Bundesfinanzhof Beschluss, 23. Nov. 2010 - V B 133/09

bei uns veröffentlicht am23.11.2010

Tatbestand

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I. Das Finanzgericht (FG) hat die von B im Namen der A-GmbH in Liquidation (Klägerin und Beschwerdeführerin --Klägerin--) erhobene Klage als unzulässig abgewiesen, weil der als Prozessbevollmächtigte aufgetretene Rechtsanwalt C zwar eine Prozessvollmacht des B vorgelegt habe, dieser aber nicht für die Klägerin vertretungsberechtigt gewesen sei. Vertretungsberechtigt für die Klägerin sei als Liquidatorin vielmehr Frau D gewesen, die nach dem Handelsregisterauszug seit dem 29. April 1999 Geschäftsführerin und nach Auflösung der GmbH am 13. Oktober 1999 zur Liquidatorin bestellt worden sei. Zwar habe B im finanzgerichtlichen Verfahren eine notarielle Urkunde vom 30. Mai 2000 vorgelegt, wonach Frau D die Geschäftführung niedergelegt und die Gesellschaftsanteile auf B übertragen habe, es verbleibe jedoch bei der Vertretungsbefugnis von Frau D, solange nicht andere Personen zum Liquidator "bestellt" worden seien.

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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- (Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung), inhaltlich jedoch auf Verfahrensfehler gestützten Nichtzulassungsbeschwerde. Das FG habe zu Unrecht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil E durch notariellen Vertrag vom 15. Mai 2000 sämtliche noch zu erwerbenden Gesellschaftsanteile an der Klägerin im Voraus an B abgetreten habe. Diese Vorausabtretung sei mit Übertragung der Gesellschaftsanteile von D an E mit notariellem Vertrag vom 30. Mai 2000 wirksam geworden, so dass B Alleingesellschafter geworden sei. B habe sich dann am 30. Mai 2000 zum Alleingeschäftsführer bestellt und habe daher Rechtsanwalt C wirksam mit der Klageerhebung mit Wirkung für die Klägerin bevollmächtigen können.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).

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1. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat die Beschwerde zwar ausdrücklich auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO (Divergenz) gestützt, in der Sache aber macht er Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend. Da keine Bindung an den geltend gemachten Zulassungsgrund besteht, wenn der Beschwerdeführer sein tatsächliches Vorbringen einem Zulassungsgrund unzutreffend zuordnet, ist dies unschädlich (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. November 2007 IV B 166/06, BFH/NV 2008, 248).

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2. Das FG hat die Klage verfahrensfehlerhaft zu Unrecht als unzulässig mit der Begründung abgewiesen, der als Liquidator der Klägerin aufgetretene B sei nicht vertretungsbefugt gewesen, weil seit deren Auflösung am 13. Oktober 1999 Frau D als Liquidatorin im Handelsregister eingetragen sei und eine nach den Grundsätzen des BFH-Beschlusses vom 11. April 2001 I B 130/00 (BFH/NV 2001, 1284) erforderliche Änderung der Bestellung nicht vorliege. In einer unzutreffenden Abweisung einer Klage als unzulässig aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen --hier: der fehlenden Prozessführungsbefugnis des B-- liegt auch ein Verfahrensfehler und nicht nur ein materiell-rechtlicher Fehler (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2009 X B 211/08, BFH/NV 2009, 782, und vom 19. März 2002 IV B 112/01, BFH/NV 2002, 1042).

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3. Die Klägerin hat schlüssig dargelegt, dass B im Zeitpunkt der Klageerhebung als Liquidator zur Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes C für eine Klageerhebung der Klägerin vertretungsbefugt war. Aus dem FG-Urteil ergibt sich, dass diesem der maßgebliche, zur Vertretungsbefugnis des B führende notarielle Vertrag vorgelegen hat.

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Nach § 70 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sind zur gerichtlichen Vertretung der aufgelösten Gesellschaft die Liquidatoren befugt. Liquidator ist der Geschäftsführer der GmbH, wenn die Liquidation nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss anderen Personen übertragen wurde (§ 66 Abs. 1 GmbHG).

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a) Geschäftsführer der Klägerin war ursprünglich entsprechend der Handelsregistereintragung vom 29. April 1999 Frau D. Laut Gesellschafterbeschluss der Klägerin vom 10. Juni 1999 wurde die Gesellschaft im Folgenden aufgelöst und die bisherige Geschäftsführerin Frau D von der Klägerin zur Liquidatorin bestellt (Eintragung der Bestellung im Handelsregister am 13. Oktober 1999).

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b) Nach den von B für die Klägerin im gerichtlichen Verfahren dem FG vorgelegten notariellen Urkunden wurden jedoch im Folgenden sämtliche Geschäftsanteile dem B übertragen. Denn nach der notariellen Urkunde vom 30. Mai 2000 wurden sämtliche Gesellschaftsanteile der Klägerin von D an E übertragen, der seinerseits durch Vorausabtretung vom 15. Mai 2000 die noch zu erwerbenden Anteile an B übertrug. Die Abtretung von Geschäftsanteilen ist auch während der Liquidation zulässig (H. Winter/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 15 Rz 13). Nachdem Frau D mit notariellem Vertrag vom 30. Mai 2000 auch die Geschäftsführung --und damit auch ihr Liquidatorenamt-- niedergelegt und B sich nach dem Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile zum Alleingeschäftsführer bestellt hatte, war dieser nach § 66 Abs. 1, § 70 GmbHG als Liquidator zur gerichtlichen Vertretung der GmbH befugt.

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c) Unerheblich ist, dass die Bestellung vom B zum Geschäftsführer sowie die Übertragung der Gesellschaftsanteile entgegen § 39 GmbHG nicht im Handelsregister eingetragen wurde, da die Eintragung im Handelsregister insoweit nur deklaratorisch und nicht konstitutiv ist (Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. März 2006  8 U 87/05, juris; zum Liquidator vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1284; Schneider in Scholz, a.a.O., § 39 Rz 13). Unerheblich ist auch, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile von E an B vertraglich auf fünf Jahre ausgeschlossen war, da das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft von der dinglichen Übertragung zu unterscheiden ist (H. Winter/Seibt in Scholz, a.a.O., § 15 Rz 90).

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Referenzen - Gesetze

Bundesfinanzhof Beschluss, 23. Nov. 2010 - V B 133/09 zitiert 7 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 66 Liquidatoren


(1) In den Fällen der Auflösung außer dem Fall des Insolvenzverfahrens erfolgt die Liquidation durch die Geschäftsführer, wenn nicht dieselbe durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluß der Gesellschafter anderen Personen übertragen wird.

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 39 Anmeldung der Geschäftsführer


(1) Jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung der Geschäftsf

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 70 Aufgaben der Liquidatoren


Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen; sie haben die Gesellschaft gerichtl

Referenzen

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen; sie haben die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen.

(1) In den Fällen der Auflösung außer dem Fall des Insolvenzverfahrens erfolgt die Liquidation durch die Geschäftsführer, wenn nicht dieselbe durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluß der Gesellschafter anderen Personen übertragen wird.

(2) Auf Antrag von Gesellschaftern, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, kann aus wichtigen Gründen die Bestellung von Liquidatoren durch das Gericht erfolgen.

(3) Die Abberufung von Liquidatoren kann durch das Gericht unter derselben Voraussetzung wie die Bestellung stattfinden. Liquidatoren, welche nicht vom Gericht ernannt sind, können auch durch Beschluß der Gesellschafter vor Ablauf des Zeitraums, für welchen sie bestellt sind, abberufen werden.

(4) Für die Auswahl der Liquidatoren findet § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(5) Ist die Gesellschaft durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst, so findet eine Liquidation nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, daß Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt. Die Liquidatoren sind auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht zu ernennen.

Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen; sie haben die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen.

(1) Jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.

(2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung der Geschäftsführer oder über die Beendigung der Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen.

(3) Die neuen Geschäftsführer haben in der Anmeldung zu versichern, daß keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 und 4 entgegenstehen und daß sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. § 8 Abs. 3 Satz 2 ist anzuwenden.

(4) (weggefallen)