Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2019 - 1 StR 217/19

bei uns veröffentlicht am18.09.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 217/19
vom
18. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:180919B1STR217.19.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 18. September 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 14. Dezember 2018 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten zunächst durch Urteil vom 29. September 2015 vom Vorwurf dreier Fälle des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung, freigesprochen. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision der Nebenklägerin wegen durchgreifender Rechtsfehler in der Beweiswürdigung aufgehoben (Urteil vom 16. Juni 2016 – 1 StR 50/16). Das Landgericht hat den Angeklagten nun wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zur Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer hat es angeordnet, dass hiervon zwei Monate als vollstreckt gelten. Der Angeklagte beanstandet die Verurteilung mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es im Zeitraum vom 21. September 2007 bis 20. Mai 2008 zu drei sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf die damals 14-jährige Nebenklägerin, bei der es sich – was das Landgericht nicht abschließend klären konnte – entweder um die leibliche Tochter des Angeklagten oder die Tochter seiner Schwester handelte. Die in Kamerun geborene Nebenklägerin wurde im Alter von fast vier Jahren nach Deutschland mitgenommen und lebte in der Familie des Angeklagten und seiner Ehefrau. Sie wurde von der Ehefrau des Angeklagten adoptiert. Nach den Urteilsfeststellungen legte sich der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe zu der Nebenklägerin ins Bett und rieb seinen Penis an ihrem Körper, indem er beischlafähnliche Bewegungen mit seinem Unterleib machte. Im Fall 2 der Urteilsgründe umarmte er die Nebenklägerin und streichelte und knetete ihre Brüste oberhalb des T-Shirts, das sie trug. Im Fall 3 der Urteilsgründe forderte der Angeklagte die in ihrem Bett liegende Nebenklägerin auf, „ihre Beine auseinanderzu ma- chen“. Als sie dieser Aufforderung nicht nachkam, drückte er mit beiden Hän- den ihre Oberschenkel auseinander und griff ihr mit einer Hand in der Unterhose an ihre Vulva. Sodann führte er einen Finger in ihre Scheide ein, wobei sie Schmerzen erlitt. Dort beließ er seinen Finger einige Sekunden lang. Sodann zog er den Finger wieder heraus, legte sich bäuchlings auf die auf dem Rücken liegende Nebenklägerin und führte mit erregtem Glied beischlafähnliche Bewegungen aus.
3
2. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Das Landgericht hält den Angeklagten im Wesentlichen aufgrund der Angaben der Nebenklägerin für überführt (UA S. 17). Im Rahmen seiner Überzeugungsbildung hat sich das Landgericht auf eine von ihm vorgenommene Glaubhaftigkeitsanalyse der An- gaben der Nebenklägerin gestützt und dabei auch berücksichtigt, dass ihre – allerdings nicht uneingeschränkt konstanten (UA S. 55 ff.) – Angaben mit denjenigen der Ehefrau des Angeklagten im Einklang stehen.

II.


4
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; sie leidet an einem durchgreifenden Erörterungsmangel.
5
1. Steht hinsichtlich der Tatvorwürfe „Aussage gegen Aussage“, müssen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr.;vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98 Rn. 14, BGHSt 44, 153, 159). Diesen Anforderungen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht stand, weil es den möglichen Zusammenhang zwischen den von den Schwestern der Nebenklägerin gegen den Angeklagten in den Jahren 2014 bzw. 2015 und den bereits im Jahr 2012 erhobenen verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfen der Nebenklägerin nicht erkannt hat.
6
2. Das Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten war im November 2012 durch eine Strafanzeige der Nebenklägerin in Gang gekommen. Sie gab an, sich erst zur Anzeige entschlossen zu haben, als sie mitbekommen habe, dass sich die Ehefrau des Angeklagten von diesem trennen würde. Sie habe nicht daran schuld sein wollen, dass die Ehe der Eltern wegen ihrer Missbrauchsvorwürfe gegen den Angeklagten auseinandergehe (UA S. 69). Das Landgericht hat es für die Überzeugungsbildung hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfe als bedeutungslos angesehen, ob die gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe, er habe auch seine beiden Kinder L. , geboren im Februar 1997, undM. , geboren im April 2006, sexuell im Kindesalter missbraucht , zutreffen (UA S. 77). Beide Geschwister der Nebenklägerin hatten nach den Feststellungen des Landgerichts in den Jahren 2014 und 2015 den Angeklagten ebenfalls beschuldigt, sie sexuell missbraucht zu haben. M.
hatte mithilfe zweier Puppen sexuelle Übergriffe des Angeklagten dargestellt und erklärt, dass der Angeklagte sie beim Zubettgehen und nach der Dusche an der Brust und im Schambereich berührt habe (UA S. 78).L. hatte gegenüber der Polizei angegeben, sie sei vom Angeklagten 13 Jahre zuvor vergewaltigt worden (UA S. 79). Die wegen dieser Vorwürfe eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden mangels Tatnachweises gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt; im vorliegenden Verfahren haben die beiden Schwestern der Nebenklägerin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
7
3. Das Landgericht hat ausgeschlossen, dass die Tatvorwürfe der Schwestern der Nebenklägerin Anlass geben könnten, an der Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin zu den verfahrensgegenständlichen Taten zu zweifeln (UA S. 77). Denn zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung durch die Nebenklägerin und auch noch bei ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung am 3. März 2014 sei innerhalb der Familie Z. noch kein Verdacht geäußert worden, dass der Angeklagte (auch) M. und L. missbraucht haben könnte (UA S. 81). Die Verengung der Betrachtung auf die Frage eines zeitlichen Zusammenhangs lässt jedoch besorgen, das Landgericht könnte übersehen haben, dass im Falle einer Falschbelastung des Angeklagten durch die Schwestern der Nebenklägerin gleichwohl Rückschlüsse auf eine mögliche Falschbelastung seitens der Nebenklägerin in Betracht kommen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn dieselben Gründe, die zu einer Falschbelastung sei- tens der Schwestern in den Jahren 2014 und 2015 geführt haben können, auch bei der Nebenklägerin im Jahr 2012 vorgelegen haben können. Das Landgericht hätte deshalb erörtern müssen, ob im Falle einer Falschbelastung des Angeklagten durch die beiden Schwestern der Nebenklägerin die falschen Vorwürfe darauf beruhten, dass die Ehefrau des Angeklagten sie hierzu veranlasst hatte. Denn eine solche Veranlassung zu einer Falschaussage könnte ein Indiz dafür sein, dass die Ehefrau des Angeklagten auch bereits im Jahr 2012 die Nebenklägerin zu einer Falschaussage verleitet haben könnte. Mit dieser Möglichkeit hätte sich das Landgericht schon deshalb auseinandersetzen müssen, weil es nach den Feststellungen des Landgerichts der Ehefrau des Angeklagten als gläubiger Christin ein Anliegen war, sich auch nach Kirchenrecht von dem Angeklagten zu lösen, und sie deshalb im Jahr 2018 in der Klagebegründung gegenüber dem Interdiözesanen Offizialat E. den Vorwurf der arglistigen Täuschung durch den Angeklagten auf seine ihr verheimlichte pädophile Veranlagung stützte (UA S. 74). Weder der zeitliche Abstand zwischen der Strafanzeige der Nebenklägerin und der Klage der Ehefrau des Angeklagten auf Feststellung der Ehenichtigkeit (UA S. 74) noch der Umstand, dass sich die Ehefrau des Angeklagten von ihm erst im Sommer 2014 endgültig trennte (UA S. 75), machten die Erörterung dieser Möglichkeit entbehrlich.
8
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Erörterungsmangel beruht.
Raum Jäger Hohoff Leplow Pernice

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juni 2016 - 1 StR 50/16

bei uns veröffentlicht am 16.06.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 50/16 vom 16. Juni 2016 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:160616U1STR50.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 14. Juni

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 50/16
vom
16. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:160616U1STR50.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 14. Juni 2016 in der Sitzung am 16. Juni 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 14. Juni 2016 – als Verteidiger, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 14. Juni 2016 – als Vertreter der Nebenklägerin, Justizobersekretärin – in der Verhandlung vom 14. Juni 2016 –, Justizangestellte – bei der Verkündung am 16. Juni 2016 – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 29. September 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB) in drei tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB), aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Nebenklägerin mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Die zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, als Adoptivvater die am 22. August 1993 in Kamerun geborene Nebenklägerin C. in drei Fällen sexuell missbraucht und sich dadurch jeweils des sexuel- len Missbrauchs einer Schutzbefohlenen, in einem Fall zudem in Tateinheit mit Vergewaltigung, strafbar gemacht zu haben.
3
a) Im Dezember 2007 sei der Angeklagte mit der damals vierzehnjährigen Nebenklägerin zu deren Großeltern ins Heilbad H. gefahren. Die Mutter und die Geschwister der Nebenklägerin sollten nachkommen. Am Abend des Ankunftstages habe sich der Angeklagte ins Bett der Nebenklägerin gelegt und ihr gesagt, er wolle ihr etwas über ihre leibliche Mutter erzählen. Er habe sie dann zunächst über dem T-Shirt an Rücken und Po gestreichelt, bevor er unter ihr T-Shirt gegriffen und sie über Rücken, Po und Brust gestreichelt habe. Der Angeklagte habe die Nebenklägerin auch aufgefordert, ihn zu streicheln; sie sei aber schockiert gewesen und wie gelähmt liegen geblieben. Er habe dann ihre Schlafhose ausgezogen, sie an der Scheide gestreichelt und ihre Brüste geküsst. Auch habe er die Hand der Nebenklägerin über der Hose auf seinen erigierten Penis geführt. Schließlich habe der dann auf dem Rücken liegende Angeklagte die Nebenklägerin auf sich hinaufgezogen, um dann mit Bewegungen von unten an ihrem Geschlechtsteil zu reiben.
4
b) Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Februar 2008 habe der Angeklagte spät abends die Nebenklägerin in ihrem Zimmer im Dachgeschoss des Familienhauses in F. aufgesucht. Er habe die Nebenklägerin umarmt und sie dabei den Rücken herunter bis zum Po gestreichelt; sodann habe er seine Hand auf ihre Brust gelegt.
5
c) Zu einem ebenfalls nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkt „um den“ 20. Mai 2008 sei der Angeklagte wiederum abends in das Zimmer der Nebenklägerin gekommen und habe sich zu ihr ins Bett gelegt. Er habe sie dann am ganzen Körper, auch zwischen den Beinen und an der Brust, gestreichelt. Die Nebenklägerin habe dieses Mal den Entschluss gefasst, sich zu wehren, ihren Körper anzuspannen und die Oberschenkel zusammenzudrücken. Als die Nebenklägerin der Aufforderung des Angeklagten, ihre Beine „auseinanderzuma- chen“, nicht nachgekommen sei, habe er ihre Beine mit der Hand auseinander- gedrückt. Er habe dann in den Slip der Nebenklägerin gegriffen und ihr an das Geschlechtsteil gefasst. Der Angeklagte sei dabei mit einem Finger für einen Zeitraum von zehn bis 30 Sekunden in das Genital der Nebenklägerin eingedrungen. Hierbei habe die Nebenklägerin nicht unerhebliche Schmerzen sowie Angst verspürt. Sodann habe sich der Angeklagte, der seine Unterhose anbehalten habe, auf die Nebenklägerin gelegt und habe mit seinem Becken Aufund Abbewegungen zwischen den Beinen der Nebenklägerin vorgenommen, wodurch diese seine Erektion verspürt habe. Während er auf ihr gelegen habe, habe der Angeklagte versucht, sie zu küssen, was die Nebenklägerin durch Drehen des Kopfes auf die Seite verhindert habe.
6
2. Das Landgericht konnte sich nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass es zu den angeklagten sexuellen Handlungen gekommen ist. Es hat den Angeklagten deshalb aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

II.


7
Die gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 401 Abs. 1 Satz 1 StPO zulässige Revision der Nebenklägerin hat Erfolg; der Freispruch hält einer sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
1. Die angefochtene Entscheidung unterliegt schon deshalb der Aufhebung , weil sie den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil nicht genügt.
9
a) Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 25; vom 3. März 2010 – 2 StR 427/09, NStZ-RR 2010, 182; vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513 und vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13 mwN). Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlichen bedenkenfreien Erwägungen beruht (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13; vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NStZ 2013, 334; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 25; vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 236/11; vom 17. Mai 1990 – 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4 und vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2).
10
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Denn es wird schon nicht zusammenhängend mitgeteilt, welche Feststellungen getroffen werden konnten. Das Landgericht teilt lediglich mit, dass es sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit von den angeklagten Sexualstraftaten überzeugen konnte. Feststellungen dazu, welchen Sachverhalt das Landgericht für erwiesen hält, enthalten die Urteilsgründe – abgesehen von den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und vom Lebenslauf der Nebenklägerin – nicht.
11
c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Denn die Urteilsgründe ermöglichen dem Senat nicht die Nachprüfung, auf welcher tatsächlichen Grundlage das Landgericht den Grundsatz „in dubio pro reo“ angewendet hat. Insbesondere bleibt offen, ob das Landgericht die von der Nebenklägerin erho- benen und detailreich geschilderten Tatvorwürfe insgesamt für erfunden hält oder ob es sich von einem abweichenden Geschehensablauf überzeugt hat, den es lediglich nicht für strafbar hält. Feststellungen hierzu waren schon deshalb nicht entbehrlich, weil der Angeklagte in seiner in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassung selbst eingeräumt hatte, sich einmal zu der Nebenklägerin ins Bett gelegt zu haben, wenn auch ohne sexuelle Handlungen und lediglich zu dem Zweck, ihr Familienfotos zu zeigen (UA S. 15).
12
Der Umstand, dass der Angeklagte „sich zu einem 14-jährigen Mädchen ins Bett“ gelegt habe, war ausgehend von den Urteilsgründen nach den über- einstimmenden Angaben der Zeuginnen M. , der Adoptivmutter der Nebenklägerin, und der Psychotherapeutin D. auch Gegenstand eines zwischen beiden geführten Gesprächs im Mai 2008 (UA S. 22 f., 28, 29) und führte in Anwesenheit der Zeugin M. zu einer Entschuldigung des Angeklagten bei der Nebenklägerin (UA S. 43). Ob das Landgericht diesen Sachverhalt, der für die weitere Beweiswürdigung von erheblicher Bedeutung ist, für erwiesen hält, lassen die Urteilsgründe offen. Für die Anwendung des Zweifelssatzes bestand daher keine ausreichende Grundlage. Er greift erst nach abgeschlossener Beweiswürdigung ein (vgl. BGH, Urteil vom 2. September 2009 – 2 StR 229/09, NStZ 2010, 102, 103; Meyer-Goßner in MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 261 Rn. 26 mwN).
13
2. Auch im Übrigen hält die Beweiswürdigung revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand.
14
a) Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Er- kenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178). Denn es obliegt dem Tatrichter, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15, wistra 2016, 78; vom 1. Juli 2008 – 1 StR 654/07 und vom 23. Juli 2007 – 2 StR 150/08, wistra 2008, 398; jeweils mwN). Solche Rechtsfehler liegen hier indes vor.
15
b) Im Ansatz zutreffend stützt das Landgericht seine Überzeugungsbildung auf eine Gesamtwürdigung der vorliegenden Beweisumstände (UA S. 5, 14). Es berücksichtigt dabei insbesondere, dass es sich bei der Nebenklägerin um die einzige unmittelbare Tatzeugin handelt, deren Angaben es deshalb im Hinblick auf das Bestreiten des Angeklagten einer eingehenden Aussageanalyse unterzieht. Die Umstände, dass die Nebenklägerin die verfahrensgegenständlichen Taten erst im Alter von 19 Jahren während eines streitigen Trennungs - und Ehescheidungsverfahrens des Angeklagten und seiner Ehefrau M. zur Anzeige brachte und dass auch seine Töchter L. und Ma. Ende 2014 bzw. im Mai 2015 detaillierte Tatvorwürfe (UA S. 64) sexueller Übergriffe gegen ihn erhoben, nimmt das Landgericht ebenfalls in den Blick (UA S. 5, 55 ff.).
16
c) Die Beweiswürdigung ist jedoch lückenhaft.
17
Die Urteilsgründe lassen die gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten vermissen. Das Landgericht beschränkt sich insoweit auf die bloße Wiedergabe seiner Einlassung (UA S. 15 – 17), ohne erkennen zu lassen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es dieser Einlassung folgt. Einer näheren Auseinandersetzung mit der Einlassung des die Tatvorwürfe bestreitenden Angeklagten hätte es jedoch bedurft. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen außer nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR327/14 Rn. 37, NStZ-RR 2015, 83 mwN). Dies gilt umso mehr, wenn, wie hier, erhebliche Indizien – darunter signifikante Realkennzeichen in der Aussage der Nebenklägerin (UA S. 19, 62 ff.) – für die Richtigkeit der Tatvorwürfe sprechen und zudem der Angeklagte selbst eingeräumt hat, sich einmal zur Nebenklägerin ins Bett gelegt zu haben (UA S. 15).
18
d) Die Beweiswürdigung enthält daneben weitere Rechtsfehler, die besorgen lassen, dass das Landgericht an die Bildung seiner Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten überspannte Anforderungen gestellt hat.
19
aa) Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die von seinen leiblichen Töchtern L. und Ma. gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe, sie sexuell missbraucht zu haben. Das Landgericht erkennt zwar an, dass diese Vorwürfe ein weiteres Indiz für die Erlebnisbasiertheit der Tatschilderungen der Nebenklägerin sind. Es misst diesem Indiz jedoch nur einen geminderten Beweiswert bei, weil seine beiden Töchter vor ihren Angaben gegenüber ihrer Mutter bzw. der Zeugin He. als Verfahrensbeteiligte im Sorgerechtsstreit ihrer Eltern nicht – wie es aber bei einer Einvernahme durch die Polizei oder einen Richter der Fall gewesen wäre – eindringlich über die unbedingte Wahrheitspflicht belehrt worden seien (UA S. 64). Der Schluss des Landgerichts, dass die Angaben der Töchter aus diesem Grund einen geminderten Beweiswert haben, ist indes nicht nachvollziehbar und deshalb rechtsfehlerhaft.
20
bb) Nicht tragfähig begründet ist auch die Wertung des Landgerichts, die Angabe der Tochter des Angeklagten L. , die Bilder von möglichen sexuellen Übergriffen durch den Angeklagten seien ihr erst im Herbst 2014 ganz plötzlich gekommen, sei wenig plausibel und schwer nachvollziehbar (UA S. 65). Das Landgericht hält es in diesem Zusammenhang für „auffällig“, dass L. in der Mitte des Jahres 2013 von der Mutter und den Geschwistern zum Angeklagten nach F. gezogen sei und bei diesem bis zum Oktober 2014 ganz allein gewohnt habe (UA S. 65).
21
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn es ist nicht mit Tatsachen belegt, dass zwischen L. und dem Angeklagten in F. überhaupt enger Kontakt bestanden hat. Vielmehr kam es nach den Feststellungen des Landgerichts ab März 2013 zwischen den Eheleuten wieder zu einer Annäherung, sodass der Angeklagte zum 5. März 2013 in der Wohnung seiner Ehefrau in H. eine Nebenwohnung begründete unter gleichzeitiger Beibehaltung seines Hauptwohnsitzes in F. (UA S. 9, 10). Der Angeklagte gab ausweislich der Darstellung in den Urteilsgründen dazu an, dass er in den eineinhalb Jahren zwischen März 2013 und Ende 2014 mit seiner Ehefrau wieder zusammengelebt habe (UA S. 15). Wo sich der Angeklagte in diesem Zeitraum tatsächlich aufgehalten hat, bleibt offen. Der Umzug in die Wohnung des Angeklagten in F. zur Wahrnehmung einer Ausbildungsstelle in einem Hotel am Münchner Flughafen rechtfertigt für sich allein jeden- falls keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin L.
Raum Graf Jäger Mosbacher Bär

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.