Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2014 - 1 StR 40/14

published on 25/02/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2014 - 1 StR 40/14
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 4 0 / 1 4
vom
25. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2014 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 1. Juli 2013 wird gemäß § 349 Abs. 1 StPO
als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und zu Gunsten der Nebenklägerin eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
2
Die Revision ist unzulässig. Der Angeklagte hat nach Verkündung des Urteils und nach Rechtsmittelbelehrung erklärt: „Ich akzeptiere das Urteil und verzichte auf Rechtsmittel.“ Seine Verteidiger haben anschließend keine Erklä- rung abgegeben. Damit hat der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel verzichtet (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).
3
1. Der Angeklagte hat eindeutig, vorbehaltlos und ausdrücklich erklärt, dass er auf Rechtsmittel verzichtet und das Urteil annimmt. Diese Prozesser- klärung ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Januar 1986 – 1 StR 589/85, NStZ 1986, 277, 278).
4
2. Gründe, die ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts des Angeklagten führen könnten, liegen nicht vor:
5
a) Eine die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts hindernde Verständigung nach § 257c StPO (vgl. § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO) oder eine ebenso wirkende informelle Verständigung (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13) gab es in dem Verfahren nicht. Ebenso wenig gibt es Anhalts- punkte für eine unzulässige Willensbeeinflussung des Angeklagten vor Abgabe des Rechtsmittelverzichts.
6
b) Die von der Verteidigerin vorgetragenen Umstände führen – selbst wenn sie zutreffen sollten – nicht zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts:
7
aa) Dass es sich bei der Erklärung des Angeklagten um eine wütende Spontanäußerung handelt, stellt die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nicht in Frage; auch der in emotionaler Aufgewühltheit erklärte Rechtsmittelverzicht ist wirksam (vgl. Senat, Beschluss vom 20. April 2004 – 1 StR 14/04, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 261). Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten wird weder vorgebracht, noch wäre hierfür sonst etwas ersichtlich.
8
bb) Soweit die Revision vorträgt, der Angeklagte habe vor seiner Erklärung keine Rücksprache mit seinen Verteidigern gehalten, steht dies der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nicht entgegen.
9
Zwar entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass durch das Gericht dem Angeklagten vor Erklärung eines Rechtsmittelver- zichts Gelegenheit gegeben werden muss, sich mit seinem Verteidiger zu besprechen , oder dass der Verteidiger Gelegenheit erhalten muss, seinen Mandanten zu beraten (BGH, Urteil vom 21. April 1999 – 5 StR 714/98, BGHSt 45, 51, 57 mwN; vgl. auch BVerfG – Kammer, Beschluss vom 25. Januar 2008 – 2BvR 325/06, NStZ-RR 2008, 209). Ein bindender Rechtsmittelverzicht wird deshalb nicht angenommen, solange der Angeklagte oder sein Verteidiger zu erkennen geben, dass sie die Frage des Verzichts noch miteinander oder mit Dritten erörtern wollen (vgl. BVerfG aaO; Senat, Urteil vom 12. Februar 1963 – 1 StR 561/62, BGHSt 18, 257, 260). Solche Umstände sind hier jedoch weder vorgebracht noch sonst ersichtlich. Anstatt Erörterungsbedarf hinsichtlich der Frage des Rechtsmittelverzichts anzumelden (vgl. Senat aaO S. 259), haben die Verteidiger nach der eindeutigen und unmissverständlichen Erklärung des Angeklagten, er nehme das Urteil an und verzichte auf Rechtsmittel, keine Erklärung abgegeben. Es gibt deshalb nach dem Vortrag der Revision keine Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht dem Angeklagten einen Rechtsmittelverzicht ohne vorherige Beratung mit seinem Verteidiger abverlangt oder ihm jedenfalls vor der Verzichtserklärung keine Gelegenheit gegeben hätte, sich mit seinen Verteidigern zu besprechen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13. Januar 2000 – 4 StR 619/99, NStZ 2000, 441, 442 mwN).
10
cc) Soweit die Revision behauptet, dem nicht deutsch sprechenden Angeklagten sei die Tragweite seiner Erklärung nicht bewusst gewesen, sind hierfür außer der Fremdsprachigkeit keine Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich. Die Sprachunkundigkeit eines Angeklagten ist jedoch regelmäßig unerheblich, wenn – wie hier – ein Dolmetscher anwesend ist und dieser die Rechtsmittelbelehrung des Vorsitzenden übersetzt, so dass der Angeklagte weiß, dass er über die Frage einer Anfechtung des Urteils entscheidet (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2000 – 4 StR 619/99, NStZ 2000, 441, 442 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 StR 1/04, NStZ-RR 2004, 214).
11
dd) Dass die Erklärung des Angeklagten nicht vorgelesen und genehmigt wurde, ist für ihre Wirksamkeit ohne Belang; dieser Umstand betrifft lediglich die Frage des Nachweises (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2000 – 4 StR 619/99, NStZ 2000, 441 f. mwN). Die Richtigkeit des Protokollvermerks wird vorliegend nicht nur durch die Verfügung des in der Sitzung anwesenden Vertreters der Staatsanwaltschaft (Band III Bl. 614 d.A.), sondern auch von der Verteidigung bestätigt. Weiterer Nachforschungen insoweit bedurfte es deshalb nicht.
12
3. Verzichtet der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel, ist – anders als die Revision meint – ein später eingelegtes Rechtsmittel seines Verteidigers wirkungslos (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 1985 – 3 StR 289/85, bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1986, 206, 208; Jesse in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 297 Rn. 10 mwN; SSW-StPO/Hoch, § 297 Rn. 5).
13
4. Infolge des wirksamen Verzichts ist das Urteil des Landgerichts Nürnberg -Fürth vom 1. Juli 2013 rechtskräftig. Die dagegen eingelegte Revision des Angeklagten war daher gemäß § 349 Abs. 1 StPO mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO als unzulässig zu verwerfen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.