Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2014 - 4 A 14.387

bei uns veröffentlicht am22.10.2014

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag nach Art. 5 BezWG wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Antragsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 23. September 2013 eine Wahlbeanstandung unter anderem gegen die Bezirkstagswahl vom 15. September 2013. Zur Begründung führte er aus:

Die geheime Wahl der Bezirksräte werde in 90% aller Kommunen verletzt, weil die im Rathaus ankommende Briefwahlstimme lediglich „unter Verschluss“ gehalten werde. In der Praxis werde diese Briefwahlstimme in einem Schrank oder im Schreibtisch des Bürgermeisterzimmers „aufbewahrt“. Zugang zu diesen Briefwahlstimmen hätten bis zum Auszählungsvorgang am Wahlsonntag zig Personen: der Bürgermeister, seine Sekretärin, der geschäftsleitende Beamte und die Putzfrau des Rathauses. Für Letztere sei es „ein Leichtes“, mit einem einfachen Dietrich die Schranktür zu öffnen, hinter der diese Briefwahlstimmen deponiert würden. Es sei auch problemlos, sich in jedem Rathaus vor und nach der Wahl mit neuen Stimmzetteln und Umschlägen zu versorgen, da diese nicht abgezählt würden. Die Ursache dieses „Schlendrians“ sei die Tatsache, dass in kaum einer bayerischen Kommune die im Rathaus angekommene Briefwahlstimme unter Zeugen in eine versiegelte Wahlurne deponiert und aufbewahrt werde, da man der irrigen Ansicht sei, die Aufbewahrung unter Verschluss gemäß der Bayerischen Wahlordnung sei „völlig ausreichend“. Die Geheimhaltung sei mit dieser Verfahrensweise jedoch in keiner Weise gewährleistet. Der Manipulation sei vielmehr „Tür und Tor“ geöffnet. Der Vorwurf laute nicht - (wie bei der Landtagswahl 2003: -siehe Staatsanzeiger Nr. 36 vom August 2003 - WV der CFU) - dass manipuliert worden sei, sondern, dass die erforderliche Geheimhaltung nicht gewährleistet

gewesen sei. Deshalb sei die Bezirkswahl wegen Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht ungültig und daher zu wiederholen.

Der Bezirkstag von Unterfranken hat in der Sitzung vom 19. Dezember 2013 einstimmig beschlossen, die Wahlbeanstandung zu verwerfen. Konkrete Erkenntnisse darüber, dass im Zuge der Bezirkswahl 2013 bei der Behandlung von Wahlbriefunterlagen im Sinne der Beanstandung gegen wahlrechtliche Vorschriften verstoßen worden sein könnte, würden nicht vorgetragen. Auf Vermutungen und angedeutete Möglichkeiten eines Wahlfehlers gestützt, werde allgemein beanstandet, dass die auf die Bezirkswahlen gemäß Art. 6 BezWG anwendbare Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 1 LWO, wonach eine Gemeinde die Wahlbriefe ungeöffnet sammle und diese unter Verschluss halte, dem Wahlgeheimnis und damit einem essentiellen Wahlgrundsatz nicht hinreichend gerecht werde. Über eine solch allgemeine Rechtsfrage könne im Zuge der hier vorzunehmenden Wahlprüfung keine Feststellung getroffen werden. Ein hinreichend konkreter, einer Überprüfung zugänglicher Tatsachenvortrag liege nicht vor.

Mit Schreiben des Bezirkstagspräsidenten vom 30. Dezember 2013 und 8. Januar 2014 an das vom Antragsteller angegebene Postfach in Würzburg wurden zwei Mitteilungen über diese Entscheidung (wegen der undeutlichen Schreibweise des Antragstellers zunächst mit Postleitzahlendziffer 0 dann 6) versandt, die jeweils als unzustellbar von der Post zurückgesandt wurden. Die Zustellung des Benachrichtigungsschreibens erfolgte am 14. Februar 2014 unter der zwischenzeitlich ermittelten Adresse des Antragstellers.

Am gleichen Tag verfasste der Antragsteller seinen Antrag nach Art. 5 BezWG, der beim Verwaltungsgerichtshof am 19. Februar 2014 einging.

Der Antragsgegner beantragt,

die Wahlbeanstandung zurückzuweisen.

Auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. August 1993 (2 BvR 1858/92) werde hingewiesen, wonach Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung einer Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgingen und keinen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag enthielten, als unsubstantiiert zurückgewiesen werden dürften. Darüber hinaus habe sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2005 (Vf. 99-III-03) mit befürchteten Manipulationsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Aufbewahrung von Wahlbriefen bei der Landtagswahl 2003 befasst und in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Wahlfehler durch einen substantiierten Tatsachenvortrag zu belegen sei. Im Übrigen bestünden auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 54 Abs. 1 Satz 1 LWO.

Der Antragsteller meint - entgegen dem gerichtlichen Hinweis vom 25. Februar 2014 - eine Fristversäumnis im Sinn des Art. 5 Abs. 2 BezWG liege nicht vor. Sein Tatsachenvortrag sei substantiiert. Zu seiner Behauptung, in keiner Kommune würden die Briefwahlstimmen unter Zeugen in einer versiegelten Wahlurne deponiert, solle aus jedem Regierungsbezirk ein beliebiger Bürgermeister und sein geschäftsleitender Beamter unter Eid vernommen werden. Bei der Kommunalwahl sei seine eigene Briefwahlstimme im Markt Frammersbach in einem Nebenzimmer auf dem Tisch deponiert worden. Bei der Bezirkswahl habe er seine Briefwahlstimme in der Justizvollzugsanstalt Würzburg bei einem Krankenpfleger abgegeben. Diese Briefwahlstimme sei in seiner Anwesenheit nicht in eine versiegelte Wahlurne gekommen. Mit bis zu 600 Stimmen sei das Gleiche geschehen. Sie seien auf dem normalen Dienstweg in das Rathaus Würzburg gelangt. Wenn ein Krankenpfleger die eigenen Briefwahlunterlagen zu Hause kopiert hätte, könne er diese zum Manipulieren leicht verwenden, ohne dass dies bemerkt werde. Solange die im Rathaus angekommene Briefwahlstimme nicht unter zwei Zeugen, die dafür unterschreiben müssten, in eine amtlich versiegelte Wahlurne deponiert würden, sei der konkreten Manipulation Tür und Tor geöffnet. Der amtliche Umgang der im Rathaus abgegebenen Briefwahlstimme bis zur Auszählung sei lückenlos zu klären. Diese Klärung sei nur möglich mit praxisbezogenen Personen, die als Briefwahlvorstände eingesetzt gewesen seien und aus allen politischen Lagern stammten. Es wäre legitim und ausreichend, festzustellen, dass ab sofort bei allen Wahlen die im Rathaus angekommene Briefwahlstimme unter Zeugen in einer versiegelten Wahlurne deponiert werden müsse und erst am Wahlsonntag um 18 Uhr unter den Augen des Briefwahlauszählungsgremiums geöffnet werden dürfe.

Gründe

Der Antrag nach Art. 5 BezWG wird durch Urteil (vgl. BayVGH, U. v. 27.11.1996 - 4 A 95.231, 4 A 95.623 - BeckRS 1996, 15135) als unzulässig abgelehnt, weil der Antrag verfristet ist.

Beantragt ein Stimmberechtigter, dessen Wahlbeanstandung vom Bezirkstag verworfen worden ist, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (Art. 5 Abs. 1 Nr. 3 BezWG), so ist bei diesem der Antrag binnen einem Monat seit der Beschlussfassung des Bezirkstags einzureichen. Ist die Frist des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 BezWG nicht eingehalten worden, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen (Art. 5 Abs. 4 BezWG).

Der Antragsgegner hat die Wahlbeanstandung des Antragstellers vom 23. September 2013 in seiner Sitzung vom 19. Dezember 2013 verworfen. Der unter dem 14. Februar 2014 verfasste Antrag auf Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist dort am 19. Februar 2014 eingegangen.

Die Frist des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 BezWG ist wegen des primär objektivrechtlichen Charakters des Wahlbeanstandungsverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an einer alsbaldigen Klärung der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl eine Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gesetzlich ausgeschlossen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 8 BezWG i. V. m. Art. 90 Abs. 1 Satz 2 LWG; vgl. zum Bundeswahlrecht BVerfG, B. v. 18.10.2011 - 2 BvC 11/10 - juris Rn. 7 m. w. N.). Dazu sowie zur Regelung des Fristbeginns abweichend von § 58 VwGO war der Gesetzgeber auch befugt, denn die Länder genießen im Rahmen ihrer Bindung an die Grundsätze des Art. 28 GG im staatsorganisatorischen Bereich Autonomie. In diesem Rahmen regeln sie Wahlsystem und Wahlrecht zu ihren Parlamenten und den kommunalen Vertretungen des Volkes; sie gestalten und organisieren das Wahlprüfungsverfahren (BVerfG, B. v. 16.7.1998 - 2 BvR 1953/95 - BVerfGE 99, 1/11). Bei der Ausgestaltung des Wahlanfechtungsverfahrens ist der Landesgesetzgeber durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gebunden (BVerwG, B. v. 10.6.1997 - 8 B 96/97). Ohne dass die Frage einer Zugangs- oder Zustellungsvereitelung durch den Antragsteller geprüft werden müsste, genügt es mithin, dass es möglich war, dass derjenige, der die Wahlbeanstandung erhoben hat, sich über die Behandlung seiner Beanstandung durch den Bezirkstag Kenntnis verschaffen konnte. So hätte er entweder von vornherein verfolgen können, wann der Bezirkstag über die Wahlbeanstandung beschloss, indem er sich über dessen Sitzungstag und Tagesordnung Kenntnis verschafft und an der öffentlichen Sitzung teilgenommen hätte, oder er hätte sich mittels der in das Internet eingestellten Niederschrift über die Sitzung über den Ausgang des Verfahrens kundig machen können.

Auch in der Sache bliebe der Antrag ohne Erfolg. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits entschieden, dass die Behauptung, § 54 Abs. 1 Satz 1 LWO eröffne die Möglichkeit einer Manipulation von Briefwahlstimmen, indem er nicht zwingend eine Verwahrung von Wahlbriefen in versiegelten Wahlurnen vorschreibe, die Gültigkeit der Wahl nicht beeinträchtigt. Unabhängig von der Frage, ob eine Verwahrung in versiegelten Behältnissen tatsächlich größere Sicherheit gewährleiste als eine sonstige Verwahrung „unter Verschluss“, könne die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift nicht allein damit dargetan werden, dass im Einzelfall die Möglichkeit missbräuchlicher Anwendung nicht ausgeschlossen werden könne (E. v. 17.2.2005 - Vf. 99-III-03 - VerfGHE 58, 56/70 m. w. N.). Da Art. 6 BezWG auf die Landeswahlordnung verweist, gilt hier nichts anderes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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Bundesverfassungsgericht Beschluss, 18. Okt. 2011 - 2 BvC 11/10

bei uns veröffentlicht am 18.10.2011

Gründe I. 1 Die Wahlprüfungsbeschwerde ist bereits deshalb unzuläs

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Gründe

I.

1

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil sie ohne den gemäß § 48 Abs. 1 BVerfGG erforderlichen Beitritt von mindestens 100 Wahlberechtigten innerhalb der Beschwerdefrist erhoben wurde (1.). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachreichung von Beitrittserklärungen kann nicht gewährt werden (2.).

2

1. Nach § 48 Abs. 1 BVerfGG kann ein Wahlberechtigter, dessen Einspruch vom Deutschen Bundestag verworfen worden ist, Beschwerde gegen die Gültigkeit der Wahl nur dann erheben, wenn ihm mindestens 100 Wahlberechtigte beitreten; die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Monaten nach Beschlussfassung des Deutschen Bundestages beim Bundesverfassungsgericht zu erheben und innerhalb dieser Frist zu begründen.

3

Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der vom Gesetz geforderte Beitritt weiterer 100 Wahlberechtigter innerhalb der Beschwerdefrist erklärt sein muss (BVerfGE 1, 430 <432>; 21, 359 <361>; 46, 201 <202>; 58, 170 <171>; 66, 232 <233>; 311 <312>; 79, 47 <48>; zu der entsprechenden Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 2 Europawahlgesetz vgl. BVerfG, Beschlüsse des Zweiten Senats vom 31. Mai 2005 - 2 BvC 1/05 - und vom 18. Oktober 2010 - 2 BvC 3/10 -, juris). Eine Verlängerung der Frist ist nicht möglich (BVerfGE 58, 172). Die strenge Fristgebundenheit folgt aus dem Zweck der Vorschrift. Sie soll Beschwerden beschränken auf solche Fälle, die nach Ansicht wenigstens einer gewissen Zahl Wahlberechtigter Grund zur Beschwerde geben. Der Beitritt darf deshalb kein formaler sein; er könnte es aber werden, wenn Zustimmungserklärungen noch nachträglich gesammelt und nachgereicht werden dürften (BVerfGE 58, 170 <171>). Die Notwendigkeit des Beitritts von 100 Wahlberechtigten ist im Hinblick darauf unbedenklich, dass das Wahlprüfungsverfahren primär dem Schutz des objektiven Wahlrechts dient (vgl. BVerfGE 34, 81 <96>; 79, 47 <48>).

4

Die Beschwerde gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass bei einer subjektiven Rechtsverletzung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG von dem Beitrittserfordernis abgesehen werden müsse, ist nicht geeignet, die Anwendbarkeit von § 48 Abs. 1 BVerfGG auf ihre Wahlprüfungsbeschwerde in Zweifel zu ziehen. Die Beschwerdeführerin legt schon nicht dar, dass sie durch die Verwendung der gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 des Wahlstatistikgesetzes gekennzeichneten Stimmzettel oder die zeitgleiche Durchführung der Bundestagswahl mit anderen Wahlen in subjektiven Wahlrechten verletzt sein könnte. Insbesondere zeigt sie nicht ansatzweise auf, dass und weshalb die durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Grundsätze der freien (vgl. BVerfGE 124, 1 <24 f.>; m.w.N.) und geheimen (vgl. BVerfGE 123, 39 <76>; 124, 1 <25>) Wahl durch die Durchführung der repräsentativen Wahlstatistik beeinträchtigt sein könnten. Dessen hätte es bedurft, da Art. 19 Abs. 4 GG dem gesetzlichen Verlangen nach Beitritt zu einem Rechtsbehelf von vornherein nicht entgegenstehen kann, wenn eine Betroffenheit in subjektiven Rechten nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 1, 430 <432>).

5

Da vorliegend bis zum Ablauf der Beschwerdefrist am 8. September 2010 keine Beitrittserklärungen eingegangen sind, ist dem in § 48 Abs. 1 BVerfGG enthaltenen Zulässigkeitserfordernis (vgl. BVerfGE 66, 311 <312>) nicht genügt.

6

2. Der Beschwerdeführerin kann auch hinsichtlich der fehlenden Beitrittserklärungen keine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist gewährt werden.

7

Eine Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht für das Verfahren der Wahlprüfungsbeschwerde nicht. Eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 BVerfGG scheidet wegen des Zwecks der in § 48 Abs. 1 BVerfGG normierten zweimonatigen Beschwerdefrist aus. Denn sie ist eine Ausschlussfrist, bei deren Versäumnis im Hinblick auf den primär objektivrechtlichen Charakter der Wahlprüfungsbeschwerde sowie das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Klärung der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 21, 359 <361>; vgl. Schreiber, BWahlG, 8. Aufl. 2009, § 49 Rn. 36; vgl. Schmidt/Bleibtreu, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Bd. 1, § 48 Rn. 35 ; Aderhold, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 48 Rn. 34).

II.

8

Die hilfsweise erhobene Verfassungsbeschwerde ist ebenfalls unzulässig.

9

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Schriftsatz vom 8. September 2010 zunächst erklärt, dass sich die Verfassungsbeschwerde "gegen das Wahlstatistikgesetz und den darauf gründenden Hoheitsakt (Beschluss des Deutschen Bundestages)" richte. In ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2010 hat sie schließlich ausgeführt, dass "nicht das Gesetz, sondern der konkrete Hoheitsakt angegriffen" werde, nämlich "die Wahl, die in ihrem Wahlkreis nicht als echte geheime und gleiche Wahl" durchgeführt worden sei.

10

Sollte der Vortrag der Beschwerdeführerin dahingehend zu verstehen sein, dass sie sich gegen den "Beschluss des Deutschen Bundestages" vom 8. Juli 2010, mit welchem der Einspruch der Beschwerdeführerin gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl vom 27. September 2009 zurückgewiesen worden war, beziehungsweise die Gültigkeit der "Wahl" zum Deutschen Bundestag wendet, so wäre die Verfassungsbeschwerde nicht statthaft. Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, können nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden (vgl. BVerfGE 11, 329 f.; 14, 154 f.; 16, 128 <130>; 22, 277 <281>; 28, 214 <219>; 29, 18 f.; 34, 81 <94>; 74, 96 <101>; 83, 156 f.). Vor diesem Hintergrund geht die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin fehl, dass nach Abschluss des Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Bundestagswahl vom 27. September 2009 wieder zulässig werde. Vielmehr sind hinsichtlich dieser Wahl - entsprechend der Exklusivität der Wahlprüfung - keine weiteren Rechtsbehelfe mehr gegeben.

11

Sollte das Vorbringen der Beschwerdeführerin als unmittelbar gegen das Wahlstatistikgesetz gerichtete Verfassungsbeschwerde aufzufassen sein, wäre sie verspätet erhoben, da die in § 93 Abs. 3 BVerfGG bestimmte Jahresfrist bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde bereits abgelaufen war. Das Wahlstatistikgesetz vom 21. Mai 1999 ist zum 1. Juni 1999 in Kraft getreten (vgl. BGBl I S. 1023). Soweit mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Wahlstatistikgesetzes vom 17. Januar 2002 inhaltliche Änderungen verbunden waren (vgl. BGBl I S. 412), wurden diese zum 25. Januar 2002 wirksam. Die am 8. September 2010 erhobene Verfassungsbeschwerde war daher verspätet (vgl. auch BVerfGE 23, 153 <164>; 30, 112 <126>).

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.