Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2019 - 2 StR 102/19

bei uns veröffentlicht am17.04.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 102/19
vom
17. April 2019
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:170419B2STR102.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 17. April 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 26. November 2018 in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafen sowie im Ausspruch über den Vorwegvollzug mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen. Es hat ihn deswegen unter Auflösung zweier Gesamtstrafen zu einer aus den mit Strafbefehl vom 2. November 2015, mit Urteil vom 18. Februar 2016 und mit Urteil vom 27. September 2016 zu den dortigen Fällen 1 und 3 der Urteilsgründe verhängten (Einzel-)Strafen gebildeten ersten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten sowie unter Einbeziehung der mit Urteil vom 27. September 2016 zu den dortigen Fällen 2 und 4 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Es hat ferner die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass zehn Monate der erkannten Gesamtfreiheitsstrafen vorweg zu vollziehen sind.
2
Die hiergegen gerichtete und mit der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Während der Schuldspruch, die Bemessung der verhängten Einzelstrafe und die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keine den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler erkennen lassen, können die Gesamtstrafaussprüche und in deren Folge auch der Ausspruch über den Vorwegvollzug keinen Bestand haben.
3
1. Bei der Bildung der Gesamtstrafen hat das Landgericht zutreffend die gegen den Angeklagten verhängten früheren Gesamtstrafen aufgelöst und der Entscheidung des Amtsgerichts Königstein vom 2. November 2015 Zäsurwirkung beigemessen mit der Folge, dass aus den für Taten vor dem 2. November 2015 bereits verhängten Einzelstrafen einerseits und aus der für vorliegende, am 10. Januar 2016 begangene Tat verhängten und den die Taten am 14. Dezember 2015 und am 10. November 2015 betreffenden Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Limburg vom 27. September 2016 andererseits jeweils eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Die teilweise Vollstreckung der mit Urteil vom 27. September 2016 gebildeten Gesamtstrafe steht dem nicht entgegen, da alle Einzelstrafen, die dieser Gesamtstrafe zugrunde lagen, noch nicht erledigt im Sinne von § 55 Abs. 1 StGB sind (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2012 – 1 StR 530/11, NStZ 2012, 380, 381).
4
2. Soweit die Strafkammer eine zweite Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten ausgesprochen hat, begegnet es indes durchgreifenden Bedenken, dass sie hierbei eine weitere, in den Urteilsgründen mitgeteilte Verurteilung des Angeklagten nicht berücksichtigt. Die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Er darf dies in der Regel nicht dem Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen. Hiervon ausgehend hätte die mit Urteil des Amtsgerichts Limburg vom 17. Januar 2017 gegen den Angeklagten wegen eines am 19. Juli 2016 begangenen Betäubungsmitteldelikts rechtskräftig verhängte unbedingte Freiheitsstrafe bei der hier zu bildenden Gesamtstrafe Berücksichtigung finden müssen. Eine Erledigung , die einer Gesamtstrafenbildung entgegengestanden hätte, oder sonstige Gründe, die es ausnahmsweise gerechtfertigt hätten, die Gesamtstrafenbildung dem Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO zu überlassen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 – 1 StR 369/03, NStZ 2005, 32), sind weder mitgeteilt noch ersichtlich. Über die Gesamtstrafenbildung muss daher neu befunden werden; maßgebend ist die Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 497/16, NStZ-RR 2017, 169 mwN).
5
3. Der Senat hebt auch die im Übrigen gebildete Gesamtstrafe von zwei Jahren und vier Monaten auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, das Gesamtstrafübel in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1999 – 3 StR 309/99, NStZ 2000, 137 f.). Einer Entscheidung darüber, ob das angefochtene Urteil dem Begründungserfordernis bei der Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.; Beschluss vom 8. Februar 2011 – 4 StR 658/10 Rn. 2 und vom 3. Mai 2011 – 3 StR 110/11 Rn. 3 ff.) noch genügt, bedarf es deshalb nicht.
6
4. Die Aufhebung der Gesamtstrafaussprüche zieht die Aufhebung des Ausspruchs über den Vorwegvollzug nach sich. Müssen wegen der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung zwei Gesamtstrafen gebildet werden, ist die Vorschrift über die Reihenfolge der Vollstreckung (§ 67 StGB) auf beide Strafen anzuwenden, so dass auch die Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB für beide Strafen nicht getrennt, sondern einheitlich gilt. Bei der Berechnung des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB ist somit von der Summe beider Gesamtstrafen und der Hälfte hiervon auszugehen (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 1 StR 162/14, NStZ-RR 2014, 368 f.).
Appl Krehl Eschelbach Meyberg Schmidt

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 530/11
vom
6. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. März 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 2. August 2011 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StGB zuständigen Gericht vorbehalten.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus anderen Verurteilungen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt, unter Aufrechterhaltung zweier Maßregeln der Besserung und Sicherung. Mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten eingelegten, wirksam auf den Gesamtstrafenausspruch beschränkten und mit der Sachrüge begründeten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Gesamtstrafenbildung. Zu Unrecht habe das Landgericht die mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bayreuth vom 13. April 2007 verhängte Strafe als vollstreckt und damit als erledigt im Sinne von § 55 Abs. 1 StGB angesehen. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

II.

2
1. Der jetzigen Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
3
Ende 2007 erwarb der Angeklagte zwei Kilogramm Haschisch, um aus dem Weiterverkauf des Rauschmittels Gewinn zu erzielen. Einen geringen Teil der Droge konsumierte der Angeklagte selbst.
4
Dafür hat die Strafkammer eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt.
5
2. Bei der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB hat das Landgericht Einzelstrafen aus den Verurteilungen vom 6. November 2007, 13. Mai 2009, 14. Oktober 2009 und 24. Januar 2008 (Berufungsurteil) einbezogen, einmal unter Auflösung einer früheren Gesamtstrafe. Unberücksichtigt ließ die Strafkammer den Strafbefehl des Amtsgerichts Bayreuth vom 13. April 2007.
6
Dies hat die Strafkammer wie folgt begründet:
7
Da ein großer Teil der vom Landgericht Bayreuth mit Urteil vom 13. Mai 2009 gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe, in die die Strafe aus dem Strafbefehl einbezogen worden war, bereits vollstreckt ist (im Anschluss an die vollständige Verbüßung der mit Urteil des Amtsgerichts Bayreuth vom 6. November 2007 verhängten Freiheitsstrafe bis zum 11. April 2009), sei die mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bayreuth vom 13. April 2007 verhängte Geldstrafe „zu Gunsten des Angeklagten als bereits vollstreckt anzusehen“.

III.

8
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Vollstreckung einer Gesamtstrafe, deren Höhe die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf (§ 54 Abs. 2 Satz 1 StGB), stellt sich als einheitlicher Vorgang dar und nicht als sukzessive Vollstreckung der einbezogenen Einzelstrafen (etwa unter primärer Anrechnung auf die lästigste Sanktion entsprechend dem Rechtsgedanken des § 366 Abs. 2 BGB). Durch die Bildung der Gesamtstrafe verlieren die Einzelstrafen ihre selbständige Bedeutung (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1954 - 3 StR 189/54 -, BGHSt 7, 180, 182). Es kann nurmehr die Gesamtstrafe vollstreckt werden (BGH, Urteil vom 6. Juli 1956 - 2 StR 37/55 -, BGHSt 9, 370, 385). Die Annahme einer fiktiven Vollstreckung einer einbezogenen Einzelstrafe widerspricht deshalb den gesetzlichen Vorgaben des § 55 Abs. 1 StGB. Die Anrechnung der bisher verbüßten Strafe gehört im Übrigen zur Strafzeitberechnung , für die die Vollstreckungsbehörde und nicht das erkennende Gericht zuständig ist (BGH, Beschluss vom 25. Januar 1967 - 2 StR 424/66 -, BGHSt 21, 186; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl. Rn. 694).
9
Entfällt eine teilweise vollstreckte Gesamtstrafe im Rahmen einer neuen nachträglichen (§ 55 StGB) Gesamtstrafenbildung, so sind deshalb alle Einzelstrafen , die der entfallenen Gesamtstrafe zugrunde lagen, noch nicht erledigt im Sinne von § 55 Abs. 1 StGB (so - der Sache nach - auch BayObLG, Beschluss vom 13. September 1957 - 3 St 29/57 -, NJW 1957, 1810).
10
Über die Gesamtstrafenbildung muss daher neu befunden werden. Maßgebend ist die Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung (BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2010 - 3 StR 368/10 -, Rn. 2; vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11 - , Rn. 5, jew. mwN).

IV.

11
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO zu entscheiden.
12
Die Vorschrift findet nicht nur bei den Angeklagten beschwerenden, sondern auch - auf die Revision der Staatsanwaltschaft - bei ihn begünstigenden Rechtsfehlern Anwendung (BGH, Urteil vom 30. November 2006 - 4 StR 278/06 -, Rn. 9).
13
Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung aus den rechtskräftigen Einzelstrafen obliegt dem nach § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 - 1 StR 635/09 -, Rn. 23; Beschluss vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 430/04).
14
Der Senat kann vorliegend die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels nach § 473 Abs. 4 StPO nicht selbst treffen. Darüber hat deshalb das für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständige Gericht zusammen mit der abschließenden Sachentscheidung zu befinden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2004 - 4 StR 426/04 -, BGHR StPO § 354 Ib 1 Entscheidung

3).

Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Sander

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 369/03
vom
17. Februar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Februar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25. März 2003 wird verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit dem Führen einer halbautomatischen Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm in zwei Fällen, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Freiheitsberaubung, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner wirksam beschränkten Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Rechtsfolgenausspruch. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Strafkammer habe insbesondere die Voraussetzungen für die Annahme minder schwerer Fälle zu Unrecht verneint, jedenfalls unzureichend erörtert. Außerdem sei die Ablehnung erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB rechtsfehlerhaft. Der Generalbundesanwalt ist der Auffassung , die Gesamtstrafe könne wegen Nichtbeachtung der Vorschrift über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) keinen Bestand haben. Der Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt.

II.


Das Landgericht hat festgestellt:
Am 9. September 2001 überfielen der Angeklagte und sein rechtskräftig verurteilter Mittäter D. F. - beide mit einem geladenen Revolver bewaffnet und maskiert - die Spielhalle "P. " in R. . Sie bedrohten einen Angestellten mit ihren Waffen, verbrachten ihn ins Untergeschoß des Hauses zu den Toiletten und fesselten ihn mit Klebeband an einen Pfosten. Dann brachen sie Spielautomaten auf und erbeuteten 700,-- DM und richteten einen Sachschaden von 2.000,-- DM an.
Mit den gleichen Waffen überfielen sie - wiederum maskiert - am 24. September 2001 die Spielhalle "Re. " in B. . Sie bedrohten den Geschäftsführer vor dem Gebäude mit ihren Waffen, verklebten ihm mit Klebeband die Augen, nahmen ihm den Hausschlüssel ab, öffneten und brachen wiederum mehrere Spielautomaten auf. Die Beute betrug 4.000,-- DM, der Sachschaden 8.000,-- DM.

III.


1. Soweit sich die Revision gegen die beiden Einzelstrafen in Höhe von sechs Jahren und sechs Monaten sowie von fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe richtet, ist sie aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift vom 22. August 2003 dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere lag die - mit ausreichender Begründung abgelehnte - Annahme eines minder schweren Falls hier nicht nahe.

2. Auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat Bestand. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
Die Strafkammer hat ersichtlich keine ausreichenden Feststellungen zu den Grundlagen der Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Nürnberg vom 8. November 2001 treffen können und in der Folge auch nicht dazu, ob gemäß § 55 StGB mit den dort verhängten Einzelstrafen die nachträgliche Gesamtstrafenbildung letztlich überhaupt in Betracht kommt, wenn dies auch nahe liegt. Das Landgericht durfte die nachträgliche Gesamtstrafenbildung deshalb dem Beschlußverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen. Im vorliegenden Fall ist dies frei von Rechtsfehlern.
Hierzu im einzelnen:
Nach den Urteilsfeststellungen wurde der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 8. November 2001 wegen Diebstahls in zwei Fällen - sofort rechtskräftig - zu neun Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgesetzt. Die Tatzeiten, der zugrundeliegende Sachverhalt und die Höhe der Einzelstrafen werden nicht mitgeteilt. Nach dem zeitlichen Zusammenhang ist es jedoch wahrscheinlich, daß auch mit den Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 8. November 2001 - zusammen mit den im angefochtenen Urteil am 25. März 2003 (Tatzeiten 9. und 24. September 2001) verhängten Einzelstrafen - eine, insoweit nachträgliche , Gesamtstrafe zu bilden ist. Dem weiteren Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 23. Juli 2001 (die Taten, die der Verurteilung vom 8. November 2001
zu Grunde lagen, dürften davor begangen worden sein) zu 20 Tagessätzen Gesamtgeldstrafe wegen Leistungserschleichung (Schwarzfahrens) in drei Fällen kommt jedenfalls keine Zäsurwirkung - mehr - zu. Diese Verurteilung ist durch die Verbüßung von zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe und Bezahlung der Restgeldstrafe durch Vollstreckung erledigt (UA S. 6).
Die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (seit BGHSt - GS - 12, 1; vgl. Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., § 55 Rdn. 47; Stree in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl., § 55 Rdn. 72, 73; Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl., § 55 Rdn. 34, 35; jeweils m.w.N.; kritisch hierzu: Fitzner, Gesamtstrafenbildung trotz §§ 460, 462 nur noch nach mündlicher Verhandlung?, NJW 1966, 1206) grundsätzlich Sache des Tatrichters. Er darf dies in der Regel nicht dem Beschlußverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen. Es gibt jedoch Ausnahmen. Der Tatrichter darf die nachträgliche Gesamtstrafenbildung insbesondere dann dem Beschlußverfahren überlassen, wenn er auf Grund der bislang gewonnenen Erkenntnisse keine sichere Entscheidung fällen kann, etwa weil die Unterlagen für eine möglicherweise gebotene Gesamtstrafenbildung nicht vollständig vorliegen - ohne daß dies auf unzureichender Terminsvorbereitung beruht - und die Hauptverhandlung allein wegen deshalb noch notwendiger Erhebungen mit weiterem erheblichem Zeitaufwand belastet werden würde (BGHSt - GS - 12, 1 [10]; BGHSt 23, 98 [99], mit Anmerkung Küper, MDR 1970, 885; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 2; BGH NJW 1997, 2892 [2893]; Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. § 55 Rdn. 48; Stree in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl., § 55 Rdn. 72; Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl., § 55 Rdn. 34).
Enthalten die Urteilsgründe keine erschöpfenden Ausführungen zu den Vorverurteilungen, deren Einbeziehung in die Gesamtstrafe im Grundsatz gemäß § 55 StGB zu prüfen gewesen wäre, ohne ausdrücklich mitzuteilen, weshalb die entsprechenden Feststellungen nicht getroffen werden konnten, so liegt darin kein Erörterungsmangel. Wie sogar das Vorliegen der Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung durch Schweigen verneint werden kann (BGH, Urteil vom 2. Februar 1993 - 1 StR 862/92 - m.w.N.), so ist bei fehlenden oder nicht vollständigen Darlegungen zu den Voraussetzungen einer in Betracht kommenden nachträglichen Gesamtstrafenbildung grundsätzlich davon auszugehen, daß dem erkennenden Gericht die notwendigen Unterlagen zu den Vorverurteilungen und zu deren Vollstreckung nicht zugänglich waren, und daß das Gericht deshalb die nachträgliche Gesamtstrafenbildung zu Recht dem Beschlußverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO überlassen hat (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Juni 1997 - 5 StR 269/97 -). Soll anderes geltend gemacht werden, so wird dies einer gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu begründenden Verfahrensrüge bedürfen (so schon OLG Hamm NJW 1970, 1200, mit Anmerkung Küper, NJW 1970, 1559). Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 497/16
vom
10. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100117B3STR497.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 10. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 25. August 2016 im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt.
2
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Während der Schuldspruch und die Bemessung der gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen keinen diesen benachteiligenden Rechtsfehler erkennen lassen, kann der Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand haben.
3
Der Angeklagte hatte zwei der abgeurteilten Taten am 4. August 2014 und damit zeitlich vor dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 1. Dezember 2014 begangen, durch welches er zu einer Bewährungsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden war, die noch nicht erledigt ist. Damit kommt in Betracht, dass mit dieser Freiheitsstrafe und den im angefochtenen Urteil verhängten Einzelstrafen für die Taten vom 4. August 2014 gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden, während die für die Tat vom 18. März 2016 festgesetzte Einzelstrafe wegen einer möglichen Zäsurwirkung des Urteils vom 1. Dezember 2014 gesondert auszusprechen war. Dem steht nicht notwendig entgegen, dass durch das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 1. Dezember 2014 eine Tat des Angeklagten geahndet worden war, die dieser vor dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 23. Juni 2014 begangen hatte. Denn dieses Urteil würde nur dann seinerseits eine Zäsur begründen und damit eine Gesamtstrafenbildung zwischen der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 1. Dezember 2014 und den Einzelstrafen für die Taten vom 4. August 2014 ausschließen, wenn die dort verhängte Geldstrafe von 50 Tagessätzen noch nicht erledigt ist (s. etwa BGH, Urteil vom 18. März 1982 - 4 StR 636/81, NJW 1982, 2080 f.; Beschluss vom 7. Dezember 1983 - 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193; Urteile vom 10. Juli 1985 - 3 StR 124/85, juris Rn. 6; vom 6. März 1987 - 2 StR 37/87, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 2; vom 30. Juni 1987 - 1 StR 222/87, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 3; Beschlüsse vom 18. Dezember 1987 - 5 StR 644/87, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 5; vom 26. Oktober 1988 - 4 StR 472/88, GA 1989, 132, 133; seine gegenteiligen, nicht tragenden Erwägungen im Urteil vom 13. November 1985 - 3 StR 311/85, BGHSt 33, 367, 369 verfolgt der Senat nicht weiter; s. bereits Senat, Beschluss vom 7. September 1988 - 3 StR 338/88, NStZ 1988, 552). Ob dies der Fall ist, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, da die- ses den Vollstreckungsstand des Urteils des Amtsgerichts Hannover vom 23. Juni 2014 nicht mitteilt.
4
Durch die möglicherweise rechtsfehlerhaft gebildete Gesamtstrafe ist der Angeklagte beschwert. Da das Amtsgericht Hannover die Vollstreckung der von ihm verhängten Freiheitsstrafe von fünf Monaten zur Bewährung ausgesetzt hatte, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass das Landgericht auch die Vollstreckung einer aus dieser Freiheitsstrafe und den beiden Einzelstrafen für die Taten vom 4. August 2014 gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hätte.
5
Über die Gesamtstrafe ist daher nochmals zu befinden. Dabei wird die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer zu beachten haben, dass insoweit der Vollstreckungsstand der gegen den Angeklagten ergangenen früheren Urteile im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils (25. August 2016) maßgeblich (s. nur BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 188/11, juris Rn. 5) und im Falle vom Ersturteil abweichender Gesamtstrafen- bildung auch Augenmerk auf das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu richten ist (zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276). Becker Schäfer Gericke Tiemann Hoch
2
Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat keinen Bestand, weil das Landgericht bezüglich der nach § 55 Abs. 1 StGB einbezogenen Strafen weder die Tatzeiten noch die wesentlichen Zumessungserwägungen mitteilt (vgl. zu den zwingenden Anforderungen an die Urteilsgründe bei Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe: Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 17, 34). Der Senat kann daher - auch wenn dies nahe liegen mag - insbesondere nicht überprüfen, ob das Urteil und der Strafbefehl des Amtsgerichts Neunkirchen untereinander gesamtstrafenfähig sind. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
3
Die Gesamtstrafen unterliegen bereits deshalb der Aufhebung, weil es das Landgericht unterlassen hat, die nach § 55 Abs. 1 StGB einbezogenen Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Cloppenburg vom 27. Juli 2010 mitzuteilen. Dem Senat ist es deshalb anhand der Urteilsgründe nicht möglich nachzuprüfen, ob die Gesamtfreiheitsstrafen rechtsfehlerfrei zugemessen sind.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 6 2 / 1 4
vom
24. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2014 gemäß §349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 15. Januar 2014
a) dahin abgeändert, dass vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ein Jahr und ein Monat der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zu vollziehen sind,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht den Verfall von Wertersatz in Höhe von 80.000 Euro angeordnet hat. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, schuldig gesprochen. Es hat ihn wegen zwölf dieser Taten unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem amtsgerichtlichen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, auf die es als Ausgleich für die Erfüllung einer Bewährungsauflage zwei Monate angerechnet hat. Für die übrigen drei Taten hat es den Angeklagten zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen im Umfang von elf Monaten angeordnet. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Neben der Aufrechterhaltung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 1.250 Euro aus dem amtsgerichtlichen Urteil hat das Landgericht im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Taten den Verfall des Wertersatzes hinsichtlich eines weiteren Geldbetrags in Höhe von 80.000 Euro angeordnet.
2
Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit einer auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zu einer Abänderung der Dauer des Vorwegvollzugs gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB und hat zudem hinsichtlich der Anordnung des Verfalls von Wertersatz im Umfang von 80.000 Euro Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat zum Schuldspruch und zum Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich hinsichtlich der Strafzumessung Folgendes:
4
aa) Soweit das Landgericht die Annahme minder schwerer Fälle im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG verneint und den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG nach § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, hätte das Landgericht zwar prüfen müssen, ob bereits § 31 BtMG dazu führen kann, einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG anzunehmen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 27. September 2001 – 4 StR 333/01 und vom 19. November 1996 – 1 StR 662/96; jeweils mwN). Da jedoch die vom Landgericht verhängten Einzelfreiheitsstrafen im unteren Bereich des Strafrahmens des § 29a Abs. 2 BtMG liegen, kann der Senat wegen der gleichen Strafrahmenuntergrenze hier ein Beruhen des Strafausspruchs darauf ausschließen, dass das Landgericht den gemäß § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG der Strafzumessung zugrunde gelegt hat.
5
bb) Auch die Gesamtfreiheitsstrafen haben Bestand. Das Landgericht hat zu Recht dem Urteil des Amtsgerichts Kulmbach vom 14. Juli 2011 – 1 Ds – Zäsurwirkung zuerkannt und deshalb zwei Gesamtfreiheitsstrafen gebildet. Deren Höhen belegen einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen und lassen nicht besorgen, das Landgericht könnte einen sich aus der Notwendigkeit, zwei Gesamtstrafen zu bilden, für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels nicht ausgeglichen haben (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Juli 2009 – 5 StR 243/09, StraFo 2009, 428).
6
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand. Auch hat das Landgericht die Dauer des Vorwegvollzugs der beiden Gesamtfreiheitsstrafen vor der Unterbringung nach der Maßgabe des § 67 Abs. 2 StGB an sich zutreffend berechnet.
7
Selbst wenn wie hier wegen der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung zwei Gesamtstrafen gebildet werden müssen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vorschrift über die Reihenfolge der Vollstreckung (§ 67 StGB) auf beide Strafen anzuwenden, so dass auch die Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB für beide Strafen nicht getrennt, sondern einheitlich gilt. Bei der Berechnung des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB ist somit von der Summe beider Gesamtstrafen und der Hälfte hiervon auszugehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juli 2010 – 2 StR 182/10, NStZ-RR 2010, 306 und vom 19. Januar 2010 – 3 StR 499/09, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Satz 3 Berechnung 1). Dieser Zeitpunkt ist hier nach drei Jahren und einem Monat erreicht. Bei einer Unterbringungsdauer von zwei Jahren beträgt hiernach der Vorwegvollzug ein Jahr und einen Monat.
8
3. Gleichwohl hat das Landgericht die Dauer des Vorwegvollzugs gemäß § 67 Abs. 2 StGB im Ergebnis zu niedrig bemessen.
9
Es hat bei Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs zu Unrecht die als Ausgleich für die Erfüllung einer Bewährungsauflage gemäß § 55, § 58 Abs. 2 Satz 2, § 56f Abs. 3 StGB auf die erste Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnenden zwei Monate in Abzug gebracht und demzufolge angeordnet, dass von den Gesamtfreiheitsstrafen insgesamt elf Monate vor der Maßregel zu vollstrecken sind.
10
Dies ist rechtsfehlerhaft; denn der gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB vorzunehmende Ausgleich ist für die Bemessung der Dauer des Vorwegvollzugs ohne Bedeutung. Nicht anders als erlittene Untersuchungshaft verringert dieser Ausgleich nicht von vornherein die Dauer des Vorwegvollzugs, vielmehr ist er auf den nach § 67 Abs. 2 StGB vorweg zu vollstreckenden Teil der Strafe anzurechnen. Diese Anrechnung obliegt allerdings nicht schon dem Tatgericht, sondern erst dem Vollstreckungsgericht (vgl. zu § 51 StGB: BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2014 – 1 StR 531/13, NStZ-RR 2014, 107 und vom 15. Dezember 2010 – 1 StR 642/10; jeweils mwN; zur Kompensation bei rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2012 – 1 StR 40/12).
11
4. Der Senat setzt die Dauer des Vorwegvollzugs durch Beschluss (§ 349 Abs. 4 StPO) selbst auf ein Jahr und einen Monat fest.
12
Da die Grundlagen der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs rechtsfehlerfrei festgestellt sind, kann der Senat den Urteilstenor entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst abändern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2010 – 1 StR 642/10 und vom 6. März 2012 – 1 StR 40/12; jeweils mwN). Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2012 – 1 StR 40/12 mwN und vom 7. Juni 2011 – 4 StR 168/11); denn die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsrei- henfolge dienen auch der Sicherung des Therapieerfolgs (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2007 – 3 StR 263/07 a.E.).
13
5. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz im Umfang von 80.000 Euro hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht das ihm gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 Var. 1 StGB eingeräumte Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
14
Nach dieser Vorschrift kann die Verfallsanordnung unterbleiben, wenn der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht zunächst den Wert des Erlangten nach dem Bruttoprinzip (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369) durch Schätzung (§ 73b StGB) auf einen „Mindestverkaufserlös“ von 80.000 Euro bestimmt. Sodann hat es festgestellt, dass dieser Wert im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist. Schließlich hat es ein Absehen von der Verfallsanordnung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB abgelehnt.
15
Allerdings hat das Landgericht dabei das ihm eröffnete Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt. Zwar trifft es zu, dass eine unbillige Härte im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB nicht auf die vom Gesetzgeber mit der Einführung des Bruttoprinzips beabsichtigte Konsequenz gestützt werden darf, dass Aufwendungen für ein rechtswidriges Geschäft – hier der bezahlte Einkaufspreis für den Erwerb des dann weiterveräußerten Haschischs – in den Verfallsbetrag fallen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2009 – 2 StR 76/09, BGHR StGB § 73c Härte 15). Jedoch muss der Tatrichter bei seiner Billigkeitsentscheidung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB neben den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere in die Abwägung einbeziehen , aus welchem Grund das Erlangte bzw. dessen Wert nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist. So können etwa das „Verprassen“ der erlangten Mittel sowie ihre Verwendung für Luxus und Vergnügen insoweit gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; ihr Verbrauch in einer Notlage für den Lebensunterhalt hingegen kann als Argument für eine entsprechende Ermessensentscheidung herangezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 – 3 StR 246/04, NStZ-RR 2005, 104, 105; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juli 1991 – 1 StR 316/91, BGHSt 38, 23, 25; BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 – 4 StR 153/08, wistra 2009, 23). Auch können bei dieser Entscheidung die Aufwendungen berücksichtigt werden, die mit dem Geschäft verbunden waren (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 – 1 StR 453/02).
16
Hiervon ausgehend ist es an sich nicht zu beanstanden, wenn das Tatgericht deshalb nicht von einer Verfallsanordnung absieht, weil der Angeklagte „den Erlös aus den Rauschgiftgeschäften zu eigenen Zwecken im Rahmen der eigenen Lebensführung verbraucht hat“ (UA S. 23). Allerdings hat das Landge- richt hier ersichtlich aus dem Blick verloren, dass nach den Feststellungen trotz des vom Landgericht angenommenen Mindestverkaufserlöses in Höhe von 80.000 Euro nicht belegt ist, dass dem rauschgiftabhängigen Angeklagten nach Abzug seiner Aufwendungen überhaupt nennenswerte Beträge verblieben sind, die er für seine eigene Lebensführung hätte verwenden können. Zwar tragen die Urteilsfeststellungen noch ausreichend die Wertung des Landgerichts, dass der Angeklagte das Rauschgift jeweils gewinnbringend verkauft hat. Jedoch kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung im Rahmen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB bei dem Angeklagten , der keine nennenswerten Vermögenswerte besitzt (UA S. 24), im Blick auf eine Erleichterung seiner Resozialisierung ganz oder zumindest zu einem Teil von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz abgesehen hätte.
17
6. Die vom Landgericht aufrechterhaltene Verfallsanordnung aus dem Urteil des Amtsgerichts Kulmbach vom 14. Juli 2011 – 1 Ds – ist von dem Rechtsfehler nicht betroffen und hat daher Bestand.
Raum Rothfuß Jäger
Cirener Mosbacher