Bundesfinanzhof Beschluss, 16. Sept. 2010 - VII B 281/09


Gericht
Tatbestand
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I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), den Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen, abgewiesen. Dabei hat es u.a. das rechtliche Interesse des FA an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch unter dem Gesichtspunkt bejaht, dass das FA eine mögliche Befriedigung aus für den Fiskus eingetragenen Grundpfandrechten noch nicht versucht hatte. Denn das rechtliche Interesse an der Stellung des Insolvenzantrags fehle nur bei ausreichender oder zweifelsfrei vollständiger Sicherung der Forderungen. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) etwa dann der Fall, wenn der Verkehrswert der belasteten Grundstücke ca. doppelt so hoch sei wie der Nominalwert der auf ihnen lastenden Grundpfandrechte. Dass diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt sei, habe der Kläger trotz der vom FA angesichts der eingetragenen Vorbelastungen einleuchtend beschriebenen Zweifel an der Werthaltigkeit der für den Fiskus eingetragenen Rechte weder dargelegt noch belegt.
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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend, ob das FA berechtigt sei, Insolvenzantrag gegen einen Schuldner zu stellen, wenn ein Insolvenzverfahren dem FA gegenüber der Einzel-Vollstreckung keine Vorteile bringe, insbesondere wenn es die Pfändung von werthaltigen Rückgewähransprüchen unterlasse. Dazu beruft er sich auf den BGH-Beschluss vom 29. November 2007 IX ZB 12/07 (Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht --ZinsO-- 2008, 103). Das Unterlassen von Pfändungsmaßnahmen sei darüber hinaus mangelnde Sachaufklärung, die sich als Verfahrensfehler in das Gerichtsverfahren fortsetze.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Hierfür reicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist zunächst eine konkrete Rechtsfrage herauszustellen. Sodann ist schlüssig und substantiiert darzutun, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Oktober 2002 IX B 129/02, BFH/NV 2003, 328, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
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Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Entscheidung des FA auf dem Rechtssatz beruht, das Unterlassen der Pfändung werthaltiger Rückgewähransprüche stehe der Stellung des Insolvenzantrags nicht entgegen. Tatsächlich begründet das FG sein Urteil unter Berufung auf die Rechtsauffassung des BGH (Beschluss vom 26. Juni 2008 IX ZB 238/07, juris), mit der sich der BGH ausdrücklich der Rechtsauffassung in dem vom Kläger zitierten Beschluss in ZinsO 2008, 103 anschließt. Danach ist nur dann der Insolvenzantrag eines Gläubigers unzulässig, wenn dessen Forderung zweifelsfrei vollständig dinglich gesichert ist. Gerade diese Voraussetzung hat das FG aber angesichts der Vorbelastungen der Grundstücke als zweifelhaft angesehen. Die Werthaltigkeit von --pfändbaren-- Rückgewähransprüchen des Klägers hat es nicht festgestellt.
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Unter diesen Umständen ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage in diesem Verfahren nicht klärungsfähig.
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2. An die tatsächlichen Feststellungen des FG ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), da der Kläger insoweit keine wirksame Verfahrensrüge erhoben hat. Zwar rügt er mangelnde Sachaufklärung hinsichtlich der angeblich bestehenden Rückgewähransprüche. Abgesehen von Zweifeln an der Substantiierung dieser Rüge ist der Kläger damit in diesem Beschwerdeverfahren ausgeschlossen, weil er es unterlassen hat, sie spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zu erheben und an der gewünschten Aufklärung durch Vorlage von Urkunden oder sonstigen Beweismitteln mitzuwirken. Die Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche eine fachkundig vertretene Partei selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2010 IX B 163/09, BFH/NV 2010, 887; vom 9. Januar 2007 VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751).


Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.
(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.