Bundesfinanzhof Beschluss, 07. Juli 2010 - II S 32/09

bei uns veröffentlicht am07.07.2010

Tatbestand

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I. Der Antragsteller ist seit 2002 Halter eines Kfz der Marke Kia, Typ Carnival. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen werkseitig mit sieben Sitzplätzen ausgestatteten Multivan mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 2.545 kg. Die Fahrzeughöhe beträgt 1,735 m. Nach einem Umbau wurde das Fahrzeug als Wohnmobil zum Verkehr zugelassen und zunächst als "anderes Fahrzeug" i.S. von § 8 Satz 1 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der im Jahre 2005 geltenden Fassung nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht besteuert. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 18. April 2007 änderte der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) die bisherige Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung unter Einstufung als PKW und setzte für die Zeit ab 3. November 2006 die Steuer auf jährlich 840 € fest. Eine Behandlung des Fahrzeugs als Wohnmobil nach § 2 Abs. 2b des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der ab 1. Januar 2006 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (3. KraftStÄndG) vom 21. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 3344) --KraftStG ab 2006-- lehnte es ab, weil dieses nicht zum vorübergehenden Wohnen ausgelegt und gebaut sei. Es fehle die erforderliche Mindeststehhöhe von 170 cm.

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Mit Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2007 setzte das FA mit Wirkung ab 1. April 2007 unter Berücksichtigung des Zuschlags gemäß § 9a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes i.d.F. des Art. 1 Nr. 3 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) vom 24. März 2007 (BGBl I 2007, 356) auf jährlich 856 € fest. Einspruch und Klage, mit denen der Antragsteller eine Besteuerung des Fahrzeugs als Wohnmobil begehrte, blieben ohne Erfolg. Über die Revision des Antragstellers gegen das finanzgerichtliche Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) noch nicht entschieden.

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Am 4. Dezember 2009 hat der Antragsteller beim BFH als Gericht der Hauptsache die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids beantragt und zur Begründung ausgeführt, § 2 Abs. 2b KraftStG verletze das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, soweit dort rückwirkend auf den 1. Januar 2006 die Eigenschaft "Wohnmobil" an eine Mindeststehhöhe von 1,70 m geknüpft und eine rückwirkende Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer um das 5,5-fache vorgenommen werde.

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Der Antragsteller beantragt, den Kraftfahrzeugsteueränderungsbescheid vom 1. Oktober 2007 von der Vollziehung auszusetzen.

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Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen.

Entscheidungsgründe

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II. Der Antrag ist unbegründet und war daher abzulehnen.

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1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder --was vorliegend nicht in Betracht kommt-- seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen kann (BFH-Beschlüsse vom 26. September 2007 I B 53, 54/07, BFHE 219, 19, BStBl II 2008, 415; vom 30. Oktober 2008 II B 58/08, BFH/NV 2009, 418; vom 2. April 2009 II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146, und vom 26. November 2009 VIII B 190/09, BFH/NV 2010, 331). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die maßgebliche gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist, weil an die Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit keine strengeren Anforderungen zu stellen sind als beim Einwand fehlerhafter Rechtsanwendung (BFH-Beschluss vom 23. August 2007 VI B 42/07, BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799).

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2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kraftfahrzeugsteueränderungsbescheids sind indessen nicht erkennbar.

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a) Der vom Antragsteller gerügte Verstoß der die Wohnmobilbesteuerung betreffenden und ab 1. Januar 2006 geltenden Bestimmungen des KraftStG ab 2006 (§ 2 Abs. 2b i.V.m. § 8 Nr. 1a, § 9 Abs. 1 Nr. 2a) gegen das Rückwirkungsverbot sowie das Vertrauensschutzprinzip liegt, wie der Senat inzwischen durch Urteil vom 24. Februar 2010 II R 44/09 (BFH/NV 2010, 1204) entschieden hat, nicht vor. Zur Begründung wird dazu zunächst auf die Ausführungen im vorgenannten Urteil verwiesen, auf welches der Antragsteller zuvor hingewiesen worden ist. Dort hat der Senat insbesondere ausgeführt, dass die durch das 3. KraftStÄndG geschaffenen Neuregelungen für die Wohnmobilbesteuerung deshalb ausschließlich begünstigende Wirkung haben, weil ohne sie Wohnmobile als PKW zu besteuern gewesen wären. Dem Gesetzgeber stand es im Rahmen des 3. KraftStÄndG frei, eine neue Fahrzeugart "Wohnmobil" zu schaffen. Er konnte auch eine inhaltliche Bestimmung des Wohnmobilbegriffs vornehmen, um die echten Wohnmobile von den sog. unechten Wohnmobilen abzugrenzen, die auf den Fahrzeugkonzepten von Kleinbussen, Gelände-, Mehrzweck- oder Kombinationskraftfahrzeugen beruhen, nur einzelne Elemente eines Wohnmobils aufweisen und gerade deshalb den für Wohnmobile maßgeblichen objektiven Kriterien nicht entsprechen (vgl. dazu Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 2 Rz 7e mit Verweis auf die Gesetzesbegründung).

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b) Die Annahme einer gleichheitswidrigen Besteuerung von unechten im Vergleich zu echten Wohnmobilen scheidet schon wegen der genannten konzeptionellen Unterschiede der jeweiligen Fahrzeuge aus. Der Antragsteller wird durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in seinen Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt, weil eine --wenn auch deutliche-- Steuererhöhung nicht etwa per se zu einem Verstoß gegen die genannten Grundrechte führt, sondern dazu ein steuerlicher Eingriff mit erdrosselnder Wirkung erforderlich wäre (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 2006 II R 59/04, BFH/NV 2006, 1354). Davon kann angesichts der im Vergleich zu den Anschaffungskosten eines Kfz moderaten Höhe der jährlichen Kraftfahrzeugsteuer offensichtlich nicht ausgegangen werden.

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(1) Unter den Begriff Fahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes fallen Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger. (2) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt,1.richten sich die in diesem Gesetz verwendeten Begriffe des Verkehrsrechts nach den jeweils g

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Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 17. Nov. 2010 - 1 K 367/07

bei uns veröffentlicht am 17.11.2010

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert beträgt 1.000,00 €. Tatbestand 1 Zwischen den Beteiligten ist die Besteuerung

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Die Steuer bemisst sich

1.
bei Fahrzeugen der Klasse M1ohne besondere Zweckbestimmung als Wohnmobil oder Kranken- und Leichenwagen (Personenkraftwagen)
a)
mit erstmaliger Zulassung bis zum 30. Juni 2009 und bei Krafträdern nach dem Hubraum, soweit diese Fahrzeuge durch Hubkolbenmotoren angetrieben werden, bei Personenkraftwagen mit Hubkolbenmotoren zusätzlich nach den Schadstoff- und Kohlendioxidemissionen;
b)
mit erstmaliger Zulassung ab dem 1. Juli 2009, soweit es sich nicht um Fahrzeuge im Sinne des § 9 Absatz 2 handelt, nach den Kohlendioxidemissionen und dem Hubraum;
1a.
bei Wohnmobilen nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht und zusätzlich nach den Schadstoffemissionen;
1b.
bei dreirädrigen und leichten vierrädrigen Kraftfahrzeugen mit Hubkolbenmotoren, die unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 97/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Bauteile und Merkmale von zweirädrigen oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen (ABl. L 226 vom 18.8.1997, S. 1, L 65 vom 5.3.1998, S. 35, L 244 vom 3.9.1998, S. 20, L 67 vom 11.3.2008, S. 22), die zuletzt durch die Richtlinie 2009/108/EG der Kommission vom 17. August 2009 (ABl. L 213 vom 18.8.2009, S. 10) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung fallen, nach dem Hubraum und den Schadstoffemissionen;
2.
bei anderen Fahrzeugen, Kranken- und Leichenwagen nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht, bei Kraftfahrzeugen mit einem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht über 3 500 Kilogramm zusätzlich nach Schadstoff- und Geräuschemissionen. Das verkehrsrechtlich zulässige Gesamtgewicht ist bei Sattelanhängern um die Aufliegelast und bei Starrdeichselanhängern einschließlich Zentralachsanhängern um die Stützlast zu vermindern.

(1) Unter den Begriff Fahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes fallen Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger.

(2) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt,

1.
richten sich die in diesem Gesetz verwendeten Begriffe des Verkehrsrechts nach den jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften;
2.
sind für die Beurteilung der Schadstoff-, Kohlendioxid- und Geräuschemissionen, anderer Bemessungsgrundlagen technischer Art sowie der Fahrzeugklassen und Aufbauarten die Feststellungen der Zulassungsbehörden verbindlich.

(2a) bis (2c) (weggefallen)

(3) Ein Fahrzeug ist vorbehaltlich des Absatzes 4 ein inländisches Fahrzeug, wenn es unter die im Inland maßgebenden Vorschriften über das Zulassungsverfahren fällt.

(4) Ein Fahrzeug ist ein ausländisches Fahrzeug, wenn es im Zulassungsverfahren eines anderen Staates zugelassen ist.

(5) Eine widerrechtliche Benutzung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn ein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen im Inland ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung benutzt wird. Eine Besteuerung wegen widerrechtlicher Benutzung entfällt, wenn das Halten des Fahrzeugs von der Steuer befreit sein würde oder die Besteuerung bereits nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 vorgenommen worden ist.

(1) Für Personenkraftwagen mit Selbstzündungsmotor erhöht sich in der Zeit vom 1. April 2007 bis zum 31. März 2011 der jeweilige Steuersatz nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 um 1,20 Euro je 100 Kubikzentimeter oder einen Teil davon, wenn das Fahrzeug nicht einer der Partikelminderungsstufen PM 01 und PM 0 bis PM 5 oder einer der Partikelminderungsklassen PMK 01 und PMK 0 bis PMK 4 nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung entspricht.

(2) Der Zuschlag gilt nicht für Kennzeichen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1.

(1) Unter den Begriff Fahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes fallen Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger.

(2) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt,

1.
richten sich die in diesem Gesetz verwendeten Begriffe des Verkehrsrechts nach den jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften;
2.
sind für die Beurteilung der Schadstoff-, Kohlendioxid- und Geräuschemissionen, anderer Bemessungsgrundlagen technischer Art sowie der Fahrzeugklassen und Aufbauarten die Feststellungen der Zulassungsbehörden verbindlich.

(2a) bis (2c) (weggefallen)

(3) Ein Fahrzeug ist vorbehaltlich des Absatzes 4 ein inländisches Fahrzeug, wenn es unter die im Inland maßgebenden Vorschriften über das Zulassungsverfahren fällt.

(4) Ein Fahrzeug ist ein ausländisches Fahrzeug, wenn es im Zulassungsverfahren eines anderen Staates zugelassen ist.

(5) Eine widerrechtliche Benutzung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn ein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen im Inland ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung benutzt wird. Eine Besteuerung wegen widerrechtlicher Benutzung entfällt, wenn das Halten des Fahrzeugs von der Steuer befreit sein würde oder die Besteuerung bereits nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 vorgenommen worden ist.