Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2018 - 2 StR 174/18

bei uns veröffentlicht am06.06.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 174/18
vom
6. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:060618B2STR174.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 2. und 3. auf dessen Antrag – am 6. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 21. August 2017 im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Nebenkläger W. den gesamten zukünftig entstehenden materiellen Schaden aus dem Tatgeschehen vom 20. Dezember 2016 zu erstatten, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergehen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord und gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 10.000 € nebst Zinsen an den Nebenkläger W. verurteilt. Außerdem hat es dem Adhäsions- antrag entsprechend festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, „dem Nebenkläger W. den gesamten materiellen Schaden aus dem Mordversuch vom 20.12.2016 zu ersetzen“, soweit entsprechende Ansprüche nicht auf Dritte übergehen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. a) Die Adhäsionsentscheidung hält rechtlicher Prüfung demgegenüber nicht in vollem Umfang stand.
4
Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Nebenkläger den gesamten gegenwärtigen materiellen Schaden aus dem Tatgeschehen vom 20. Dezember 2016 zu ersetzen, soweit entsprechende Ansprüche nicht auf Dritte übergehen. Hinsichtlich der bereits eingetretenen materiellen Schäden fehlt es an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Denn der Nebenkläger hat weder geltend gemacht noch ist sonst ersichtlich, dass er nicht in der Lage ist, diese Schäden schon jetzt zu beziffern.
5
Unberührt davon bleibt hingegen die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Nebenkläger W. sämtliche künftig entstehenden materiellen Schäden aus dem Tatgeschehen vom 20. Dezember 2016 zu ersetzen , soweit entsprechende Ansprüche nicht auf Dritte übergehen. Der Feststellungsantrag bezieht sich auch auf künftig entstehende Schäden; das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist ausreichend belegt.
Insoweit ist eine Änderung der Feststellungsentscheidung nicht veranlasst. Einer weiteren Ergänzung der Urteilsformel dahin, von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO), bedurfte es nicht, da das Landgericht bereits entsprechend tenoriert hat.
6
b) Im Übrigen bestehen gegen den Adhäsionsausspruch keine Bedenken. Insbesondere erweist es sich nicht als rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die begrenzten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 28. November 2017 – 5 StR 438/17, NStZ-RR 2018, 55; vom 11. Juli 2017 – 3 StR 231/17, BGHR StPO § 403 Anspruch 10; Senat, Beschluss vom 11. Mai 2017 – 2 StR 324/14, NStZ 2018, 25, 26).
7
3. Angesichts des geringen Erfolges der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Schäfer Appl Zeng Grube Schmidt

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2018 - 2 StR 174/18

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2018 - 2 StR 174/18

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2018 - 2 StR 174/18 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 406 Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung


(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die

Strafprozeßordnung - StPO | § 403 Geltendmachung eines Anspruchs im Adhäsionsverfahren


Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverf

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2018 - 2 StR 174/18 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2018 - 2 StR 174/18 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Mai 2017 - 2 StR 324/14

bei uns veröffentlicht am 11.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 324/14 vom 11. Mai 2017 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung ECLI:DE:BGH:2017:110517B2STR324.14.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2017 gemäß § 406a Abs. 2 Satz 2 StPO beschlossen

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2017 - 5 StR 438/17

bei uns veröffentlicht am 28.11.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 438/17 vom 28. November 2017 in der Strafsache gegen wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:281117B5STR438.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Gene

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 438/17
vom
28. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:281117B5STR438.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 6. April 2017 dahin ergänzt,
a) dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) dass die Leistungen, die im Rahmen der für die einbezogene Strafe gewährten Strafaussetzung zur Bewährung erbracht worden sind, mit zwei Monaten auf die Gesamtstrafe angerechnet werden.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die weiteren Kosten seines Rechtsmittels , die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Neben- und Adhäsionskläger in der Revisionsinstanz erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Schwedt/Oder vom 17. März 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es zugunsten des Nebenklägers eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft von einem Teilfreispruch abgesehen , soweit dem Angeklagten mit der Anklage tatmehrheitlich eine versuchte Nötigung zur Last gelegt worden war. Dem war das Landgericht im Eröffnungsbeschluss gefolgt. Da es hinsichtlich dieses Tatvorwurfs keine eine Verurteilung tragenden Feststellungen hat treffen können (UA S. 19), hätte es den Angeklagten teilweise freisprechen müssen, um den Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen. Insofern kam der dem Urteil nunmehr zugrundegelegten geänderten konkurrenzrechtlichen Bewertung der vom Angeklagten begangenen Körperverletzungen , nach der bei einem Tatnachweis das Nötigungsdelikt in Tateinheit mit der späteren Körperverletzung gestanden hätte, keine Bedeutung zu (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1998 – 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196, 202; Beschlüsse vom 30. Mai 2008 – 2 StR 174/08, NStZ-RR 2008, 287, und vom 30. Mai 2017 – 5 StR 135/17 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 260 Rn. 13).
3
2. Der Gesamtstrafenausspruch bedarf einer Ergänzung, soweit eine Entscheidung über die Anrechnung von Leistungen des Angeklagten im Zusammenhang mit der im Urteil des Amtsgerichts Schwedt/Oder vom 17. März 2016 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung unterblieben ist.
4
Nach den Feststellungen war die Vollstreckung der bei Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe einbezogenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt worden. Die dem Angeklagten hierbei auferlegten Bewährungsauflagen in Form der Erbringung von 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit hatte er umfassend erfüllt. Danach hätte sich die Strafkammer gedrängt sehen müssen, die Voraussetzungen für eine Anrechnung auf Bewährungsauflagen erbrachter Leistungen gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB zu prüfen und in den Urteilsgründen zu erörtern. Nach dieser Regelung sind Leistungen, die auf Bewährungsauflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 StGB erbracht worden sind, nicht – wie vorliegend geschehen – bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen, sondern durch eine die Vollstreckung verkürzende Anrechnung auf die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe auszugleichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. März 1990 – 1 StR 283/89, BGHSt 36, 378, 382 f., und vom 17. September 2013 – 1 StR 489/13 mwN).
5
Der Senat holt die versäumte Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nach und setzt die Anrechnungsdauer auf zwei Monate fest (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 – 3 StR 442/13, NStZ-RR 2014, 138 mwN).
6
3. Gegen den Adhäsionsausspruch bestehen keine Bedenken. Insbesondere durfte das Landgericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die begrenzten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigen.
7
Wie die Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs in ihrer Entscheidung vom 16. September 2016 klargestellt haben, können bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Das Gesetz sieht in § 253 Abs. 2 BGB für den Ausgleich immaterieller Schäden mithin keine starre Regelung, sondern eine billige Entschädigung vor, ohne dem Tatgericht hinsichtlich der zu berücksichtigenden oder berücksichtigungsfähigen Umstände Vorgaben zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16, BGHZ 212, 48, 55, 60 f.; siehe auch schon BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151 f.).
8
Geboten sind Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung danach nur, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS1/16, aaO, S. 69 f.). Aus diesem Gebot für Ausnahmefallgestaltungen, das die Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs auf die Frage formuliert haben, ob im Urteil Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schädigers oder des Geschädigten getroffen und Erörterungen zu ihrem Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung vorgenommen werden m ü s s e n (BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16, aaO, S. 69), lässt sich kein zur Annahme eines Rechtsfehlers führendes Verbot ableiten , die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten zu berücksichtigen, selbst wenn sie dem Fall noch kein besonderes Gepräge geben (zutr. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2017 – 3 StR 231/17, und vom 30. August 2017 – 4 StR 255/17, gegen BGH, Beschluss vom 11. Mai 2017 – 2 StR 324/14). Ei- ne solche Schlussfolgerung liefe geradezu dem Ergebnis der Auslegung des § 253 Abs. 2 BGB zuwider, wonach das Tatgericht bei der Bemessung der billigen Entschädigung a l l e Umstände des Einzelfalls soll berücksichtigen dürfen (BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16, aaO, S. 61).
9
Die Berücksichtigung der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes durch die Strafkammer hat daher ungeachtet des Umstands, dass sie sich nicht zu seinem Nachteil auswirkte, den Bestand des Adhäsionsausspruchs nicht gefährdet.
10
4. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt keine Kostenteilung gemäß § 473 Abs. 4 StPO.
Sander Dölp König
Berger Mosbacher

Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes. Das gleiche Recht steht auch anderen zu, die einen solchen Anspruch geltend machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 324/14
vom
11. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2017:110517B2STR324.14.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2017 gemäß § 406a Abs. 2 Satz 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 17. April 2014 wird verworfen, auch soweit sie sich gegen die Adhäsionsentscheidung richtet. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 17. April 2014 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem hat es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, ihr allen künftigen immateriellen Schaden aus der Tat zu ersetzen. Der Senat hat die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten durch Beschluss vom 9. April 2015 verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet. Zugleich hat er die Entscheidung über die Revision gegen die im vorgenannten Urteil des Landgerichts getroffene Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels im Hinblick auf das mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim Großen Senat für Zivilsachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der Bemes- sung eines Schmerzensgeldes zurückgestellt und sie einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Nach der Entscheidung der Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs vom 16. September 2016 - VGS 1/16 (JR 2017, 179 ff.), denen der Senat mit Beschluss vom 14. April 2016 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 - die Frage vorgelegt hatte, ob bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten berücksichtigt werden dürfen, und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr die gegen die Adhäsionsentscheidung gerichtete Revision des Angeklagten zu verwerfen.

I.

2
Die Vereinigten Großen Senate haben entschieden, dass bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB847 BGB a.F.) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (BGH, Beschluss vom 16. September 2016 - VGS 1/16).
3
Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung , die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtuungsfunktion , st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 154 ff.; BGH, Urteile vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 4 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 93/94, BGHZ 128, 117, 120 f.).
4
Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen Entschädigung. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immaterielle Schäden nicht wegzudenken ist, eine besondere Bedeutung.
5
Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den Schadensfall hervorgerufene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem zum Ausdruck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Berücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet (BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157; Urteil vom 16. Januar 1996 - VI ZR 109/95, NJW 1996, 1591).
6
Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung im Vordergrund. Daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers (Vereinigte Große Senate, aaO, Rn. 55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung einer „armen“ Partei durch einen vermögenden Schädiger etwa bei einem außergewöhnlichen „wirtschaftlichen Gefälle“ sein (Vereinigte Große Se- nate, aaO, Rn. 57). Indem der Tatrichter im ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt und gewichtet , dabei gegebenenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist (Vereinigte Große Senate, aaO, Rn. 56, 70).
7
Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägenden einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung , in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein dem einzelnen Fall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzusetzen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten (Vereinigte Große Senate, aaO, Rn. 72).
8
Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
9
Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagten und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. Ausnahmsweise ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen Ver- hältnisse dem Fall ein „besonderes Gepräge“ geben. Dies ist etwa bei einem wirtschaftlichen Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Fall kein besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
10
Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen Erwä- gungen im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben, hingegen liegt es nahe, dass die Einbeziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des Tatopfers zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.

II.

11
An diesen Maßstäben gemessen begegnet die Adhäsionsentscheidung des angefochtenen Urteils keinen Bedenken. Das Landgericht hat sich für die Bemessung des Schmerzensgeldes an dem Ausmaß des begangenen Tatunrechts und den Folgen für das Opfer orientiert. Da sich in den Urteilsgründen keine Anhaltspunkte dafür finden, dass etwa ein außergewöhnliches Gefälle zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen von Täter und Opfer und deshalb ein Fall vorliegt, in dem die wirtschaftliche Situation der Sache ein besonderes Gepräge gibt, war die Außerachtlassung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin - entgegen bisheriger Rechtsprechung der Strafsenate - nicht zu beanstanden. Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.