Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Apr. 2016 - 1 StR 579/15

bei uns veröffentlicht am07.04.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 579/15
vom
7. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
ECLI:DE:BGH:2016:070416B1STR579.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. April 2016 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 17. April 2015 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Die Rüge der funktionellen Unzuständigkeit erweist sich bereits als unzulässig. Zwar ist der Revision darin zuzustimmen, dass die Anklageschrift nicht vorgetragen werden muss, da diese von Amts wegen vom Revisionsgericht zur Kenntnis zu nehmen ist (BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2014 – 3 StR 131/14; vom 2. Dezember 2008 – 3 StR 441/08, StraFo 2009, 115 und vom 23. April 2002 – 3 StR 505/01, StV 2002, 588, 589). Dass entsprechende Ausführungen im Einzelfall geeignet sein könnten, dem Revisionsgericht das Verständnis der Rüge zu erleichtern, ändert hieran nichts (BGH, Beschluss vom 27. November 2012 – 3 StR 421/12). Die Nichteinhaltung der Vortragserfordernisse des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergibt sich jedoch aus Folgendem: Dem Rügevorbringen beider Verteidiger , das sich insoweit jeweils auf den Vortrag des Besetzungseinwands be- schränkt, lässt sich – auch im Zusammenspiel mit der Anklage – das Eingreifen des Zuständigkeitskatalogs des § 74c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GVG nicht entnehmen. Denn daraus ergibt sich nicht, dass das dem Angeklagten vorgeworfene Verhalten an sich zumindest geeignet war, den Tatbestand des § 265b Abs. 1 StGB zu erfüllen (vgl. hierzu OLG Celle wistra 1991, 359 mit Anmerkung Kochheim; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 74c GVG Rn. 4a; Löwe/Rosenberg/Siolek, StPO, 26. Aufl., § 74c GVG Rn. 6; enger OLG Stuttgart wistra 1991, 236). Der Anwendungsbereich des § 265b StGB erfordert, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung der Kreditnehmer ein Unternehmen sein muss, das einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb hat (BGH, Beschluss vom 16. November 2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279). Nach den der Schilderung der einzelnen Fälle vorweggestellten allgemeinen Ausführungen im konkreten Anklagesatz als auch nach dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen stellt sich der Vorwurf jedoch so dar, dass der Angeklagte die jeweiligen Zahlungen für sich forderte, um sein aus verschiedenen Geschäften resultierendes persönliches Eigenkapital aktivieren zu können. Mithin dienten die Darlehen rein privaten Zwecken, was dem jeweiligen Darlehensgeber bewusst war. Auch wenn in einzelnen Fäl- len die Zahlungen als in einen „Darlehensvertrag“ zwischen einem Unterneh- men des Angeklagten und der Firma eines Darlehensgebers „gekleidet“ geschildert werden, hätte es vor dem Hintergrund dieser alle Taten umfassenden privaten Zwecksetzung näherer Darlegungen bedurft, weshalb der Tatbestand des Kreditbetrugs einschlägig sein sollte. Hieran fehlt es. Der Verweis auf Aktenbestandteile , die nicht Gegenstand des Vortrags sind, genügt nicht. 2. Die Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit (§ 338 Nr. 6 StPO) hat ebenfalls keinen Erfolg.
Nach dem Revisionsvortrag befand sich vor dem Landgericht, in dem gewöhnlich verhandelt wurde, ein Aushang, der einen Saal im Amtsgericht Rosenheim als neuen Verhandlungsort benannte; an dem tatsächlich genutzten Sitzungssaal im Amtsgericht Rosenheim befand sich ebenfalls ein Aushang. Soweit die Revision beanstandet, dass in dem Aushang am Landgericht der Sitzungssaal 112 des Amtsgerichts Rosenheim benannt worden ist, die Sitzung tatsächlich aber in dem in einem Anbau gelegenen Saal 021 stattfand, folgt daraus wegen der im Übrigen unbekannten örtlichen Verhältnisse im Amtsgericht Rosenheim, zu denen die Revision nichts weiter vorträgt, noch kein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. Nicht nur angesichts des Umstands , dass sämtliche Verfahrensbeteiligte den tatsächlichen Sitzungssaal im Amtsgericht ohne weiteres gefunden haben, hätte es hier vielmehr näherer Darlegung bedurft, warum die unzutreffende Angabe des konkreten Sitzungssaals zu einer faktischen Beschränkung der Öffentlichkeit geführt haben könnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 1979 – 3 StR 165/79; NJW 1980, 249 und vom 28. September 2011 – 5 StR 245/11, NStZ 2012, 173). Das liegt für ein kleines, leicht überschaubares Gerichtsgebäude eher fern (vgl. hierzu MeyerGoßner /Schmitt aaO § 169 GVG Rn. 4a mwN).
Die Rüge wäre jedoch auch deshalb unbegründet, weil nicht ersichtlich ist, dass das Gericht etwaige tatsächliche Hindernisse, die eine Teilnahme der Öffentlichkeit an der Hauptverhandlung beeinträchtigt haben könnten, bemerkt hat oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt und Umsicht hätte bemerken müssen (BGH, Beschluss vom 28. September 2011 – 5 StR 245/11, NStZ 2012, 173; Urteile vom 18. Dezember 1968 – 3 StR 297/68, BGHSt 22, 297, 301 und vom 10. Juni 1966 – 4 StR 72/66, BGHSt 21, 72, 74; vgl. zu diesem Erfordernis Löwe/Rosenberg/Franke, StPO, 26. Aufl., § 338 Rn. 113 mwN). Besondere Umstände (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 1. Oktober 1980 – 2 StR 220/80, StV 1981, 3 f.: Verhandlung an einem Freitagnachmittag in einem Amtsgebäude einer Kommunalbehörde), die dazu hätten führen müssen, dass der Vorsitzende sich persönlich von der zutreffenden Angabe des Sitzungssaals im Amtsgericht Rosenheim auf dem Aushang im Landgericht Weiden hätte überzeugen müssen, sind weder dargetan noch sonst zu Tage getreten. Raum Jäger Cirener Mosbacher Bär

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

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Strafgesetzbuch - StGB | § 265b Kreditbetrug


(1) Wer einem Betrieb oder Unternehmen im Zusammenhang mit einem Antrag auf Gewährung, Belassung oder Veränderung der Bedingungen eines Kredits für einen Betrieb oder ein Unternehmen oder einen vorgetäuschten Betrieb oder ein vorgetäuschtes Unternehm

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 74c


(1) Für Straftaten1.nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Halbleiterschutzgesetz, dem Sortenschutzgesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Urheberrechtsgesetz, dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, dem Gesetz zum Schutz v

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 3 1 / 1 4
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 13. November 2013 im Ausspruch über die Anordnung der Führungsaufsicht mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und gegen ihn die Führungsaufsicht angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Die Revision ist zum Schuld- und Strafausspruch aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Erwägungen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die Anordnung der Führungsaufsicht kann hingegen keinen Bestand haben. Der Generalbundesanwalt hat insoweit in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Erfolg hat die Revision jedoch mit der Beanstandung, es habe keinen gerichtlichen Hinweis darauf gegeben, dass die Anordnung von Führungsaufsicht in Betracht komme (RB S. 3). Zwar wird diese Einwendung im Rahmen der Sachrüge vorgebracht. Jedoch ergibt die Auslegung , dass hiermit eine Verfahrensbeanstandung erhoben werden soll, wofür auch spricht, dass in diesem Zusammenhang eine Einschränkung des Rechts auf einen fairen Prozess gerügt wird. Das Vorbringen enthält nach seiner Angriffsrichtung die Rüge eines Verfahrensverstoßes gegen § 265 Abs. 2 StPO. Sie ist auch begründet, da weder die Anklageschrift noch der Eröffnungsbeschluss, die vom Revisionsgericht von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen sind (Senat StraFo 2002, 261), noch das Hauptverhandlungsprotokoll die notwendigen Hinweise darauf enthalten, dass die Anordnung der Führungsaufsicht als Maßregel der Sicherung und Besserung nach § 61 Nr. 5 StGB in Betracht kommt. Der Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung dieser Maßregel und zur Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang."
4
Dem schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend:
5
Die Anordnung der Führungsaufsicht in dem angefochtenen Urteil war unabhängig von dem Verfahrensverstoß auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht rechtsbedenkenfrei. Voraussetzung der Anordnung der Führungsaufsicht nach § 68 Abs. 1 StGB ist, dass die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Angeklagten besteht. Die Bejahung einer solchen weiteren kriminellen Gefährlichkeit erfordert eine Prognoseentscheidung des Tatgerichts, die nur aufgrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter getroffen werden kann (LK/Schneider, StGB, 12. Aufl., § 68 Rn. 13 mwN). Diesen Anforderungen ge- nügen die knappen Ausführungen des Landgerichts nicht, zumal es nicht in den Blick genommen hat, dass der Angeklagte trotz seiner Angabe, sich seit seiner Jugend zu Kindern hingezogen zu fühlen, die erste Tat zum Nachteil des Nebenklägers im Alter von 57 Jahren beging und zuvor strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war. Ist der Täter aber noch nicht vorbestraft, müssen handfeste Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er nach seinem Zustand und seiner Persönlichkeit, dem Milieu, in dem er lebt, und nach dem Charakter der Anlasstat auch in Zukunft gefährlich sein wird (LK/Schneider aaO).
6
Das neue Tatgericht wird bei der Prüfung, ob gegen den Angeklagten wiederum die Führungsaufsicht anzuordnen ist, in den Blick zu nehmen haben, ob die Hinzuziehung eines Sachverständigen geboten erscheint (vgl. insoweit LK/Schöch aaO, vor § 61 Rn. 120).
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 441/08
vom
2. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Anstiftung zur schweren Brandstiftung u. a.
zu 2.: schwerer Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 2. Dezember
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 5. Mai 2008 aufgehoben,
a) bezüglich des Angeklagten S. , soweit dieser wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung verurteilt worden ist und im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) bezüglich des Angeklagten H. in vollem Umfang; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten mit Ausnahme derjenigen zur Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin Ha. durch den Brand. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2, § 26 StGB) und Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten H. hat es wegen schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2 StGB) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Der Angeklagte S. beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts; der Angeklagte H. wendet sich gegen den Strafausspruch. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
Nach den Feststellungen stiftete der Angeklagte S. den Angeklagten H. und die mittlerweile verstorbene Mitangeklagte Har. dazu an, ein leer stehendes, renovierungsbedürftiges Fachwerkhaus in Brand zu setzen. Das Gebäude befand sich im Eigentum der S. Baubetreuung GmbH, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Angeklagte S. war. Die Angeklagten H und Har. setzten das Haus auftragsgemäß in Brand; es wurde durch das Feuer nahezu vollständig zerstört. Zur Tatzeit schlief in einem Wohnhaus, dessen Abstand zu dem Brandobjekt etwa sieben Meter betrug, die Zeugin Ha. . Sie erwachte infolge der durch das Feuer verursachten Helligkeit sowie der lauten Brandgeräusche und lief sodann aus dem Haus. In der Folgezeit meldete der Angeklagte S. den Schaden der Versicherung. Dabei verschwieg er, dass er selbst an der Tat beteiligt gewesen war. Die Versicherung zahlte an die S. Baubetreuung GmbH 33.190 € aus.
3
I. Revision des Angeklagten S.
4
Das Urteil hält der auf die Sachrüge veranlassten materiellrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand; denn die Annahme des Landgerichts , durch die Tat sei die Zeugin Ha. im Sinne des § 306 a Abs. 2 StGB in die Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung gebracht worden, wird durch die Feststellungen nicht ausreichend belegt. Zum weiteren Schuldspruch wegen Betruges und zu den übrigen Feststellungen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
5
1. § 306 a Abs. 2 StGB setzt als konkretes Gefährdungsdelikt voraus, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut - die Gesundheit eines Menschen - führt. In dieser Lage muss - was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt sein, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob ihre Gesundheit verletzt wird oder nicht. Zur Annahme einer konkreten Gesundheitsgefährdung in diesem Sinne reicht es noch nicht aus, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden (vgl. BGH NStZ 1999, 32, 33; Fischer, StGB 55. Aufl. § 306 a Rdn. 10,

11).


6
Nach diesen Maßstäben lässt sich den getroffenen Feststellungen die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin Ha. nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Das Landgericht hat insbesondere zur Situation in dem Zeitpunkt, in dem die Zeugin ihr Haus verließ, keine ausreichend genauen Feststellungen getroffen. So bleibt etwa unklar, wie weit der Brand des Nachbarhauses zu dieser Zeit schon fortgeschritten war, ob die Schäden an dem von der Zeugin bewohnten Haus - zumindest teilweise - bereits eingetreten waren, oder ob sie der Einwirkung von Rauch oder Gasen ausgesetzt war. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung ist daher nicht hinreichend belegt.
7
2. Der dargelegte Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung einschließlich der insoweit verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und der Feststellungen, soweit sie die durch das Inbrandsetzen verursachte Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin betreffen. Die übrigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von dem Mangel nicht betroffen sind. Dasselbe gilt für die Verurteilung wegen Betruges und die hierfür verhängte Einzelstrafe.
8
3. Ergänzend bemerkt der Senat zu der Rüge der Verletzung des § 265 StPO:
9
Der Auffassung des Generalbundesanwalts, der unter Hinweis auf die Entscheidung BGH NStZ-RR 1997, 65 die Zulässigkeit der Rüge bezweifelt, weil die Revision die Anklageschrift nicht vollständig mitgeteilt habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Inhalt der Anklage ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen; er muss deshalb nicht vom Revisionsführer im Einzelnen dargelegt werden. Allerdings empfiehlt sich die Mitteilung der für die Rüge bedeutsamen Umstände, um den Revisionsvortrag aus sich heraus verständlich zu machen (vgl. BGH StV 2002, 588, 589; Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 39 m. w. N.).
10
Die Rüge ist indessen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen unbegründet.
11
II. Revision des Angeklagten H.
12
Die Revision des Angeklagten H. ist zwar auf den Strafausspruch beschränkt. Jedoch ist die Aufhebung des Schuldspruchs auf ihn zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO). Der Angeklagte H. ist wegen derselben Tat verurteilt worden wie der Angeklagte S. (vgl. Kuckein aaO § 357 Rdn. 8 m. w. N.) und der sachlichrechtliche Fehler, der zur teilweisen Aufhebung des Urteils gegen den Angeklagten S. führt, hat sich im Schuldspruch auch zum Nachteil des Angeklagten H. ausgewirkt. Da der Angeklagte H. allein wegen schwerer Brandstiftung verurteilt worden ist, war das Urteil, soweit es ihn betrifft , in vollem Umfang aufzuheben. Hinsichtlich der Feststellungen gilt das zur Revision des Angeklagten S. Ausgeführte.
13
III. Abschließend weist der Senat auf Folgendes hin:
14
Sollte der neue Tatrichter zwar nicht die objektiven Voraussetzungen der schweren Brandstiftung, jedoch einen auf die Herbeiführung einer konkreten Gesundheitsgefahr gerichteten bedingten Vorsatz der mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Angeklagten feststellen, wird eine Strafbarkeit des Angeklagten H. wegen versuchter schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2, §§ 22, 23 StGB) und des Angeklagten S. wegen Anstiftung hierzu (§ 306 a Abs. 2, §§ 22, 23, 26 StGB) in Betracht kommen (vgl. im Einzelnen Schünemann in LK 12. Aufl. § 26 Rdn. 38). Becker Miebach Sost-Scheible Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 421/12
vom
27. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. November 2012
gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 9. Mai 2012 dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Untreue in neun Fällen und Betruges in zwei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Meppen vom 28. Juli 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wird. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in fünf Fällen und wegen Betruges in drei Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus einem Urteil des Amtsgerichts Meppen vom 28. Juli 2010 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer teilweisen Abänderung des Schuldspruchs und einer entsprechenden Neufestsetzung von Einzelstrafen; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ist der Angeklagte, soweit er im Falle III. 1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist, nicht - wie vom Landgericht angenommen - eines (einheitlichen) Vergehens des Betruges, sondern der Untreue in vier Fällen schuldig. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn der Senat schließt aus, dass sich der Angeklagte, hätte das Landgericht das Tatgeschehen so bewertet, wirksamer hätte verteidigen können.
3
Als Einzelstrafen setzt der Senat in diesen Fällen in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts jeweils die sich aus § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB ergebende Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe fest (§ 354 Abs. 1 StPO). Die Gesamtstrafe hat gleichwohl Bestand. Der Senat schließt angesichts der weiteren einzubeziehenden Einzelfreiheitsstrafen (zwei Jahre neun Monate, ein Jahr sechs Monate, ein Jahr drei Monate, ein Jahr, zweimal zehn Monate, zweimal neun Monate, acht Monate, viermal sechs Monate) aus, dass das Landgericht diese milder bemessen hätte, wenn es im Falle III. 1. der Urteilsgründe statt - wie geschehen - einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Betruges vier Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten jeweils wegen Untreue ausgesprochen hätte.
4
2. Im Übrigen bemerkt der Senat:
5
Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 265 Abs. 1 StPO und die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen, weil es den Angeklagten nicht darauf hingewiesen habe, es werde den einem von der Staatsanwaltschaft wegen Strafverfolgungsverjährung eingestellten Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt bei der Würdigung der Beweise zu seinem Nachteil verwerten, ist entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts zulässig erhoben. Zum Inhalt der Anklageschrift muss die Revision nicht vortragen, denn diesen hat das Revisionsgericht von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen (Senat, Beschlüsse vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 441/08, StraFo 2009, 115; vom 23.April 2002 - 3 StR 505/01, StV 2002, 588, 589). Dass entsprechende Ausführungen im Einzelfall geeignet sein könnten, dem Revisionsgericht das Verständnis der Rüge zu erleichtern, ändert hieran nichts.
6
Die Rüge ist jedoch unbegründet, denn mit dem von der Staatsanwaltschaft in die Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen (§ 200 Abs. 2 StPO) aufgenommenen Hinweis auf die indizielle Bedeutung des dem eingestellten Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts ist den sich aus § 265 Abs. 1 StPO ergebenden Anforderungen genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2000 - 1 StR 427/00, NStZ 2001, 162).
Becker Pfister Schäfer Mayer Spaniol

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Für Straftaten

1.
nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Halbleiterschutzgesetz, dem Sortenschutzgesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Urheberrechtsgesetz, dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, der Insolvenzordnung, dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, dem Aktiengesetz, dem Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen, dem Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, dem Handelsgesetzbuch, dem SE-Ausführungsgesetz, dem Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, dem Genossenschaftsgesetz, dem SCE-Ausführungsgesetz und dem Umwandlungsgesetz,
2.
nach den Gesetzen über das Bank-, Depot-, Börsen- und Kreditwesen sowie nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz, dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz und dem Wertpapierhandelsgesetz,
3.
nach dem Wirtschaftsstrafgesetz 1954, dem Außenwirtschaftsgesetz, dem Sanktionsdurchsetzungsgesetz, den Devisenbewirtschaftungsgesetzen sowie dem Finanzmonopol-, Steuer- und Zollrecht, auch soweit dessen Strafvorschriften nach anderen Gesetzen anwendbar sind; dies gilt nicht, wenn dieselbe Handlung eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz darstellt, und nicht für Steuerstraftaten, welche die Kraftfahrzeugsteuer betreffen,
4.
nach dem Weingesetz und dem Lebensmittelrecht,
5.
des Subventionsbetruges, des Kapitalanlagebetruges, des Kreditbetruges, des Bankrotts, der Verletzung der Buchführungspflicht, der Gläubigerbegünstigung und der Schuldnerbegünstigung,
5a.
der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen, der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen, der Bestechung im Gesundheitswesen, der Bestechlichkeit und der Bestechung ausländischer und internationaler Bediensteter sowie nach dem Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung,
6.
a)
der Geldwäsche, des Betruges, des Computerbetruges, der Untreue, des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, des Wuchers, der Vorteilsannahme, der Bestechlichkeit, der Vorteilsgewährung und der Bestechung,
b)
nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, dem EU-Finanzschutzstärkungsgesetz und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz,
soweit zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind,
ist, soweit nach § 74 Abs. 1 als Gericht des ersten Rechtszuges und nach § 74 Abs. 3 für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Schöffengerichts das Landgericht zuständig ist, eine Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig. Die §§ 120 und 120b bleiben unberührt.

(2) In den Sachen, in denen die Wirtschaftsstrafkammer nach Absatz 1 zuständig ist, trifft sie auch die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte ganz oder teilweise Strafsachen zuzuweisen, welche die in Absatz 1 bezeichneten Straftaten zum Gegenstand haben. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(4) Im Rahmen des Absatzes 3 erstreckt sich der Bezirk des danach bestimmten Landgerichts auf die Bezirke der anderen Landgerichte.

(1) Wer einem Betrieb oder Unternehmen im Zusammenhang mit einem Antrag auf Gewährung, Belassung oder Veränderung der Bedingungen eines Kredits für einen Betrieb oder ein Unternehmen oder einen vorgetäuschten Betrieb oder ein vorgetäuschtes Unternehmen

1.
über wirtschaftliche Verhältnisse
a)
unrichtige oder unvollständige Unterlagen, namentlich Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Vermögensübersichten oder Gutachten vorlegt oder
b)
schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
die für den Kreditnehmer vorteilhaft und für die Entscheidung über einen solchen Antrag erheblich sind, oder
2.
solche Verschlechterungen der in den Unterlagen oder Angaben dargestellten wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Vorlage nicht mitteilt, die für die Entscheidung über einen solchen Antrag erheblich sind,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Nach Absatz 1 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß der Kreditgeber auf Grund der Tat die beantragte Leistung erbringt. Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu verhindern.

(3) Im Sinne des Absatzes 1 sind

1.
Betriebe und Unternehmen unabhängig von ihrem Gegenstand solche, die nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern;
2.
Kredite Gelddarlehen aller Art, Akzeptkredite, der entgeltliche Erwerb und die Stundung von Geldforderungen, die Diskontierung von Wechseln und Schecks und die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 502/10
vom
16. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Kreditbetruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. November 2010 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 13. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Kreditbetruges zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Nachdem die Angeklagte, eine freiberuflich tätige Ärztin, in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und Versuche, bei Banken Kredite zu erlangen, fehlschlugen, entschloss sie sich auf Vorschlag eines Finanzvermittlers, Darlehen zum Erwerb von Immobilien aufzunehmen, deren Valuta die geschuldeten Kaufpreise übersteigen. Aus dem Differenzbetrag sollte die Angeklagte nach Abzug von Provisionen Rückzahlungen erhalten, mit denen sie Steuerschulden (mehr als 150.000 €) abtragen und durch Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigung entstandene Mindereinnahmen ausgleichen wollte. Mit diesem Ziel schloss sie unter anderem am 16. Januar 2003 zusammen mit ihrem - vom Landgericht freigesprochenen - Ehemann bei der Kreissparkasse K. Darlehensverträge über insgesamt 475.000 €. Sie unterzeichnete dabei eine unvollständige (weil wenig zuvor eingegangene, gleich gelagerte Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt rund 685.000 € verschweigende) Vermögensund Schuldenaufstellung. "Dabei war der Angeklagten bewusst, dass sich das Verschweigen der Darlehensverpflichtungen bei der Bewilligungsentscheidung der Kreissparkasse K. für sie günstig auswirkte. Ihr war klar, dass die Höhe der Verbindlichkeiten ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Bonität durch die Bank war und der Kredit nicht ausgereicht worden wäre, hätte sie die Bank über den Erwerb der weiteren vollfinanzierten Immobilien in Kenntnis gesetzt" (UA S. 8). Die Darlehensvaluta wurde ausgezahlt.
4
b) Das Landgericht hat dies als Kreditbetrug gemäß § 265b StGB gewertet. Es habe sich um einen Kredit für den kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb der Angeklagten - deren Arztpraxis - gehandelt, denn Zweck der Darlehensaufnahme sei nicht der Erwerb der Immobilien gewesen, sondern die Generierung von Rückflüssen, die sie für "praxisbedingte Steuerschulden" und zur "Kompensation von Mindereinnahmen" habe verwenden wollen.
5
Hinsichtlich des mit der Anklageschrift der Angeklagten vorgeworfenen Betruges sei ein Vorsatz nicht nachweisbar, da ihr nicht zu widerlegen sei, dass sie geglaubt habe, die Mieteinnahmen aus den zu erwerbenden Immobilien würden Zins und Tilgung decken und die Bank sei überdies durch eine Grundschuld ausreichend abgesichert.
6
2. Die Verurteilung wegen Kreditbetruges nach § 265b StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
§ 265b StGB, der als abstraktes Gefährdungsdelikt eine Strafbarkeit im Vorfeld des Betruges auch ohne Eintritt eines Vermögensschadens begründet, ist beschränkt auf Kredite "für einen Betrieb oder ein Unternehmen". Dies erfordert , dass bei wirtschaftlicher Betrachtung der Kreditnehmer ein (bereits existierendes oder als solches vorgetäuschtes) Unternehmen sein muss, das - nach der Legaldefinition des § 265b Abs. 3 Nr. 1 StGB - einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb hat (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - 5 StR 508/02, wistra 2003, 343; vgl. auch BayObLG NJW 1990, 1677). Die Feststellungen des Landgerichts belegen die Annahme eines solchen Betriebskredits nicht.
8
Es kann offen bleiben, ob auch in einem hier vom Landgericht angenommenen Fall der Täuschung über den Kreditzweck die Abgrenzung zu Privatkrediten , die nicht dem Anwendungsbereich des § 265b StGB unterfallen, danach erfolgen kann, wem der beantragte Kredit nach seiner tatsächlichen, "wahren" Zweckbestimmung wirtschaftlich zugute kommen soll (vgl. Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 265b Rn. 5, Hoyer in SK-StGB, § 265b Rn. 26; Saliger in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 265b Rn. 4) oder vielmehr darauf abzustellen ist, wer nach dem Darlehensvertrag rechtlich als Kreditnehmer anzusehen ist oder wäre (vgl. Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 265b Rn. 29, Wohlers in MüKo-StGB, § 265b Rn. 9 mwN). Denn selbst wenn man dem Landgericht in der Annahme folgen würde, die Arztpraxis der Angeklagten sei ein Betrieb i.S.d. § 265b Abs. 3 Nr. 1 StGB, wäre dieser nach den Feststellungen nicht der Kreditnehmer und zwar weder formell noch faktisch, auch nicht nach der Zielsetzung. Der mit den Darlehen durchgeführte Immobilienerwerb ist ebenso privater Natur wie die Begleichung der von der Angeklagten geschulde- ten Steuer auf ihr Einkommen aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) oder die vom Landgericht als "Kompensation von Mindereinnahmen" umschriebene Finanzierung von deren Lebensbedarf. Dass die Kreditaufnahme nicht für einen Betrieb erfolgte, zeigt sich auch daran, dass nicht nur die persönlich auftretende Angeklagte Kreditnehmerin war, sondern auch ihr Ehemann, der an der Arztpraxis nicht beteiligt ist.
9
Das Urteil unterliegt daher insgesamt der Aufhebung (§ 349 Abs. 4 StPO).
10
3. Ein Durcherkennen auf Freispruch kommt nicht in Betracht, denn der Senat kann nach den Urteilsgründen nicht ausschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung unter Beachtung des Gebots umfassender Sachaufklärung und erschöpfender Beweiswürdigung Feststellungen getroffen werden können, die einen Schuldspruch tragen (vgl. Kuckein in KK-StPO, 6. Aufl., § 354 Rn. 3; Wiedner in BeckOK-StPO, § 354 Rn. 8 jew. mwN). Die rechtsfehlerhafte Fokussierung auf § 265b StGB lässt besorgen, dass die Strafkammer die Voraussetzungen einer Strafbarkeit der Angeklagten nach § 263 StGB (hinter dem § 265b StGB zurückzutreten hätte, vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 1989 - 4 StR 643/88, BGHSt 36, 130) nicht ausreichend in den Blick genommen und deswegen Feststellungen dazu unterlassen hat.
11
Die Angeklagte täuschte - wie sie wusste - systematisch über die Kreditmittelverwendung und über ihre persönliche Kreditwürdigkeit, die gerade durch die verschwiegenen anderweitigen Darlehensverbindlichkeiten zusätzlich geschwächt war. Feststellungen dazu, welche Beträge tatsächlich von der Kreditgeberin ausgereicht und in welcher Höhe wie verwendet wurden (insbesondere an die Angeklagte zurückgeflossen sind oder hätten zurückfließen sollen), wie das Darlehen tatsächlich besichert war (das Urteil spricht zwar von sieben nicht näher bezeichneten Eigentumswohnungen, aber pauschal von einer Grundschuld ) und welche Bedeutung der Vermögensaufstellung (und gegebenenfalls weiteren geforderten Sicherheiten) im Rahmen der Kreditgespräche für die Angeklagte erkennbar zukam, lässt das Urteil indes vermissen. Diese wäre hier aber mit Blick auf eine rechtsfehlerfreie Beurteilung des Tatvorsatzes im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 26. August 2003 - 5 StR 145/03, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vorsatz 5) erforderlich , zumal das Landgericht selbst feststellt, der Angeklagten sei die Bedeutung der Bonitätsprüfung ebenso klar gewesen, wie der Umstand, dass "der Kredit nicht ausgereicht worden wäre, hätte sie die Bank über den Erwerb der weiteren vollfinanzierten Immobilien in Kenntnis gesetzt". Der neue Tatrichter wird auch Feststellungen zur Frage eines Vermögensschadens (also zur Werthaltigkeit der Ansprüche auf Rückzahlung und Zinszahlung) zu treffen haben. Das voluntative Element des Vorsatzes muss sich (nur) auf den unmittelbar mit der Vermögensverfügung des Getäuschten eingetretenen Schaden erstrecken, auf die Billigung eines Endschadens kommt es nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NJW 2009, 2390; Nack StraFO 2008, 277, 280). Allein eine Hoffnung, das Darlehen könne aus anderen - im Einzelnen nicht festgestellten, ihrerseits aber mit einem Ausfallrisiko behafteten Quellen - zurückgezahlt werden, ließe einen Vorsatz nicht entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 1979 - 1 StR 685/78, NJW 1979, 1512; BGH, Urteil vom 31. Mai 1980 - 1 StR 106/80).
12
Der Senat weist darauf hin, dass der Tatrichter nicht gehalten ist, Behauptungen einer Angeklagten - auch zum subjektiven Tatbestand - als unwiderlegbar hinzunehmen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Angaben fehlen.
Wahl Rothfuß Hebenstreit Elf Jäger

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

5 StR 245/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2011

beschlossen:
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 22. Dezember 2010 gewährt. Damit wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck vom 24. Februar 2011 gegenstandslos.
Die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
3
a) Die Rüge der Verletzung von Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens nach § 338 Nr. 6 StPO ist jedenfalls unbegründet.
4
Nach dem Revisionsvorbringen hat das Landgericht am 22. Dezember 2010 mindestens „in der Zeit von 15.30 Uhr bis zum Schluss der Verhandlung“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt, weil der Haupteingang des Gerichts ab diesem Zeitpunkt verschlossen gewesen sei. Insbesondere die Urteilsverkündung sei in diesem Zeitraum erfolgt. Der Verteidiger habe nach den Schlussvorträgen und dem letzten Wort des Angeklagten in der sich anschließenden Unterbrechung der Hauptverhandlung das Gerichtsgebäude durch den einzigen Zu- und Eingang verlassen. Er sei von Geschäftsstellenmitarbeiterinnen gewarnt worden, die Tür ins Schloss fallen zu lassen, weil sie sich von außen nicht öffnen lasse. Als er zum Gerichtsgebäude zurückgekehrt sei, habe er die Zugangstür verschlossen vorgefunden. Durch Klopfen und Gestikulieren habe er eine weibliche Person auf sich aufmerksam machen können, die ihn dann in das Gerichtsgebäude eingelassen habe; er selbst habe den übrigen Verfahrensbeteiligten kurz vor der Fortsetzung der Verhandlung Einlass gewährt.
5
Das Hauptverhandlungsprotokoll weist aus, dass die Sitzung um 15.32 Uhr nach dem letzten Wort des Angeklagten zum Zweck der Urteilsberatung unterbrochen und um 16.30 Uhr mit der Urteilsverkündung fortgesetzt wurde. Die Hauptverhandlung war um 16.37 Uhr beendet.
6
Nach der Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts vom 7. April 2011 war der Zugangsbereich zum Gericht im Zeitpunkt der Hauptverhandlung aufgrund von Baumaßnahmen verlegt worden. Der Eingangsbereich war mit einer Klingel und Gegensprechanlage versehen. Die Öffnung erfolgte durch die Pförtnerloge. Die Öffnungszeiten waren aus Sicherheitsgründen bis 15.30 Uhr begrenzt. Die in der Pförtnerloge eingesetzten Personen hatten die Anweisung, die Öffentlichkeit trotz verschlossener Tür sicherzustellen, sofern öffentliche Sitzungen über 15.30 Uhr hinaus andauern oder stattfinden. Dies wurde dadurch erreicht, dass der zuständige Pförtner die Außentür für die Dauer der öffentlichen Sitzung im Blick hatte, damit jederzeit Personen, die an einer stattfindenden öffentlichen Sitzung teilnehmen wollten, Einlass gewährt werden konnte.
7
Eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes (§ 338 Nr. 6 StPO) ist hierdurch von der Revision nicht hinreichend belegt. Die Hauptverhandlung war zum Zeitpunkt, als der Verteidiger bemerkte, dass die Zugangstür zum Gerichtsgebäude geschlossen war, bereits zum Zwecke der Urteilsberatung unterbrochen. Es ist von der Revision nicht dargetan, dass ein Einlass ab Unterbrechung der Hauptverhandlung nach 15.32 Uhr nicht mehr möglich war. Der Umstand, dass die Zugangstür, wenn sie geschlossen wurde, von außen nicht mehr ohne weiteres geöffnet werden konnte, begründet für sich allein keine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes; hinzukommen muss, dass bei noch fortdauernden öffentlichen Sitzungen trotz der getroffenen Vorkehrungen ein Zugang zum Gerichtsgebäude tatsächlich nicht möglich war, im vorliegenden Fall etwa, dass nach Betätigung der vorhandenen Klingel Einlassbegehrenden die Eingangstür nicht geöffnet wurde. Derartiges wird von der Revision nicht vorgetragen.
8
Die Rüge wäre jedoch auch deshalb unbegründet, weil die Revision nicht darlegt, dass das Gericht etwaige tatsächliche Hindernisse, die eine Teilnahme der Öffentlichkeit an der Hauptverhandlung beeinträchtigten, bemerkt hat oder hätte bemerken müssen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni

1966

– 4 StR 72/66, BGHSt 21, 72 mwN). Das Gericht konnte sich ohne gegenteilige Anzeichen darauf verlassen, dass der Einlass der Öffentlichkeit nach 15.30 Uhr zu noch andauernden Hauptverhandlungen durch Beachtung der Anweisung des Präsidenten des Landgerichts an die Bediensteten sichergestellt war.
9
b) Die Aufklärungsrüge ist unzulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision das fachärztliche Attest nicht mitteilt, aufgrund dessen sich das Gericht zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen.
10
2. Auch die Sachrüge versagt.
11
Die Revision deckt keine Fehler in der Beweiswürdigung betreffend die Tatfolgen auf. Die Urteilsfeststellungen belegen angesichts der Beteiligung des Angeklagten an der Tatplanung und -ausführung sowie aufgrund der anschließenden Beuteteilung hinreichend seine mittäterschaftliche Stellung. Die Strafzumessung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Versagung einer Strafrahmenmilderung nach § 46b StGB trotz geleisteter Aufklärungshilfe hält sich im Rahmen des tatgerichtlichen Ermessens. Der Konsum von Marihuana vor Tatplanung und -begehung durch den Angeklagten erforderte nicht eine Erörterung der Voraussetzungen des § 21 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2011 – 4 StR 345/11 mwN).
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(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig. Die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, kann von dem Gericht zugelassen werden. Die Tonübertragung kann zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens teilweise untersagt werden. Im Übrigen gilt für den in den Arbeitsraum übertragenen Ton Satz 2 entsprechend.

(2) Tonaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse können zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken von dem Gericht zugelassen werden, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen teilweise untersagt werden. Die Aufnahmen sind nicht zu den Akten zu nehmen und dürfen weder herausgegeben noch für Zwecke des aufgenommenen oder eines anderen Verfahrens genutzt oder verwertet werden. Sie sind vom Gericht nach Abschluss des Verfahrens demjenigen zuständigen Bundes- oder Landesarchiv zur Übernahme anzubieten, das nach dem Bundesarchivgesetz oder einem Landesarchivgesetz festzustellen hat, ob den Aufnahmen ein bleibender Wert zukommt. Nimmt das Bundesarchiv oder das jeweilige Landesarchiv die Aufnahmen nicht an, sind die Aufnahmen durch das Gericht zu löschen.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 kann das Gericht für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in besonderen Fällen Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zulassen. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen oder deren Übertragung teilweise untersagt oder von der Einhaltung von Auflagen abhängig gemacht werden.

(4) Die Beschlüsse des Gerichts nach den Absätzen 1 bis 3 sind unanfechtbar.

5 StR 245/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2011

beschlossen:
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 22. Dezember 2010 gewährt. Damit wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck vom 24. Februar 2011 gegenstandslos.
Die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
3
a) Die Rüge der Verletzung von Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens nach § 338 Nr. 6 StPO ist jedenfalls unbegründet.
4
Nach dem Revisionsvorbringen hat das Landgericht am 22. Dezember 2010 mindestens „in der Zeit von 15.30 Uhr bis zum Schluss der Verhandlung“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt, weil der Haupteingang des Gerichts ab diesem Zeitpunkt verschlossen gewesen sei. Insbesondere die Urteilsverkündung sei in diesem Zeitraum erfolgt. Der Verteidiger habe nach den Schlussvorträgen und dem letzten Wort des Angeklagten in der sich anschließenden Unterbrechung der Hauptverhandlung das Gerichtsgebäude durch den einzigen Zu- und Eingang verlassen. Er sei von Geschäftsstellenmitarbeiterinnen gewarnt worden, die Tür ins Schloss fallen zu lassen, weil sie sich von außen nicht öffnen lasse. Als er zum Gerichtsgebäude zurückgekehrt sei, habe er die Zugangstür verschlossen vorgefunden. Durch Klopfen und Gestikulieren habe er eine weibliche Person auf sich aufmerksam machen können, die ihn dann in das Gerichtsgebäude eingelassen habe; er selbst habe den übrigen Verfahrensbeteiligten kurz vor der Fortsetzung der Verhandlung Einlass gewährt.
5
Das Hauptverhandlungsprotokoll weist aus, dass die Sitzung um 15.32 Uhr nach dem letzten Wort des Angeklagten zum Zweck der Urteilsberatung unterbrochen und um 16.30 Uhr mit der Urteilsverkündung fortgesetzt wurde. Die Hauptverhandlung war um 16.37 Uhr beendet.
6
Nach der Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts vom 7. April 2011 war der Zugangsbereich zum Gericht im Zeitpunkt der Hauptverhandlung aufgrund von Baumaßnahmen verlegt worden. Der Eingangsbereich war mit einer Klingel und Gegensprechanlage versehen. Die Öffnung erfolgte durch die Pförtnerloge. Die Öffnungszeiten waren aus Sicherheitsgründen bis 15.30 Uhr begrenzt. Die in der Pförtnerloge eingesetzten Personen hatten die Anweisung, die Öffentlichkeit trotz verschlossener Tür sicherzustellen, sofern öffentliche Sitzungen über 15.30 Uhr hinaus andauern oder stattfinden. Dies wurde dadurch erreicht, dass der zuständige Pförtner die Außentür für die Dauer der öffentlichen Sitzung im Blick hatte, damit jederzeit Personen, die an einer stattfindenden öffentlichen Sitzung teilnehmen wollten, Einlass gewährt werden konnte.
7
Eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes (§ 338 Nr. 6 StPO) ist hierdurch von der Revision nicht hinreichend belegt. Die Hauptverhandlung war zum Zeitpunkt, als der Verteidiger bemerkte, dass die Zugangstür zum Gerichtsgebäude geschlossen war, bereits zum Zwecke der Urteilsberatung unterbrochen. Es ist von der Revision nicht dargetan, dass ein Einlass ab Unterbrechung der Hauptverhandlung nach 15.32 Uhr nicht mehr möglich war. Der Umstand, dass die Zugangstür, wenn sie geschlossen wurde, von außen nicht mehr ohne weiteres geöffnet werden konnte, begründet für sich allein keine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes; hinzukommen muss, dass bei noch fortdauernden öffentlichen Sitzungen trotz der getroffenen Vorkehrungen ein Zugang zum Gerichtsgebäude tatsächlich nicht möglich war, im vorliegenden Fall etwa, dass nach Betätigung der vorhandenen Klingel Einlassbegehrenden die Eingangstür nicht geöffnet wurde. Derartiges wird von der Revision nicht vorgetragen.
8
Die Rüge wäre jedoch auch deshalb unbegründet, weil die Revision nicht darlegt, dass das Gericht etwaige tatsächliche Hindernisse, die eine Teilnahme der Öffentlichkeit an der Hauptverhandlung beeinträchtigten, bemerkt hat oder hätte bemerken müssen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni

1966

– 4 StR 72/66, BGHSt 21, 72 mwN). Das Gericht konnte sich ohne gegenteilige Anzeichen darauf verlassen, dass der Einlass der Öffentlichkeit nach 15.30 Uhr zu noch andauernden Hauptverhandlungen durch Beachtung der Anweisung des Präsidenten des Landgerichts an die Bediensteten sichergestellt war.
9
b) Die Aufklärungsrüge ist unzulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision das fachärztliche Attest nicht mitteilt, aufgrund dessen sich das Gericht zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen.
10
2. Auch die Sachrüge versagt.
11
Die Revision deckt keine Fehler in der Beweiswürdigung betreffend die Tatfolgen auf. Die Urteilsfeststellungen belegen angesichts der Beteiligung des Angeklagten an der Tatplanung und -ausführung sowie aufgrund der anschließenden Beuteteilung hinreichend seine mittäterschaftliche Stellung. Die Strafzumessung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Versagung einer Strafrahmenmilderung nach § 46b StGB trotz geleisteter Aufklärungshilfe hält sich im Rahmen des tatgerichtlichen Ermessens. Der Konsum von Marihuana vor Tatplanung und -begehung durch den Angeklagten erforderte nicht eine Erörterung der Voraussetzungen des § 21 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2011 – 4 StR 345/11 mwN).
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