Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Aug. 2008 - 1 StR 162/08

bei uns veröffentlicht am13.08.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 162/08
vom
13. August 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. August 2008 beschlossen
:
Der Antrag des Verurteilten, das Verfahren wegen Verletzung seines
Anspruchs auf rechtliches Gehör in die Lage vor Erlass der
Senatsentscheidung vom 17. Juni 2008 zurückzuversetzen, wird
als unzulässig, sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Wochenfrist des § 356a Satz 2
StPO wird als unbegründet, jeweils auf seine Kosten, zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Zum Verfahrensgang:
2
Mit Beschluss vom 17. Juni 2008 verwarf der Senat die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 23. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Diese Entscheidung ging den Verteidigern des Angeklagten, den Rechtsanwälten Dr. B. - Fachanwalt für Strafrecht - und Mag. W. , am 23. Juni 2008 zu. Wann der Verurteilte vom Verwerfungsbeschluss des Senats Kenntnis erlangt hat, wird nicht mitgeteilt. Dies war jedenfalls vor dem 23. Juli 2008. Denn an diesem Tag legten die Verteidiger namens des Verurteilten beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landgerichts München II und den Senatsbeschluss vom 17. Juni 2008 ein. Beanstandet wurde „die Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20 Abs. 3, 103 Abs. 1 GG“. Mit Schreiben an Rechtsanwalt W. vom 31. August 2008, das den Verteidigern am 4. August 2008 zuging, teilte der Präsidialrat des Bundesverfassungsgerichts folgendes mit: „Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, im Hinblick auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde wird Ihnen bezüglich der Frage einer vorherigen Erhebung einer Anhörungsrüge (§ 356a StPO) beim letztinstanzlichen Fachgericht Gelegenheit zur Stellungsnahme gegeben. Auf den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 - (NJW 2005, S. 3059 - veröffentlicht auch unter www.bundesverfassungsgericht.de) wird hingewiesen. Daher ist von einer förmlichen Behandlung der Verfassungsbeschwerde abgesehen worden. Es wird gebeten, die Rechtslage zu überprüfen und gegebenenfalls mitzuteilen, ob die Verfassungsbeschwerde gleichwohl aufrechterhalten wird. Sollte Ihrerseits binnen zwei Monaten keine anderslautende Mitteilung erfolgen, wird hier davon ausgegangen, dass dieses Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht fortgesetzt werden soll. Mit freundlichen Grüßen“
3
Mit Schriftsatz vom 11. August 2008, der am selben Tag beim Bundesgerichtshof einging, beantragten die Verteidiger hinsichtlich des Beschlusses des Senats vom 17. Juni 2008, das Verfahren gemäß § 356a StPO durch Beschluss in die Lage vor der Revisionsentscheidung zurückzuversetzen, da das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt habe.

4
Zur Frage der Einhaltung der Wochenfrist des § 356a S. 2 StPO wird auf das oben zitierte Schreiben des Präsidialrats des Bundesverfassungsgerichts verwiesen und dazu dann ausgeführt: „Der Präsidialrat des Bundesverfassungsgerichts hält die Frage der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das letztinstanzliche Fachgericht im Rahmen des Anhörungsverfahrens gemäß § 356a StPO überprüfenswert. Es ist die Verletzung rechtlichen Gehörs möglich. Mit Eingang des Schreibens des Bundesverfassungsgerichts - Präsidialrat - am 04. August 2008 hat der Unterfertigende hiervon Kenntnis erlangt. Zur Glaubhaftmachung wird auf den Eingangsstempel verwiesen, nämlich 04. Aug. 2008. Der Antrag ist somit fristgerecht binnen Wochenfrist gestellt (§ 356a Satz 2 StPO).“
5
Hilfsweise beantragten die Verteidiger in ihrem Schriftsatz vom 11. August 2008 „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 44, 45 StPO, d.h. in die Antragsfrist des § 356a Satz 2 StPO“. Zur Begründung wird vorgetragen: „Sollte das Gericht den Beginn der Wochenfrist nach § 356a Satz 2 StPO entgegen der Rechtsmeinung der anwaltschaftlichen Vertreter des Beschwerdeführers zu einem früheren Zeitpunkt als der Mitteilung des Schreibens des Präsidialrates des Bundesverfassungsgerichts ansetzen, wird vorsorglich anwaltschaftlich versichert, daß weder Rechtsanwalt Dr. B. noch Rechtsanwalt Mag. rer. publ. W. über ein derartiges Wissen resp. Verständnis verfügten , was dem Beschwerdeführer nicht als Verschulden angerechnet werden kann.“

II.


6
Der Antrag auf Zurückversetzung des Verfahrens in die Lage vor der Senatsentscheidung vom 17. Juni 2008 gemäß § 356a Satz 1 StPO ist unzulässig, da verspätet.
7
Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntniserlangung von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu stellen. Dabei geht es nur um die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich der Verstoß ergibt (BGH, Beschl. vom 9. März 2005 - 2 StR 444/04; 7. März 2006 - 5 StR 362/05 - Rdn. 3; 16. Mai 2006 - 4 StR 110/05 - Rdn. 3). Dies ist hier der Senatsbeschluss vom 17. Juni 2008, der den Verteidigern am 23. Juni 2008 zuging und von dem auch der Verurteilte jedenfalls vor dem 23. Juli 2008 Kenntnis erlangte.
8
Auf das Wissen um die Bedeutung der Einlegung der Gehörsrüge gemäß § 356a StPO als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf das Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) kommt es nicht an. Das Schreiben des Präsidialrats des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 2008 ist deshalb insoweit ohne Belang.
9
Da die Gehörsrüge nicht innerhalb der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO erhoben wurde, sondern erst am 11. August 2008, ist sie unzulässig.

III.


10
Der - hilfsweise gestellte - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist des § 356a Satz 2 StPO ist unbegründet.
11
Bei der Gehörsrüge handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens. Im Interesse der Rechtssicherheit muss eine die Rechtskraft durchbrechende Entscheidung gemäß § 356a Satz 1 StPO möglichst bald erfolgen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist des § 356a Satz 2 StPO ist zwar im Grundsatz nicht ausgeschlossen. An die Voraussetzungen fehlenden Verschuldens (§ 44 Satz 1 StPO) an der verspäteten Einlegung des Rechtsbehelfs sind aber hohe Anforderungen zu stellen (zu den strengen Anforderungen bei einer Verfassungsbeschwerde vgl. BVerfG, Beschl. vom 30. Mai 2007 - 1 BvR 756/07).
12
Im vorliegenden Fall ist die Versäumung der Frist des § 356a StPO Satz 2 nicht unverschuldet.
13
Die Verteidiger tragen nicht vor, dass ihnen oder dem Verurteilten der Rechtsbehelf des mit dem Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3220 ff.) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in die StPO eingefügten § 356a StPO unbekannt gewesen wäre (anders als in dem dem Beschluss des BGH vom 10. August 2005 - 2 StR 544/04 - zugrunde liegenden Fall). Bei erfahrenen Strafverteidigern ist dies nunmehr (dreieinhalb Jahre nach Inkrafttreten der Vorschrift) auch kaum noch vorstellbar, wie auch nicht, dass sie die Möglichkeit , diesen Rechtsbehelf einzulegen, nicht mit ihrem Mandanten bespro- chen haben. Dies wird auch nicht behauptet. Die Verteidiger versichern lediglich im Hinblick auf den Hinweis im Schreiben des Präsidialrats des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 2008 zur Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, sie verfügten nicht über ein „derartiges Wissen resp. Verständnis“.
14
Der Verurteilte und seine Verteidiger haben also bewusst auf die - rechtzeitige - Einlegung der Gehörsrüge verzichtet. Dass dies in Unkenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen (Erschöpfung des Rechtswegs) für eine auf die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gestützte Verfassungsbeschwerde (BVerfG, Beschl. vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05; entsprechend früher schon zu § 33a StPO vgl. Sperlich in Umbach/Clemens/Dollinger BVerfGG 2. Aufl. § 90 Rdn. 115 m.w.N.) geschah, stellt keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO dar (zur entsprechenden Situation bei einer Rechtsprechungsänderung vgl. BGH, Beschl. vom 19. April 2005 - 5 StR 586/04; Graalmann-Scheerer in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 44 Rdn. 53 m.w.N.).
15
Ergänzend bemerkt der Senat:
16
Zwar sind im Strafverfahren schwerwiegende Verteidigerfehler, wie etwa die Unkenntnis von der Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels, die zur Fristversäumung führen, dem Beschuldigten in aller Regel nicht zuzurechnen, denn er ist meist nicht in der Lage, die Rechtskenntnisse des Verteidigers einzuschätzen (vgl. BGH, Beschl. vom 13. Januar 1997 - 4 StR 612/96 - [= BGHSt 42, 365]; vom 26. Juli 1994 - 1 StR 338/94; vom 31. Oktober 1995 - 3 StR 456/95 - [= BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 9]). Dies gilt jedoch nach Auffassung des Senats bei der Frage, ob die Versäumung der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO unverschuldet war, entsprechend § 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG nicht.
17
§ 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG bestimmt hinsichtlich der Versäumung der Monatsfrist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zur Einlegung und Begründung einer Verfassungsbeschwerde: „Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich“. „Das bedeutet, worauf in BTDrucks. 12/3628 S. 13 ausdrücklich hingewiesen wird, dass eine Verschuldenszurechnung im Verfassungsbeschwerdeverfahren auch für Beschwerdeführer erfolgt, die sich gegen einen strafrechtlichen Schuldvorwurf im Ausgangsverfahren wenden, in welchem nach der Rechtsprechung der Strafgerichte das Verteidigerverschulden nicht zugerechnet wird“ (Schmidt-Bleibtreu in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 93 Rdn. 41a).
18
Bei der Gehörsrüge handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens. Sie ist zwar noch Teil des fachgerichtlichen Verfahrens, da sie zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts den Revisionsgerichten trotz Rechtskraft Gelegenheit geben soll, bei zutreffend vorgetragenen Verstößen gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs selbst Abhilfe zu schaffen (vgl. BVerfG, Beschl. vom 8. Februar 2007 - 2 BvR 2578/06). Weitergehende Überprüfungsmöglichkeiten eröffnet die Gehörsrüge nicht. Befangenheitsanträge sind unstatthaft (vgl. BGH, Beschl. vom 22. November 2006 - 1 StR 180/06 - [= BGHR StPO § 25 Abs. 2 Nach dem letzten Wort 1]; vom 7. August 2007 - 4 StR 142/07). Die ablehnende Entscheidung des Fachgerichts über eine Gehörsrüge kann mangels eigenständiger Beschwer nicht mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden (BVerfG aaO; sowie Beschl. vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07). Die Gehörsrüge stellt sich letztlich als Vorstufe der Verfassungsbeschwerde gegen die Revi- sionsentscheidung auf fachgerichtlicher Ebene dar. Hinsichtlich der Zurechnung eines Verschuldens des Verteidigers kann dann aber nichts anderes gelten als bei der Verfassungsbeschwerde selbst.

IV.


19
Im Übrigen wäre die Gehörsrüge auch unbegründet.
20
Der Senat hat weder Tatsachen noch sonstige Umstände verwertet, zu denen der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen. Der Senat hat das Revisionsvorbringen des Angeklagten in vollem Umfang gewürdigt, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Der Beschwerdeführer wurde gehört, aber nicht erhört. Dass dies in dem Beschluss, mit dem er die Revision des Angeklagten verworfen hat, nicht näher begründet wurde, liegt in der Natur des Verfahrens nach § 349 Abs. 2 und 3 StPO und gibt daher keinen Hinweis auf die Nichtbeachtung des Sachvortrags des Revisionsführers (BVerfG, Beschl. vom 17. Juli 2007 - 2 BvR 496/07). Eine Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare Entscheidungen besteht nicht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 17. Juli 2007 - 2 BvR 496/07 - m.w.N.), auch nicht deswegen, weil der Beschwerdeführer auf den Antrag des Generalbundesanwalts erwidert hatte (BGH, Beschl. vom 22. August 2007 - 1 StR 233/07). Nack Kolz Hebenstreit Elf Sander

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Hat das Gericht in einem Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt und steht ihm gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, versetzt es, sofern der Beteiligte dadurch noch beschwert ist, von Amts wegen oder auf Antrag insoweit das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. § 47 gilt entsprechend.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

5 StR 586/04

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. April 2005
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Bankrotts u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. April 2005

beschlossen:
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 27. Januar 2003 und die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil werden als unzulässig verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten der Rechtsbehelfe zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in zwei Fällen und vorsätzlichen Bankrotts unter Einbeziehung früherer Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist und seine Revision bleiben ohne Erfolg.

I.


Der Angeklagte und sein Verteidiger haben im Anschluß an die Verkündung des Urteils am 27. Januar 2003 jeder für sich erklärt, daß auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet werde. Der Angeklagte hat gegen das Urteil mit einem am 16. September 2004 beim Landgericht eingegangenen Schreiben Revision eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Revisionseinlegung beantragt. Den Wiedereinsetzungsantrag begründet er damit, daß „die Forderung,
diesen Rechtsmittelverzicht zu erklären, ein Bestandteil der Absprache war“. Zur Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO macht der Angeklagte geltend , daß ihm der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2003 – 3 StR 368/02, 3 StR 415/02 (NJW 2003, 3426) – erst am 13. September 2004 zur Kenntnis gelangt sei. Mit diesem in anderer Sache als Anfrage nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG ergangenen Beschluß hat der 3. Strafsenat seine Absicht erklärt, zu entscheiden: „Die Erklärung des Angeklagten, auf Rechtsmittel zu verzichten, ist unwirksam, wenn ihr eine Urteilsabsprache vorausgegangen ist, in der unzulässigerweise (BGHSt 43, 195, 204) ein Rechtsmittelverzicht versprochen worden ist.“

II.


Der Wiedereinsetzungsantrag versagt.
1. Er ist bereits unzulässig. Der Angeklagte hat seine Behauptung, daß „die Forderung, diesen Rechtsmittelverzicht zu erklären, ein Bestandteil der Absprache war,“ weder in seinem Antrag vom 16. September 2004 noch in seinem am 19. November 2004 beim Landgericht Chemnitz eingegangenen Schreiben nebst Anlage glaubhaft gemacht. Die Richtigkeit der Behauptung ergibt sich auch nicht aus dem Hauptverhandlungsprotokoll oder dem angefochtenen Urteil.
2. Im übrigen wäre der Wiedereinsetzungsantrag unbegr ündet.
Allerdings hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs durch Beschluß vom 3. März 2005 – GSSt 1/04 – folgende Grundsätze aufgestellt: (1.) Das Gericht darf im Rahmen einer Urteilsabsprache an der Erörterung eines Rechtsmittelverzichts nicht mitwirken und auf einen solchen Verzicht auch nicht hinwirken. (2.) Nach jedem Urteil, dem eine Urteilsabsprache zugrunde liegt, ist der Rechtsmittelberechtigte, der nach § 35a Satz 1 StPO über ein Rechtsmittel zu belehren ist, stets auch darüber zu be-
lehren, daß er ungeachtet der Absprache in seiner Entscheidung frei ist, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung). Das gilt auch dann, wenn die Absprache einen Rechtsmittelverzicht nicht zum Gegenstand hatte. (3.) Der nach einer Urteilsabsprache erklärte Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels ist unwirksam, wenn der ihn erklärende Rechtsmittelberechtigte nicht qualifiziert belehrt worden ist.
Indes hätte die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzicht s im Rahmen einer Urteilsabsprache oder ein Hinwirken des Gerichts auf einen Rechtsmittelverzicht wie auch das Fehlen einer qualifizierten Belehrung lediglich die Wirkung, daß der erklärte Rechtsmittelverzicht unwirksam wäre, so daß dem Angeklagten die einwöchige Frist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) zur Verfügung gestanden hätte. Für eine etwaige Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision wären die genannten Umstände ohne Bedeutung.
Insoweit ist auch die vom Angeklagten als vermeintlicher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte späte Kenntnisnahme von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ohne Relevanz; denn in der Unkenntnis des Angeklagten oder seines Verteidigers von bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (oder gar von dem genannten Beschluß des Großen Senates für Strafsachen) liegt keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO (BGH aaO).

III.


Danach ist die Revision unzulässig, weil verspätet eingel egt (§ 341 Abs. 1 StPO).
Harms Häger Gerhardt Raum Brause

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer; wird dabei dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, so wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, daß der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung beantragt. Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird.

(2) War ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich.

(3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlaß des Hoheitsaktes erhoben werden.

(4) Ist ein Gesetz vor dem 1. April 1951 in Kraft getreten, so kann die Verfassungsbeschwerde bis zum 1. April 1952 erhoben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 180/06
vom
22. November 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2006 beschlossen
:
1. Der Antrag des Angeklagten vom 23. Oktober 2006 auf Nachholung
rechtlichen Gehörs gegen das Urteil des Senats vom
16. Oktober 2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof
Nack sowie der weiteren Mitglieder des 1. Strafsenats des
Bundesgerichtshofs in der Besetzung anlässlich der Hauptverhandlung
vor dem Senat am 12. und 16. Oktober 2006 wegen
Besorgnis der Befangenheit wird als unstatthaft zurückgewiesen.

Gründe:


1
1. Für eine Entscheidung gemäß § 356a StPO ist kein Raum. Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet , zu denen der Angeklagte zuvor nicht gehört worden war, noch zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen oder sonst dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
2
§ 356a StPO erfasst auch Urteile der Revisionsgerichte, „da Hauptverhandlungen vor dem Revisionsgericht auch ohne den Angeklagten und seinen Verteidiger stattfinden können und es dann möglich ist, dass sie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör deshalb nicht wahrnehmen können, weil ihnen der Zeitpunkt der Hauptverhandlung versehentlich nicht oder nicht rechtzeitig mitgeteilt wurde oder weil sie durch andere Gründe am Erscheinen verhindert sind“. Demgegenüber ist aber „eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kaum vorstellbar , wenn der Angeklagte oder sein Verteidiger vor dem Revisionsgericht anwesend sind, weil sie sich dann umfassend äußern können“ (BT-Drucks. 15/3706, S. 17).
3
In der Revisionshauptverhandlung dieses Verfahrens wurden die im Hinblick auf die Sachrüge maßgeblichen Aspekte der Beweiswürdigung der Strafkammer zu Beginn der Hauptverhandlung im ausführlichen Vortrag des Berichterstatters (§ 351 Abs. 1 StPO) dargelegt. Nicht nur der Vorsitzende, sondern bereits der Berichterstatter hat in seinem Vortrag auch darauf hingewiesen , dass die Ausführungen des Nebenklägervertreters im Rahmen der Begründung der Sachrüge zur Nichtberücksichtigung der in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer verlesenen Passage aus „H. ’s Tagebuch“ zum Brief mit den Worten „Wenn sie sagt 'ja ich war’s', bin ich für Jahre im Knast“ im Urteil des Landgerichts als Formalrüge - Verletzung des § 261 StPO - angesehen werden könnten (Rechtsgedanke des § 300 StPO). Auch im Übrigen hat der Senat bei seiner Entscheidungsfindung keine Umstände berücksichtigt, die nicht in den Revisionsbegründungen angesprochen wurden oder Gegenstand der Erörterung während der Revisionshauptverhandlung waren. Zu all dem Stellung zu nehmen, hatten sowohl der Angeklagte als auch der Verteidiger in der Revisionshauptverhandlung am 12. Oktober 2006 umfassend Gelegenheit. Dies geschah nicht.
4
2. Der Befangenheitsantrag ist nicht statthaft, da er nach dem letzten Wort des Angeklagten gestellt wurde (§ 25 Abs. 2 Satz 2 StPO).
5
Anderes folgt auch nicht daraus, dass mit dem Befangenheitsantrag die Gehörsrüge gemäß § 356a StPO erhoben wurde und der Senat zunächst darüber befinden muss, ob der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt wurde. Denn diese Vorschrift - und entsprechende Normen in anderen Verfahrensgesetzen - wurden geschaffen, um dem Gericht, das in der Sache entschieden hat, im Falle von Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, Gelegenheit zu geben, selbst dem Mangel abzuhelfen, ohne dass es der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde bedarf. Die Gehörsrüge dient jedoch nicht dazu, unstatthaften (§ 25 Abs. 2 Satz 2 StPO) Befangenheitsanträgen Geltung zu verschaffen.
6
Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn das rechtliche Gehör tatsächlich verletzt und deshalb nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachzuholen wäre, kann dahinstehen, da ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Der Angeklagte konnte im Revisionsverfahren umfassend Stellung nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2001 - 3 StR 187/01 -).
Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, zulässig. Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a Absatz 1 Satz 2 schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, so muss das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.

(2) Im Übrigen darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn

1.
die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2.
die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird.
Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 233/07
vom
22. August 2007
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
hier: Antrag gemäß § 356a StPO
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2007 beschlossen
:
Der Antrag des Verurteilten, das Verfahren wegen Verletzung seines
Anspruchs auf rechtliches Gehör in die Lage vor Erlass der
Senatsentscheidung vom 17. Juli 2007 zurückzuversetzen, wird
auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:


1
Der Senat hat die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 15. Dezember 2006 mit Beschluss vom 17. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Dabei hat der Senat weder Tatsachen noch sonstige Umstände verwertet, zu denen der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen. Auch sonst wurde der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
2
Der Angeklagte trägt zur Begründung seiner Gehörsrüge - wie schon in der Revisionsgegenerklärung vom 10. Juni 2007 - vor, der Generalbundesanwalt habe sich in seiner Antragsschrift vom 14. Mai 2007 mit zwei Verfahrensrügen (Nr. XII und XIII) nicht auseinandergesetzt.
3
Dies trifft nicht zu.
4
1. Zur Rüge Nr. XII:
5
Mit der Rüge Nr. XII (Rdn. 221 bis 229) behauptete der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 261 StPO. Das Gericht habe seine Überzeugung, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten weder aufgehoben noch erheblich vermindert gewesen sei, nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft. Denn die Zeugin A. und der Zeuge Ac. , auf deren richterliche Vernehmungen der Sachverständige Dr. P. in seiner - verlesenen - ergänzenden Stellungnahme Bezug nimmt, seien - was zutrifft - in der Hauptverhandlung nicht gehört worden.
6
Die fehlende Vernehmung dieser Zeugen (Kinder der Nebenklägerin und Stiefkinder des Angeklagten) wurde schon mit der Rüge Nr. XI (Rdn. 182 bis 220) beanstandet unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) „wegen der nicht erfolgten Vernehmung A. und Ac. zu den Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten sowie der nicht erfolgten Einholung eines Sachverständigengutachtens eines erfahrenen Psychiaters mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen der Beurteilung von Menschen aus dem türkisch-kurdischen Kulturkreis“.
7
Mit dieser Rüge Nr. XI setzte sich der Generalbundesanwalt unter Nr. 11 (auf Seite 8) seiner Antragschrift ausführlich auseinander. In diesem Zusammenhang verwies er auch - ergänzend zu seinen Ausführungen zur Unzulässigkeit der Rüge - darauf, dass das Landgericht dem von ihm bestellten Sachverständigen zur Vorbereitung seiner ergänzenden Äußerungen die Niederschriften über die richterlichen Vernehmungen der Zeugin A. und des Zeugen Ac. übersandt hat und diese Grundlage der zusätzlichen sachverständigen Stellungnahme wurden. Damit gab der General- bundesanwalt zugleich eine Antwort in der Sache auf die Rüge Nr. XII (Rdn. 221 bis 230), die im Übrigen mangels Mitteilung des Inhalts der ergänzenden Stellungnahme des Dr. P. vom 2. November 2006 ebenfalls nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügte und deshalb schon unzulässig war. Der Generalbundesanwalt verneinte so auch - zutreffend - die Notwendigkeit einer Vernehmung dieser Zeugen in der Hauptverhandlung, um die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zu der Frage, „ob sich in Kenntnis dieser Vernehmungen eine abweichende Einschätzung zum nervenärztlichen Gutachten vom 31.08.2006 ergibt“, verwerten zu können.
8
2. Zur Rüge Nr. XIII:
9
Die Rüge Nr. XIII (Rdn. 231 bis 237), ebenfalls - wie Nr. XII - eine Inbegriffsrüge (§ 261 StPO), wird in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts auf Seite 9 unter 12. abgehandelt, wenn auch wegen eines - aufgrund des Inhalts offensichtlichen - Schreibversehens unter der Überschrift „Rüge XII. Inbegriffsrüge (Rdn. 221 bis 230)“.
10
Der am 21. August 2007 beim Bundesgerichtshof eingegangene Schriftsatz - datiert auf den 30. Juli 2007 - lag dem Senat vor. Ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung war nicht angezeigt, nachdem die mit Senatsschreiben vom 2. August 2007 gesetzte Zweiwochenfrist mit dem 21. August 2007 (Eingansbestätigung des Beschwerdeführers vom 7. August 2007) abgelaufen ist. Die Gehörsrüge eröffnet nur dann den Weg zu einer neuen Sachentscheidung, wenn das Recht auf Gehör verletzt wurde und deshalb Widereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird. Das Recht auf Gehör wurde bei der Beschlussfassung des Senats am 17. Juli 2007 jedoch nicht verletzt, auch nicht mit einer Überraschungsentscheidung. Der Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO bedarf keiner Begründung. Eine Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare Entscheidungen besteht nicht (vgl. BVerfG - Kammer - Beschluss vom 17. Juli 2007 - 2 BvR 496/07 - m.w.N.). Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit