Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2019 - 1 StR 92/19

bei uns veröffentlicht am21.05.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 92/19
vom
21. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
hier: Revision des Angeklagten S.
ECLI:DE:BGH:2019:210519B1STR92.19.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 2. auf dessen Antrag – am 21. Mai 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 17. Oktober 2018, soweit es den Angeklagten und den Mitangeklagten Ö. betrifft, im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten und den Mitangeklagten Ö. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte S. mit einer auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und führt insoweit zur Erstreckung der Revision auf den Mitangeklagten Ö. (§ 357 StPO); im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Strafausspruch hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat die Strafe für den Angeklagten S. dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1, Abs. 3 AO entnommen, ohne die weitere in § 28 Abs. 1 StGB zwingend vorgesehene Strafrahmenverschiebung in Betracht zu ziehen. Dies erweist sich hier als rechtsfehlerhaft.
3
a) Gemäß § 28 Abs. 1 StGB ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern , wenn bei dem Teilnehmer besondere persönliche Merkmale fehlen, welche die Strafbarkeit des Täters begründen. Die sich auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Pflichtwidrigkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO gründende steuerliche Erklärungspflicht ist nach der geänderten Rechtsprechung des Senats, die das Landgericht bei seiner Entscheidung noch nicht kennen konnte, ein strafbarkeitsbegründendes besonderes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2018 – 1 StR 454/17). Bei einem Gehilfen, der im Zeitpunkt der Gehilfenhandlung nicht selbst zur Aufklärung der Finanzbehörde verpflichtet ist, ist daher eine Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen, es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen Fehlens der Erklärungspflicht Beihilfe statt Täterschaft angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2018 – 1 StR 454/17 und Beschluss vom 13. März 2019 – 1 StR 50/19, jeweils mwN).
4
b) Eine solche Pflicht zur Aufklärung der Finanzbehörden bestand nach den Feststellungen des Landgerichts beim Angeklagten S. nicht.Dieser ist – anders als die Mitangeklagten A. und Y. (UA S. 213) – nicht wie ein faktischer Geschäftsführer als Verfügungsbefugter der verfahrensgegenständlichen Gesellschaften aufgetreten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 232). Vielmehr bestand seine Aufgabe als Bandenmitglied vor allem darin, Scheinrechnungen für den Handel mit Abdeck- bzw. Scheinrechnungen und damit für die Hinterziehung von Umsatzsteuer zu erstellen. Die Voraussetzungen einer weiteren Strafrahmenmilderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB hätten daher erörtert werden müssen.
5
Der Senat kann ein Beruhen des Strafausspruchs auf diesem Erörterungsmangel nicht ausschließen. Denn die Urteilsgründe lassen nicht hinreichend deutlich erkennen, ob das Landgericht allein wegen des Fehlens eines Auftretens nach außen und damit mangels einer sich aus § 35 AO ergebenden Erklärungspflicht nicht von Täterschaft, sondern von Beihilfe ausgegangen ist, was freilich angesichts der Ausführungen auf UA S. 216 und der Hervorhebung bei der Strafzumessung, dass der Angeklagte S. eine bedeutende Rolle im Gesamtgefüge spielte (UA S. 224), nicht fernliegt. Es bedarf daher, erforderlichenfalls auf der Grundlage ergänzender Feststellungen, einer neuen tatrichterlichen Prüfung, ob die Voraussetzungen einer doppelten Strafrahmenverschiebung nach § 27 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB und § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorliegen.
6
2. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier allein vorliegenden Rechtsanwendungsfehler nicht. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer kann aber ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
7
3. Die Aufhebung des Strafausspruchs ist auf den Mitangeklagten Ö. zu erstrecken (§ 357 StPO), der vom Landgericht ebenfalls wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 15 Fällen schuldig gesprochen wurde. Für ihn gelten die Ausführungen zum Angeklagten S. entsprechend.
Jäger Fischer Bär
Leplow Pernice

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2019 - 1 StR 92/19

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2019 - 1 StR 92/19

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2019 - 1 StR 92/19 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 28 Besondere persönliche Merkmale


(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Mer

Abgabenordnung - AO 1977 | § 35 Pflichten des Verfügungsberechtigten


Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2019 - 1 StR 92/19 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2019 - 1 StR 92/19 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Apr. 2013 - 1 StR 586/12

bei uns veröffentlicht am 09.04.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 586/12 vom 9. April 2013 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ____________________________ AO § 35, § 370 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 25 Abs. 2 1. Täter einer Steuerhinterz

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2019 - 1 StR 50/19

bei uns veröffentlicht am 13.03.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 50/19 vom 13. März 2019 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2019:130319B1STR50.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und de

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Okt. 2018 - 1 StR 454/17

bei uns veröffentlicht am 23.10.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 454/17 vom 23. Oktober 2018 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja StGB § 28 Abs. 1 AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 Die steuerrechtliche Erklärungspflicht ist ein besonderes persönliches

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 454/17
vom
23. Oktober 2018
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Die steuerrechtliche Erklärungspflicht ist ein besonderes persönliches Merkmal bei
einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen.
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 454/17 - LG Hof
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
hier: Revision des Angeklagten Y.
ECLI:DE:BGH:2018:231018U1STR454.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Fischer, Dr. Hohoff,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich - in der Verhandlung -, Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Verteidigerin,
Herr - in der Verhandlung - als Dolmetscher für die türkische Sprache,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 2. Mai 2017 – unter Erstreckung auf den Mitangeklagten E. gemäß § 357 StPO – im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zu 2.220 Fällen der Steuerhinterziehung und den nicht revidierenden Mitangeklagten E. wegen Beihilfe zu 861 Fällen der Steuerhinterziehung verurteilt. Den Angeklagten hat es deswegen mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten belegt. Gegen den Mitangeklagten hat es eine solche von zwei Jahren und sieben Monaten verhängt.
2
Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützten der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte E. in dem Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2015 eine international agierende Tätergruppe, die spätestens ab dem Jahr 2012 unter Hinterziehung der Biersteuer Bier nach Großbritannien lieferte, um es auf dem dortigen Markt gewinnbringend in den freien Verkehr zu bringen.
4
Sämtliche Bierlieferungen waren von der S B.V. (im Folgenden: S) mit Sitz in den Niederlanden veranlasst. Der gesondert Verfolgte H. als Verantwortlicher der S bezog das Bier aus Restposten und Überschussware von Großhändlern oder direkt von den Verkaufsstellen großer Brauereien. Um seine Verbringung nach Großbritannien zu verschleiern, wurde den Steuerbehörden vorgetäuscht, das Bier werde von der in C. in Frankreich ansässigen Firma O. T. (im Folgenden: O. ) zur M. AG (im Folgenden: M. ) nach Deutschland geliefert. Tatsächlich wurde es von einem Steuerlager in Frankreich nach Großbritannien transportiert, um es dort auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Für die angeblichen Bierlieferungen nach Deutschland eröffnete der Verantwortliche der O. , P. , im Verfahren der Steueraussetzung über das EDV-gestützte EMCS-Verfahren (Excercise and Movement Control System) elektronische Verwaltungsdokumente (im Folgenden: e-VD), die – wie allen Beteiligten am Bierschmuggel bewusst war – inhaltlich falsch waren, da es nie zur Abfahrt eines Lkw nach Deutschland kam.
5
Die M. mit Sitz in F. war als registrierter Empfänger gemäß § 6 BierStG berechtigt, Bier unter Steueraussetzung aus Steuerlagern im Bereich der EU zu empfangen. Dabei war die behördliche Erlaubnis auf Bier beschränkt, welches tatsächlich körperlich in die Betriebsstätte in F. aufgenommen wurde.
6
Um den behördlichen Vorgaben zu genügen, wurde als unselbständige Zweigstelle der S ein Getränkelager im Ortsteil Mi. in A. eröffnet. Wurde im Steuerlager in Frankreich ein e-VD für eine Bierlieferung an die M. eröffnet, wurde dies dem Getränkelager per E-Mail mitgeteilt. Gemäß der vorgeblichen Lieferung beladen, fuhr anschließend ein Lkw von Mi. zur M. und kehrte nach seiner Kontrolle und steuerlichen Abwicklung, insbesondere der Schließung des e-VD und der Entrichtung der angefallenen deutschen Biersteuer, in das Getränkelager zurück, wo er für weitere Fahrten zur Verfügung stand.
7
Für den fiktiven Verbleib des Bieres in Deutschland wurde eine „Papierspur“ ausgelegt. Danach wurde das Bier angeblich an verschiedene ausländi- sche Abnehmer veräußert und an deren deutsche Lieferadressen verbracht. Bei diesen Firmen handelte es sich um Briefkasten- und Strohfirmen, diedem H. zuzurechnen waren.
8
Die französischen Steuerbehörden wurden nicht darüber unterrichtet, dass kein Warenabgang Richtung Deutschland stattgefunden hatte und das Bier tatsächlich nach Großbritannien versandt worden war. Die in dieser Vorgehensweise liegende Unregelmäßigkeit im Verfahren der Lieferung unter Steueraussetzung führte (auch) in Frankreich zur Entstehung eines Biersteueranspruchs. Dieser betrug im Tatzeitraum 21.471.849,85 €.
9
Die Tatbeiträge des Angeklagten stellten sich wie folgt dar:
10
Der Angeklagte arbeitete in dem Getränkelager in Mi. als Verantwortlicher der Lagerhalle und Vorgesetzter der Lagerarbeiter. Sein Vorgesetzter war der anderweitig Verurteilte Ak. , für den er gelegentlich dolmetschte und den er in dessen Abwesenheit vertrat. Anhand der in die Lagerhalle ge- reichten Lieferscheine entschied er, welcher Fahrer mit welchem Lkw die „Bierfahrt“ antreten sollte. Erhalf, die Lkw mit der „Klonware“ zu be- und entladen, versah die Rückseite der abfahrenden Auflieger mit Magnettafeln, auf denen die Containernummern zur Zuordnung der Lieferung zu einem geöffneten e-VD aufgebracht waren und händigte den Fahrern die Lieferpapiere aus, die er zuvor von Ak. erhalten hatte. Der Angeklagte nahm außerdem Problemmeldungen der Fahrer entgegen, leitete diese an H. weiter und gab Reparaturen für das Lager bzw. die im Kreiselverkehr eingesetzten Lkw in Auftrag.

II.

11
Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
12
Der Strafausspruch hält materiell-rechtlicher Nachprüfung indes nicht stand. Zwar greift die Beanstandung der Revision nicht durch, das Landgericht habe verkannt, dass das Strafmaß bei der Aburteilung mehrerer Beteiligter an derselben Tat – unter Berücksichtigung der individuellen Zumessungstatsachen – in einem sachgerechten nachprüfbaren Verhältnis zur Strafe der anderen Beteiligten stehen müsse. Die Strafkammer hat allerdings die Strafe für den Angeklagten dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO entnommen, ohne die weitere in § 28 Abs. 1 StGB zwingend vorgesehene Strafrahmenverschiebung in Betracht zu ziehen. Dies erweist sich hier als rechtsfehlerhaft.
13
1. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung sieht in § 370 Abs. 3 Satz 1 AO für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Die Strafkammer hat wegen des Vorliegens einer Beihilfe zu 2.220 Fällen der Steuerhinterziehung, die bandenmäßig im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO begangen wurden und die zu einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes führten (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 1. Var. AO), der Strafzumessung den Strafrahmen für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO) zugrunde gelegt. Sie hat dies damit begründet, dass ihrer Auffassung nach bei einer Gesamtwürdigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und auch unter Berücksichtigung des Charakters seiner Tat als Beihilfetat diese in ihrem Unrechts- und Schuldgehalt nicht derart vom Normalfall der Regelbeispiele abweiche , dass die Anwendung des erhöhten Strafrahmens unangemessen wäre. Dabei hat die Strafkammer für die Bewertung der Tat des Angeklagten und den zugrunde zu legenden Strafrahmen im Rahmen einer umfassenden, auch die Position des Angeklagten in der Hierarchie des „Systems Bierschmuggel“ be- rücksichtigenden Gesamtwürdigung der Strafzumessungsgesichtspunkte entscheidend berücksichtigt, ob sich die Beihilfe selbst – bei Berücksichtigung des Gewichts der Haupttat – als besonders schwerer Fall darstellt. Dies ist im Ansatz aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 6. September 2016 – 1 StR 575/15, NStZ 2017, 356, 358 mwN; Beschluss vom 31. Juli 2012 – 5 StR 188/12, NStZ-RR 2012, 342, 343).
14
2. Gemäß § 28 Abs. 1 StGB ist indes die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, wenn bei dem Teilnehmer besondere persönliche Merkmale fehlen, welche die Strafbarkeit des Täters begründen. Die Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist – insoweit ändert der Senat seine Rechtsprechung – ein strafbarkeitsbegründendes besonderes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB.
15
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird zwischen täterbezogenen persönlichen Merkmalen, die als besondere persönliche Merkmale im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB behandelt werden, und tatbezogenen persönlichen Merkmalen, auf welche die Vorschrift keine Anwendung findet, unterschieden (vgl. BGH, Urteile vom 29. September 1993 – 2 StR 336/93, BGHSt 39, 326, 327 f. und vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 f. mwN).
16
Die Abgrenzung hängt davon ab, ob das betreffende Merkmal im Schwergewicht die Tat oder die Persönlichkeit des Täters kennzeichnet (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 29. September 1993 – 2 StR 336/93, BGHSt 39, 326, 328 und vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 f. mwN; Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.). Umstände , die eine besondere Gefährlichkeit des Täterverhaltens anzeigen oder die Ausführungsart des Delikts beschreiben, sind in der Regel tatbezogen (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 2 mwN). Subjektive Umstände, wie die Absicht bei § 242 StGB, können tatbezogen sein, wenn sie das Bild der Tat prägen (BGH, Urteil vom 20. Mai 1969 – 5 StR 658/68, BGHSt 22, 375, 380; Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 StR 104/10, BGHSt 55, 229, 232). Objektive Umstände, wie die Vermö- gensbetreuungspflicht in § 266 StGB (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 – 4 StR 476/14, wistra 2015, 146 mwN; vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316, 317 und vom 26. November 2008 – 5 StR 440/08, NStZ-RR 2009, 102), die Arbeitgebereigenschaft bei § 266a StGB (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 310/16, NStZ 2018, 221, 222; vom 14. Juni 2011 – 1 StR 90/11, wistra 2011, 344, 346 und vom 8. Februar 2011 – 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153, 155) sowie die für die täterschaftliche Begehung des § 283 StGB erforderliche Pflichtenstellung als Schuldner (BGH, Beschlüsse vom 21. März 2018 – 1 StR 423/17, wistra 2018, 437, 438 und vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 118), können täterbezogen sein, wenn sie eine besondere Pflichtenstellung höchstpersönlicher Art umschreiben. Die Einordnung erfolgt unter Beachtung der Schutzrichtung des jeweiligen Straftatbestandes (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 5 mwN).
17
Im Bereich der durch Pflichten gekennzeichneten Merkmale ist für die Abgrenzung letztlich maßgeblich, welche Art von Pflicht das Merkmal umschreibt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 4 f.). Umschreibt es eine vorstrafrechtliche Sonderpflicht, wird eher die Persönlichkeit des Täters gekennzeichnet, ist das Merkmal täterbezogen. Handelt es sich dagegen um ein strafrechtliches, an Jedermann gerichtetes Gebot, wird eher die Tat gekennzeichnet, ist das Merkmal tatbezogen (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 4 f. mwN; Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.).
18
b) An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Für die von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Bezug genommene Pflichtenlage legt der Senat diese allerdings – entgegenseiner bisherigen und von dem Landgericht aus dessen Sicht zutreffend angewendeten Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR491/94, BGHSt 41, 1; bestätigt durch Beschluss vom 8. Februar 2011 – 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153, 155; vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 231; Beschluss vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 310/16, NStZ 2018, 221, 223) – dahingehend aus, dass für das auf eine außerstraf- rechtliche Pflicht rekurrierende Straftatmerkmal der „Pflichtwidrigkeit“ maßgeb- lich ist, dass es im Einzelfall eine besondere Pflichtenstellung des Täters beschreibt und damit ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB darstellt.
19
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Täter – auch Mittäter – einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227 mwN; Beschlüsse vom 23. August 2017 – 1 StR 33/17, NStZ-RR 2018, 16, 18 und vom 14. April 2010 – 1 StR 105/10). Dabei können sich Offenbarungspflichten sowohl aus den gesetzlich besonders festgelegten steuerlichen Erklärungspflichten wie auch aus allgemeinen Garantenpflichten ergeben, die allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuer- strafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 236 ff.). Den Verpflichteten trifft damit – ungeachtetdessen, dass die steuerrechtlichen Erklärungsvorschriften potentiell viele treffen können – im konkreten Fall jedenfalls eine Sonderpflicht, die – ebenso wie die Pflichtenstellung eines Schuldners in § 283 StGB – höchst- persönlicher Art ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.). Denn das tatbestandliche Unrecht der verwirklichten Tat ergibt sich im Vergleich zu anderen Straftatbeteiligten aus der im Rahmen von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erforderlichen Erklärungspflicht, die die besondere soziale Rolle des Täters in Bezug auf die von der Vorschrift geschützten Rechtsgüter kennzeichnet (vgl. entsprechende Ansätze zur Manifestation der höchstpersönlichen Pflichtenbindung bei Vogler, Lange-FS 1976, S. 265 ff.: als Kehrseite aus der Verletzung von Vertrauen, das in die Erfüllung einer beson- deren sozialen Rolle gesetzt wird; bei Hake, JR 1996, 162: aus einer erhöhten Verantwortung des Täters und bei Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 28 Rn. 17: aus einer persönlichen Inpflichtnahme im Einzelfall).
20
Für den Teilnehmer, der betreffend den jeweiligen Steuervorgang kein Adressat der besonderen Pflichten ist und der sich damit in keiner Vertrauensposition mit Bezug zu strafrechtlich geschützten Rechtsgütern befindet, legt dies die Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nahe (vgl. Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., § 370 Rn. 61d; Radtke, JuS 2018, 641, 646 mit Verweis auf die von Roxin entwickelten Leitlinien der Interpretation von § 28 StGB; ebenso NK-StGB-Puppe, 5. Aufl., § 28 Rn. 69; MüKoStGB/Schmitz/Wulf, 2. Aufl., § 370 AO Rn. 417; Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 250. Lieferung, § 370 Rn. 109; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 369 Rn. 84; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 62. Lieferung, § 370 AO Rn. 125; Grunst, NStZ 1998, 548; Reichling/Lange, NStZ 2014, 311; Wulf, Handeln und Unterlassen im Steuerstrafrecht, 2001, S. 233 ff.; a.A. Ranft, JZ 1995, 1186; Hake, JR 1996, 162; Cramer, WiB 1995, 525; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 28 Rn. 5 ff.; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, 154. Lieferung, § 370 AO Rn. 181; Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 370 AO Rn. 54; Tipke/Lang/Seer, Steuerrecht, 23. Aufl., § 23 Rn. 26).
21
c) Bei einem Gehilfen, der im Zeitpunkt der Gehilfenhandlung nicht selbst zur Aufklärung der Finanzbehörde verpflichtet ist – wovon das Landgericht hier offensichtlich ausgegangen ist –, ist schon bei der Prüfung, ob ein besonders schwerer Fall i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 1 AO gegeben ist, der vertypte Milderungsgrund des § 28 Abs. 1 StGB alleine oder im Zusammenhang mit dem des § 27 StGB in den Blick zu nehmen. Verbraucht der Tatrichter den oder die Milderungsgründe der §§ 27, 28 StGB nicht durch das Absehen vom Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 2 StPO, ist eine Strafmilderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu gewähren , es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen Fehlens der Erklärungspflicht Beihilfe statt Täterschaft angenommen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 310/16, NStZ 2018, 221, 222 mwN; vom 27. Januar 2015 – 4 StR 476/14, wistra 2015, 146 mwN; vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 118 mwN und vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 309/11, NStZ 2012, 630). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Die Urteilsausführungen belegen, dass das Landgericht die Art und Weise des Tatbeitrags zum Anlass genommen hat, den Angeklagten lediglich wegen Beihilfe zu verurteilen. Dann aber hätte es eine weitere Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB beachten müssen. Auf diesem Rechtsfehler beruht der Strafausspruch.
22
3. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken, denn die Zumessung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten beruht auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel.
23
4. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es im Hinblick auf den bloßen Rechtsanwendungsfehler nicht. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird jedoch Gelegenheit haben, ergänzende Feststellungen zu treffen, insbesondere dazu, ob der Angeklagte, der, wie die Kammer festgestellt hat, gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a Ziffer ii der Richtlinie 2008/118/EG vom 16. Dezember 2008 für die von der O. hinterzogene Biersteuer vom französischen Fiskus in Anspruch genommen werden kann, im Rahmen der Erhebung bzw. Einziehung der (ursprünglich) entstandenen Biersteuer selbst verpflichtet war, eine Steuererklärung abzugeben. Auch dabei wird die neue Kammer das französische Recht in den Blick zu nehmen haben.
Raum Jäger Cirener Fischer Hohoff

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 454/17
vom
23. Oktober 2018
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Die steuerrechtliche Erklärungspflicht ist ein besonderes persönliches Merkmal bei
einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen.
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 454/17 - LG Hof
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
hier: Revision des Angeklagten Y.
ECLI:DE:BGH:2018:231018U1STR454.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Fischer, Dr. Hohoff,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich - in der Verhandlung -, Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Verteidigerin,
Herr - in der Verhandlung - als Dolmetscher für die türkische Sprache,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 2. Mai 2017 – unter Erstreckung auf den Mitangeklagten E. gemäß § 357 StPO – im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zu 2.220 Fällen der Steuerhinterziehung und den nicht revidierenden Mitangeklagten E. wegen Beihilfe zu 861 Fällen der Steuerhinterziehung verurteilt. Den Angeklagten hat es deswegen mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten belegt. Gegen den Mitangeklagten hat es eine solche von zwei Jahren und sieben Monaten verhängt.
2
Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützten der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte E. in dem Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2015 eine international agierende Tätergruppe, die spätestens ab dem Jahr 2012 unter Hinterziehung der Biersteuer Bier nach Großbritannien lieferte, um es auf dem dortigen Markt gewinnbringend in den freien Verkehr zu bringen.
4
Sämtliche Bierlieferungen waren von der S B.V. (im Folgenden: S) mit Sitz in den Niederlanden veranlasst. Der gesondert Verfolgte H. als Verantwortlicher der S bezog das Bier aus Restposten und Überschussware von Großhändlern oder direkt von den Verkaufsstellen großer Brauereien. Um seine Verbringung nach Großbritannien zu verschleiern, wurde den Steuerbehörden vorgetäuscht, das Bier werde von der in C. in Frankreich ansässigen Firma O. T. (im Folgenden: O. ) zur M. AG (im Folgenden: M. ) nach Deutschland geliefert. Tatsächlich wurde es von einem Steuerlager in Frankreich nach Großbritannien transportiert, um es dort auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Für die angeblichen Bierlieferungen nach Deutschland eröffnete der Verantwortliche der O. , P. , im Verfahren der Steueraussetzung über das EDV-gestützte EMCS-Verfahren (Excercise and Movement Control System) elektronische Verwaltungsdokumente (im Folgenden: e-VD), die – wie allen Beteiligten am Bierschmuggel bewusst war – inhaltlich falsch waren, da es nie zur Abfahrt eines Lkw nach Deutschland kam.
5
Die M. mit Sitz in F. war als registrierter Empfänger gemäß § 6 BierStG berechtigt, Bier unter Steueraussetzung aus Steuerlagern im Bereich der EU zu empfangen. Dabei war die behördliche Erlaubnis auf Bier beschränkt, welches tatsächlich körperlich in die Betriebsstätte in F. aufgenommen wurde.
6
Um den behördlichen Vorgaben zu genügen, wurde als unselbständige Zweigstelle der S ein Getränkelager im Ortsteil Mi. in A. eröffnet. Wurde im Steuerlager in Frankreich ein e-VD für eine Bierlieferung an die M. eröffnet, wurde dies dem Getränkelager per E-Mail mitgeteilt. Gemäß der vorgeblichen Lieferung beladen, fuhr anschließend ein Lkw von Mi. zur M. und kehrte nach seiner Kontrolle und steuerlichen Abwicklung, insbesondere der Schließung des e-VD und der Entrichtung der angefallenen deutschen Biersteuer, in das Getränkelager zurück, wo er für weitere Fahrten zur Verfügung stand.
7
Für den fiktiven Verbleib des Bieres in Deutschland wurde eine „Papierspur“ ausgelegt. Danach wurde das Bier angeblich an verschiedene ausländi- sche Abnehmer veräußert und an deren deutsche Lieferadressen verbracht. Bei diesen Firmen handelte es sich um Briefkasten- und Strohfirmen, diedem H. zuzurechnen waren.
8
Die französischen Steuerbehörden wurden nicht darüber unterrichtet, dass kein Warenabgang Richtung Deutschland stattgefunden hatte und das Bier tatsächlich nach Großbritannien versandt worden war. Die in dieser Vorgehensweise liegende Unregelmäßigkeit im Verfahren der Lieferung unter Steueraussetzung führte (auch) in Frankreich zur Entstehung eines Biersteueranspruchs. Dieser betrug im Tatzeitraum 21.471.849,85 €.
9
Die Tatbeiträge des Angeklagten stellten sich wie folgt dar:
10
Der Angeklagte arbeitete in dem Getränkelager in Mi. als Verantwortlicher der Lagerhalle und Vorgesetzter der Lagerarbeiter. Sein Vorgesetzter war der anderweitig Verurteilte Ak. , für den er gelegentlich dolmetschte und den er in dessen Abwesenheit vertrat. Anhand der in die Lagerhalle ge- reichten Lieferscheine entschied er, welcher Fahrer mit welchem Lkw die „Bierfahrt“ antreten sollte. Erhalf, die Lkw mit der „Klonware“ zu be- und entladen, versah die Rückseite der abfahrenden Auflieger mit Magnettafeln, auf denen die Containernummern zur Zuordnung der Lieferung zu einem geöffneten e-VD aufgebracht waren und händigte den Fahrern die Lieferpapiere aus, die er zuvor von Ak. erhalten hatte. Der Angeklagte nahm außerdem Problemmeldungen der Fahrer entgegen, leitete diese an H. weiter und gab Reparaturen für das Lager bzw. die im Kreiselverkehr eingesetzten Lkw in Auftrag.

II.

11
Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
12
Der Strafausspruch hält materiell-rechtlicher Nachprüfung indes nicht stand. Zwar greift die Beanstandung der Revision nicht durch, das Landgericht habe verkannt, dass das Strafmaß bei der Aburteilung mehrerer Beteiligter an derselben Tat – unter Berücksichtigung der individuellen Zumessungstatsachen – in einem sachgerechten nachprüfbaren Verhältnis zur Strafe der anderen Beteiligten stehen müsse. Die Strafkammer hat allerdings die Strafe für den Angeklagten dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO entnommen, ohne die weitere in § 28 Abs. 1 StGB zwingend vorgesehene Strafrahmenverschiebung in Betracht zu ziehen. Dies erweist sich hier als rechtsfehlerhaft.
13
1. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung sieht in § 370 Abs. 3 Satz 1 AO für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Die Strafkammer hat wegen des Vorliegens einer Beihilfe zu 2.220 Fällen der Steuerhinterziehung, die bandenmäßig im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO begangen wurden und die zu einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes führten (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 1. Var. AO), der Strafzumessung den Strafrahmen für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO) zugrunde gelegt. Sie hat dies damit begründet, dass ihrer Auffassung nach bei einer Gesamtwürdigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und auch unter Berücksichtigung des Charakters seiner Tat als Beihilfetat diese in ihrem Unrechts- und Schuldgehalt nicht derart vom Normalfall der Regelbeispiele abweiche , dass die Anwendung des erhöhten Strafrahmens unangemessen wäre. Dabei hat die Strafkammer für die Bewertung der Tat des Angeklagten und den zugrunde zu legenden Strafrahmen im Rahmen einer umfassenden, auch die Position des Angeklagten in der Hierarchie des „Systems Bierschmuggel“ be- rücksichtigenden Gesamtwürdigung der Strafzumessungsgesichtspunkte entscheidend berücksichtigt, ob sich die Beihilfe selbst – bei Berücksichtigung des Gewichts der Haupttat – als besonders schwerer Fall darstellt. Dies ist im Ansatz aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 6. September 2016 – 1 StR 575/15, NStZ 2017, 356, 358 mwN; Beschluss vom 31. Juli 2012 – 5 StR 188/12, NStZ-RR 2012, 342, 343).
14
2. Gemäß § 28 Abs. 1 StGB ist indes die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, wenn bei dem Teilnehmer besondere persönliche Merkmale fehlen, welche die Strafbarkeit des Täters begründen. Die Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist – insoweit ändert der Senat seine Rechtsprechung – ein strafbarkeitsbegründendes besonderes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB.
15
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird zwischen täterbezogenen persönlichen Merkmalen, die als besondere persönliche Merkmale im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB behandelt werden, und tatbezogenen persönlichen Merkmalen, auf welche die Vorschrift keine Anwendung findet, unterschieden (vgl. BGH, Urteile vom 29. September 1993 – 2 StR 336/93, BGHSt 39, 326, 327 f. und vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 f. mwN).
16
Die Abgrenzung hängt davon ab, ob das betreffende Merkmal im Schwergewicht die Tat oder die Persönlichkeit des Täters kennzeichnet (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 29. September 1993 – 2 StR 336/93, BGHSt 39, 326, 328 und vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 f. mwN; Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.). Umstände , die eine besondere Gefährlichkeit des Täterverhaltens anzeigen oder die Ausführungsart des Delikts beschreiben, sind in der Regel tatbezogen (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 2 mwN). Subjektive Umstände, wie die Absicht bei § 242 StGB, können tatbezogen sein, wenn sie das Bild der Tat prägen (BGH, Urteil vom 20. Mai 1969 – 5 StR 658/68, BGHSt 22, 375, 380; Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 StR 104/10, BGHSt 55, 229, 232). Objektive Umstände, wie die Vermö- gensbetreuungspflicht in § 266 StGB (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 – 4 StR 476/14, wistra 2015, 146 mwN; vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316, 317 und vom 26. November 2008 – 5 StR 440/08, NStZ-RR 2009, 102), die Arbeitgebereigenschaft bei § 266a StGB (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 310/16, NStZ 2018, 221, 222; vom 14. Juni 2011 – 1 StR 90/11, wistra 2011, 344, 346 und vom 8. Februar 2011 – 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153, 155) sowie die für die täterschaftliche Begehung des § 283 StGB erforderliche Pflichtenstellung als Schuldner (BGH, Beschlüsse vom 21. März 2018 – 1 StR 423/17, wistra 2018, 437, 438 und vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 118), können täterbezogen sein, wenn sie eine besondere Pflichtenstellung höchstpersönlicher Art umschreiben. Die Einordnung erfolgt unter Beachtung der Schutzrichtung des jeweiligen Straftatbestandes (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 5 mwN).
17
Im Bereich der durch Pflichten gekennzeichneten Merkmale ist für die Abgrenzung letztlich maßgeblich, welche Art von Pflicht das Merkmal umschreibt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 4 f.). Umschreibt es eine vorstrafrechtliche Sonderpflicht, wird eher die Persönlichkeit des Täters gekennzeichnet, ist das Merkmal täterbezogen. Handelt es sich dagegen um ein strafrechtliches, an Jedermann gerichtetes Gebot, wird eher die Tat gekennzeichnet, ist das Merkmal tatbezogen (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 4 f. mwN; Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.).
18
b) An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Für die von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Bezug genommene Pflichtenlage legt der Senat diese allerdings – entgegenseiner bisherigen und von dem Landgericht aus dessen Sicht zutreffend angewendeten Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR491/94, BGHSt 41, 1; bestätigt durch Beschluss vom 8. Februar 2011 – 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153, 155; vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 231; Beschluss vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 310/16, NStZ 2018, 221, 223) – dahingehend aus, dass für das auf eine außerstraf- rechtliche Pflicht rekurrierende Straftatmerkmal der „Pflichtwidrigkeit“ maßgeb- lich ist, dass es im Einzelfall eine besondere Pflichtenstellung des Täters beschreibt und damit ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB darstellt.
19
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Täter – auch Mittäter – einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227 mwN; Beschlüsse vom 23. August 2017 – 1 StR 33/17, NStZ-RR 2018, 16, 18 und vom 14. April 2010 – 1 StR 105/10). Dabei können sich Offenbarungspflichten sowohl aus den gesetzlich besonders festgelegten steuerlichen Erklärungspflichten wie auch aus allgemeinen Garantenpflichten ergeben, die allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuer- strafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 236 ff.). Den Verpflichteten trifft damit – ungeachtetdessen, dass die steuerrechtlichen Erklärungsvorschriften potentiell viele treffen können – im konkreten Fall jedenfalls eine Sonderpflicht, die – ebenso wie die Pflichtenstellung eines Schuldners in § 283 StGB – höchst- persönlicher Art ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.). Denn das tatbestandliche Unrecht der verwirklichten Tat ergibt sich im Vergleich zu anderen Straftatbeteiligten aus der im Rahmen von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erforderlichen Erklärungspflicht, die die besondere soziale Rolle des Täters in Bezug auf die von der Vorschrift geschützten Rechtsgüter kennzeichnet (vgl. entsprechende Ansätze zur Manifestation der höchstpersönlichen Pflichtenbindung bei Vogler, Lange-FS 1976, S. 265 ff.: als Kehrseite aus der Verletzung von Vertrauen, das in die Erfüllung einer beson- deren sozialen Rolle gesetzt wird; bei Hake, JR 1996, 162: aus einer erhöhten Verantwortung des Täters und bei Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 28 Rn. 17: aus einer persönlichen Inpflichtnahme im Einzelfall).
20
Für den Teilnehmer, der betreffend den jeweiligen Steuervorgang kein Adressat der besonderen Pflichten ist und der sich damit in keiner Vertrauensposition mit Bezug zu strafrechtlich geschützten Rechtsgütern befindet, legt dies die Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nahe (vgl. Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., § 370 Rn. 61d; Radtke, JuS 2018, 641, 646 mit Verweis auf die von Roxin entwickelten Leitlinien der Interpretation von § 28 StGB; ebenso NK-StGB-Puppe, 5. Aufl., § 28 Rn. 69; MüKoStGB/Schmitz/Wulf, 2. Aufl., § 370 AO Rn. 417; Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 250. Lieferung, § 370 Rn. 109; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 369 Rn. 84; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 62. Lieferung, § 370 AO Rn. 125; Grunst, NStZ 1998, 548; Reichling/Lange, NStZ 2014, 311; Wulf, Handeln und Unterlassen im Steuerstrafrecht, 2001, S. 233 ff.; a.A. Ranft, JZ 1995, 1186; Hake, JR 1996, 162; Cramer, WiB 1995, 525; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 28 Rn. 5 ff.; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, 154. Lieferung, § 370 AO Rn. 181; Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 370 AO Rn. 54; Tipke/Lang/Seer, Steuerrecht, 23. Aufl., § 23 Rn. 26).
21
c) Bei einem Gehilfen, der im Zeitpunkt der Gehilfenhandlung nicht selbst zur Aufklärung der Finanzbehörde verpflichtet ist – wovon das Landgericht hier offensichtlich ausgegangen ist –, ist schon bei der Prüfung, ob ein besonders schwerer Fall i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 1 AO gegeben ist, der vertypte Milderungsgrund des § 28 Abs. 1 StGB alleine oder im Zusammenhang mit dem des § 27 StGB in den Blick zu nehmen. Verbraucht der Tatrichter den oder die Milderungsgründe der §§ 27, 28 StGB nicht durch das Absehen vom Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 2 StPO, ist eine Strafmilderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu gewähren , es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen Fehlens der Erklärungspflicht Beihilfe statt Täterschaft angenommen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 310/16, NStZ 2018, 221, 222 mwN; vom 27. Januar 2015 – 4 StR 476/14, wistra 2015, 146 mwN; vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 118 mwN und vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 309/11, NStZ 2012, 630). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Die Urteilsausführungen belegen, dass das Landgericht die Art und Weise des Tatbeitrags zum Anlass genommen hat, den Angeklagten lediglich wegen Beihilfe zu verurteilen. Dann aber hätte es eine weitere Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB beachten müssen. Auf diesem Rechtsfehler beruht der Strafausspruch.
22
3. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken, denn die Zumessung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten beruht auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel.
23
4. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es im Hinblick auf den bloßen Rechtsanwendungsfehler nicht. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird jedoch Gelegenheit haben, ergänzende Feststellungen zu treffen, insbesondere dazu, ob der Angeklagte, der, wie die Kammer festgestellt hat, gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a Ziffer ii der Richtlinie 2008/118/EG vom 16. Dezember 2008 für die von der O. hinterzogene Biersteuer vom französischen Fiskus in Anspruch genommen werden kann, im Rahmen der Erhebung bzw. Einziehung der (ursprünglich) entstandenen Biersteuer selbst verpflichtet war, eine Steuererklärung abzugeben. Auch dabei wird die neue Kammer das französische Recht in den Blick zu nehmen haben.
Raum Jäger Cirener Fischer Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 50/19
vom
13. März 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2019:130319B1STR50.19.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 13. März 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 9. Oktober 2018, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen dreier Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Unterlassen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es angeordnet, dass hiervon drei Monate als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte der Angeklag- te ein europaweit tätiges „Umsatzsteuerbetrugssystem“, das von einer Organi- sation um den anderweitig Verfolgten S. betrieben wurde. Zum „Geschäftsmodell“ in diesem System gehörte die Schaffung von Rechnungsket- ten unter Beteiligung von Unternehmen, die keine unternehmerische Tätigkeit ausübten, gegenüber den Finanzbehörden aber vorspiegeln sollten, Handel mit Kupferkathoden zu betreiben. Sie sollten zum Schein Waren erwerben und weiterveräußern , welche unter Hinterziehung von Umsatzsteuer verbilligt wurden. Teil dieses Systems waren in den Jahren 2010 und 2011 das Einzelunternehmen des vom Landgericht wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) in vier Fällen verurteilten Mitangeklagten Ko. sowie die N. GmbH und die C. GmbH.
3
Die Aufgabe des Angeklagten bestand bei dem Einzelunternehmen des Mitangeklagten Ko. insbesondere darin, Scheinrechnungen auszudrucken, diese in der Buchhaltung des Unternehmens abzulegen und später zum Steuerberater zu bringen. Für die N. GmbH und die C. GmbH, deren Rolle als „Missing Trader“ im „Umsatzsteuerbetrugssystem“ er kannte, ließ der Ange- klagte Strohmänner anwerben.
4
Obwohl – wie dem Angeklagten bekannt war – wegen der in den Scheinrechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG Umsatzsteuern entstanden und gegenüber den Finanzbehörden anzumelden waren (§ 18 Abs. 1 bis 3, 4a und 4b UStG), wurden von den hierzu gemäß §§ 34, 35 AO verpflichteten Personen keine Steueranmeldungen abgegeben. Durch die hierdurch durch Unterlassen begangenen Steuerhinterziehungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), die der Angeklagte durch seine drei einheitlichen Unterstützungshandlungen bezogen auf das Einzelunternehmen Ko. , die N. GmbH und die C. GmbH jeweils förderte, wurden in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt Steuern von mehr als 11 Mio. Euro verkürzt. Für sein Tätigwerden erhielt der Angeklagte einen Geldbetrag von lediglich 1.500 Euro.
5
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Demgegenüber hat der Strafausspruch keinen Bestand, weil das Landgericht neben einer Verschiebung des Strafrahmens des § 370 Abs. 1 AO gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB keine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1 StGB vorgenommen hat. Dies begegnet durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
6
a) Durch Urteil vom 23. Oktober 2018 im Verfahren 1 StR 454/17 hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 1 StR 491/94, BGHSt 41, 1 mwN) geändert und entschieden, dass es sich bei der vom Straftatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) vorausgesetzten steuerlichen Erklärungspflicht um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB handelt, der eine Strafrahmenverschiebung eröffnet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheidet eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1 StGB lediglich dann aus, wenn die Tat allein wegen des Fehlens des strafbegründenden besonderen persönlichen Merkmals als Beihilfe statt als Täterschaft zu werten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 – 4 StR 476/14; vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 310/16, Rn. 23; vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115 Rn. 10 und vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 309/11, Rn. 3).
7
b) Ein solcher Fall lag hier indes nicht vor. Zwar kann Täter – auch Mittäter – einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (vgl. dazu BGH, Urteile vom 23. Oktober 2018 – 1 StR 454/17, Rn. 19 und vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218 Rn. 52; Beschlüsse vom 23. August 2017 – 1 StR 33/17und vom 14. April 2010 – 1 StR 105/10), was beim Angeklagten nicht der Fall war. Jedoch hat das Landgericht die Unterstützung des Angeklagten bereits ohne Anknüpfung an den Umstand, dass den Angeklagten keine steuerliche Erklärungspflicht traf, als Gehilfenbeitrag qualifiziert. Die Voraussetzungen einer weiteren Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der des § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB lagen daher vor.
8
3. Auf der Nichtbeachtung des § 28 Abs. 1 StGB beruht der Strafaus- spruch. Auch wenn das Landgericht strafschärfend gewürdigt hat, „der geleiste- te Tatbeitrag (Vermittlung geeigneter Schein-Geschäftsführer)“ habe „ganz er- hebliche Bedeutung“ für den erfolgreichen Betrieb des „Umsatzsteuerbetrugssystems“ gehabt (UA S. 32), kann der Senat nicht ausschließen,dass es bei Anwendung des sich aus § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB ergebenden Strafrahmens niedrigere Strafen verhängt hätte.
9
4. Einer Aufhebung von Feststellungen, die von dem Rechtsfehler, der zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch führt, nicht betroffen sind, bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
10
5. Die Kompensationsentscheidung wird von der Aufhebung des Strafausspruchs nicht erfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, Rn. 13 und Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135).
Raum Jäger Fischer
Leplow Pernice

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 586/12
vom
9. April 2013
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
1. Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO)
kann nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen
besonders verpflichtet ist.
2. Das Merkmal "pflichtwidrig" in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO bezieht sich allein auf
das Verhalten des Täters, nicht auf dasjenige eines anderen Tatbeteiligten.
Damit kommt eine Zurechnung fremder Pflichtverletzungen auch dann nicht in
Betracht, wenn sonst nach allgemeinen Grundsätzen Mittäterschaft vorliegen
würde.
3. Eine eigene Rechtspflicht zur Aufklärung über steuerlich erhebliche Tatsachen
trifft gemäß § 35 AO auch den Verfügungsberechtigten. Verfügungsbe-
rechtigter im Sinne dieser Vorschrift kann auch ein steuernder Hintermann sein,
der ihm gegenüber weisungsabhängige "Strohleute" im Rechtsverkehr nach
außen im eigenen Namen auftreten lässt.
BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12 - LG Mannheim
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. April 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 11. Juni 2012
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in den Fällen 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe jeweils wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt wird,
b) aufgehoben aa) im Einzelstrafausspruch in den Fällen 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe und bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 29 Fällen und Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Bensheim vom 22. November 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Hiergegen richtet sich die auf eine nicht näher ausgeführte Verfahrensrüge sowie die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

A.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.

4
Fälle 1 bis 29 der Urteilsgründe („Bandentaten“)
5
1. Der einschlägig vorbestrafte Angeklagte hatte erfahren, dass sich eine bis dahin von Ba. , G. und B. angeführte Gruppe erfolgreich im Handel mit Altgold betätigt hatte. Dieser Handel war darauf ausgerichtet, systematisch einen betrügerischen „Umsatzsteuergewinn“ zu er- wirtschaften. Der „Gewinn“ wurde dadurch erzielt, dass die beim Verkauf von Altgold an Scheideanstalten neben dem Nettokaufpreis erlangte Umsatzsteuer einbehalten wurde, in den Umsatzsteuervoranmeldungen der einliefernden Personen aber ein nicht gerechtfertigter Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen vorgenommen wurde. Das Hinterziehungssystem folgte bis zum Einstieg des Angeklagten im Juni 2010 im Wesentlichen folgendem Ablauf:
6
Die Gruppe ließ Goldscheideanstalten mit von Ba. und G. „schwarz“ - also ohne Umsatzsteuer - angekauftem Gold in normalen Handels- geschäften beliefern. Bei den Scheideanstalten traten als liefernde Unternehmer (sog. Einlieferer) nur G. oder Personen auf, die von G. zu diesem Zwecke angeworben worden waren und entsprechende Gewerbe angemeldet hatten. Die Goldscheideanstalten rechneten beim Ankauf des Goldes mit den Einlieferern über Gutschriften (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) unter Ausweis von Umsatzsteuer ab und überwiesen den Bruttokaufpreis auf deren Konten. Die jeweiligen Einlieferer händigten den Brutto-Gutschriftsbetrag an Ba. oder G. aus und erhielten dafür eine Provision in Höhe von drei bis vier Prozent des Gutschriftsbetrages.
7
Die Einlieferer - darunter auch G. , soweit er in eigenem Namen Gold bei den Goldscheideanstalten einlieferte - meldeten in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen die Umsatzsteuer aus den Gutschriften für die Goldlieferungen an. Zur Minimierung der sich ergebenden Zahllast nahmen sie jedoch gleichzeitig einen unberechtigten Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) aus Scheinrechnungen vor, die B. beschaffte. Es handelte sich dabei um sog. Abdeckrechnungen , in denen den Rechnungsadressaten unter Umsatzsteuerausweis tatsächlich nicht erbrachte Lieferungen von Gold in Rechnung gestellt wurden. Die „Gewinne“ aus den Geschäften verwendeten G. und Ba. einerseits für weitere Goldankäufe sowie zum Bezahlen der Abdeckrechnungen, andererseits für einen aufwendigen Lebensstil.
8
Anlässlich eines Streits um eine offene Forderung B. s nahmen Ba. und G. den Angeklagten in die Gruppe auf, um fortan mit ihm nach „be- währtem Geschäftsmodell“ den auf Steuerhinterziehung ausgerichteten Gold- handel fortzusetzen. Der Angeklagte übernahm - B. ersetzend - in führender Funktion gemäß einer „internen Aufgabenverteilung“ folgende Aufgaben (UA S. 20). Er sollte: - finanzielle Mittel für den weiteren Altgoldankauf zur Verfügung stellen , - neue Einlieferer anwerben, - die „Logistik“ für die Abdeckrechnungen, insbesondere neue Scheinfirmen und „Strohmänner“ sowie entsprechende Unterlagen, bereitstellen , - teilweise Altgold von Ba. in Empfang nehmen und an die anzuwerbenden neuen Einlieferer verteilen, - teilweise das Bargeld von den Einlieferern in Empfang nehmen, - teilweise die Gutschriftsbelege der Scheideanstalten, die für die Erstellung von Abdeckrechnungen benötigt wurden, von den Einlieferern in Empfang nehmen und an G. weiterleiten und - teilweise die Abdeckrechnungen von G. in Empfang nehmen und den Einlieferern übergeben.
9
Ba. sollte, wie zuvor auch, in erster Linie für die Beschaffung und teilweise Verteilung des Goldes zuständig sein, während G. die Abdeckrechnungen fertigen und daneben weiterhin Gold einliefern sollte.
10
Ende September 2010 nahm der Angeklagte den gesondert Verfolgten Gl. in die Gruppe auf, der als „Rechnungsschreiber“ und Einlieferer unter Falschpersonalien auftretend fortan ebenfalls eine führende Funktion in der Gruppe einnahm. Er ersetzte G. , als dieser im Oktober 2010 aus der Gruppe ausschied.
11
Der Angeklagte erhielt bei jedem Goldgeschäft einen Gewinnanteil; im Übrigen blieb die Gewinnverteilung in der Gruppe weitgehend ungeklärt. Die in diesen Fällen unter Beteiligung des Angeklagten insgesamt bewirkte Umsatzsteuerverkürzung betrug 1.382.391,24 Euro.
12
2. Die einzelnen Fälle wiesen folgende Besonderheiten auf:
13
a) Fälle 1 bis 18 der Urteilsgründe
14
aa) In den Fällen 1 bis 14 sowie 16 bis 18 der Urteilsgründe wurden die Einlieferungen von G. sowie von vier weiteren Einlieferern vorgenommen. Die für die Steuerhinterziehung erforderlichen Abdeckrechnungen auf dem Briefkopf einer A. GmbH stellte G. her, der zu diesem Zweck vom Angeklagten Geschäftsunterlagen und einen Firmenstempel der A. GmbH erhalten hatte. Der Angeklagte veranlasste jeweils, dass die Rechnungen vom formellen Geschäftsführer der A. GmbH, einem unter den Falschpersona- lien „ T. “ auftretenden nicht näher identifizierten bulgarischen Staatsangehörigen, unterzeichnet wurden.
15
bb) Im Fall 15 der Urteilsgründe wurden Vorsteuern aus Abdeckrechnungen geltend gemacht, die Gl. unter den Falschpersonalien „ F. “ gefertigt hatte. Der Angeklagte hatte Gl. zuvor einen auf diesen Namen ausgestellten gefälschten Reisepass besorgt.
16
b) Fälle 23 bis 26 der Urteilsgründe
17
Gl. trat in den Monaten September bis Dezember 2010 unter den Falschpersonalien „ F. “ selbst als Einlieferer auf. Da er einen falschen Namen verwendete, gab er abweichend von der sonst üblichen Vorgehensweise absprachegemäß keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Die Verwendung von Abdeckrechnungen erschien im Hinblick auf die Identitätstäuschung zu Verschleierungszwecken nicht erforderlich. Den für die Einlieferung bei der Goldscheideanstalt erhaltenen Kaufpreis händigte er abzüglich einer Provision von einem Prozent des Gutschriftsbetrages an den Angeklagten oder an Ba. aus.
18
c) Fälle 27 und 28 der Urteilsgründe
19
In den Fällen 27 und 28 der Urteilsgründe wurden zwei Einlieferer unter Falschpersonalien tätig, denen der Angeklagte gefälschte Ausweisdokumente verschafft hatte. Da auch sie unter diesen Falschpersonalien auftraten, wurden Abdeckrechnungen für ihre Einlieferungen von vorneherein nicht erstellt.
20
d) Fälle 20 bis 22 sowie 29 der Urteilsgründe
21
aa) Die Einlieferin Y. hatte von Gl. unter dem Namen „ F. “ erstellte Abdeckrechnungen erhalten. Sie gab absprachewidrig keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab (Fälle 20 bis 22 der Urteilsgründe)
22
bb) Der Einlieferer D. gab, obwohl er Abdeckrechnungen erhalten hatte, ebenfalls absprachewidrig keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab (Fall 29 der Urteilsgründe).
23
e) Fall 19 der Urteilsgründe
24
Das Gruppenmitglied G. , das im Fall 19 der Urteilsgründe als Einlieferer tätig wurde, gab abweichend von den Absprachen in der Gruppe gleichfalls keine Umsatzsteuervoranmeldung ab.
25
3. Das Landgericht hat die vom Angeklagten aus der Gruppe heraus begangenen Taten als 18 Fälle gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung durch aktives Tun gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 2 StGB (Fälle 1 bis 18 der Urteilsgründe) und elf Fälle gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB (Fälle 19 bis 29 der Urteilsgründe) gewertet. Es hat in diesen Fällen jeweils eine bandenmäßige Begehung i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO angenommen.
26
Das Landgericht hat den Angeklagten in diesen Fällen jeweils als Mittäter eingestuft. Soweit Unterlassungsdelikte vorlägen (Fälle 19 bis 29 der Urteilsgründe ), habe er gemeinschaftlich mit anderen die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen unterlassen.
27
Die über die Gewerbe der Einlieferer abgewickelten Goldlieferungen hat das Landgericht den Mitgliedern der Gruppe, die sie als Bande qualifiziert hat, und damit auch dem Angeklagten zugerechnet, weil die Einlieferer sich als „Strohleute“ in einer arbeitnehmerähnlichen Stellung befunden hätten und - somit nicht als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG handelnd - den Tatplan der Bandenmitglieder lediglich umgesetzt hätten. Daher habe für den Angeklag- ten als „Mitunternehmer“ gemäß § 18 UStG die Pflicht bestanden, diese Goldeinlieferungen in Umsatzsteuererklärungen als Umsätze anzumelden.
28
Soweit (in den Fällen 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe) G. und Gl. als Einlieferer tätig geworden seien, sei der Angeklagte nicht als „Mitunternehmer“ einzustufen. Denn diese Gruppenmitglieder hätten nicht die Position von „Strohleuten“ eingenommen. Deshalb seien auch deren Goldeinlieferungen nicht dem Angeklagten unter dem Gesichtspunkt (mit)unternehmerischer Tätigkeit zurechenbar. Dennoch habe sich der Angeklagte auch insoweit der gemeinschaftlichen Umsatzsteuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Er müsse sich als Hintermann - entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - die Pflichtverletzungen der Bandenmitglieder zurechnen lassen.

II.

29
Weitere Taten des Angeklagten (Fälle 30 bis 34 der Urteilsgründe)
30
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leistete der Angeklagte außerhalb der Bande Unterstützungsbeiträge zu weiteren vergleichbaren Taten:
31
a) Fall 30 der Urteilsgründe (Unterstützung einer Gruppe um B. )
32
Der wegen den Streitigkeiten mit G. und Ba. aus der Bande ausgeschiedene B. nahm in einer neuen Gruppe entsprechende Goldhandelsgeschäfte vor, die ebenfalls auf die Hinterziehung von Umsatzsteuer abzielten. Die Geschäfte wurden über die vermögenslose S. GmbH abgewickelt. Nachdem viele Banken unter anderem wegen des von ihnen gesehenen Geldwäscheverdachts nicht mehr dazu bereit waren, Konten für Goldhändler zu errichten, unterstützte der Angeklagte die Gruppe, indem er über einen unabhängigen Finanzvermittler die Eröffnung eines Geschäftskontos ermöglichte.
33
Die durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärungen für die über die S. GmbH abgewickelten Goldhandelsgeschäfte eingetretene Umsatzsteuerverkürzung betrug insgesamt 824.000,04 Euro.
34
b) Fälle 31 bis 34 der Urteilsgründe (Unterstützung einer Gruppe um Te. )
35
Für entsprechende Goldhandelsgeschäfte einer Gruppe um Te. , bei denen ebenfalls systematisch Umsatzsteuern hinterzogen wurden, stellte der Angeklagte Abdeckrechnungen zur Verfügung, die er von Gl. fertigen ließ. Sie wurden zum unberechtigten Vorsteuerabzug verwendet. Hier- durch wurde durch Yi. Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 89.965 Euro und durch Ü. von weiteren 57.633,42 Euro hinterzogen.
36
2. Die den Fällen 30 bis 34 der Urteilsgründe zu Grunde liegenden Taten hat das Landgericht jeweils als Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO, § 27 StGB gewertet. Dabei ist es angesichts des einmaligen Tatbeitrages des Angeklagten im Falle der S. GmbH von einer einheitlichen Beihilfetat ausgegangen.

B.

37
Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge - die nicht ausgeführte Verfahrensrüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) - zu einem Teilerfolg. In den Fällen 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe ändert der Senat den Schuldspruch von Mittäterschaft auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung ab. Dies zieht in diesen Fällen die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Im Übrigen enthält das Urteil keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler.

I.


38
Die verfahrensgegenständlichen Taten können in zwei Fallkomplexe unterteilt werden. Fallkomplex I umfasst die von der Bande um den Angeklagten und Ba. sowie G. bzw. Gl. begangenen Taten (Fälle 1 bis 29 der Urteilsgründe). Fallkomplex II erfasst die Unterstützungshandlungen des Angeklagten für andere Täter bzw. Tätergruppierungen (Fälle 30 bis 34 der Urteilsgründe). Ausgehend von den sich stellenden Rechts- fragen lassen sich im Fallkomplex I zwei Untergruppen bilden: Die Fallgruppe I.1. umfasst diejenigen Fälle, bei denen von den Einlieferern unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben wurden (Fälle 1 bis 18 der Urteilsgründe ), während der Fallgruppe I.2. diejenigen Fälle zuzuordnen sind, bei denen von den Einlieferern (pflichtwidrig) keine Steueranmeldungen eingereicht wurden (Fälle 19 bis 29 der Urteilsgründe). Letztere Fallgruppe (Unterlassungstaten ) lässt sich weiter unterteilen in die Gruppe der Fälle, in denen weisungsabhängige Strohleute als Einlieferer tätig wurden (Fallgruppe I.2.a: Fälle 20 bis 22 und 27 bis 29 der Urteilsgründe) und diejenige, in der die führenden Bandenmitglieder G. und Gl. gegenüber den Scheideanstalten als Einlieferer auftraten (Fallgruppe I.2.b: Fälle 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe).

II.


39
Mit Ausnahme hinsichtlich der Fallgruppe I.2.b (Fälle 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe) hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung stand.
40
1. Fallgruppe I.1. (Fälle 1 bis 18 der Urteilsgründe)
41
Die Verurteilung des Angeklagten in der Fallgruppe I.1 wegen in Mittäterschaft begangener Steuerhinterziehung durch aktives Tun gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 2 StGB begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
42
a) Täter einer Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nicht nur der Steuerpflichtige sein. Vielmehr kommt als Täter einer Steu- erhinterziehung durch aktives Tun grundsätzlich jedermann in Betracht („wer“), sofern er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht. Mittäter kann daher auch eine Person sein, der das Gesetz keine steuerlichen Pflichten zuweist, sofern nur die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Begehungsweise im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB gegeben sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1986 - 3 StR 405/86, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1; BGH, Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 103/86, NStZ 1986, 463; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1989 - 3 StR 80/89, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Mittäter 3; BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Täter 4; BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - 5 StR 164/06, wistra 2007, 112).
43
Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Juni 2005 - 5 StR 12/05, NStZ 2006, 44; BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291 mwN).
44
b) Die erkennbar auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände getroffene Wertung des Landgerichts, der Angeklagte sei in diesen Fällen Mittäter und nicht nur Gehilfe der durch Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Einlieferer begangenen Steuerhinterziehungen gewesen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
45
Das Landgericht durfte dabei maßgeblich berücksichtigen, dass die Einlieferer mit der Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich den Tatplan der Gruppe (Bande) um den Angeklagten sowie Ba. undG.
bzw. Gl. umsetzten. In diesem Tatplan spielte die Verwendung der von dem Angeklagten beschafften Abdeckrechnungen zur Verschleierung der Steuerverkürzungen eine bedeutende Rolle. Der Angeklagte hatte zudem an der Funktionsfähigkeit des verwendeten Systems der Hinterziehung von Umsatzsteuer erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse, denn er war an den Erträgen aus diesem System beteiligt. Die von ihm erbrachten Tatbeiträge, etwa seine Mitwirkung bei der Beschaffung der Abdeckrechnungen und bei der Übergabe des Goldes an die Einlieferer, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei als für die Taten wesentlich angesehen.
46
Der Annahme von Mittäterschaft steht nicht entgegen, dass der Angeklagte seine jeweiligen Tatbeiträge lediglich im Vorfeld der unrichtigen Steueranmeldungen erbrachte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12, wistra 2013, 67; Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 103/86, NStZ 1986, 463). Insoweit gelten die allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - 3 StR 63/12).
47
2. Fallkomplex II. (Fälle 30 bis 34 der Urteilsgründe)
48
Die Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Fallkomplex II. ist ebenfalls rechtsfehlerfrei. Die Urteilsfeststellungen belegen in den Fällen 30 bis 34 der Urteilsgründe sowohl die Haupttaten der Steuerhinterziehung als auch die von dem Angeklagten vorsätzlich erbrachten Tatbeiträge.

49
3. Fallgruppe I.2.a (Fälle 20 bis 22 sowie 27 bis 29 der Urteilsgründe)
50
Die Verurteilung des Angeklagten der Fallgruppe I.2.a wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO hält jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
51
a) Tatbestandlich i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO handelt, wer eine Rechtspflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen verletzt. Diese Voraussetzung muss auch bei einem Mittäter vorliegen.
52
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Täter - auch Mittäter - einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1979 - 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 375 ff.; BGH, Urteil vom 12. November 1986 - 3 StR 405/86, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1; BGH, Beschluss vom 14. Februar 1990 - 3 StR 317/89, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 Eingangsabgaben 1; BGH, Beschluss vom 20. November 1990 - 3 StR 259/90, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 Mittäter 2; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 5 StR 600/01, BGHSt 48, 52, 58; BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Täter 4 = wistra 2003, 344; BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004 - 5 StR 85/04, wistra 2004, 393; BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - 5 StR 164/06, wistra 2007, 112; BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - 1 StR 105/10). Dabei können sich Offenbarungspflichten sowohl aus den gesetzlich besonders festgelegten steuerlichen Erklärungspflichten wie auch aus allgemeinen Garantenpflichten ergeben, die allerdings eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 Rn. 161 ff.).
53
bb) Demgegenüber ist die Strafkammer - mit durchaus beachtlichen Argumenten - der Auffassung, dass die von der Rechtsprechung vorgenommene Beschränkung des Täterkreises auf Personen, die eine eigene Offenbarungs- pflicht verletzen, nicht zutreffend sei (UA S. 153 ff.). Vielmehr handele es sich beim Unterlassungstatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO um ein Allgemeinde- likt, sodass die Pflichtverletzung eines „Vordermanns“ einem selbst nicht erklä- rungspflichtigen „Hintermann“ zugerechnet werden könne. Aus diesem Grund könnten Personen auch Mittäter sein, die keine sie persönlich treffende Pflicht verletzen, sofern nur die allgemeinen Voraussetzungen für die Annahme von Mittäterschaft gegeben seien.
54
Der Wortlaut des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sei mit einer Einstufung als Allgemeindelikt vereinbar. Das Gesetz grenze den Täterkreis nicht näher ein, sondern verwende - ebenso wie bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO - die für Allgemein- delikte typische Umschreibung „wer“. Schließlich beschreibe auch das Merkmal „pflichtwidrig“ keine persönliche Pflichtenstellung für einen bestimmten Personenkreis , sondern enthalte ein strafrechtliches „Jedermann-Gebot“. Es beschreibe nicht den Personenkreis näher, sondern konkretisiere, welche Art und Weise des Handelns unter Strafe gestellt sei (vgl. Bender, wistra 2004, 368, 371; Kuhlen in: Festschrift für Heike Jung, 2007, S. 445, 457). Auch die Systematik des Gesetzes spreche für die vom Landgericht vertretene Auffassung, denn § 370 AO enthalte die im Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 378 Abs. 1 AO enthaltene Beschränkung des Täterkreises gerade nicht.
55
Schließlich verweist das Landgericht darauf, dass die bisherige Auslegung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. So sei es oft letztlich vom Zufall abhängig, ob eine Bestrafung als Täter oder - trotz vergleichbaren Unrechtsgehalts der Tatbeteiligung - nur als Gehilfe in Betracht komme, etwa weil ein unterstützter anderer Tatbeteiligter eine Steuererklärung überhaupt nicht statt - wie geplant - mit falschem Inhalt abgebe. So sei es nach der bisherigen Auslegung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich, dass ein „Hin- termann“ trotz tatbeherrschender Stellung nur als Gehilfe bestraft werden könne.
56
cc) Der Senat teilt die Auffassung, dass es sich auch bei dem Unterlassungstatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO um ein Delikt handelt, das nicht nur vom Steuerpflichtigen und Personen, denen sonst in den Steuergesetzen steuerliche Erklärungspflichten auferlegt sind (vgl. §§ 34, 35 AO), verwirklicht werden kann, sondern grundsätzlich von „Jedermann“.
57
(1) Durch die offene Formulierung des Gesetzes „wer“, die allen drei Tatvarianten der Steuerhinterziehung vorangestellt ist, enthält § 370 Abs. 1 AO die herkömmlich bei der Ausgestaltung von Allgemein-/Jedermannsdelikten verwendete Formulierung (vgl. Kuhlen in: Festschrift für Heike Jung, 2007, S. 445, 457). Nach dem Gesetzeswortlaut erfolgt damit keine Beschränkung auf eine bestimmte Tätergruppe; einen Statusbegriff, wie er sonst häufig bei der Beschreibung tauglicher Täter bei Sonderdelikten zu finden ist, enthält § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht.
58
(2) Der Umstand, dass der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO hin- sichtlich des Merkmals „pflichtwidrig“ weitere Besonderheiten aufweist, ergibt sich darüber hinaus auch aus einem systematischen Vergleich zu anderen Tatbeständen , die ebenfalls das Merkmal „pflichtwidrig“ aufgreifen, jedoch anders ausgestaltet sind:
59
So knüpfen zwar auch die Straftatbestände des § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB und des § 356 StGB an das Merkmal „pflichtwidrig“ an. Diese Tatbestände enthalten aber jeweils den Täterkreis beschreibende Statusbegriffe, so dass bereits der jeweilige Wortlaut („als Arbeitgeber“ bzw. „ein Anwalt oder anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Ange- legenheiten …. pflichtwidrig dient“) die Eigenschaft des tauglichen Täters be- schränkt. Beide Tatbestände knüpfen damit an ein besonderes Vertrauensverhältnis oder an besonders ausgestaltete Pflichtenstellungen an, die sich aus der personalen Eigenschaft als „Arbeitgeber“ bzw. „als Anwalt“ ergeben. Dem- gegenüber erfordert die Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (pflichtwidriges In-Unkenntnis-lassen bezogen auf steuerlich erhebliche Tatsachen) keine Anknüpfung an solche personenbezogenen Eigenschaften und Umstände. Die Strafvorschrift des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwendet nicht die Formulierung „wer als Steuerpflichtiger“ (vgl. § 33 Abs. 1 AO) und richtet sich deshalb auch nicht allein an den Adressaten eines Steuergesetzes, also denjenigen, dem aus einem Steuergesetz Rechte und Pflichten erwachsen (vgl. zum Begriff des Steuerpflichtigen Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., § 33 Rn. 1).
60
(3) Auch aus der Struktur des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO insgesamt ergibt sich keine Beschränkung des Täterkreises auf den Adressaten eines Steuergesetzes. Tatbestandsrelevant ist der Verstoß gegen die Handlungspflicht bei Taten nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zwar nur, wenn die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden. Hieraus folgt aber lediglich, dass die Pflicht zur Erfolgsabwendung, gegen die der Unterlassende verstößt, nur dann eine Strafbarkeit begründen kann, wenn sie auf eine Beseitigung der Unkenntnis des Finanzamtes gerichtet ist. Dem lässt sich aber nur entnehmen, wie die im Interesse des geschützten Rechtsguts (Steueraufkommen ) bestehende Pflichtenstellung näher ausgestaltet sein muss, nicht aber, wer Träger der Pflicht ist.
61
(4) Ein Vergleich mit dem Bußgeldtatbestand des § 378 Abs. 1 AO zeigt, dass auch das Steuerstraf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht Beschränkungen des Täterkreises kennt. Bei dieser Vorschrift ist der Täterkreis eingeschränkt auf Steuerpflichtige sowie Personen, „die bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichnete Tat leicht- fertig“ begeht. Eine derartige Begrenzung des Täterkreises enthält § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht.
62
(5) Auch der Schutzzweck der Norm gebietet keine Beschränkung auf die Verletzung eigener steuerlicher Pflichten. Denn geschütztes Rechtsgut ist bei allen Tatbeständen des § 370 AO das öffentliche Interesse des Staates am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 und Beschluss vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12 [zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ] mwN). Alle Tatbestandsvarianten des § 370 Abs. 1 AO enthalten daher auch einheitlich als Taterfolg die Verkürzung von Steuern sowie die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile für sich oder einen anderen.
63
dd) Schließlich trifft auch der Hinweis des Landgerichts zu, dass es zuweilen allein von der Ausgestaltung der steuerlichen Normen abhängt, ob eine Tatbegehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder eine solche durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) in Betracht kommt, was - etwa auch im Bereich mittelbarer Täterschaft - erhebliche Auswirkungen auf die Strafbarkeit von Tatbeteiligten haben kann.
64
ee) Der Senat erkennt ausdrücklich an, dass das Landgericht mit sorgfältiger Begründung gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Stellung bezogen und damit eine Änderung der Rechtsprechung angeregt hat. Gleichwohl hält er an der Rechtsprechung fest, dass Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nur derjenige sein kann, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist. Denn der Wortlaut dieser Strafnorm lässt eine andere Auslegung nicht zu (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG). Nach Auffassung des Senats bezieht sich das Merkmal „pflichtwidrig“ allein auf das Verhalten des Täters (bei dem es sich indes nicht um den Steuerpflichtigen handeln muss), nicht allgemein auf dasjenige irgendeines Tatbeteiligten. Damit kommt eine Zurechnung fremder Pflichtverletzungen auch dann nicht in Betracht, wenn sonst nach allgemeinen Grundsätzen Mittäterschaft vorliegen würde.
65
Anders wäre dies etwa, wenn der Gesetzgeber die Formulierung „wer bewirkt, dass die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden“, gewählt hätte. Es bleibt daher dem Gesetzgeber vorbehalten, etwaige Ungereimtheiten im Anwendungsbereich der Tatbestände des § 370 Abs. 1 AO zu beseitigen. Im Übrigen kann ein Tatgericht den Umstand, dass eine nur als Gehilfe strafbare Person Tatherrschaft hatte, im Rahmen des nach erfolgter Strafrahmenverschiebung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB eröffneten Strafrahmens erheblich strafschärfend werten.
66
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich die für eine Unterlassungsstrafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO somit erforderliche Erklä- rungspflicht des Angeklagten nicht daraus, dass er als „Mitunternehmer“ gemäß § 2 UStG verpflichtet gewesen wäre, gemäß § 18 UStG die von den Einlieferern getätigten Umsätze anzumelden.
67
Dies gilt unabhängig von dem Umstand, dass das Landgericht mit dem Begriff des Mitunternehmers einen im Umsatzsteuerrecht nicht gebräuchlichen (vgl. BFH, Urteil vom 18. März 1988 - V R 178/83, DStR 1988, 516, 517) Begriff des Einkommensteuergesetzes (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) verwendet hat. Dabei kann auch dahinstehen, ob die Bande, der sich der Angeklagte zur Begehung von Steuerstraftaten angeschlossen hatte, aufgrund geschlossenen Auftretens nach außen hin als eigenständiges Unternehmen im Sinne des § 2 UStG anzusehen sein könnte. Denn entgegen der Ansicht des Landgerichts waren jedenfalls bei den hier in Rede stehenden Goldverkäufen allein die „Strohleute“ die Unternehmer, die in einer Leistungsbeziehung zu den Scheide- anstalten standen, nicht die hinter den „Strohleuten“ stehende Bande. Die Einlieferer waren insoweit - obgleich „Strohleute“ - nicht als für die Leistungsbezie- hungen bedeutungslose „Nichtunternehmer“ anzusehen. Damit scheidet die vom Landgericht vorgenommene Zurechnung der von den Einlieferern getätigten Umsätze zur Bande als Leistungserbringerin aus.
68
aa) Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Vom Unternehmerbegriff des Umsatzsteuergesetzes werden zwar unabhängig von der Rechtsform Personen und Personenzusammenschlüsse aller Art erfasst. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erbringt ein Zusammenschluss natürlicher Personen regelmäßig aber nur dann als selbständiger Unternehmer i.S.d. § 2 UStG Leistungen gegen Entgelt, wenn dem Leistungsempfänger diese Personenmehrheit als Schuldner der vereinbarten Leistung und Gläubiger des vereinbarten Entgelts gegenübersteht (vgl. BFH, Urteil vom 16. August 2001 - V R 67/00, UR 2002, 213; BFH, Urteil vom 18. März 1988 - V R 178/83, DStR 1988, 516, 517). Maßgeblich ist somit, ob der Zusammenschluss natürlicher Personen als solcher nach außen durch die Erbringung von Umsätzen erkennbar am Wirtschaftsverkehr teilnimmt (vgl. Klenk in Sölch/ Ringleb, UStG, 63. Lfg., § 2 Rn. 10 f.).
69
bb) Ob und inwieweit die Bande, der sich der Angeklagte angeschlossen hatte, diese Voraussetzung erfüllte und sie damit als Unternehmerin im Sinne des § 2 UStG tätig wurde, ist den Urteilsfeststellungen nicht eindeutig zu entnehmen.
70
Letztlich kann dies hier auch dahinstehen. Denn die sich aus der Unternehmerstellung ergebenden Erklärungspflichten eines Unternehmers im Sinne des § 2 UStG beschränken sich auf diejenigen Umsätze, die seinem Unternehmen zuzuordnen sind. Dazu gehörten hier - für die Bande - die Goldlieferungen der Einlieferer an die Scheideanstalten nicht.
71
(1) Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen (vgl. BFH, Urteil vom 16. August 2001 - V R 67/00, UR 2002, 213; BFH, Urteil vom 26. Juni 2003 - V R 22/02, DStRE 2004, 153). Leistender ist damit in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (st. Rspr.; vgl. nur BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 - V R 25/10, DStRE 2011, 1326 mwN). Dabei kann auch ein „Strohmann" Unternehmer und Leistender im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein. Er ist nicht deswegen unselbständig i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, weil er im Innenverhältnis den Weisungen des Auftraggebers verpflichtet ist (BFH, Urteil vom 26. Juni 2003 - V R 22/02, DStRE 2004, 153). Ohne Bedeutung für die Beurteilung der Leistungsbeziehungen im Verhältnis zu Dritten ist grundsätzlich, aus welchen Gründen der „Hintermann“ gegenüber dem Vertragspartner des „Strohmanns“ und Leistungsempfänger (einem Dritten), als Leistender nicht in Erscheinung treten will (BFH aaO; zu den Leistungsbeziehungen zwischen Stroh- und Hintermann vgl. auch BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 - V R 25/10, DStRE 2011, 1326).
72
(2) Unbeachtlich ist ein „vorgeschobenes" Strohmanngeschäft allerdings dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn beide Vertragsparteien einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem „Hintermann" eintreten sollen (vgl. § 41 Abs. 2 AO; BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 - V R 25/10, DStRE 2011, 1326 unter II.1.c; BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208 = BStBl II 2004, 622, unter II.4.c; BFH, Beschluss vom 17. Oktober 2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - 1 StR 520/02, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Täter 4 = wistra 2003, 344). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass derjenige, mit dem (als „Strohmann“) oder in dessen Namen das Rechtsgeschäft abgeschlossen wird, selbst keine eigene - ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will (vgl. BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 - V R 25/10, DStRE 2011, 1326 unter II.1.c; BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208; BFH, Urteil vom 12. August 2009 - XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259).
73
(3) So verhielt es sich nach den Feststellungen hier nicht. Da nicht die Bande um den Angeklagten, sondern die Einlieferer gegenüber den Scheideanstalten auftraten und für letztere keine Anhaltspunkte bestanden, dass diese Personen für eine hinter ihnen stehende Person oder Personenmehrheit handelten und nur als „Rechnungsschreiber“ oder „Gutschriftsempfänger“ tätig wurden (vgl. BFH, Urteil vom 5. August 2010 - V R 13/09, BFH/NV 2011, 81 unter II.2.a.aa), waren die Einlieferer, auch soweit sie nur „Strohleute“ waren, bei den Goldveräußerungen an die Scheideanstalten als die leistenden Unternehmer anzusehen.
74
Die Frage, ob die „Strohleute“ im Verhältnis zur Bande, von der sie das Altgold erhielten, wegen ihres kollusiven Zusammenwirkens ohne handelstypisches Verhalten nicht als Unternehmer anzusehen waren (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, BGHR UStG § 15 Abs. 1 Unternehmer 1; BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Täter 4 = wistra 2003, 344), ist insoweit ohne Bedeutung.
75
cc) Der Umstand, dass sowohl die gegenüber den Scheideanstalten nicht auftretenden Bandenmitglieder als auch die „Strohleute“ von Anfang an beabsichtigten, auf der Grundlage der Altgoldgeschäfte Umsatzsteuern zu hinterziehen , steht der Annahme steuerbarer und steuerpflichtiger Ausgangsumsätze (Lieferungen) der Einlieferer nicht entgegen (vgl. BFH, Urteil vom 5. August 2010 - V R 13/09, BFH/NV 2011, 81 unter II.2.a.bb mwN; zum Entstehen einer anzumeldenden Steuerschuld gemäß § 14c Abs. 2 UStG, wenn der Einlieferer die Ausstellung einer unrichtigen Gutschrift veranlasst, vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, NStZ 2012, 267, 268; vgl. auch Korn in Bunjes, UStG, 11. Aufl., § 14c Rn. 5; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, 68. Lfg., § 14c Rn. 152 f.).
76
c) Leistende Unternehmer und damit als Steuerpflichtige zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für die Altgoldlieferungen an die Scheideanstalten verpflichtet waren somit die „Strohleute“ als Unternehmer und nicht der Angeklagte. Jedoch bestand daneben für den Angeklagten als Verfügungsberechtigten im Sinne von § 35 AO eine eigenständige Rechtspflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten für die als „Strohleute“ eingesetzten Einlieferer erfüllt werden.
77
aa) Nach § 35 AO hat derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Wer daher in diesem Sinne als Verfügungsberechtigter auftritt, hat unter der Voraussetzung , dass er dazu tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, wie der gesetzliche Vertreter nach § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten des Rechtsträgers zu erfüllen (vgl. BFH, Urteil vom 24. April 1991 - I R 56/89, BFH/NV 1992, 76). Zu den von ihm zu erfüllenden Pflichten gehört insbesondere die Abgabe von Steuererklärungen (etwa von Umsatzsteuervoranmeldungen oder Umsatzsteuerjahreserklärungen , vgl. BFH, Urteil vom 5. August 2010 - V R 13/09, BFH/NV 2011, 81 sowie Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 6. Juni 2008 - 11 K 573/06, EFG 2009, 1610; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. November 1989 - 3 StR 249/89, BGHR AO § 35 Verfügungsberechtigter 2 sowie BGH, Urteil vom 12. November 1986 - 3 StR 405/86, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 Mittäter
1) und die Entrichtung der Steuern aus den vorhandenen Mitteln.
78
(1) Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO ist jeder, der nach dem Gesamtbild der Verhältnisse rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als solcher nach außen auftritt (vgl. BFH, Urteil vom 5. August 2010 - V R 13/09, BFH/NV 2011, 81; BFH, Urteil vom 27. November 1990 - VII R 20/89, BStBl. II 1991, 284; Krömker in Lippross , Basiskommentar Steuerrecht, 65. Lfg., § 35 AO Rn. 2; Gmach, DStZ 2001, 341, 342; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 40. Lfg., § 370 AO Rn. 118 ff.).
79
Nicht ausreichend ist eine rein tatsächliche Verfügungsmacht, etwa die Möglichkeit, über (allein) wirtschaftlichen Druck auf die Verfügungen des Steuerpflichtigen Einfluss zu nehmen (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 16. März 1995 - VII R 38/94, BStBl. II 1995, 859 betreffend eine Bank; Mösbauer, DB 2005, 1816, 1819); vielmehr muss die Verfügungsmöglichkeit rechtlich eingeräumt worden sein, sodass der Verfügungsberechtigte aufgrund bürgerlich-rechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam handeln kann (vgl. BFH, Urteil vom 21. Februar 1989 - VII R 165/85, BStBl. II 1989, 491 unter II.1.; Jatzke in Beermann/Gosch, 62. Lfg., § 35 AO Rn. 7). Entscheidend für die Pflichtenstellung des § 35 AO ist, dass der Verfügungsberechtigte durch die Übertragung der rechtlichen Verfügungsbefugnis (in der Regel durch Rechtsgeschäft, vgl. Schwarz, AO, 122. Lfg., § 35 AO Rn. 7) in die Lage versetzt worden ist, am Rechtsverkehr wirksam teilzunehmen (vgl. Jatzke aaO Rn. 7).
80
Eine mittelbare rechtliche Verfügungsbefugnis genügt. Verfügungsberechtigt im Sinne des § 35 AO ist daher auch, wer aufgrund seiner Stellung die Pflichten des gesetzlichen Vertreters erfüllen kann oder durch die Bestellung entsprechender Organe erfüllen lassen kann (vgl. Boeker in Hübschmann/ Hepp/Spitaler (HHSp), AO, Lfg. 205, § 35 AO Rn. 8 mwN). Gleiches gilt für denjenigen, der kraft eines Rechtsverhältnisses den Vertretenen steuern und über seine Mittel verfügen kann (vgl. zu einem Treuhand- oder sonstigen Auftragsverhältnis : Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juni 2008 - 12 K 407/04, Rn. 87 ff. [juris], EFG 2008, 1434). Auch wenn ein Geschäftsherr einem Dritten für einen bestimmten Geschäftsbereich völlig freie Hand lässt, so kann dieser Dritte nach den Umständen des Einzelfalls für den Geschäftsbereich , den er übernommen hat, als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO anzusehen sein (vgl. Schwarz aaO Rn. 7).
81
(2) Nur wer als Verfügungsberechtigter nach außen auftritt, kann Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO sein (vgl. BFH, Beschluss vom 26. April 2010 - VII B 194/09, BFH/NV 2010, 1610 unter II.3.; BFH, Urteil vom 24. April 1991 - I R 56/89, BFH/NV 1992, 76). Auftreten bedeutet Teilnahme am Wirtschafts- und Rechtsverkehr, die über die Beziehungen zum Rechtsinhaber hinausgeht (vgl. BFH, Urteil vom 29. Oktober 1985 - VII R 186/82, BFH/NV 1986, 192 unter 1., noch zu § 108 RAO; Niedersächsisches Finanzgericht, Ur- teil vom 9. Juli 1991 - XI 508/90, EFG 1992, 239; Boeker in HHSp, Lfg. 205, § 35 Rn. 10; Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., § 35 Rn. 7).
82
Keine Voraussetzung ist ein Auftreten gerade gegenüber den Finanzbehörden oder in steuerlichen Angelegenheiten (vgl. BFH, Urteil vom 27. November 1990 - VII R 20/89, BStBl. II 1991,284; BFH, Urteil vom 21. Februar 1989 - VII R 165/85, BStBl. II 1989, 491 mwN; Niedersächsisches Finanzgericht aaO; Gmach, DStZ 2001, 341, 342), vielmehr genügt, dass der Verfügungsberechtigte gegenüber irgendjemandem - nach außen - im Rechtsverkehr als solcher aufgetreten ist (vgl. BFH, Urteil vom 29. Oktober 1985 - VII R 186/82, BFH/NV 1986, 192 unter 1.).
83
Das Auftreten muss auch nicht in einer Disposition über fremdes Vermögen bestehen. Es reicht aus, wenn der Verfügungsberechtigte sich nach außen so geriert, als könne er über fremdes Vermögen verfügen. Nimmt etwa ein faktischer Geschäftsführer oder „faktischer Leiter“ (vgl. BFH, Beschluss vom 10. Oktober 1994 - I B 228/93, BFH/NV 1995, 662) eines Unternehmens Geschäftsführungsaufgaben tatsächlich wahr, so reicht es aus, wenn er lediglich gegenüber einer „begrenzten Öffentlichkeit“, etwa im Rahmen von Gesellschafterversammlungen , zu erkennen gibt, dass er als solcher über das Vermögen verfügen kann, das Auftreten gegenüber der „allgemeinen Öffentlichkeit“ aber weisungsabhängigen Personen überlässt (vgl. BFH, Urteil vom 5. August 2010 - V R 13/09, BFH/NV 2011, 81; BFH, Urteil vom 24. April 1991 - I R 56/89, BFH/NV 1992, 76; vgl. auch BFH, Beschluss vom 9. Januar 2013 - VII B 67/12 sowie Merkt, AO-StB 2009, 81, 84). Hält sich der faktisch Leitende selbst im Hintergrund und bedient er sich zur Ausübung seiner Verfügungsbefugnis der Unterstützung weisungsgebundener Personen, wird er nach § 35 AO nur verpflichtet, wenn die Weisungsabhängigkeit auch nach außen - mithin mindestens gegenüber einer „begrenzten Öffentlichkeit“ - erkennbar wird (BFH, Beschluss vom 26. April 2010 - VII B 194/09, BFH/NV 2010, 1610 unter II.3 mwN; vgl. auch Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., § 35 Rn. 7). Diese Grundsätze gelten für Einzelunternehmen entsprechend (vgl. BFH, Beschluss vom 11. Dezember 2007 - VII B 172/07, BFH/NV 2008, 748; zur faktischen Unternehmensbeherrschung bei Einzelunternehmen vgl. auch Köhler in Wabnitz /Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl. 2007, Kap. 7, Rn. 274 sowie Bieneck in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht , 5. Aufl., § 77 Rn. 20).
84
(3) Wer als Verfügungsberechtigter auftritt, hat die steuerlichen Pflichten eines gesetzlichen Vertreters nur in dem Umfang zu erfüllen, wie er dies tatsächlich und rechtlich kann (§ 35 AO 2. Halbsatz). Mit Blick auf die ansonsten weitgehende Bedeutungslosigkeit der Vorschrift des § 35 AO gegenüber dem bereits über § 34 Abs. 1 AO unmittelbar erfassten Personenkreis ist aber nicht erforderlich, dass der Verfügungsberechtigte unmittelbar rechtlich zur Pflichtenerfüllung in der Lage ist, mittelbares Können genügt daher (vgl. BFH, Urteil vom 16. März 1995 - VII R 38/94, BFHE 177, 209, BStBl. II 1995, 859 unter 3.a.; BFH, Urteil vom 7. April 1992 - VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213; BFH, Urteil vom 27. November 1990 - VII R 20/89, BFHE 163, 106, BStBl. II 1991, 284).
85
Steuerliche Pflichten sind daher auch dann rechtlich und tatsächlich erfüllbar , wenn zwar keine unmittelbare Vertretungsbefugnis besteht, die rechtliche Stellung jedoch eine verbindliche Weisung an den Vertretenen ermöglicht (Koenig in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl., § 35 Rn. 14). Aber auch derjenige, der kraft eines Vertragsverhältnisses den Steuerpflichtigen steuern und deshalb über dessen Mittel verfügen kann, kann im Einzelfall tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, die steuerlichen Pflichten eines gesetzlichen Vertreters zu erfüllen (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juni 2008 - 12 K 407/04, Rn. 87 ff. [juris], EFG 2008, 1434).
86
bb) Gemessen an diesen Maßstäben war der Angeklagte Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO. Er kam seiner sich hieraus ergebenden Ver- pflichtung, für die als „Strohleute“ tätigen Einlieferer die Goldverkäufe umfas- sende Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben, nicht nach, obwohl er hierzu tatsächlich und rechtlich zumindest mittelbar in der Lage war.
87
(1) Die Einlieferer traten zwar gegenüber den Scheideanstalten selbst nach außen auf. Im Verhältnis zu den führenden Bandenmitgliedern - also auch zum Angeklagten - waren sie jedoch bei den Goldgeschäften als abhängige und unselbständige „Strohleute“ eingebunden und hatten sämtliche Geschäftsabläufe wirtschaftlich aus der Hand gegeben (vgl. zur faktischen Führung von Strohmannfirmen vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 - 5 StR 407/12, NJW 2013, 624). Die Goldgeschäfte waren ihnen nicht nur hinsichtlich Zeit und Umfang vorgegeben; auch mussten sie den ihnen überwiesenen Kaufpreis nach fest vorgegebenen Abläufen abheben und gegen eine Provision, die ebenfalls nach festen Kriterien bestimmt war, aushändigen. Ihr Verhalten gegenüber den Finanzbehörden wurde dirigiert, indem ihnen entweder entspre- chende „Buchhaltung“ (Abdeckrechnungen) ausgehändigt wurde oder sie mit gefälschten Papieren ausgestattet wurden, die ein Auftreten gegenüber dem Finanzamt von vornherein entbehrlich machten. Die zu einer Begleichung der Umsatzsteuerschuld (Belieferung der Goldscheideanstalten) notwendigen und zunächst auch vorhandenen Mittel, die ihnen ein steuerehrliches Verhalten ermöglicht hätten, wurden ihnen nach den ihnen vorgegebenen Geschäftsabläufen entzogen. Damit ließen die Einlieferer dem Angeklagten sowie den weiteren „führenden“ Mitgliedern der Bande insgesamt völlig freie Hand.
88
Die hieraus resultierende Leitungsmacht des Angeklagten wird besonders deutlich in den Fällen, in denen der Angeklagte selbst die Einlieferer zum Zwecke des Goldhandels anwarb, ihnen gefälschte Papiere besorgte und ihnen Anweisungen zur Erledigung notwendiger Formalitäten erteilte. Aber auch soweit anstelle des Angeklagten die weiteren führenden Mitglieder der Bande bei der Einflussnahme auf die „Strohleute“ mitwirkten, gilt im Ergebnis nichts ande- res. Sie handelten auf der Grundlage einer gemeinsamen Absprache, die ba- sierend auf dem „bewährten Geschäftsmodell“ eine intern arbeitsteilige Vorgehensweise vorsah. Einschränkungen der Befugnisse des Angeklagten waren damit aber nicht verbunden.
89
Jedenfalls gegenüber den Einlieferern und den weiteren führenden Bandenmitgliedern , also gegenüber einer „begrenzten Öffentlichkeit“ trat der Angeklagte als einer der faktischen „Leiter“ der Unternehmen der Einlieferer auf. Soweit der Angeklagte den Einlieferern gefälschte Papiere verschafft hatte und sie bei der Erledigung der erforderlichen Formalitäten begleitete, trat er zudem gegenüber der „allgemeinen Öffentlichkeit“ auf. Als der Angeklagte etwa in Be- gleitung von Einlieferern bei einer Steuerberaterin, der Zeugin L. , erschien, trat der Angeklagte, so deren Wahrnehmung, als derjenige auf, der „die Geschäfte gemacht“ hat (UA S. 115). Demgegenüber beschränkte sich das Handeln der Einlieferer auf die Einlieferung des Goldes bei den Scheideanstalten sowie auf Treffen mit dem Angeklagten oder anderen führenden Bandenmitgliedern , um dabei Geld und Gutschriften auszuhändigen oder Abdeckrechnungen sowie Gold entgegenzunehmen.
90
Der Angeklagte war auch in der Lage, zumindest mittelbar über die jeweiligen Einlieferer und die weiteren führenden Bandenmitglieder, der Verpflichtung zur Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen nachzukommen. Denn er hatte Zugriff auf die Gutschriften der Goldscheideanstalten, anhand deren die Umsatzsteuervoranmeldungen hätten erstellt werden können. Zudem war er nach der getroffenen Bandenabrede auch für die „Logistik“ und damit für die Erstellung der Abdeckrechnungen anhand der Gutschriften verantwortlich.
Damit trafen ihn als Verfügungsberechtigten im Sinne des § 35 AO die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters.
91
(2) Für die Fälle 20 bis 22 und 29 der Urteilsgründe gilt nichts Abweichendes. Zwar haben die Einlieferer Y. und D. in diesen Fällen aus Nachlässigkeit oder sonstigen Gründen abredewidrig statt unrichtiger Voranmeldungen überhaupt keine Erklärungen abgegeben. Dies beseitigte aber nicht die auch in diesen Fällen bestehende, sich aus der „arbeitnehmerähnlichen Stellung“ dieser „Strohleute“ ergebende Verfügungsbefugnis des Angeklagten i.S.v. § 35 AO.
92
(3) Damit traf den Angeklagten in den Fällen 20 bis 22 sowie 27 bis 29 der Urteilsgründe neben den anderen führenden Bandenmitgliedern Ba. und Gl. eine sich aus § 35 AO ergebende Pflicht, für die Unternehmen der als „Strohleute“ tätigen Einlieferer Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Dieser Pflicht sind sie gemeinschaftlich (vgl. hierzu allgemein Weigend in LKStGB , 12. Aufl., § 13 Rn. 82 mwN) nicht nachgekommen und haben sich daher - wie vom Landgericht ausgeurteilt - wegen in Mittäterschaft begangener Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
93
4. Fallgruppe I.2.b (Fälle 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe)
94
Im Gegensatz zur Fallgruppe I.2.a hält der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen in den Fällen der Fallgruppe I.2.b (Fälle 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe) rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn in diesen Fällen traf den Angeklagten keine Offenbarungspflicht für die von den als Einlieferern tätigen Bandenmitgliedern G. und Gl. mit den Scheideanstalten getätigten Umsätze. Der Senat stellt jedoch den Schuldspruch auf Beihilfe (§ 27 StGB) um.
95
a) Gegenüber den Scheideanstalten wurden hier allein die führenden Bandenmitglieder G. und Gl. , die insoweit als Einlieferer auftraten, als Unternehmer i.S.v. § 2 UStG tätig, nicht die hinter diesen stehende Bande. Der Angeklagte war daher auch nicht als Bandenmitglied zur Offenbarung dieser Umsätze gegenüber den Finanzbehörden verpflichtet.
96
b) Auch aus § 35 AO traf den Angeklagten nicht die Pflicht, für die als Einzelunternehmer tätigen G. und Gl. die steuerlichen Pflichten wahrzunehmen. Denn anders als die übrigen Einlieferer („Strohleute“) waren die Bandenmitglieder G. und Gl. nicht lediglich völlig weisungsabhängige „Strohleute“, sondern nahmen ebenfalls Führungspositionen innerhalb der Bande ein. Dementsprechend ermöglichten es die internen Absprachen dem Angeklagten weder, in den Geschäftsablauf von G. oder Gl. als Einlieferer aktiv einzugreifen noch deren Geschäfte „treuhänderisch“ zu führen. Der Angeklagte hatte daher gegenüber diesen Personen keine Stellung inne, die ihn hinsichtlich deren Einzelunternehmen als Verfügungsberechtigten i.S.v. § 35 AO qualifizieren würde.
97
c) Sonstige Offenbarungspflichten gegenüber den Finanzbehörden sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Angeklagte hier jedenfalls wegen der Besonderheiten des Besteuerungsverfahrens im Umsatzsteuerrecht (§ 18 UStG, § 168 AO) auch keine Offenbarungspflichten aus einer sich etwa aus dem von der Bande betriebenen Hinterziehungssystem ergebenden Garantenstellung (Ingerenz) verletzt.
98
d) Der Senat kann den Schuldspruch jedoch auf Beihilfe (§ 27 StGB), die von den Feststellungen getragen wird, abändern. Er schließt aus, dass sich der Angeklagte gegen diesen Vorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können.

III.


99
Die Schuldspruchänderung von Steuerhinterziehung auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Fallgruppe I.2.b (Fälle 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe ) zieht die Aufhebung der Einzelstrafen in diesen Fällen sowie des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Im Übrigen ist die Strafzumessung rechtsfehlerfrei.

IV.


100
Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier allein vorliegenden Subsumtionsfehler nicht. Das neue Tatgericht darf allerdings weitere Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehen. Nack Rothfuß Graf Jäger Radtke

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.