Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2017 - 12 C 16.1693

published on 30/01/2017 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2017 - 12 C 16.1693
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Gericht

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Tenor

Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Bevollmächtigte des Antragstellers wendet sich mit ihrer Beschwerde unter Berufung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 2016 (2 BvR 2231/13 - juris) gegen Ziffer III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. August 2016, mit dem dem Antragsteller für seinen Antrag, im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Fortsetzung seiner stationären Unterbringung in der therapeutisch-heilpädagogischen Wohngruppe „K.“ für weitere vier Monate anzuordnen, die Gewähr von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung wegen mangelnder Erfolgsaussichten versagt worden ist.

Die zulässige Beschwerde hat indes keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch gemessen an den vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Maßstäben zu Recht abgelehnt.

1. Mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B.v. 8.7.2016 - 2 BvR 2231/13 - juris Rn. 13) ist zunächst davon auszugehen, dass es dem Grunde nach zulässig ist, dass die Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag und einen Eilrechtsschutzantrag in einem einheitlichen Beschluss ergehen. Dabei ist es von Verfassungs wegen auch nicht generell ausgeschlossen, dass die Begründung zur Ablehnung von Prozesskostenhilfe lediglich auf die Ausführungen zur Begründetheit des Eilrechtsschutzantrags Bezug nimmt. Nach den Umständen des Einzelfalls kann sich allerdings - ausgehend von unterschiedlichen Erfolgsmaßstäben im Prozesskostenhilfe- und im Eilrechtsschutzverfahren - die Notwendigkeit einer eigenständigen Begründung der Ablehnung von Prozesskostenhilfe ergeben.

2. Insoweit lag, was die Bevollmächtigte des Antragstellers indes in der Beschwerdebegründung unberücksichtigt lässt, der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Fallkonstellation zugrunde, bei der wohl die Mehrzahl der publizierten Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte die sich in der Sache stellende Frage in einem für den Beschwerdeführer positiven Sinne entschieden hatte, während das Verwaltungsgericht einer anderen Auffassung gefolgt war und den Eilantrag abgelehnt hatte. Erst dieser Umstand führt dazu, dass ein auf das Begründungserfordernis hinsichtlich der Prozesskostenhilfeentscheidung durchschlagender relevanter Unterschied zwischen der sog. ex-ante-Perspektive im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags und der ex-post-Perspektive nach rechtlicher Würdigung des Antragsvorbringens entsteht. In einem solchen Fall muss daher bei der Bewertung der Erfolgsaussichten des Antrags im Prozesskostenhilfeverfahren allein auf die ex-ante-Perspektive abgestellt werden und die Prozesskostenhilfeentscheidung eigens und ggf. abweichend von der Entscheidung über den Eilantrag begründet werden.

Im vorliegenden Fall zeigt die Bevollmächtigte des Antragstellers indes ein Auseinanderfallen von ex-ante- und ex-post-Perspektive bei der Entscheidung über den Eilantrag nicht auf. Denn auch aus der ex-ante-Perspektive, d.h. abstellend auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, besaß das Begehren des Antragstellers, seine stationäre Unterbringung in der Einrichtung „K“ im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung um vier Monate zu verlängern, keine Erfolgsaussichten.

3. So setzt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die beantragte Bewilligung einer Eingliederungshilfemaßnahme für junge Volljährige nach § 41 Abs. 1, 2, § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) das Bestehen einer Teilhabebeeinträchtigung voraus, die das Jugendamt des Antragsgegners feststellen muss. Es werden jedoch weder im Eilrechtsschutzantrag Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung glaubhaft gemacht noch ergeben sich diese aus dem Akteninhalt. Auch hat der Antragsgegner die stationäre Unterbringung des Antragstellers in der Einrichtung „K.“ gerade nicht auf § 41 in Verbindung mit § 35a SGB VIII, sondern vielmehr auf § 34 SGB VIII gestützt. Mit der Beschwerde werden ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine stationäre Unterbringung als Eingliederungshilfemaßnahme nach § 35a SGB VIII vorgetragen. Weder aus ex-antenoch aus ex-post-Sicht liegen daher die Voraussetzungen für die Bewilligung von Eingliederungshilfe vor. Das Verwaltungsgericht hat dem auf § 35a SGB VIII gegründeten Antrag daher zu Recht keine Erfolgsaussichten beigemessen.

4. Dies gilt gleichermaßen für einen aus § 41 Abs. 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 34 SGB VIII abgeleiteten Anspruch auf Weiterführung der stationären Unterbringung in der Einrichtung „K“. Insoweit geht das Verwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass der Antragsgegner einen Anspruch des Antragstellers nach § 41 Abs. 1 SGB VIII dem Grunde nach bejaht hat, d.h. dass beim volljährigen Antragsteller ein Bedarf nach Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenständigen Lebensführung besteht. Bei der Festlegung der im Einzelfall geeigneten und notwendigen Hilfe kommt dem Antragsgegner indes ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Der Jugendhilfeträger muss die Entscheidung über die konkrete Maßnahme im Rahmen eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung von Fachkräften sowie des Hilfeempfängers treffen, wobei diese Entscheidung nicht dem Anspruch objektiver Richtigkeit unterliegt, sondern vielmehr eine angemessene Lösung der festgestellten Belastungssituation enthalten muss, die ihrerseits fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss (sog. Maßstab der „sozialpädagogischen Fachlichkeit“, ständige Rechtsprechung vgl. BayVGH, B.v. 28.6.2016 - 12 ZB 15.1641 - juris Rn. 26).

Will ein Hilfeempfänger im vorläufigen Rechtsschutzverfahren durch Erlass einer einstweiligen Anordnung den Jugendhilfeträger zu einer bestimmten Jugendhilfemaßnahme verpflichten, folgt aus dem vorstehend Ausgeführten - auch unter dem Aspekt der Vorwegnahme der Hauptsache - seine Verpflichtung aufzuzeigen, dass es sich bei der beanspruchten Maßnahme nach dem Maßstab der sozialpädagogischen Fachlichkeit um die einzig mögliche Maßnahme zur Beseitigung der festgestellten Belastungssituation handelt (vgl. mit weiteren Nachweisen BayVGH, B.v. 17.8.2015 - 12 AE 15.1691 - juris Rn. 31). Darlegungen dahingehend, dass im vorliegenden Fall die Unterbringung des Antragstellers in einer Gemeinschaftsunterkunft verbunden mit der Bewilligung einer Erziehungsbeistandschaft im Umfang von 8 Fachleistungswochenstunden bei Fortführung bzw. Neubeginn einer ambulanten Psychotherapie eine fachlich ungeeignete Maßnahme darstellt und dass sich allein die Fortführung der stationären Unterbringung in der Einrichtung „K.“ als geeignete Maßnahme erweist, enthält weder die Antragsnoch die Beschwerdebegründung der Bevollmächtigten des Antragstellers. Auch aus dem Akteninhalt, insb. unter Berücksichtigung der letzten Hilfeplanfortschreibung, lässt sich die Ungeeignetheit der vom Antragsgegner bewilligten Hilfemaßnahme nicht entnehmen. Mithin fehlten dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags die Erfolgsaussichten, sodass das Verwaltungsgericht auch diesbezüglich die Gewähr von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt hat. Die Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen.

5. Einer Kostenentscheidung bedurfte es vorliegend nicht, da Gerichtskosten in Angelegenheiten der Jugendhilfe nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben und Kosten im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Dr. Mayer Kurzidem Abel

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc
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Tenor I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der am 1. Juli
published on 08/07/2016 00:00

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.

(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.

(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.

(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.

(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.