Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 ZB 17.906

bei uns veröffentlicht am24.10.2017
vorgehend
Verwaltungsgericht Regensburg, RO 1 K 15.2248, 15.03.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die 1961 geborene Klägerin steht als Studienrätin an der Staatlichen Realschule in N. im Dienst des Beklagten. Seit dem 1. Mai 2008 ist sie ununterbrochen Mitglied des Stadtrats in R.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 beantragte die Klägerin, ihr wöchentliches Stundenmaß wegen des von ihr wahrgenommenen Stadtratsmandats pauschal zu reduzieren. Die Staatliche Realschule N. lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2010 ab. Mit Urteil vom 21. März 2012 (RO 1 K 11.408) wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Der Senat lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 29. November 2013 ab (3 ZB 12.998). Die Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof wurde mit Entscheidung vom 9. Februar 2015 abgewiesen (Vf. 11-6-14).

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2015 beantragte die Klägerin erneut eine pauschale Reduzierung ihres wöchentlichen Vollstundenmaßes ab dem Schuljahr 2015/2016.

Das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (Staatsministerium) teilte der Klägerin unter dem 26. Oktober 2016 mit, dass der neuerliche Antrag weder auf einem rechtlich abweichend zu beurteilenden Sachvortrag beruhe noch sich die diesbezüglich einschlägigen Bestimmungen oder die hierzu ergangene Rechtsprechung geändert hätten. Die gegen diese Mitteilung erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. März 2017 (RO 1 K 11.408) ab. Die Klage sei unzulässig. Das Schreiben des Staatsministeriums sei eine wiederholende Verfügung. Im Übrigen sei die von der Klägerin aufgeworfene Frage einer pauschalen Dienstbefreiung bereits rechtskräftig in den vorhergehenden Verfahren entschieden worden. Hieran seien die Beteiligten gemäß § 121 Nr. 1 VwGO gebunden. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf pauschale Dienstbefreiung habe.

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten), des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung), des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) und des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

a. Die Klägerin rügt, es liege keine wiederholende Verfügung vor, da sich die Rechts- und Sachlage im Vergleich zu dem vorhergehenden Antrag verändert habe. Der streitgegenständliche Antrag betreffe die Zeit ab dem Schuljahr 2015/2016. Sie sei nunmehr in acht (zuvor fünf) Gremien tätig und damit sehr viel stärker belastet als vorher. Anders als in der vorangegangenen Wahlperiode gebe es im Stadtrat nunmehr verbeamtete Kollegen, denen eine pauschale Reduzierung ihrer Arbeitszeit vom Beklagten gewährt worden sei bzw. von denen keine Nacharbeit für die durch Sitzungen verloren gegangene Arbeitszeit eingefordert werde. Darüber hinaus stelle sich auch die Rechtslage im Vergleich zum Vorverfahren anders da, da die Klägerin ihren Antrag nunmehr auf § 17 Abs. 1 Satz 1 UrlV anstatt auf § 17 Abs. 1 Satz 2 UrlV stütze.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich hieraus nicht. Die rechtliche Qualifizierung einer behördlichen Erklärung als „wiederholende Verfügung“ hängt allein davon ab, ob sie sich in der bloßen Wiederholung eines bereits ergangenen Verwaltungsakts ohne neuen Regelungsgehalt erschöpft (vgl. von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand: April 2017, § 35 Rn. 188). Ob sich die Sach- und Rechtslage geändert hat, wie die Klägerin meint, ist für die Frage von Interesse, ob Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 BayVwVfG vorliegen. Auf diesen Gesichtspunkt bezieht sich der Zulassungsantrag der Klägerin indessen nicht. Ebenso wenig auf die Frage, ob die wiederholende Verfügung deshalb Verwaltungsakt ist, weil sie auch die (konkludente) Entscheidung darüber beinhaltet, dass Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 BayVwVfG nicht vorliegen (vgl. von Alemann/Scheffczyk a.a.O. Rn.189 unter Hinweis auf BVerwG NVwZ 2002, 482; vgl. auch Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 51 Rn. 5).

b. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 21. März 2012 (RO 1 K 11.408) entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf pauschale Dienstbefreiung nach Art. 93 Abs. 4 BayBG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 UrlV hat. Auch einen Anspruch nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UrlV hat es verneint. Die Klägerin ignoriert diesen Umstand indes und behauptet, in dem früheren Verfahren sei es nur um § 17 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 als mögliche Anspruchsgrundlage für die pauschale Dienstbefreiung gegangen. Sie mag insoweit für wesentlich halten, dass sich der Senat in seiner Entscheidung vom 29. November 2013 nicht mit § 17 Abs. 1 Satz 1 UrlV auseinandergesetzt hat. Dies beruhte jedoch darauf, dass sich die Klägerin im damaligen Antragsverfahren auf Ausführungen zu § 17 Abs. 1 Satz 2 UrlV beschränkt hatte. Auswirkungen auf die Bindungswirkung des § 121 Nr. 1 VwGO hat diese Beschränkung nicht.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 21. März 2012 entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf pauschale Dienstbefreiung hat. Die Rechtskraft dieses Urteils wirkt als von Amts wegen zu beachtendes Prozesshindernis für nachfolgende Prozesse mit identischem Streitgegenstand (vgl. BVerwG U.v. 27.1.1995 - 8 C 8/93 - juris Rn. 12). Der klägerische Einwand, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die erneute Klage auf einem anderen Lebenssachverhalt beruhe, weil sie auf eine neue Wahlperiode und ein anderes Maß an pauschalierter Dienstbefreiung (18,75% gegenüber 7 Stunden) bezogen sei und daher auch nicht denselben Gegenstand betreffe, greift nicht durch. Rechtskräftige Urteile binden gemäß § 121 VwGO die Beteiligten „soweit“, als über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Im Falle einer Verpflichtungsklage ist als „Streitgegenstand“ der prozessuale Anspruch anzusehen, der sich aus dem Begehren ergibt, den Beklagten zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes zu verurteilen. Die Abweisung der Verpflichtungsklage aus sachlichen Gründen erfolgt, wenn dem Kläger der erhobene Anspruch auf Erlass des Verwaltungsakts nicht zusteht. Die Rechtskraft erstreckt sich daher auf die Feststellung, dass der Kläger/die Klägerin gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Erlass des erstrebten Verwaltungsakts hat. An der Rechtskraft nehmen die tragenden Gründe für die Verneinung des Anspruchs teil (vgl. Kilian in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 121 Rn. 80 m.w.N.). Demgemäß ist der Streitgegenstand in dem nunmehr geführten Verfahren identisch, da die Klägerin denselben prozessualen Anspruch begehrt, nämlich eine pauschale Dienstbefreiung wegen der zeitlichen Belastung aufgrund der Wahrnehmung ihres Stadtratsmandats. Dieser materiell-rechtliche Anspruch ist der Klägerin schon dem Grunde nach abgesprochen worden, sodass sich die von ihr geltend gemachten Umstände nicht auswirken können.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die materielle Rechtskraft entfalte auch dann Bindungswirkung gegenüber denselben Beteiligten in einem weiteren Verfahren, wenn der Streitgegenstand zwar nicht identisch, die rechtskräftig entschiedene Frage aber in einem weiteren Verfahren relevant und vorgreiflich sei (vgl. hierzu Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 121 Rn. 11; Lindner in BeckOK VwGO, Stand: Juli 2017, § 121 Rn. 19; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Oktober 2016, § 121 Rn. 24; BVerwG, B.v. 30.6.2014 - 2 B 99/13 - juris). Diesen Rechtssatz hat das Verwaltungsgericht jedoch nicht angewandt, sondern ist davon ausgegangen, dass „der gleiche Lebenssachverhalt mit einem inhaltlich identischen Antrag verknüpft wird“ (vgl. Bl. 16 UA). Aus diesem Grund kann die Klägerin mit ihren Einwänden gegen die Vorgreiflichkeit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils darlegen. Da der Rechtssatz die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht trägt, liegt auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz nicht vor.

Die Bindungswirkung ist auch nicht durch eine nachträgliche Veränderung der Sach- oder Rechtslage entfallen (vgl. Clausing in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung a.a.O. Rn. 53). Die Beibringung neuer Beweismittel (hier weitere Bezugsfälle) lässt die Sachlage grundsätzlich unberührt (vgl. Clausing a.a.O. Rn. 72; BayVGH, B.v. 14.4.2008 - 8 ZB 08.406 - juris). Die Rechtslage ist unverändert.

c. Erweist sich die Klage nach Vorstehendem bereits als unzulässig, so kommt es nicht mehr darauf an, dass die Klage nach Auffassung des Verwaltungsgerichts darüber hinaus auch unbegründet wäre. Ist die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt (Mehrfachbegründung), so ist die Berufung nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Berufungszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. Happ in Eyermann a.a.O. § 124a Rn. 61). Es kann danach offen bleiben, ob ein Anspruch der Klägerin auf pauschale Gewährung einer Dienstbefreiung bestanden hätte, wenn ihre Klage zulässig gewesen wäre.

2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten sind - mit dem pauschalen Hinweis auf den „Begründungsaufwand“ - nicht in einer dem Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise geltend gemacht worden. Besondere rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich auch nicht aus der Verknüpfung mit dem Verfassungsrecht, insbesondere mit den verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätzen. Diese Fragen sind bereits durch die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 9. Februar 2015 geklärt.

3. Soweit die Klägerin meint, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, sind die Darlegungserfordernisse nicht erfüllt. Es wurde keine Rechtsfrage formuliert, die in einem Berufungsverfahren über den Einzelfall hinausgehend für eine Vielzahl von Fällen klärungsbedürftig und auch klärungsfähig wäre.

4. Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Beweisanträge (Zeugenvernehmung div. Stadtratsmitglieder der Stadt R. und der Stadt M. zu - behaupteten - pauschalen Arbeitsreduzierungen) hat das Verwaltungsgericht zu Recht wegen der Bindung an die materiell rechtskräftigen Entscheidungen (s.o.) als nicht entscheidungserheblich abgelehnt.

5. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 ZB 17.906

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 ZB 17.906

Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 ZB 17.906 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 121


Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,1.die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und2.im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 ZB 17.906 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2017 - 3 ZB 17.906 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 30. Juni 2014 - 2 B 99/13

bei uns veröffentlicht am 30.06.2014

Tenor Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. August 2013 wird zurückgewiesen.

Referenzen

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. August 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz und des Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO, § 69 BDG und § 41 Disziplinargesetz des Landes Berlin - DiszG -) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der 1967 geborene Beklagte ist seit 1984 Polizeibeamter in Diensten des Klägers, zuletzt im Amt eines Polizeikommissars (Besoldungsgruppe A 9). Er war im November 2001 als Polizist und Sanitäter in der hausinternen Krankenstation eines Abschiebegewahrsams tätig. Im Jahr 2005 wurde er wegen sexuellen Missbrauchs von behördlich Verwahrten in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Landgericht hat u.a festgestellt, dass der Beklagte eine 17-jährige Abschiebegefangene am 25. und am 29. November 2001 hat vorführen lassen, sie an den Innenseiten der Oberschenkel massierte und ihr ein Zäpfchen in den After und in die Scheide einführte, um sich sexuell zu erregen.

3

Im nach Abschluss des Strafverfahrens fortgesetzten sachgleichen Disziplinarverfahren ist der Beklagte im Jahre 2009 erstinstanzlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 10. November 2011 die Disziplinarklage abgewiesen und in der Begründung ausgeführt, die Disziplinarklage sei unzulässig, weil sie nicht von der nach Landesrecht zuständigen Stelle erhoben worden sei. Nach Änderung der einschlägigen Rechtsvorschriften hat dieselbe Behörde des Klägers im März 2012 erneut Disziplinarklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt, die Berufung des Beklagten beim Oberverwaltungsgericht ist erfolglos geblieben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

4

Die Disziplinarklage sei zulässig, weil die Rechtskraft des die erste Disziplinarklage als unzulässig abweisenden Prozessurteils aus dem Jahr 2011 nach Änderung der Rechtsvorschriften einer erneuten Erhebung der Disziplinarklage nicht entgegenstehe. Die Bindungswirkung des Strafurteils sei nicht wegen offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften entfallen. Das Strafgericht habe insbesondere die Amtsaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO nicht dadurch verletzt, dass es die seinerzeit im Ausland (Ukraine) befindliche Zeugin, der die Geschädigte am 29. November 2001 von dem Geschehen berichtet hatte, nicht gehört habe. Denn darauf habe nach § 244 Abs. 5 StPO verzichtet werden können; das Verbot der Beweisantizipation gelte hier nicht.

5

2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 69 BDG und § 41 DiszG).

6

Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes bestehen. Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn das Berufungsgericht den Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts, ohne ihm inhaltlich zu widersprechen, in dem zu entscheidenden Fall rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die Folgerungen gezogen hat, die für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. Mai 2012 - BVerwG 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5).

7

Die Beschwerde rügt eine Abweichung des Berufungsurteils von dem Rechtssatz in dem zu § 58 Abs. 1 des Landesdisziplinargesetzes von Brandenburg ergangenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 2013 - BVerwG 2 B 22.12 - (NVwZ-RR 2013, 557). Während das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der für das Entfallen der Bindungswirkung erforderlichen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften allein auf solche des Strafprozessrechts abgestellt habe, stelle das Oberverwaltungsgericht auf höchstrichterliche verwaltungsgerichtliche, nicht einschlägige Rechtsprechung ab, um eine offenkundige Verletzung von Verfahrensvorschriften zu verneinen.

8

Die behauptete Divergenz besteht nicht. Zum einen ist die von der Beschwerde angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu einer Bestimmung des Landesdisziplinarrechts von Brandenburg und damit zu einer anderen Vorschrift als der im vorliegenden Fall einschlägigen Vorschrift des Berliner Lan-desdisziplinarrechts ergangen. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt aber voraus, dass hinsichtlich derselben Rechtsvorschrift ein prinzipieller Auffassungsunterschied besteht (vgl. Beschluss vom 4. Februar 1999 - BVerwG 6 B 131.98 - Buchholz 251.8 § 94 RhPPersVG Nr. 1 = NVwZ-RR 1999, 374 m.w.N.).

9

Zum zweiten besteht die von der Beschwerde angenommene Divergenz auch inhaltlich nicht: Nach dem von der Beschwerde angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 2012 (a.a.O. Rn. 7) dient die gesetzliche Bindungswirkung der Rechtssicherheit. Sie soll verhindern, dass zu ein-und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Daher sind die Verwaltungsgerichte nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten "sehenden Auges" auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Hierunter fällt auch, dass das Strafurteil auf einer Urteilsabsprache beruht, die den rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Darüber hinaus entfällt die Bindungswirkung, wenn Beweismittel eingeführt würden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen.

10

Die abstrakten Ausführungen im Berufungsurteil (UA S. 17) entsprechen den zitierten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts vollständig. Auch die Ausführungen im Rahmen der Subsumtion (UA S. 18) begründen nicht die von der Beschwerde angenommene Divergenz. Das Berufungsgericht prüft ausdrücklich § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO als strafrechtliche Norm. Dass es dabei das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2012 - BVerwG 2 A 11.10 - (juris Rn. 53) zitiert, bedeutet keine Modifizierung des Prüfungsmaßstabes, zumal das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Urteilspassage seinerseits die strafprozessuale Norm des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO prüft.

11

3. Das Urteil leidet nicht an den vom Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 69 BDG und § 41 DiszG).

12

a) Die Beschwerde rügt zum einen als Verfahrensfehler, dass das Berufungsgericht die entgegenstehende Rechtskraft seines klageabweisenden Urteils aus dem Jahre 2011 missachtet habe. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 10. November 2011 entfaltet jedoch keine Rechtskraftwirkung dahingehend, dass es die erneute Erhebung der Disziplinarklage und eine Verurteilung des Beklagten im gerichtlichen Disziplinarverfahren hindert.

13

Nach § 121 Nr. 1 VwGO (i.V.m. § 3 BDG und § 3 DiszG) werden die Beteiligten durch rechtskräftige Urteile gebunden, "soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist". Die Rechtskraft eines Urteils bindet auch, wenn und soweit sich die im Urteil entschiedene Frage in einem späteren Verfahren mit anderem Streitgegenstand als Vorfrage stellt (Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <33> = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 3 S. 4 f. jeweils m.w.N.). Die Rechtskraft eines Urteils soll gerade verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird. Das Gericht ist im Folgeverfahren an einer erneuten Sachprüfung gehindert (Urteile vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <258> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 S. 15, vom 10. Mai 1994 - BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <26> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68 S. 2 f. m.w.N. und vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 2 C 41.11 - NVwZ-RR 2013, 320 Rn. 24; BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032).

14

Der Inhalt des formell rechtskräftigen Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft ist der Entscheidung im Ganzen zu entnehmen. Maßgebend ist in erster Linie die Urteilsformel. Lässt die Urteilsformel den Inhalt der Entscheidung nicht mit Sicherheit erkennen, sind Tatbestand und Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen ergänzend heranzuziehen (vgl. Urteile vom 17. Dezember 1963 - BVerwG 2 C 20.63 - BVerwGE 17, 293 <299> = Buchholz 310 § 173 Anh. VwGO § 322 ZPO Nr. 1 S. 6 und vom 21. September 1984 - BVerwG 8 C 4.82 - BVerwGE 70, 159 <161> = Buchholz 412.3 § 15 BVFG Nr. 19 S. 3; BGH, Urteile vom 27. Februar 1961 - III ZR 16/60 - BGHZ 34, 337 <339>, vom 3. Juli 1961 - III ZR 19/60 - BGHZ 35, 338 <340>, vom 14. Februar 1962 - IV ZR 156/61 - BGHZ 36, 365 <367> und vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032).

15

Das Oberverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 10. November 2011 das vorherige erstinstanzliche Sachurteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Disziplinarklage abgewiesen. Bei - nicht bereits aus dem Entscheidungstenor für den Umfang der Rechtskraft aussagekräftigen - klageabweisenden Urteilen sind, wie dargelegt, zur Bestimmung der Rechtskraftwirkung zusätzlich die Entscheidungsgründe heranzuziehen. Das Urteil vom 10. November 2011 hat die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die (Disziplinar-)Klage abgewiesen, weil sie nicht von der zuständigen Stelle erhoben war. Die Rechtskraftwirkung dieses Urteils erstreckt sich demnach lediglich auf die Zuständigkeitsfrage; eine Sachentscheidung über eine Disziplinarmaßnahme, die in materielle Rechtskraft hätte erwachsen und damit zum Verbrauch der Disziplinargewalt des Dienstherrn hätte führen können, hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen. Dass dieses Urteil als Berufungsurteil zugleich die entgegenstehende Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben hat, macht das Prozessurteil nicht zu einem Sachurteil. Damit stand die Rechtskraft des Urteils vom 10. November 2011 der erneuten Erhebung der Disziplinarklage - durch die zuständige Behörde oder durch die nach Änderung der Rechtslage zuständig gewordene Behörde - nicht entgegen.

16

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Regelung in § 41 DiszG i.V.m. § 55 BDG. Nach § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG kann das Gericht dem Dienstherrn zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels der Klageschrift eine Frist setzen. Wird der Mangel nicht innerhalb dieser Frist beseitigt, wird das Disziplinarverfahren durch Beschluss des Gerichts eingestellt (§ 55 Abs. 3 Satz 3 BDG). Auch diese Vorschrift macht deutlich, dass ein Mangel der Klageschrift als solche keinen Verbrauch des Disziplinaranspruchs zur Folge hat. Es bedarf hierzu der Einstellung des Disziplinarverfahrens, sei es durch Beschluss des Gerichts nach Ablauf der von ihm gesetzten Frist ohne Beseitigung des Mangels (§ 55 Abs. 3 Satz 3 BDG) oder sei es durch behördliche Einstellungsverfügung (§ 32 BDG).

17

b) Soweit die Beschwerde außerdem als Verfahrensfehler rügt, das Urteil vom 10. November 2011 hätte nicht als Prozessurteil ergehen dürfen, sondern als Sachurteil ergehen müssen, so kann sie damit im Verfahren gegen das in vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2013 nicht durchdringen. Ein Verfahrensfehler des damaligen Berufungsurteils hätte im Rahmen der - vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen - Revision gegen dieses Urteil gerügt werden müssen.

18

Ein Beklagter kann durch ein die Klage abweisendes Prozessurteil beschwert sein. Denn ein Prozessurteil entfaltet - wie oben dargelegt, Rn. 12 ff. - keine materielle Rechtskraft, so dass der Beklagte das Risiko hat, erneut mit einer Klage überzogen zu werden. Immer dann, wenn das die Klage abweisende Prozessurteil in geringerem Umfang in materielle Rechtskraft erwächst als ein Sachurteil, ist der Beklagte durch das Prozessurteil beschwert. Diese für den Zivilprozess entwickelten Grundsätze gelten auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Urteile vom 10. April 1968 - BVerwG 4 C 160.65 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 29 S. 2 f. und vom 12. Januar 2012 - BVerwG 7 C 5.11 - BVerwGE 141, 311 = Buchholz 418.9 TierSchG Nr. 20 jew. Rn. 34 ff.). Unerheblich ist insoweit, ob Beklagter eine Behörde, eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein Bürger ist. Das Recht, eine abschließende Entscheidung in der Sache im laufenden Verfahren zu erstreiten, steht - selbstverständlich - dem Bürger ebenso zu wie der Behörde und der juristischen Person des öffentlichen Rechts.

19

Im Disziplinarklageverfahren, in dem sich der Beamte in der Rolle des Beklagten befindet, gelten insoweit keine Besonderheiten: Eine Abweisung der Disziplinarklage wegen eines Zuständigkeitsmangels bei der Erhebung der Disziplinarklage führt - wie dargelegt - nicht zum Verbrauch der Disziplinarklage, so dass eine erneute Klageerhebung möglich bleibt. Hierin liegt die Beschwer des Beklagten in einem Disziplinarklageverfahren. Ist er der Ansicht, das Tatsachengericht habe aufgrund eines Verfahrensfehlers von einer Sachentscheidung abgesehen, kann er dies im Rechtsmittelverfahren gegen das Prozessurteil rügen. Dementsprechend hätte der Beklagte den von ihm angenommenen Verfahrensfehler in einem Rechtsmittelverfahren gegen das Prozessurteil vom 10. November 2011 rügen können. Eine Rüge im Verfahren gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2013 ist demgegenüber ausgeschlossen, zumal nicht erkennbar ist, dass ein solcher etwaiger Verfahrensfehler auch diesem Urteil anhaften würde.

20

c) Ohne Erfolg bleibt auch die Verfahrensrüge, das Berufungsurteil verletze § 49 Abs. 1 Satz 1 DiszG (i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG und § 127 Nr. 2 BRRG).

21

Nach § 49 Abs. 1 Satz 1 DiszG vom 29. Juni 2004 (GBl Bln S. 263), geändert durch Gesetz vom 19. März 2009 (GVBl Bln S. 70), werden die nach bisherigem Recht eingeleiteten Disziplinarverfahren in der Lage, in der sie sich bei Inkrafttreten dieses Gesetzes befinden, nach diesem Gesetz fortgeführt, soweit in den nachfolgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist. Die Beschwerde nimmt an, dass das Berufungsgericht nach dieser Bestimmung das erstinstanz-liche Urteil hätte aufheben und die Disziplinarklage als unzulässig hätte zurückweisen müssen, weil das im Jahre 2002 eingeleitete Disziplinarverfahren mit dem Berufungsurteil vom 10. November 2011 seinen Abschluss gefunden habe. Das gerichtliche Verfahren nach der erneuten Disziplinarklage sei ein neues Verfahren gewesen. Da das ursprüngliche Disziplinarverfahren nicht habe fortgeführt werden können, hätte die Disziplinarklage als unzulässig abgewiesen werden müssen.

22

Die Übergangsbestimmung des § 49 DiszG regelt die Fortführung von nach dem vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeleiteten Disziplinarverfahren; solche Disziplinarverfahren werden grundsätzlich nach neuem Recht und nur in - im Einzelnen aufgeführten - Ausnahmefällen nach altem Recht fortgeführt. Für erst während der Gültigkeit des neuen Rechts eingeleitete Disziplinarverfahren gilt ohne Weiteres das neue Recht. Demzufolge kann aus dieser Bestimmung nicht die Unzulässigkeit der nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 10. November 2011 erneut erhobenen Disziplinarklage hergeleitet werden. Da sich die Rechtskraft dieses Urteils - wie ausgeführt - nur auf die Zuständigkeit der Stelle bezog, die die Disziplinarklage erhoben hatte, nicht aber den Disziplinaranspruch materiell erledigte, ist die - nach Beseitigung des Zuständigkeitshindernisses erhobene - neue Disziplinarklage in Fortführung des ursprünglichen Disziplinarverfahrens ergangen. Im Übrigen könnte eine Übergangsvorschrift wie § 49 DiszG ohnehin nicht die Beendigung eines Disziplinarverfahrens bewirken: Liegt - wie hier - keine materielle Rechtskraft mit der Folge der Beendigung des Verfahrens vor und wäre die Übergangsvorschrift des § 49 DiszG nicht anwendbar, weil es sich um ein neues Disziplinarverfahren und nicht um ein nach früherem Recht begonnenes altes Disziplinarverfahren handeln würde, dann wäre Rechtsfolge die unmittelbare Anwendbarkeit des neuen Disziplinarrechts, nicht aber die Unzulässigkeit der Führung eines Disziplinarverfahrens.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, §§ 3, 77 BDG, § 41 DiszG. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil nach § 41 DiszG Gerichtsgebühren nach der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden (§ 85 Abs. 12 BDG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.