Bundesfinanzhof Urteil, 25. Nov. 2015 - V R 65/14
Gericht
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 29. Oktober 2014 3 K 796/11 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) als Haftende nach § 13c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für Umsatzsteuer Februar bis Mai 2006 (Streit- oder Haftungszeitraum) in Anspruch nehmen konnte.
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Der Unternehmer unterhielt bei der Klägerin ein Girokonto, für das ihm die Klägerin keine ausdrückliche Kreditlinie oder Überziehung eingeräumt hatte. Der Unternehmer nahm auf diesem Konto Überziehungen vor, die die Klägerin bis einschließlich Mai 2006 widerspruchslos hinnahm. Die Überziehungen erreichten bereits im Jahr 2005 eine Größenordnung von ca. 46.900 €.
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Dem Unternehmer standen aus umsatzsteuerpflichtigen Vermietungen Vergütungsansprüche zu, auf die die Mieter durch Überweisung auf das bei der Klägerin unterhaltene Konto des Unternehmers zahlten.
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Durch Verträge vom 3. Februar 2005 und vom 29. April 2005 trat der Unternehmer alle ihm zustehenden gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus der Vermietung gegen die dort bezeichneten Mieter an die Klägerin ab. Damit sollten die bankmäßigen Ansprüche der Klägerin gegen den Unternehmer gesichert werden. Die Abtretung sollte den Mietern gegenüber nicht offengelegt werden und der Unternehmer weiterhin die Einziehung übernehmen.
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Von Februar bis Mai 2006 überwiesen die Mieter monatliche Mieten einschließlich der Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 44.710,83 € auf dieses Girokonto. Darin enthalten war auch die Umsatzsteuer in Höhe von zusammen 6.168,24 €.
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Das Girokonto des Unternehmers wies im Streitzeitraum durchgehend ein Negativsaldo aus, und zwar zum 31. Januar 2006 in Höhe von 38.342,19 €, zum 28. Februar 2006 in Höhe von 42.562,06 €, zum 31. März 2006 in Höhe von 36.597,29 €, zum 30. April 2006 in Höhe von 41.159 € und zum 31. Mai 2006 in Höhe von 43.565,14 €. Der Negativsaldo dieses Kontos hatte zum 31. Dezember 2005 46.914,65 € betragen.
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Neben den Mieten gingen noch weitere Gutschriften auf dem Girokonto in Höhe von 4.126,62 € ein.
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Der Unternehmer überwies viermal einen Betrag in Höhe von je 12.113,96 € als monatliche Zins- und Tilgungszahlung auf ein von der Klägerin dem Unternehmer gewährtes Darlehen.
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Wegen der zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmers legte die Klägerin am 28. Juni 2006 die Abtretung einigen Mietern des Unternehmers gegenüber offen und zog die danach eingegangenen Mieten selbst ein. Die darin enthaltene Umsatzsteuer führte sie an das FA ab.
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Der Schuldner gab für die Voranmeldungszeiträume des Haftungszeitraums keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab, worauf das FA Schätzungsbescheide erließ. Der Unternehmer zahlte die festgesetzten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen nicht. Die Vollstreckung hatte nur teilweise Erfolg. Am 3. und 7. September 2007 gab der Unternehmer die ausstehenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab, denen das FA zustimmte. In den Voranmeldungen waren die eingegangenen Mieten enthalten. Auf die verbleibenden Umsatzsteuer-Vorauszahlungen in Höhe von 6.168,24 € wurden zwei Zahlungen geleistet, so dass offene Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für den Streitzeitraum in Höhe von 5.490 € verblieben (396,86 € für Februar 2006, 2.792,16 € für März 2006, 983,10 € für April 2006 und 1.317,98 € für Mai 2006).
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Wegen dieses Betrages nahm das FA die Klägerin nach vorheriger Anhörung durch Bescheid vom 22. Oktober 2007 unter Hinweis auf § 13c UStG in Haftung. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Am 12. Februar 2009 erließ das FA den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2006 mit einer Festsetzung über 17.636,78 €, der zu einer weiteren Nachzahlung in Höhe von 1.600 € führte. Das FA legte dabei die Summe der vorangemeldeten Umsätze zugrunde und erhöhte diese um einen Zuschlag von 10 %. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
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Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 857 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Die Vereinnahmung und Haftung einer kontoführenden Bank nach § 13c UStG trete bei einer stillen Abtretung, die gegenüber dem Vertragspartner des Unternehmers nicht offengelegt werde, nicht ein, solange der Unternehmer im Rahmen einer geduldeten Überziehung über die Gelder auf dem Girokonto verfügen könne. Erst wenn die Bank die eingehenden Gelder ausschließlich zur Rückführung der Kreditlinie verwende und es dem abtretenden Unternehmer nicht mehr möglich sei, die in dem abgetretenen Forderungsbetrag enthaltene Umsatzsteuer abzuführen, liege eine Vereinnahmung durch die Bank und damit durch die Klägerin vor.
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Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Der Unternehmer habe im Rahmen einer Globalzession die ihm zustehenden gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus der Vermietung an die dort bezeichneten Mieter abgetreten. Er habe seine Umsatzsteuer für die Vorauszahlungszeiträume Februar bis Mai 2006 bei Fälligkeit nicht oder teilweise nicht entrichtet. Für die Vereinnahmung reiche aus, dass die Klägerin aufgrund der Abtretung befugt gewesen sei, die eingegangenen Forderungen --soweit das Konto im Debet geführt war-- zum Ausgleich ihrer eigenen Forderungen gegen den Unternehmer zu verwenden. Mangels Kreditvereinbarung sei sie befugt gewesen, über die auf dem Konto eingegangenen Entgelte zu verfügen. Aufgrund der nur geduldeten Überziehung sei die Klägerin berechtigt gewesen, die eingehenden Forderungen zu vereinnahmen. Unerheblich sei, dass die Klägerin diese Beträge anschließend wieder dem Unternehmer überlassen habe. Dies ändere nichts an der zuvor erfolgten Vereinnahmung. Die Klägerin habe nicht nur als Zahlstelle fungiert. Sie sei berechtigt gewesen, die eingegangenen Forderungen für ihre eigenen Ansprüche zu verwenden. Entgegen dem Urteil des FG komme es nicht auf die tatsächliche Verwendung des abgetretenen Betrages an. Soweit der Unternehmer Zahlungen von dem Konto habe vornehmen können, sei dies aufgrund der nur geduldeten Überziehung nur mit Einwilligung der Klägerin möglich gewesen. Von den im Zeitraum Februar bis Mai 2006 vereinnahmten Mietforderungen in Höhe von 44.710,83 € habe der Unternehmer viermal 12.113,96 € für Zins- und Tilgungszahlungen an die Klägerin verwendet. Dass es Bankkunden ohne diese Tilgungen möglich gewesen wäre, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer zu tilgen, sei unerheblich.
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Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie habe nichts vereinnahmt. Dem Zedenten sei die Zahlung der Umsatzsteuer nicht unmöglich gewesen. Sie sei nur Zahlstelle gewesen. Eine Verwertungsbefugnis habe für sie nicht bestanden, da der Sicherungsfall noch nicht eingetreten gewesen sei.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 13c UStG verneint.
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1. § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG ordnet eine Haftung des Zessionars für eine Steuerschuld des Zedenten an.
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§ 13c Abs. 1 Satz 1 UStG hat folgenden Wortlaut: "Soweit der leistende Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 an einen anderen Unternehmer abgetreten und die festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berücksichtigt worden ist, bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat, haftet der Abtretungsempfänger nach Maßgabe des Absatzes 2 für die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist."
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Grundlage für § 13c UStG ist im Unionsrecht Art. 205 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG. Nach dem Urteil des XI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. März 2013 XI R 11/12 (BFHE 241, 89) verstößt die Haftung nach § 13c UStG weder gegen höherrangiges Recht noch gegen allgemeine Rechtsgrundsätze; die Vorschrift entspricht dem Unionsrecht und ist nach diesem Urteil auch im Fall der stillen Zession anzuwenden. Dem hat sich der erkennende Senat bereits angeschlossen (BFH-Urteil vom 21. November 2013 V R 21/12, BFHE 244, 70, unter II.1.).
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2. Im Streitfall kann der Senat offenlassen, ob sich die für die Haftung nach § 13c UStG erforderliche Vereinnahmung bereits aus einer Gutschrift auf dem Kontokorrentkonto ergibt, obwohl der Zedent über dieses Konto im Rahmen einer geduldeten Überziehung verfügungsbefugt war.
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Denn der Zedent (Unternehmer) hat die ihm im Rahmen der geduldeten Überziehung eingeräumte Verfügungsmacht genutzt und seine Verbindlichkeiten bei der Klägerin getilgt, die durch die zugunsten der Klägerin bestehende Abtretung gesichert wurden. Selbst wenn es noch nicht durch die Verbuchung auf dem Kontokorrentkonto zu einer Schuldtilgung und damit zu einer Vereinnahmung durch die Klägerin gekommen ist, so jedenfalls durch die Verfügung von diesem Konto zugunsten der Klägerin.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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(1) Soweit der leistende Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 an einen anderen Unternehmer abgetreten und die festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berücksichtigt worden ist, bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat, haftet der Abtretungsempfänger nach Maßgabe des Absatzes 2 für die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist. Ist die Vollziehung der Steuerfestsetzung in Bezug auf die in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer gegenüber dem leistenden Unternehmer ausgesetzt, gilt die Steuer insoweit als nicht fällig. Soweit der Abtretungsempfänger die Forderung an einen Dritten abgetreten hat, gilt sie in voller Höhe als vereinnahmt. Die Forderung gilt durch den Abtretungsempfänger nicht als vereinnahmt, soweit der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt. Voraussetzung ist, dass dieser Geldbetrag tatsächlich in den Verfügungsbereich des leistenden Unternehmers gelangt; davon ist nicht auszugehen, soweit dieser Geldbetrag auf ein Konto gezahlt wird, auf das der Abtretungsempfänger die Möglichkeit des Zugriffs hat.
(2) Der Abtretungsempfänger ist ab dem Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen, in dem die festgesetzte Steuer fällig wird, frühestens ab dem Zeitpunkt der Vereinnahmung der abgetretenen Forderung. Bei der Inanspruchnahme nach Satz 1 besteht abweichend von § 191 der Abgabenordnung kein Ermessen. Die Haftung ist der Höhe nach begrenzt auf die im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht entrichtete Steuer. Soweit der Abtretungsempfänger auf die nach Absatz 1 Satz 1 festgesetzte Steuer Zahlungen im Sinne des § 48 der Abgabenordnung geleistet hat, haftet er nicht.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten bei der Verpfändung oder der Pfändung von Forderungen entsprechend. An die Stelle des Abtretungsempfängers tritt im Fall der Verpfändung der Pfandgläubiger und im Fall der Pfändung der Vollstreckungsgläubiger.
(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.
(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.
(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof
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in der Sache selbst entscheiden oder - 2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.
(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.
(1) Soweit der leistende Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 an einen anderen Unternehmer abgetreten und die festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berücksichtigt worden ist, bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat, haftet der Abtretungsempfänger nach Maßgabe des Absatzes 2 für die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist. Ist die Vollziehung der Steuerfestsetzung in Bezug auf die in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer gegenüber dem leistenden Unternehmer ausgesetzt, gilt die Steuer insoweit als nicht fällig. Soweit der Abtretungsempfänger die Forderung an einen Dritten abgetreten hat, gilt sie in voller Höhe als vereinnahmt. Die Forderung gilt durch den Abtretungsempfänger nicht als vereinnahmt, soweit der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt. Voraussetzung ist, dass dieser Geldbetrag tatsächlich in den Verfügungsbereich des leistenden Unternehmers gelangt; davon ist nicht auszugehen, soweit dieser Geldbetrag auf ein Konto gezahlt wird, auf das der Abtretungsempfänger die Möglichkeit des Zugriffs hat.
(2) Der Abtretungsempfänger ist ab dem Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen, in dem die festgesetzte Steuer fällig wird, frühestens ab dem Zeitpunkt der Vereinnahmung der abgetretenen Forderung. Bei der Inanspruchnahme nach Satz 1 besteht abweichend von § 191 der Abgabenordnung kein Ermessen. Die Haftung ist der Höhe nach begrenzt auf die im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht entrichtete Steuer. Soweit der Abtretungsempfänger auf die nach Absatz 1 Satz 1 festgesetzte Steuer Zahlungen im Sinne des § 48 der Abgabenordnung geleistet hat, haftet er nicht.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten bei der Verpfändung oder der Pfändung von Forderungen entsprechend. An die Stelle des Abtretungsempfängers tritt im Fall der Verpfändung der Pfandgläubiger und im Fall der Pfändung der Vollstreckungsgläubiger.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.