Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2001 - 1 StR 482/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Diebstahl in zwei Fällen, gewerbsmäßiger Hehlerei in drei Fällen sowie wegen Geldwäsche in drei Fällen, "davon jeweils in Tateinheit" mit Urkundenfälschung und mit gewerbsmäßigem Fördern des unerlaubten Aufenthalts von Ausländern, zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Verkündung des Urteils haben der Angeklagte und seine Verteidigerin auf Rechtsmittel verzichtet. Der Angeklagte hat nach Ablauf der Frist Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er macht geltend, nach Verkündung des Urteils, aber vor Erklärung des Rechtsmittelverzichts habe die Strafkammer den gegen ihn bestehenden Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt; durch seinen Rechtsmittelverzicht sei das Urteil indessen vor Erfüllung der Auflagen des Haftverschonungsbeschlusses in Rechtskraft erwachsen, so
daû eine Auûervollzugsetzung nicht mehr möglich gewesen sei. Er sieht sich in die Irre geführt und meint, er hätte vor Abgabe der Verzichtserklärung auf diese Folge hingewiesen werden müssen. Die Revision ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel verzichtet hat. Ein Rechtsmittelverzicht ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr.; vgl. u.a. BGHSt 5, 338, 341; BGH NStZ 1986, 278; BGH StV 1994, 64; 2000, 542). Ausnahmsweise kann jedoch der Rechtsmittelverzicht eines Angeklagten wegen unzulässiger Willensbeeinflussung unwirksam sein. Das wird zum Beispiel angenommen, wenn der Vorsitzende unzuständiger Weise eine Zusage gegeben hat, die nicht eingehalten worden ist, oder wenn aufgrund einer unzulässiger Weise vor Erlaû des Urteils im Rahmen einer verfahrensbeendenden Absprache getroffenen Vereinbarung ein Rechtsmittelverzicht erklärt wird (vgl. BGH NJW 1995, 2568; NStZ 2000, 96). Aus enttäuschten Erwartungen hingegen kann die Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts nicht hergeleitet werden (BGH StV 2000, 542 m.w.Nachw.). Im vorliegenden Falle steht aufgrund der dienstlichen Äuûerung des Vorsitzenden der Strafkammer fest, daû die Willensentschlieûung des Angeklagten vor seiner Verzichtserklärung nicht in unzulässiger Weise beeinfluût worden ist. Weder ein Rechtsmittelverzicht noch der Erlaû eines Haftverschonungsbeschlusses mit dem verkündeten Inhalt waren danach mit der Verteidigung abgesprochen. Daû der Untersuchungshaftverschonungsbeschluû, dessen Auflagen noch nicht erfüllt waren, mit dem Verzicht auf Rechtsmittel ins Leere ging, war dessen rechtlich zwangsläufige Folge. Wäre die Rechtskraft des Urteils erst nach Verstreichen der Rechtsmittelfrist eingetreten und hätte der Angeklagte zuvor die Auflagen erfüllt, insbesondere die Sicherheitsleistung
erbracht, wäre er - jedenfalls zunächst - auf freien Fuû gesetzt worden. Diese unterschiedlichen Konsequenzen jeweils möglichen prozessualen Verhaltens begründeten gegenüber dem verteidigten Angeklagten jedoch keine Hinweispflicht der Strafkammer. Demnach sind auch keine vom Gericht zu verantwortenden Umstände erkennbar, die sonst die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts in Frage stellen könnten. Der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts steht schlieûlich nicht entgegen , daû eine vollständige Rechtsmittelbelehrung unterblieben war, nachdem der Vorsitzende bei dieser unterbrochen und auch insoweit ein allseitiger Verzicht auf Belehrung erklärt worden war (BGH NStZ 1984, 181; 1999, 364). Nach allem ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein Raum. Der Antrag auf einstweiligen Aufschub der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe (gemäû § 47 Abs. 2 StPO) ist mit dieser Entscheidung gegenstandslos. Wahl Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Durch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung nicht gehemmt.
(2) Das Gericht kann jedoch einen Aufschub der Vollstreckung anordnen.
(3) Durchbricht die Wiedereinsetzung die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, werden Haft- und Unterbringungsbefehle sowie sonstige Anordnungen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft bestanden haben, wieder wirksam. Bei einem Haft- oder Unterbringungsbefehl ordnet das die Wiedereinsetzung gewährende Gericht dessen Aufhebung an, wenn sich ohne weiteres ergibt, dass dessen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Anderenfalls hat das nach § 126 Abs. 2 zuständige Gericht unverzüglich eine Haftprüfung durchzuführen.