NStZ-RR 2008, 8).
8
Auch der Symptomwert der festgestellten Taten für den Hang des Angeklagten liegt - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nahe mit Blick auf dessen Neigung, nach übermäßigem Rauschmittelkonsum Aggressionshandlungen - wie sie hier mit Ausnahme der Trunkenheitsfahrt durchweg vorliegen - zu begehen. Anhaltspunkte dafür, dass eine stationäre Therapie bei dem vergleichsweise jungen und bislang noch nicht behandelten Angeklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 64 Satz 2 StGB), oder dass andere Voraussetzungen der Maßregelanordnung offensichtlich nicht vorliegen, ergeben die bisherigen Feststellungen nicht.
9
Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb der erneuten Prüfung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB n.F. zu beachten haben.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 0 3 / 1 5
vom
2. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 2. April
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 5. November 2014 aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten schuldig gesprochen des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung "und des Sichverschaffens" [gemeint: und mit Sichverschaffen] von Betäubungsmitteln" und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verhängt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Sie wendet sich zwar mit Einzelausführungen nur dagegen, dass eine Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist; indes erhebt sie auch die allgemeine Sachbeschwerde und ist mit dem Antrag verbunden, das Urteil insgesamt aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Damit ist die Revision zulässig (zur Unzulässigkeit einer ausschließlich gegen die Ablehnung einer Unterbringung gerichteten Revision des Angeklagten vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2012 - 3 StR 414/12 juris). Sie hat nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
Während der Schuld- und der Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, kann das Urteil nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat.
3
1. Die Strafkammer hat das Vorliegen eines Hangs im Sinne von § 64 StGB beim Angeklagten verneint und dazu ausgeführt, der Angeklagte konsumiere zwar "in erheblichem Umfang und regelmäßig Alkohol und Cannabis, wobei der Konsum auch Hintergrund für Straftaten" sei. Allerdings nehme "der Konsum bei ihm keine derart zentrale Stellung ein, wie es erforderlich wäre". Dies ergebe sich "aus den umfassenden Ausführungen des Sachverständigen", denen die Kammer folge. Die "Substanzabhängigkeit" des Angeklagten sei deshalb "für die Kammer ebenso nachvollziehbar wie die Schlussfolgerung, dass hierdurch ein Hang im Sinne des § 64 StGB nicht bedingt" werde (UA S. 26).
4
2. Dem stehen in zweierlei Hinsicht durchgreifende Rechtsbedenken entgegen.
5
a) Zum einen ist das Landgericht von einem zu engen Begriff des Hangs ausgegangen. Hierfür ausreichend ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Das kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden, sondern insbesondere auch bei Beschaffungskriminalität (BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Nach den Feststellungen liegt es nahe, dass es sich bei der Tat um eine solche, der Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienende Kriminalität handelte. Der Angeklagte konsumierte ab dem Alter von 17 Jahren "regelmäßig" Haschisch. Auch nach Abschluss seiner Ausbildung im Jahr 2010 "trank er viel und nahm Drogen" (UA S. 4). Dementsprechend musste er schon im Alter von 15 Jahren wegen Besitzes und Einfuhr von Betäubungsmitteln nach § 45 JGG ermahnt werden, 2007 wurde er wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten und 2013 unter anderem wegen desselben Delikts zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Tat beging der Angeklagte mit seinen beiden Mittätern, um Betäubungsmittel und Geld zu erbeuten. Den Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten hat das Landgericht deshalb auch als "Hintergrund" der Tat und diese wiederum im Rahmen der Rechtsfolgenentscheidung betreffend den Mitangeklagten B. auch als "Beschaffungstat" eingeordnet (UA S. 26).
6
Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass der Substanzmissbrauch des Angeklagten nicht "in einem solchen Ausmaß im zentralen Mittelpunkt von dessen Lebensführung" stehe, "dass sich daraus ein unmittelbarer, ständiger, seine sozialen und persönlichen Handlungsfähigkeiten beeinträchtigender störender oder schädlicher Einfluss" ergeben habe (UA S. 25), wird dies von den Feststellungen, die zu den persönlichen Umständen des Angeklagten wenig enthalten, nicht belegt. Hinzu kommt, dass in einer erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Drogenkonsum zwar ein Indiz für die Existenz eines Hangs liegt, dessen Fehlen indes den Hang nicht ausschließt (BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, NStZ-RR 2014, 271 (nur LS)).
7
b) Zum anderen leidet das Urteil an einem Darstellungsmangel: Wenn sich der Richter ohne weitere eigene Erwägungen den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen hat, dann muss er im Urteil die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen so wiedergegeben , wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2014 - 5 StR 168/14, NStZ-RR 2014, 244; vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306; vom 19. November 2014 - 4 StR 497/14, NStZ-RR 2015, 71 (nur LS)). Dies ist hier unterblieben.
8
3. Ob die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vorliegen, bedarf deshalb - mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - der erneuten Prüfung durch den Tatrichter.
9
Der Senat schließt aus, dass die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Maßregel Einfluss auf den Strafausspruch gehabt hat.
Schäfer Pfister Hubert Mayer RiBGH Gericke befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 604/16
vom
12. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:120117B1STR604.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO am 12. Januar 2017 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 10. August 2016 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte gehörte zu einer aus ca. 10 - 15 Personen bestehenden Clique von gleichaltrigen Heranwachsenden bzw. jungen Erwachsenen aus dem Gebiet der Stadt L. („L. er Gruppe“), die teilweise in Kon- flikt mit der ebenfalls aus ca. 10 - 15 gleichaltrigen Personen bestehenden Clique aus dem Gebiet der Gemeinde B. („B. er Gruppe“) geriet. Nachdem beide Gruppen bereits am 19. Oktober 2015 aufeinander getroffen waren, sollte am Abend des 23. Oktober 2015 ein weiteres Treffen erfolgen. Vor diesem Treffen hatte sich der Angeklagte ein von ihm verliehenes Springmesser mit einer ca. 10 cm langen einschneidigen und spitz zulaufenden Klinge zurückgeben lassen, das er ab diesem Zeitpunkt mit sich führte, um es ggf. einsetzen zu können.
4
Nachdem sich die beiden Gruppen zunächst erfolglos im Gemeindegebiet von B. gesucht hatten, trafen sie gegen ca. 23.30 Uhr in der Ortsmitte beim Rathaus sukzessive aufeinander, wobei sich zwischen einzelnen Mitgliedern der beiden Gruppen eine Schlägerei entwickelte. Dabei griff der Angeklagte zunächst W. an und es entwickelte sich eine körperliche Auseinandersetzung. In das Geschehen griff der mit einer AnonymousGesichtsmaske maskierte La. schlichtend ein. Dem körperlich überlegenen Angeklagten gelang es, La. an der Kapuze zu packen und gegen einen Pfeiler zu drücken, bevor beide schließlich in einem anschließenden Gerangel das Gleichgewicht verloren und in einen Busch fielen, wobei La. auf dem Angeklagten zum Liegen kam. In dieser Situation zog der Angeklagte das von ihm mitgeführte Springmesser, ließ die Klinge herausfahren und stach La. sinngemäß mit den Worten „Ich stech dir das Messer in die Seite“ in die rechte Brustseite, wo- bei dem Angeklagten bewusst war, dass dieser Stich geeignet war, den Tod des Opfers herbei zu führen, was er billigend in Kauf nahm. Durch den Stich wurde in lebensgefährlicher Weise der obere rechte Lungenlappen verletzt und der Herzbeutel nur um ca. 1 cm verfehlt. Trotz der Stichverletzung gelang es La. , der vom Angeklagten nach dem Stich am Boden festgehalten wurde, sich loszureißen, aufzustehen und weg zu rennen, bevor er entkräftet zusammenbrach.
5
Wenige Augenblicke danach wollte der mit einer Sturmhaube maskierte E. , der aus einigen Metern Entfernung zwar den Sturz des Angeklagten , nicht aber den Messerangriff beobachtet hatte, den Angeklagten mit einem Pfefferspray angreifen, das aber nicht funktionsfähig war, weswegen er die Dose dem Angeklagten entgegen schleuderte, der nun auf ihn zustürmte. Nachdem der Angeklagte den ihm körperlich unterlegenen und nunmehr unbewaffneten E. erreicht hatte, packte er diesen mit der linken Hand am rechten Oberarm, holte mit der rechten Hand aus und stach mit dem Springmesser in der Hand mit nicht unerheblicher Wucht auf E. ein, der sich in diesem Moment selbst nicht zur Wehr setzte. Der Stich durchdrang das Bauchfell und verursachte bei E. vier Perforationen des Dünndarms auf einer Länge von 6 cm, wobei große Blutgefäße und die Hauptschlagader nur knapp verfehlt wurden. Anschließend versetzte der Angeklagte E. noch zwei weitere schmerzhafte Stiche in beide Oberarme, bevor es diesem gelang, sich mit einer Rechtsdrehung aus dem Griff des Angeklagten zu winden, in Panik davon zu rennen und bis zu einer Bushaltestelle zu flüchten, wo er schließlich zusammenbrach.
6
2. Das Landgericht geht bei den zum Nachteil der Geschädigten La. und E. ausgeführten Messerstichen jeweils von einem versuchten Totschlag aus, wobei beide Taten auf Grund der zeitlichen Zäsur zwischen den Verletzungen in Tatmehrheit zueinander stehen. Angesichts der hochgradigen Gefährlichkeit der durch den Angeklagten geführten Messerstiche habe dieser jeweils mit dem Tod des Opfers gerechnet. Einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch verneint das Landgericht. Es geht jeweils von einem beendeten Versuch aus, da der Angeklagte nach seiner Vorstellung das Versterben der beiden Geschädigten allein auf Grund der äußerst schweren Verletzungen zumindest für möglich hielt. Unabhängig davon habe der Angeklagte jedenfalls nicht freiwillig von möglichen weiteren Messerattacken Abstand genommen, da er die beiden Geschädigten auch nach den Stichen weiter festgehalten habe und es beiden erst gelungen sei, wegzurennen, nachdem sie sich losgerissen hatten.

II.


7
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei jeweils vom beendeten Versuch eines Tötungsdelikts nicht strafbefreiend zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB), hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die zur Korrektur des Rücktrittshorizonts entwickelten Grundsätze (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mwN) nicht beachtet, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten.
9
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein unbeendeter Versuch auch dann in Betracht, wenn der Täter nach seinem Handeln den Erfolgseintritt zwar für möglich hält, unmittelbar darauf aber zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne den Erfolg doch nicht herbeiführen und er nunmehr von weiteren fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten zur Herbeiführung des Erfolges absieht (st. Rspr.; vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f.; Urteil vom 19. Juli 1987 - 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224; Beschlüsse vom 7. November 2001 - 2 StR 428/01, NStZ-RR 2002, 73 und vom 8. Juli 2008 - 3 StR 220/08, NStZ-RR 2008, 335). Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch - vom Täter wahrgenommen - zu körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt. So liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa in dem Fall, dass das Opfer noch in der Lage ist, sich vom Tatort wegzubewegen (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mit zahlr. Nachw.). Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben (BGH jeweils aaO).
10
b) Diese Grundsätze hat das Landgericht in beiden Fällen des versuchten Totschlags nicht erörtert, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten. Beiden Geschädigten war es nach den letzten vom Angeklagten ausgeführten Stichen gelungen, sich noch aus eigener Kraft vom Angeklagten loszureißen und wegzurennen, bevor sie letztlich entkräftet zusammenbrachen. Konkrete Feststellungen dazu, wel- che Distanz die beiden Geschädigten bis zu ihrem Zusammenbruch zurückgelegt hatten und ob der Angeklagte dies beobachtet und wahrgenommen hat, werden vom Landgericht nicht getroffen. Die bisherigen Feststellungen lassen es jedenfalls als möglich erscheinen, dass der Angeklagte, sofern er das Verhalten der Geschädigten alsbald nach der letzten Tathandlung beobachtet hat, nicht mehr davon ausging, diese tödlich verletzt zu haben. Das gilt auch für die Tat zum Nachteil des Geschädigten La. . Trotz des sehr knappen Zeitraums bis zum Beginn der Auseinandersetzung mit dem GeschädigtenE. (UA S. 16), ist nicht sicher ausgeschlossen, dass der Angeklagte das Weglaufen des Geschädigten La. wahrgenommen hat. Damit kann der Senat auf Grund dieses Erörterungsmangels das Vorliegen eines unbeendeten Versuchs nicht ausschließen.
11
3. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen jeweils tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f. und vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
12
4. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aber aufrechterhalten , da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht hat jedoch zusätzliche Feststellungen zur Frage des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch des Totschlags zu treffen, die mit den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.

III.

13
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
1. Nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts (UA S. 6/7) liegt bei dem Angeklagten spätestens seit Mitte 2015 ein polytoxikomaner Substanzmissbrauch vor, wobei der Angeklagte seit Juli 2015 seinen Konsum auf täglich 1,5 g Kokain steigerte und zum „Runterkommen“ und Entspannen auch seinen Cannabiskonsum zumindest am Wochenende aufrecht erhielt. Weiter konsumierte der Angeklagte in erheblichem Umfang auch Alkohol, wobei sich dies bei regelmäßigen „Feiern“ am Wochenende auf bis zu einer halben Fla- sche Wodka (0,7 l) steigerte. Im Rahmen seiner Ausführungen zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt geht das Landgericht (UA S. 53/54) davon aus, dass bei dem Angeklagten zwar ein schädlicher Gebrauch von Betäubungsmitteln oder Alkohol vorliegt, aber weder eine körperliche noch ein psychische Abhängigkeit gegeben ist, so dass es bereits an einem Hang fehlt, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, weil der Angeklagte seinen Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum in seinen Alltag „eingepasst“ und dieser keine wesentlichen Beeinträchtigungen des beruflichen und sozialen Lebensbereichs bewirkt hat. Auch bestünden „erhebliche Zweifel“ am Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Tat und Hang im Sinne des § 64 StGB, obwohl das Landgericht feststellt, dass beim Angeklagten ein sein Gehalt übersteigender Finanzbedarf bestand, den er durch Einnahmen illegaler Art und Weise zu steigern suchte (UA S. 9) und die vom Angeklagten gegenüber der B. er Gruppe geforderte „Schutzgeldzahlung“ von 5.000 Euro(UA S. 12) letztlich Auslöser für die körperlichen Auseinandersetzungen war.
15
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges und eines symptomatischen Zusammenhangs im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
16
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15; vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeitsund Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15).
17
b) Ein symptomatischer Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2015 - 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 6. November 2013 - 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 - 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mit- hin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Raum Bellay Radtke Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 646/16
vom
26. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2017:260117B1STR646.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 15. Juni 2016, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und davon abgesehen, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als Maßregel anzuordnen.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Dezember 2016 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.
4
1. Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige hat bei dem Angeklagten – auch tatzeitbezogen – ein Abhängigkeitssyndrom von synthetischen Cannabinoiden sowie ein missbräuchliches Konsumverhalten an der Grenze zur Abhängigkeit von Cannabis diagnostiziert (UA S. 36, 85). Insbesondere habe der Angeklagte trotz Wissens um die negativen Auswirkungen dieses Betäubungsmittelkonsums auf seine psychische Verfassung den Konsum fortgesetzt und ein körperliches Entzugssymptom bei Beendigung des Konsums entwickelt. Bei ihm sei eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums festzustellen. Anfang Dezember 2015 sei es nach dem Konsum einer Kräutermischung auch zur Bewusstlosigkeit des Angeklagten gekommen, was zu einer stationären Behandlung geführt habe (UA S. 12). Im Ergebnis spreche dies – gerade unter Berücksichtigung dieses letzten Vorfalls – dafür, dass bei dem Angeklagten bereits eine tief verwurzelte innere Disposition vorliege, synthetische Cannabinoide im Übermaß zu konsumieren (UA S. 85).
5
Gleichwohl geht das Landgericht im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB davon aus, dass bei dem An- geklagten „ein Hang nicht sicher festzustellen ist“(UA S. 87). Dies wird damit begründet, dass sich bei dem Angeklagten erhebliche psychosoziale Leistungseinbußen infolge des Konsums synthetischer Drogen nicht feststellen ließen und es auch am Arbeitsplatz weder zu Fehlzeiten noch zu irgendwelchen Beanstandungen seiner Leistungen gekommen sei. Auch im sozialen Bereich seien im maßgeblichen Zeitraum keine Defizite erkennbar gewesen (UA S. 88).
6
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat – rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist. Sie enthalten keine umfassende und widerspruchsfreie Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls bei der Entscheidung über die Maßregel.
7
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15; Urteile vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13, NStZ-RR 2014, 271). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15).
8
b) Diesem Maßstab genügen die Ausführungen des Landgerichts nicht. Auch wenn das Landgericht noch zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Feststellung eines Hanges nach § 64 StGB das Kriterium des Kontrollverlustes nicht voraussetzt (UA S. 87), hätte es sich im Folgenden nicht einseitig damit begnügen dürfen, die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Angeklagten zu erörtern. Vielmehr wäre eine nähere Auseinandersetzung mit der vom Sachverständigen diagnostizierten Abhängigkeitserkrankung des Angeklagten erforderlich gewesen. Dies umso mehr als sich durch den festgestellten Vorfall Anfang Dezember 2015 – und damit wenige Wochen vor der verfahrensgegenständlichen Tat – mit einem stationären Krankenhausaufenthalt nach dem Konsum einer Kräutermischung und der eingetretenen Bewusstlosigkeit durchaus Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Konsum synthetischer Cannabinoide bereits erhebliche negative Auswirkungen auf die Lebensgestaltung des Angeklagten hat.
9
3. Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel nicht vorliegen.
10
a) Dies gilt insbesondere für den für eine Unterbringung nach § 64 StGB erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Taten. Dieser ist anzunehmen, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 6. November 2013 – 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Das Landgericht hat eine Mitursächlichkeit der Abhängigkeit des Angeklagten für die verfahrensgegenständliche Tat selbst nicht ausgeschlossen (UA S. 88) und ist bei dem Angeklagten auch von einer „gewissen Enthem- mung“ auf Grund leichter Intoxikation zur Tatzeit (UA S. 86) ausgegangen. Wei- ter hat es die Feststellung getroffen, dass die Tat auf Grund von Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde (UA S. 67).
11
b) Einer Anordnung der Unterbringung steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte – wie vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung erörtert – von der Möglichkeit einer Zurückstellung nach § 35 BtMG Gebrauch machen kann und das Landgericht bereits in Aussicht gestellt hat, einem solchen Antrag stattzugeben (UA S. 68). Das begegnet schon deswegen Bedenken, da dies die Annahme einer Betäubungsmittelabhängigkeit voraussetzt und lässt besorgen, dass das Landgericht verkannt hat, dass die Unterbringung nach § 64 StGB der Zurückstellung der Strafvollstreckung vorgeht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 5. April 2016 – 3 StR 554/15, NStZ-RR 2016, 209 und vom 11. Juli 2013 – 3 StR 193/13 mwN); ein „Wahlrecht“ des Angeklagten besteht insoweit nicht.
12
4. Wegen des durch § 5 Abs. 3 JGG vorgegebenen sachlichen Zusammenhangs zwischen Strafe und Unterbringung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2013 – 2 StR 154/13 für § 64 StGB; vom 19. Dezember 2012 – 4StR 494/12, BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 3 und vom 18. Januar1993 – 5StR 682/92, BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 1, jeweils für § 63 StGB) ist auch der Strafausspruch aufzuheben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, eine Jugendstrafe zu verhängen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 2 StR 154/13 mwN). Die zum Rechtsfolgenausspruch getroffenenFeststel- lungen werden mit aufgehoben, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie eigene Feststellungen zu ermöglichen.
13
5. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Beschluss vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38,

362).

Raum Graf Cirener Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 482/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. Februar 2015 dahin abgeändert , dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet.
2
Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Der 37-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis , seit dem 16. Lebensjahr Kokain, LSD und Ecstasy sowie seit dem 17. Lebensjahr Heroin, zunächst intravenös, anschließend nur noch nasal, und ist in diesem Zusammenhang vielfach mit Betäubungsmitteldelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Vom 24. Oktober 2001 bis zum 25. März 2002 war er erstmals in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Die weitere Vollstreckung des Strafrests und der Unterbringung wurde im Dezember 2003 zur Bewährung ausgesetzt. Die Aussetzung des Strafrests wurde mit Beschluss vom 17. Dezember 2005 widerrufen und zugleich die Erledigung der angeordneten Unterbringung festgestellt. Vom 29. September 2005 bis zum 25. Oktober 2005 war der Angeklagte aufgrund eines Urteils vom 29. September 2005 erneut in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Nach Vollstreckung des Rests einer Freiheitsstrafe wurde die Unterbringung von Dezember 2005 bis zum 13. Februar 2006 weiter vollzogen. Anschließend verbüßte der Angeklagte den achtmonatigen Rest einer Freiheitsstrafe. Im September 2006 wurde die weitere Vollstreckung der Unterbringung bis Oktober 2008 zurückgestellt. Die Zurückstellung wurde im Januar 2008 widerrufen und die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vom 20. Februar 2008 bis 30. Juni 2010 weiter vollzogen. Mit Beschluss vom 22. Juni 2010 wurde der weitere Vollzug zur Bewährung ausgesetzt. In den Jahren 2004, 2005 und 2007 hielt sich der Angeklagte viermal stationär oder teilstationär zur Entgiftung und Entwöhnung in einer Entziehungsanstalt auf.
5
Vom 1. Juli 2010 bis zum 28. Februar 2014 erfolgte in der forensischpsychiatrischen Ambulanz der Entziehungsanstalt eine ambulante Nachsorgebehandlung. Anfang 2010 zog der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin zusammen und begann eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann. Er arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss diese Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits zuvor war ihm von seinem Arbeitgeber bei einem monat- lichen Verdienst von etwa 1300 € netto die Leitung des Fitnessstudios übertra- gen worden.
6
Im November 2011 begab sich der Angeklagte wegen einer akuten Erkrankung an Hepatitis B mit drohendem Leberversagen - bereits einige Jahre zuvor war er an chronischer Hepatitis C erkrankt - in ein Krankenhaus und wurde dort bis Anfang 2012 stationär behandelt. In dieser Zeit wurde er mit Heroin und Subutex rückfällig, nachdem es seit Dezember 2008 keine Rückfälle mehr gegeben hatte. Für beide Erkrankungen an Hepatitis war die ursprünglich intravenöse Art des Heroinkonsums ursächlich. Anfang 2012 wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und in verschiedenen Entziehungsanstalten mehrfach substitutionsbehandelt. Im Sommer 2013 reiste der Angeklagte in die Ukraine und ließ sich dort einen Opiatblocker implantieren, der die durch Opiate verursachten Wirkungen für die Dauer von etwa sechs Monaten aufhebt, wodurch der Patient zum Unterlassen des nun wirkungslosen Opiatkonsums motiviert werden soll. Der Angeklagte konsumierte, nachdem er am 15. April 2014 in Untersuchungshaft genommen worden war, in der Justizvollzugsanstalt weiterhin Heroin.
7
Während seiner Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann verkaufte der Angeklagte am 17. Dezember 2010 aus einer Menge von mindestens einem Kilogramm Heroin 40 g und erhielt hierfür vom Käufer 1000 € in bar. Am 1. Februar 2011 verkaufte er daraus an denselben Käufer 100 g Heroin zum Preis von 1800 €. Der Angeklagte handelte in beiden Fällen in Gewinnerzie- lungsabsicht. Das Heroin hatte der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben.
8
b) Die Strafkammer hat einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Der Angeklagte habe bereits zur Tatzeit an den gesundheitlichen Folgen seines langjährigen Heroinkonsums in Form einer chronischen Erkrankung an Hepatitis C gelitten und sei hierdurch sozial gefährdet gewesen. Bei einem langjährigen Konsum von Heroin, einem Rauschgift mit sehr großem „Abhängigkeitspotenzial“ , und der wiederholten Rückfälligkeit des Angeklagtenin der Vergangenheit könne das Fortbestehen eines Hangs nicht deswegen verneint werden, weil der Lebensweg des Angeklagten „Intervalle der Abstinenz“ auf- weise.
9
Damit ist die Kammer vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Dieser hatte für den Zeitraum vor der zum 30. Juni 2010 beendeten stationären Unterbringung und dann erneut ab Ende November 2011 eine körperliche und psychische Opiatabhängigkeit diagnostiziert, nicht aber für den Tatzeitraum , in welchem der Angeklagte seit mehr als zwei Jahren abstinent war. Das Fehlen eines Hangs hatte der Sachverständige damit begründet, dass für den Tatzeitraum keine erhebliche Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus zweifelsfrei festzustellen sei.
10
Die Strafkammer hat auch den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang zu übermäßigem Rauschmittelkonsum und der begangenen Tat bejaht und ist auch hier vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass bei einem erst Ende 2011 erfolgten Rückfall anzunehmen sei, dass der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, um sich Drogen und finanzielle Mittel für den Eigenkonsum zu beschaffen, sondern aus anderen Motiven, zum Beispiel aus Gewinnerzielungsabsicht. Schließlich sei das erworbene Heroin zum Weiterverkauf und nicht zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt gewesen. Dagegen begründet die Kammer den symptomatischen Zusammenhang mit der Überlegung, dass der Angeklag- te, der seine Heroinlieferanten dem Gericht nicht genannt hatte, „ohne Zweifel seine Kenntnisse und Kontakte zu seinen früheren Lieferquellen nutzte, um sich auch dieses Kilogramm Heroin zu beschaffen“.
11
Die Strafkammer hat eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) einer erneuten und damit der dritten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angenommen und ist der Auffassung des Sachverständigen auch in diesem Punkt nicht gefolgt. Der Sachverständige hatte dargelegt, beim Angeklagten fehle trotz dessen ausdrücklicher Erklärung, therapiebereit zu sein, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht. Er habe sehr früh mit dem Rauschmittelkonsum und der Delinquenz begonnen, habe verschiedene Suchtmittel gebraucht und einen verfestigten langjährigen Heroinkonsum; er habe mehrere Therapien erfolglos absolviert und bereits zwei Unterbringungen im Maßregelvollzug durchlaufen; er sei mit dem kriminellen Milieu verflochten, habe lange Zeiten der Freiheitsentziehung hinter sich, weise eine verminderte Frustrationstoleranz und gewisse dissoziale Persönlichkeitszüge auf und habe in der Justizvollzugsanstalt weiter Heroin konsumiert. Die positiv zu bewertenden Faktoren wie abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung, familiäre Bindungen , Erfahrungen in der Erwerbstätigkeit, Selbstentzug mit längerer Abstinenzphase hätten alle auch bereits zur Tatzeit vorgelegen.
12
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür , dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 364 f. und vom 31. Juli 2013 – 2 StR 620/12).
13
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts nicht, beim Angeklagten sei ein Hang gegeben, die abgeurteilte Tat habe Symptomwert für den Hang (§ 64 Satz 1 StGB) und es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
14
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8; vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 und vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198).
15
Die von der Strafkammer für das Vorliegen eines Hangs angeführte Erkrankung an Hepatitis C zur Tatzeit begründet für sich gesehen keine soziale Gefährdung des Angeklagten, sondern lediglich die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung. Feststellungen der Kammer, die eine soziale Gefährdung des Angeklagten auf Grund einer Neigung zum Rauschmittelkonsum in dieser Zeit belegen könnten, hat die Strafkammer nicht getroffen. Der Angeklagte war auch nicht nur für eine kurze Zeit abstinent, sondern über einen Zeitraum von etwa drei Jahren, ohne dass die Kammer irgendwelche Leistungsdefizite feststellen konnte. Im Gegenteil, er begann im Jahr 2010 eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann, arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss seine Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits vor Ausbildungsabschluss war ihm von seinem Arbeitgeber die Leitung des Fitnessstudios übertragen worden. Seine privaten Verhältnisse waren geordnet (UA S. 3). Er war so stabil, dass er trotz der über einen längeren Zeitraum vorhandenen Zugriffsmöglichkeit auf Heroin erst im November 2011 rückfällig wurde, also zehn Monate nach dem letzten festgestellten Verkauf (UA S. 10 ff.).
16
b) Beim Angeklagten fehlt es zudem an dem für die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB erforderlichen Symptomcharakter der abgeurteilten Tat.
17
Eine Tat hat dann Symptomcharakter, wenn sie in dem Hang ihre Wurzel findet, also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln hat (BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75), also – zumindest mitursächlich – auf den Hang zurückgeht (BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75).
18
Daran fehlt es. Dem Angeklagten ging es allein darum, das erworbene Heroin mit Gewinn zu veräußern (UA S. 10). Dass er für die Beschaffung des Heroins möglicherweise Kontakte zu früheren Lieferanten genutzt hat (UA S. 21), genügt nicht. Denn dieser Umstand begründet keine besondere hangbedingte Gefährlichkeit. Ohnehin hat die Strafkammer die Nutzung solcher Kontakte auch nicht festgestellt. Zur Herkunft des Heroins findet sich nur die Feststellung , dass es der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben und in der Hauptverhandlung zu seinem Lieferanten keine Angaben gemacht hat. Gemäß den Feststellungen in einer früheren Verurteilung (Bundeszentralregisterauszug Ziffer 7, UA S. 7, 8) bezog er damals das Heroin aus den Niederlanden.
19
Eine Betäubungsmittelabhängigkeit jedenfalls spielte für die verfahrensgegenständliche Tat keine Rolle, da der Angeklagte zum Zeitpunkt des Handeltreibens mit Heroin keine Drogen konsumierte.
20
Andere Delikte als solche der Beschaffungskriminalität kommen als Hangtaten nur dann in Betracht, wenn sich in ihnen die hangbedingte besondere Gefährlichkeit des Täters zeigt (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August2013 – 4StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich.
21
c) Darüber hinaus besteht beim Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts auch keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht. Der seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierende Angeklagte hat zahlreiche Therapieversuche unternommen, darunter auch zwei Unterbringungen gemäß § 64 StGB. Daneben kommen weitere ungünstige Umstände hinzu, die die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindern. Sowohl die Tat, die im Urteil unter Bundeszentralregisterauszug Ziffer 9 mitgeteilt ist, als auch die vorliegende Tat mit der bislang höchsten Betäubungsmittelmenge beging der Angeklagte nur wenige Monate nach der Entlassung aus einer Unterbringung während der ambulanten Nachsorge (UA S. 8, 9). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen lässt einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen.
22
4. Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 StGB auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sicher ausscheidet und die Anordnung der Maßregel für den Angeklagten eine zusätzliche Beschwer darstellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10), führt die gegen diese zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel.
23
Der Senat kann durch Beschluss entscheiden, da diese Folge allein zugunsten des Angeklagten wirkt.
24
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.2 Satz 2 StPO (BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 473 Rn. 16). Graf Jäger Mosbacher Fischer Bär

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 646/16
vom
26. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2017:260117B1STR646.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 15. Juni 2016, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und davon abgesehen, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als Maßregel anzuordnen.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Dezember 2016 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.
4
1. Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige hat bei dem Angeklagten – auch tatzeitbezogen – ein Abhängigkeitssyndrom von synthetischen Cannabinoiden sowie ein missbräuchliches Konsumverhalten an der Grenze zur Abhängigkeit von Cannabis diagnostiziert (UA S. 36, 85). Insbesondere habe der Angeklagte trotz Wissens um die negativen Auswirkungen dieses Betäubungsmittelkonsums auf seine psychische Verfassung den Konsum fortgesetzt und ein körperliches Entzugssymptom bei Beendigung des Konsums entwickelt. Bei ihm sei eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums festzustellen. Anfang Dezember 2015 sei es nach dem Konsum einer Kräutermischung auch zur Bewusstlosigkeit des Angeklagten gekommen, was zu einer stationären Behandlung geführt habe (UA S. 12). Im Ergebnis spreche dies – gerade unter Berücksichtigung dieses letzten Vorfalls – dafür, dass bei dem Angeklagten bereits eine tief verwurzelte innere Disposition vorliege, synthetische Cannabinoide im Übermaß zu konsumieren (UA S. 85).
5
Gleichwohl geht das Landgericht im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB davon aus, dass bei dem An- geklagten „ein Hang nicht sicher festzustellen ist“(UA S. 87). Dies wird damit begründet, dass sich bei dem Angeklagten erhebliche psychosoziale Leistungseinbußen infolge des Konsums synthetischer Drogen nicht feststellen ließen und es auch am Arbeitsplatz weder zu Fehlzeiten noch zu irgendwelchen Beanstandungen seiner Leistungen gekommen sei. Auch im sozialen Bereich seien im maßgeblichen Zeitraum keine Defizite erkennbar gewesen (UA S. 88).
6
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat – rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist. Sie enthalten keine umfassende und widerspruchsfreie Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls bei der Entscheidung über die Maßregel.
7
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15; Urteile vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13, NStZ-RR 2014, 271). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15).
8
b) Diesem Maßstab genügen die Ausführungen des Landgerichts nicht. Auch wenn das Landgericht noch zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Feststellung eines Hanges nach § 64 StGB das Kriterium des Kontrollverlustes nicht voraussetzt (UA S. 87), hätte es sich im Folgenden nicht einseitig damit begnügen dürfen, die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Angeklagten zu erörtern. Vielmehr wäre eine nähere Auseinandersetzung mit der vom Sachverständigen diagnostizierten Abhängigkeitserkrankung des Angeklagten erforderlich gewesen. Dies umso mehr als sich durch den festgestellten Vorfall Anfang Dezember 2015 – und damit wenige Wochen vor der verfahrensgegenständlichen Tat – mit einem stationären Krankenhausaufenthalt nach dem Konsum einer Kräutermischung und der eingetretenen Bewusstlosigkeit durchaus Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Konsum synthetischer Cannabinoide bereits erhebliche negative Auswirkungen auf die Lebensgestaltung des Angeklagten hat.
9
3. Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel nicht vorliegen.
10
a) Dies gilt insbesondere für den für eine Unterbringung nach § 64 StGB erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Taten. Dieser ist anzunehmen, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 6. November 2013 – 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Das Landgericht hat eine Mitursächlichkeit der Abhängigkeit des Angeklagten für die verfahrensgegenständliche Tat selbst nicht ausgeschlossen (UA S. 88) und ist bei dem Angeklagten auch von einer „gewissen Enthem- mung“ auf Grund leichter Intoxikation zur Tatzeit (UA S. 86) ausgegangen. Wei- ter hat es die Feststellung getroffen, dass die Tat auf Grund von Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde (UA S. 67).
11
b) Einer Anordnung der Unterbringung steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte – wie vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung erörtert – von der Möglichkeit einer Zurückstellung nach § 35 BtMG Gebrauch machen kann und das Landgericht bereits in Aussicht gestellt hat, einem solchen Antrag stattzugeben (UA S. 68). Das begegnet schon deswegen Bedenken, da dies die Annahme einer Betäubungsmittelabhängigkeit voraussetzt und lässt besorgen, dass das Landgericht verkannt hat, dass die Unterbringung nach § 64 StGB der Zurückstellung der Strafvollstreckung vorgeht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 5. April 2016 – 3 StR 554/15, NStZ-RR 2016, 209 und vom 11. Juli 2013 – 3 StR 193/13 mwN); ein „Wahlrecht“ des Angeklagten besteht insoweit nicht.
12
4. Wegen des durch § 5 Abs. 3 JGG vorgegebenen sachlichen Zusammenhangs zwischen Strafe und Unterbringung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2013 – 2 StR 154/13 für § 64 StGB; vom 19. Dezember 2012 – 4StR 494/12, BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 3 und vom 18. Januar1993 – 5StR 682/92, BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 1, jeweils für § 63 StGB) ist auch der Strafausspruch aufzuheben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, eine Jugendstrafe zu verhängen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 2 StR 154/13 mwN). Die zum Rechtsfolgenausspruch getroffenenFeststel- lungen werden mit aufgehoben, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie eigene Feststellungen zu ermöglichen.
13
5. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Beschluss vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38,

362).

Raum Graf Cirener Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 379/15
vom
25. November 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Beihilfe zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu
Dopingzwecken im Sport u.a.
zu 2. und 3.: Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken
im Sport u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:251115B1STR379.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten N. und S. wird das Urteil des Landgerichts München I vom 13. März 2015, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das vorgenannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch,
b) soweit von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Beihilfe zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten N. wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in 19 Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten , den Angeklagten S. hat es wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in 35 Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken in einem Fall auch in Tateinheit mit Inverkehrbringen von bedenklichen Arzneimitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der gegen die AngeklagtenA. und N. verhängten Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf Sachrüge und Verfahrensrügen gestützten Revisionen.
2
Die Rechtsmittel haben mit der im Kern gleich lautenden Verfahrensrüge Erfolg, soweit es den Strafausspruch betrifft. Mit Ausnahme der unterbliebenen Anordnung des § 64 StGB in Bezug auf den Angeklagten A. sind die weitergehenden Revisionen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Nach dem durch das Protokoll der Hauptverhandlung bestätigten Vorbringen der Angeklagten hat ihnen das Landgericht entgegen § 258 Abs. 2, 2. Halbsatz und Abs. 3 StPO nicht das letzte Wort gewährt.
4
Der Senat kann im Hinblick auf das geständige Einlassungsverhalten der Angeklagten und die ansonsten gegebene Beweislage ausschließen, dass auf diesem Verfahrensfehler der Schuldspruch beruht. Dies gilt auch für den Angeklagten S. , der – zwar ausweislich des Protokolls auch am Tag der Urteilsverkündung etliche Erklärungen abgegeben hat – nun mit der Revision vorträgt, er hätte für den Fall der Gewährung des letzten Wortes in diesem sein Geständnis widerrufen. Das Landgericht hat die Überführung des Angeklagten S. rechtsfehlerfrei auf andere Beweismittel gestützt und dem Geständnis nur eine „nachrangige Bedeutung“ zugemessen. Vor diesem Hintergrund ist auszu- schließen, dass die Gewährung des letzten Wortes den Schuldspruch beeinflusst hätte.
5
Nicht auszuschließen ist indes, dass eine verfahrensabschließende Äußerung der Angeklagten Einfluss auf den Strafausspruch genommen hätte.
6
2. Auch die Nichtanordnung des § 64 StGB im Hinblick auf den Angeklagten A. hat keinen Bestand.
7
Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, beim Angeklagten A. liege ein Hang im Sinne des § 64 StGB vor. Dieser sei auch „hangbedingt gefährlich“, da der durch den Rauschmittelkonsum bedingte Geldbedarf des Angeklagten das Motiv für die Tat dargestellt habe. Dennoch fehle es an dem symptomatischen Zusammenhang zwischen der Tat und dem Hang des Angeklagten. Diese Begründung trägt das Absehen von der Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt nicht; denn sie steht im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen, wonach der Angeklagte die Tat aus einer „auch durch seinen Drogenkonsum bedingten finanziellen Bedarfslage heraus beging“.
8
Ein symptomatischer Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 6. No- vember 2013 – 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Das mag zwar im Einzelfall dennoch auszuschließen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2003 – 1 StR 406/03, NStZ-RR 2004, 39), hier hat das Landgericht hingegen mehrmals im Urteil dargelegt, dass der Hang des Angeklagten die Wurzel zu seiner Straffälligkeit bildet.
9
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 3 StR 193/13; Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Der Be- schwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Graf Jäger Cirener Radtke Bär