Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2016 - 1 StR 530/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:200116B1STR530.15.0
bei uns veröffentlicht am20.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 530/15
vom
20. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:200116B1STR530.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 21. Mai 2015 aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Steuerhehlerei verurteilt ist (Tat II.2.),
b) hinsichtlich der Feststellungen zum Zollwert des Tabakfeinschnitts sowie zur Höhe des insoweit hinterzogenen Zolls und der hinterzogenen Einfuhrumsatzsteuer und
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Steuerhehlerei, unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe von neun Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der näher ausgeführten Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Steuerhehlerei in Fall II.2. der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
3
a) Das Landgericht hat insoweit die Konkurrenzen falsch bestimmt. Verschafft sich – wie im vorliegenden Fall – ein Täter in einem anderen Mitgliedsstaat Tabakwaren, hinsichtlich deren bei der Einfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Union Einfuhrabgaben hinterzogen wurden, und führt er diese Tabakwaren nach Deutschland ein, stehen die durch Unterlassen begangene Hinterziehung deutscher Tabaksteuer und die zuvor im Ausland durch aktives Tun begangene Steuerhehlerei im Verhältnis der Tatmehrheit nach § 53 StGB (vgl. Senat, Beschluss vom 28. August 2008 – 1 StR 443/08, NStZ 2009, 159; hierzu umfassend auch Allgayer/Sackreuther, PStR 2009, 44).
4
b) Die Berechnung des hinterzogenen Zolls und der hinterzogenen Einfuhrumsatzsteuer beruht auf einer nicht tragfähigen Grundlage, denn es ist aus den Urteilsgründen nicht ersichtlich, wie die Strafkammer den von ihr angenommenen Zollwert des Tabakfeinschnitts bestimmt hat. Die Ermittlung des Zollwerts nach Art. 29 ff. ZK ist Rechtsanwendung, die der Tatrichter selbst vorzunehmen und im Urteil nachprüfbar darzustellen hat (vgl. zu den hierbei anzuwendenden Methoden näher Senat, Beschluss vom 19. August 2009 – 1 StR 314/09, NStZ 2010, 338).
5
c) Rechtsfehlerhaft ist auch die Berechnung der Einfuhrumsatzsteuer anhand der deutschen Umsatzsteuer; anzuwenden ist vielmehr die im Tatzeit- raum geltende niederländische Umsatzsteuer. Als Bemessungsgrundlage der insoweit vorzunehmenden Steuerberechnung ist die niederländische Tabaksteuer , nicht die deutsche Tabaksteuer heranzuziehen (vgl. auch Senat aaO).
6
d) Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Einzelstrafausspruch für die Tat II.2. (Einsatzstrafe von zwei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe) die Grundlage, was zur Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs führt.
7
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft neben den Konkurrenzen lediglich die Feststellungen zum Zollwert und zur Höhe der im Fall II.2. bei der Einfuhr des Tabakfeinschnitts entstandenen Einfuhrumsatzsteuer und des Zolls, die deshalb aufzuheben sind. Die übrigen von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO) und durch weitere Feststellungen, die den bisherigen nicht entgegenstehen, ergänzt werden.
Raum Jäger Cirener Mosbacher Bär

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 443/08 vom 28. August 2008 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen zu 1.: Steuerhinterziehung u.a. zu 2. - 4.: Steuerhehlerei u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. August 2008 beschlossen

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 443/08
vom
28. August 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1.: Steuerhinterziehung u.a.
zu 2. - 4.: Steuerhehlerei u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. August 2008 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 19. Februar 2008 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Das Landgericht hat den Angeklagten K. in den Fällen 1 bis 13 und 16 rechtsfehlerfrei jeweils wegen Steuerhehlerei in Tatmehrheit (§ 53 StGB) mit Steuerhinterziehung verurteilt. Der Angeklagte übernahm in diesen Fällen in Polen Zigaretten, hinsichtlich deren bei der Einfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft Einfuhrabgaben hinterzogen worden waren. Die Zigaretten waren zuvor von anderen Personen unter Verstoß gegen die Gestellungspflicht nach Art. 40 Zollkodex aus einem Drittland nach Polen verbracht worden und zunächst "zur Ruhe gekommen". Der Angeklagte K. verbrachte die Zigaretten anschließend nach Deutschland, um sie dort gewinnbringend weiterzuverkaufen. Bereits mit dem Sich-Verschaffen bzw. Ankaufen der Zigaretten in Polen verwirklichte der Angeklagte den Tatbestand der Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 und 2 AO aF). Demgegenüber erfüllte er den Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) jeweils erst dann, als er als Verbringer der entgegen § 12 Abs. 1 TabStG ohne deutsche Steuerzeichen in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten Zigaretten für die Tabakwaren nicht unverzüglich gemäß § 19 Satz 3 TabStG eine Steuererklärung abgab. Beide Taten beziehen sich auch auf unterschiedliche Abgaben (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 312).
Soweit in dem angefochtenen Urteil bei der Strafzumessung hinsichtlich des Angeklagten C. im Unterschied zu den übrigen Angeklagten Ausführungen zur Bestimmung des Strafrahmens fehlen, gefährdet dies den Bestand des Urteils nicht. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe kann ohne Weiteres entnommen werden, dass das Landgericht die Einzelstrafen rechtsfehlerfrei dem Strafrahmen des Tatbestands der Steuerhehlerei gemäß § 374 AO aF i.V.m. § 373 Abs. 1 AO aF entnommen hat, den der Angeklagte jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung verwirklicht hatte. Das Fehlen eines Einleitungssatzes und der Ausführungen zum Strafrahmen an dieser Stelle beruht ersichtlich auf technischen Gründen beim Seitenumbruch.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 314/09
vom
19. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhehlerei u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. August 2009 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Essen vom 10. März 2009 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit Steuerhinterziehung, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift bemerkt der Senat zur Verurteilung des Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei gemäß § 374 AO:
3
Zwar tragen die insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Schuldspruch. Jedoch hält die Bestimmung des Umfangs der bei der Einfuhr der verfahrensgegenständlichen Zigaretten in die Europäische Gemeinschaft verkürzten Einfuhrabgaben rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Senat schließt allerdings angesichts der Ausführungen der Strafkammer zur Strafzumessung aus, dass das Landgericht bei zutreffender Bestimmung der Einfuhrabgaben auf geringere Einzelstrafen oder eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
4
a) Das Landgericht hat im Rahmen der Bestimmung der bei der Einfuhr der Zigaretten, die Gegenstand der von dem Angeklagten begangenen Steuerhehlerei waren, in die Europäische Gemeinschaft hinterzogenen Einfuhrumsatzsteuer fälschlich die Hinterziehung polnischer Einfuhrumsatzsteuer zugrunde gelegt. Es hat dabei nicht berücksichtigt, dass die nach den Feststellungen im Jahr 2007 aus der russischen Exklave Kaliningrad (Königsberg) über Litauen und Polen nach Deutschland verbrachten Zigaretten der Marke „Jin Ling“ bereits in Litauen unter Verkürzung der Einfuhrabgaben in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft eingeführt worden waren. Denn Litauen gehörte ebenso wie Polen bereits seit dem 1. Mai 2004 zur Europäischen Union. Somit war die gemäß § 374 Abs. 2 AO aF maßgebliche Einfuhrumsatzsteuer nicht nach polnischem, sondern nach litauischem Recht zu bestimmen (vgl. auch Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 Rdn. 27, 28a, sowie Jäger, Die Auswirkungen der Osterweiterung der Europäischen Union auf das deutsche Steuerstrafrecht, in: Festschrift für Knut Amelung zum 70. Geburtstag , 2009, S. 447, 454 ff.). Damit betrug die Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 2 Abs. 27 i.V.m. Art. 2 Abs. 7 und Art. 3 Abs. 2 des Mehrwertsteuergesetzes der Republik Litauen Nr. IX-751 vom 5. März 2002 18 Prozent und somit 4 Prozentpunkte weniger als der vom Landgericht zugrunde gelegte polnische Steuersatz von 22 Prozent. Erst mit Wirkung vom 1. Januar 2009 wurde der Einfuhrumsatzsteuersatz auf 19 Prozent erhöht (Änderungsgesetz Nr. XI-114 vom 23. Dezember 2008).
5
b) Rechtsfehlerhaft ist auch die Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer durch die Strafkammer. Zum einen hat sie in die Bemessungsgrundlage statt der litauischen die polnische Tabaksteuer einberechnet , die im Tatzeitraum höher war als die der Republik Litauen. Zum anderen hält die Bestimmung des Zollwerts der Zigaretten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
Zwar ist das Landgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass zur Steuerbemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer neben den aufgrund der Einfuhr geschuldeten Steuern (mit Ausnahme der zu erhebenden Mehrwertsteuer) der Betrag gehört, der durch die geltenden Gemeinschaftsvorschriften als Zollwert bestimmt ist (vgl. Art. 85, 86 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ; ABl. EU Nr. L 347 S. 1, ber. ABl. EU 2007 Nr. L 335 S. 60 - Mehrwertsteuersystemrichtlinie - sowie Art. 93 des Mehrwertsteuergesetzes der Republik Litauen Nr. IX-751 vom 5. März 2002). Das Landgericht hat jedoch den Zollwert nicht rechtsfehlerfrei nach den Vorschriften des Zollkodexes (ZK) festgestellt. Hierzu hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: „Die Ermittlung des Zollwerts nach den Art. 29 ff. ZK ist Rechtsanwendung , die der Tatrichter selbst vorzunehmen hat. Kommt bei geschmuggelter Ware, für die es im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften keinen legalen Markt gibt, zur Bestimmung des Zollwerts nur die Schlussmethode nach Art. 31 ZK in Betracht, muss der Tatrichter in den Urteilsgründen grundsätzlich zum Ausdruck bringen, ob und gegebenenfalls auf welcher Grundlage er eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorgenommen hat. Die Angaben der Finanzverwaltung darf er nur übernehmen, wenn er diese eigenverantwortlich nachgeprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch unter Zugrundelegung strafrechtlicher Verfahrensgrundsätze überzeugt ist (st. Rspr., vgl. nur BGH wistra 2004, 348; BGH wistra 2007, 346). Gemessen daran genügt der Verweis der Strafkammer auf eine Dienstvorschrift des Finanzministeriums (UA S. 89) den Anforderungen nicht. Dies gilt umso mehr, als die Strafkammer den Zollwert bei der Berechnung der polnischen Einfuhrumsatzsteuer anders veranschlagt als bei der Berechnung der hinterzogenen Zölle (UA S. 82), was mit einem einheitlichen Außenzoll für das gesamte Gemeinschaftsgebiet nicht zu vereinbaren ist.“
7
Rechtsfehlerhaft ist insbesondere die Würdigung der Strafkammer, ein als Zeuge gehörter erfahrener Zollbeamter habe „glaubhaft, weil in sich schlüssig und plausibel, bekundet, der sog. Zollwert sei vorgegeben und folge aus einer Dienstvorschrift des Ministeriums“ (UA S. 89). Hieraus ergibt sich, dass dem Landgericht nicht bewusst war, dass es im Wege der Rechtsanwendung den Zollwert nach den Vorschriften der Art. 29 ff. ZK selbst ermitteln und, wenn erforderlich , eigenverantwortlich schätzen muss. Die bloße Wiedergabe von Aussagen , die Finanzbeamte zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben, macht die eigene Rechtsanwendung des Tatgerichts nicht entbehrlich (vgl. BGH wistra 2001, 308, 309; 2003, 266, 269; zur Stellung des Finanzbeamten im Steuerstrafverfahren vgl. auch Harms in Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter , 2002, S. 451 ff.).
8
Den Urteilsgründen kann hier zwar noch entnommen werden, dass eine Zollwertbestimmung nach Art. 29 ZK und Art. 30 ZK nicht in Betracht kam. Insbesondere war der Transaktionswert der Zigaretten, d.h. der Schwarzmarktimportpreis , nicht bekannt, was einer Anwendung des Art. 29 ZK entgegenstand. Dies erlaubte jedoch nicht die ungeprüfte Übernahme von „als vorgegeben“ bezeichneten Werten der Zollverwaltung. Vielmehr hatte das Tatgericht den Zollwert gemäß Art. 31 Abs. 1 ZK nach der Schlussmethode auf der Grundlage von in der Europäischen Gemeinschaft verfügbaren Daten zu bestimmen (vgl. dazu Jäger aaO S. 453). Insoweit können Preislisten und Preisangebote für Lieferungen in das Zollgebiet der Gemeinschaft geeignete Bewertungsgrundlagen sein, um den Zollwert nach Maßgabe des Art. 31 ZK zu ermitteln (vgl. Reiche in Witte , Zollkodex 5. Aufl. Art. 31 Rdn. 4). Sind für die eingeführten Zigaretten solche Bewertungsgrundlagen nicht vorhanden, kann die vorzunehmende Schätzung am üblichen Importpreis für Markenzigaretten des unteren Preissegments ansetzen (zum Kleinverkaufspreis bei der Tabaksteuerberechnung vgl. Senat, Beschl. vom 20. November 2008 - 1 StR 546/08 - Rdn. 11). Anknüpfungspunkte für die Schätzung können bei Fehlen besserer Erkenntnisse auch die vom Bundesministerium der Finanzen festgesetzten „Anhaltswerte“ sein (vgl. BGH wistra 2004, 348; siehe auch Krüger in Dorsch, Zollrecht, Stand 118. Lfg. Januar 2009, Art. 31 ZK Rdn. 6). Auch solche Wertansätze der Finanzverwaltung, bei denen abgestuft nach der Menge der eingeführten Zigaretten feste Zollwerte zugrunde gelegt werden, dürfen, wenn - wie hier - der tatsächlich für die Zigaretten gezahlte Preis nicht nachgewiesen werden kann, aber nur dann in das Strafverfahren übernommen werden, wenn das Tatgericht von ihrer Richtigkeit auch bei Zugrundelegung der strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls überzeugt ist (st. Rspr., vgl. nur BGH wistra 2001, 308, 309 m.w.N.).
9
c) Der Senat kann trotz der aufgezeigten Rechtsfehler - in Übereinstimmung mit der Wertung des Generalbundesanwalts - im Hinblick auf die zutreffende Feststellung des Umfangs der Hinterziehung deutscher Tabaksteuer, der in allen Fällen die weitaus größte Schadensposition bildet, des vom Landgericht vorgenommenen „Sicherheitsabschlags“ und der von der Strafkammer zugrunde gelegten Maßstäbe bei der Strafzumessung (UA S. 92) ausschließen, dass das Landgericht bei fehlerfreier Bestimmung der Einfuhrabgaben für das als tateinheitlich begangen ausgeurteilte Delikt der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung auf niedrigere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte. RiBGH Hebenstreit und RiBGH Dr. Graf befinden sich in Urlaub und sind deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack Wahl Nack Jäger

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.