Bundesfinanzhof Beschluss, 28. Okt. 2016 - V S 29/16

ECLI:ECLI:DE:BFH:2016:B.281016.VS29.16.0
28.10.2016

Tenor

Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 28. Juli 2016  V S 21/16 wird als unzulässig verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

1

Der Kläger, Beschwerdeführer und Gegenvorstellungsführer (Kläger) wendet sich mit seiner Gegenvorstellung dagegen, dass der Senat eine frühere Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom 4. Mai 2016 V B 108/15 (BFH/NV 2016, 1289) als unzulässig verworfen hat. Auch die erneute Gegenvorstellung ist unzulässig und daher zu verwerfen.

2

1. Die Gegenvorstellung ist nicht statthaft.

3

a) Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Gegenvorstellung statthaft sein kann (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 5. November 2013  1 BvR 2544/12, Neue Juristische Wochenschrift 2014, 681, Rz 15), wäre sie allenfalls dann zulässig, wenn substantiiert dargelegt würde, die angegriffene Entscheidung beruhe auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder erscheine unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar und entbehre jeder gesetzlichen Grundlage (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Mai 2014 II S 18/14, BFH/NV 2014, 1220, Rz 4 f.).

4

b) Dem wird die Gegenvorstellung nicht gerecht. Der Kläger macht keinen solchen qualifizierten Rechtsfehler substantiiert geltend. Er versucht lediglich, seine abweichende rechtliche und tatsächliche Würdigung an die Stelle der Würdigung durch den Senat zu setzen.

5

c) Der Senat muss daher nicht entscheiden, ob die Gegenvorstellung auch aus anderen Gründen unzulässig ist.

6

2. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Gegenvorstellung auch in der Sache keinen Erfolg haben könnte. Schon die frühere Gegenvorstellung genügte nicht den unter 1.a beschriebenen Darlegungserfordernissen und war jedenfalls deswegen unzulässig.

7

3. Der Senat wird weitere Eingaben in dieser Sache nicht mehr verbescheiden.

8

a) Ein Beteiligter kann durch --gegebenenfalls auch mehrfach-- wiederholtes Vorbringen einer abweichenden tatsächlichen oder rechtlichen Würdigung grundsätzlich nicht erreichen, dass ein Gericht eine rechtskräftige Entscheidung abermals überprüft. Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger (§ 110 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es gibt --entgegen der Auffassung des Klägers-- keinen Rechtsgrundsatz, dass nur zutreffende Entscheidungen in Rechtskraft erwachsen können (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 1992  1 C 12.92, BVerwGE 91, 256, 259 f.; vom 24. November 1998  9 C 53.97, BVerwGE 108, 30, 33, und vom 18. September 2001  1 C 7.01, BVerwGE 115, 118, 122 f.).

9

b) Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes --GG--) eröffnet keinen unbegrenzten Rechtsweg. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) fordert, dass jeder Rechtsstreit um der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens willen irgendwann ein Ende findet, selbst wenn er möglicherweise unrichtig entschieden wurde (Plenarbeschluss des BVerfG vom 30. April 2003  1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, unter C.I.2.).

10

c) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) bedeutet nicht, dass das Gericht einen Beteiligten "erhören", sich also seinen rechtlichen Ansichten oder seiner Sachverhaltswürdigung anschließen müsste (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 16. April 2015 IV R 44/12, BFH/NV 2015, 1085, Rz 25; BFH-Beschluss vom 19. Februar 2016 X S 38/15 (PKH), BFH/NV 2016, 940, Rz 16). Wenn der Kläger der Auffassung gewesen wäre, der Senat hätte sein Vorbringen im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, hätte er gegen die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde eine Anhörungsrüge (§ 133a FGO) erheben können. Dies hat er nicht getan und auch sonst keine Umstände vorgetragen, die ausnahmsweise (vgl. unter 1.) Anlass zu einer nochmaligen Befassung des Senats hätten geben können. Vielmehr wendet er sich im Kern gerade dagegen, dass der Senat sich seiner Würdigung nicht angeschlossen hat.

11

4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 2012 X S 1/12, BFH/NV 2012, 1149, Rz 13; vom 24. April 2012 IX E 4/12, BFH/NV 2012, 1798, Rz 9).

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Referenzen - Gesetze

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 133a


(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2. das Gericht den Anspruch dieses

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 110


(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, 1. die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,2. in den Fällen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 die nicht klageberechtigten Gesellschafter oder Gemeinschafter und3. im Fa

Referenzen

(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,
2.
in den Fällen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 die nicht klageberechtigten Gesellschafter oder Gemeinschafter und
3.
im Fall des § 60a die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.
Die gegen eine Finanzbehörde ergangenen Urteile wirken auch gegenüber der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, der die beteiligte Finanzbehörde angehört.

(2) Die Vorschriften der Abgabenordnung und anderer Steuergesetze über die Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten sowie über die Nachforderung von Steuern bleiben unberührt, soweit sich aus Absatz 1 Satz 1 nichts anderes ergibt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 131 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.