Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2014 - 1 StR 74/14

bei uns veröffentlicht am12.03.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 7 4 / 1 4
vom
12. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2014 beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 20. August 2013 wird verworfen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
1. Die von dem Angeklagten selbst am 28. August 2013 zu Protokoll des für die Justizvollzugsanstalt Stadelheim zuständigen Urkundsbeamten des Amtsgerichts München erklärte Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), weil sie erst einen Tag nach dem Ablauf der einwöchigen Revisionseinlegungsfrist (§ 341 Abs. 1 StPO) erhoben worden ist. Das angefochtene Urteil ist am 20. August 2013 in Anwesenheit des Angeklagten verkündet worden. Die Revision hätte daher bis zum Ablauf des 27. August 2013 eingelegt werden müssen.
3
2. Der ebenfalls am 28. August 2013 zu Protokoll des zuständigen Urkundsbeamten gestellte Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Revisionseinlegung ist unzulässig. Der Angeklagte hat entgegen § 45 Abs. 2 StPO weder einen Sachverhalt vorgetragen, der ein der Wiedereinsetzung entgegen stehendes Verschulden an der Versäumung der Frist ausschließt (vgl. etwa KG NZV 2002, 47, 48; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 204), noch den zur Begründung der Wiedereinsetzung angeführten Vortrag glaubhaft gemacht.
4
a) Der vom Angeklagten vorgetragene Sachverhalt belegt nicht, dass der Angeklagte ohne sein Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) an der Einhaltung der Revisionseinlegungsfrist gehindert war.
5
Soweit er vorträgt, am 27. August 2013, dem Tag des Fristablaufs, von einem Stationsbeamten der Justizvollzugsanstalt erfahren zu haben, bei einer schriftlich eingelegten Revision sei für die Einhaltung der Frist der Eingang bei dem zuständigen Gericht maßgeblich, schließt dieser Sachverhalt ein Verschulden an der Fristversäumung nicht aus. Auf dem Postweg konnte am Tag des Fristablaufs fristwahrend ohnehin keine Revision mehr eingelegt werden. Ein in Haft befindlicher Rechtsmittelführer hat zudem keinen Anspruch darauf, sein Rechtsmittel mittels Telefax der Justizvollzugsanstalt dem zuständigen Gericht übermitteln zu können (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 259 mwN).
6
Auch in Bezug auf die für den Angeklagten als Inhaftierten bestehende Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung gemäß § 299 StPO trägt er keinen sein Verschulden ausschließenden Sachverhalt vor. Zwar darf die jeweilige Rechtsmittelfrist grundsätzlich bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden (vgl. BVerfGE 69, 381, 385). Allerdings hat der Rechtsmittelführer dabei für die gewählte Art der Rechtsmitteleinlegung den zeitlichen und organisatorischen Aufwand in Rechnung zu stellen, dessen es bedarf, damit die Rechtsmittelerklärung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form innerhalb der Frist an die zuständige Stelle gelangt (Thüringer OLG, Beschluss vom 29. Oktober 2007 – 1 Ws 356/07; vgl. auch KG NStZ-RR 2009, 19). Ein inhaftierter Rechtsmittelführer kann daher wegen des jeweiligen organisatorischen Aufwands für die Justizvollzugsanstalt und des Gerichts nicht darauf vertrauen, dass ihm zu jeder Zeit und innerhalb kürzester Frist die Erklärung eines Rechtsmittels gemäß § 299 Abs. 1 StPO zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk er untergebracht ist, ermöglicht werden kann (Thüringer OLG und KG jeweils aaO). Eine Beeinträchtigung der Prozessgrundrechte eines inhaftierten Rechtsmittelführers aus Art. 103 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG ist damit nicht verbunden; auch einem Inhaftierten ist es zuzumuten, die ihm möglichen Maßnahmen zur Vermeidung anstaltsbedingter Verzögerungen bei der Rechtsmitteleinlegung zu ergreifen (BVerfG, Beschluss vom 9. August 1990 – 2 BvR 641/90). Im Übrigen steht ein in Haft befindlicher Rechtsmittelführer damit nicht anders als ein auf freiem Fuß befindlicher. Dieser kann bei Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle ebenfalls nicht erwarten, dass der zuständige Rechtspfleger während der gesamten Dienststunden für die Prüfung vor ihm abgegebener Rechtsmittelerklärungen zur Verfügung steht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2008 – 5 StR 496/08, NStZ 2009, 585, 586).
7
b) Der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten ist auch deshalb unzulässig , weil er als Mittel der Glaubhaftmachung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO) lediglich seine eigene Erklärung enthält. Das genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht (BGH, Beschluss vom 13. September 2005 – 3 StR 310/05 mwN). Die gebotene Glaubhaftmachung ist auch nicht nachträglich, was zulässig wäre (Rappert in Radtke/Hohmann, StPO, § 45 Rn. 13 mwN), im Verfahren über den Antrag erfolgt. Weder die eigene Erklärung des Angeklagten vom 17. Februar 2014 noch der Schriftsatz seines Verteidigers vom 24. Februar 2014 enthalten zulässige Mittel der Glaubhaftmachung des zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragenen Sachverhalts.
Raum Rothfuß Cirener
Radtke Mosbacher

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(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. (2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des A

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Der nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte kann die Erklärungen, die sich auf Rechtsmittel beziehen, zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts geben, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, wo er auf behördliche Anordnung verwahrt wird.

(2) Zur Wahrung einer Frist genügt es, wenn innerhalb der Frist das Protokoll aufgenommen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

5 StR 496/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 27. November 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2008

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. Oktober 2007 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die von dem Angeklagten zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegebene Revisionsbegründung ist nicht innerhalb der einmonatigen Revisionsbegründungsfrist nach § 345 Abs. 1 StPO angebracht worden. Diese endete wegen des dazwischen liegenden Wochenendes mit Ablauf des Montag, 11. Februar 2008. Tatsächlich trägt die Revisionsbegründungsschrift den 20. Februar 2008 als Eingangsstempel, den Tag, an dem der Rechtspfleger mit seiner Unterschrift die Übernahme der Verantwortung für den Inhalt der Revisionsbegründung übernommen hat.
Dem Angeklagten, dessen Verteidiger nicht nur die allgemeine Sachrüge, sondern auch Verfahrensrügen fristgerecht erhoben hat, war namentlich für seine Verfahrensrügen von Amts wegen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein amtliches Verschulden, das dazu genötigt hätte, liegt nicht vor. Der Rechtspfleger hat vermerkt, die Revisionsbegründung sei dem Rechtsantragsdienst am 6. Februar 2008 vorgelegt worden; ihre Bearbeitung sei vom 6. Februar 2008 bis 20. Februar 2008 erfolgt. Angesichts der vorliegenden vier Verfahrensakten, drei Sonderbände, eines LeitzordnerProtokollbandes , des 105 Seiten umfassenden Urteils und einer – abgese- hen von der erhobenen allgemeinen Sachrüge – Verfahrensrügen aufweisenden Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten von 315 Seiten ist der dokumentierte zeitliche Prüfungsumfang des Rechtspflegers nicht unverhältnismäßig lang. Dies gilt gerade unter Berücksichtigung folgenden Umstands: das Recht eines Revisionsführers, die Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle zu begründen, besteht nur innerhalb der normalen Dienststunden (BGH NStZ 1996, 353; BGHR StPO § 45 Abs. 1 Satz 1 Frist 1). In diesem Zusammenhang kann aber nicht erwartet werden, dass der Rechtspfleger während seiner gesamten Dienststunden für die Prüfung der vorliegenden Revisionsbegründung zur Verfügung steht. Denn zu berücksichtigen bleibt das Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen , nicht allein auf einen Angeklagten fokussierten Rechtspflege. Nichts anderes gilt für den hier vorliegenden Fall, in dem der Angeklagte dem Rechtspfleger eine von ihm, dem Angeklagten, verfasste Revisionsbegründungsschrift in dem oben beschriebenen Umfang vorlegt, die der Rechtspfleger gewissenhaft zu prüfen hat, um dem Erfordernis einer gestaltenden Beurteilung gerecht zu werden.
Ein amtliches Verschulden ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu erkennen , dass der Rechtspfleger bei der Vorlage dieser Revisionsbegründungsschrift gehalten gewesen wäre, den „gerichtserfahrenen“ Angeklagten während der Überprüfungszeit darüber zu informieren, dass er seine Überprüfung nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist wird bewältigen können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Eröffnung der Möglichkeit einer Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle durch den verteidigten Angeklagten rechtsstaatlich nicht geboten ist (BGH NStZ-RR 2008, 312; Senatsbeschluss vom 17. September 2008 – 5 StR 435/08).
Basdorf Raum Brause Schaal Dölp

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 310/05
vom
13. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. September 2005
gemäß §§ 46, 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 4. Mai 2005 wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten am 4. Mai 2005 wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. 1. Die mit Schreiben seines Verteidigers vom 14. Juli 2005 eingelegte Revision des Angeklagten ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), weil sie erst nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist und damit verspätet beim Landgericht eingegangen ist. Soweit der Angeklagte selbst mit einem in russischer Sprache abgefassten Schreiben vom 7. Mai 2005, eingegangen beim Landgericht am
10. Mai 2005, Revision eingelegt hatte, fehlt es an einer formgerechten, in deutscher Sprache abgefassten (§ 184 GVG) Revisionseinlegung (vgl. BGHSt 30, 182). Die Übersetzung des Schreibens ging erst am 2. Juni 2005 und damit nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist beim Landgericht ein. 2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision ist unzulässig, da die geltend gemachten Hinderungsgründe nicht glaubhaft gemacht worden sind. Die eigene Erklärung des Angeklagten reicht als Mittel der Glaubhaftmachung nicht aus (BGHR StPO § 45 Abs. 2, Glaubhaftmachung 3; MeyerGoßner , StPO 48. Aufl. § 45 Rdn. 9). Außerdem hat er nicht innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO angegeben, zu welchem Zeitpunkt er Kenntnis von der Fristversäumung erlangt hatte. Winkler Miebach von Lienen Becker Hubert