Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2013 - 1 StR 81/13
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. August 2012 mit Beschluss vom 16. Mai 2013 als unbegründet verworfen. Mit Schriftsatz seines Verteidigers, Rechtsanwalt F. , vom 29. Mai 2013 hat der Verurteilte hiergegen die Anhörungsrüge erhoben.
- 2
- Der zulässige Rechtsbehelf ist unbegründet; es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) vor. Der Senat hat weder zum Nachteil des Verurteilten Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen dieser nicht gehört worden wäre, noch hat er zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.
- 3
- Bei seiner Entscheidung hat der Senat auch die Gegenerklärung des Verteidigers zum Antrag des Generalbundesanwalts in vollem Umfang gewürdigt , jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Dass dies nach dem Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts nicht näher begründet wurde, liegt in der Natur des Verfahrens nach § 349 Abs. 2 StPO und gibt daher keinen Hinweis auf die Nichtbeachtung des Sachvortrags des Revisionsführers (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 2 BvR 496/07; BGH, Beschluss vom 8. April 2009 - 5 StR 40/09, BGHR StPO § 356a Gehörsverstoß 3 mwN). Eine Begrün- dungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare Entscheidungen besteht nicht (BVerfG aaO).
- 4
- Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2006 - 2 StR 387/91, und BGH, Beschluss vom 31. Juli 2006 - 1 StR 240/06).
Radtke Zeng
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Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht Bremen hat gegen den Verurteilten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen sowie Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und elf Monaten verhängt. Mit am 20. März 2009 den Verteidigern übersandtem Beschluss vom 11. März 2009 hat der Senat die Revision des Verurteilten nach § 349 Abs. 2 StPO mit einer ergänzenden Begründung hinsichtlich einer Aufklärungs- bzw. Inbegriffsrüge verworfen und einen in der Gegenerklärung zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts enthaltenen Antrag des Verteidigers Rechtsanwalt M. auf Durchführung einer Revisionshauptverhandlung durch Bezugnahme auf einen anderen Senatsbeschluss zurückgewiesen.
- 2
- Die Anhörungsrüge versagt. Die im Rechtsbehelf geltend gemachten Einwände gegen den Senatsbeschluss belegen keine Gehörsverletzung im Sinne des § 356a Satz 1 StPO.
- 3
- 1. Der Senat hat den Anspruch auf rechtliches Gehör des Verurteilten nicht dadurch verletzt, dass diesem keine Gelegenheit gegeben worden ist, zu der ergänzenden Begründung des Senats vorab Stellung zu nehmen.
- 4
- Die vom Bundesverfassungsgericht in der Plenarentscheidung BVerfGE 107, 395, 410 erwogene Gehörsverletzung hinsichtlich abweichender rechtlicher Auffassungen in einer weiteren Instanz bezieht sich nicht auf die besonderen Ausprägungen des rechtlichen Gehörs in dem nach der Plenarentscheidung durch das Bundesverfassungsgericht stets als verfassungsrechtlich unbedenklich bewerteten revisionsgerichtlichen Beschlussverfahren gemäß § 349 Abs. 2 bis 4 StPO (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2005, 1999; 2006, 136; BGHR StPO § 356a Gehörsverstoß 1). In diesem Verfahren legt zunächst allein der Revisionsführer in seiner Begründungsschrift Art und Umfang der rechtlichen Angriffe gegen das tatrichterliche Urteil fest. Sodann erhält der Revisionsführer Gelegenheit, den Erwägungen entgegenzutreten, welche die Revisionsstaatsanwaltschaft diesen Angriffen in ihrer Antragsschrift rechtlich entgegengesetzt hat. Ihm steht es dabei frei, zu den im Beschlussverfahren angelegten, den Schuld- oder Strafausspruch betreffenden Entscheidungsvarianten (vgl. BGHR aaO) Stellung zu nehmen und seine Rechtsstandpunkte auch im Übrigen gegen weitergehende gegenläufige Erwägungen ergänzend abzusichern.
- 5
- Hierzu hat der Revisionsführer besonderen Anlass. Das Revisionsgericht muss sich dem Verwerfungsantrag nur im Ergebnis, nicht aber in allen Teilen der Begründung anschließen (BVerfG – Kammer – NJW 2002, 814, 815 m.w.N.). Der Revisionsführer muss deshalb gewärtigen, dass das Revisionsgericht Zusätze zur Begründung der eigenen Rechtsauffassung beifügt (BVerfG aaO). Für diese dem Beschlussverfahren immanente Entscheidungsvariante wird dem Revisionsführer nur ein allgemeines, indes kein spezielles auf das einzelne rechtliche Argument bezogenes Gehör gewährt (vgl. BVerfG – Kammer – NStZ 2002, 487, 489). Dies begegnet vor dem Hintergrund der Kumulation des Antrags- und Einstimmigkeitserfordernisses keinen Bedenken (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 349 Rdn. 11). Nur eine solche Praxis gewährleistet die rechtsstaatlich ebenfalls gebotene Effektivität des Beschlussverfahrens. Für grundlegend neue und damit notwendig jeden Beschwerdeführer überraschende Rechtsauffassungen ist im Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO ohnehin kein Raum.
- 6
- 2. Eine Gehörsverletzung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Senat im Verwerfungsbeschluss im Übrigen nur zu dem Begehren auf Durchführung einer Revisionshauptverhandlung, nicht aber zu der vom Antrag des Generalbundesanwalts abweichenden Rechtsauffassung der Verteidigung in ihrer Gegenerklärung Stellung genommen hat. Dies rechtfertigt nicht die Annahme , der Senat hätte das Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen (vgl. BVerfGE 96, 205, 216 f.; BVerfG – Kammer – StraFo 2007, 463). Das Schweigen des Senats auf Rechtsausführungen in der Gegenerklärung des Verteidigers offenbart nach der Sachlogik des revisionsgerichtlichen Beschlussverfahrens vielmehr, dass der neue Vortrag ungeeignet gewesen ist, die vom Generalbundesanwalt begründete Erfolglosigkeit der erhobenen Revisionsrügen zu entkräften (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 426/08 und 13. Februar 2009 – 2 StR 479/08).
- 7
- 3. Eine weitergehende Begründungspflicht für die letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidung bestand nicht (vgl. BVerfGE 50, 287, 289 f.; 65, 293, 295; BVerfG – Kammer – StraFo 2007, 463). Sie wird auch nicht von der im Rechtsbehelf dargelegten Sorge erheischt, nur eine Begründungspflicht könne den Senat davon abhalten , dass dieselbe Rechtsfrage von demselben Senat in einem Fall so und in einem anderen Fall anders entschieden werde. Solches verkennt die wahrzunehmende und wahrgenommene Sorgfalt und Verantwortung in der Praxis revisionsgerichtlicher Beschlussentscheidungen (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 426/08).
Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht München I hat gegen den Verurteilten wegen Mordes und zugleich wegen Raubes eine lebenslange Freiheitsstrafe festgesetzt und die besondere Schuldschwere festgestellt. Mit Beschluss vom 12. Juli 2006 hat der Senat die hiergegen eingelegte Revision des Verurteilten nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte mit einem am 25. Juli 2005 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers eine Anhörungsrüge nach § 356a StPO gestellt. Er trägt vor, mit dem Beschluss des Senats vom 12. Juli 2006 sei sein rechtliches Gehör verletzt worden, weil die durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 10. Juli 2006 gemachten Ausführungen zu den nicht widerspruchsfreien Darlegungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift vom 13. Juni 2006 vom Senat nicht berücksichtigt worden seien. Es sei davon auszugehen, dass der Schriftsatz vom 10. Juli 2006, der erst an diesem Tag um 18.48 Uhr beim Bundesgerichtshof eingegangen sei, an den zuständigen Senat erstim Laufe des Nachmittags des 11. Juli 2006 gelangt sei. Zwar sei in dem Beschluss des Senats vom 12. Juli 2006 vermerkt worden, "Der Schriftsatz der Verteidigung vom 10. Juli 2006 lag vor". Nicht erwähnt worden sei jedoch, dass der Schriftsatz auch Gegenstand einer Senatsberatung gewesen sei, zumal diese aufgrund der geschilderten zeitlichen Abläufe und aufgrund der "Usancen im Rahmen der üblichen Senatsberatungen nicht vor Erlass des Beschlusses stattgefunden haben kann". Somit bleibe festzuhalten, dass der Senat zum Nachteil des Angeklagten bei der Entscheidung das Vorbringen der Revision im Schriftsatz vom 10. Juli 2006 nicht berücksichtigt hat und somit das rechtliche Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt wurde.
- 2
- Die Rüge ist unbegründet. Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Verteidigung von der sich aus Art. 103 Abs. 1 GG ergebenden Verpflichtung des Gerichts aus, die Ausführungen der Prozessparteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 42, 364 <367 f.>; 58, 353 <356>; 69, 141 <143>; st. Rspr.). Nach dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist aber auch grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfGE 54, 86 <91 f.>).
- 3
- Das Vorbringen der Verteidigung zum Eingang des Schriftsatzes beim 1. Strafsenat - das Faxgerät befindet sich auf der Geschäftsstelle in unmittelbarer Nähe des Zimmers des Vorsitzenden und des Berichterstatters -, zu den "Usancen" der üblichen Senatsberatungen und zur Vorlage des Schriftsatzes zur Senatsberatung ist nicht nur spekulativ, sondern schlicht unzutreffend. Deshalb sind auch die in dem Vorbringen enthaltenen Unterstellungen zur Bedeutung des Vermerks in dem Verwerfungsbeschluss vom 12. Juli 2006, der nicht nur beim Bundesgerichtshof, sondern auch beim Bundesverfassungsgericht üblich ist (vgl. Beschl. der Dritten Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2006 - 2 BvR 1349/05 - Umdruck S. 9), abwegig.
- 4
- Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschl. vom 8. März 2006 - 2 StR 387/91; OLG Köln NStZ 2006, 181). Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Elf