Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2003 - 3 StR 368/02

bei uns veröffentlicht am24.07.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 368/02
3 StR 415/02
vom
24. Juli 2003
in den Strafsachen
gegen
1.
2.
alias:
wegen zu 1.: unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.
a.
zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Juli 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Bundesanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten J. ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die Erklärung des Angeklagten, auf Rechtsmittel zu verzichten, ist unwirksam, wenn ihr eine Urteilsabsprache vorausgegangen ist, in der unzulässigerweise (BGHSt 43, 195, 204) ein Rechtsmittelverzicht versprochen worden ist. Dies gilt auch für den Rechtsmittelverzicht, auf den das Gericht, ohne ihn sich im Rahmen der Absprache unzulässigerweise versprechen zu lassen , lediglich hingewirkt hat.
Er fragt daher bei den anderen Senaten an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe:

I.


Dem Senat liegen zwei Revisionsverfahren vor, in denen vorab jeweils über die Frage zu entscheiden ist, ob dem im Zusammenhang mit einer Urteilsabsprache erklärten Rechtsmittelverzicht Wirksamkeit zukommt. Der Senat hat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. 1. In der Strafsache gegen J. (3 StR 415/02) hat das Landgericht Duisburg den Angeklagten am 29. April 2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Ange-
klagte hat unmittelbar nach der Urteilsverkündung auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet. Mit Schriftsatz vom 25. September 2002 hat der Angeklagte Revision eingelegt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt mit dem Vortrag, der Rechtsmittelverzicht sei Bestandteil einer verfahrensbeendenden Absprache gewesen und deshalb unwirksam. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Nach Aufruf der Sache , Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie einer einstündigen Unterbrechung der Sitzung "sicherte die Kammer eine Freiheitsstrafe von höchstens vier Jahren neun Monaten bei Rechtsmittelverzicht zu". Daraufhin erklärten sowohl die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte und sein Verteidiger, sie stimmten einer "solchen Absprache" bzw. einer "solchen Zusage der Kammer" zu. Nach Verlesung des Anklagesatzes und Belehrung des Angeklagten über seine Aussagefreiheit erklärte dieser aussagen zu wollen. Daraufhin gab der Verteidiger für den Angeklagten eine Erklärung ab, in der "die Anklagevorwürfe als richtig zugestanden" (UA S. 4) wurden. Der Verteidiger erklärte für den Angeklagten weiterhin das Einverständnis zur "außergerichtlichen Einziehung" von sichergestellten Betäubungsmitteln und Geldbeträgen. Nach im wesentlichen übereinstimmenden Schlußanträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung und dem letzten Wort des Angeklagten verkündete die Strafkammer das Urteil und einen Haftfortdauerbeschluß. Unmittelbar danach verzichteten der Angeklagte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel. 2. In dem Verfahren gegen H. (3 StR 368/02) hat das Landgericht Lüneburg die Angeklagte am 4. Juli 2002 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die am 5. Juli 2002 eingelegte Revision der Angeklagten. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, ihr Rechtsmittel sei zulässig, obwohl sie unmittelbar nach Verkündung des Urteils auf Rechtsmittel verzichtet hatte. Dieser Rechtsmittelverzicht sei unwirksam. Hierzu trägt sie u. a. folgendes Geschehen vor: Am ersten Verhandlungstag schlug die Strafkammer eine Verfahrenserledigung in der Form vor, daß sie für den Fall eines Geständnisses der Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten als Strafobergrenze in Aussicht stellte. Dabei brachte sie zum Ausdruck, daß ein "Rechtsmittelverzicht wünschenswert" sei. Die Angeklagte und der Verteidiger stimmten der vom Gericht vorgeschlagenen Verfahrenserledigung zu. Anschließend erklärte der Verteidiger, die Anklagevorwürfe seien zutreffend, und die Angeklagte bestätigte dies. Am nächsten Verhandlungstag wurde das Urteil verkündet. Im Anschluß daran erklärte der Verteidiger: "Wir verzichten auf Rechtsmittel." Auf Nachfrage des Gerichts bekundete die Angeklagte nach kurzer Unterredung mit ihrem Verteidiger: "Ich verzichte auf Rechtsmittel gegen das soeben verkündete Urteil."

II.

Der Senat hält in beiden Fällen den Rechtsmittelverzicht für unwirksam und möchte auf die Revisionen der Angeklagten die Urteile einer Rechtsprüfung unterziehen.
Ausgehend davon, daß die geltende Strafprozeßordnung - wie in der Rechtsprechung aller Senate des Bundesgerichtshofs anerkannt ist - Urteilsabsprachen nur unter engen Voraussetzungen zuläßt (dazu nachstehend 1.) und es unzulässig ist, dabei einen nach Urteilserlaß zu erklärenden Rechtsmittelverzicht zu vereinbaren (dazu nachstehend 2.), ist der Senat der Auffassung , daß ein Verstoß gegen dieses Verbot die Unwirksamkeit des gleichwohl erklärten Rechtsmittelverzichts zur Folge hat (dazu nachstehend 3.). 1. Das geschriebene deutsche Strafprozeßrecht kennt Urteilsabsprachen nicht. Es liefert dafür keine Anknüpfungspunkte (Rieß in Löwe /Rosenberg, StPO 25. Aufl. Einl. Abschn. G Rdn. 59). Der deutsche Strafprozeß ist grundsätzlich vergleichsfeindlich ausgestaltet (BGHSt 43, 195, 203). Das Rechtsstaatsprinzip untersagt es dem Gericht und der Staatsanwaltschaft, sich auf einen "Vergleich" im Gewande des Urteils, auf einen "Handel mit der Gerechtigkeit" einzulassen (BVerfG NStZ 1987, 419). Ungeachtet dessen hat sich seit zwei Jahrzehnten im deutschen Strafverfahren eine Praxis entwickelt, daß sich die Beteiligten nicht nur "über den Stand und die Aussichten des Verfahrens" verständigen - wogegen allerdings keine Bedenken bestehen (vgl. BVerfG NStZ 1987, 419) - , sondern auch das Ergebnis des Verfahrens aushandeln oder auszuhandeln versuchen. Dabei hat nach den Beobachtungen und Erfahrungen des Senats, in denen er sich durch Entscheidungen anderer Strafsenate bestätigt sieht (vgl. nur BGHSt 45, 51 [5 StR 714/98]; BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren Vereinbarung 12 [2 StR 369/00]; BGH NStZ 2000, 495 [1 StR 623/99]; BGH NStZ 2002, 219 [1 StR 147/01] mit Anm. Weider NStZ 2002, 174; BGH StV 2000, 556 [2 StR 588/99] mit Anm. Weider StV 2002, 397; BGH StV 2002, 637 [1 StR 171/02]; BGH, Beschl. vom 23. Oktober 2001 - 5 StR 433/01; BGH,
Beschl. vom 16. Mai 2002 - 5 StR 12/02; BGH, Beschl. vom 7. Mai 2003 - 5 StR 556/02), die Praxis eine Entwicklung genommen, die besorgen läßt, daß die Grundprinzipien des Strafprozeßrechts, nämlich die Erforschung der materiellen Wahrheit und die Verhängung einer schuldangemessenen Sanktion durch den gesetzlichen Richter in öffentlicher Hauptverhandlung, gefährdet sind. Diese Erkenntnis stimmt mit den überwiegend kritischen Bewertungen der Verständigung in der Literatur überein (vgl. nur Weigend in FS BGH Wissenschaft S. 1011; Schünemann in FS Baumann S. 361; Hassemer JuS 1989, 890). Im Hinblick auf die zunehmende, dem Einfluß der revisionsgerichtlichen Rechtsprechung naturgemäß weitgehend entzogene Ausweitung der Verständigungspraxis und die Untätigkeit des Gesetzgebers hat der Bundesgerichtshof die Grundregeln zusammengefaßt, bei deren Einhaltung die konsensuale Verfahrensbeendigung mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Aufgaben und Bindungen der Strafrechtspflege noch in Einklang steht. Die vom 4. Strafsenat (BGHSt 43, 195) formulierten Mindestanforderungen an die Urteilsabsprache bilden damit auch die Grenze für zulässiges konsensuales Verhalten im Strafprozeß. Diese betreffen zum einen die Frage, worüber eine Absprache erzielt werden kann, bzw. was nicht Gegenstand einer Absprache sein darf. Danach verbleibt es bei der Verpflichtung des Gerichts zur Erforschung der materiellen Wahrheit (vgl. BGHSt 43, 195, 204); der Schuldspruch steht - jenseits der Möglichkeiten nach §§ 154, 154 a StPO - nicht zur Disposition (BGH aaO S. 204, 208); es darf nur die Obergrenze der zu verhängenden Strafe zugesichert werden (BGH aaO S. 206); das Maß der schuldangemessenen Strafe darf - wenn auch dem aufgrund einer Absprache abgelegten Geständnis eine
strafmildernde Wirkung zukommt - nicht unterschritten werden (BGH aaO S. 208). Zum anderen muß auch das Verfahren, in dem die Verständigung zustande kommt, rechtsstaatlichen Anforderungen und den Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts gerecht werden: Der Angeklagte darf nicht durch Drohung mit einer höheren Strafe oder durch Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils zu einem Geständnis gedrängt werden (BGH aaO S. 204); die Absprache muß unter Einbeziehung aller Verfahrensbeteiligten in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgen; sie ist mit ihren Ergebnissen in die Niederschrift aufzunehmen (BGH aaO S. 205 f.; BGHSt 45, 227, 228). 2. Nach diesen Verfahrensregeln ist es dem Gericht auch untersagt, sich für das Inaussichtstellen einer milderen Strafe von dem Angeklagten versprechen zu lassen, dieser werde auf Rechtsmittel verzichten, oder daran mitzuwirken , daß der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zu der Absprache von einem wechselseitigen Verzicht auf Rechtsmittel abhängig machen. Daß die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts in einer Urteilsabsprache nicht zulässig ist, hat der 4. Strafsenat mehrfach ausgesprochen (BGHSt 43, 195, 204 - im nicht entscheidungserheblichen Teil der Urteilsgründe ; BGHSt 45, 227). Diese Rechtsansicht wird von den anderen Strafsenaten erkennbar geteilt. Soweit sie sich mit der Wirksamkeit eines absprachegemäß erklärten Rechtsmittelverzichts beschäftigt haben, gehen die Entscheidungen ausdrücklich (BGH StV 2000, 542; BGH NStZ-RR 2002, 114 - 1. Strafsenat; BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren Vereinbarung 12 = StV 2001, 554; BGH NStZ-RR 2001, 334 = StV 2001, 557 - 2. Strafsenat; BGHSt 47, 238 = NStZ 2002, 379 = 5. Strafsenat) oder inzident (BGH, Beschl. vom 27. Juni 2001 - 1
StR 210/01; BGH NStZ 2002, 219 - 1. Strafsenat; BGH, Beschl. vom 4. Juli 2001 - 2 StR 247/01; BGH, Beschl. vom 8. Mai 2002 - 3 StR 42/02; BGH, Beschl. vom 5. September 2001 - 5 StR 386/01 - und vom 16. Mai 2002 - 5 StR 12/02; BGH NStZ 2002, 496 - 5. Strafsenat) von der Unzulässigkeit einer sol- chen Vereinbarung aus. An diesem Verbot ist festzuhalten:
a) Das folgt mittelbar bereits daraus, daß ein Rechtsmittelverzicht, der schon vor dem Erlaß einer Entscheidung erklärt wird, nach einhelliger Ansicht unzulässig ist. Das Versprechen eines zukünftigen Rechtsmittelverzichts kommt, auch wenn es den Versprechenden rechtlich nicht bindet, wegen der von ihm - aus vielfältigen Gründen - ausgehenden faktischen Bindung einem unzulässig vorab erklärten Verzicht in seinen Wirkungen so nahe, daß es sich ebenfalls als verfahrenswidrig darstellt.
b) Gegen eine Aufgabe des Verbots sprechen auch die naheliegenden Konsequenzen: Es liegt auf der Hand , daß schon das Wissen, die zu treffende Entscheidung werde nicht überprüft werden, weil ein Rechtsmittel nicht zu erwarten sei, einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Urteilsfindung hat (vgl. Volk in FS Salger, S. 411). Sorgfalt bei der Sachverhaltsermittlung und der Subsumtion lassen nahezu zwangsläufig nach. Vor diesem Hintergrund gerät die ohnehin nicht unproblematische Praxis der Urteilsabsprache weiter ins Zwielicht, wenn sich das Gericht durch das Verlangen eines Rechtsmittelverzichts in eine Situation bringt, in der es in Gefahr gerät, sich das Verfahren und die Urteilsbegründung leicht zu machen (vgl. Rieß NStZ 2000, 96, 99 [Anm. zu BGHSt 45, 227]).
c) Ein schützenswertes Interesse, das - ungeachtet dieser Bedenken - die Bewertung der Abrede eines Rechtsmittelverzichts als zulässig legitimieren könnte, ist nicht ersichtlich.
Das gilt zunächst mit Blick auf die Interessen des Angeklagten, der erreichen will, daß auch die Staatsanwaltschaft verspricht, kein Rechtsmittel einzulegen : Die zu seinen Ungunsten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft muß der Angeklagte nur fürchten, wenn durchgreifende Rechtsfehler zu seinen Gunsten geschehen sind, insbesondere wenn die in Aussicht gestellte und verhängte Strafe so milde ist, daß sie ihre Aufgabe, gerechter Schuldausgleich zu sein, nicht mehr erfüllen kann. Angesichts der weitgehenden Beschränkung, die das Verfahrensrecht dem Revisionsgericht bei der Überprüfung der tatrichterlichen Strafzumessung auferlegt, kann eine Revision - in den in Frage stehenden Fallgestaltungen - vor allem dann Erfolg haben, wenn der Tatrichter eine unvertretbar milde Strafe verhängt hat. Gerade dies darf aber nicht das Ergebnis einer Urteilsabsprache sein (BGHSt 43, 195, 208). Dementsprechend kann ein etwa daraus resultierendes Interesse des Angeklagten an der Vereinbarung des Rechtsmittelverzichts nicht als schützenswert anerkannt werden. Soweit die Staatsanwaltschaft mit der Verzichtsabrede verhindern will, daß der Angeklagte (kurz vor Fristablauf und so spät, daß sie ihrerseits das Urteil nicht mehr anfechten kann) Rechtsmittel einlegt und auf diese Weise erreicht, daß das Urteil ausschließlich zu seinen Gunsten überprüft werden kann, sind schutzwürdige Belange letztlich ebenfalls nicht ersichtlich. Allerdings mag es für sich betrachtet ein berechtigtes und verständliches Anliegen sein, wenn die an einer Abrede beteiligte Staatsanwaltschaft eine solche einseitige Überprüfung insbesondere in Fällen ausschließen möchte, in denen der Angeklagte durch das Urteil ohnehin erheblich und unter Umständen sogar unangemessen begünstigt wurde (etwa durch eine ohnehin sehr milde Strafe oder dadurch, daß die Feststellungen zu seinen Gunsten das Maß des ihm zur Last fallenden - allerdings nur mit größerem Aufwand festzustellenden - Unrechts nicht ausschöpfen). Indes kann die Staatsanwaltschaft, was auch ihre
Pflicht ist, unangemessene Begünstigungen des Angeklagten schon dadurch verhindern, daß sie sich der Mitwirkung an entsprechenden Abreden enthält. Solange die Verständigung aber den von BGHSt 43, 195 gesetzten Rahmen eingehalten hat, ist eine Aufhebung des Urteils aufgrund der Revision des Angeklagten ohnehin in aller Regel nicht zu besorgen. Wenn der Tatrichter sich nicht darauf beschränkt, daß der Angeklagte die ihm vorgeworfene Tat, wie im Anklagesatz niedergelegt, einräumt oder (ggf. auch nur durch Erklärung seines Verteidigers) dem "Anklagevorwurf nicht mehr entgegentritt", sondern, worauf auch die Staatsanwaltschaft hinzuwirken hat, das Urteil nur auf ein den Tatvorwurf umfassend einräumendes, überprüfbares und - durch Nachfragen oder den wenig aufwendigen Abgleich mit anderen Beweismitteln - überprüftes Geständnis stützt, und wenn der Schuldspruch, der sowieso nicht Gegenstand der Verständigung sein darf, der Sach- und Rechtslage entspricht, wird eine Revision durchweg erfolglos bleiben, zumal die verhängte Strafe in den Fällen der Abrede ohnehin eher im unteren Bereich des Spielraums schuldangemessener Strafen festgesetzt sein wird. Nur am Rande sei angemerkt, daß auch das Interesse an der Schonung knapper justizieller Ressourcen kein die Zulassung der RechtsmittelverzichtsAbrede legitimierender Grund sein kann. Die Möglichkeit, das Urteil nach § 267 Abs. 4 StPO abzukürzen, hängt nicht von der Erklärung des Rechtsmittelverzichts ab; um sie zu nutzen, muß nur der Ablauf der Rechtsmittelfrist abgewartet werden. Sollte das Urteil durch das Rechtsmittel angefochten werden, so entsteht, sofern die Leitlinien des Bundesgerichtshofs zur Urteilsabsprache vom Gericht eingehalten worden sind, kein wesentlicher Mehraufwand durch die Abfassung eines "langen" Urteils. Wenn der Angeklagte ein detailliertes Geständnis abgegeben hat, wird sich in der Beweiswürdigung mit wenigen
Worten darlegen lassen, daß und warum der Tatrichter von seiner Richtigkeit überzeugt ist. 3. Nach Auffassung des Senats ist ein Rechtsmittelverzicht, der im Anschluß an ein Versprechen in einer Urteilsabsprache erklärt wird, unwirksam. Die Unwirksamkeit der Erklärung ist eine zwangsläufige Folge des vorangegangenen Verstoßes gegen das Verbot, einen Rechtsmittelverzicht zum Bestandteil der dem Urteil vorausgehenden Absprache zu machen (so schon BGHSt 45, 227, allerdings nur beim Vorliegen weiterer besonderer Umstände). Das Verbot der Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts ist - wie dargelegt - unter dem geltenden Strafverfahrensrecht eine unabweisbare Bedingung für eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Verständigung im Strafverfahren. Ein Verstoß dagegen darf daher nicht sanktionslos bleiben (BGHSt aaO). Die einzig denkbare Sanktion ist aber die Annahme der Unwirksamkeit des abredegemäß erklärten Verzichts. Nur die Bewertung der Verzichtserklärung als unwirksam kann sicherstellen , daß die Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen durch die Rechtsmittelgerichte , die - über ihre Bedeutung für den Einzelfall hinaus - allein dadurch, daß sie generell möglich ist, die Einhaltung der Verfahrensregeln gewährleistet , auch in Strafverfahren, in denen das Urteil aufgrund einer Verständigung ergeht, in dem notwendigen Maß erhalten bleibt. Nur solange diese Kontrolle nicht gänzlich ausgeschlossen wird, kann der Gefahr von Auswüchsen entgegengewirkt werden, die der Akzeptanz der Justiz und speziell dem Vertrauen der Allgemeinheit in die den Prinzipien von Gleichheit vor dem Gesetz und Gerechtigkeit in besonderer Weise verpflichtete Strafrechtspflege abträglich wären. Es ist zwar richtig, daß die Beteiligten die Rechtsmittelkontrolle dadurch ausschließen können, daß sie kein Rechtsmittel einlegen oder - unbedenklich,
soweit keine Absprache vorausgegangen ist - auf Rechtsmittel verzichten. Ver- einbaren sie aber schon in einer Verständigung zum Verfahrensausgang, daß das Urteil der Kontrolle entzogen bleiben soll, so darf das Recht nicht auch noch dadurch der Umsetzung dieser Vereinbarung zum Erfolg verhelfen, daß es die Verzichtserklärung als wirksam akzeptiert. Hinzu kommt, daß das Gericht, das sich einen Rechtsmittelverzicht versprechen läßt, damit in unzulässiger Weise auf die freie Willensentscheidung des Angeklagten über die Annahme oder Anfechtung des Urteils einwirkt und sich auch im Einzelfall - zumal wenn das Urteil später angefochten wird - kaum einmal verläßlich feststellen lassen wird, daß die Erklärung des Rechtsmittelverzichts nach dem Urteil unbeeinflußt von diesem Versprechen abgegeben wurde. Vielmehr besteht generell die Gefahr, daß auf eine (regelmäßig unmittelbar nach der Urteilsverkündung abgegebene) Verzichtserklärung die Erwartungshaltung des Gerichts und die Beratung durch den Verteidiger - zumal dem Pflichtverteidiger, der in Zukunft auch in anderen Strafverfahren mit dem Gericht Urteilsabsprachen treffen will - den entscheidenden Einfluß haben. Eine Rechtsmittelverzichtserklärung ist aber - nach Auffassung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs - unwirksam, wenn der Erklärende dabei in seinem Willen beeinträchtigt war. Dabei ist ohne Belang, ob die Willensbeeinträchtigung in der Person des Erklärenden angelegt ist oder ihre Ursache in dem Einfluß Dritter auf den Erklärenden findet. Dementsprechend hat der Senat etwa bereits entschieden, daß der Rechtsmittelverzicht des Angeklagten unwirksam ist, wenn ihm eine vom Vorsitzenden unzuständigerweise abgegebene und alsbald nach der Urteilsverkündung nicht eingehaltene Zusage zugrundeliegt (BGHR StPO § 302 I 1 Rechtsmittelverzicht 14).

III.

Unter den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs wird die Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts, der erklärt wird, nachdem er unzulässigerweise Gegenstand einer Urteilsabsprache war, nicht einheitlich beurteilt. Jedenfalls der 1. und der 2. Strafsenat haben sich ausdrücklich für die Wirksamkeit eines solchen Verzichts ausgesprochen: Bereits vor der Entscheidung BGHSt 43, 195 hat der 2. Strafsenat entschieden , die Unzulässigkeit einer Absprache über das Verfahrensergebnis berühre nicht die Wirksamkeit eines absprachegemäß erklärten Rechtsmittelverzichts (NStZ 1997, 611 unter Hinweis auf die Entscheidungen BGH wistra 1992, 309, 310; BGH, Beschl. vom 17. Juli 1991 - 2 StR 230/91). An dieser Auffassung hat er auch festgehalten (BGH, Beschl. vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 403/00; Beschl. vom 11. Juni 2001 - 2 StR 223/01 = NStZ-RR 2001, 334; Beschl. vom 4. Juli 2001 - 2 StR 247/01; abschwächend: Beschl. vom 7. August 2002 - 2 StR 196/02), nachdem der 4. Strafsenat alsbald Bedenken dagegen angemeldet (BGH StV 1999, 411) und - entscheidungstragend allerdings letztlich unter Berufung auf Sachverhaltsbesonderheiten - einen Rechtsmittelverzicht für unwirksam angesehen und dem Angeklagten Wiedereinsetzung nach Versäumung der Frist zur Rechtsmitteleinlegung gewährt hatte (BGHSt 45, 227). Der 5. Strafsenat hat bei Hinzutreten besonderer Umstände ebenfalls die Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts angenommen (BGHSt 45, 51), ist aber ansonsten wie der 2. Strafsenat davon ausgegangen, daß ein Rechtsmittelverzicht nicht schon deshalb unwirksam ist, weil er Gegenstand einer Absprache war (Beschl. vom 5. September 2001 - 5 StR 386/01; vgl. andererseits den Beschl. vom 5. Februar 2002 - 5 StR 617/01 = BGHSt 47, 238, in dem die Entscheidung des 4. Strafsenats BGHSt 45, 227 zustimmend zitiert
wird). Der 1. Strafsenat hat sich dem 2. Strafsenat angeschlossen und den un- zulässig versprochenen Rechtsmittelverzicht nur dann für unwirksam gehalten, wenn der Verfahrensmangel zu einer unzulässigen Willensbeeinträchtigung bei der Abgabe der Verzichtserklärung geführt hat (BGH, Beschl. vom 8. März 2000 - 1 StR 607/99 = NStZ 2000, 386). Als Beispiel für eine unzulässige Willensbeeinflussung hat der 1. Strafsenat die Verzichtserklärung "aufgrund einer unzulässiger Weise vor Erlaß des Urteils im Rahmen einer verfahrensbeendenden Absprache getroffenen Vereinbarung" bezeichnet (BGH, Beschl. vom 5. Dezember 2001 - 1 StR 482/01 = NStZ-RR 2002, 114). Der erkennende Senat hat sich bislang hierzu nicht ausdrücklich geäußert. Er hat aber die Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts jedenfalls dann in Betracht gezogen, wenn er "Bestandteil einer die Willensbildung des Angeklagten unzulässig beeinflussenden Absprache gewesen wäre" (BGH, Beschl. vom 8. Mai 2002 - 3 StR 42/02). Diese differierenden Auffassungen dürften ihren wesentlichen Grund in der unterschiedlichen Beurteilung der Wirkungen haben, die das im Rahmen einer Absprache abgegebene Verzichtsversprechen auf den Angeklagten hat, wenn dieser - zumeist unmittelbar nach der Urteilsverkündung - seinen Rechtsmittelverzicht erklärt. Der 1. und der 2. Strafsenat, möglicherweise auch der 5. Strafsenat, messen dem bloßen Rechtsmittelverzichtsversprechen keine die Willensfreiheit beeinflussende Wirkung zu. Sie halten das Versprechen zwar für generell geeignet, den Willen des Erklärenden zu beeinflussen, fordern aber im Einzelfall den Nachweis, daß es zu einer unzulässigen Willensbeeinträchtigung gekommen ist. Nach Auffassung des anfragenden Senats und des 4. Strafsenats ist angesichts der dem Revisionsgericht inzwischen zugänglichen Erfahrungen mit der Absprachepraxis in jedem Fall von einer sol-
chen Willensbeeinträchtigung des Angeklagten auszugehen, so daß es eines Einzelnachweises nicht bedarf.

IV.

Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob sie an ihrer der beabsichtigten Entscheidung entgegenstehenden Rechtsprechung festhalten. 1. Er beschränkt die Anfrage insoweit auf die Wirksamkeit der Rechtsmittelverzichtserklärung des Angeklagten, weil allein diese in den zugrundeliegenden Verfahren auf ihre Wirksamkeit zu prüfen sind und deshalb nur diese Rechtsfrage entscheidungserheblich ist. Ob dieselben Grundsätze auch für die Rechtsmittelverzichtserklärung der Staatsanwaltschaft oder des Nebenklägers zu gelten haben, muß nicht entschieden werden. 2. Im Hinblick auf die dem Revisionsverfahren gegen H. (I. 2.) zugrundeliegende Sachverhaltsgestaltung besteht zugleich Anlaß zu einer Erweiterung der Fragestellung. Nach Auffassung des Senats ist es nicht nur unzulässig, das Versprechen eines Rechtsmittelverzichts zum Bestandteil einer Absprache über das Urteil zu machen. In einem Strafverfahren, das durch eine Urteilsabsprache beendet werden soll, ist es dem Gericht darüber hinaus auch nicht erlaubt, auf einen Rechtsmittelverzicht des Angeklagten hinzuwirken, dies auch nicht in der Weise, daß es zum Ausdruck bringt, es erwarte einen Rechtsmittelverzicht oder erachte ihn für wünschenswert. Auch den Rechtsmittelverzicht, der nicht ausdrücklich vereinbart wurde, aber einer vorab zum Ausdruck gebrachten Erwartung des Gerichts entspricht, hält der Senat für unwirksam.

a) Was die Frage der Zulässigkeit einer solchen Einflußnahme anbelangt , besteht - mit Blick auf die Beeinträchtigung der Willens- und Entschließungsfreiheit des Angeklagten sowie ihres Ausmaßes - kein grundsätzlicher Unterschied, ob das Gericht das Versprechen eines Rechtsmittelverzichts ausdrücklich zum unzulässigen Gegenstand einer Urteilsabsprache macht (so im Fall des Angeklagten J. ) oder ob es im Zusammenhang mit einer Urteilsabsprache in anderer Weise auf die Abgabe eines Rechtsmittelverzichts hinwirkt. Auch wenn das Gericht (wie im Fall der Angeklagten H. ) nur zum Ausdruck bringt, es halte einen Rechtsmittelverzicht für wünschenswert, ist zu befürchten , daß beim Angeklagten und namentlich bei dem an das Verhandlungsklima und das wechselseitige Vertrauen in zukünftigen Strafverfahren vor demselben Gericht denkenden Verteidiger der Eindruck entstehen kann, das Gericht mache das Versprechen des Rechtsmittelverzichts - wenn auch nicht ausdrücklich - zum Inhalt der Urteilsabsprache und verbinde die Zusage der in Aussicht gestellten Strafobergrenze mit der Erwartung der Verzichtserklärung nach der Urteilsverkündung (vgl. BGH NStZ 2002, 219; Weider, Verteidigung in Betäubungsmittel -Strafverfahren, in: Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts, S. 1133, 1198). Würde nur die ausdrückliche Abrede eines Rechtsmittelverzichts als unzulässig angesehen, bestünde zudem die naheliegende Gefahr des Ausweichens auf andere, nur in der Form unverbindlich scheinende Erklärungen. Die allem Anschein nach weit verbreitete Praxis, im Rahmen einer Verständigung - unzulässigerweise - auch den wechselseitigen Rechtsmittelverzicht zu verabreden, diese Abrede aber anders als den sonstigen Inhalt der Verständigung nicht offen zu legen und insbesondere nicht in das Protokoll aufzunehmen, ist hinreichender Beleg für diese Befürchtung. Solange der Amtsermittlungsgrundsatz, die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit und das Gebot gerechten Strafens ausnahmslos Geltung
beanspruchen, muß danach jegliche Erörterung eines Rechtsmittelverzichts im Zusammenhang mit Urteilsabsprachen unterbleiben. Ein anerkennenswertes Bedürfnis für einen Rechtsmittelverzicht bei einer Urteilsabsprache ist ohnehin nicht ersichtlich.
b) Die Erwägungen, die zur Unwirksamkeit des vereinbarten Rechtsmittelverzichts führen (oben III.), sprechen dafür, auch dem Rechtsmittelverzicht, auf den das Gericht lediglich hingewirkt hat, die Wirksamkeit zu versagen.
c) Zu der Rechtsfrage, ob auch derjenige Rechtsmittelverzicht unwirksam ist, auf den das Gericht, ohne ihn sich im Rahmen der Absprache unzulässigerweise versprechen zu lassen, lediglich hingewirkt hat, liegt bislang eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht vor. Der 4. Strafsenat hat nur den aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung erklärten Rechtsmittelverzicht für unwirksam erachtet (BGHSt 45, 227; vgl. auch BGH StV 1999, 411). Der 5. Strafsenat hat den Fall, in dem der Verteidiger den Rechtsmittelverzicht nur "vage in Aussicht gestellt" hatte, ausdrücklich nicht als "Versprechen" im Sinne von BGHSt 43, 195 angesehen (BGH, Beschl. vom 20. März 2002 - 5 StR 1/02 = NStZ 2002, 496). In dieser Situation erscheint es dem Senat zweckmäßig, die anderen Strafsenate auch um eine Stellungnahme zu dieser Frage zu bitten. Zum einen liegt nahe, daß für diejenigen, die einen abredegemäß erklärten Rechtsmittelverzicht für wirksam erachten, auch die Wirksamkeit eines Verzichts nicht in Zweifel steht, der entsprechend einer zum Ausdruck gebrachten Erwartung des Gerichts erklärt wird. Zum anderen erscheint es aber auch nicht von vornherein
ausgeschlossen, beide Fallgestaltungen unterschiedlich zu beurteilen und ent- gegen der Auffassung des Senats nur dem aufgrund einer Verständigung mit wechselseitigem Verzichtsversprechen erklärten Rechtsmittelverzicht die Wirksamkeit abzusprechen. VRiBGH Prof. Dr. Tolksdorf Miebach Pfister befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert, seine Unterschrift beizufügen. Miebach RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert , seine Unterschrift beizufügen.
Becker Miebach

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2002 - 5 StR 1/02

bei uns veröffentlicht am 20.03.2002

5 StR 1/02 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 20. März 2002 in der Strafsache gegen wegen gewerbsmäßigen Betruges u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. März 2002 beschlossen: 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2002 - 5 StR 12/02

bei uns veröffentlicht am 16.05.2002

5 StR 12/02 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 16. Mai 2002 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betruges Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2002 beschlossen: 1. Die Anträge der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorige

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2005 - 3 StR 368/02

bei uns veröffentlicht am 18.10.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 368/02 vom 18. Oktober 2005 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Verteidigers und nach Anhörung der Bu

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Sept. 2002 - 1 StR 171/02

bei uns veröffentlicht am 11.09.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 171/02 vom 11. September 2002 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2002 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf die Revis

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2001 - 1 StR 482/01

bei uns veröffentlicht am 05.12.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 482/01 vom 5. Dezember 2001 in der Strafsache gegen wegen Geldwäsche u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Dezember 2001 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen

Bundesgerichtshof Urteil, 23. März 2001 - 2 StR 369/00

bei uns veröffentlicht am 23.03.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 369/00 vom 23. März 2001 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 21.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juni 2001 - 2 StR 223/01

bei uns veröffentlicht am 11.06.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 223/01 vom 11. Juni 2001 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts am 11. Juni 2001 gemäß §§ 46 Abs. 1, 34

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2001 - 2 StR 247/01

bei uns veröffentlicht am 04.07.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 247/01 vom 4. Juli 2001 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2001 - 5 StR 386/01

bei uns veröffentlicht am 05.09.2001

5 StR 386/01 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 5. September 2001 in der Strafsache gegen wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. September 2001 beschlossen: 1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiederei

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2001 - 1 StR 147/01

bei uns veröffentlicht am 26.09.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 147/01 vom 26. September 2001 in der Strafsache gegen wegen Untreue u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf die Revision der Angeklagten

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2001 - 5 StR 433/01

bei uns veröffentlicht am 23.10.2001

5 StR 433/01 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 23. Oktober 2001 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Raubes u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2001 beschlossen: Die Revisionen der Angeklagten I und P geg

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2000 - 1 StR 607/99

bei uns veröffentlicht am 08.03.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 607/99 vom 8. März 2000 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. März 2000 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen: Die Revision des Angeklagten ge

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2000 - 1 StR 623/99

bei uns veröffentlicht am 12.04.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 623/99 vom 12. April 2000 in der Strafsache gegen wegen Betrugs Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2000 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsbur

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Mai 2003 - 5 StR 556/02

bei uns veröffentlicht am 07.05.2003

5 StR 556/02 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 7. Mai 2003 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2000 - 2 StR 403/00

bei uns veröffentlicht am 25.10.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 403/00 vom 25. Oktober 2000 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts am 25. Ok
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2003 - 3 StR 368/02.

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2003 - 4 ARs 32/03

bei uns veröffentlicht am 25.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 ARs 32/03 vom 25. November 2003 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht gerin

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2005 - 5 StR 586/04

bei uns veröffentlicht am 19.04.2005

5 StR 586/04 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 19. April 2005 in der Strafsache gegen wegen vorsätzlichen Bankrotts u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. April 2005 beschlossen: Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 368/02
vom
18. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Verteidigers und nach
Anhörung der Bundeskasse am 18. Oktober 2005 beschlossen:
Dem gerichtlich bestellten Verteidiger, Rechtsanwalt Harald L. - K. aus Hannover, wird für die Vorbereitung und Wahrnehmung der Revisionshauptverhandlung anstelle der gesetzlichen Gebühr eine Pauschgebühr gemäß § 51 RVG in Höhe von 1.500 € bewilligt.

Gründe:

Der Senat hat nur über die Bewilligung einer Pauschgebühr für die Vorbereitung und Wahrnehmung der Revisionshauptverhandlung zu entscheiden (BGHSt 23, 324). Er hält insoweit die bewilligte Vergütung für angemessen, aber auch ausreichend. Neben der Pauschvergütung stehen dem Verteidiger seine notwendigen Auslagen nach § 46 RVG zu. Winkler Miebach Pfister Becker Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 369/00
vom
23. März 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 21. März 2001 in der Sitzung vom 23. März 2001, an denen teilgenommen
haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung,
Bundesanwalt
bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 27. Januar 2000 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Drei Mitangeklagte wurden ebenfalls zu Freiheitsstrafen (Ka. , Kar. und Ki. ) und zwei Mitangeklagte (N. und C. B. ) zu Jugendstrafen verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht insbesondere geltend, dem Urteil liege eine unzulässige Absprache zugrunde. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. I. Verfahrensrügen Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Sie beruhen auf folgenden Verfahrensvorgängen: Der Hauptverhandlungstermin war auf den 27. Januar 2000, 9.00 Uhr und zwei weitere Tage bestimmt worden. Die Hauptverhandlung begann jedoch erst um 13.15 Uhr und endete nach der Urteilsverkündung um 17.15 Uhr. Am Vormittag fand auf Initiative des Gerichts ab 9.00 Uhr im Beratungszimmer ein Gespräch mit den Verteidigern und dem Staatsanwalt darüber statt,
ob mit Geständnissen der Angeklagten zu rechnen sei und welche Strafen zu erwarten seien. Bei diesem Gespräch waren, wie die dienstlichen Erklärungen der Berufsrichter und des Staatsanwalts belegen, auch die Schöffen anwesend. Nachdem geklärt war, daß mit Geständnissen der Angeklagten zu rechnen sei, teilte der Staatsanwalt zunächst mit, welche Strafen er unter diesen Umständen beantragen werde. Die Verteidiger hatten Gelegenheit, ihre Vorstellungen darzulegen. Danach äußerte auch das Gericht seine Vorstellungen zum Strafmaß. Hierauf entstand eine Diskussion über die Strafen, die Strafzumessungskriterien , den Schuldumfang und Rechtsfragen für die einzelnen Angeklagten. Dabei ermäßigte der Staatsanwalt das von ihm zunächst genannte Strafmaß deutlich. Da die Vorstellungen der Verteidiger noch immer zugunsten der Angeklagten hiervon abwichen, kam es zu einem "regelrechten Feilschen" um die Höhe der Strafen. Dabei nahm das Gericht eine vermittelnde Position zwischen den Verteidigern und dem Staatsanwalt ein. Für den Angeklagten Ka. , der bei dem Heroingeschäft ein Stilett mitgeführt hatte und auch noch wegen eines zweiten Heroinverkaufs angeklagt war, wurde nach einer Begründung gesucht, den als bewaffnetes Handeltreiben (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) angeklagten Fall als minder schwer nach § 30 a Abs. 3 BtMG zu werten, um die angestrebte Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren zu ermöglichen. Das Gericht zog sich daraufhin zu einer Vorberatung zurück. Die Verteidiger konnten inzwischen mit den Angeklagten den bisherigen Sachstand erörtern. Nach der Vorberatung teilte der Vorsitzende die für den Fall von Geständnissen zu erwartenden Strafen mit: für den Angeklagten Ka. eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, für die Angeklagten Kar. und K. jeweils vier Jahre und für den Angeklagten Ki. drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe sowie jeweils zwei Jahre Jugendstrafe für die beiden Angeklagten B. . Die Strafe für den Angeklagten Ki. wurde auf Verlan-
gen des Staatsanwalts noch um drei Monate heraufgesetzt. Die Verteidigerin des Angeklagten K. war auch nach erneuter Diskussion mit dem für ihn vorgesehenen Verfahrensausgang nicht einverstanden. Die übrigen Verteidiger dagegen billigten das in Aussicht gestellte Ergebnis und sagten Rechtsmittelverzicht zu. Die Hauptverhandlung begann mit dem Aufruf der Sache um 13.15 Uhr. Das Vorgespräch im Beratungszimmer wurde in der Hauptverhandlung nicht erwähnt. Die Angeklagten wurden zur Person und Sache vernommen. Die Angeklagten K. und Ki. trugen ihre Einlassungen persönlich vor, die übrigen Angeklagten ließen ihre Einlassung durch ihre Verteidiger vortragen. Der Beschwerdeführer legte ein Teilgeständnis ab. Er räumte zwar ein, als Kurier 500600 g Heroinzubereitung zum Weiterverkauf aus den Niederlanden nach Gießen gebracht zu haben, er bestritt jedoch, in der Wohnung der Angeklagten Kar. am Strecken und Portionieren des Rauschgifts mitgewirkt und eine Teilmenge in der Wohnung versteckt zu haben. Die übrigen Angeklagten räumten den Anklagevorwurf ein. Alle Angeklagten äußerten sich auf Fragen ergänzend zur Sache. Außerdem wurde Beweis erhoben u.a. durch Verlesen von Behördengutachten und des Berichts einer Justizvollzugsanstalt. Die Jugendgerichtshilfe wurde gehört. Der Staatsanwalt beantragte die bei dem Vorgespräch zuletzt genannten Strafen. Die Verteidigerin des Beschwerdeführers beantragte hiervon abweichend eine niedrigere Freiheitsstrafe von drei Jahren. Der Verteidiger der Angeklagten Kar. beantragte ebenfalls eine gegenüber dem Antrag des Staatsanwalts geringere Strafe von drei Jahren und sechs Monaten. Im übrigen schlossen sich die Verteidiger dem Antrag des Staatsanwalts an oder stellten keinen ausdrücklichen Antrag. Das Landgericht verhängte die von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafen. Mit Ausnahme des Beschwerdeführers verzichteten alle Angeklagten auf Rechtsmittel.
1. Rüge nach § 261 StPO, Verstoß gegen die Grundsätze der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Hauptverhandlung sowie des fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens. Die Revision macht geltend, es liege eine unzulässige Absprache vor. Dem Gericht sei es untersagt, sich auf einen "Vergleich im Gewand eines Urteils" sowie auf einen "Handel mit der Gerechtigkeit" einzulassen. Insbesondere hätte im Rahmen der Absprache die zu verhängende Strafe nicht fest zugesagt werden dürfen. Das sei hier aber geschehen. Das informelle Vorgespräch habe - nicht zuletzt aufgrund seiner Länge - die eigentliche Hauptverhandlung vorweggenommen. Die am Nachmittag "nachgeholte" Hauptverhandlung sei durch die Absprache und das bereits festgelegte Ergebnis geprägt gewesen. Für den Angeklagten und seine Verteidigerin habe keine Möglichkeit mehr bestanden , Einfluß auf das Ergebnis des Verfahrens zu nehmen. Die Beweisaufnahme habe nur noch der Form, aber nicht der eigentlichen Urteilsfindung gedient. Die Verurteilung des Angeklagten K. beruhe auf der unzulässigen Absprache und der darin liegenden Verletzung der genannten Prozeßmaximen. Die Revision beanstandet zwar zu Recht den in den dienstlichen Ä ußerungen bestätigten Verlauf des Vorgesprächs, das wegen seiner Intensität und Dauer, insbesondere wegen des "Feilschens" um die Höhe der Strafen, durchaus an einen "Handel mit der Gerechtigkeit" denken läßt. Unzulässig war es auch, den Verteidigern bestimmte Strafen und nicht nur eine Strafobergrenze in Aussicht zu stellen. Von Seiten der Verteidiger der Mitangeklagten war es zudem unzulässig, im voraus einen Rechtsmittelverzicht zuzusagen (vgl. BGHSt 43, 195, 205, 207). Die Strafkammer und auch der Staatsanwalt wären verpflichtet gewesen, ein Ausufern des Gesprächs zu verhindern und es gegebenenfalls abzubrechen.
Trotz des nicht unbedenklichen Gesprächsverlaufs ist die Rüge im Ergebnis insgesamt unbegründet. Denn das Zustandekommen einer Absprache über den Verfahrensausgang und ein daraus folgender Verfahrensfehler sind nicht nachgewiesen. Das Landgericht hat weder gegen die Grundsätze der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Hauptverhandlung verstoßen, noch hat es die Prinzipien eines fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens mißachtet. Mit dem Angeklagten K. und seiner Verteidigerin ist schon nach dem eigenen Vorbringen der Revision eine Absprache nicht zustande gekommen. Die Verteidigerin war bereits bei dem "Vorgespräch" mit dem in Aussicht gestellten Verfahrensergebnis nicht einverstanden, weil sie für ihren Mandanten eine noch geringere Strafe erreichen wollte. Grundlage dieses Gesprächs war zudem, daß der Angeklagte den Tatvorwurf umfassend einräumt. Das hat er in der Hauptverhandlung jedoch nicht getan. Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, hat er lediglich ein Teilgeständnis abgelegt. Für die Mitangeklagten des Beschwerdeführers ist das Zustandekommen einer Absprache nicht erwiesen. Eine Verständigung war zwar nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil sich der Beschwerdeführer als einer von mehreren Angeklagten weigerte, sich daran zu beteiligen (vgl. BGHSt 37, 99, 103). Das Landgericht hat aber den Verlauf des "Vorgesprächs" dahin gewertet , daß eine Verständigung über den Verfahrensausgang nicht zustande gekommen war. Es hat deshalb die Hauptverhandlung unabhängig von diesem Gespräch durchgeführt. Dies ergibt sich aus den dienstlichen Erklärungen der beteiligten Berufsrichter, insbesondere der Richterin am Landgericht Br. und des Richters am Amtsgericht Dr. N. , in Verbindung mit dem Verlauf der Hauptverhandlung. Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich, daß eine vierstündige Hauptverhandlung stattfand, in der die Angeklagten vernommen,
Beweise erhoben und die Jugendgerichtshilfe gehört wurden. Es fehlt an jedem Anhalt dafür, daß dabei die strafprozessualen Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit mißachtet wurden und unter Verstoß gegen § 261 StPO Verfahrensstoff bei der Urteilsfindung verwendet wurde, der nicht Gegenstand der Hauptverhandlung war. Allerdings war die Hauptverhandlung gegenüber dem ursprünglichen Terminplan des Landgerichts erheblich dadurch erleichtert , daß die Mitangeklagten nunmehr den Anklagevorwurf durchweg einräumten , während sie ihre Tatbeteiligung bis dahin - mit Ausnahme der Mitangeklagten Kar. - bestritten hatten. Der Angeklagte K. räumte wie schon im Zwischenverfahren ein, das Heroin aus den Niederlanden eingeführt zu haben, bestritt aber, in der Wohnung der Mitangeklagten Kar. beim Strecken und Portionieren mitgewirkt zu haben. Soweit einige der Mitangeklagten zunächst durch ihre Verteidiger eine Erklärung zur Sache abgeben ließen und erst danach ergänzend befragt wurden, war dies nicht unzulässig. Erklärungen des Verteidigers für den anwesenden Angeklagten, denen der Angeklagte nicht widerspricht, können dem Angeklagten selbst zugerechnet werden (vgl. BGH NStZ 1994, 449 = StV 1994, 468). In der Hauptverhandlung hatten der Beschwerdeführer und seine Verteidigerin Gelegenheit, die Mitangeklagten zu befragen und Beweisanträge zu stellen. Beweisanträge wurden in der Hauptverhandlung jedoch auch von dem Angeklagten K. und seiner Verteidigerin nicht gestellt. Fragen an die Mitangeklagten lassen sich dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht entnehmen und werden auch von der Revision nicht behauptet. Warum für den Angeklagten und seine Verteidigerin unter diesen Umständen keine Möglichkeit mehr bestanden haben soll, auf das Ergebnis des Verfahrens Einfluß zu nehmen und daß die Beweisaufnahme nur noch der Form, aber nicht der eigentlichen Urteilsfindung gedient habe, ist eine unbewiesene Behauptung, die auch in der Revisionsbegründung nicht näher kon-
kretisiert wird. Das Teilgeständnis des Angeklagten K. in der Hauptverhandlung entsprach im wesentlichen der Einlassung, die er über seine Verteidigerin bereits im Zwischenverfahren gegeben hatte. Soweit er bestritt, am Strecken und Portionieren des Heroins in der Wohnung der Mitangeklagten Kar. mitgewirkt zu haben, widersprach das der Einlassung, die diese Mitangeklagte bereits unmittelbar nach ihrer Festnahme bei der polizeilichen Vernehmung am 10. Juni 1999 gegeben hatte und die sie auch in der Hauptverhandlung bestätigte. Das angefochtene Urteil setzt sich hinreichend mit den abweichenden Einlassungen der Angeklagten K. und Kar. auseinander und begründet, warum es der Einlassung der Mitangeklagten Kar. folgt. Danach besteht kein Anlaß anzunehmen, die Beweisaufnahme habe nur der Form, aber nicht der eigentlichen Urteilsfindung gedient. Da sich in der Hauptverhandlung keine gegenüber dem Vorgespräch und der Vorberatung neuen dem Angeklagten günstigen Umstände ergaben, war das Vorgehen des Landgerichts auch nicht im Nachhinein deshalb bedenklich, weil das schließlich gefundene Ergebnis des Urteils der Prognose entsprach (vgl. BGHSt 42, 46, 50; 43, 195, 208) und die Mitangeklagten auf Rechtsmittel verzichteten. Da eine Absprache nicht zustande gekommen war, erübrigte es sich auch, das Ergebnis des "informellen Vorgesprächs" in die Hauptverhandlung einzuführen und ins Protokoll aufzunehmen, wie dies beim Zustandekommen einer Verständigung geboten gewesen wäre (vgl. hierzu BGHSt 43, 195, 206). 2. Rügen nach § 338 Nr. 1, 5 und 6 und § 33 StPO, § 169 GVG. Diese Rügen sind gegenstandslos, weil das Zustandekommen einer Absprache über den Verfahrensausgang nicht erwiesen ist. II. Sachrüge
Die aufgrund der nicht näher ausgeführten Sachrüge gebotene Prüfung des angefochtenen Urteils läßt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Die Begründung, mit der das Landgericht die Glaubhaftigkeit der den Angeklagten Ki. belastenden Einlassung der Mitangeklagten Kar. bejaht hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die Bemessung der bei dem festgestellten Unrechts- und Schuldgehalt milden Freiheitsstrafe. Es ist auszuschließen, daß sie zum Nachteil des Angeklagten von dem vor der Hauptverhandlung geführten Gespräch beeinflußt wurde. Jähnke RiBGH Detter ist Bode infolge Urlaubs verhindert , seine Unterschrift beizufügen. Jähnke Rothfuß Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 623/99
vom
12. April 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2000 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. Juli 1999 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges unter Einbeziehung von fünf Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 14. Dezember 1995 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat sowie wegen Betruges in vier Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt; im übrigen hat es ihn freigesprochen. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten bleibt erfolglos, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Ein Verfahrenshindernis besteht entgegen der Auffassung der Revision hinsichtlich des Betruges zum Nachteil P. nicht. Die Strafklage ist insoweit durch das Urteil des Landgerichts München I nicht verbraucht.
a) Das Landgericht hat bei der Zumessung der Einzelstrafe wegen des Betrugs zum Nachteil P. strafmildernd berücksichtigt, der früheren Verurtei-
lung des Angeklagten durch das Landgericht München I habe eine Absprache dahin zugrundegelegen, daß mit jener Verurteilung "verfahrensgegenständliche , aber auch sonstige bis dahin begangene Straftaten des Angeklagten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Unternehmensberater abgegolten sein sollten". Die Tat zum Nachteil P. beging der Angeklagte im Rahmen seiner Tätigkeit als Unternehmensberater zwar bereits vor der Verurteilung durch das Landgericht München I; sie war in jenem Verfahren indessen nicht mit angeklagt. Die Revision trägt vor, durch die erste Verurteilung habe bereits eine "Gesamtbewertung der strafrechtlich relevanten unternehmensberaterischen Tätigkeit des Angeklagten stattgefunden"; auch der zuvor begangene Betrug zum Nachteil P. sei in die damalige Strafzumessung miteingeflossen.
b) Die in Rede stehende selbständige prozessuale Tat war nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht München I. Sie ist - ungeachtet der Frage daraus zu ziehender etwaiger rechtlicher Folgerungen - auch sonst in die Strafbemessung durch das Landgericht München I nicht "eingeflossen" (vgl. dazu auch BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14 sowie BGHSt 37, 10). Die Gründe jenes Urteils lassen solches nicht erkennen. Soweit die Revision weitergehend geltend machen will, die im Verfahren vor dem Landgericht München I angeblich getroffene Absprache begründe ein Verfahrenshindernis eigener Art, stünde dem schon die offensichtliche Rechtswidrigkeit einer solchen Absprache entgegen; diese schließt es aus, daran anknüpfende Erwartungen der Verfahrensbeteiligten als schutzwürdig zu erachten. Nachdem die Tat zum Nachteil P. nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht München I war, ergab sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine tragfähige Grundlage für eine entsprechende Zusicherung im
Rahmen einer etwaigen Absprache. Die in jener Sache beteiligte Staatsanwaltschaft durfte einer Absprache des behaupteten Inhalts schon im Blick auf das Legalitätsprinzip (vgl. § 152 Abs. 2 StPO) und die Verpflichtung auf Recht und Gesetz nicht zustimmen. Danach ist es schlechterdings ausgeschlossen, die Nichtverfolgung selbständiger prozessualer Taten zuzusichern, die noch gar nicht bekannt, deshalb nicht bestimmbar sind und daher auch in ihrem Gewicht und Schuldgehalt nicht beurteilt werden können (vgl. dazu BGHSt 36, 210, 215). Den zur Prüfung des geltend gemachten Verfahrenshindernisses herangezogenen Strafakten ist zu entnehmen, daß der Geschädigte P. den Sachverhalt erst mit Schreiben vom 28. Februar 1997 anzeigte; das Urteil des Landgerichts München I war indessen schon am 14. Dezember 1995 ergangen. Daß die Strafkammer die von ihr zugrundegelegte Absprache, die den Fall P. aus den dargelegten Gründen nicht betreffen konnte, nunmehr bei der Aburteilung dieses Betruges zu Unrecht strafmildernd berücksichtigt hat, beschwert den Angeklagten nicht. 2. Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:
a) Das Landgericht hat hinsichtlich der Betrugstaten zum Nachteil der drei Unternehmensberater festgestellt: Der Angeklagte stellte die drei Geschädigten als freie Mitarbeiter ein, die im Rahmen des von ihm gesteuerten Unternehmens auf Provisionsbasis insbesondere im Bereich der Finanzierungsberatung tätig sein sollten. Für die ihnen in Aussicht gestellten Vorteile aus der geplanten Zusammenarbeit zahlten sie vorab vereinbarungsgemäß eine "Gebühr" in Höhe von jeweils 57.500 DM. Dazu waren die mit der Finanzierungsberatung nicht vertrauten Mitarbeiter nur bereit, weil der Angeklagte ihnen eine umfassende Schulung, Einarbeitung und Unterstützung versprach. Diese Ver-
sprechungen hielt der Angeklagte jedoch - wie von ihm von vornherein beabsichtigt - nicht ein. Ihm ging es lediglich darum, zur Linderung seiner finanziellen Schwierigkeiten die "Gebühr" zu vereinnahmen.
b) Die Revision weist zu den festgestellten Zusagen des Angeklagten mit Recht auf Bedenken gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer hin. Der Angeklagte hatte in Abrede gestellt, den geschädigten Finanzberatern die Durchführung von Schulungen versprochen zu haben. Das Landgericht hat dies für widerlegt erachtet und in diesem Zusammenhang ausgeführt, die Verpflichtung zur Einarbeitung und Schulung habe der Angeklagte "im übrigen" dadurch anerkannt, daß er durch zahlreiche Beweisangebote versucht habe nachzuweisen, Schulungsabende hätten tatsächlich stattgefunden. Damit stellt das Landgericht ersichtlich auf Beweisanträge ab, die der Verteidiger des Angeklagten gestellt hatte. Beweisbehauptungen in Beweisanträgen des Verteidigers können indes nicht ohne weiteres als Einlassung des Angeklagten angesehen werden (vgl. BGH NStZ 1990, 447; BGH StV 1998, 59). Zudem hat die Strafkammer nicht bedacht, daß im Rahmen der Verteidigung hilfsweise auch das Durchführen nicht zugesagter Schulungen behauptet werden kann. Im Blick auf das Bestreiten der Zusage entsprechender Schulungen können daraus keine dem Angeklagten nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Der Senat schließt jedoch aus, daß das Urteil auf diesem Mangel beruht. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, daß die Schulungszusagen des Angeklagten zur Überzeugung der Strafkammer bereits auf Grund der übereinstimmenden und für glaubhaft erachteten Aussagen der Geschädigten feststanden. Die "im übrigen" angestellte Hilfserwägung zu den Beweisanträgen ist erkennbar nur zur Bestätigung der bereits auf Grund anderweitiger Beweismittel für erwiesen erachteten Zusagen erfolgt.

c) Auch die Einwände der Revision gegen die Strafzumessung greifen nicht durch. Sie meint, die den Geschädigten gezahlten Beraterprovisionen hätten strafmildernd berücksichtigt werden müssen. Der Tatrichter ist jedoch nicht verpflichtet, sämtliche Strafzumessungserwägungen in den Urteilsgründen darzustellen; nur die bestimmenden Zumessungsgründe sind anzuführen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, daß die Geschädigten durch die Finanzierungsberatung nennenswerte Einkünfte in solchem Maße erzielt hätten, daß darin ein bestimmender strafmildernder Umstand hätte gesehen werden müssen. Eine Aufklärungsrüge, die zudem einen genauen Vortrag u.a. hinsichtlich der erbrachten Beratertätigkeit und der im einzelnen hierfür empfangenen Provisions- oder Honorarzahlungen erfordert hätte, hat die Revision nicht erhoben. Schäfer Granderath Nack Boetticher Schluckebier

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 147/01
vom
26. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2001 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 9. November 2000 im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Untreue in sechzehn und Betrugs in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten (die Angabe einer höheren Gesamtfreiheitsstrafe in den Urteilsgründen UA S. 19 ist - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - ein offensichtliches Fassungsversehen, Bl. 244, 246 d.A.) verurteilt. Die rechtswirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Nach dem Scheitern eines in der Hauptverhandlung erfolgten Verständigungsgespräches , wonach die schon vor diesem Gespräch geständige Angeklagte unter anderem bei Rechtsmittelverzicht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt werden sollte, verhängte das Landgericht, ohne daß weitere Beweise erhoben worden wären, eine Freiheitsstrafe von
zwei Jahren und sechs Monaten. Da für die Beteiligten eine Veränderung der für die Strafzumessung erheblichen Sachlage nicht erkennbar war, hätte es hier - trotz der Äuûerungen der Angeklagten im letzten Wort - angesichts der vom Gericht in Aussicht gestellten Strafhöhe eines ausdrücklichen Hinweises bedurft (vgl. BGHSt 36, 210, 212 = NStZ 1989, 438; 42, 46, 49 = NJW 1996, 1763). Schäfer Nack Wahl Boetticher Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 171/02
vom
11. September 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2002 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. Dezember 2001 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 37 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten erhebt Verfahrensrügen sowie die Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel ist begründet.

I.

Die Revision beanstandet die Ablehnung eines Beweisantrages, der auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin M. G. gerichtet war und dem die Strafkammer mit dem Hinweis auf ihre eigene Sachkunde begegnet ist (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Die Rüge greift durch.
Die Verteidigung hatte die Einholung eines "jugendpsychiatrischen Sachverständigengutachtens" zum Beweis dessen beantragt, daß die Zeugin M. G. , das Tatopfer, "generell und speziell unglaubwürdig" und ihren belastenden Angaben "kein Glauben zu schenken" sei. Die Zeugin hatte sich mit einer "aussagepsychologischen Begutachtung" einverstanden erklärt. Die Strafkammer hat den Antrag abgelehnt, weil sie selbst über die erforderliche Sachkunde verfüge und sich dabei namentlich auf die zeugenschaftliche Vernehmung einer Psychotherapeutin, zweier Ärzte in der Facharztausbildung zum Psychiater sowie einer Psychologin bezogen, die M. G. behandelt hatten. Auffälligkeiten in der Person der Zeugin hätten danach keinen Einfluß auf ihre Zeugentüchtigkeit. Weitere im Ablehnungsbeschluß erwähnte Einzelheiten stellten keine solchen Besonderheiten dar, daß die Kammer mit der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der belastenden Aussage überfordert und die Zuziehung eines Sachverständigen geboten sei. Die Ablehnung des Beweisantrages erweist sich unter den hier gegebenen besonderen Umständen als rechtsfehlerhaft. In der Regel ist die Einholung eines derartigen Glaubhaftigkeitsgutachtens (vgl. dazu BGHSt 45, 164, 167) zwar nicht erforderlich; denn die Beurteilung der Zeugentüchtigkeit nicht nur von Erwachsenen, sondern auch von kindlichen und jugendlichen Zeugen sowie der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben ist Sache des Tatrichters. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen ist aber dann geboten, wenn Besonderheiten vorliegen, die Zweifel an der Sachkunde des Gerichts hinsichtlich der Beurteilung der Aussagetüchtigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage aufkommen lassen können (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Glaubwürdigkeitsgutachten 2, Sachkunde 6; § 244 Abs. 2 Glaubwürdigkeitsgutachten 1). So jedoch liegt es hier. Die Persönlichkeit und der Werdegang der Zeugin M. G. wie auch ihr Aussageverhalten im Zusammenhang mit einer
anderweitigen bewußten Falschbelastung weisen Besonderheiten auf, die die Würdigung ihrer Bekundungen mitzubestimmen haben. Art und Maß dieser Besonderheiten ergeben zumal vor dem Hintergrund der nur eher allgemeinen Feststellungen zu den einzelnen Taten, daß die eigene Sachkunde der Jugendkammer hier zur Beurteilung der den Angeklagten belastenden Aussage der Zeugin nicht in jeder Hinsicht ausreichte. Nach den Urteilsfeststellungen mißbrauchte der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 55jährige, nicht vorbestrafte Angeklagte seine am 13. April 1979 geborene Nichte M. G. regelmäßig sexuell zwischen deren sechstem und 16. Lebensjahr. Im Alter der M. zwischen neun und 15 Jahren kam es wenigstens einmal wöchentlich zum Geschlechtsverkehr. Gegenstand des Schuldspruchs sind 35 Einzelfälle des Geschlechtsverkehrs sowie weitere zwei Fälle des Oralverkehrs, die sich zwischen dem 17. April 1990, als M. elf Jahre alt war, und dem 12. April 1993, dem Tag vor M. s 14. Geburtstag, zutrugen. Das Landgericht stützt seine Beweisführung gegen den bestreitenden Angeklagten im Kern allein auf die Angaben der Zeugin M. G. . Diese sieht es durch Aussagen weiterer Zeugen bestätigt , welche allerdings ihrerseits im wesentlichen wieder auf Äußerungen M. s zurückgehen. Den Urteilsgründen ist zum Konkretisierungsgrad der Darstellungen zu entnehmen, M. G. habe zwei Einzelfälle, die sich vor dem Zeitraum ereignet hätten, in dem die abgeurteilten Taten begangen wurden, sehr detailliert beschrieben. Die Strafkammer weist zudem auf originelle Einzelheiten in zwei weiteren Fällen (Zerbröseln eines Kondoms auf einer Lampe, Hinweis auf die Sterilisation des Angeklagten) sowie auf Hautpigmentstörungen des Angeklagten am Penis hin, die dieser aber auch an den Händen aufweist. Im übri-
gen sind die Feststellungen zu den Taten und den verschiedenen Tatorten eher allgemein und pauschal gehalten. Die Urteilsgründe ergeben indessen weiter, daß in der Person M. G. s "psychische Auffälligkeiten" vorlagen, die dazu führten, daß sie von April 1986 bis Mai 1991 mit einer halbjährigen Unterbrechung und nochmals im Jahr 1994 psychotherapeutisch betreut wurde. Als Grund hierfür ist lediglich erwähnt, daß sie ein "aggressives Verhalten" gezeigt und ein "Mutter-KindKonflikt" vorgelegen habe. Sie selbst habe den Bekundungen ihrer damaligen Psychotherapeutin zufolge angegeben, "große Probleme" zu haben und habe "Phantasien" erzählt, die aber sogleich als solche erkennbar gewesen seien. Ihrer Therapeutin berichtete M. G. auch von einer Vergewaltigung durch einen nahezu gleichaltrigen Jungen. Diese zweifelte nicht an der Glaubhaftigkeit der Angaben M. s. Zur Erstattung der Strafanzeige in der vorliegenden Sache, die am 21. März 2000 erfolgte, kam es im Anschluß an einen Streit mit der Mutter, die der Zeugin vorwarf, in einer lesbischen Beziehung zu leben. Darauf entgegnete diese, sie solle den Angeklagten fragen, warum das so sei und berichtete auf Nachfrage "bruchstückhaft vom sexuellen Mißbrauch" (UA S. 7). Die Mutter vereinbarte darauf für die Zeugin einen Termin bei der Kriminalpolizei. Im folgenden Sommer beging M. G. einen Suizidversuch und befand sich zweimal in stationärer Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dort wurde bei ihr eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung des impulsiven Typus diagnostiziert. Weitere Einzelheiten zu den psychischen Auffälligkeiten der Zeugin, namentlich zu den von ihr früher berichteten Phantasien, aber auch zu Auslöser und Ursachen des Suizidversuches sowie zu der Persönlichkeitsstörung
teilen weder die Urteilsgründe noch der den Beweisantrag ablehnende Beschluß der Kammer mit. Auch eine nähere Auseinandersetzung mit der Bedeutung dieser Befunde für die Frage der Wahrhaftigkeit der Aussage ist nicht in dem gebotenen Maße erfolgt. Hinzu kommt, daß die Zeugin im November 1993 den damals 13jährigen K. B. wahrheitswidrig der Vergewaltigung bezichtigt hat. Bei einer kriminalpolizeilichen Vernehmung in jener Sache beschrieb sie detailliert eine solche Tat unter Einschluß der Bedrohung mit einem Messer, eines vorgeblich erfolglosen Fluchtversuchs und dazu passenden Äußerungen sowie Gesprächsinhalten. Sie wiederholte diesen Vorwurf auch noch bei einer richterlichen Vernehmung, die ersichtlich - wie der Zusammenhang der Urteilsgründe noch erkennen läßt - erst im gegenständlichen Verfahren erfolgte. Das Verfahren gegen den seinerzeitigen Beschuldigten war eingestellt worden, weil dieser damals erst 13 Jahre alt und mithin strafunmündig war. Erst in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten hat die Zeugin eingeräumt, K. B. zu Unrecht beschuldigt zu haben. Sie habe mit ihm einverständlichen Geschlechtsverkehr gehabt, befürchtet schwanger zu sein und Angst vor der Reaktion ihrer Mutter gehabt. Bei K. B. habe es sich um einen sehr guten Freund gehandelt; sie habe ihm - so die Urteilsgründe - "eine Vergewaltigung vorgeworfen ... da sie sich nicht getraut habe, die Vorfälle mit ihrem Onkel zu berichten" (UA S. 25). Unter diesen Umständen, im Blick auf die vor dem Tatzeitraum beginnende , in diesen hineinreichende und sich später wieder fortsetzende psychotherapeutische Behandlung der Hauptbelastungszeugin bei nicht näher erläuterten Befunden, auf den Suizidversuch wenige Monate nach der Anzeigeerstattung , insbesondere aber auf die bewußte Falschbelastung eines Jungen
mit einem bis in Einzelheiten angereicherten, von den damals Befaßten ersichtlich als glaubhaft erachteten Vergewaltigungsvorwurf in strafverfahrensbezogenen , nach Belehrung und unter Wahrheitspflicht (§§ 153, 164 StGB) erfolgten Aussagen war es hier der Kammer verwehrt, sich bei der Würdigung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin letztlich allein auf ihre eigene Sachkunde zu stützen. Dies gilt eingedenk dessen, daß die Kammer auch noch die Aussagen von Zeugen ins Feld führt, denen gegenüber M. G. sexuelle Mißbrauchshandlungen in allgemein gehaltener Weise oder bruchstückhaft berichtet hatte. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, daß die die Zeugin auch im Tatzeitraum noch betreuende Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche H. nichts von entsprechenden Mißbrauchsberichten der Zeugin bekundet hat (vgl. UA S. 9 f.), die Zeugin bei dieser jedoch den (falschen) Vergewaltigungsvorwurf gegen einen anderen erwähnte und dafür in der Hauptverhandlung die Erklärung gab, sie habe sich nicht getraut, die Vorfälle mit ihrem Onkel zu berichten, damit aber einen Zusammenhang herstellte, der sich in seiner Bedeutung nicht ohne weiteres aus sich selbst erhellt. Auch diese Umstände mußten es nahelegen, eine alle Gesichtspunkte einbeziehende Aussageanalyse unter gezielter sachverständiger Beratung vorzunehmen. Eine andere verfahrensrechtliche Bewertung ergibt sich nicht daraus, daß die Jugendkammer die M. G. psychiatrisch und psychologisch behandelnden Ärzte und eine Psychologin als Zeugen vernommen hat. Dem Senat ist aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt, daß behandelnde Psychiater und Psychologen im Rahmen der Therapie ihres Patienten im Vordergrund ihrer Aufgabe nicht die Frage des Wahrheitsgehalts der Äußerungen des Patienten, also die Überprüfung der "Validität" der Angaben sehen. Ihnen geht es in aller Regel vornehmlich um die Behandlung etwa einer Persönlich-
keitsstörung, um die Minderung subjektiv empfundenen Leidensdrucks und um Verhaltensänderungen (vgl. dazu nur BGH, Urt. vom 16. Mai 2002 - 1 StR 40/02), im vorliegenden Fall naheliegender Weise um die Therapie der Persönlichkeitsstörung und der psychischen Auffälligkeiten. Überdies steht einem als Zeugen vernommenen, früher behandelnden Therapeuten regelmäßig nicht diejenige umfassende Erkenntnisgrundlage zur Verfügung, die einem das Gericht beratenden Sachverständigen zugänglich ist. Diesem liegen regelmäßig auch die Strafakten mit allen bis dahin angefallenen Ermittlungsergebnissen offen; er wird zumeist an der Beweisaufnahme teilnehmen und den Zeugen im Falle von dessen Einverständnis auch explorieren, vor allem aber seine Bewertung gezielt und allein im Blick auf den Wahrheitsgehalt der Aussage vornehmen. Die Zeugin M. G. hatte sich mit einer aussagepsychologischen Begutachtung einverstanden erklärt. Selbst ohne ein solches Einverständnis wäre eine Begutachtung aufgrund der verbleibenden Erkenntnisquellen nicht von vornherein aussichtslos gewesen (vgl. BGH, Urt. vom 16. Mai 2002 - 1 StR 40/02). Ob hier in erster Linie die Zuziehung jugendpsychiatrischen oder aber aussagepsychologischen Sachverstandes in Betracht gekommen wäre, hätte der Tatrichter zu entscheiden gehabt (vgl. dazu BGHSt 23, 8, 12; BGH NStZ 2002, 490; Senge in KK 4. Aufl. § 73 Rdn. 5). Nach allem war die Ablehnung des Beweisantrages rechtsfehlerhaft. Das angegriffene Urteil kann darauf beruhen. Es ist deshalb mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben.

II.

Demnach kommt es auf die weiteren erhobenen Beanstandungen, namentlich die Rüge aus § 136a StPO nicht mehr an. Der Senat kann deshalb auch dahinstellen, ob dem Angeklagten vor Beginn der Hauptverhandlung bei
den Bemühungen um eine Absprache ein gesetzlich nicht vorgesehener Vorteil in Gestalt einer schuldunangemessen niedrigen Strafe für den Fall eines Geständnisses versprochen oder in Aussicht gestellt und dadurch seine Freiheit der Willensentschließung in einer auch den Grundsätzen fairen Verfahrens zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigt worden ist. Da der Angeklagte das Anerbieten einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe von zwei Jahren - bei damals noch in Rede stehenden 156 Einzelfällen des sexuellen Mißbrauchs - abgelehnt und die Taten weiter bestritten hat, würde der Schuldspruch auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel hier nicht beruhen. Die rechtliche Bedenklichkeit dieses Vorgehens erhellt sich allerdings daraus, daß das Strafmaß für die verbleibenden nur 37 Einzelfälle sich auf sieben Jahre Freiheitsstrafe beläuft, ohne daß außer dem "fehlenden Geständnis" und der deshalb erforderlichen Vernehmung der betroffenen Zeugin sonst eine wesentliche Änderung der Sach- und Verfahrenslage erkennbar wäre.

III.

Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, daß das aufzuhebende Urteil aus sich heraus nicht erkennen läßt, aus welchem Grunde die Kammer lediglich 37 Einzelfälle abgeurteilt hat und wie sie diese individualisiert. Da dem Revisionsvortrag der Verteidigung zu entnehmen ist, daß im übrigen nach § 154 StPO verfahren wurde, ist der Hinweis veranlaßt, daß ein Erörterungsmangel vorliegen kann, wenn der Grund für die teilweise Einstellung im Urteil nicht mitgeteilt und - wenn nicht ausschließlich prozeßökonomische Erwägungen ausschlaggebend waren - eine etwaige Beweisbedeutung nicht wenigstens
angesprochen wird (vgl. BGH StV 1998, 580, 582; StV 2001, 552). Schließlich kann es das Erfordernis erschöpfender Beweiswürdigung bei der hier gegebenen Lage gebieten, auch das Einlassungsverhalten des Angeklagten einer genaueren Bewertung zu unterziehen. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz
5 StR 433/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. Oktober 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2001

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten I und P gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. März 2001 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Näherer Aufklärung über den Inhalt von Vorgesprächen des Verteidigers des Angeklagten P mit dem Strafkammervorsitzenden bedarf es nicht. Etwaige Äußerungen des Vorsitzenden zur voraussichtlichen Strafhöhe vor Beginn der Hauptverhandlung und zur Beweislage während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung waren von vornherein nicht geeignet, zugunsten des Angeklagten einen Vertrauensschutz zu begründen, der nur durch einen förmlichen Hinweis zu beseitigen gewesen wäre. Nach dem eigenen Vorbringen der Revision waren diese Äußerungen nämlich in keiner Form zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden. An ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit konnte der Verteidiger danach nicht zweifeln. Dies gälte selbst, wenn erwiesen würde, daû der Vorsitzende die behaupteten – gegebenenfalls zu weitgehenden, für das Verfahren in keiner Weise förderlichen , vielmehr zu Irritationen geeigneten – Prognosen abgegeben hat.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Schaal
5 StR 12/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 16. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2002

beschlossen:
1. Die Anträge der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revi-sionseinlegungsfrist werden verworfen.
2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 4. November 1999 werden nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.
3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
G r ü n d e 1. Das Landgericht hat die Angeklagten am 4. November 1999 wegen Betrugs in 19 Fällen jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren verurteilt. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung erklärten die Verteidiger der Angeklagten sowie die Angeklagten selbst ausweislich des beweiskräftigen Protokolls der Hauptverhandlung (§ 274 StPO) Rechtsmittelverzicht.
Nunmehr haben die Angeklagten Revision eingelegt. Sie machen Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts geltend und berufen sich darauf, der Verzicht sei Gegenstand einer Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung gewesen. Sie beantragen außerdem, ihnen gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

2. Die Revisionen sind unzulässig, weil die Angeklagten auf Rechtsmittel verzichtet haben. Ein Rechtsmittelverzicht ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 5, 338, 341; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 1, 4, 5, 8, 15).
Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Das Vorbringen der jetzigen Verteidiger der Angeklagten, das Gericht habe mit einer Freiheitsstrafe von acht Jahren für den Fall gedroht, daß kein Geständnis abgelegt, und in der weiteren Folge kein Rechtsmittelverzicht erklärt werde, steht in Widerspruch zu den vorliegenden dienstlichen Erklärungen von Richtern, Staatsanwalt und beiden früheren Verteidigern, gegen deren Richtigkeit keine Bedenken bestehen. Ebensowenig ist danach ein Rechtsmittelverzicht ausdrücklich abgesprochen worden. Verfahrensverstöße müssen jedoch erwiesen sein (vgl. auch BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren Vereinbarung 11).
3. Hieraus folgt, daß den Beschwerdeführern auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Frist zur Einlegung der Revision gewährt werden kann. Eine Fristversäumung im Sinne von § 44 StPO liegt nicht vor. Wer von einem befristeten Rechtsbehelf bewußt keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne von § 44 Satz 1 StPO “verhindert, eine Frist einzuhalten” (BGH NStZ-RR 1998, 109).
Der Schriftsatz vom 16. Mai 2002 hat vorgelegen.
Harms Häger Raum Brause Schaal
5 StR 556/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
7. Mai 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. Juni 2002 im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Be- täubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die – vom Generalbundesanwalt vertretene – Revision der Staatsanwaltschaft, die sich auf Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge stützt, bleibt zum Schuldspruch ohne Erfolg, führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
1. Die auf § 338 Nr. 3 StPO und auf Verletzung des § 261 StPO gestützten Verfahrensrügen sind mangels vollständigen Sachvortrags unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

a) Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Besorgnis der Befangenheit der Berufsrichter und ihre Beanstandung, das Landgericht habe das Urteil auf eine unzulässige Zusage und nicht auf den Inbegriff der Hauptverhandlung gestützt, den Inhalt von Vorbesprechungen zudem unzulässigerweise nicht in die Hauptverhandlung eingeführt, auf Verfahrensvorgänge, die ihren Ausgang in zwei Haftprüfungen vor der Strafkammer nahmen, ohne den Inhalt der mündlichen Verhandlungen – etwa durch Vorlage der hierüber aufzunehmenden Niederschriften (§ 118a Abs. 3 Satz 3 StPO) – und die als Ergebnis der zweiten Haftprüfung ergangene Entscheidung vollständig mitzuteilen. Zur Beurteilung der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Beanstandungen ist die vollständige Kenntnis dieser Verfahrenstatsachen – im übrigen auch die Kenntnis von Verlauf und Ergebnis des anschließend durchgeführten Beschwerdeverfahrens, die ebenfalls nicht mitgeteilt werden (vgl. BGHSt 40, 218, 240) – unerläßlich.

b) Die Verfahrensrügen geben dem Senat – ohne daß allerdings wegen der unvollständigen Revisionsbegründung hier eine abschließende Beurteilung dieses Verfahrens möglich wäre – Anlaß zu folgenden Anmerkungen : (1) Es ist einem Richter nicht verwehrt, zwecks Förderung des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten auch außerhalb der Hauptverhandlung Kontakt aufzunehmen; er darf dabei bereits – auch für den Fall eines ausstehenden Geständnisses – stets freilich nicht etwa verbindliche Prognosen über Straferwartungen abgeben, wie sie bei Beurteilung sachlicher Zuständigkeiten oder bei Haftentscheidungen ohnehin gang und gäbe sind (vgl. BGHSt 42, 46). Der Richter darf solche Vorgespräche indes nicht etwa gezielt an der Staatsanwaltschaft als einer hierbei stets umfassend und beizeiten zu informierenden Verfahrensbeteiligten vorbei durchführen (vgl. BGHSt 37, 298; 38, 102; 42, 46; 43, 195; 45, 312).
(2) Legt ein Angeklagter in einem Strafverfahren außerhalb des in BGHSt 43, 195 beschriebenen förmlichen Vorlaufes vor oder auch in der Hauptverhandlung ein Geständnis im Vertrauen auf eine gerichtliche Zusage zur Strafobergrenze ab, die gegen den erklärten Widerspruch der Staatsanwaltschaft oder gar ohne deren Kenntnis erteilt wurde, so besteht von vornherein kein Vertrauenstatbestand für den Angeklagten, daß die – notwendig unverbindliche – Zusage eingehalten oder aber das Geständnis unverwertet bleiben werde (vgl. BGH, Beschl. vom 23. Oktober 2001 – 5 StR 433/01). Hier bestand angesichts des offenen Dissenses mit der Staatsanwaltschaft kein Anlaß für das Gericht, in der Hauptverhandlung eine Entscheidung über eine bei Geständnis nicht zu überschreitende Strafobergrenze (vgl. BGHSt 43, 195, 206 ff.) zu treffen.
(3) Durch die unfaire Nichtbeteiligung von Verfahrensbeteiligten an Vorbesprechungen zur Verfahrenserledigung oder durch die unzutreffende Täuschung eines Verfahrensbeteiligten über die Verbindlichkeit einer derart unwirksamen Zusage kann ein Ablehnungsgrund gegen den beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit begründet werden.
(4) Der Umstand, daß die Behandlung der Ablehnungsanträge der Staatsanwaltschaft nach § 26a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO im vorliegenden Fall für sich auf den ersten Blick verfahrensrechtlich offensichtlich bedenklich erscheint, ändert nach den Grundsätzen von BGHSt 23, 265 an der umfassenden, hier nicht ausreichend beachteten Vortragspflicht zur Sache nichts.
2. Zur Sachrüge hat die Revision der Staatsanwaltschaft teilweise Erfolg.

a) Der Schuldspruch ist frei von durchgreifenden Rechtsfehlern. Den Schuldumfang im Fall II 1 der Urteilsgründe vermag der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe eben noch ausreichend deutlich zu ent- nehmen (vollendetes Handeltreiben mit mindestens 450 Gramm Heroinge- menge mit mindestens 10% Wirkstoff), ebenso im Fall II 2 der Urteilsgründe die tatsächlichen Voraussetzungen eines täterschaftlichen Handeltreibens des Angeklagten.

b) Hingegen hält der Strafausspruch sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
Zutreffend beanstandet die Staatsanwaltschaft die strafmildernde Berücksichtigung des Umstandes, „daß in beiden Fällen das betreffende Betäubungsmittel nicht in den Verkehr gelangte“ (UA S. 15). Der Verbleib sowohl des vom Angeklagten als minderwertig erachteten, nach seinen Angaben nicht von ihm weiterverkauften Heroingemischs im Fall II 1 der Urteilsgründe als auch des in seinem Auftrag zum Zweck späteren gewinnbringenden Weiterverkaufs vergrabenen, bei einem Ausgrabungsversuch nicht aufgefundenen Heroingemenges im Fall II 2 der Urteilsgründe ist ungeklärt geblieben. Das Rauschgift ist in beiden Fällen nicht sichergestellt worden; eine Gesundheitsgefährdung der Allgemeinheit ist damit nicht ausgeschlossen worden. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die gemeingefährliche Verbreitung des Rauschgifts durch Zutun des Angeklagten verhindert worden wäre oder daß sich der Angeklagte hierum auch nur bemüht hätte. Danach ist für einen Strafmilderungsgrund von erwähnenswertem Gewicht insoweit nichts ersichtlich.
Die Strafen sind auffallend milde bemessen; dies ergibt sich zum einen im Blick auf die gewichtigen Strafschärfungsgründe, namentlich aufgrund der gehandelten Rauschgiftart, der Vorbelastungen des Angeklagten und seines Bewährungsversagens, zum anderen im Blick darauf, daß das Geständnis des Angeklagten bei der gegebenen Beweislage zwar einen gewichtigen , indes bei der Kargheit der Aufdeckung maßgeblicher Begleitumstände auch nicht überragend bedeutsamen Strafmilderungsgrund schaffen konnte.
Bei dieser Sachlage vermag der Senat ein Beruhen der Strafen auf dem nicht tragfähigen Strafmilderungsgrund hier nicht auszuschließen.
Dies zieht die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs auf die zum Nachteil des Angeklagten erhobene Sachrüge der Staatsanwaltschaft nach sich. Der Aufhebung von Urteilsfeststellungen bedarf es bei dem beanstandeten Wertungsfehler nicht. Das neue Tatgericht wird die Strafzumessung auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen vorzunehmen haben ; es darf diese hierfür lediglich durch weitere, ihnen nicht widersprechende Feststellungen ergänzen. Harms Häger Basdorf Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 247/01
vom
4. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juli 2001 gemäß
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 19. Januar 2001 wird als unzulässig verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Urteil des Landgerichts Gießen vom 19. Januar 2001 wurde in Anwesenheit des Angeklagten verkündet. Nach der Urteilsverkündung erklärte der Verteidiger Rechtsmittelverzicht; die protokollierte Rechtsmittelverzichtserklärung wurde dem Angeklagten vorgelesen und von ihm genehmigt. Diese Erklärung kann nicht widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden. Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Verzichts führen könnten, liegen nicht vor. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, der Rechtsmittelverzicht sei Teil einer unzulässigen Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung gewesen, ist dies nach den dienstlichen Erklärungen des Vorsitzenden , der Berichterstatterin und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft nicht erwiesen. Es kann offen bleiben, ob eine - nicht in die Hauptver-
handlung eingeführte und nicht protokollierte - Absprache über ein Geständnis des Angeklagten, einen weitgehenden Verzicht auf eine Beweisaufnahme sowie über die konkret zu verhängende Strafe stattgefunden hat; eine bindende Vereinbarung über einen Rechtsmittelverzicht war jedenfalls nicht Gegenstand der vor der Hauptverhandlung geführten Gespräche. Hieran ändert nichts, daß die Beteiligten informell davon ausgegangen sein mögen, das Urteil werde rechtskräftig werden. Im übrigen würde auch eine unzulässige Absprache über einen Rechtsmittelverzicht die Wirksamkeit eines daraufhin erklärten Verzichts grundsätzlich nicht berühren (vgl. BGH NStZ 1997, 611; BGH NStZ 2000, 386; Senatsbeschl. vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 403/00). Anhaltspunkte für eine unzulässige Willensbeeinflussung des Angeklagten sind entgegen dem Vorbringen der Revision nicht gegeben. Der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels ist auch dann wirksam , wenn eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben war (vgl. u.a. BGH NStZ 1984, 329; BGH NStZ 1997, 611 jeweils m.w.N.). Die trotz wirksamen Rechtsmittelverzichts eingelegte Revision ist daher unzulässig und muß verworfen werden. Bode Detter Otten Rothfuß Fischer
5 StR 386/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 5. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. September 2001

beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 28. Mai 2001 wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsbehelfe zu tragen.
G r ü n d e 1. Die Revision ist schon deshalb unzulässig, weil der Angeklagte nach Verkündung des angefochtenen Urteils wirksam auf Rechtsmittel verzichtet hat. Laut Hauptverhandlungsprotokoll erklärte der Angeklagte im Anschluß an die Rechtsmittelbelehrung nach Rücksprache mit seinem Verteidiger : “Ich nehme das Urteil an, ich verzichte auf die Einlegung von Rechtsmitteln”. Die Erklärung wurde vorgelesen, übersetzt und genehmigt.
Dieser Verzicht ist unwiderruflich und unanfechtbar. Daß der Angeklagte die Abgabe der Verzichtserklärung nachträglich bereut, vermag an ihrer Wirksamkeit nichts zu ändern.
Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts hätten führen können, liegen nicht vor. Zwar lag – wie sich aus den dienstlichen Ä ußerungen der Richter und des Sitzungsstaatsanwalts ergibt – der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten die Zusage einer entsprechenden Strafobergrenze im Rahmen einer außerhalb der Hauptverhandlung getroffenen Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft , Verteidigung und dem Angeklagten zugrunde, die möglicherweise auch einen Rechtsmittelverzicht des Angeklagten zum Gegenstand hatte. Dies berührt jedoch die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nicht. Ein absprachegemäß erklärter Rechtsmittelverzicht ist grundsätzlich selbst dann wirksam, wenn die zugrundeliegende Absprache unzulässig war (vgl. u. a. BGH NStZ 1997, 611; 2000, 386; BGH, Beschluß vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 403/00 –). Anhaltspunkte für eine unzulässige Willensbeeinflussung des Angeklagten sind nicht ersichtlich, zumal da er nach der Rechtsmittelbelehrung und vor dem erklärten Rechtsmittelverzicht mit seinem Verteidiger Rücksprache genommen hat. Daß ihm das Bewußtsein über die Tragweite seiner Erklärung gefehlt haben könnte, ist auszuschließen.
Die trotz wirksamen Rechtsmittelverzichts eingelegte Revision ist daher unzulässig und muß verworfen werden.
2. Der Rechtsmittelverzicht schließt zugleich jede Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. BGH NStZ 1984, 181; BGH, Beschluß vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 403/00 – m.w.N.), so daß auch der hierauf gerichtete Antrag des Angeklagten zu verwerfen ist.
Harms Häger Tepperwien Raum Brause
5 StR 12/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 16. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2002

beschlossen:
1. Die Anträge der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revi-sionseinlegungsfrist werden verworfen.
2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 4. November 1999 werden nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.
3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
G r ü n d e 1. Das Landgericht hat die Angeklagten am 4. November 1999 wegen Betrugs in 19 Fällen jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren verurteilt. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung erklärten die Verteidiger der Angeklagten sowie die Angeklagten selbst ausweislich des beweiskräftigen Protokolls der Hauptverhandlung (§ 274 StPO) Rechtsmittelverzicht.
Nunmehr haben die Angeklagten Revision eingelegt. Sie machen Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts geltend und berufen sich darauf, der Verzicht sei Gegenstand einer Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung gewesen. Sie beantragen außerdem, ihnen gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

2. Die Revisionen sind unzulässig, weil die Angeklagten auf Rechtsmittel verzichtet haben. Ein Rechtsmittelverzicht ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 5, 338, 341; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 1, 4, 5, 8, 15).
Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Das Vorbringen der jetzigen Verteidiger der Angeklagten, das Gericht habe mit einer Freiheitsstrafe von acht Jahren für den Fall gedroht, daß kein Geständnis abgelegt, und in der weiteren Folge kein Rechtsmittelverzicht erklärt werde, steht in Widerspruch zu den vorliegenden dienstlichen Erklärungen von Richtern, Staatsanwalt und beiden früheren Verteidigern, gegen deren Richtigkeit keine Bedenken bestehen. Ebensowenig ist danach ein Rechtsmittelverzicht ausdrücklich abgesprochen worden. Verfahrensverstöße müssen jedoch erwiesen sein (vgl. auch BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren Vereinbarung 11).
3. Hieraus folgt, daß den Beschwerdeführern auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Frist zur Einlegung der Revision gewährt werden kann. Eine Fristversäumung im Sinne von § 44 StPO liegt nicht vor. Wer von einem befristeten Rechtsbehelf bewußt keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne von § 44 Satz 1 StPO “verhindert, eine Frist einzuhalten” (BGH NStZ-RR 1998, 109).
Der Schriftsatz vom 16. Mai 2002 hat vorgelegen.
Harms Häger Raum Brause Schaal

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 403/00
vom
25. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
am 25. Oktober 2000 gemäß §§ 44 ff., 349 Abs. 1 StPO beschlossen
:
1. Die Anträge der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revisionen
gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom
16. Februar 2000 werden verworfen.
2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil werden als unzulässig verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.

Gründe:

Die Revisionen sind schon deshalb unzulässig, weil die Angeklagten nach Verkündung des angefochtenen Urteils wirksam auf Rechtsmittel verzichtet haben. Laut Hauptverhandlungsprotokoll haben die beiden Verteidiger der Angeklagten , die sich den Anträgen der Staatsanwaltschaft angeschlossen haben , nach Rücksprache mit den Angeklagten jeweils erklärt: "Auf Rechtsmittel gegen das soeben verkündete Urteil wird verzichtet. Das Urteil wird angenommen."
Diese Erklärungen wurden vorgelesen und genehmigt. Der Verzicht ist unwiderruflich und unanfechtbar. Daß die Angeklagten die Abgabe der Verzichtserklärung nachträglich bereuen, vermag an ihrer Wirksamkeit nichts zu ändern. Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit der Rechtsmittelverzichte hätten führen können, sind nicht ersichtlich. Beide in der Hauptverhandlung tätigen Verteidiger haben erklärt, daß mit den Angeklagten unter Hinzuziehung von Dolmetschern die Frage eines Rechtsmittelverzichts unmißverständlich erörtert und von den Angeklagten dieses Vorgehen ausdrücklich gebilligt wurde. Soweit in den Schriftsätzen dieser Verteidiger eine Absprache über das Verfahrensergebnis anklingt, ohne daß sich die Revisionsführer darauf berufen, ist - worauf auch der Generalbundesanwalt hinweist - festzuhalten, daß auch ein absprachegemäß erklärter Rechtsmittelverzicht dessen Wirksamkeit nicht berührt (vgl. u.a. BGH NStZ 1997, 611; BGH NStZ 2000, 386). Der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels ist auch dann wirksam , wenn eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben war (vgl. u.a. BGH NStZ 1984, 329 m.w.N.; BGH NStZ 1997, 611 m.w.N.). Die trotz wirksamer Rechtsmittelverzichte eingelegten Revisionen sind unzulässig und müssen verworfen werden.
Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revisionen kommt danach nicht in Betracht (vgl. u.a. BGH NStZ 1984, 181; BGH, Beschl. v. 24. November 1998 - 5 StR 518/98 und BGH, Beschl. v. 12. Januar 1999 - 4 StR 649/98). Jähnke Otten Rothfuß Fischer Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 223/01
vom
11. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
am 11. Juni 2001 gemäß §§ 46 Abs. 1, 349 Abs. 1 StPO beschlossen
:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist
wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Fulda vom 17. November 2000 wird als unzulässig verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: "Das Urteil des Landgerichts Fulda vom 17. November 2000 wurde in Gegenwart des Angeklagten verkündet. Nach der Urteilsverkündung und anschließender mündlicher Rechtsmittelbelehrung erklärte der Verteidiger des Angeklagten mit Zustimmung desselben Rechtsmittelverzicht. Die protokollierte Rechtsmittelverzichtserklärung wurde dem Angeklagten vorgelesen und von ihm genehmigt (vgl. Sitzungsniederschrift SA Bd. VII Bl. 58). Diese Rechtsmittelverzichtserklärung kann nicht widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden (st. Rspr. BGHSt 5, 338, 341; BGHR StPO
§ 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 1, 4, 5, 8, 15; ...; BGH, Beschluß vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 403/00). Es kann dahinstehen, ob die Rechtsmittelverzichtserklärung - wie von dem Beschwerdeführer behauptet - Teil einer das Verfahren beendenden Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung war, was zu rechtlichen Bedenken führen könnte (vgl. BGH NStZ 1998, 31). Dieser Umstand würde die Wirksamkeit des erklärten Rechtsmittelverzichts nicht berühren. Die Vorbehalte, die gegen solche Absprachen bestehen, stehen der rechtlichen Anerkennung eines auf eine - auch unzulässige - Absprache folgenden, ihr entsprechenden Rechtsmittelverzichts nicht entgegen. Denn dessen Beurteilung unterliegt anderen Maßstäben: Es soll in die freie Entscheidung des Angeklagten gestellt sein, ob er ein gegen ihn ergangenes Urteil anfechten, unangefochten lassen oder durch Erklärung eines Rechtsmittelverzichts annehmen will. Diese Freiheit muß ihm auch dann erhalten bleiben, wenn das Urteil auf einer unzulässigen Absprache beruht und sich der Rechtsmittelverzicht als deren Einlösung darstellt. Auf die Art, wie der Verzicht zu Stande gekommen ist, kommt es insoweit nicht an (BGH NJW 1997, 2691 f). Der Angeklagte kann nämlich ungeachtet einer Verletzung der für die Führung von Verhandlungsgesprächen aufgestellten Vorgaben seine Interessen unbeeinflußt und sachgerecht wahrgenommen haben. Entscheidend kann nur sein, ob eine unzulässige Beeinflussung der freien Willensbildung vorliegt (BGH NStZ 2000, 386). Hierfür sind vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Denn nach dem Beschwerdevorbringen liegt weder ein einen möglichen Irrtum des Angeklagten auslösender Dissens oder gar eine Täuschung bzw. unrichtige
Auskunft seitens des Gerichts noch eine Verletzung seiner Verteidigungsinteressen vor. Infolge der Rechtsmittelverzichtserklärung ist das Urteil des Landgerichts Fulda vom 17. November 2000 in Rechtskraft erwachsen. Die dagegen eingelegte Revision ist somit nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Aus dem Gesagten folgt, daß dem Beschwerdeführer auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Frist zur Einlegung der Revision gewährt werden kann. Eine Fristversäumung im Sinne von § 44 StPO liegt im zu entscheidenden Fall nicht vor. Wer von einem befristeten Rechtsbehelf bewußt keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne von § 44 Satz 1 StPO 'verhindert, eine Frist einzuhalten' (BGH NStZ-RR 1998, 109)." Dem schließt sich der Senat an. Detter Otten Rothfuß Fischer Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 247/01
vom
4. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juli 2001 gemäß
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 19. Januar 2001 wird als unzulässig verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Urteil des Landgerichts Gießen vom 19. Januar 2001 wurde in Anwesenheit des Angeklagten verkündet. Nach der Urteilsverkündung erklärte der Verteidiger Rechtsmittelverzicht; die protokollierte Rechtsmittelverzichtserklärung wurde dem Angeklagten vorgelesen und von ihm genehmigt. Diese Erklärung kann nicht widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden. Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Verzichts führen könnten, liegen nicht vor. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, der Rechtsmittelverzicht sei Teil einer unzulässigen Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung gewesen, ist dies nach den dienstlichen Erklärungen des Vorsitzenden , der Berichterstatterin und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft nicht erwiesen. Es kann offen bleiben, ob eine - nicht in die Hauptver-
handlung eingeführte und nicht protokollierte - Absprache über ein Geständnis des Angeklagten, einen weitgehenden Verzicht auf eine Beweisaufnahme sowie über die konkret zu verhängende Strafe stattgefunden hat; eine bindende Vereinbarung über einen Rechtsmittelverzicht war jedenfalls nicht Gegenstand der vor der Hauptverhandlung geführten Gespräche. Hieran ändert nichts, daß die Beteiligten informell davon ausgegangen sein mögen, das Urteil werde rechtskräftig werden. Im übrigen würde auch eine unzulässige Absprache über einen Rechtsmittelverzicht die Wirksamkeit eines daraufhin erklärten Verzichts grundsätzlich nicht berühren (vgl. BGH NStZ 1997, 611; BGH NStZ 2000, 386; Senatsbeschl. vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 403/00). Anhaltspunkte für eine unzulässige Willensbeeinflussung des Angeklagten sind entgegen dem Vorbringen der Revision nicht gegeben. Der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels ist auch dann wirksam , wenn eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben war (vgl. u.a. BGH NStZ 1984, 329; BGH NStZ 1997, 611 jeweils m.w.N.). Die trotz wirksamen Rechtsmittelverzichts eingelegte Revision ist daher unzulässig und muß verworfen werden. Bode Detter Otten Rothfuß Fischer
5 StR 386/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 5. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. September 2001

beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 28. Mai 2001 wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsbehelfe zu tragen.
G r ü n d e 1. Die Revision ist schon deshalb unzulässig, weil der Angeklagte nach Verkündung des angefochtenen Urteils wirksam auf Rechtsmittel verzichtet hat. Laut Hauptverhandlungsprotokoll erklärte der Angeklagte im Anschluß an die Rechtsmittelbelehrung nach Rücksprache mit seinem Verteidiger : “Ich nehme das Urteil an, ich verzichte auf die Einlegung von Rechtsmitteln”. Die Erklärung wurde vorgelesen, übersetzt und genehmigt.
Dieser Verzicht ist unwiderruflich und unanfechtbar. Daß der Angeklagte die Abgabe der Verzichtserklärung nachträglich bereut, vermag an ihrer Wirksamkeit nichts zu ändern.
Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts hätten führen können, liegen nicht vor. Zwar lag – wie sich aus den dienstlichen Ä ußerungen der Richter und des Sitzungsstaatsanwalts ergibt – der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten die Zusage einer entsprechenden Strafobergrenze im Rahmen einer außerhalb der Hauptverhandlung getroffenen Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft , Verteidigung und dem Angeklagten zugrunde, die möglicherweise auch einen Rechtsmittelverzicht des Angeklagten zum Gegenstand hatte. Dies berührt jedoch die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nicht. Ein absprachegemäß erklärter Rechtsmittelverzicht ist grundsätzlich selbst dann wirksam, wenn die zugrundeliegende Absprache unzulässig war (vgl. u. a. BGH NStZ 1997, 611; 2000, 386; BGH, Beschluß vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 403/00 –). Anhaltspunkte für eine unzulässige Willensbeeinflussung des Angeklagten sind nicht ersichtlich, zumal da er nach der Rechtsmittelbelehrung und vor dem erklärten Rechtsmittelverzicht mit seinem Verteidiger Rücksprache genommen hat. Daß ihm das Bewußtsein über die Tragweite seiner Erklärung gefehlt haben könnte, ist auszuschließen.
Die trotz wirksamen Rechtsmittelverzichts eingelegte Revision ist daher unzulässig und muß verworfen werden.
2. Der Rechtsmittelverzicht schließt zugleich jede Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. BGH NStZ 1984, 181; BGH, Beschluß vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 403/00 – m.w.N.), so daß auch der hierauf gerichtete Antrag des Angeklagten zu verwerfen ist.
Harms Häger Tepperwien Raum Brause
Nachschlagewerk: ja/nein
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
StPO §§ 44; 138 Abs. 1; 302 Abs. 1 Satz 1; 338 Nr. 5
In einem Fall notwendiger Verteidigung begründet
die alleinige Mitwirkung eines nicht als Rechtsanwalt
zugelassenen Scheinverteidigers an der
Hauptverhandlung den absoluten Revisionsgrund des
§ 338 Nr. 5 StPO. Ein nach Beratung durch den
Scheinverteidiger erklärter Rechtsmittelverzicht
des Angeklagten ist unwirksam. Der Angeklagte kann
danach gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangen.
BGH, Beschl. v. 5. Februar 2002 - 5 StR 617/01
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 5. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2002

beschlossen:
Gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. September 2001 wird der Angeklagten auf ihre Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagte am 25. September 2001 wegen insgesamt 30 Fällen des Betruges und wegen versuchten Betruges unter Einbeziehung anderweits verhängter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sowie zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung erklärte die Angeklagte nach Rücksprache mit ihrem damaligen Wahlverteidiger, der für sie an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte, Rechtsmittelverzicht.

I.


Mit am 2. November 2001 eingegangenem Schriftsatz meldete sich ein neuer Wahlverteidiger für die Angeklagte. Er trug vor, diese sei am 26. Oktober 2001 von der Rechtsanwaltskammer Berlin darüber informiert worden, daß ihr bisheriger Wahlverteidiger zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht als Rechtsanwalt zugelassen gewesen sei. Der neue Wahlverteidiger beantragte für die Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist und legte Revision ein.

Tatsächlich war der Widerruf der Zulassung des damaligen Wahlverteidigers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) mit Beschluß des Bundesgerichtshofs – Senat für Anwaltssachen – vom 18. Juni 2001 – AnwZ (B) 6/00 – bestandskräftig geworden. Gleichwohl hatte sich der ehemalige Rechtsanwalt danach als anwaltlicher Wahlverteidiger für die Angeklagte gemeldet und für sie an der Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer des Landgerichts teilgenommen.

II.


Das Wiedereinsetzungsgesuch der Angeklagten hat Erfolg.
1. Ihr am Schluß der Hauptverhandlung erklärter Rechtsmittelverzicht erweist sich abweichend von dem Grundsatz, daß eine solche Prozeßerklärung als unwiderruflich und unanfechtbar zu gelten hat (BGHSt 45, 51, 53), aufgrund besonderer verfahrensrechtlicher Gegebenheiten als von Anfang an unwirksam.
In der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor dem Landgericht fehlte es an der nach § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO notwendigen Mitwirkung eines Verteidigers. Der für die Angeklagte als Wahlverteidiger mitwirkende ehemalige Rechtsanwalt konnte infolge des Verlusts seiner Rechtsanwaltszulassung gemäß § 138 Abs. 1 StPO nicht mehr als Verteidiger auftreten.
Am Schluß der Hauptverhandlung wurde der Angeklagten vor ihrer Rechtsmittelverzichtserklärung Gelegenheit zur Rücksprache mit ihrem vermeintlichen Verteidiger gegeben. Hiermit wollte das Landgericht der gebotenen Einhaltung der Verfahrensregeln vor Herbeiführung eines wirksamen Rechtsmittelverzichts (vgl. BGHSt 18, 257, 260; 19, 101, 104; 45, 51, 57) Rechnung tragen. Vorliegend war die Einhaltung jener Regeln indes da-
durch gehindert, daû der ± wie das Gericht nicht wuûte ± nicht mehr zugelassene Rechtsanwalt die Verteidigung nicht führen durfte. Die Angeklagte war damit vor Abgabe der Prozeûerklärung des Rechtsmittelverzichts ohne den bei einer erstinstanzlichen Verhandlung vor dem Landgericht gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Beistand eines zugelassenen Verteidigers; ihr fehlte folglich die rechtsstaatlich unverzichtbare Rechtsberatung. Infolge dieser gravierenden, gemessen an den Anforderungen an ein faires Verfahren nicht hinnehmbaren Einschränkung der Verteidigungsrechte der Angeklagten muû ihr Rechtsmittelverzicht als von Anfang an unwirksam gewertet werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goûner, StPO 45. Aufl. § 302 Rdn. 25; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 302 Rdn. 57; jeweils m.w.N.).
Anhaltspunkte für einen besonders gelagerten Sachverhalt, wonach die Angeklagte den Rechtsmittelverzicht aufgrund unbedingter, von jeglichem Rat irgendeines Verteidigers unbeeinfluûbarer ± damit auch tatsächlich nicht vom Rat des Scheinverteidigers beeinfluûter ± autonomer Entschlieûung abgegeben hätte, nämlich auf der Grundlage eines allein gebildeten verbindlichen Verzichtswillens, der dem eines jeden Verteidigers vorrangig wäre (vgl. BGHSt 45, 51, 56; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 7, 11; Ruû in KK 4. Aufl. § 302 Rdn. 12), liegen nicht vor. In der Antrags - und Rechtsmittelschrift hat sie schlüssig ± und unwiderlegbar ± abweichend vorgetragen.
Freilich hinderte der Umstand eines Vermögensverfalls, der Anlaû zum Widerruf der Rechtsanwaltszulassung gewesen war, den Scheinverteidiger kurz nach Bestandskraft des Widerrufs ersichtlich nicht stärker an einer seiner Ausbildung entsprechenden Wahrnehmung von Verteidigeraufgaben, als dies bei Wahrnehmung eines Mandats kurz zuvor der Fall gewesen wäre ; auch liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daû der Mangel an berufsrechtlicher Pflichteinbindung irgendeinen Einfluû auf seine konkrete Vertei-
digungstätigkeit erlangt haben könnte. Gleichwohl ist für die Frage, welche Personen als Verteidiger an einem Strafverfahren mitwirken dürfen, Rechtsklarheit unverzichtbar. Mit diesem Anliegen wäre eine Auslegung, welche die Rechtsverbindlichkeit von Verteidigerhandlungen einer zur Verteidigung nicht befugten Person von einem gewissen ± dann aber nicht sicher abgrenzbaren ± Schweregrad des konkreten Mangels abhängig machen wollte, nicht zu vereinbaren. Jede Form der Nichterfüllung der gesetzlichen Anforderungen an die Person des Verteidigers (hier: § 138 Abs. 1 StPO) muû vielmehr identische Unwirksamkeitsfolgen nach sich ziehen.
Angesichts der Bedeutung der Verteidigungsrechte der Angeklagten muû schlieûlich der Umstand unerheblich bleiben, daû das Gericht den Mangel in der Person des mitwirkenden Verteidigers bei Entgegennahme des Rechtsmittelverzichts nicht gekannt hat.
2. Nach Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts ist der Angeklagten die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, welche die Annahme rechtfertigen könnten, daû die Angeklagte ± etwa anders als das Gericht ± hätte wissen müssen, daû ihr an der Hauptverhandlung mitwirkender Scheinverteidiger kein zugelassener Rechtsanwalt war. Im unerkannt falschen Vertrauen auf die Wirksamkeit eines nach anwaltlicher Beratung erklärten Rechtsmittelverzichts hat sie sich an einer fristgerechten Revisionseinlegung gehindert gesehen. In diesem enttäuschten Vertrauen ist die unverschuldete Ursache der Rechtmittelfristversäumung zu finden.
Daû jenes Vertrauen der Angeklagten auf die Wirksamkeit eines nach ordnungsgemäûer anwaltlicher Beratung erklärten Rechtsmittelverzichts Ursache für die verspätete Revisionseinlegung war, ist der Antrags- und Rechtsmittelschrift hinreichend deutlich zu entnehmen. Dieses Vorbringen ist nicht etwa widerlegbar in dem Sinne, daû die Angeklagte ganz unabhän-
gig von scheinbar anwaltlich fachkundigem Rat mit dem Urteil zufrieden gewesen wäre, deshalb gar nicht an eine Revisionseinlegung gedacht hätte und nur später anderen Sinnes geworden wäre. Die konkrete Prozeûgeschichte versetzt die Angeklagte faktisch in eine der Regelung des § 44 Satz 2 StPO entsprechende Beweislage. Die Verfahrenssituation wäre im übrigen nicht anders zu beurteilen, wenn nicht auf Rechtsmittel verzichtet worden wäre und die Angeklagte lediglich hätte vorbringen können, die Nichteinlegung des Rechtsmittels habe auf dem Rat des Scheinverteidigers beruht. Die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO) ergibt sich aus der Antragsschrift: Das in der Unkenntnis der Angeklagten begründete Hindernis ist erst durch ihre eine Woche vor Antragstellung erfolgte Aufklärung seitens der Anwaltskammer beseitigt worden.
Die Angeklagte wird mit der Zubilligung einer die Wiedereinsetzung rechtfertigenden unverschuldeten Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO sachgerecht entsprechend behandelt wie ein Angeklagter, der einen Rechtsmittelverzicht erklärt hat, der unzulässigerweise (BGHSt 43, 195) im Rahmen einer Verständigung vereinbart worden war (vgl. BGHSt 45, 227, 233 f.; Rieû in Festschrift für Lutz Meyer-Goûner, 2001, S. 645, 658 ff., 663).
3. Die Revisionsbegründungsfrist von einem Monat beginnt mit Zustellung dieses Beschlusses, jedoch nicht vor Zustellung des angefochtenen Urteils, im Falle einer Ergänzung der Urteilsgründe nach § 267 Abs. 4 Satz 3 StPO mit Zustellung des ergänzten Urteils (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goûner aaO § 345 Rdn. 5 f. m.w.N.).
Anlaû, das mit der nunmehr als zulässig anzusehenden Revision angefochtene Urteil sogleich aufzuheben, sieht der Senat nicht. Freilich liegen die Voraussetzungen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 5 StPO offensichtlich vor: In der Hauptverhandlung war kein nach § 138 Abs. 1
StPO zugelassener Verteidiger anwesend; der rechtsstaatswidrige Mangel, der in der Durchführung einer Hauptverhandlung ohne Mitwirkung eines notwendigen Verteidigers liegt, hat zwar nicht die Nichtigkeit des hiernach ergangenen Urteils zur Folge, begründet aber die Möglichkeit, das Urteil ohne jede weitere Sachprüfung über den absoluten Revisionsgrund zur Aufhebung zu bringen. Auch könnte möglicherweise bereits dem Wiedereinsetzungs - und Revisionseinlegungsschriftsatz die im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausreichend begründete Rüge des § 338 Nr. 5 StPO entnommen werden. Die Angeklagte soll indes, wie von ihr ausdrücklich erstrebt, zunächst noch Gelegenheit erhalten, während der Revisionsbegründungsfrist ± nunmehr nach ordnungsgemäûer Beratung durch einen Verteidiger ± über die Frage der Urteilsanfechtung, gegebenenfalls auch über deren Umfang , abschlieûend zu befinden.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 607/99
vom
8. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. März 2000 gemäß § 349
Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29. April 1999 wird als unzulässig verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren drei Monaten und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt; daneben wurde die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Angeklagte hat unmittelbar nach der Verkündung des Urteils am 29. April 1999 nach Belehrung durch den Vorsitzenden und nach Rücksprache mit seinem Verteidiger erklärt, er nehme das Urteil an und verzichte auf Rechtsmittel. Am 4. Mai 1999 legte er jedoch zu Protokoll der Geschäftsstelle Revision ein und ließ sie durch seinen Verteidiger begründen. Zu dem erklärten Rechtsmittelverzicht macht er geltend, der Verzicht sei Gegenstand einer Absprache gewesen. Das Landgericht habe Zweifel gehabt, ob sich eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt begründen lasse, da der dazu
gehörte Sachverständige Zweifel an der Erfolgsaussicht der Maßnahme geäußert habe. Der Vorsitzende habe die Verhängung der Maßnahme, die als im Interesse des Angeklagten liegend dargestellt wurde, davon abhängig gemacht , daß er einen Rechtsmittelverzicht zusage. Die Absprache sei unwirksam , weil sie außerhalb der Hauptverhandlung und ohne Mitwirkung der - weiteren - Berufsrichter und der Schöffen erfolgt sei; ferner sei die Absprache und ihr Ergebnis nicht in öffentlicher Hauptverhandlung erörtert worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Revision war als unzulässig zu verwerfen, weil der Rechtsmittelverzicht wirksam ist. 2. Entgegen dem Vorbringen der Revision wurden sämtliche Berufsrichter und wohl auch die Schöffen an der Absprache beteiligt; denn in einer dienstlichen Erklärung der Berufsrichter wird hervorgehoben, der Verteidiger habe "die Kammer" aufgesucht. Die getroffene Absprache leidet hier indessen insoweit an einem Mangel, als das Ergebnis des geführten Gesprächs nicht in der Hauptverhandlung erörtert wurde. Zur Frage, wie sich verfahrensrechtliche Mängel einer Absprache auf einen damit zusammenhängenden Rechtsmittelverzicht auswirken, hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 30. Juli 1997(NStZ 1997, 2691; ebenso BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 12) entschieden, die Unzulässigkeit einer Absprache berühre nicht die Wirksamkeit eines absprachegemäß erklärten Rechtsmittelverzichts. Eine andere Beurteilung käme nur in Betracht, wenn diejenigen Gründe, die allgemein oder im Einzelfall der Zulässigkeit einer solchen Absprache entgegenstehen, zugleich auch zur rechtlichen Mißbilligung des abgesprochenen Rechtsmittelverzichts führen würden. In späteren Entscheidungen zu ähnlich gelagerten Fällen haben der 5. und der 4. Strafsenat diese Grundsätze nicht in Frage gestellt, sind jedoch im
jeweils konkreten Fall zu einer Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts gekommen. Der 5. Strafsenat (NJW 1999, 2449, 2452) hat einen Rechtsmittelverzicht für unwirksam erklärt, weil die Führung der Verständigungsgespräche unter Verletzung der von der Rechtsprechung aufgestellten Verfahrensgrundsätze einen Dissens zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft über die Reichweite des Angebots der Staatsanwaltschaft zur Folge hatte, der vom Angeklagten schwer durchschaubar war und bei ihm unrealistische Erwartungen erweckte. Im Falle des 4. Strafsenats (NStZ 2000, 98 - zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen) war gleichfalls aufgrund nicht ordnungsgemäßer Verfahrensführung ein Dissens, hier zwischen Verteidigung und Angeklagtem auf der einen Seite, Gericht und Staatsanwaltschaft auf der anderen Seite, entstanden. Dadurch war das berechtigte und offengelegte Verteidigungsinteresse des Angeklagten benachteiligt, weil für den Verteidiger und den Angeklagten das Risiko , die prozessuale Lage falsch einzuschätzen, erhöht wurde. 3. Der 1. Strafsenat schließt sich den vom 2. Strafsenat festgelegten und vom 4. und 5. Strafsenat nicht infrage gestellten Grundsätzen zum Verhältnis von Absprache und Rechtsmittelverzicht an. Die Verletzung der für die Führung der Verhandlungsgespräche aufgestellten Vorgaben kann nur dann zur Unwirksamkeit eines abgesprochenen und tatsächlich erklärten Rechtsmittelverzichts führen, wenn der Verfahrensmangel zu einer unzulässigen Willensbeeinflussung bei Abgabe der Verzichtserklärung geführt hat. Der Angeklagte kann nämlich ungeachtet solcher Mängel seine Interessen unbeeinflußt und sachgerecht wahrgenommen haben. Es ist daher kein Grund erkennbar, warum sämtliche Verfahrensmängel im Zusammenhang mit einer Absprache zur Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts führen müßten. Entscheidend kann nur sein, ob eine unzulässige Beeinflussung der freien Willensbildung vorliegt. Ist das nicht der Fall, muß dem Angeklagten die Möglichkeit offenstehen, auch vor
Ablauf der Revisionseinlegungsfrist einen wirksamen Rechtsmittelverzicht zu erklären, etwa weil er mit dem gefundenen Ergebnis zufrieden ist oder weil er jedenfalls das Verfahren beendet sehen will. 4. Ob die angeführten Entscheidungen des 4. und 5. Strafsenats mit der Grundsatzentscheidung des 2. Strafsenats in allen Punkten übereinstimmen, ist angezweifelt worden (Weigend StV 2000, 63; Rieß NStZ 2000, 96), kann aber hier dahinstehen, denn im zu entscheidenden Fall liegt weder ein einen möglichen Irrtum des Angeklagten auslösender Dissens noch eine Verletzung seiner Verteidigungsinteressen vor. Auch wenn das Verständigungsgespräch nicht in jeder Hinsicht den vorgegebenen Regeln entsprach, war doch den Beteiligten klar, um was es ging. Das Landgericht hat auch so entschieden wie besprochen; ein Dissens scheidet daher aus und wird auch vom Angeklagten nicht behauptet. Im Ergebnis das gleiche gilt für eine mögliche Beeinträchtigung des Verteidigungsinteresses im Sinne der Entscheidung des 4. Strafsenats. Zwar wäre eine Absprache, in der das Gericht eine Rechtsfolge zusagt, die gesetzlich nicht vorgesehen ist oder deren Voraussetzungen nicht gegeben sind, unzulässig; daraus könnte sich auch unter Umständen eine unzulässige Willensbeeinflussung des Angeklagten bei seiner Entscheidung über den Rechtsmittelverzicht ergeben. Das wird aber vom Angeklagten nicht geltend gemacht und war auch nicht so. Das Landgericht hat dem Angeklagten und seinem Verteidiger offengelegt, daß die Erfolgsaussichten einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach den Ausführungen des Sachverständigen schlechter seien, als es nach seinem schriftlichen Gutachten zu erwarten war. In dieser Situation wurde ein Konsens dahin gefunden, die Unterbringung für den Fall der Zusage eines Rechtsmittelverzichts anzuordnen, wobei die Maßnahme von allen Beteiligten als "Chance"
für den Angeklagten eingestuft wurde. Ob eine solche Absprache den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen entspricht, steht freilich nicht völlig außer Frage; jedenfalls führte sie nicht zu einer unzulässigen Willensbeeinflussung des Angeklagten, denn sie enthielt keine Aspekte der Drohung oder Täuschung, worin die Rechtsprechung allgemein den Grund sieht, aus dem ein Rechtsmittelverzicht unwirksam sein kann (vgl. Ruß in KK 4. Aufl. § 302 Rdn. 13). Schäfer Maul Granderath Wahl Schluckebier

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 482/01
vom
5. Dezember 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Geldwäsche u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Dezember 2001 gemäß
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 6. September 2001 wird als unzulässig verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Diebstahl in zwei Fällen, gewerbsmäßiger Hehlerei in drei Fällen sowie wegen Geldwäsche in drei Fällen, "davon jeweils in Tateinheit" mit Urkundenfälschung und mit gewerbsmäßigem Fördern des unerlaubten Aufenthalts von Ausländern, zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Verkündung des Urteils haben der Angeklagte und seine Verteidigerin auf Rechtsmittel verzichtet. Der Angeklagte hat nach Ablauf der Frist Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er macht geltend, nach Verkündung des Urteils, aber vor Erklärung des Rechtsmittelverzichts habe die Strafkammer den gegen ihn bestehenden Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt; durch seinen Rechtsmittelverzicht sei das Urteil indessen vor Erfüllung der Auflagen des Haftverschonungsbeschlusses in Rechtskraft erwachsen, so
daû eine Auûervollzugsetzung nicht mehr möglich gewesen sei. Er sieht sich in die Irre geführt und meint, er hätte vor Abgabe der Verzichtserklärung auf diese Folge hingewiesen werden müssen. Die Revision ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel verzichtet hat. Ein Rechtsmittelverzicht ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr.; vgl. u.a. BGHSt 5, 338, 341; BGH NStZ 1986, 278; BGH StV 1994, 64; 2000, 542). Ausnahmsweise kann jedoch der Rechtsmittelverzicht eines Angeklagten wegen unzulässiger Willensbeeinflussung unwirksam sein. Das wird zum Beispiel angenommen, wenn der Vorsitzende unzuständiger Weise eine Zusage gegeben hat, die nicht eingehalten worden ist, oder wenn aufgrund einer unzulässiger Weise vor Erlaû des Urteils im Rahmen einer verfahrensbeendenden Absprache getroffenen Vereinbarung ein Rechtsmittelverzicht erklärt wird (vgl. BGH NJW 1995, 2568; NStZ 2000, 96). Aus enttäuschten Erwartungen hingegen kann die Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts nicht hergeleitet werden (BGH StV 2000, 542 m.w.Nachw.). Im vorliegenden Falle steht aufgrund der dienstlichen Äuûerung des Vorsitzenden der Strafkammer fest, daû die Willensentschlieûung des Angeklagten vor seiner Verzichtserklärung nicht in unzulässiger Weise beeinfluût worden ist. Weder ein Rechtsmittelverzicht noch der Erlaû eines Haftverschonungsbeschlusses mit dem verkündeten Inhalt waren danach mit der Verteidigung abgesprochen. Daû der Untersuchungshaftverschonungsbeschluû, dessen Auflagen noch nicht erfüllt waren, mit dem Verzicht auf Rechtsmittel ins Leere ging, war dessen rechtlich zwangsläufige Folge. Wäre die Rechtskraft des Urteils erst nach Verstreichen der Rechtsmittelfrist eingetreten und hätte der Angeklagte zuvor die Auflagen erfüllt, insbesondere die Sicherheitsleistung
erbracht, wäre er - jedenfalls zunächst - auf freien Fuû gesetzt worden. Diese unterschiedlichen Konsequenzen jeweils möglichen prozessualen Verhaltens begründeten gegenüber dem verteidigten Angeklagten jedoch keine Hinweispflicht der Strafkammer. Demnach sind auch keine vom Gericht zu verantwortenden Umstände erkennbar, die sonst die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts in Frage stellen könnten. Der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts steht schlieûlich nicht entgegen , daû eine vollständige Rechtsmittelbelehrung unterblieben war, nachdem der Vorsitzende bei dieser unterbrochen und auch insoweit ein allseitiger Verzicht auf Belehrung erklärt worden war (BGH NStZ 1984, 181; 1999, 364). Nach allem ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein Raum. Der Antrag auf einstweiligen Aufschub der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe (gemäû § 47 Abs. 2 StPO) ist mit dieser Entscheidung gegenstandslos. Wahl Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit
5 StR 1/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 20. März 2002
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. März 2002

beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 27. August 2001 wird nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Die Revision ist unzulässig, weil der Angeklagte auf Rechtsmittel wirksam verzichtet hat.
Der Rechtsmittelverzicht wurde durch den Pflichtverteidiger des Angeklagten zu Protokoll erklärt. Eine hierzu erforderliche ausdrückliche Ermächtigung (§ 302 Abs. 2 StPO) ist in dem zustimmenden Nicken des Angeklagten zu sehen, das sowohl die beiden Berufsrichter als auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft wahrgenommen haben. Angesichts dessen, daß das Urteil aufgrund der vorangegangenen Verständigung inhaltlich dem Angeklagten bereits im wesentlichen bekannt war und ein Rechtsmittelverzicht mit seinem Verteidiger vorbesprochen war, bestehen hier keine Bedenken, das Gesamtverhalten des Angeklagten als eine ausreichende Ermächtigung im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO anzusehen (vgl. auch BGHSt 45, 51, 53; BGH GA 1968, 86).
Der Rechtsmittelverzicht ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob der Rechtsprechung des 4. Strafsenats (BGHSt 45, 227, 230; 43, 195, 204 f.) zu folgen ist, wonach ein Rechtsmittelverzicht dann unwirksam ist, wenn er Bestandteil einer Absprache gewesen ist (vgl. auch BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 18 und 21, BGH wistra 2002, 108). Die hier unzweifelhaft erfolgte Verständigung umfaßte jedenfalls kein Versprechen auf einen Rechtsmittelverzicht. Dies haben die beteiligten Berufsrichter wie auch der Sitzungsstaatsanwalt in ihren dienstlichen Stellungnahmen übereinstimmend betont. Soweit der Verteidiger in seiner Stellungnahme ausführt, mit den Mitgliedern der Strafkammer sei ein Rechtsmittelverzicht verabredet worden, betrifft dies ersichtlich nur das Vorgespräch, das ohne den Staatsanwalt zunächst geführt wurde. Im übrigen widerspricht die insoweit pauschale Erklärung des Verteidigers nicht der Darstellung der anderen Prozeßbeteiligten. Es liegt auf der Hand, daß im Rahmen von Verhandlungen über eine einverständliche Verfahrensbeendigung nicht nur die Rechts- und Beweislage erörtert, sondern auch die Vorstellungen der Prozeßbeteiligten und der Umfang dessen , was sie eventuell hinzunehmen bereit sind, ausgelotet werden. Derjenige Angeklagte, dessen Erwartungen sich durch eine solche Übereinkunft weitgehend haben verwirklichen lassen, wird sich schon zur Ersparnis weiterer Kosten und psychischer Belastungen ohne weiteres auf einen entsprechenden Rechtsmittelverzicht einlassen, oftmals diesen aus den angesprochen Gründen sogar dezidiert wollen. Deshalb ist häufig in solchen Verhandlungen ein Rechtsmittelverzicht inzident bereits angelegt, und die Beteiligten verstehen ein entsprechendes Verhandlungsergebnis auch in diesem Sinne als endgültig. Eine solche eher vage Übereinkunft im Sinne einer Inaussichtstellung eines Rechtsmittelverzichts entspricht nicht der vom 4. Strafsenat angesprochenen Fallgestaltung (BGHSt 43, 195, 204 f.), wonach sich der Ange- klagte durch das Versprechen eines Rechtsmittelverzichts bereits vor Abschluû der Hauptverhandlung und Kenntnis der Entscheidung der Möglichkeit einer revisionsgerichtlichen Überprüfung begibt.
Harms Häger Gerhardt Raum Brause