Bundesfinanzhof Beschluss, 13. Jan. 2011 - V B 65/10
Gericht
Gründe
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Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die Revision ist nicht im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) zuzulassen.
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a) Der Kläger hält es für klärungsbedürftig, ob es "die Erteilung des Unterrichts als 'Privatlehrer' im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG [erfordert], dass der Lehrer für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt und ob es [genügt], dass die Auftraggeber bei geringer Nachfrage berechtigt sind, ohne Zahlungsverpflichtung Vorträge und Seminare abzusagen, um die Tätigkeit des Klägers als solche eines 'Privatlehrers' zu qualifizieren …?"
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b) Nach dem zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz (BFH/NV 2010, 583 Rdnrn. 21 bis 23 und 32) bezieht sich die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung entgegen ihrer deutschen Sprachfassung nicht auf den "von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht", sondern entsprechend den anderen Sprachfassungen der Richtlinie auf "Unterrichtseinheiten, die von Unterrichtenden erteilt werden und sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen".
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Wie der EuGH weiter entschieden hat, gehört hierzu im Wesentlichen die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit (EuGH-Urteil Eulitz in BFH/NV 2010, 583 Rdnr. 32). Dabei ist nicht zwischen dem Unterricht, der Schülern oder Studierenden erteilt wird, die an einer erstmaligen Schul- oder Hochschulausbildung teilnehmen, und dem Unterricht zu unterscheiden, der Personen erteilt wird, die bereits über einen Schul- oder Hochschulabschluss verfügen und die aufgrund dieses Abschlusses ihre Berufsausbildung betreiben (EuGH-Urteil Eulitz in BFH/NV 2010, 583 Rdnr. 35).
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c) Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen sind auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG), an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist, nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. April 2009 XI B 61/08, nicht veröffentlicht --n.v.--).
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Denn nach den für den Senat in einem Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des FG war nicht festzustellen, dass der Kläger mit Ausnahme der als steuerfrei anerkannten Lehrgänge weitere Vortrags- oder Unterrichtsleistungen erbracht hat, die der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Rahmen einer Ausbildung gedient hätten.
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Fallen die durch den Kläger erbrachten Leistungen bereits nach ihrem Leistungsgegenstand nicht unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG, ist aber nicht klärungsfähig, welche Anforderungen der Unternehmer in eigener Person zu erfüllen hat, um die Steuerfreiheit nach dieser Bestimmung in Anspruch zu nehmen.
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2. Die Beschwerde hat auch insoweit keinen Erfolg, als der Kläger die grundsätzliche Bedeutung weiter darauf stützt, dass klärungsbedürftig sei, ob "es bei dem Tatbestandsmerkmal einer 'Einrichtung mit sozialem Charakter' im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG noch der förmlichen anderweitigen Anerkennung [bedarf], wenn die Kosten der Leistungen als freiberuflicher Dozent und Fachberater im vollen Umfang vom Jugendamt, Landesjugendamt oder anerkannten gemeinnützigen Trägern der freien Jugendhilfe getragen und honoriert werden …".
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Liegt zu der im Beschwerdeverfahren herausgestellten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, gehört zu der erforderlichen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) auch eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (BFH-Beschlüsse vom 19. Oktober 2007 II B 107/06, BFH/NV 2008, 573; vom 14. April 2009 II B 92/08, n.v.). Daher hätte die Beschwerde den Begründungserfordernissen nur genügt, wenn sich der Kläger mit der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 26. Mai 2005 Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., BFH/NV Beilage 2005, 310) und der des Senats (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 2/06, BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634) auseinandergesetzt hätte, was aber unterblieben ist.
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3. Soweit der Kläger meint, das FG sei zu einer Vorlage an den EuGH verpflichtet gewesen, übersieht er, dass Gerichte, deren Entscheidungen mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, nach dem im Zeitpunkt des Urteils des FG anzuwendenden Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Das FG ist danach auch dann nicht verpflichtet, eine solche Vorabentscheidung einzuholen, wenn es die Revision gegen sein Urteil nicht zulässt (BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 1996 VII B 169/95, BFH/NV 1996, 652; vom 14. März 2008 V B 137/06, BFH/NV 2008, 1213, und vom 14. April 2009 II B 92/08, n.v.).
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4. Die Rüge, das FG habe eine Überraschungsentscheidung getroffen und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, ist nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger hätte insoweit ausführen müssen, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. Mai 2007 VI B 119/06, BFH/NV 2007, 1697; vom 19. Januar 2010 IV B 136/08, BFH/NV 2010, 918).
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Derartige Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Das FG hat das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG auch mit der Begründung verneint, der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, dass und ggf. welche der Leistungen im Sinne dieser Vorschrift er ausgeführt haben will. Inwiefern die Beachtung des Schriftsatzes vom 19. Mai 2010 zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, hat der Kläger nicht dargelegt.
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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.
(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.