Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2017 - 1 StR 145/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:100517B1STR145.17.0
10.05.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 145/17
vom
10. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100517B1STR145.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2017 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. November 2016, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO). 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben in nicht geringer Menge in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Entscheidung über den Verfall von Wertersatz getroffen. Dagegen richtet sich die auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.
2
1. Die Revision dringt mit einer Verfahrensrüge durch (§ 349 Abs. 4 StPO). Dies führt zur gesamten Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen, soweit es den Angeklagten betrifft.
3
a) Die Revision rügt mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge die Verletzung des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens durch Versagung von Akteneinsicht. Der Beanstandung liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Der Verteidiger des Angeklagten erhielt auf Grund seines Antrags auf Gewährung von Akteneinsicht vom 5. September 2016 Datenträger mit den Ermittlungsakten (SA S. 1 - 948). Am 9. September 2016 gingen bei der Strafkammer weitere Ermittlungsergebnisse ein (SA S. 979 - 1230). Darunter befanden sich auch Berichte der Polizei über die Auswertung des Mobilfunkgeräts des Angeklagten, aus denen sich 11 Aufenthalte des Angeklagten in der Bundesrepublik ergaben. Nach Durchführung der am 25. Oktober 2016 begonnenen und mit Urteilsverkündung am 15. November 2016 beendeten Hauptverhandlung erhielt der Verteidiger am 4. Januar 2017 vom Landgericht die dort am 9. September 2016 eingegangenen weiteren Ermittlungsergebnisse übersandt , die ihm und dem Angeklagten bis dahin nicht bekannt waren, weil die Strafkammer nicht über deren Eingang informiert hatte.
5
b) Diese Verfahrensweise verletzt Art. 6 MRK i.V.m. § 147 StPO.
6
Dem Tatgericht, dem zwischen Eröffnungsbeschluss und Hauptverhandlung oder während laufender Hauptverhandlung durch Polizei oder Staatsanwaltschaft neue verfahrensbezogene Ermittlungsergebnisse zugänglich gemacht werden, erwächst aus dem Gebot der Verfahrensfairness (Art. 6 MRK i.V.m. § 147 StPO) die Pflicht, dem Angeklagten und seinem Verteidiger durch eine entsprechende Unterrichtung Gelegenheit zu geben, sich Kenntnis von den Ergebnissen dieser Ermittlungen zu verschaffen. Der Pflicht zur Erteilung eines solchen Hinweises ist das Tatgericht auch dann nicht enthoben, wenn es die Ergebnisse der Ermittlungen selbst nicht für entscheidungserheblich hält; denn es muss den übrigen Verfahrensbeteiligten überlassen bleiben, selbst zu beurteilen, ob es sich um relevante Umstände handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 1 StR 271/05, StV 2005, 652, 653; Urteil vom 21. September 2000 – 1 StR 634/99, StV 2001, 4, 5 = BGHR StPO § 1 Hinweispflicht 5 mwN).
7
c) Da die Ermittlungsergebnisse jedenfalls auch die genauen Daten und die Zahl der Aufenthalte des Angeklagten in Deutschland in einem bestimmten Zeitraum zum Gegenstand hatten und sich damit unmittelbar auf das Kerngeschehen des mit der zugelassenen Anklage erhobenen Tatvorwurfs bezogen, und die Strafkammer den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 Fällen verurteilt hat, kann der Senat nach dem Revisionsvorbringen zur behaupteten Beweisrelevanz (hier zudem schon wegen ihres Umfangs) nicht ausschließen, dass der Angeklagte bei einem Hinweis auf die Ermittlungsergebnisse diese dann ausgewertet und sich weitergehend als geschehen hätte verteidigen können.
8
2. Im Hinblick darauf, dass das Urteil gegen den dem Jugendstrafrecht unterliegenden Mitangeklagten B. rechtskräftig ist und die Voraussetzungen der besonderen Zuständigkeit der Jugendkammer nicht mehr vorliegen, erfolgt die Zurückverweisung an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts. Raum Jäger Bellay Fischer Bär

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 147 Akteneinsichtsrecht, Besichtigungsrecht; Auskunftsrecht des Beschuldigten


(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. (2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht

Strafprozeßordnung - StPO | § 1 Anwendbarkeit des Gerichtsverfassungsgesetzes


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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 634/99 vom 21. September 2000 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. September 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

(2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenteile sowie die Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisgegenständen versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. Liegen die Voraussetzungen von Satz 1 vor und befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren.

(3) Die Einsicht in die Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.

(4) Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(6) Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. Dem Verteidiger oder dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 271/05
vom
10. August 2005
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2005 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Freiburg vom 16. März 2005 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem früheren Strafbefehlsverfahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Wochen verurteilt. Nach den Feststellungen führten abwechselnd der Angeklagte sowie der anderweitig Verfolgte W. mit dessen langjähriger Lebensgefährtin P. gegen deren erkennbaren Willen den vaginalen und analen Geschlechtsverkehr durch. Bei den sexuellen Übergriffen fügten sowohl der Angeklagte alsauch W. dem Tatopfer starke Schmerzen zu, was die Geschädigte lautstark zum Ausdruck brachte. Während der Angeklagte mit der Geschädigten anal verkehrte, verdrehte W. - was der Angeklagte erkannte - gewaltsam und schmerzhaft ihre Brustwarzen bis zum Blutigwerden und schlug sie wiederholt heftig auf den Bauch. Der Angeklagte
kniff ihr während des Analverkehrs heftig in die Scheide. Anschließend führte der Angeklagte bei der Geschädigten den Flaschenhals einer leeren Sektflasche in die Vagina und dann in den After ein. W. kommentierte die Gewalthandlungen mit den Worten: "Das magst Du doch". Der Angeklagte, der den äußeren Geschehensablauf eingeräumt hat, wendet sich gegen das Urteil mit Verfahrensrügen und der Sachrüge; er erstrebt eine Verurteilung mit Strafaussetzung zur Bewährung. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 1. Die Revision deckt mit ihren Verfahrensbeschwerden keinen durchgreifenden Verfahrensfehler auf. Die Überprüfung des Schuldspruchs und des Strafausspruchs aufgrund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). 2. Der Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge, mit der die Revision vorbringt, der Verteidigung sei "nicht zugänglich gemacht [worden], dass neue Erkenntnisse aus dem Verfahren zu den Akten gelangt [seien], deren Auswertung zudem weitere Beweiserhebungen nahe gelegt hätten". Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
a) Unmittelbar nachdem die Strafkammer im Januar 2005 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen und die Hauptverhandlung auf den 14. März 2005 terminiert hatte, ging bei der Kammer ein von der Staatsanwaltschaft übersandter umfangreicher Ermittlungsbericht der Kriminalpolizei L. zur Kenntnisnahme im Verfahren gegen den Angeklagten ein. Gegenstand dieses Berichts war ein gegen W. geführtes Ermittlungsverfahren wegen Mordes an einer Schülerin und weiterer Straftaten gegen andere Geschädigte. Die Revision beanstandet, das Landgericht habe der Verteidigung zur Vorbereitung der Hauptverhandlung verschiedene Schriftstücke zur Kenntnisnahme zugeleitet, der sehr umfangreiche Ermittlungsbericht (GA S. 603 bis S. 847) sei
ihr jedoch nicht übersandt worden. Auch seien ihr keine Hinweise über den Eingang gegeben worden. Die Revision, die erst zur Vorbereitung des Revisionsverfahrens von dem Ermittlungsbericht Kenntnis erhielt, behauptet, aus diesem ergäben sich weitere Beweismittel, die in das Verfahren hätten eingeführt werden müssen. So enthalte der Bericht Aussagen über das langjährige Verhältnis zwischen der Zeugin P. durch den gesondert Verfolgten W. sowie einen Videomitschnitt über die Behandlung der Geschädigten durch W. Die . Revision ist der Auffassung, es stelle einen Verfahrensfehler dar, diesen Videomitschnitt nicht in das Verfahren eingeführt zu haben.
b) Der Senat versteht das Revisionsvorbringen dahin, dass das Landgericht seine Aufklärungspflicht und das Gebot des fairen Verfahrens verletzt habe. Die Rüge greift - unbeschadet der vom Generalbundesanwalt aufgeworfenen Frage, ob sie zulässig erhoben worden ist - im Ergebnis nicht durch. Dem Tatgericht, dem in der Hauptverhandlung durch die Staatsanwaltschaft neue verfahrensbezogene Ermittlungsergebnisse zugänglich gemacht werden, erwächst aus dem Gebot der Verfahrensfairness (Art. 6 MRK in Verbindung mit § 147 StPO) die Pflicht, dem Angeklagten und seinem Verteidiger durch eine entsprechende Unterrichtung Gelegenheit zu geben, sich Kenntnis von den Ergebnissen dieser Ermittlungen zu verschaffen. Der Pflicht zur Erteilung eines solchen Hinweises ist das Tatgericht auch dann nicht enthoben, wenn es die Ergebnisse der Ermittlungen selbst nicht für entscheidungserheblich hält; denn es muss den übrigen Verfahrensbeteiligten überlassen bleiben, selbst zu beurteilen, ob es sich um relevante Umstände handelt (vgl. BGH StV 2001, 4 = BGHR StPO vor § 1 faires Verfahren Hinweispflicht 5 m. w. Nachw.).
Diese Hinweispflicht kann grundsätzlich auch schon für das Verfahren zwischen Eröffnungsbeschluss und Hauptverhandlung gelten. Hier kann ein Beruhen des Urteils auf der unterbliebenen Unterrichtung ausgeschlossen werden. Auch war die vermisste Beiziehung des Videomitschnitts nicht von der Aufklärungspflicht geboten. Der Senat kann nach dem Revisionsvorbringen zur behaupteten Beweisrelevanz des Berichts ausschließen , dass sich der Angeklagte auch bei einem Hinweis auf den Ermittlungsbericht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Revision trägt nämlich mit Blick auf den Ermittlungsbericht im Wesentlichen vor, das Landgericht habe dem Angeklagten zu Unrecht unterstellt, er habe der Geschädigten erhebliche Schmerzen zugefügt. Die Strafkammer habe sich zur Frage der Erheblichkeit der Schmerzen nicht allein auf die Aussage der Zeugin P. stützen dürfen; sie habe nämlich nicht ausreichend aufgeklärt, welche Schmerzen zu ertragen die Zeugin P. überhaupt in der Lage gewesen sei. Zwar ergebe sich aus dem Urteil, dass die Geschädigte von W. über Jahre in erheblichem Umfang mit Schlägen u. a. geradezu gemartert worden sei. Nach Einsichtnahme in den Ermittlungsbericht und in den Videomitschnitt sei aber nicht auszuschließen, dass bei der Zeugin eine andere, nämlich höhere Schmerztoleranz gegenüber dem Durchschnitt gegeben sei. Im Zusammenhang damit, dass die Zeugin von W. auch mit noch größeren Schmerzzufügungen bestraft worden sei, sei es sogar nahe liegend, dass die Zeugin - trotz Schmerzempfindung - Schmerzbekundungen nicht laut äußere. Es könne nicht ausgeschlossen werden , dass sie diese in der nach Jahren gemachten Zeugenaussage als laut geäußert dargestellt habe, weil sich Wirklichkeit und Fiktion vermischt hätten. Jedenfalls könne der Videomitschnitt, auf dem zu sehen sei, dass W.
der Zeugin P. sogar Gewichte an Brüsten und Schamlippen befestigt habe, weitaus mehr Aufschluss darüber geben, welche Schmerzen die Zeugin P. zu ertragen in der Lage sei, als jede Aussage der Zeugin, die sie mehr als vier Jahre nach der Tat gemacht habe. Angesichts der vom Landgericht getroffenen Feststellungen zum Geschehensablauf und über die Behandlung der Geschädigten während der Vergewaltigung , die der Angeklagte im Wesentlichen bestätigt hat, erscheinen die Spekulationen der Verteidigung zu einer gesteigerten Schmerztoleranz der Geschädigten als zynisch. Es ist nicht nachvollziehbar, dass dadurch das Verhalten des Angeklagten in einem milderen Licht erscheinen soll. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 634/99
vom
21. September 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. September
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Maul,
Nack,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 11. Mai 1999 wird verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub mit Todesfolge zugleich mit Urkundenfälschung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die auf die Sachrüge und eine Anzahl von Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen traf der Angeklagte am 20. März 1998 gegen 16.45 Uhr zusammen mit einem derzeit in der Ukraine untergetauchten Tatgenossen und dem Mitangeklagten, der sogleich weiterfuhr, am späteren Tatort, einem Autohandelsplatz am Stadtrand von N. , ein. Einige Minuten später erschossen sie dort in seinem Büro entsprechend dem gemeinsamen Tatplan mit einer Maschinenpistole den Gebrauchtwagenhändler G. . Sie nahmen Schmuck, Bargeld und zwei Pkw des Opfers an sich und fuhren mit den entwendeten Wagen davon. Gegen 17.15 Uhr traf sich der Angeklagte am
Bahnhof mit seiner Freundin. Etwa um 20.25 Uhr wurde die Leiche aufgefunden. Am folgenden Tag konnte der entwendete Pkw Mercedes-Benz vor der Wohnung der Freundin sichergestellt und der Angeklagte festgenommen werden. An dem Wagen wurden - ebenso wie an der Hand und Lederjacke des Angeklagten - Schmauchspuren festgestellt.

II.


Die Verfahrensrügen bleiben erfolglos.
1. Die Rüge, entgegen § 251 Abs. 4 StPO sei das polizeiliche Protokoll von der Vernehmung des Notarztes ohne entsprechenden Gerichtsbeschluß verlesen worden, greift nicht durch.
Zwar fehlt der gemäß § 251 Abs. 4 StPO für die Ersetzung einer Zeugenvernehmung durch die Verlesung eines Vernehmungsprotokolls erforderliche begründete Gerichtsbeschluß. Der Senat schließt jedoch aus, daß das Urteil auf diesem Mangel beruht (vgl. BGHR StPO § 251 IV 1 Anordnung 1; BGH NStZ 1986, 325; BGH StV 1983, 319, 320 sowie andererseits BGH NStZ 1988, 283; BGH, Urt. vom 5. August 1975 - 1 StR 376/75; Brandenburgisches OLG NStZ 1996, 300, 301).
Dies folgt allerdings (zumindest bei polizeilichen Vernehmungsprotokollen ) nicht bereits daraus, daß der Angeklagte, sein Verteidiger und der Staatsanwalt der Verlesung zugestimmt haben und der Verlesungsgrund ihnen - wie hier durch die Anordnung des Vorsitzenden - bekannt war (so jedoch Gollwitzer in LR 25. Aufl. § 251 Rdn. 98). Der Beschluß dient nämlich nicht nur der Unter-
richtung der Verfahrensbeteiligten über den Grund der Verlesung und der eindeutigen Bestimmung des Umfangs der Verlesung. Er soll bei Kollegialgerichten unter Beachtung der Aufklärungspflicht auch eine Meinungsbildung des gesamten Gerichts und nicht nur des Vorsitzenden über das einzuschlagende Verfahren sicherstellen (BGH NStZ 1988, 283; Diemer in KK-StPO 4. Aufl. § 251 Rdn. 30 m.w.N.) und insbesondere den Schöffen im Hinblick auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit den Ausnahmecharakter der Verlesung deutlich machen. Auch die Unterscheidung zwischen richterlichen und polizeilichen Vernehmungsprotokollen ist in diesem Zusammenhang nicht von wesentlicher Bedeutung. Entscheidend muß vielmehr darauf abgehoben werden, ob die persönliche Vernehmung des Zeugen zur weiteren Aufklärung hätte beitragen können.
Weitere Angaben des Notarztes wären hier eventuell zu der Frage zu erwarten gewesen, ob die von ihm festgestellten Leichen- bzw. Totenflecken bereits "fixiert" oder noch "verschieblich" (wegdrückbar) waren. Insoweit stützt sich die Revision aber auf einen unzutreffenden Ausgangspunkt. Entgegen ihrer Ansicht kann von noch wegdrückbaren Totenflecken nicht darauf geschlossen werden, daß der Tod erst 20-60 Minuten vor der Untersuchung durch den Notarzt (ca. 20.30 Uhr) und mithin nicht zum von der Strafkammer festgestellten Zeitpunkt (durch sofort tödliche Schüsse kurz nach 16.45 Uhr) eingetreten ist. Nach etwa 20 bis 60 Minuten treten Totenflecken überhaupt erst auf. Sie sind dann anschließend zumindest 5 1/2 Stunden (nach anderen Beobachtungen sogar bis zu 36 Stunden) lang noch vollständig wegdrückbar (Pohl, Handbuch der Naturwissenschaftlichen Kriminalistik, 1981, S. 366-369; Forster, Praxis der Rechtsmedizin, 1986, S. 18-21; Arbab-Zadeh/Prokop/ Reimann, Rechtsmedizin, 1977, S. 3 f.).

Auch im übrigen kann ausgeschlossen werden, daß der Notarzt bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung des Landgerichts Angaben hätte machen können, die über die Darlegungen in der verlesenen Vernehmungsniederschrift hinausgehen und durch die das Gericht bzw. ein medizinischer Sachverständiger den anhand von Zeugenaussagen festgestellten Todeszeitpunkt (etwa 16.45 Uhr) als unwahrscheinlich oder unmöglich beurteilt hätte. Insoweit folgt der Senat den in sich widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen des vom Senat eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Eisenmenger. Demnach hätten auch weitergehende Angaben des Notarztes zur Ausprägung und Qualität der Totenflecken, zu ihrer Lage und zu dem bei ihrem "Wegdrücken" erforderlichen Druck keine genauere Schätzung des Todeszeitpunktes als "zwischen 16.15 und 19.45 Uhr" ermöglicht. Selbst für den erfahrenen Rechtsmediziner ist es schwer, aufgrund dieser Todeszeichen eine Einschätzung des Todeszeitpunktes vorzunehmen, die den Anspruch erhebt, auch nur auf wenige Stunden exakt zu sein. Die bei dieser Art der Todeszeitbestimmung gegebene "enorme Variationsbreite" beruht u.a. darauf , daß der untersuchende Arzt den mit seinen Fingern entfalteten Druck nicht exakt dosieren und wiedergeben kann. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Totenstarre. Die in dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll enthaltenen diesbezüglichen Angaben des Notarztes lassen einen Todeszeitpunkt zwischen 13.30 und 20.00 Uhr zu. Exaktere Schätzungen hätten sich auch nicht treffen lassen, wenn der Notarzt zusätzliche Angaben zur subjektiv empfundenen Graduierung der Starre oder zur Umgebungstemperatur gemacht hätte (vgl. zur großen Variationsbreite bei der Feststellung des Todeszeitpunktes anhand der Graduierung der Totenstarre Henßge/Madea, Methoden zur Bestimmung der Todeszeit an Leichen, 1988, S. 106 ff.). Eine zusätzliche Aussage des Notarz-
tes zu sogenannten supravitalen Reaktionen und Augenhintergrundveränderungen wäre u.a. wegen der subjektiv getönten Befunderhebung und der schwierigen meßtechnischen Erfassung der Kriterien zu einer genaueren Leichenaltersbestimmung ungeeignet (vgl. Henßge/Madea aaO. S. 23 ff., 126131 ).
2. Das Sektionsprotokoll des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Ulm konnte gemäß § 256 StPO verlesen werden. Institute für Gerichtsmedizin der Universitäten stellen Behörden im Sinne dieser Vorschrift dar (BGH NJW 1967, 299). Handelt es sich um ärztliche Befunde und ihre Begutachtung in dem Protokoll einer Leichenöffnung, so kommt unter Beachtung der Aufklärungspflicht eine Verlesung nach § 256 StPO in Betracht, wenn - wie hier - die beiden nach § 87 StPO erforderlichen Ä rzte der Behörde angehören und es unterzeichnet haben (Senge in KK 4. Aufl. § 87 Rdn. 7; Kleinknecht/MeyerGoßner 44. Aufl. § 87 Rdn. 16; HK-Lemke 2. Aufl. § 87 Rdn. 10; Neubeck in KMR 20. Lfg. 1999, § 87 Rdn. 15). Zweck des § 256 StPO ist die Verfahrensbeschleunigung und Vermeidung unnötiger Kosten; die Verlesung soll in Fällen zulässig sein, bei denen ohne Nachteil für die Wahrheitsermittlung auf eine unmittelbare Vernehmung des Verfassers verzichtet werden kann (Diemer in KK 4. Aufl. § 256 Rdn. 1). Eine besondere Verläßlichkeit des Sektionsprotokolls ist bereits durch die Mitwirkung zweier Ä rzte (§ 87 StPO) gewährleistet. Jedenfalls hinsichtlich der bloßen Befundmitteilung kommt hinzu, daß das kurz nach der Sektion angefertigte Protokoll regelmäßig zuverlässiger sein dürfte als die viel später erfolgenden mündlichen Ausführungen des Arztes in der Hauptverhandlung. Gegenstand der Rüge sind hier lediglich solche Befundtatsachen bzgl. Mageninhalt und Verdauungszustand, die der dazu gehörte Sachverständige Dr. Höhmer für die Berechnung des Todeszeitpunktes heran-
zog. Unschädlich ist daher auch der von der Revision angeführte Umstand, daß im Sektionsprotokoll (bzgl. des Gutachtenteils) von einem "vorläufigen Gutachten" unter Vorbehalt eines abschließenden Gutachtens die Rede ist.
Ein die Angaben der Obduzenten wiedergebendes richterliches Vernehmungsprotokoll , das nur unter den Voraussetzungen der §§ 251, 253 StPO verlesen werden könnte (vgl. Dahs in LR-StPO 24. Aufl. § 87 Rdn. 25; Alsberg/Nüse/Meyer, Beweisantrag 5. Aufl. Seite 257; Eb. Schmidt StPO § 87 Rdn. 6) liegt hier nicht vor, da die Leichenöffnung nicht nach § 87 Abs. 2 Satz 6 StPO im Beisein eines Richters stattfand.
3. Auch soweit die Revision mit der Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) geltend macht, die Strafkammer habe zur Ermittlung des Todeszeitpunktes einen weiteren medizinischen Sachverständigen anhören müssen, hat sie keinen Erfolg. Die Revision ist insoweit der Auffassung, der festgestellte Mageninhalt des Tatopfers weise auf eine Nahrungsaufnahme hin, die - anders als vom gehörten Sachverständigen dargelegt - allenfalls zwei Stunden vor dem Todeseintritt erfolgt sein könne. Der Sachverständige Dr. Höhmer habe als Landgerichtsarzt nicht die Sachkunde eines rechtsmedizinischen Sachverständigen. Gründe, allgemein an der Sachkunde des gehörten Sachverständigen Dr. Höhmer zu zweifeln, sind nicht ersichtlich, da er der Kammer seit vielen Jahren als Landgerichtsarzt aus zahlreichen Verfahren als "äußerst gründlicher und erfahrener Sachverständiger" bekannt war. Allein der Umstand, daß es sich bei dem Sachverständigen um einen Landgerichtsarzt handelt, bedeutet nicht, daß dieser keine gerichtsmedizinische Ausbildung hatte. Insoweit trägt auch die Revision nichts vor (vgl. BGH, Urt. vom 21.4.1998 - 1 StR 132/98). Anlaß zu Zweifeln an der Sachkunde eines Sachverständigen muß ein Tatge-
richt haben, wenn der Sachverständige von anerkannten wissenschaftlichen Kriterien abweicht (BGH, Beschluß vom 7.7.1999 - 1 StR 207/99 = NStZ 1999, 630, 631). Hierzu führt die Revision unter Bezugnahme auf medizinische Literatur an, der festgestellte Mageninhalt deute auf eine Nahrungsaufnahme maximal zwei Stunden vor Todeseintritt hin. Dies könnte mit dem verlesenen Sektionsprotokoll übereinstimmen, wonach die starke Füllung des Magens darauf hindeute, daß die letzte Mahlzeit "nicht lange" zurückgelegen habe. Die "großzügigeren" Angaben des angehörten Sachverständigen, die Streubreite für die beginnende Verdauung könne zwischen zwei und 14 Stunden betragen, führen jedoch nicht dazu, daß sich die Beauftragung eines - damals von der Verteidigung nicht beantragten - weiteren Sachverständigen dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Während der Hauptverhandlung wurde - soweit ersichtlich - die Sachkunde des Sachverständigen nicht angezweifelt. Zum anderen werden auch in dem von der Revision angeführten Werk ArbabZadeh /Prokop/Reimann (aaO S. 16 f.; vgl. auch Henßge/Madea aaO Seite 221) in einer "Verdaulichkeitstabelle" lediglich als "Richtwerte" geltende Zeiten zwischen einer und 8 1/2 Stunden genannt und hinzugefügt, daß die Verweildauer der Nahrung im Magen auch bei gesunden Personen und sogar bei derselben Person verschieden und keine genaue Schätzung möglich sei.
4. Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Vernehmung der in den Hilfsbeweisanträgen Nr. 1 bis 3 genannten Zeugen D. , S. und St. greift nicht durch.
Die Rüge ist unzulässig. Eine zulässige Aufklärungsrüge erfordert gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO die Darlegung aller Umstände und Vorgänge, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermißte Beweiser-
hebung aufdrängen mußte, bedeutsam sein konnten. Wird gerügt, daß das Gericht bestimmte Zeugen nicht vernommen hat, ist insbesondere der Inhalt etwaiger früherer Aussagen mitzuteilen (BGH NJW 2000, 370, 371 m.w.N.). Das hat die Revision unterlassen.
Die Rüge ist zudem unbegründet, weil nicht erkennbar ist, daß sich die Vernehmung der Zeugen dem Tatrichter aufdrängen mußte. Beim Zeugen D. ergibt sich aus seinen zwei polizeilichen Vernehmungen, daß er sich entgegen dem Vortrag der Revision erst über eine Stunde nach der festgestellten Tatzeit, nämlich ab 18.00 Uhr für 15 Minuten in der Nähe des Tatortes aufhielt. Daß er und die Zeugin S. , die etwa eine viertel Stunde nach dem festgestellten Tatzeitpunkt als Fahrgast eines Busses den Tatort passierte, auf dem Autohandelsplatz nichts Ungewöhnliches beobachtet haben, widerspricht den Feststellungen nicht, da die Leiche von außen kaum sichtbar auf dem Boden hinter dem Schreibtisch lag und das Büro - zumindest im Zeitpunkt der Tatentdekkung - verschlossen war. Daß die Zeugin St. bei ihrer polizeilichen Vernehmung angab, gegen 16.40 Uhr vor dem Büro einen Pkw mit laufendem Motor gesehen zu haben, führt nicht dazu, daß sich ihre Vernehmung in der Hauptverhandlung aufdrängen mußte. Der laufende Motor läßt darauf schließen, daß der Fahrer bald wieder wegfahren wollte. Die Täter trafen nach den Feststellungen erst einige Minuten später am Tatort ein und führten die Tat erst aus, nachdem sich alle dort anwesenden Kunden entfernt hatten.
5. Die Rüge, das Landgericht habe das Gebot des fairen Verfahrens verletzt, weil die Verteidiger nicht auf einen während der Hauptverhandlung zu
den Akten gelangten Brief des Mitangeklagten hingewiesen wurden, greift jedenfalls im Ergebnis nicht durch.
Dem Tatgericht, das während, aber außerhalb der Hauptverhandlung verfahrensbezogene Ermittlungen anstellt, erwächst aus dem Gebot der Verfahrensfairneß (Art. 6 MRK in Verbindung mit § 147 StPO) die Pflicht, dem Angeklagten , der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft durch eine entsprechende Unterrichtung Gelegenheit zu geben, sich Kenntnis von den Ergebnissen dieser Ermittlungen zu verschaffen. Der Pflicht zur Erteilung eines solchen Hinweises ist das Tatgericht auch dann nicht enthoben, wenn es die Ergebnisse der Ermittlungen selbst für nicht entscheidungserheblich erachtet; denn es muß den übrigen Verfahrensbeteiligten überlassen bleiben, selbst zu beurteilen , ob es sich um relevante Umstände handelt (BGHSt 36, 305, 308 ff.; vgl. auch BGH, Beschluß vom 17. November 1999 - 1 StR 290/99, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2000, 216). Entsprechendes muß auch gelten, wenn während der Hauptverhandlung Urkunden oder andere Beweismittel, deren Erheblichkeit nicht ausgeschlossen ist, ohne Veranlassung durch das Gericht zu den Akten gelangen. Ansonsten wären die Verfahrensbeteiligten bei mehrmonatigen Hauptverhandlungen zu hunderten von Nachfragen gezwungen, die (auch) den gerichtlichen Geschäftsbetrieb unnötig belasten würden.
Hier kann jedoch ein Beruhen des Urteils auf diesem Verfahrensfehler (vgl. BGHSt 42, 71, 73) ausgeschlossen werden. Der fragliche Brief war ausweislich der eingeholten dienstlichen Ä ußerungen nicht Gegenstand der Beratung ; ihm wurde von den Tatrichtern keine Relevanz beigemessen. Ein "überlegenes Wissen" erwuchs der Strafkammer aus dem Schriftstück nicht. Der Brief ist eines von mehreren Schreiben des Mitangeklagten an den Vorsitzen-
den. Er enthält Ausführungen des Mitangeklagten über dessen persönliche Situation und seine Gefühle während der Hauptverhandlung sowie die Zusammenfassung von Zeugenaussagen; eine geschlossene Darstellung des Tatgeschehens enthält er dagegen nicht. Entgegen der Ansicht der Revision beinhaltet die kurze Passage über den angeblichen Tatbeteiligten Go. auch keinen Widerspruch zur Einlassung des Mitangeklagten, der für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung erheblich sein könnte. In der Hauptverhandlung berichtete der Mitangeklagte von dem geplanten Tatbeitrag des Go. , der nicht mit dem tatsächlichen Tatbeitrag, von dem in dem Brief die Rede ist, identisch sein muß. Für die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Mitangeklagten, deren zentrale Bedeutung offensichtlich war, enthält die angeführte Passage daher keine Anhaltspunkte, zumal die Strafkammer aufgrund rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen ist, daß der Mitangeklagte den Go. lediglich "hinzuerfunden" hat.
Aus diesen Gründen ist auch nicht ersichtlich, daß die Verteidigung bei Kenntnis dieses Briefes weitere Verteidigungsbemühungen hatte entfalten können.
6. Die Aufklärungsrüge im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Vernehmung des nach Osteuropa abgereisten Zeugen K. ist gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig. Die Aufklärungspflicht geht grundsätzlich nicht weiter als das Tatgericht gehalten ist, entsprechenden Beweisanträgen stattzugeben ; Gründe, die zur Ablehnung eines Beweisantrages berechtigen, lassen auch die Aufklärungspflicht entfallen (BGH NStZ 1991, 399, 400; Herdegen in KK-StPO 4. Aufl. § 244 Rdn. 22). Hier wäre die Ablehnung eines entsprechenden Beweisantrages wegen Unerreichbarkeit in Betracht gekommen. Ein
Zeuge, dessen Erscheinen nicht erzwungen werden kann, weil er sich im Ausland aufhält, muß zwar vor Annahme seiner Unerreichbarkeit in der Regel förmlich geladen werden. Auf die Ladung kann jedoch verzichtet werden, wenn sie zwecklos erscheint (BGH NStZ 1991, 143). Ob das hier der Fall war, kann nur beurteilt werden, wenn die diesbezüglichen Umstände und Bemühungen der Kammer vollständig dargelegt werden. Dies hat die Revision nicht getan. Sie verschweigt die im Hauptverhandlungsprotokoll vom 31. März 1999 enthaltene Mitteilung des Vorsitzenden, die in den Sachakten enthaltene Gesprächsnotiz vom 26. März 1999, das dortige Schreiben des Vorsitzenden an die Deutsche Botschaft in Kiew und die Übersetzung eines Telefongesprächs, die sämtlich die Erreichbarkeit des fraglichen Zeugen betreffen.
7. Die Rüge, die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem Fasergutachten enthalte eine unzulässige Wertung der Einlassung des Angeklagten als ein ihn belastendes Teilschweigen, ist unbegründet. Insoweit führt die Strafkammer aus, daß die vom Angeklagten bei seiner Festnahme am Tag nach der Tat getragene Hose in dem beim Opfer gestohlenen Mercedes keine Faserspuren hinterlassen hat. Die anderen Hosen in der Wohnung des Angeklagten seien gewaschen gewesen. Der folgende, von der Revision angegriffene Satz lautet sodann: "Es steht daher, zumal sich der Angeklagte Gor. dazu ebenfalls nicht einläßt, nicht einmal fest, welche Hose er am Tattag getragen hat". Dieser Satz enthält keine Wertung des Teilschweigens zum Nachteil des Angeklagten, so daß dahingestellt bleiben kann, ob trotz der Bereitschaft des Angeklagten, Fragen des Gerichts schriftlich zu beantworten, ein Teilschweigen vorliegt (vgl. dazu BGH StV 1994, 521, 524, insoweit in BGHSt 40, 211 nicht abgedruckt; BGH NStZ 2000, 494).
8. Auch die weiteren Verfahrensrügen greifen aus den Gründen, die der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Februar 2000 dargelegt hat, nicht durch.

III.


Die Sachrüge bleibt erfolglos, da die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Schäfer Maul Nack Boetticher Hebenstreit

Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.