Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2011 - 5 StR 245/11

published on 28/09/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2011 - 5 StR 245/11
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 245/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2011

beschlossen:
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 22. Dezember 2010 gewährt. Damit wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck vom 24. Februar 2011 gegenstandslos.
Die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
3
a) Die Rüge der Verletzung von Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens nach § 338 Nr. 6 StPO ist jedenfalls unbegründet.
4
Nach dem Revisionsvorbringen hat das Landgericht am 22. Dezember 2010 mindestens „in der Zeit von 15.30 Uhr bis zum Schluss der Verhandlung“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt, weil der Haupteingang des Gerichts ab diesem Zeitpunkt verschlossen gewesen sei. Insbesondere die Urteilsverkündung sei in diesem Zeitraum erfolgt. Der Verteidiger habe nach den Schlussvorträgen und dem letzten Wort des Angeklagten in der sich anschließenden Unterbrechung der Hauptverhandlung das Gerichtsgebäude durch den einzigen Zu- und Eingang verlassen. Er sei von Geschäftsstellenmitarbeiterinnen gewarnt worden, die Tür ins Schloss fallen zu lassen, weil sie sich von außen nicht öffnen lasse. Als er zum Gerichtsgebäude zurückgekehrt sei, habe er die Zugangstür verschlossen vorgefunden. Durch Klopfen und Gestikulieren habe er eine weibliche Person auf sich aufmerksam machen können, die ihn dann in das Gerichtsgebäude eingelassen habe; er selbst habe den übrigen Verfahrensbeteiligten kurz vor der Fortsetzung der Verhandlung Einlass gewährt.
5
Das Hauptverhandlungsprotokoll weist aus, dass die Sitzung um 15.32 Uhr nach dem letzten Wort des Angeklagten zum Zweck der Urteilsberatung unterbrochen und um 16.30 Uhr mit der Urteilsverkündung fortgesetzt wurde. Die Hauptverhandlung war um 16.37 Uhr beendet.
6
Nach der Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts vom 7. April 2011 war der Zugangsbereich zum Gericht im Zeitpunkt der Hauptverhandlung aufgrund von Baumaßnahmen verlegt worden. Der Eingangsbereich war mit einer Klingel und Gegensprechanlage versehen. Die Öffnung erfolgte durch die Pförtnerloge. Die Öffnungszeiten waren aus Sicherheitsgründen bis 15.30 Uhr begrenzt. Die in der Pförtnerloge eingesetzten Personen hatten die Anweisung, die Öffentlichkeit trotz verschlossener Tür sicherzustellen, sofern öffentliche Sitzungen über 15.30 Uhr hinaus andauern oder stattfinden. Dies wurde dadurch erreicht, dass der zuständige Pförtner die Außentür für die Dauer der öffentlichen Sitzung im Blick hatte, damit jederzeit Personen, die an einer stattfindenden öffentlichen Sitzung teilnehmen wollten, Einlass gewährt werden konnte.
7
Eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes (§ 338 Nr. 6 StPO) ist hierdurch von der Revision nicht hinreichend belegt. Die Hauptverhandlung war zum Zeitpunkt, als der Verteidiger bemerkte, dass die Zugangstür zum Gerichtsgebäude geschlossen war, bereits zum Zwecke der Urteilsberatung unterbrochen. Es ist von der Revision nicht dargetan, dass ein Einlass ab Unterbrechung der Hauptverhandlung nach 15.32 Uhr nicht mehr möglich war. Der Umstand, dass die Zugangstür, wenn sie geschlossen wurde, von außen nicht mehr ohne weiteres geöffnet werden konnte, begründet für sich allein keine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes; hinzukommen muss, dass bei noch fortdauernden öffentlichen Sitzungen trotz der getroffenen Vorkehrungen ein Zugang zum Gerichtsgebäude tatsächlich nicht möglich war, im vorliegenden Fall etwa, dass nach Betätigung der vorhandenen Klingel Einlassbegehrenden die Eingangstür nicht geöffnet wurde. Derartiges wird von der Revision nicht vorgetragen.
8
Die Rüge wäre jedoch auch deshalb unbegründet, weil die Revision nicht darlegt, dass das Gericht etwaige tatsächliche Hindernisse, die eine Teilnahme der Öffentlichkeit an der Hauptverhandlung beeinträchtigten, bemerkt hat oder hätte bemerken müssen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni

1966

– 4 StR 72/66, BGHSt 21, 72 mwN). Das Gericht konnte sich ohne gegenteilige Anzeichen darauf verlassen, dass der Einlass der Öffentlichkeit nach 15.30 Uhr zu noch andauernden Hauptverhandlungen durch Beachtung der Anweisung des Präsidenten des Landgerichts an die Bediensteten sichergestellt war.
9
b) Die Aufklärungsrüge ist unzulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision das fachärztliche Attest nicht mitteilt, aufgrund dessen sich das Gericht zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen.
10
2. Auch die Sachrüge versagt.
11
Die Revision deckt keine Fehler in der Beweiswürdigung betreffend die Tatfolgen auf. Die Urteilsfeststellungen belegen angesichts der Beteiligung des Angeklagten an der Tatplanung und -ausführung sowie aufgrund der anschließenden Beuteteilung hinreichend seine mittäterschaftliche Stellung. Die Strafzumessung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Versagung einer Strafrahmenmilderung nach § 46b StGB trotz geleisteter Aufklärungshilfe hält sich im Rahmen des tatgerichtlichen Ermessens. Der Konsum von Marihuana vor Tatplanung und -begehung durch den Angeklagten erforderte nicht eine Erörterung der Voraussetzungen des § 21 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2011 – 4 StR 345/11 mwN).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.