Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2017 - 4 ZB 17.1734

bei uns veröffentlicht am26.09.2017

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

I.

Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG wird durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 10. August 2017 (Az. 4 ZB 17.279) nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht‚ sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (BVerfG‚ B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 Rn. 35). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht‚ die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG a.a.O. Rn. 39), nicht aber dazu, den Vorstellungen eines Beteiligten zu folgen (BVerwG, B.v. 1.8.2011 – 6 C 15/11 – juris Rn. 1; BayVGH‚ B.v. 13.11.2013 – 10 C 13.2207 – juris Rn. 2). Voraussetzung für einen Erfolg der Anhörungsrüge ist weiter, dass der Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist (vgl. § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Zur Begründung der Anhörungsrüge trägt die Klägerin vor, der Senat habe sich mit bestimmten Ausführungen in der Begründung ihres Zulassungsantrags nicht auseinandergesetzt bzw. diese bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen. Sie habe die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils damit begründet, dass die Typisierungsregelung des § 233a AO i. V. m. § 238 AO ihren Zweck der Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen allenfalls noch in atypischen Ausnahmefällen erfülle und dass das Verwaltungsgericht zur Urteilsbegründung auf Zinssätze in der Nähe von 6% ohne nähere Untersuchung und Gewichtung verwiesen, den gesetzlichen Verzugszinssatz fälschlicherweise zum Vergleich herangezogen und sich nicht damit auseinandergesetzt habe, dass das Leitbild der Vollverzinsung von einem nicht mehr der wirtschaftlichen Realität entsprechenden Auf und Ab der Marktzinsen ausgehe. Hierauf und auf den von der Klägerin als einschlägiges Präjudiz angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. November 1984 sei der Senat nicht in der gebotenen Weise eingegangen. Zum Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten habe die Klägerin den umfangreichen rechtswissenschaftlichen Diskurs überwiegend aus dem Jahr 2016 vorgetragen; dies habe der Senat mit dem Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009 und daran anknüpfende Entscheidungen des Bundesfinanzhofs abgetan, ohne in Erwägung zu ziehen, dass die bisherigen höchstrichterlichen Entscheidungen den geänderten wirtschaftlichen Realitäten nicht mehr gerecht würden.

Mit diesen Ausführungen wird ein Gehörsverstoß nicht dargetan. Entgegen der Vorstellung der Klägerin ergibt sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs keine Verpflichtung, auf jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich einzugehen. Das Gericht darf sich vielmehr auf die Gründe beschränken, die für seine Entscheidung leitend gewesen sind (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 BN 15/16 – juris Rn. 5). Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile eines Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich mit den Argumenten des Beteiligten nicht befasst (BVerfG, B.v. 15.4.1980 – 1 BvR 1365/78 – BVerfGE 54, 43/46 m.w.N.).

Die Annahme, der Senat habe sich mit den im Zulassungsverfahren angeführten Argumenten für die Verfassungswidrigkeit des § 233a AO i. V. m. § 238 AO nicht inhaltlich auseinandergesetzt, wird im Übrigen durch die Gründe des Beschlusses vom 10. August 2017 widerlegt. Die Einwände der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil wurden in Randnummer 10 der Entscheidung ausführlich dargestellt. In den nachfolgenden Absätzen wurde die gegenteilige Rechtsauffassung des Senats jeweils mit Blick auf das klägerische Vorbringen unter Bezugnahme auf die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung eingehend erläutert. Dass dabei der von der Klägerin angeführte ältere Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Rechnungszinsfußes bei Pensionsrückstellungen (BVerfG, B.v. 28.11.1984 – 1 BvR 1157/82 – BVerfGE 68, 287) nicht ausdrücklich erwähnt wurde, ergab sich aus dem Umstand, dass diese Leitentscheidung schon in dem vom Senat in Randnummer 15 zitierten aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs vom 1. Juli 2014 (Az. IX R 31/13, BFHE 246, 193 Rn. 21) als Beleg für die unter bestimmten Voraussetzungen bestehende Anpassungspflicht des Steuergesetzgebers genannt war.

Der Senat ist im angegriffenen Beschluss (Rn. 19 f.) auch auf das Vorbringen der Klägerin eingegangen, die besondere rechtliche Schwierigkeit des Falles ergebe sich daraus, dass das steuerrechtliche Literatur nahezu einhellig die derzeitige gesetzliche Regelung der Nachzahlungszinsen für verfassungswidrig halte. Er hat darauf hingewiesen, dass die Frage der Vereinbarkeit des § 233a i. V. m. § 238 AO mit höherrangigem Recht für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2012 bis Juni 2014 durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs bereits so weit geklärt ist, dass sich daraus ohne weiteres die Lösung des Falles ergibt. Auf das von der Klägerin zitierte jüngere Schrifttum, das überwiegend aus dem Jahr 2016 datiert und damit auch die Verzinsungszeiträume ab Juli 2014 umfasst, musste der Senat hiernach nicht mehr näher eingehen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht‚ weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr von 60‚- Euro anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2017 - 4 ZB 17.1734 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152a


(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieses Bet

Abgabenordnung - AO 1977 | § 233a Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen


(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträ

Abgabenordnung - AO 1977 | § 238 Höhe und Berechnung der Zinsen


(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der T

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2017 - 4 ZB 17.279

bei uns veröffentlicht am 10.08.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens. III. Der Streitwert wird in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses für beide Instanzen auf jeweils

Bundesfinanzhof Urteil, 01. Juli 2014 - IX R 31/13

bei uns veröffentlicht am 01.07.2014

Tatbestand 1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Veranlagungszeitraum 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert wird in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses für beide Instanzen auf jeweils 217.886,85 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen in Gewerbesteuerbescheiden, da sie den gesetzlichen Zinssatz von 0,5% pro Monat (6% pro Jahr) für überhöht und daher verfassungswidrig hält.

Nachdem das zuständige Finanzamt aufgrund einer Betriebsprüfung die für die Jahre 2005 und 2006 festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge heraufgesetzt hatte, berichtigte der Beklagte mit Bescheiden vom 10. Juli 2014 die Veranlagung der Klägerin zur Gewerbesteuer für die Jahre 2005 und 2006. Zugleich setzte er für den Zeitraum 1. April 2008 bis 14. Juli 2014 Nachzahlungszinsen nach § 233a, § 238 Abs. 1 AO in Höhe von 751.854 Euro für 2005 und in Höhe von 700.725 Euro für 2006 fest.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin beim Verwaltungsgericht Klage mit dem Antrag, die Zinsbescheide aufzuheben, soweit ihnen für die Zeiträume nach dem 31. Dezember 2011 ein verfassungswidriger Zinssatz zugrunde liege. Aufgrund der neuen wirtschaftlichen Realität habe der Gesetzgeber spätestens im Jahr 2012 den Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO herabsetzen müssen. Der aus dem Gleichheitssatz folgenden Anpassungspflicht sei er nicht nachgekommen. Die typisierende Regelung des Gesetzes bezwecke, den durch eine verzögerte Steuerfestsetzung entstehenden Liquiditätsvorteil bzw. -nachteil auszugleichen. Die starre Zinsregelung sei mit ihrer Praktikabilität begründet worden, die Höhe des Zinssatzes habe der Gesetzgeber dagegen nicht begründet. Aufgrund des Fortschritts bei der elektronischen Datenverarbeitung sei das Praktikabilitätsargument überholt. Die typisierende Regelung dürfe nicht ihren Bezugspunkt in der Realität verlieren und sei an eine veränderte Lebenswirklichkeit anzupassen. Bei zyklischen Marktzinsschwankungen gehe der Realitätsbezug grundsätzlich nicht verloren, da sich Abweichungen nach unten und oben regelmäßig ausgleichen würden. Die Zinsentwicklung der letzten Jahre spiegele sich jedoch nicht mehr in der Regelung des § 238 AO; mittlerweile sei von einem langfristigen Absinken des durchschnittlichen Zinsniveaus auszugehen. Der gesetzliche Zinssatz stehe spätestens seit der Stabilisierung der Niedrigzinsphase ab 2012 in starkem Gegensatz zur Zinsentwicklung in Deutschland; eine verfassungsmäßige Typisierung der Zinshöhe sei damit nicht mehr garantiert. Steuernachzahlungszinsen in Höhe von 6% pro Jahr hätten mittlerweile den Charakter von Zusatzsteuern. Für die sog. Vollverzinsung nach § 233a AO sei auch die große Gruppe von Steuerpflichtigen mit hinreichend liquidem Eigenkapital in Betracht zu ziehen, die im Jahr 2012 mit einer kurzfristigen Geldanlage nur noch Zinsen in einer Größenordnung von 0,8% bis 1,4% habe erzielen können. Bei Steuerschuldnern, die sich die Steuermittel durch eine kurzfristige Fremdfinanzierung am Kapitalmarkt beschaffen müssten, sei der Zins für einen ungesicherten Kredit auf ca. 3,2% über dem Basiszinssatz gesunken; dieser habe im strittigen Zeitraum (1.1.2012 bis 14.7.2014) halbjahresweise 0,12%, 0,12%, -0,13%, -0,38%, -0,63% und -0,73% betragen. Selbst bei einem fremdfinanzierten Unternehmen enthalte die Vollverzinsung damit mittlerweile eine verkappte signifikante Steuererhöhung.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung und trug vor, an der Verfassungsmäßigkeit des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestünden keine Zweifel. Dies werde auch von der Rechtsprechung für den Zeitraum bis 2013 so gesehen. Der typisierend festgesetzte Zinssatz wirke sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der Steuerpflichtigen. Trotz der allgemeinen Zinsentwicklung bestehe noch Bezug zur Realität. Aus dem bisherigen Zinsverlauf könne noch keine dauerhafte Entwicklung abgeleitet werden. In die Vergleichsbetrachtung müsse einbezogen werden, dass Liquiditätsvorteile bei Unternehmen nicht nur in Gestalt von Anlagezinsen nach dem allgemeinen Basiszinssatz bestünden, sondern das für Steuernachzahlungen benötigte Kapital regelmäßig auch in Form von Investitionen angelegt und hierbei meist eine höhere Rendite als am Kapitalmarkt erzielt werde. Auch nicht besicherte Darlehen seien in die Betrachtung mit einzubeziehen.

Mit Urteil vom 14. Dezember 2016 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage ab. Hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 238 AO mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestünden keine Bedenken, auch nicht in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase am Kapitalmarkt. Dies habe das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2009 für die Jahre 2003 bis 2006 grundsätzlich bestätigt. Aufgrund des weiten Ausgestaltungsspielraums des Gesetzgebers sei es nicht zu beanstanden, dass die Vollverzinsung gemäß §§ 233a, 238 AO unabhängig davon greife, aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag komme. Im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung sei die typisierende Regelung von 0,5% pro Monat rechtstaatlich unbedenklich und verletze nicht das Übermaßverbot. Gegen dieses werde nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung insbesondere dann nicht verstoßen, wenn sich der Zinssatz noch in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen halte. Da die Verwendung des noch nicht zu Steuerzahlungen benötigten Kapitals von individuellen Finanzierungsentscheidungen abhänge, seien bei der Betrachtung sowohl der Anlagezinssatz (Verwendung von Kapital) als auch der Darlehenszinssatz (Finanzierung von Steuernachzahlungen) für einen Vergleich mit dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO heranzuziehen; dabei seien auch längere Laufzeiten und Renditemöglichkeiten von Anlageformen außerhalb der reinen Geldanlage in die Betrachtung miteinzubeziehen. Hiernach bestünden trotz Veränderungen auf dem Zinsmarkt für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum Juli 2014 keine Zweifel an der gesetzlichen Zinshöhe. Dass durch den technischen Fortschritt mittlerweile Möglichkeiten für die konkrete Berechnung von Zinsen eröffnet worden seien, hindere den Gesetzgeber nicht, am bisherigen System festzuhalten. Einfache Regelungen dienten auch der Rechtsklarheit und Vorhersehbarkeit öffentlicher Verwaltungstätigkeit. Es sei nicht ersichtlich, dass die Zinshöhe von 6% pro Jahr im entscheidungserheblichen Zeitraum außerhalb eines wirtschaftlich noch angemessenen Rahmens gelegen habe. Die Verhältnisse auf dem Zinsmarkt und bei den Renditemöglichkeiten hätten sich seit dem Jahr 2012 nicht derart verändert, dass eine Abzinsung von 6% für Liquiditätsvorteile in der Praxis überhaupt nicht mehr vorstellbar wäre bzw. erheblich von bestehenden Marktzinsen abweichen würde. Gemäß einer Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank bewege sich der effektive Jahreszins für Kredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung über ein bis fünf Jahre im Zeitraum von Januar 2012 bis Juni 2014 von 5,65% pro Jahr (Januar 2012) bis 4,92% pro Jahr (April 2014); für Kredite an private Haushalte insgesamt habe der Zinssatz zwischen 7,25% und 6,2% variiert. Die typisierende Regelung von 6% pro Jahr finde damit durchaus noch einen Anknüpfungspunkt in der Realität. Auch wenn dies nicht die Kreditsituation von Unternehmen in den Blick nehme, sei damit doch ein typischer Fall von potentiellen Steuerschuldnern beschrieben. Steuerpflichtige mit Einkommen aus unselbständiger Beschäftigung stellten die Mehrheit der Steuerpflichtigen und damit keinen atypischen Einzelfall dar. Auch die Anwendung des Zinssatzes auf Unternehmen finde noch einen Anknüpfungspunkt in der Realität. So hätten sich der effektive Jahreszinssatz für revolvierende Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften im genannten Zeitraum im Bereich von 5,05% pro Jahr (Januar 2012) bis 4,52% (November 2012) und der Zinssatz für allgemeine Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften im Bereich von 2,88% pro Jahr (Januar 2012) bis 2,04% pro Jahr (z. B. Juni 2014) bewegt. Diese Zinsen lägen deutlich über Einlagezinsen und bildeten eher die Situation von Steuerschuldnern ab, die aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit und Rechtsform von Steuernachzahlungen betroffen seien. Im Hinblick auf solvente bzw. liquide Steuerschuldner seien neben den Einlagezinsen auch die (unbenannten) Vorteile einzubeziehen, die insbesondere Unternehmen durch eine höhere Liquidität zugutekämen, etwa in Form von Renditen durch Investitionen. Der Liquiditätsvorteil könne sich zudem mittelbar über das dann höher ausgewiesene Eigenkapital vorteilhaft am Kapitalmarkt auswirken. Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die unterschiedslose Anwendung des § 238 AO auf Steuerschuldner unabhängig von der Einkunftsquelle und der Frage einer vorgelagerten oder nachgelagerten Besteuerung. Diese Gleichbehandlung sei aus Gründen der Praktikabilität, der Verwaltungsvereinfachung und der Steuergerechtigkeit gerechtfertigt. Es bleibe dem Steuerschuldner überlassen, wie er seinen vorläufigen Liquiditätsvorteil nutze. Auch die gesetzlichen Verzugszinsen bei privaten Rechtsgeschäften, an denen kein Verbraucher beteiligt gewesen sei, hätten im damaligen Zeitraum acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz von -0,73% (1. Juli 2014) betragen; Unternehmer seien also im Rechtsverkehr durchaus noch mit Zinssätzen in Höhe der hier streitigen 6% pro Jahr konfrontiert gewesen. Bei dem gesetzlichen Zinssatz handle es sich um eine abstrakt-generelle Regelung, die auf eine längere Geltungsdauer angelegt sei und damit zwangsläufig im Einzelfall zu Abweichungen von aktuell bestehenden Verhältnissen führe. Im Hinblick auf die Rechtskontinuität seien deshalb gewisse Über- oder Unterschreitungen im Vergleich zu Marktzinsen hinzunehmen. Zudem gelte der Zinssatz sowohl zu Lasten als auch zugunsten des Steuerpflichtigen. Unterliege die gesetzliche Regelung mithin keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, so sei der Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO weder im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu reduzieren, noch sei eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Beklagte tritt der Berufung entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Dezember 2016 hat keinen Erfolg, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4 VwGO).

a) An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Solche Zweifel sind nur gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642). Dies ist hier nicht der Fall.

Die Klägerin trägt vor, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts stehe dem Gesetzgeber bei der Regelung der Nachzahlungszinsen kein (besonders) weiter Ausgestaltungsspielraum zu. Die Verzinsung von Steuernachforderungen stelle einen reinen Vorteilsausgleich dar; darauf lasse sich der legislative Einschätzungsspielraum nicht übertragen. Anders als bei der Ausgestaltung der Steuerlast, die sich an der finanziellen Leistungsfähigkeit und am Gebot der Folgerichtigkeit zu orientieren habe, unterfielen steuerliche Nebenleistungen ohne Abstriche dem Verhältnismäßigkeitsgebot, so dass hier ein geringerer Grad an Gestaltungsfreiheit bestehe. Die gesetzliche Typisierung des § 238 AO erfülle ihren Zweck, die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen, allenfalls noch in Ausnahmefällen. Soweit das Verwaltungsgericht als zusätzliche Rechtfertigung auf die gesetzlichen Verzugszinsen verweise, verkenne es deren abweichenden Zweck (Sanktion für zu vertretende Nichtleistung) und deren engere Voraussetzungen (erst ab Fälligkeitseintritt). Entgegen dem Leitbild des Gesetzgebers entspreche ein Auf und Ab der Marktzinsen nicht mehr der wirtschaftlichen Realität. Dass die Verzinsung auch zugunsten des Steuerpflichtigen wirke, sei unerheblich, da kein innerer Zusammenhang zwischen Nachzahlungs- und Erstattungszinsen bestehe. Zudem ergebe sich seit vielen Jahren ein erheblicher Saldo zugunsten des Fiskus. Das Verwaltungsgericht übernehme die Begründung des Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009, setze sich aber nicht mit der Kritik an dieser Entscheidung auseinander. Eine mit dem Gleichheitssatz in Einklang zu bringende Typisierung müsse von einem Querschnitt aller Steuerpflichtigen ausgehen und auf der Basis empirischer Erhebungen einen Mischzins aller für die verschiedenen Gruppen maßgeblichen Guthaben- und Kreditzinsen bilden. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass auch die (unbenannten) Vorteile für Unternehmen aufgrund höherer Liquidität einzubeziehen seien, gehe fehl, da ein dem Vorsichtsprinzip verpflichteter Kaufmann entsprechende Steuerrückstellungen oder Steuerverbindlichkeiten in seiner Bilanz ausweise. Selbst wenn es zu einer Erhöhung des Eigenkapitals komme, wirke sich dies auf die Kreditbedingungen nur marginal aus. Die These, vorübergehend verfügbare Liquidität könne für Investitionen genutzt werden und damit zu einer weiteren Rendite führen, setze voraus, dass Unternehmen ihre Gewinne durch Investitionen beliebig steigern könnten; dies widerspreche den wirtschaftlichen Realitäten. Die Gesamtkapitalrentabilität aller deutschen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 50 Mio. Euro habe in den Jahren 2008 bis 2012 durchschnittlich bei 4,76% und damit erheblich unter 6% gelegen. Soweit das Verwaltungsgericht zum Vergleich auch ungesicherte Kredite und private Konsumentenkredite in den Blick nehme, verkenne es, dass der Gesetzgeber sich an einem Mischzins aus durchschnittlichen Haben- und Sollzinsen zu orientieren habe, wie er dies vermutlich auch bei Einführung der 6%-Verzinsung im Jahr 1961 bzw. bei Erlass der Abgabenordnung im Jahr 1977 getan habe. Die Liquiditätsvorteile durch aufgeschobene Steuerzahlungen hätten sich in den vergangenen Jahren bei Privatleuten und Unternehmen aufgrund der gefallenen Zinsen unterschiedlich entwickelt.

Aus diesem Vorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Die Klägerin macht nicht geltend, dass das Verwaltungsgericht die für die Beurteilung der Zinshöhe geltenden Verfassungsmaßstäbe verkannt hätte, wie sie sich insbesondere aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009 ergeben (Az. 1 BvR 2539/07, NVwZ 2010, 902), sondern misst das erstinstanzliche Urteil an ihrem davon abweichenden eigenen Normverständnis. Die insoweit getroffenen Aussagen finden indes im geltenden (Verfassungs-)Recht keine hinreichende Grundlage.

Unzutreffend ist bereits die Prämisse der Klägerin, dem Gesetzgeber stehe bei der Regelung von Nachzahlungszinsen und sonstigen steuerlichen Nebenleistungen kein legislativer Gestaltungsspielraum zu, sondern er sei insoweit „ohne Abstriche“ an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden. Dabei wird übersehen, dass auch steuerliche Zinsforderungen in der Regel Massenvorgänge betreffen, deren verwaltungstechnische Erfassung aus Praktikabilitätsgründen einer gewissen Typisierung bedarf, ohne dass darin eine Verletzung des Gleichheitssatzes gesehen werden könnte (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht ist demzufolge bei der Überprüfung der Zinsregelung des § 233a AO ohne weiteres von einem auch hier bestehenden gesetzgeberischen Gestaltungs- und Typisierungsspielraum ausgegangen und hat die damit unvermeidbar einhergehenden Ungleichbehandlungen der einzelnen Steuerschuldner für verfassungsrechtlich gerechtfertigt erklärt (BVerfG, a.a.O., Rn. 18 ff.). Es hat dabei ausdrücklich auch den Umstand berücksichtigt, dass die Vollverzinsung nach § 233a AO gleichermaßen zu Gunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen wirkt (a.a.O., Rn. 23 und 29); auf das von der Klägerin monierte Fehlen eines „inneren Zusammenhangs“ zwischen Nachzahlungs- und Erstattungszinsen kam es ihm danach ebenso wenig an wie auf den positiven Gesamtsaldo der Zinszahlungen aus Sicht des Fiskus.

Ebenfalls nicht gefolgt werden kann der Feststellung der Klägerin, die Typisierungsregelung des § 233a AO i. V. m. § 238 AO erfülle ihren Zweck der Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen allenfalls noch in Ausnahmefällen. Die der Regelung zugrundeliegende Annahme, wonach derjenige, dessen Steuer erst zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt wird, gegenüber demjenigen, dessen Steuer frühzeitig festgesetzt wird, einen Liquiditäts- und damit potentiellen Zinsvorteil hat, der umso größer ist, je höher der nachzuzahlende Betrag ist und je später die Steuer festgesetzt wird (BVerfG, a.a.O., Rn. 21), kann auch in der heutigen Niedrigzinsphase nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden; geändert hat sich durch das Sinken der marktüblichen Zinssätze allein die Höhe dieses wirtschaftlichen Vorteils. Jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum bis Mitte 2014 kann auch keine Rede davon sein, dass die Marktzinsen entgegen früherer Erfahrung keinem „Auf und Ab“ mehr unterlägen, sich also zwingend und auf unabsehbare Zeit nur immer weiter nach unten entwickeln würden. Dieser Annahme stehen nicht nur die monatlichen Ausschläge der Zinssätze entgegen, wie sie sich u. a. den vom Verwaltungsgericht angeführten Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank entnehmen lassen, sondern auch die Abhängigkeit der Zinshöhe von der ungewissen konjunkturellen Entwicklung und von den ebenfalls nicht exakt vorhersehbaren zinspolitischen Entscheidungen der Notenbanken.

Soweit die Klägerin gegen den in § 238 AO festgelegten Zinssatz von 0,5% pro Monat bzw. 6% pro Jahr allgemein einwendet, dieser entspreche mittlerweile nicht mehr dem „Mischzins aus durchschnittlichen Haben- und Sollzinsen“, der sich anhand der für die unterschiedlichen Gruppen von Steuerpflichtigen maßgeblichen Guthaben- und Kreditzinsen empirisch ermitteln lasse, legt sie wiederum einen zu engen Prüfungsmaßstab an. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Steuergesetzgeber zum Erlass einer typisierenden Zinsregelung gerade deshalb berechtigt, weil eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz wegen dessen Schwankungen über die einzelnen Zinszeiträume hinweg zu erheblichen Schwierigkeiten führen würde und weil der für die Steuerpflichtigen konkret entstehende Zinsvorteil oder -nachteil sich häufig nicht ermitteln ließe, da dessen Höhe von subjektiven Entscheidungen zur Finanzierung und Kapitalverwendung abhängt (BVerfG, a.a.O. Rn. 29). Eine typisierende Zinsregelung muss daher nicht auf eine möglichst genaue Erfassung des (jeweils) aktuellen Zinsniveaus abzielen, sondern lediglich insgesamt dem rechtsstaatlichen Übermaßverbot genügen, wobei in Fällen einzelner unbeabsichtigter Härten auch ein Billigkeitserlass nach § 227 AO in Betracht kommt (BVerfG, a.a.O. Rn. 29 ff.). Der derzeit geltende gesetzliche Zinssatz von 0,5% pro Monat kann hiernach selbst dann gerechtfertigt sein, wenn er signifikant von dem Marktzins abweicht, der die tatsächlichen Zinsvorteile oder -nachteile prägt (so zuletzt BFH, B.v. 19.2.2016 – X S 38/15 [PKH] – juris Rn. 29).

Von einer übermäßigen Belastung der Steuerpflichtigen kann auch in Anbetracht der seit der Finanzkrise geltenden ungewöhnlich niedrigen Zinssätze nicht ausgegangen werden. Eine so weitgehende Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, dass selbst bei Einbeziehung der für den Kreditnehmer ungünstigsten Sollzinssätze namentlich bei unbesicherten Kreditformen bzw. der für den Vermögensanleger günstigsten Renditen ein Zinsfuß von 0,5% pro Monat als gänzlich markt- und realitätsfremd und damit als wirtschaftlich unzumutbar erschiene, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht nur für eine Reihe früherer Steuerjahre (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 29; BFH, U.v. 1.7.2014 – IX R 31/13 – BFHE 246, 193 Rn. 12 ff.), sondern auch für den Zeitraum bis Ende 2013 nicht zu erkennen vermocht (BFH, B.v. 19.2.2016, a.a.O.), wobei ergänzend auch auf die Höhe der gesetzlichen Verzugszinsen nach § 288 BGB verwiesen wurde (BFH, U.v. 1.7.2014, a.a.O., Rn. 18). Weshalb sich an dieser rechtlichen Beurteilung für das nachfolgende halbe Jahr bis Ende Juni 2014, das hier ebenfalls streitgegenständlich ist, etwas Grundlegendes geändert haben könnte, ist nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht dargelegt worden. Das bloße Fortdauern der Niedrigzinsphase kann jedenfalls nicht dazu führen, dass sich eine bisher verfassungsmäßige Zinshöhe nunmehr für die Steuerpflichtigen übermäßig belastend auswirken würde.

Bei der Frage, inwieweit ein durch verspätete Steuerfestsetzung tatsächlich entstandener Liquiditätsvorteil durch die Erhebung von Nachzahlungszinsen abgeschöpft wird, kann im Übrigen nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Zinslauf nicht schon mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, sondern erst nach einer steuerfreien Karenzzeit von (mindestens) 15 Monaten beginnt (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO) und dass angefangene Monate bei der Zinsberechnung außer Betracht bleiben (§ 238 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AO). Dementsprechend war im vorliegenden Fall die Klägerin nur für Zeiträume von 87 Monaten (Steuerjahr 2005) bzw. 75 Monaten (Steuerjahr 2006) zur Zinszahlung verpflichtet, obwohl bis zum Wirksamwerden der Festsetzung (§ 233a Abs. 2 Satz 3 AO) fast 102 ½ bzw. 90 ½ Monate vergangen waren. In den (wohl häufigeren) Fällen, in denen zwischen der Fälligkeit der Steuer und ihrer Festsetzung kürzere Zeiträume liegen, kommt den genannten zinsfreien Abschnitten ein noch höheres relatives Gewicht zu, so dass die effektive Zinsbelastung dort noch stärker absinkt.

Die generalisierende Regelung über Nachzahlungszinsen von 0,5% pro Monat hat den typischen Fall eines (privaten oder gewerblichen) Steuerpflichtigen im Blick, der nicht schon frühzeitig eine drohende Nacherhebung von Steuern absehen und sich darauf einrichten kann. Daher lässt sich der insbesondere für Unternehmen bestehende Liquiditätsvorteil nicht generell mit dem Argument in Abrede stellen, dass nach kaufmännischen Grundsätzen (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) bei zu erwartenden Steuernachzahlungen die betreffenden Verbindlichkeiten bzw. entsprechende Rückstellungen in der Bilanz auszuweisen seien. Ist die künftige Steuerschuld für einen Steuerpflichtigen, der seine Mitwirkungspflichten zeitnah und ordnungsgemäß erfüllt hat, nicht konkret vorhersehbar, so führt die Verzögerung bei der Steuerfestsetzung in jedem Fall zu einer zeitweilig höheren Liquidität bzw. zur Erhöhung des Eigenkapitals. Inwieweit sich dies am Ende gewinnsteigernd auswirkt, hängt zwar, wie die Klägerin zutreffend darlegt, maßgeblich von den jeweiligen Investitionsbedingungen und Rentabilitätserwartungen sowie von der Investitionsbereitschaft des Einzelnen ab. An dem grundsätzlich positiven Effekt des vorübergehenden Belassens von Finanzmitteln kann jedoch kein Zweifel bestehen.

b) Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.

Die Klägerin trägt insoweit vor, der vorliegende Fall hebe sich deutlich von den in verwaltungsgerichtlichen Verfahren üblicherweise zu entscheidenden Streitfragen ab. Er lasse sich nicht mit einer schlichten Gesetzessubsumtion lösen, sondern erfordere eine vertiefte Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Gesetzgebung. Der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens lasse sich nicht abschließend anhand des Vortrags in der Berufungszulassungsbegründung beurteilen. Rechtliche Schwierigkeiten bestünden insbesondere bei wissenschaftlichen Kontroversen zu entscheidungserheblichen Fragen. Die Klägerin habe bereits mit der Klagebegründung ausführlich die steuerrechtliche Literatur zitiert, die nahezu einhellig die gesetzliche Regelung der Nachzahlungszinsen für verfassungswidrig erkläre.

Auch diese Darlegungen lassen den Umstand außer Betracht, dass die streitentscheidende Frage, ob die Erhebung von Nachzahlungszinsen nach § 233a i. V. m. § 238 AO für die Zeit von Januar 2012 bis Juni 2014 mit höherrangigem Recht vereinbar ist, durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs bereits so weit geklärt ist, dass sich daraus ohne weiteres die Lösung auch des vorliegenden Falles ergibt. Allein die Tatsache, dass das im Berufungszulassungsverfahren umfangreich zitierte steuerrechtliche Schrifttum offenbar weit überwiegend den Gegenstandpunkt vertritt, zwingt noch nicht dazu, die Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeit zuzulassen und die – nach Auffassung des Senats eindeutig gemäß den höchstrichterlichen Vorgaben zu entscheidende – Streitfrage nochmals in einer mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten zu erörtern.

c) Die Rechtssache weist auch keine grundsätzliche Bedeutung auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Die Klägerin hält folgende Rechtsfrage für klärungsbedürftig: „Ist der gesetzliche Zinssatz der Nachverzinsung von 0,5% pro Monat bzw. von 6% pro Jahr gemäß § 233a und § 238 AO (hier i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO und § 1 GewStG) im Hinblick auf den Gleichheitssatz und das Übermaßverbot verfassungswidrig?“. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2014 sei die Höhe der Nachverzinsung noch nicht Gegenstand einer höchst- oder obergerichtlichen Entscheidung geworden. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009 betreffe den Verzinsungszeitraum 2003 bis 2006, die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 14. April und 21. Oktober 2015 jeweils den Verzinsungszeitraum bis Ende 2011. Beim Bundesfinanzhof sei aktuell ein Verfahren für den Verzinsungszeitraum April bis Juli 2013 anhängig. Die Klärung der angesprochenen Rechtsfrage für den hier streitgegenständlichen Zeitraum sei für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung.

Dieses Vorbringen kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung führen. Wie oben dargelegt, hat sich der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 19. Februar 2016 (Az. X S 38/15 [PKH], juris Rn. 29) mittlerweile auch für den Zeitraum bis Ende 2013 dahingehend geäußert, dass die in früheren Entscheidungen des Gerichts angestellten Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschriften unverändert fortbestehen. In dieser langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich sämtliche damit befassten Instanzgerichte angeschlossen haben (vgl. zuletzt FG LSA, U.v. 2.11.2016 – 3 K 1042/11 – juris Rn. 36), wird die Vereinbarkeit der Vorschriften mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und mit dem verfassungsrechtlich begründeten Übermaßverbot ausdrücklich bejaht. Da sich die für diese Bewertung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände in den ersten sechs Monaten des Jahres 2014 ersichtlich nicht geändert haben, kann auch für diesen Zeitraum kein grundsätzlicher Klärungsbedarf angenommen werden.

d) Der darüber hinaus geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist ebenfalls nicht erfüllt.

Die Klägerin trägt insoweit vor, das Verwaltungsgericht habe in seiner Begründung auf private Konsumentenkredite abgestellt und damit die Zinshöhe auch in Bezug auf die nicht als Minderheit anzusehende Gruppe der Unternehmen, Selbständigen und Freiberufler gerechtfertigt. Damit weiche es von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Oktober 1991 ab (Az. 1 BvL 50/86 – BVerfGE 84, 348/360), wonach bei einer Typisierung Ungleichbehandlungen nur einen kleinen Personenkreis betreffen und nicht sehr intensiv sein dürften.

Die von der Klägerin geltend gemachte Abweichung liegt nicht vor. Die angeführte ältere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die eine einkommensteuerrechtliche Regelung betraf, enthält zwar die zitierte Passage, wonach typisierungsbedingte Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und keine sehr intensiven Verstößen gegen den Gleichheitssatz bewirken dürfen. Unzutreffend ist jedoch die (nicht weiter begründete) Annahme der Klägerin, die Vorschriften über Nachzahlungszinsen führten bei der – zahlenmäßig bedeutsamen – Personengruppe der Unternehmen, Selbständigen und Freiberufler im Sinne dieser Verfassungsrechtsprechung zu „erheblichen Härten und Ungerechtigkeiten“. Eine diesbezügliche Aussage lässt sich auch dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts nicht entnehmen. Die Entscheidung legt vielmehr ausführlich dar, dass die Anwendung des Zinssatzes des § 238 AO auf Unternehmen einen Anknüpfungspunkt in der Realität finde (UA Rn. 20). Dies steht im Einklang mit der Forderung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss zu § 233a AO, wonach sich die gesetzliche Typisierung realitätsgerecht am typischen Fall orientieren müsse (BVerfG, B.v. 3.9.2009, a.a.O., Rn. 17). Einen speziellen Begründungsbedarf für eine gruppenbezogene Ungleichheit sieht das Gericht dabei nicht in der einheitlichen Zinshöhe für Private und Gewerbetreibende, sondern lediglich in der unterschiedlichen Behandlung von zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern (BVerfG, a.a.O., Rn. 20).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Für die Streitwertfestsetzung war nach §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG der auf den streitgegenständlichen Zeitraum entfallende Zinsanteil maßgeblich (Zinsforderung 1.452.579 Euro x 30 Monate x 0,5% = 217.886,85 Euro).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 149 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 149 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.

(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.

(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.

(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.

(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.

(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.

(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.

(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.

(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Veranlagungszeitraum 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

2

Sie veräußerten am 17. April 2002 eine am 27. November 1996 erworbene Eigentumswohnung. In dem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 8. Oktober 2004 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns von 61.539 € als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fest. In ihrem Einspruch vom 14. Oktober 2004 beriefen sich die Kläger hiergegen auf die Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist. Auf den am selben Tag gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewährte das FA am 26. Oktober 2004 Aussetzung der Vollziehung (AdV) in Höhe der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer von 29.632 €. Am 28. Oktober 2004 ordnete das FA das Ruhen des Verfahrens gemäß § 363 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Rechtssache IX R 46/02 an. Dieses Verfahren hatte der BFH mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 ausgesetzt (BFH-Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284) und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu der Frage eingeholt, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) mit dem Grundgesetz (GG) insoweit unvereinbar ist, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31. Dezember 1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F.) bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden.

3

Nachdem das BVerfG am 7. Juli 2010 (Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76) entschieden hat, die Verlängerung der sog. Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 sei mit den belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden gewesen, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprachen, behandelte das FA nur noch einen Betrag von 34.078 € als steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn und setzte mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 15. Februar 2011 die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest. Die gewährte AdV wurde zugleich aufgehoben. Mit Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 setzte das FA Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 (76 Monate) in Höhe von 6.023 € fest.

4

Der Einspruch, in dem sich die Kläger darauf beriefen, dass die Zinsfestsetzung wegen der langen Verfahrensdauer von sechs Jahren und vier Monaten nicht nur überraschend, sondern auch willkürlich und verfassungswidrig sei, und die Klage blieben erfolglos. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1734 veröffentlichten Urteil vertrat das Finanzgericht (FG) die Auffassung, die Zinsfestsetzung entspreche der gemäß §§ 237, 238 Abs. 1 AO geltenden Rechtslage. Es bestünden hinsichtlich des typisierten Zinssatzes von 6 Prozent p.a. keine verfassungsrechtlichen Bedenken für den Verzinsungszeitraum November 2004 bis März 2011. Zwar habe sich nunmehr --anders als in den letzten vier Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts-- ein Niedrigzinsniveau stabilisiert. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich damit gegenüber den Gegebenheiten bei Einführung des Zinssatzes von 6 Prozent p.a. entscheidend verändert. Allerdings führten nach der zu Art. 3 GG entwickelten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vorhandene Ungleichheiten nicht in jedem Fall zur sofortigen Verfassungswidrigkeit. Dem Gesetzgeber stünden zur Beseitigung solcher Ungleichheiten in bestimmten Fällen Fristen zu. Dem Gesetzgeber sei eine gewisse Beobachtungszeit zuzubilligen, bevor eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse unumgänglich werde.

5

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Vorentscheidung gehe willkürlich unter Verletzung der Grundrechte der Kläger --des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und des Eigentums (Art. 14 GG) in der Ausformung des Halbteilungsgrundsatzes-- davon aus, sie wären unabhängig von der unbestimmten und überlangen Dauer des Verfahrens in der Lage gewesen, den zur Zahlung ausgesetzten Betrag für die Verfahrensdauer von 76 Monaten gewinnbringend anzulegen. Bei verfassungsmäßiger Rechtsanwendung hätte die tatsächliche Nutzung durch die Kläger ermittelt und lediglich diese konkret abgeschöpft werden müssen. Die Zinsfestsetzung sei wegen der überlangen Verfahrensdauer verfassungs- und menschenrechtswidrig. §§ 237, 238 AO verletzten den Grundsatz der Bestimmtheit, weil sie willkürlich die Verfahrensdauer des zur Aussetzung führenden Ursprungsverfahrens nicht berücksichtigten. Auch die Höhe der Zinsen von 6.023 € bezogen auf einen ausgesetzten Betrag in Höhe von 15.850 €, die "fast 50 %" des Betrages bedeute, sei angesichts der tatsächlich nicht bestehenden Nutzungsmöglichkeiten eine unsachliche, unverhältnismäßige und damit willkürliche Belastung der Kläger. Die (anteiligen) Verfahrens- und Gerichtskosten, die die Kläger auf den Wert von 15.850 € zahlen müssten, beeinträchtigten ebenfalls den fiktiv unterstellten Nutzungsvorteil in Bezug auf den Aussetzungsbetrag und seien daher hinzuzurechnen. Die Berechnung der Aussetzungszinsen auf der Grundlage des Basiszinssatzes gemäß § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ermögliche dagegen eine einfach zu handhabende und der Realität entsprechende Bewertung. Bei einem Aussetzungsbetrag in Höhe von 15.850 € ergäbe sich bei der Verfahrensdauer von 76 Monaten ein Zinsbetrag --wie im Hilfsantrag berücksichtigt-- in Höhe von 1.620,01 €.

6

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil und den Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2011 aufzuheben,
hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2011 dahingehend zu ändern, dass Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 in Höhe des jeweiligen Basiszinssatzes, mithin in Höhe von 1.620,01 €, festgesetzt werden.

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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom FA vorgenommene Festsetzung von Aussetzungszinsen der geltenden Rechtslage entspricht (1.). Die Voraussetzungen einer Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG hinsichtlich der gesetzlich festgelegten Zinshöhe liegen nicht vor (2.). Der gestellte Hilfsantrag ist unbegründet (3.). Über einen nicht beantragten Erlass aus Billigkeitsgründen hat der Senat nicht zu entscheiden (4.).

9

1. Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die AdV endet (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO).

10

a) Sinn und Zweck der in § 237 AO enthaltenen gesetzlichen Regelung der Verzinsungspflicht ist es, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht "an sich" dem Steuergläubiger zusteht (vgl. BFH-Urteile vom 24. Juli 1979 VII R 67/76, BFHE 128, 331, BStBl II 1979, 712; vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53). Zu § 251a der Reichsabgabenordnung (RAO), auf den § 237 AO zurückgeht (vgl. dazu Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2001  3 A 1928/98, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 2002, 477), ist im Entwurf des Steueränderungsgesetzes 1961 (BTDrucks III/2573, S. 37) ausgeführt, die Norm sei das Gegenstück zu § 155 RAO. Wenn danach von Beginn der Rechtshängigkeit Überzahlungen verzinst würden, müsse das Gleiche auch für Nachzahlungen gelten, zumal durch die Einführung von Zinsen für die AdV erreicht werde, dass unnötige Steuerprozesse vermieden würden. Wenn in der Gesetzesbegründung die Aussetzungszinsen als "Gegenstück" zu den Prozesszinsen bezeichnet werden, so soll damit gesagt werden, dass das Gesetz auf einen gerechten Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Steuerpflichtigen und dem Zinsverlust des Steuergläubigers abzielt und die Aussetzungszinsen den Zweck haben, dem Steuergläubiger den Nutzungsvorteil zuzuwenden, der ihm für einen nach dem materiellen Steuergesetz geschuldeten Betrag gebührt (BFH-Urteil vom 31. März 2010 II R 2/09, BFH/NV 2010, 1602, unter II.1.a).

11

b) Das FG hat auf der Rechtsgrundlage der §§ 237 Abs. 1 und 2, 238 AO die Festsetzung der Aussetzungszinsen in Höhe von 6.023 € zutreffend als der geltenden Rechtslage entsprechend angesehen.

12

2. Die Voraussetzungen einer Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG liegen nicht vor.

13

Ein Gericht kann die Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Regelung überzeugt ist (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 20. März 1984  1 BvL 23/83, BVerfGE 66, 265, unter B.2.; BVerfG-Beschlüsse vom 6. April 1989  2 BvL 8/87, BVerfGE 80, 59, unter B.1., und vom 22. September 2009  2 BvL 3/02, BVerfGE 124, 251, unter B.2.a). Eine solche Überzeugung vermochte sich der Senat im Streitfall hinsichtlich der gesetzlich festgelegten Zinshöhe indes nicht zu bilden.

14

a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, unter C.1.; BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.). Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Dies gilt für die Auswahl des Steuergegenstands und auch für die Bestimmung des Steuersatzes (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 22. Juni 1995  2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, unter C.II.1.d, und vom 4. Dezember 2002  2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, unter C.I.1.b). Das BVerfG erkennt in ständiger Rechtsprechung Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa; BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008  2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, Deutsches Steuerrecht 2010, 1563, 1565). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel --wie im Streitfall-- Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. z.B. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 274; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa). Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Oktober 1969  2 BvR 555/67, BVerfGE 27, 142, unter B.1.b, und in BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa). Der Senat kann sich für den Streitfall nicht die Überzeugung bilden, dass der Gesetzgeber diese verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten hat.

15

b) Das BVerfG (Beschluss vom 3. September 2009  1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115, unter III.1.b bb) hat --bezogen auf die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO für die Zinszahlungszeiträume 2003 bis 2006-- zu der gesetzlichen Typisierung ausgeführt: "Indem der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt hat, ist dies jedenfalls rechtsstaatlich unbedenklich und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 BGB würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13). In vielen Fällen ist eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Zudem ist auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a in Verbindung mit § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt."

16

c) Zwar hat das FG an den Ausführungen des BVerfG zu Recht für zweifelhaft angesehen, ob angesichts der Einsatzmöglichkeiten moderner EDV-Technik bei einer Anpassung der Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 BGB weiterhin "erhebliche praktische Schwierigkeiten" bestünden (kritisch auch Ortheil, Betriebs-Berater 2012, 1513, 1516; Seer/Klemke, Institut Finanzen und Steuern e.V., IFSt-Schrift Nr. 490 (2013), 48), allerdings gelten die übrigen vom BVerfG herangezogenen Erwägungen gleichermaßen jedenfalls noch für die im Streitfall betroffenen Zinszahlungszeiträume von 2004 bis 2011. Die Ermittlung eines konkreten Zinsvorteils oder -nachteils ist für den konkreten Einzelfall regelmäßig nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet; der gesetzliche Zinssatz gilt weiterhin sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Mai 2013 X B 233/12, BFH/NV 2013, 1380).

17

aa) Soweit die Kläger meinen, für den Vergleich mit dem gesetzlichen Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO sei ausschließlich der jeweils aktuelle Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen, trifft dies nicht zu.

18

Zwar lag der Effektivzinssatz in % p.a. für Einlagen privater Haushalte (Quelle: Deutsche Bundesbank, Zinssätze und Volumina für das Neugeschäft der deutschen Banken (MFIs) - Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist bis drei Monate) in dem Verzinsungszeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 deutlich unter dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Da die Verwendung des noch nicht zu Steuerzahlungen benötigten Kapitals jedoch von individuellen Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig ist, sind indes bei der Betrachtung sowohl der Anlagezinssatz (Verwendung von Kapital) als auch der Darlehenszinssatz (Finanzierung von Steuernachzahlungen) für einen Vergleich mit dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO einzubeziehen (gleicher Ansicht BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 1380). Anders als Seer/Klemke (IFSt-Schrift Nr. 490 (2013), 56) meinen, besteht auch kein Grund dafür, nur kurzfristige Fremdfinanzierungen einzubeziehen. Denn die Verzinsung bei einer AdV erfasst --wie der Streitfall zeigt-- auch langfristige Zeiträume. In dem genannten Verzinsungszeitraum lagen die Effektivzinssätze für Konsumentenkredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung (zwischen 7,14 % p.a. und 5,32 % p.a. [Quelle: Deutsche Bundesbank, Zinssätze und Volumina für das Neugeschäft der deutschen Banken (MFIs) - Konsumentenkredite an private Haushalte]) sowie die banküblichen Sollzinsen für Dispositionskredite über bzw. jedenfalls nicht wesentlich unter dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Zinssatz von 0,5 % pro Monat (6 % p.a.). Dies gilt ebenso für die gesetzlichen Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz; mithin im Zeitraum von 2004 bis 2011 zwischen 8,32 % und 5,12 %) und § 288 Abs. 2 BGB (acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz; mithin im Zeitraum von 2004 bis 2011 zwischen 11,32 % und 8,12 %).

19

Da sich der Zinssatz von einhalb Prozent für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) somit bei diesem Vergleich noch in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen hält, ist der Senat nicht davon überzeugt, dass § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungswidrig ist. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass für nicht besicherte Kreditgewährungen im Vergleich zu besicherten Krediten am Markt in der Regel zur Vergütung des Risikos ein höherer Darlehenszins zu bezahlen ist. Da die Forderungen des FA gegenüber den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht besichert sind, lässt sich dieser Umstand eher dafür anführen, sich am höheren Zinsniveau für unbesicherte Darlehen zu orientieren.

20

Dafür, dass sich der Gesetzgeber mit der Höhe des Zinssatzes in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Streitfall innerhalb seiner Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis hält, spricht neben den oben angeführten Argumenten auch der Grundsatz der Rechtskontinuität. Wie unter II.1.a dargelegt, geht § 237 AO auf § 251a RAO --eingeführt durch das Steueränderungsgesetz 1961 vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981)-- zurück. Der Zinssatz in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO entspricht der damaligen Rechtslage in § 5 des Steuersäumnisgesetzes (StSäumG). § 5 Abs. 1 StSäumG sah ebenfalls Zinsen für jeden Monat von einhalb von Hundert vor. Der typisierende Zinssatz gilt daher über einen langen Zeitraum in einer Vielzahl von Fällen, in dem erhebliche Zinsschwankungen --nach oben und nach unten-- auftraten. Dass die Kläger möglicherweise tatsächlich keinen oder einen geringeren Zinsvorteil erlangt haben, ist für die Verzinsung gemäß § 237 AO grundsätzlich unerheblich (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2009, 2115).

21

Nachdem sich erst nach dem streitgegenständlichen Verzinsungszeitraum das Marktzinsniveau dauerhaft auf relativ niedrigem Niveau stabilisiert hat, bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung des Senats, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Folgezeit so einschneidend geändert haben, dass die Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird (so Jonas, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 960 f.). Dann kann der Gesetzgeber allerdings von Verfassungs wegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 8. August 1978  2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, unter B.II.2.c; vom 24. November 1981  2 BvC 1/81, BVerfGE 59, 119, unter II.2.c, und vom 28. November 1984  1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, BStBl II 1985, 181).

22

bb) Folge einer Typisierung ist notwendigerweise, dass die Verhältnisse des Einzelfalls unberücksichtigt bleiben. Darin liegende Ungleichbehandlungen sind durch die Typisierungsbefugnis grundsätzlich gerechtfertigt. Ist vorhersehbar, dass in Ausnahmefällen besondere Härten auftreten können, die nicht in zumutbarer Weise durch gesetzliche Sonderregelungen vermeidbar sind, steht dies der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers nicht entgegen, wenn für deren Behebung im Einzelfall Billigkeitsmaßnahmen (vgl. § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO) zur Verfügung stehen. Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von generalisierenden und typisierenden Normen des Steuerrechts fällt insbesondere die Möglichkeit des Billigkeitsverzichts zur Milderung unbilliger Härten ins Gewicht (BVerfG-Beschluss vom 5. April 1978  1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102; BFH-Urteile vom 6. Februar 1976 III R 24/71, BFHE 118, 151; vom 23. März 1998 II R 41/96, BFHE 185, 270, BStBl II 1998, 396; vom 27. Mai 2004 IV R 55/02, BFH/NV 2004, 1555, und vom 20. September 2012 IV R 36/10, BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498).

23

d) Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, dass die §§ 237, 238 AO gegen den Grundsatz der Bestimmtheit verstoßen.

24

Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf die Verwaltung Steuerpflichtige nur aufgrund solcher Gesetze belasten, die nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sind, so dass die Eingriffe messbar und in gewissem Umfang für den Einzelnen voraussehbar und berechenbar werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. August 1996  2 BvR 2088/93, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1996, 3146, m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Dass in Fällen der vorliegenden Art der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen ist, lässt sich anhand des Gesetzeswortlauts hinreichend erkennen.

25

e) Die Vorentscheidung verstößt schließlich nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Eine Verletzung dieses Grundrechts wäre allenfalls in Betracht zu ziehen, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (BVerfG-Beschlüsse vom 8. März 1983  2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312, BStBl II 1983, 779, und in BVerfGE 68, 287, BStBl II 1985, 181). Für eine derartige Wirkung einer Zinshöhe von einhalb Prozent für jeden Monat gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte.

26

f) Der Senat kann im Streitfall dahinstehen lassen, ob der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten eröffnet ist und sich daraus oder aus Art. 19 Abs. 4 GG (Gebot effektiven Rechtsschutzes) die von den Klägern behauptete Rechtsfolge ableiten ließe, ein Bescheid über Aussetzungszinsen werde rechtswidrig und müsse ersatzlos aufgehoben werden, wenn die Verfahrensdauer des zur Aussetzung führenden Ursprungsverfahrens verfassungswidrig überlang gewesen sei. Denn für eine Unangemessenheit der Dauer des Verwaltungsverfahrens hat das FG keine Feststellungen getroffen.

27

Die Dauer des Verwaltungsverfahrens beruhte im Wesentlichen auf der gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO eingetretenen Verfahrensruhe bis zur Entscheidung des BFH in dem Musterverfahren IX R 46/02, das der BFH mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 ausgesetzt und dem BVerfG nach Art. 100 GG vorgelegt hat. Nachdem das BVerfG am 7. Juli 2010 entschieden hat, setzte das FA mit Bescheid vom 15. Februar 2011 die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest und hob die gewährte AdV auf.

28

Das Ruhen des Einspruchsverfahrens diente --auch im Interesse der Kläger-- der Verfahrensökonomie (vgl. Begründung zu § 363 AO, BTDrucks 12/7427, S. 37). Sie hätten jederzeit die Fortführung des Einspruchsverfahrens beantragen können (§ 363 Abs. 2 Satz 4 AO). Für Verfahren vor dem BVerfG ist zu berücksichtigen, dass dessen Sachentscheidungen über den Einzelfall hinaus wirken und teilweise Gesetzeskraft haben (§ 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht), weshalb grundsätzlich in jedem verfassungsgerichtlichen Verfahren eine besonders tiefgehende und abwägende Prüfung erforderlich ist, die einer Verfahrensbeschleunigung Grenzen setzt. Außerdem gebietet es --wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anerkennt (EGMR-Urteile vom 25. Februar 2000  29357/95, Gast und Popp ./. Deutschland, NJW 2001, 211, Rz 75; vom 8. Januar 2004  47169/99, Voggenreiter ./. Deutschland, NJW 2005, 41, Rz 49, 52; vom 6. November 2008  58911/00, Leela Förderkreis e.V. u.a. ./. Deutschland, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2010, 177, Rz 63, und vom 22. Januar 2009  45749/06, 51115/06, Kaemena und Thöneböhn ./. Deutschland, juris, Rz 61 ff.)-- die besondere Rolle des BVerfG, bei der Bearbeitung der Verfahren gegebenenfalls andere Umstände zu berücksichtigen als nur die chronologische Reihenfolge der Eintragung in das Gerichtsregister, etwa weil besonders bedeutsame Verfahren vorrangig bearbeitet werden müssen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 1. Oktober 2012  1 BvR 170/06 - Vz 1/12, NVwZ 2013, 789). Zudem kann zur Klärung von Auslegungsfragen des Grundgesetzes ein Zuwarten bei der Bearbeitung einzelner Verfahren nötig sein, weil mehrere Verfahren zu einem Fragenkreis gebündelt werden müssen, um einen umfassenden Blick auf die verfassungsrechtliche Problematik zu ermöglichen, oder weil umgekehrt eine in mehreren Verfahren aufgeworfene Frage in einem Pilotverfahren geklärt wird, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt bleiben (vgl. EGMR-Urteil in NVwZ 2010, 177, Rz 63 f.; BVerfG-Beschluss in NVwZ 2013, 789). Entgegen der Auffassung der Kläger kann daher im Streitfall nicht aus der Dauer des der Verfahrensruhe zugrundeliegenden Musterverfahrens auf eine überlange, unangemessene Dauer des Verwaltungsverfahrens geschlossen werden.

29

3. Der Hilfsantrag ist unbegründet.

30

Steuerrechtlich besteht keine Rechtsgrundlage für eine Festsetzung von Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 in Höhe des jeweiligen Basiszinssatzes gemäß § 247 BGB. Wie unter II.1. dargelegt, beruht der Festsetzungsbescheid über die Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 auf den §§ 237 Abs. 1 und 2, 238 AO.

31

4. Über einen --nicht beantragten-- Erlass aus Billigkeitsgründen hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Frage eines eventuellen Zinsverzichts des FA als Billigkeitsmaßnahme gemäß § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO wäre in einem gesonderten Verfahren zu klären.

(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.

(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.

(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.

(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.

(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 149 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.