Bundesfinanzhof Urteil, 05. Feb. 2013 - VII R 23/12

bei uns veröffentlicht am05.02.2013

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) meldete im Mai 2008 eine Warensendung Kunststoffsandalen aus der Volksrepublik China zur Überführung in den freien Verkehr an. Wegen einer möglichen Verletzung eines für Schuhe dieser Art der us-amerikanischen Fa. X (Rechtsinhaberin) zustehenden Geschmacksmusters setzte das Zollamt F des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) die Überlassung der Waren mit Bescheid vom 14. Mai 2008 aus (Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 --VO Nr. 1383/2003-- des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 196/7).

2

Mit Schreiben vom 29. Mai 2008 beantragte die Rechtsinhaberin die Verlängerung der Aussetzungsfrist bis zum 3. Juni 2008 mit der Begründung, sie benötige die zusätzliche Zeit zur Vorbereitung und Erhebung einer Klage zur Feststellung der Rechtsverletzung. Das Zollamt F entsprach diesem Antrag. Am 30. Mai 2008 erhob die Rechtsinhaberin Klage beim Landgericht (LG) wegen Geschmacksmusterverletzung, worüber sie das Zollamt F am Folgetag informierte. Wenige Tage später erwirkte sie zudem eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin, mit der dieser aufgegeben wurde, das Inverkehrbringen von Schuhen der streitigen Art (dort näher beschrieben) zu unterlassen.

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Den gegen die Aussetzung der Überlassung der Waren erhobenen Einspruch der Klägerin wies das HZA im Februar 2009 zurück. Den mit der hiergegen erhobenen Klage zunächst gestellten Antrag auf Aufhebung der Aussetzung änderte die Klägerin in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag, nachdem sie sich mit der Rechtsinhaberin geeinigt, diese ihre Klage vor dem LG zurückgenommen und das HZA die Aussetzung der Überlassung aufgehoben hatten.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zwar zulässig, weil die Klägerin auch in Zukunft Waren aus China einführen wolle, bei denen die Gefahr einer Aussetzung ihrer Überlassung wegen Verletzung eines Rechts geistigen Eigentums bestehe, und sie deshalb ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der im Streitfall verfügten Aussetzung habe. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Die Aussetzung der Überlassung sei rechtmäßig gewesen, weil hinsichtlich der Einfuhrware seinerzeit der Verdacht der Verletzung eines Rechts geistigen Eigentums bestanden habe und ebenso die übrigen Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1383/2003 unstreitig vorgelegen hätten. Auch habe das HZA die Aussetzung über den 3. Juni 2008 hinaus aufrechterhalten dürfen, weil es die durch Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1383/2003 festgelegte Aussetzungsfrist von zehn Arbeitstagen auf Antrag der Rechtsinhaberin bis zu jenem Datum verlängert und diese vor Ablauf der verlängerten Frist ihre Klageschrift beim LG eingereicht habe. Unerheblich sei, dass erst später der Gerichtskostenvorschuss gezahlt und die Klageschrift zugestellt worden seien. Für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sei die Anhängigkeit einer zivilrechtlichen Klage ausreichend; Rechtshängigkeit sei nicht erforderlich.

5

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das HZA habe die nach Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 1383/2003 vorgeschriebene Aussetzungsfrist zu Unrecht verlängert. Die insoweit fehlende Begründung zeige, dass das HZA von dem ihm nach Unterabs. 2 der Vorschrift eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht habe. Jedenfalls hätte es aber die Aussetzung mit Ablauf der verlängerten Frist ab dem 3. Juni 2008 aufheben müssen, weil die Rechtsinhaberin bis zu diesem Zeitpunkt zwar eine Klageschrift beim LG eingereicht, nicht jedoch die nach § 6 des Gerichtskostengesetzes fällige Verfahrensgebühr gezahlt habe. Die "Einleitung" eines Klageverfahrens i.S. des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1383/2003 erfordere auch die Entrichtung der Gerichtskosten.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und festzustellen, dass die Aussetzung der Überlassung der Waren ab dem 3. Juni 2008 rechtswidrig war.

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Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Zwar wäre die Klage richtigerweise als unzulässig abzuweisen gewesen. Gleichwohl ist das angefochtene Urteil nicht aufzuheben, weil sein Tenor richtig ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 1988 I R 67/84, BFHE 154, 5, BStBl II 1988, 927, m.w.N.; Senatsurteil vom 31. Mai 2005 VII R 49/04, BFH/NV 2005, 2067).

9

Die Klage ist unzulässig, weil es an dem für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderlichen berechtigten Interesse an der begehrten Feststellung fehlt (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO).

10

Für das berechtigte Interesse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2001 VI R 131/00, BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300, m.w.N.). U.a. kann --was im Streitfall allein in Betracht kommt-- ein berechtigtes Interesse daraus abzuleiten sein, dass ein konkreter Anlass für die Annahme besteht, die Behörde werde die vom Kläger für rechtswidrig erachtete Maßnahme in absehbarer Zukunft wiederholen (BFH-Urteil vom 26. September 2007 I R 43/06, BFHE 219, 13, BStBl II 2008, 134, m.w.N.).

11

Die Bejahung eines wegen bestehender Wiederholungsgefahr berechtigten Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts setzt jedoch voraus, dass die Wiederholungsgefahr hinreichend konkret ist (BFH-Urteil in BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300). Dafür sind im Streitfall Anhaltspunkte weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

12

Die Klägerin, die hinsichtlich des berechtigten Feststellungsinteresses darlegungspflichtig ist, hat insoweit lediglich vorgetragen, sie wolle auch in Zukunft Waren aus China über das Zollamt F einführen und deshalb klären, dass das Zollamt die Aussetzung der Überlassung der Waren nicht aufrechterhalten dürfe, ohne dass der Rechtsinhaber ein Verfahren zur gerichtlichen Feststellung der Rechtsverletzung eingeleitet und die fälligen Gerichtskosten bezahlt hat. Aus ihrem Vorbringen ergeben sich indes keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass sie bei zukünftigen Einfuhren mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wieder einem Verfahren gemäß Art. 9 VO Nr. 1383/2003 ausgesetzt sein und der betreffende Rechteinhaber wiederum eine zivilrechtliche Klage zur Durchsetzung seines vermeintlichen Rechts erheben wird, ohne die fällige Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zu entrichten. Dem Vorbringen der Beteiligten kann auch nicht entnommen werden, dass die Klägerin --was ggf. auf eine solche gewisse Wahrscheinlichkeit schließen lassen könnte-- bereits in der Vergangenheit von ähnlichen Aussetzungsverfahren betroffen war.

13

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. März 1998 I ZR 264/95 (Monatsschrift für Deutsches Recht 1998, 1494), auf das sich die Klägerin beruft, betrifft eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage und die Zulässigkeit eines Antrags auf Feststellung, dass sich das mit dem Hauptantrag verfolgte Unterlassungsverlangen erledigt habe. Um ein solches Feststellungsbegehren geht es im Streitfall nicht.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 6 Fälligkeit der Gebühren im Allgemeinen


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1.
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,
2.
in Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz,
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in Insolvenzverfahren und in schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
3a.
in Verfahren nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz,
4.
in Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes und
5.
in Prozessverfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit.
Im Verfahren über ein Rechtsmittel, das vom Rechtsmittelgericht zugelassen worden ist, wird die Verfahrensgebühr mit der Zulassung fällig.

(2) Soweit die Gebühr eine Entscheidung oder sonstige gerichtliche Handlung voraussetzt, wird sie mit dieser fällig.

(3) In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen bestimmt sich die Fälligkeit der Kosten nach § 9.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.