Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2017 - 2 StR 103/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 30 Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen. Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils weisen wie auch die Einziehungsentscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 2. Das Urteil kann jedoch nicht bestehen bleiben, soweit die Strafkammer von der Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.
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- Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte in den Jahren 2007 bis 2010 obdachlos und hat während dieser Zeit Alkohol getrunken und Drogen (Cannabis, Amphetamin) konsumiert. Der Obdachlosigkeit ist er mit Hilfe seines Bewährungshelfers entkommen; er wohnt seit Mitte des Jahres 2016 in einem Übergangswohnheim für Obdachlose. Die Strafkammer geht auf Grund der Angaben des Angeklagten davon aus, dass er noch gelegentlich Betäubungsmittel konsumiert, überwiegend Amphetamin, aber auch Cannabis und LSD. Für den Tatzeitraum zwischen Januar und November 2014 stellt das Landgericht fest, dass der Angeklagte täglich 2 bis 3 Gramm Amphetamin zu sich genommen habe, wobei bereits eine gewisse Gewöhnung an die Substanz eingetreten sei und diese Menge nur noch eine geringe Wirkung zeige.
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- a) Die Strafkammer hat einen Hang im Sinne des § 64 StGB mit der Erwägung verneint, bei dem Angeklagten liege eine bloße Neigung vor, alkoholische Getränke und auch Betäubungsmittel zu sich zu nehmen, aber kein Hang, da es an handlungsleitenden Auswirkungen des Rauschmittelmissbrauchs fehle. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- Das Landgericht geht von einem zu engen Verständnis des Begriffs des Hangs aus. Angesichts der Feststellungen der Strafkammer zum Konsumverhalten des Angeklagten liegt es nahe, dass bei ihm noch immer eine eingewurzelte , aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung gegeben ist, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 246). Es ist angesichts der Lebensumstände des Angeklagten auch davon auszugehen, dass er – wie es die Rechtsprechung darüber hinaus verlangt – aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint, wovon beim Vorliegen von Beschaffungskriminalität – wie hier – ausgegangen werden kann (vgl. BGH StV 2008, 76). Dass sich gegenüber dem Tatzeitraum im Jahre 2014 trotz der Lösung aus dem Obdachlosenmilieu eine durchgreifende Änderung des Einflusses von Betäubungsmitteln auf den Angeklagten ergeben hätte, lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht entnehmen.
- 7
- b) Das Landgericht hat die Erfolgsaussichten einer Therapie mit der Erwägung verneint, der Angeklagte konsumiere seit über neun Jahren mehr oder wenig häufig Alkohol und Betäubungsmittel. Einer ihm mit Beschluss aus dem Jahre 2010 auferlegten stationären Drogen- und Alkoholtherapie habe er mehr als sechs Jahre später noch keine Folge geleistet, was seine Weigerung an der ernsthaften Teilnahme an einer Therapie eindrucksvoll belege. Diese Verneinung der Erfolgsaussicht, mag sie noch belegen, dass es angesichts einer Therapieunwilligkeit des Angeklagten aktuell an der konkreten Erfolgsaussicht fehlt, greift zu kurz und ist deshalb rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Das Landgericht hätte sich schon angesichts des Umstands, dass der Angeklagte, wenn auch unter dem Eindruck der bevorstehenden Hauptverhandlung, drei Mal ein Suchthilfezentrum aufgesucht hatte, mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob eine Therapiebereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung geweckt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 2 StR 180/09).
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- c) Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5; BGH NStZ-RR 2008, 107). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.). Krehl Eschelbach Bartel Grube Schmidt
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.