Bundesfinanzhof Beschluss, 13. Dez. 2016 - V B 36/16

ECLI:ECLI:DE:BFH:2016:B.131216.VB36.16.0
bei uns veröffentlicht am13.12.2016

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. Januar 2016  8 K 845/07 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legte gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid 2005/IV vom 3. April 2006 Einspruch ein, den der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 als unbegründet zurückwies. Der Kläger erhob Klage zum Finanzgericht (FG). Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erging zunächst der Umsatzsteuerjahresbescheid 2005 vom 20. Oktober 2008, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand der Finanzstreitsache wurde, und wurde am 6. November 2008 über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet.

2

Im Insolvenzverfahren meldete das FA Umsatzsteuer 2005 zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter widersprach der Forderungsanmeldung, nicht aber auch der Kläger. Auf den Widerspruch des Insolvenzverwalters erließ das FA am 7. Juni 2010 einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO). Einspruch und Klage des Klägers hiergegen hatten keinen Erfolg. Die hiergegen eingelegte Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision wies der VII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) durch Beschluss vom 23. Juli 2015 VII B 132/14 zurück.

3

Das FA teilte mit Schreiben vom 24. September 2013 mit, dass es das Verfahren aufnehme. Der Insolvenzverwalter teilte mit Schreiben vom 26. September 2013 mit, dass er den Anspruch aus Umsatzsteuer 2005, den der Kläger mit seiner Klage als "Aktivprozess" geltend mache, freigegeben habe. Das FA erklärte in der Folgezeit den Rechtsstreit für erledigt.

4

Das FG sah in seinem Urteil den Rechtstreit, soweit er den Insolvenzverwalter betrifft, als erledigt und die Klage des Klägers als unzulässig an. Seine Entscheidung begründete das FG damit, dass der Feststellungsbescheid vom 7. Juni 2010 nach der Rechtsprechung des BFH zu einer Hauptsacheerledigung geführt habe (BFH-Urteil vom 18. August 2015 V R 39/14, BFHE 251, 125). Die Klage des Klägers sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Stehe aufgrund des Feststellungsbescheides fest, dass für Umsatzsteuer 2005 ein Anspruch des FA gegeben sei, sei es ausgeschlossen, dass zugleich ein Zahlungsanspruch gegen das FA bestehen könne.

5

Mit seiner Beschwerde macht der Kläger Verfahrensfehler nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend. Das FG sei fehlerhaft von einem Passivprozess ausgegangen. Nach dem Urteil liege eine unzulässige Beteiligtenidentität vor. Das Urteil beruhe auch hierauf. Materiell-rechtlich bestehe ein Erstattungsanspruch.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Klage nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zwingend als unzulässig abzuweisen war.

7

1. Nach dem Senatsurteil in BFHE 251, 125, das zum selben Insolvenzverfahren ergangen ist, ist die Feststellung der vor Insolvenzeröffnung mit Einspruch und Klage angefochtenen und im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderung durch das FA nicht mit Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO, sondern nur durch Aufnahme des unterbrochenen Klageverfahrens zu betreiben. Das ursprüngliche Anfechtungsverfahren wandelt sich dabei in ein Insolvenzfeststellungsverfahren um, wodurch sich die Parteirollen der Beteiligten ändern. Erlässt das FA gleichwohl einen Feststellungsbescheid, entfällt spätestens mit dessen Bestandskraft das für die Zulässigkeit des Insolvenzfeststellungsverfahrens erforderliche Feststellungsinteresse.

8

Der Senat hat dies damit begründet, dass ein gemäß § 251 Abs. 3 AO wirksam erlassener Bescheid die Feststellung enthält, dass der bestrittene Anspruch in der geltend gemachten Höhe besteht und i.S. von § 38 der Insolvenzordnung (InsO) begründet ist. Festgestellte Steueransprüche werden von der rechtskraftähnlichen Wirkung des Tabelleneintrages i.S. von § 178 Abs. 3 InsO erfasst, so dass sie ohne Steuerbescheid durchgesetzt werden können. Wird der Feststellungsbescheid --wie hier-- unanfechtbar, wirkt er entsprechend § 183 Abs. 1 InsO wie eine rechtskräftige Entscheidung (BFH-Urteil in BFHE 251, 125, unter II.2.b aa).

9

Danach war die Klage, wie das FG zutreffend entschieden hat, zwingend als unzulässig zu verwerfen. Selbst wenn eine verfahrensmäßig nicht zutreffende Vorgehensweise vorliegen würde, kann sich diese nicht entscheidungserheblich ausgewirkt haben. Die Entscheidung des FG kann nicht hierauf beruhen. Soweit der Kläger hiergegen geltend macht, seine Rechte würden verkürzt, beruht dies auf den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens und den sich hieraus ergebenden Beschränkungen.

10

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 68


Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbeh

Insolvenzordnung - InsO | § 38 Begriff der Insolvenzgläubiger


Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

Insolvenzordnung - InsO | § 178 Voraussetzungen und Wirkungen der Feststellung


(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch bes

Abgabenordnung - AO 1977 | § 251 Vollstreckbare Verwaltungsakte


(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem

Insolvenzordnung - InsO | § 183 Wirkung der Entscheidung


(1) Eine rechtskräftige Entscheidung, durch die eine Forderung festgestellt oder ein Widerspruch für begründet erklärt wird, wirkt gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. (2) Der obsiegenden Partei obliegt es, beim Insolve

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Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen.

(2) Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken.

(3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

(1) Eine rechtskräftige Entscheidung, durch die eine Forderung festgestellt oder ein Widerspruch für begründet erklärt wird, wirkt gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

(2) Der obsiegenden Partei obliegt es, beim Insolvenzgericht die Berichtigung der Tabelle zu beantragen.

(3) Haben nur einzelne Gläubiger, nicht der Verwalter, den Rechtsstreit geführt, so können diese Gläubiger die Erstattung ihrer Kosten aus der Insolvenzmasse insoweit verlangen, als der Masse durch die Entscheidung ein Vorteil erwachsen ist.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.