Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2016 - 1 StR 615/15

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:140116B1STR615.15.0
published on 14/01/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2016 - 1 StR 615/15
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 615/15
vom
14. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140116B1STR615.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2016 beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. September 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 € angeordnet hat. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen bewaffneten unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gleichzeitig wurden die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit einem Vorwegvollzug von zwei Jahren sowie der Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 € angeordnet.
2
Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch sowie in Bezug auf die Anordnung der Maßregel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel hat aber Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), soweit das Landgericht den Verfall von Wertersatz angeordnet hat.
3
2. Die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte aus den drei Einfuhrtaten 4.550 € erlangt hat, indem er 70 Gramm des eingeführten Betäubungsmittels zu je 65 € verkaufte. Zutreffend ist es auch davon ausgegangen, dass die gesamte Summe, also ohne Abzug von Einkaufspreis und sonstigen Aufwendungen dem Verfall unterliegt (BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65 f. mwN).
5
Soweit das Landgericht aber auch die Summe von 650 € dem Verfall un- terwirft, die die Mittäterin der Einfuhrtaten aus dem Verkauf ihres Anteils erlangt haben soll, ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte für oder aus der Tat etwas erlangt hat. „Aus der Tat erlangt” i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte , die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGH, Beschlüsse vom 11. Juni 2015 – 1 StR 368/15 und vom 28. November 2000 – 5 StR 371/00, NStZ 2001, 155, 156 f.; Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246 Rn. 92; Fischer, StGB 63. Aufl., § 73 Rn. 11 mwN). „Für die Tat erlangt” i.S.v. § 73 Abs.1 Satz 1 StGB sind dagegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden , aber – wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung – nicht auf der Tatbe- standsverwirklichung selbst beruhen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 f. und vom 19. Oktober 2011 – 1 StR 336/11, StV 2012,151; Fischer, aaO Rn. 12 mwN). Weder die eine noch die andere Voraussetzung ist hier dargetan. Schon daher konnte die An- ordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 5.000 € keinen Bestand ha- ben.
6
b) Darüber hinaus begegnet auch die Anwendung der Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB durchgreifenden Bedenken. So ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Wert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist. Es hat teilweise gemäß § 73c Abs.1 Satz 2 StGB von der Anordnung von Verfall von Wertersatz abgesehen, da dies den Angeklagten unangemessen hart treffen würde und auch unter dem Gesichtspunkt der Honorierung des Geständnisses des Angeklagten vertretbar sei.
7
Wie vom Landgericht im Ansatz rechtsfehlerfrei gesehen, bildet die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB das im Einzelfall notwendige Korrektiv zum Bruttoprinzip. So eröffnet § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB dem Tatrichter die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen ganz oder teilweise vom Verfall abzusehen, wenn und soweit „der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist“. Die Ausübung dieses dem Tatrichter eingeräumten Ermessens erfordert aber neben der Feststellung des aus der Straftat Erlangten, vor allem auch die Ermittlung des Wertes des noch vorhandenen Vermögens, um diese Werte einander gegenüber stellen zu können (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2015 – 1 StR 321/15). Deshalb scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von vorneherein aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem „ver- fallbaren“ Betrag zurück bleibt (BGH,Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65). Dies vermag der Senat jedoch nicht zu beurteilen, da sich den Urteilsgründen keinerlei Feststellungen zum Stand des Vermögens des Angeklagten zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils entnehmen lassen. Damit wurden die zur Ausübung der Ermessensentscheidung notwendigen Grundlagen durch das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Inwieweit es mit dem Sinn und Zweck des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, etwaige Härten auszugleichen – in erster Linie seine Resozialisierung nach längeren Haftstrafen durch häufig nicht beitreibbare Geldansprüche gravierend zu erschweren –, vereinbar ist, im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung zu Gunsten des Angeklagten auch dessen Geständnis zu berücksichtigen (so BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40 - 43), kann hier offen bleiben, zumal diese Erwägung den Angeklagten nicht beschwert.
8
3. Die Sache bedarf daher neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung über die Frage des Wertersatzverfalls gemäß §§ 73, 73a und 73c StGB. Der Senat hebt die zugehörigen Urteilsfeststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht hierzu neue, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Raum Graf Cirener Radtke Bär
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.