Bundesfinanzhof Beschluss, 10. März 2014 - X B 230/12

Gericht
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat vor dem Finanzgericht (FG) einen Rechtsstreit wegen des gegen ihn ergangenen Einkommensteuerbescheids 2001 geführt. Im Verlauf dieses Verfahrens hat ihn der Berichterstatter des zuständigen Senats des FG gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgefordert, bis zum 23. März 2012 den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Zugleich hat er ihm eine Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 1 FGO gesetzt. Mit Faxschreiben vom 23. März 2012, das nach den Feststellungen des FG am 24. März 2012, 00:00:54 Uhr (Stunden:Minuten:Sekunden) beim FG eingegangen ist, hat der Kläger beantragt, die Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 1 FGO bis zum 31. März 2012 zu verlängern. Der Vorsitzende des zuständigen Senats des FG hat den Fristverlängerungsantrag mit der Begründung abgelehnt, er sei erst am 24. März 2012 und damit nach Ablauf der gesetzten Ausschlussfrist eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Kläger nicht beantragt.
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Mit Urteil vom 29. August 2012, dem Kläger zugestellt am 25. September 2012, hat das FG die Klage abgewiesen. Sie sei unzulässig, weil der Kläger nicht innerhalb der ihm gesetzten Ausschlussfrist den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnet habe.
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Dem Kläger war zur Begründung seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG Fristverlängerung bis zum 27. Dezember 2012 gewährt worden. Die mit Telefax übermittelte Beschwerdebegründung, der keine Anlagen beigefügt waren, ist beim Bundesfinanzhof (BFH) am 28. Dezember 2012 um 00:28 Uhr (Stunden:Minuten) eingegangen, lt. Aufdruck des Faxgeräts des Prozessbevollmächtigten des Klägers um 00:27 Uhr gesendet worden. Das Telefax-Empfangsgerät des BFH ist technisch nicht in der Lage, die Empfangszeit für einzelne Seiten einer aus mehreren Seiten bestehenden Telefax-Sendung anzugeben oder einzelne Seiten einer solchen Sendung noch während des laufenden Empfangs auszudrucken.
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Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 9. Januar 2013 macht der Kläger geltend, die Fristversäumung sei unverschuldet. Sein Prozessbevollmächtigter habe mit der Telefaxübertragung am 27. Dezember 2012 um 23:50 Uhr begonnen und dieser habe sich angesichts seiner bisherigen Erfahrungen mit Telefaxübertragungen an den BFH auf eine durchschnittliche Übertragungszeit je Seite von 21 bis 26 Sekunden verlassen können. Bei einer angenommenen maximalen Übertragungsdauer von 26 Sekunden wäre die Übertragung der gesamten Beschwerdebegründung am 27. Dezember 2012 um 23:56:30 Uhr beendet gewesen.
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Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begründet der Kläger mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Notwendigkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und mit Verfahrensfehlern, auf denen die Entscheidung des FG beruht.
Entscheidungsgründe
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II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist zwar nicht innerhalb der verlängerten Frist des § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO begründet worden. Jedoch liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 Abs. 1 FGO vor. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers war ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten.
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a) Die Frist zur Begründung der (rechtzeitig erhobenen) Nichtzulassungsbeschwerde lief am 27. Dezember 2012 ab. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist per Telefax erst am 28. Dezember 2012 um 00:28 Uhr beim BFH eingegangen. Das ergibt sich aus dem maschinellen Empfangsbericht des Telefax-Geräts beim BFH. Die Frist ist damit versäumt. Die Frist ist nur gewahrt, wenn der fristgebundene Schriftsatz vor Fristablauf vollständig eingegangen ist (BFH-Beschluss vom 8. Juli 2011 III B 7/10, BFH/NV 2011, 1895).
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b) Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft einen Prozessbevollmächtigten kein Verschulden an dem verspäteten Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes, wenn die Telefaxübermittlung --etwa wegen technischer Störungen am Empfangsgerät oder wegen Leitungsstörungen-- einen Zeitraum beansprucht, mit dem er nicht rechnen musste (Beschluss vom 10. Juli 2012 VIII ZB 15/12, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 267, m.w.N.).
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Im Streitfall ist nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers von einem solchen Fall auszugehen. Denn sein Vortrag, er habe um 23:50 Uhr mit der Übermittlung seiner Beschwerdebegründung begonnen, deckt sich mit dem Aufdruck seines Faxgeräts auf Seite 1 des klägerischen Schriftsatzes. Um 23:54 Uhr, also vier Minuten später, wurde Seite 7 der Beschwerdebegründung übermittelt. Für die Übermittlung der restlichen acht Seiten der Beschwerdeschrift vor 0 Uhr verblieben somit noch knappe sechs Minuten, die --so der Schriftsatz weiter so zügig übermittelt worden wäre-- ausgereicht hätten. Seite 8 der Beschwerdeschrift erreichte den BFH allerdings erst um 23:57 Uhr und Seite 9 wurde um 00:02 Uhr, also bereits am 28. Dezember 2012, übermittelt. Mit Übertragungsdauern von mehreren Minuten je Seite (zwischen der Übertragung der Seite 14 und der Seite 15 liegen fünf Minuten, obwohl die Seite 15 nur zur Hälfte beschrieben ist) musste der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht rechnen, sondern durfte darauf vertrauen, dass die Beschwerdebegründung innerhalb der üblichen Übertragungsdauer an den BFH übermittelt wird. An der möglicherweise auf Leitungsstörungen beruhenden längeren Übertragungsdauer bei der Übermittlung des Schriftsatzes vom 27. Dezember 2012 trifft ihn daher kein ihm zuzurechnendes Verschulden. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass das gesamte Dokument beim Faxgerät des BFH um 0:28 Uhr eingegangen ist, das Faxgerät des Prozessbevollmächtigten des Klägers es aber bereits um 0:27 Uhr, also eine Minute früher, gesendet hat. Berücksichtigt man diese Übertragungszeit bei dem Gesamtdokument, ist nicht ausgeschlossen, dass die Beschwerdebegründung bei einer normalen Übertragungsdauer noch vor 24 Uhr beim BFH eingegangen wäre.
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2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
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a) Wird über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden, so stellt dies einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar; in einem solchen Fall wird zugleich der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO verletzt (BFH-Beschlüsse vom 8. Juni 2004 XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417; vom 8. April 2004 VII B 181/03, BFH/NV 2004, 1284; vom 16. April 2007 VII B 98/04, BFH/NV 2007, 1345).
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b) Ein solcher Verfahrensmangel liegt im Streitfall allerdings nicht vor. Das FG hat zu Recht erkannt, dass der Kläger den Gegenstand seines Klagebegehrens nicht innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist hinreichend bezeichnet sowie substantiiert und in sich schlüssig dargelegt hat, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt. Die --unterzeichnete-- Seite 2 seiner Klagebegründung vom 23. März 2012 mit den Anträgen wurde vom FG am 24. März 2012 um 00:00:54 Uhr empfangen und auch der gesamte Schriftsatz ging am 24. März 2012 um 00:00:54 Uhr beim FG ein. Zutreffend hat das FG in seinem Prozessurteil darauf abgestellt, dass es für die Frage, wann ein Telefax bei Gericht eingeht, darauf ankommt, dass die gesendeten Signale vom Telefaxgerät des Gerichts noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist empfangen worden sind. Mit den Einwänden des Klägers gegen den verspäteten Eingang seiner Klagebegründung hat es sich im Urteil umfassend auseinandergesetzt und der Kläger hat diese Ausführungen in seiner Beschwerdebegründung nicht widerlegt. Mit der vorzeitigen Umstellung des Faxgeräts des FG auf die Sommerzeit (tatsächliche Umstellung in den frühen Morgenstunden des 25. März 2012) --wie der Kläger mutmaßt-- lassen sie sich keinesfalls erklären. Der Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten ging am 24. März 2012 um 00:00:54 Uhr auf dem Faxgerät des FG ein; wäre das Faxgerät tatsächlich vorzeitig umgestellt worden, hätte es nach dem klägerischen Vorbringen im Schriftsatz an das FG vom 29. März 2012 zwischen 00:53 Uhr und 00:56 Uhr beim FG eingehen müssen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Seite 2 seines Schriftsatzes vom 23. März 2012 (von insgesamt fünf Seiten) am unteren Seitenrand unterzeichnet hat. Offensichtlich war ihm bewusst, dass sich die gesetzte Ausschlussfrist ihrem Ende zuneigt.
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c) Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Kläger beim FG nicht gestellt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.
(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen
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Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen, - 2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen oder elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.
(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.