vorgehend
Verwaltungsgericht Würzburg, W 6 K 16.31768, 23.08.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Soweit die Kläger ihren Zulassungsantrag auf „ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils“ und „besondere rechtliche Schwierigkeiten“ stützen, ist er nicht statthaft, weil es sich hierbei nicht um Gründe handelt, die nach der abschließenden Sonderregelung des § 78 Abs. 3 AsylG zur Zulassung der Berufung führen können.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) ist nicht gegeben. Die Kläger meinen, ihr Sachvortrag, dass Einberufungsbescheide den Betroffenen massenhaft über ihren dem staatlichen Bereich zuzuordnenden Arbeitgeber zugestellt worden seien, sei überraschend einseitig gewürdigt worden. Das Gericht habe die Möglichkeit, dass diese Art der Zustellung politisch motiviert und gezielt erfolgt sei, vollkommen ignoriert. Die zum Wehrdienst Einberufenen wüssten nicht, bei welchem Truppenteil und in welcher Funktion sie eingesetzt würden. Die Bürgerkriegslage könne sich jederzeit zuspitzen. Der Kläger zu 1. hätte, wenn er der Einberufung gefolgt wäre, die Ukraine nicht mehr verlassen können. Aus verschiedenen Quellen sei bekannt, dass Einberufungen oft auch mündlich erfolgten. Aufgrund der überraschenden Beweiswürdigung hätten die Kläger in der mündlichen Verhandlung keine Gegenmaßnahmen ergreifen können. Der Kläger zu 1. sei insbesondere nicht gefragt worden, ob er auf dem Postweg für eine Einberufung erreichbar gewesen wäre oder ob die Post überhaupt noch funktionsfähig gewesen sei.

Indem die Kläger die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht angreifen, erheben sie dem sachlichen Recht zuzurechnende (vgl. BVerwG, B.v. 1.2.2010 – 10 B 21/09 – juris Rn. 13 m.w.N.) Einwände, zeigen aber keine Verletzung der Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO auf. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung besteht diese darin, jedem Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit zu geben, sich zu dem gesamten, nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern (BVerwG, B.v. 7.6.2017 – 5 C 5/17 D u.a. – juris Rn. 8 m.w.N.; Berlit in GK-AsylG, Stand Oktober 2017, § 78 Rn. 272, 274). Sie verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, jedoch nicht, ihnen in der Sache zu folgen (Berlit, a.a.O. § 78 Rn. 261). Auch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben, auch wenn sie sich nicht mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinandergesetzt haben (stRspr des BVerwG, vgl. B.v. 10.10.2011 – 10 B 24/11 – juris Rn. 11 m.w.N.). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nur dann festgestellt werden, wenn es sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwägung gezogen hat (BVerwG, ebenda).

Solche besonderen Umstände sind hier nicht ersichtlich. Vielmehr hat sich das Verwaltungsgericht auf Seite 7 der Urteilsgründe eingehend mit dem diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers zu 1. auseinandergesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass ihm am Arbeitsplatz allenfalls eine Aufforderung zur Wehrerfassung oder Musterung mündlich mitgeteilt worden ist. Weiter hat es unter Bezug auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Europäischen Gerichtshofs und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie unter Bezug auf von den Klägern angeführte Erkenntnisse die zwangsweise Heranziehung zum Wehrdienst und damit zusammenhängende Sanktionen in der Ukraine rechtlich nicht als politische Verfolgung gewertet. Angesichts der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der Lageeinschätzung des Auswärtigen Amts, war mit dieser Würdigung auch zu rechnen. Die Kläger hätten also auch ihr weiteres prozessuales Verhalten darauf einstellen können. Von einer unzulässigen Überraschungsentscheidung kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt oder aus ihnen Schlussfolgerungen zieht, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen oder von ihm für unrichtig gehalten werden (BVerwG, B.v. 25.5.2017 – 5 B 75/15 D – juris Rn. 11). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht auch grundsätzlich nicht, die Beteiligten auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt (BVerwG, a.a.O.). Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist von vornherein nicht geeignet, eine – vermeintlich – fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden (Berlit, a.a.O. § 78 Rn. 262). Im Übrigen ist aufgrund der ukrainischen Einberufungspraxis und einer massenhaften Wehrdienstverweigerung (vgl. die vom Verwaltungsgericht angeführten Erkenntnismittel, Urteilsgründe S. 6 f.) nicht nachvollziehbar, wenn aus der angeblichen Zustellung von Einberufungsbescheiden an ca. 50 Betroffene an einem staatlichen Arbeitsplatz auf eine politisch motivierte Verfolgung geschlossen wird.

Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) der Fragen zuzulassen, ob die Einziehung eines Betroffenen in den Wehrdienst überhaupt zulässig sei, wenn er erwartungsgemäß verpflichtet sei, an kriegerischen bzw. militärischen Handlungen zweier Volksgruppen teilzunehmen, denen seine Eltern angehörten, und ob der Betroffene wegen seiner Abstammung und wegen seiner Gewissensüberzeugung den Dienst verweigern könne. Die Formulierung der Fragen lässt bereits völlig offen, welche rechtlichen Schlussfolgerungen sich aus der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Wehrpflicht in dem von den Klägern geschilderten Fall oder der (fehlenden) Möglichkeit einer Wehrdienstverweigerung ergeben sollen, und verfehlt damit die Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, die eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes voraussetzen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 59). Insbesondere wäre aufzuzeigen, weshalb die Fragen im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, sind; ferner, worin ihre allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O. § 124a Rn. 72; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 124a Rn. 102 ff.; Berlit in GK-AsylG, § 78 Rn. 88 m.w.N.). Hierzu findet sich im Zulassungsantrag kein Anhalt, nicht einmal dafür, dass eine Einberufung des Klägers zu 1. beachtlich wahrscheinlich ist (vgl. dazu BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 16 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2017 - 11 ZB 17.31423

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2017 - 11 ZB 17.31423

Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2017 - 11 ZB 17.31423 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 138


Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn1.das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,2.bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes aus

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2017 - 11 ZB 17.31423 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2017 - 11 ZB 17.31423 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 24. Aug. 2017 - 11 B 17.30392

bei uns veröffentlicht am 24.08.2017

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vo

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 02. Mai 2017 - 5 B 75/15 D

bei uns veröffentlicht am 02.05.2017

Gründe 1 Die auf die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (2.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2017 - 11 ZB 17.31423.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2018 - 10 ZB 17.31788

bei uns veröffentlicht am 29.01.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der zulässige Antrag auf Zulassung der

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2018 - 10 ZB 17.30486

bei uns veröffentlicht am 19.01.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der zulässige Antrag auf Zulassung der

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2018 - 10 ZB 17.30437

bei uns veröffentlicht am 15.02.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der zulässige Antrag auf Zulassung

Referenzen

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (2.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

3

Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteilsinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt. Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (BVerwG, Beschlüsse vom 17. November 2015 - 5 B 17.15 - ZOV 2016, 160 Rn. 3 und vom 26. September 2016 - 5 B 1.16 D - juris Rn. 5, jeweils m.w.N.). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

4

Die Beschwerde macht geltend, das angefochtene Urteil beruhe in mehrfacher Hinsicht auf einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) (a) sowie des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) (b). Zudem beanstandet sie die Entscheidung unter Willkürgesichtspunkten als verfahrensfehlerhaft (c). Außerdem leide das angefochtene Urteil an einem Verfahrensfehler, soweit das Oberverwaltungsgericht nicht die Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer tenoriert (d) und sich nicht mit den materiellen Nachteilen der überlangen Prozessdauer befasst habe (e). Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerde erfüllt zum Teil schon nicht die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, zum Teil liegt der behauptete Verfahrensmangel in der Sache nicht vor.

5

a) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht sei seiner Pflicht zur umfassenden Ermittlung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht ordnungsgemäß nachgekommen, bleibt ohne Erfolg.

6

Die Aufklärungsrüge setzt die substantiierte Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Überdies muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26. September 2016 - 5 B 1.16 D - juris Rn. 9 m.w.N.). Gemessen daran hat die Beschwerde eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nicht ausreichend bezeichnet.

7

aa) Das gilt zunächst, soweit die Beschwerde beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe die "unzutreffende, durch keine Fakten belegte, aus der Luft gegriffene These" vertreten, der Berichterstatter habe den Fall nach Eingang der Berufungszulassungsbegründung der Klägerin am 15. Juni 2011 unbearbeitet liegengelassen, um den Ausgang des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das die Teildienstfähigkeit der Klägerin betreffende Urteil des Oberverwaltungsgerichts abzuwarten. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag zu den Gründen des Berichterstatters für das Nichtbetreiben des Berufungszulassungsverfahrens in der Zeit vom Eingang der Berufungszulassungsbegründung bis Juli 2012 gestellt. Die Beschwerde legt nicht substantiiert dar, dass sich dem Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung die von der Klägerin für erforderlich gehaltene Befragung des Berichterstatters auch ohne einen solchen Antrag hätte aufdrängen müssen. Die Ausführungen der Beschwerde gründen vielmehr auf der von der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts abweichenden rechtlichen Ansicht der Klägerin. Diese geht davon aus, für die Frage, ob die Untätigkeit des Ausgangsgerichts aufgrund des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt gewesen sei, komme es auf die der Untätigkeit tatsächlich zugrundeliegende "Absicht" des konkreten Berichterstatters an. Die Beschwerde zeigt indessen - was erforderlich gewesen wäre - weder auf noch ist sonst hinreichend erkennbar, dass das Oberverwaltungsgericht die Rechtsansicht vertritt, es komme auf die "Absicht" bzw. subjektive Einschätzung des Berichterstatters an. Das Oberverwaltungsgericht spricht zwar im Rahmen der Subsumtion von der "maßgeblichen damaligen Sicht des Berichterstatters", nimmt aber bei der Formulierung der (abstrakten) rechtlichen Maßstäbe der streitentscheidenden Norm, d.h. des § 198 Abs. 1 GVG, auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bezug, wonach es darauf ankommt, wie "das [Ausgangs-]Gericht die Lage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte" (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 41 und Beschluss vom 26. September 2016 - 5 B 1.16 D - juris Rn. 29 m.w.N.). Dies deutet bei verständiger Würdigung darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht eine objektivierende Betrachtung für geboten gehalten und vorgenommen hat, nach der es darauf ankommt, welche Gründe allgemein das prozessuale Verhalten und so auch eine (vorübergehende) Untätigkeit des Ausgangsgerichts (insgesamt) bzw. eines für eine bestimmte Maßnahme zuständigen Berichterstatters rechtfertigen können, ohne dass dafür maßgeblich ist, wie der konkrete Berichterstatter die Lage in der konkreten Situation tatsächlich subjektiv eingeschätzt hat. Nach diesem rechtlichen Maßstab musste sich dem Oberverwaltungsgericht die Vernehmung des damaligen, im konkreten Ausgangsfall zuständigen Berichterstatters nicht aufdrängen. Vielmehr kam es auf dessen subjektive Motivation nicht an.

8

Des Weiteren lässt die Beschwerde bei ihrer Würdigung auch unberücksichtigt, dass es bei Zugrundelegung einer objektivierenden Betrachtungsweise durchaus vertretbar sein kann, wenn das Ausgangsgericht das Ausgangsverfahren mit Blick auf einen parallel anhängigen Rechtsstreit, der für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens von rechtlicher Relevanz ist, zeitweise "faktisch", d.h. ohne förmliche Anordnung nach § 94 VwGO aussetzt. Dementsprechend kann etwa die mit der Bearbeitung oder Förderung eines Leitverfahrens korrespondierende Zeit der faktischen Aussetzung bei der Bewertung der angemessenen Dauer des parallel anhängigen Ausgangsverfahrens nicht zu Lasten des Staates berücksichtigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 47 m.w.N.).

9

bb) Soweit die Beschwerde einen weiteren Aufklärungsmangel im Zusammenhang mit der vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Kompensation der unangemessenen Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens durch die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens sieht, legt sie schon nicht dar, welche konkreten Tatsachen zum Ablauf des erstinstanzlichen Verfahrens auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren. Derartige Angaben fehlen vor allem auch, soweit die Beschwerde die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, für das erstinstanzliche Verfahren sei eine Dauer von bis zu sechs Monaten angemessen gewesen, beanstandet. Den Ausführungen der Beschwerde ist in erster Linie zu entnehmen, dass sie aufgrund des vom Oberverwaltungsgericht festgestellten tatsächlichen Ablaufs des erstinstanzlichen Verfahrens eine andere rechtliche Schlussfolgerung als die Vorinstanz für geboten hält, weil sie für die Bemessung der Angemessenheit der Verfahrensdauer erneut von anderen rechtlichen Grundsätzen als das Oberverwaltungsgericht ausgeht. Ihrer Ansicht nach kann dem Gericht insbesondere ein zeitlicher Gestaltungsspielraum jenseits der den Beteiligten und deren Prozessbevollmächtigten durch die gesetzlichen Schriftsatzfristen und Beschleunigungsregelungen auferlegten zeitlichen Vorgaben nicht zugebilligt werden, sodass bei Einhaltung dieser Vorgaben - so wie hier - nicht auf eine "sehr schnelle" Bearbeitung erkannt werden könne. Mit diesen Angriffen gegen die Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht lässt sich jedoch eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Sachverhaltsermittlung nicht begründen.

10

b) Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) bleibt ohne Erfolg.

11

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Beteiligten müssen demgemäß auch Gelegenheit erhalten, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsfragen sachgemäß, zweckentsprechend und erschöpfend erklären zu können (BVerwG, Beschluss vom 30. März 2016 - 5 B 11.16 - juris Rn. 20). Das Gericht braucht sich jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Etwas anderes gilt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dies und die Entscheidungserheblichkeit des vermeintlich übergangenen Vorbringens sind von dem betreffenden Beteiligten darzulegen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 5 B 43.14 - ZOV 2015, 217). Des Weiteren verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör das Gericht grundsätzlich nicht, die Beteiligten auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verbietet aber, dass ein Beteiligter durch die angegriffene Entscheidung im Rechtssinne überrascht wird. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte, was von dem betreffenden Beteiligten im Einzelnen darzulegen ist. Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt oder aus ihnen Schlussfolgerungen zieht, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen oder von ihm für unrichtig gehalten werden (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 5. Juni 2014 - 5 B 75.13 - juris Rn. 12 und vom 30. März 2016 - 5 B 11.16 - juris Rn. 20, jeweils m.w.N.). Gemessen daran hat die Beschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht substantiiert aufgezeigt.

12

aa) Soweit die Beschwerde die Gehörsverletzung damit begründet, die Vorinstanz sei in Bezug auf die gerichtliche Untätigkeit im Ausgangsverfahren nach Eingang des Berufungszulassungsantrags bis Juli 2012 auf den wesentlichen Kern des Sachvortrages der Klägerin nicht eingegangen, fehlt es bereits an einer konkreten Bezeichnung des angeblich übergangenen Vorbringens. Die Beschwerde nimmt insoweit auf die Schriftsätze der Klägerin pauschal Bezug, in denen diese dargelegt habe, dass der Zeitraum zwischen dem 15. Juni 2011 bis zur Erklärung der Hauptsacheerledigung am 12. August 2014 auf einer Nichtbearbeitung des Falles durch das Oberverwaltungsgericht beruhe. Sie legt indessen nicht dar, welcher der schriftsätzlich unterbreiteten Gesichtspunkte vom Oberverwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen worden wäre.

13

Abgesehen davon greift diese Rüge auch in der Sache nicht durch. Ausweislich des Tatbestandes der angefochtenen Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen der Klägerin, das Ausgangsgericht habe das Berufungszulassungsverfahren mehr als drei Jahre ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht bearbeitet, zur Kenntnis genommen. Dass das Oberverwaltungsgericht diesem Vorbringen bzw. der dem zugrundeliegenden Bewertung der Klägerin nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß.

14

bb) An einer ordnungsgemäßen Geltendmachung der Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör fehlt es auch, soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang geltend macht, die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, "dass der Nichtbearbeitungszeitraum vom 15.6.2011 bis zum 10.7.2012 auf einer sachgerechten Dispositionsentscheidung des Berichterstatters im Hinblick auf die noch anhängige Nichtzulassungsbeschwerde beruht", sei für die Klägerin überraschend gewesen, weil der Beklagte derartiges in seiner Klageerwiderung nicht behauptet habe. Aus dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerde geht zum einen nicht hervor, welchen Vortrag der Klägerin das Oberverwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen haben soll, sodass unter diesem Gesichtspunkt ein Gehörsverstoß nicht schlüssig dargelegt ist. Zum anderen stellt sich die Wertung des Oberverwaltungsgerichts, das prozessuale Verhalten des Ausgangsgerichts, in dem genannten Zeitraum "eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin in der Statussache" abzuwarten, sei vertretbar und zur Rechtfertigung einer vorübergehenden Untätigkeit geeignet gewesen, auch nicht als unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter musste damit rechnen, dass das Oberverwaltungsgericht diese - wie oben dargelegt - keineswegs fernliegende, sondern eher auf der Hand liegende, jedenfalls durchaus vertretbare Erwägung anstellen würde. Die Beschwerde stellt auch nicht in Abrede, dass der ausstehenden Entscheidung in der Statussache der Klägerin Bedeutung für das Ausgangsverfahren zukommen konnte, sondern würdigt diesen Gesichtspunkt im konkreten Zusammenhang nur anders als das Oberverwaltungsgericht.

15

cc) Soweit die Beschwerde eine Gehörsverletzung daraus herleitet, die Klägerin habe in ihren Schriftsätzen dargelegt, dass der Bearbeitungszeitraum von ca. einem Monat in der ersten Instanz beim Verwaltungsgericht "normal" gewesen sei und den zeitlichen Bearbeitungs- und Beschleunigungsvorstellungen des Gesetzgebers entsprochen habe, während das Oberverwaltungsgericht stattdessen unsubstantiiert und beweislos behauptet habe, eine Verfahrensdauer von bis zu sechs Monaten wäre beim Verwaltungsgericht angemessen gewesen, genügt ihr Vorbringen schon deshalb nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen, weil die Beschwerde das angeblich übergangene Vorbringen nicht konkret bezeichnet. Abgesehen davon ist dieses Vorbringen auch deshalb nicht geeignet, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darzutun, weil die Beschwerde insoweit einen anderen rechtlichen Ansatz als das Oberverwaltungsgericht zugrunde legt. Nach ihrer Ansicht ist es "prinzipiell rechtlich unzulässig", die etwaige Überlänge in einer Instanz durch die Behandlung der Sache in einer anderen Instanz auszugleichen. Ihre weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang basieren darüber hinaus auf der Annahme, dem Gericht könne ein zeitlicher Gestaltungsspielraum jenseits der den Beteiligten und deren Prozessbevollmächtigten durch die gesetzlichen Schriftsatzfristen und Beschleunigungsregelungen auferlegten zeitlichen Vorgaben nicht zugebilligt werden, sodass bei Einhaltung dieser Vorgaben auch nicht bei einer einmonatigen Bearbeitungszeit eines verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens auf eine "sehr schnelle" Bearbeitung erkannt werden könne. Demgegenüber ist das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146) davon ausgegangen, dass mit § 198 Abs. 1 GVG schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen seien und wegen der Rückbindung des Entschädigungsanspruchs an die Verletzung von Grund- und Menschenrechten nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts zur Begründung einer unangemessenen Verfahrensdauer ausreiche. Ferner hat das Oberverwaltungsgericht mit Bezug auf die genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angenommen, dass die Verfahrensdauer in einem Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit gemäß Art. 97 Abs. 1 GG und zum rechtsstaatlichen Gebot stehe, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen, mit der Folge, dass dem Gericht bei der Verfahrensführung, insbesondere auch bei der Festlegung einer zeitlichen Reihenfolge der von ihm zu bearbeitenden Fälle ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen sei. Die Beschwerde legt nicht dar, dass es nach diesem für die Beurteilung eines Gehörsverstoßes maßgeblichen materiellrechtlichen Ansatz des Oberverwaltungsgerichts auf die von der Klägerin in ihren Schriftsätzen genannten Umstände ankam.

16

dd) Bezüglich der in diesem Zusammenhang behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs durch eine sogenannte Überraschungsentscheidung kann offengelassen werden, ob diesbezüglich ein Rügeverlust eingetreten ist, weil in Fällen, in denen - wie hier - eine mündliche Verhandlung stattfindet, der Anspruch auf rechtliches Gehör vor allem das Recht der Partei auf Äußerung in dieser Verhandlung begründet (BVerwG, Beschluss vom 17. September 2006 - 1 B 102.06 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 345 Rn. 4 m.w.N.) und die Klägerin dem Oberverwaltungsgericht durch das Fernbleiben ihres ordnungsgemäß geladenen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung schon keine Gelegenheit gegeben hat, den Fall insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit einer Kompensation und die für angemessen gehaltene Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens mit ihr zu erörtern. Ebenso kann dahinstehen, welche Bedeutung dabei dem Umstand beizumessen ist, dass sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zur Vermeidung der geltend gemachten Terminkollision nicht um eine Verlegung der mündlichen Verhandlung bemüht, sondern ausdrücklich damit einverstanden erklärt hat, dass gemäß § 102 Abs. 2 VwGO ohne ihn verhandelt und entschieden werde. Denn die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, für das erstinstanzliche Verfahren wäre eine Dauer von bis zu sechs Monaten angemessen gewesen, kann nicht als Überraschungsentscheidung gewertet werden. Der Gesichtspunkt, dass eine etwaige Überlänge in einer Instanz durch die zügige Bearbeitung der Sache in einer anderen Instanz ganz oder teilweise kompensiert werden könne, und der Umstand, dass das Verwaltungsgericht das erstinstanzliche Verfahren ganz erheblich schneller erledigt hätte, als es dies hätte tun müssen, wurden von dem Beklagten mit Klageerwiderung vom 16. April 2015 in das Verfahren eingeführt. Die Klägerin hat sich hierzu in dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. April 2015 auch verhalten und die Auffassung des Beklagten als abwegig angesehen. Es lag schon auch deshalb nahe, dass sich das Oberverwaltungsgericht diesen beiden Aspekten unter Einbeziehung der insoweit relevanten Gesichtspunkte widmet. Dass es insoweit der Rechtsauffassung der Klägerin nicht gefolgt ist, begründet keine Gehörsverletzung.

17

c) Die Beschwerde hat mit ihrer Verfahrensrüge auch unter Willkürgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 GG) keinen Erfolg.

18

Der Anspruch auf willkürfreie Rechtsanwendung betrifft grundsätzlich auch die Auslegung und Anwendung des Verfahrensrechts (BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1856/10 - NJW-RR 2012, 302 Rn. 21). Willkür liegt vor, wenn eine offensichtlich einschlägige (Verfahrens-)Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer (Verfahrens-)Norm in krasser Weise missgedeutet wird. Das ist nur dann der Fall, wenn der Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, er beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. März 2012 - 2 BvR 2405/11 - NJW 2012, 1863 Rn. 20 m.w.N.). Gemessen daran hat die Beschwerde die willkürliche Anwendung einer den Verfahrensablauf betreffenden Vorschrift schon nicht in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt.

19

Die Beschwerde erachtet zum einen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die gerichtliche Untätigkeit nach Eingang des Berufungszulassungsantrags sei bis Juli 2012 vom gerichtlichen Gestaltungsspielraum gedeckt gewesen, als willkürlich, weil sich in der Gerichtsakte kein Beweis befinde, dass der Berichterstatter das Berufungszulassungsverfahren ohne Aussetzungsbeschluss nach § 94 VwGO habe aussetzen wollen, sein Verhalten nach dem 10. Juli 2012 mache vielmehr deutlich, dass ein Fall der Nichtbearbeitung ab dem Beginn des Berufungszulassungsverfahrens vorliege. Zum anderen hält sie die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für willkürlich, für das erstinstanzliche Verfahren sei eine Dauer von bis zu sechs Monaten angemessen gewesen. Denn auch diese werde durch keine auf den konkreten Fall bezogenen Fakten belegt. In beiden Fällen sieht die Beschwerde die Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung der Sache nach jeweils als Folge der behaupteten Verletzung der Aufklärungspflicht an, welche sie - wie vorstehend ausgeführt - selbst nicht ordnungsgemäß aufgezeigt hat.

20

Soweit die Beschwerde ihre Ausführungen auch dahin verstanden wissen möchte, dass sie die Sachverhaltswürdigung und materielle Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht als verfahrensfehlerhaft beanstandet, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht dargetan. Eine fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen. Ein einen Verfahrensfehler begründenden Verstoß gegen die Verpflichtung des Gerichts aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, kann aber ausnahmsweise insbesondere dann anzunehmen sein, wenn das Urteil auf einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung beruht (BVerwG, Beschluss vom 16. September 2015 - 4 VR 2.15 - juris Rn. 19 m.w.N.). Dies ist vom Beschwerdeführer darzulegen. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde zielt vielmehr auf eine inhaltliche Kritik der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht und setzt dieser eine eigene Bewertung entgegen, ohne jedoch Anhaltspunkte für eine willkürliche oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßende Würdigung der Erkenntnismittel zu benennen.

21

d) Erfolglos rügt die Beschwerde als Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, dass das Oberverwaltungsgericht im Tenor des angefochtenen Urteils nicht die Feststellung ausgesprochen habe, die Verfahrensdauer sei unangemessen gewesen.

22

Es kann offengelassen werden, ob der unterlassene Ausspruch dieser Feststellung neben einer - wie hier zuerkannten - Entschädigung, über den das Entschädigungsgericht von Amts wegen (§ 198 Abs. 4 Satz 2 GVG) zu befinden hat, grundsätzlich mit der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensmangel oder nur mit einem fristgebundenen Antrag auf Urteilsergänzung (§ 120 Abs. 1 und 2 VwGO) geltend gemacht werden kann. Eine aus der unterlassenen kumulativen Feststellung hergeleitete etwaige Verfahrensfehlerhaftigkeit wird von der Beschwerde jedenfalls nicht ausreichend bezeichnet. Diese legt nicht substantiiert dar, dass der von ihr eingeforderte Ausspruch nach der für die Frage des Vorliegens eines Verfahrensmangels grundsätzlich und so auch im vorliegenden Kontext maßgeblichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts überhaupt veranlasst war. Vielmehr basieren die Ausführungen der Beschwerde auf der Bewertung der Klägerin, es liege eine im Sinne des § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 1 GVG schwerwiegende (vgl. zu diesem Begriff BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 66) Beeinträchtigung ihres Anspruchs auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit vor, welche in dem angefochtenen Urteil keine Stütze findet.

23

e) Mit ihrem Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht habe sich in dem Urteil nicht mit den materiellen Nachteilen der überlangen Prozessdauer befasst, rügt die Beschwerde der Sache nach einen Verstoß gegen § 88 VwGO. Es kann offengelassen werden, ob die Beschwerde den Darlegungsanforderungen genügt, die an die Geltendmachung eines derartigen Verfahrensfehlers zu stellen sind. Denn ein solcher Verstoß liegt jedenfalls nicht vor.

24

Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Diese Bestimmung ist Ausdruck des prozessualen Dispositionsgrundsatzes, nach dem es Sache des Klägers ist zu bestimmen, welches Rechtsschutzziel er mit der Anrufung des Gerichts verfolgt. Das Gericht ist verpflichtet, das Rechtsschutzziel des Klägers zu ermitteln und darauf hinzuwirken, dass er die hierfür sachdienlichen Anträge stellt (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO). Maßgebend ist der Wille des Klägers, wie er sich aus seinen prozessualen Erklärungen, d.h. dem Klageantrag und der Klagebegründung, und seiner für das Gericht erkennbaren Interessenlage ergibt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 1. September 2016 - 4 C 4.15 - UPR 2017, 105 Rn. 9; Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 8 B 27.15 - juris Rn. 9, jeweils m.w.N.). Nach diesem Maßstab hat das Oberverwaltungsgericht das Rechtsschutzziel der Klägerin nicht verkannt.

25

Die Klage zielte nach dem klaren Wortlaut der Klagebegründung ausschließlich auf Entschädigung des immateriellen Nachteils. Die Klägerin hat zur Begründung der Höhe des Entschädigungsbegehrens auf die Vorschrift des § 198 Abs. 2 GVG Bezug genommen. Nach dessen Satz 3 ist der immaterielle Nachteil in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen, woraus sich bei der von der Klägerin geltend gemachten Verzögerung von drei Jahren die von ihr im Klageantrag bezifferte Forderung von 3 600 € errechnet. Auch mit ihren weiteren Ausführungen vor dem Oberverwaltungsgericht hat die Klägerin nicht aufgezeigt, dass und welche materiellen Nachteile ihr durch die geltend gemachte Verzögerung entstanden wären bzw. entstehen würden. Das von der Klägerin auf die Entschädigung des immateriellen Nachteils beschränkte Rechtsschutzziel hat das Oberverwaltungsgericht seiner inhaltlichen Prüfung zugrunde gelegt.

26

2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

27

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1. Februar 2011 - 7 B 45.10 - juris Rn. 15 und vom 21. Oktober 2014 - 5 B 30.14 - PersV 2016, 237 Rn. 2). Diese Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

28

Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus "den zahlreichen [...] dargelegten Verfahrensfehlern des Oberverwaltungsgerichts" herleiten möchte, formuliert sie keine das materielle Recht betreffende Rechtsfrage im vorgenannten Sinne. Das Gleiche gilt, soweit die Beschwerde auf die von ihr "bezüglich der Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer im Urteilstenor und der Berücksichtigung der immateriellen und materiellen Ersatzansprüche des § 198 GVG [...] dargelegten Verfahrensfragen" verweist.

29

Auch die Frage, "ob das Entschädigungsgericht als einzige Tatsacheninstanz in dem Verfahren nach § 198 GVG bestimmte Sachverhaltsannahmen einfach unsubstantiiert und beweislos aus der Luft greifen und vermuten darf, wie das bei den Thesen des OVG vom 'Gestaltungsspielraum des Gerichts aus der maßgeblichen Sicht des Berichterstatters' und '...beim Verwaltungsgericht ist eine Dauer von bis zu sechs Monaten angemessen gewesen' der Fall gewesen ist", ist in dieser Form in einem Revisionsverfahren weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig. Dass das Entschädigungsgericht in einem Verfahren nach § 198 GVG nicht "bestimmte Sachverhaltsannahmen einfach unsubstantiiert und beweislos aus der Luft greifen und vermuten darf", liegt nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen auf der Hand und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Bei der von der Beschwerde mit dieser Frage verknüpften Beanstandung der konkreten Bemessung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums des Ausgangsgerichts handelt es sich um das Ergebnis der vom Oberverwaltungsgericht vorgenommenen Subsumtion, die einer rechtssatzmäßigen Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich ist.

30

Soweit die Beschwerde mit ihrer Begründung zum Ausdruck bringen möchte, dass sie den rechtlichen Maßstab des Oberverwaltungsgerichts sowohl hinsichtlich der Bemessung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums als auch hinsichtlich einer Kompensation nicht teilt, beanstandet sie die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Damit kann eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht erfolgreich begründet werden.

31

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

32

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1993 geborene Kläger ist ukrainischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am 23. Juli 2014 mit einem griechischen Schengen-Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte am 17. September 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag und legte dabei die Kopie eines Schriftstücks vor, das er als Einberufungsbescheid ansieht.

Zur Begründung seines Asylantrags trug der Kläger vor, er habe vom Frühjahr 2012 bis Frühjahr 2013 Wehrdienst geleistet und sei dabei als Fahrer für das höherrangige Militär eingesetzt gewesen. Am 26. Mai 2014 sei in seinem Dorf eine Liste ausgehängt worden, auf der gestanden habe, dass er nach Donezk einberufen werden solle. Seine Mutter habe eine Kopie der Ladung organisiert, worin stehe, dass er sich am 26. August 2014 beim Militärkommissariat in Kizman melden müsse. Das Original befinde sich noch beim Kommissariat, da die Ladung nur gegen Unterschrift ausgehändigt werde. Mit der Unterschrift verpflichte man sich, Wehrdienst zu leisten. Er habe kein Original der Ladung bekommen, da er die Unterschrift nicht geleistet habe.

Das Bundesamt lehnte den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung mit Bescheid vom 1. Dezember 2015 als offensichtlich unbegründet ab. Den Antrag auf Gewährung subsidiären Schutzes lehnte es ebenfalls ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen. Es forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, sonst werde er in die Ukraine abgeschoben. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Der Kläger sei offensichtlich kein Flüchtling und auch nicht asylberechtigt, da eine mögliche Bestrafung wegen der Entziehung vom Militärdienst nicht an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal gemäß § 3 AsylG anknüpfe. Es könne ihm auch kein subsidiärer Schutz gewährt werden. Zwar werde eine Mobilisierungsentziehung in der Ukraine nach Art. 336 des ukrainischen Strafgesetzbuchs (UStGB) mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft. Eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen der Verweigerung des Militärdienstes gem. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG gelte jedoch nur dann als Verfolgung, wenn der Kläger im Rahmen des Militärdienstes gezwungen wäre, Verbrechen oder Handlungen zu begehen, die als Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen den Frieden oder gegen die Menschlichkeit gelten würden. Das sei aber nicht ersichtlich. Ebenso lägen keine Abschiebungsverbote vor.

Im Klageverfahren legte der Kläger die Kopie einer weiteren Ladung des Militärkommissariats Kizman vor, nach der er am 8. Februar 2016 zur Präzisierung von Registrierdaten und zur medizinischen Untersuchung erscheinen solle. Er trug vor, er habe das Original nicht erhalten, da er nicht anwesend gewesen sei. Vielmehr hätte seine Mutter eine Kopie bekommen und ihm diese dann geschickt.

Mit Urteil vom 7. November 2016, zugestellt am 12. Januar 2017, hat das Verwaltungsgericht Würzburg die Klage abgewiesen. Es bestünden keine stichhaltigen Gründe dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in die Ukraine eine Haftstrafe wegen Wehrdienstentziehung drohe und er dort unmenschlichen Haftbedingungen im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein werde. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 15. Februar 2016 (11 ZB 16.30012 – juris Rn. 20) und des Artikels von Connection e.V. vom 22. April 2015 (www.c...de/a...) ergebe sich, dass überwiegend Bewährungsstrafen verhängt würden.

Mit seiner vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, er beabsichtige, den Militärdienst aus Gewissensgründen zu verweigern, dies sei in der Ukraine aber nicht möglich. Zudem müsse er im Rahmen des Militäreinsatzes an Kriegsverbrechen teilnehmen. Darüber hinaus drohe ihm eine unmenschliche Bestrafung, da er sich der Mobilisierung entzogen habe.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. November 2016 sowie den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 1. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen oder festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Ukraine vorliegen.

Die Beklagte tritt der Berufung entgegen.

Die Erkenntnismittelliste „Ukraine“ (Stand: 7.7.2017) wurde zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Über die Berufung konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2017 entschieden werden, da die Beklagte unter Hinweis darauf, dass auch beim Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, ordnungsgemäß geladen worden ist.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. November 2016 ist rechtmäßig, denn der Kläger hat weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (I.) noch auf Feststellung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz (II.) oder nationalen Abschiebungsverboten (III.).

I.

Nach § 3 Abs. 1 des Asylgesetzes vom 2. September 2008 (AsylG, BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2017 (BGBl I S. 2780), ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslands befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

1. Als Verfolgung in diesem Sinne kann nach § 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 AsylG eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung gelten. Eine Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG kann dabei auch in einer unverhältnismäßigen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung bestehen (vgl. EuGH, U.v. 26.2.2015 – C-472/13 – Shepherd – ABl EU 2015 C 138, S. 7 = juris Rn. 56; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 1. Aufl. 2009, § 9 Rn. 178). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass jeder Staat ein legitimes Recht hat, eine Streitkraft zu unterhalten, seine Staatsangehörigen zum Wehrdienst in dieser Streitkraft heranzuziehen und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, angemessen zu bestrafen. Eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen einer Wehrdienstentziehung kann regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn der Betreffende durch die fehlende Möglichkeit der Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen und die daraus folgende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung in seinem Recht aus Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950 (EMRK, BGBl 1952 II S.685), zuletzt geändert durch Protokoll Nr. 14 vom 13. Mai 2004, verletzt wird (vgl. EGMR, U.v. 7.7.2011 – 23459/03 – BeckRS 2012 80059 Rn 112 ff.). Dabei kommt es insbesondere auch darauf an, ob der Betreffende eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen den Wehr- oder Kriegsdienst glaubhaft machen kann (Marx a.a.O. Rn. 192; EGMR a.a.O. Rn. 111).

Die Furcht vor Verfolgung ist nur dann begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 19; B.v. 11.7.2017 – 1 B 116.17 – juris Rn. 8). Die Gefahr kann nicht bereits dann verneint werden, wenn gegenwärtig oder unmittelbar bevorstehend keine politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu erwarten sind, sondern erst dann, wenn bei einer auf absehbare Zeit ausgerichteten Zukunftsprognose nicht ernstlich mit asylrechtlich erheblichen Maßnahmen gerechnet werden muss (BVerwG, U.v. 18.10.1983 – 9 C 158.80 – BVerwGE 68, 106 = juris Rn. 14). Wurde der Betroffene bereits verfolgt oder hat er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten bzw. war er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht, so ist dies nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2011/95/EU – Qualifikationsrichtlinie, ABl Nr. L 337 S. 9) ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden.

Gemessen an diesen Vorgaben droht dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung.

Den aktuellen Erkenntnismitteln ist zu entnehmen, dass keine neue Mobilisierungswelle geplant ist (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine vom 7.2.2017, Stand: Januar 2017 – Lagebericht 2017 – Nr. II.1.6, S. 9), sondern dass verstärkt Berufssoldaten in die Armee aufgenommen werden (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Fact Finding Mission Report Ukraine, May 2017 – BFA-Report – Chapter 3.1.2, S. 24 f. und Chapter 3.1.3.3, S. 31). Für den Kläger als Reservist besteht daher bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland auf absehbare Zeit keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass er eingezogen wird.

Der Kläger hat darüber hinaus auch keine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen den Militärdienst glaubhaft gemacht. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt hat er geäußert, er habe zwar Wehrdienst geleistet, er sei aber für den Krieg nicht bereit und könne weder schießen noch wolle er erschossen werden. Vor dem Verwaltungsgericht hat er ausgeführt, er sei das einzige Kind in seiner Familie und habe bereits Wehrdienst geleistet. Er habe damals nur ein einziges Mal eine Waffe in der Hand gehalten und habe Angst, getötet zu werden. Erstmals mit seiner Berufungsbegründung hat er ausgeführt, seiner Militärdienstentziehung liege eine echte Gewissensentscheidung zugrunde. Weitere Ausführungen hat er dazu nicht gemacht. Diesem pauschalen Vortrag ist keine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung zu entnehmen.

2. Nach § 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 AsylG kann auch eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, als Verfolgung gelten. Dabei umfasst der Schutz auch solche Personen, bei denen es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass sie sich bei der Ausübung ihrer Funktionen in den Streitkräften in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müssen (vgl. EuGH, U.v. 26.2.2015 – C-472/13 – Shepherd – ABl EU 2015 C 138, S. 7 = juris Rn. 38). Die Prüfung kann sich dabei nur darauf stützen, ob ausreichende Indizien vorliegen, die geeignet sind, in Anbetracht aller relevanten Umstände zu belegen, dass die bei diesem Dienst bestehende Situation die Begehung solcher Handlungen plausibel erscheinen lässt (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 40). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob in der Rechtsordnung des betreffenden Staates Rechtsvorschriften enthalten sind, die Kriegsverbrechen unter Strafe stellen und Gerichte existieren, die ihre tatsächliche Ahndung sicherstellen (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 42). Es obliegt dem Betreffenden, mit hinreichender Plausibilität darzulegen, dass die Streitkräfte, zu denen er ggf. herangezogen werden soll, Einsätze durchführen oder in der Vergangenheit durchgeführt haben, bei denen Handlungen unter Verletzung des Völkerrechts mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen werden oder wurden (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 43).

Abgesehen davon, dass keine neue Mobilisierungswelle geplant ist (s.o. Nr. 1) und eine Einberufung des Klägers daher nicht hinreichend wahrscheinlich ist, würde dem Kläger bei einer Verweigerung des Militärdienstes auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Strafverfolgung oder Bestrafung gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG drohen. Den in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnismitteln kann nicht entnommen werden, dass der Dienst im staatlichen ukrainischen Militär hinreichend plausibel und mit hoher Wahrscheinlichkeit völkerrechtswidrige Handlungen umfassen würde. Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren auf einen Bericht von Connection e.V. vom 19. März 2015 verwiesen hat, können diesem Bericht keine Ausführungen zu den Umständen bei Ableistung des Militärdienstes entnommen werden. Der vom Kläger ebenfalls genannte Bericht von Amnesty International vom Mai 2015 mit dem Titel „Breaking Bodies: Torture and summary killings in eastern Ukraine“ (Amnesty-Bericht Mai 2015) bezieht sich auf den Zeitraum Juli 2014 bis April 2015. Er schildert die Situation nach Ausbruch des Konflikts im März 2014, wo es auch nach anderen Auskunftsmitteln, insbesondere in den von Separatisten kontrollierten Gebieten und auch in den nicht von den ukrainischen Streitkräften selbst, sondern von sogenannten „Freiwilligen-Bataillonen“ kontrollierten Gebieten zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist (vgl. Lagebericht 2017, Nr. II.4, S. 12). Zwar wird auch weiterhin von Übergriffen der Streitkräfte berichtet (vgl. Office of the United Nations High Commissioner for Human rights, Report on the human rights situation in Ukraine 16 August to 15 November 2016 – OHCHR-Report November 2016, Chapter II.A und II.D.1). Es kam jedoch zu einer Deeskalation (vgl. OHCHR-Report November 2016, Chapter II.A, S. 8 Rn. 17) und teilweise findet auch eine Strafverfolgung bei Übergriffen statt (vgl. OHCHR-Report November 2016, Chapter I, S. 7 Rn. 11). Unabhängig davon, ob die im Amnesty-Bericht Mai 2015 beschriebenen Probleme tatsächlich Verbrechen oder Handlungen der Streitkräfte umfassten, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG gefallen wären, hat sich die Situation durch das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk verbessert. Zwar gibt es weiterhin Verstöße gegen das Waffenstillstandsabkommen und ggf. gelegentliche Übergriffe der Streitkräfte. Aktuelle Erkenntnisse, nach denen im ukrainischen Militärdienst mit hoher Wahrscheinlichkeit völkerrechtswidrige Handlungen begangen werden, hat der Kläger aber nicht genannt und sind nicht ersichtlich.

3. Eine Gesamtbetrachtung aller Umstände ergibt damit, dass eine Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht und damit kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gegeben ist. Eine Einberufung des Klägers ist derzeit ohnehin nicht zu erwarten und er hat weder eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung aufgezeigt noch mit hinreichender Plausibilität dargelegt, dass in den Streitkräften eine Verletzung des Völkerrechts mit hoher Wahrscheinlichkeit drohe.

II.

Es liegen auch keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Voraussetzung ist, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den geschützten Rechtsgütern droht (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 20). Die Beweiserleichterungen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU finden nach Art. 18 RL 2011/95/EU ebenfalls Anwendung. Nach Überzeugung des Gerichts droht dem Kläger in der Ukraine keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.

1. Dem Kläger droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Bestrafung, denn eine strafbare Mobilisierungsentziehung liegt nach Überzeugung des Senats nicht vor. Es kann dabei offen bleiben, ob die vom Kläger vorgelegten Kopien von echten Schreiben des Militärkommissariats Kizman angefertigt worden sind, denn die Schreiben sind dem Kläger nicht persönlich zugestellt worden und es handelt sich dabei auch nicht um Einberufungsbefehle. Sie können daher keine negativen Folgen für den Kläger haben.

Nach der Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24. Mai 2017 an das Bundesamt (Gz. 508-516.80/49347) dürfen Einberufungsbefehle dem Betroffenen nur persönlich mit Empfangsbestätigung übergeben werden. Die Aushändigung an Dritte kann keine rechtlichen Konsequenzen für den Betroffenen nach sich ziehen. Unstreitig sind die beiden an den Kläger gerichteten Schreiben des Militärkommissariats Kizman nicht ihm persönlich ausgehändigt worden, da er sich nach eigenen Angaben zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht in der Ukraine, sondern in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat. Der Kläger hat vor dem Bundesamt selbst angegeben, das Original des ersten Schreibens liege noch beim Militärkommissariat, da er es nicht angenommen habe. Vor dem Verwaltungsgericht hat er ausgeführt, er habe auch kein Original des zweiten Schreibens erhalten, da er keine Unterschrift geleistet habe. Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat, die Schreiben seien von seiner Großmutter entgegengenommen und die Empfangsbestätigungen von ihr unterzeichnet worden, stellt dies ebenfalls keine persönliche Zustellung dar. Darüber hinaus erscheint dieser Vortrag auch nicht glaubhaft, da weder ersichtlich ist, aus welchen Gründen seine Großmutter die Schreiben entgegengenommen haben sollte, während der Kläger sich im Ausland befunden hat, noch weshalb er sowohl beim Bundesamt als auch vor dem Verwaltungsgericht bisher stets vorgetragen hat, er habe die Schreiben nicht im Original erhalten, sondern seine Mutter habe Kopien besorgt und ihm geschickt.

Darüber hinaus gibt es nach der Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24. Mai 2017 für den Wehrdienst in der Ukraine drei unterschiedliche Benachrichtigungen/Einberufungsbefehle. Zuerst erfolgt eine Benachrichtigung, zu einem bestimmten Zeitpunkt zwecks Abgleich der persönlichen Daten beim Kreiswehrersatzamt zu erscheinen. Dann erfolgt eine Einladung zu einer medizinischen Untersuchung. Erst danach wird der tatsächliche Einberufungsbefehl zugestellt, mit der Vorgabe, wann und wo der betreffende ukrainische Staatsbürger zu erscheinen hat und welche persönlichen Gegenstände mitzuführen sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem ersten Schreiben nur um eine Aufforderung, zum Datenabgleich zu erscheinen. Das zweite Schreiben enthält auch eine Einladung zu einer medizinischen Untersuchung. Eine Einberufung zum Militärdienst ist aber von beiden Schreiben nicht umfasst.

2. Auch wenn gleichwohl bei seiner Rückkehr ein Strafverfahren gegen den Kläger eingeleitet werden würde, so wie er befürchtet, weil er die Aufforderungen zur Registrierung und medizinischen Untersuchung nicht beachtet hat, wäre nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Verurteilung zu rechnen.

Nach Art. 337 des Ukrainischen Strafgesetzbuchs (UStGB) kommen für die Vermeidung der militärischen Registrierung nur Geldstrafe, Arbeitsstunden oder Freiheitsstrafe für bis zu sechs Monate in Betracht (Lagebericht 2017, Nr. II.1.6, S. 10). Dem Kläger ist aber keines der beiden Schreiben persönlich zugestellt worden und es können daraus keine Rechtswirkungen folgen. Ein gleichwohl angestrengtes Strafverfahren müsste mangels Nachweises einer Straftat eingestellt werden.

Im Übrigen haben nach der Auskunftslage im März/April 2014 z.B. 70 Prozent der Reservisten in Kiew die Ladungen ignoriert und sind nicht bei den Rekrutierungsbüros erschienen (BFA-Report, Chapter 3.3.3.1, S. 35 ff.). Um 1.000 Männer zu mobilisieren, seien bis zu 40.000 Ladungen notwendig gewesen (BFA-Report a.a.O. S. 37). Angesichts dieser Zahlen erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass fast ein Jahr nach der Demobilisierung aller tatsächlich eingezogenen Soldaten im Oktober 2016 (Lagebericht 2017, Nr. II.1.6, S. 9) nunmehr ein großer Teil der männlichen Bevölkerung mit Strafverfahren überzogen wird, weil sie die Ladungsschreiben nicht entgegen genommen haben. Den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln lässt sich nicht entnehmen, dass eine solche Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörden bisher erfolgt oder noch zu erwarten ist, sondern es wird berichtet, es seien zahlreiche Strafverfahren gegen solche Personen eingeleitet worden, die vom Militärdienst desertiert sind oder sich der Einberufung entzogen haben (vgl. Home Office, Country Policy and Information Note Ukraine: Militäry Service, Version 4.0 April 2017, Nr. 9.2.4 ff.). Der Kläger hat auch keine Erkenntnismittel genannt, die für die von ihm befürchtete Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörden sprechen würden, und selbst vorgetragen, dass ihm keinerlei weitere Schreiben, Nachfragen oder Nachforschungen der Militär-, Polizei- oder Strafverfolgungsbehörden an der Adresse seiner Mutter bekannt seien, obwohl er telefonischen Kontakt mit ihr halte.

3. Selbst wenn sich der Kläger einer Mobilisierungsentziehung schuldig gemacht haben sollte – wovon der Senat nicht überzeugt ist –, wäre aber jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zu rechnen, in deren Vollzug eine menschenrechtswidrige Behandlung drohen würde.

Zwar kann nach Art. 336 UStGB eine Mobilisierungsentziehung mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden (Lagebericht 2017, Nr. II.1.6, S. 10) und eine Strafverfolgung von Fahnenflüchtigen findet auch statt (vgl. BFA-Report, Chapter 3.3.3, S. 39). Auch Verurteilungen zu Freiheitsstrafen wegen Mobilisierungsentziehung werden berichtet, die in einzelnen Fällen auch nicht zur Bewährung ausgesetzt werden (vgl. BFA-Report a.a.O. S. 39 f.; UNHCR, International Protection Considerations related to developments in Ukraine – Update III, September 2015, Nr. 34, S. 13; Anfrage des Bundesamt an das Auswärtige Amt vom 28.7.2016 [Gz. 9206-230; 7406-374/16; UKR-454]). Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass in jedem konkreten Fall das Gericht die Schwere der Schuld des Betreffenden unter den aktuellen Gegebenheiten feststellt und bei Personen, die mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren, keine Freiheitsstrafen ohne Aussetzung zur Bewährung verhängt werden (vgl. BFA-Report a.a.O. S. 40). Angesichts der Umstände, dass der Kläger bei seiner Ausreise noch sehr jung war und immer noch ist, seine Ausreise zur Vermeidung des Militärdienstes nicht politisch motiviert war und er nicht vorbestraft ist, erscheint es dem Senat nicht hinreichend wahrscheinlich, dass er zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt werden würde.

Darüber hinaus erscheint es auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass bei der Vollstreckung einer kurzen Freiheitsstrafe eine menschenrechtswidrige Behandlung droht. Zwar sind trotz erheblicher Fortschritte in den Haftanstalten, da aufgrund einer Reform der Ukrainischen Strafprozessordnung die Zahl der Insassen stark rückläufig ist, schlecht bezahltes und unzureichend ausgebildetes Wachpersonal, überbelegte Großraumzellen, mangelhafte Ernährung, unzureichende medizinische Betreuung, unzulängliche hygienische Verhältnisse sowie unverhältnismäßig starke Beschränkungen von Kontakten zur Außenwelt weiterhin nicht völlig verschwunden (Lagebericht 2017, Nr. II.4, S. 14) und in einigen Untersuchungshaft- und psychiatrischen Einrichtungen herrschen weiterhin sehr schlechte Zustände (Lagebericht 2017 a.a.O.). Auch ist der Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine vom 11. Februar 2016, Stand Januar 2016, noch davon ausgegangen, die Missstände in den Gefängnissen seien in der Regel anzutreffen. Die Änderung der Formulierung im Lagebericht 2017 legt jedoch eine spürbare Verbesserung zumindest in Haftanstalten zur Verbüßung kürzerer Freiheitsstrafen nahe. Die Bedingungen im Polizeigewahrsam sowie in Untersuchungshaft sind schlechter als in Gefängnissen mit niederer oder mittlerer Sicherheitsstufe (vgl. USDOS, Country Report on Human Rights Practices 2016 Ukraine, USDOS Country Report, Section 1.c., S. 4) und stellen manchmal eine ernsthafte Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Gefangenen dar. Auch zu lebenslanger Haft Verurteilte erleiden oft erhebliche Rechtsverletzungen (USDOS Country Report a.a.O.). Das Auswärtige Amt hat auch seit 2013 in neun Fällen „Monitoring“ durch die Botschaft Kiew nach erfolgter Auslieferung veranlasst. Die Auslieferungen erfolgen jeweils nach Einzelfallprüfungen und Abgabe von Zusicherungen, u.a. hinsichtlich EMRK-konformer Behandlung und Unterbringung (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt vom 30.8.2016, Gz. 508-516.80/48541). Demgegenüber ist es aber für die Häftlinge und ihre Familienangehörigen möglich, beim Ombudsmann für Menschenrechte eine Beschwerde zu erheben und es finden auch unabhängige Kontrollen der Gefängnisse durch internationale und lokale Menschenrechtsorganisationen statt (USDOS Country Report a.a.O. S. 4 f.). Nach Auskunft des Foreign and Commonwealth Office soll jedes Gefängnis über eine medizinische Abteilung verfügen, in der medizinische Hilfe gewährleistet ist (vgl. Home Office, Country Policy and Information Note, Ukraine: Prison conditions, Version 2.0, April 2017, Chapter 7.1.4 und 7.2.3, S. 11 f.). Vom 21. bis 30. November 2016 hat das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe die Ukraine besucht und festgestellt, dass durch die Gefängnisreform die Auslastung der Haftanstalten stark zurückgegangen ist. Die Gesundheitsversorgung sowie die Personalausstattung seien weiterhin verbesserungsbedürftig. In den besuchten Haftanstalten seien aber keine aktuellen Misshandlungen der Gefangenen durch das Personal festgestellt worden und die Ausstattung sei überwiegend in Ordnung gewesen. In den besuchten Untersuchungsgefängnissen sei es jedoch zu Misshandlungen durch Mitgefangene gekommen. Hinsichtlich der zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefängnisinsassen komme es immer wieder zu inakzeptablen Maßnahmen (vgl. insgesamt Council of Europe, Report to the Ukrainian government on the visit to Ukraine carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 21 to 30 November 2016, Straßburg 19.6.2017).

Angesichts dieser Auskunftslage wäre nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass dem Kläger eine unmenschliche Behandlung in Haft drohen würde. Zum einen käme wohl nur eine kurze Haftstrafe in Betracht, die in einem Gefängnis mit niederer oder mittlerer Sicherheitsstufe verbüßt werden könnte. Solche Haftanstalten weisen – wie ausgeführt – einen besseren Standard auf. Dass der Kläger in Untersuchungshaft oder Polizeigewahrsam genommen werden oder eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen werden würde, in denen die Zustände weit schlechter sind, ist demgegenüber nicht zu erwarten. Zum anderen haben sich die Verhältnisse in den ukrainischen Gefängnissen in den von der Regierung kontrollierten Landesteilen durch die Reform der Prozessordnung und der Gefängnisreform verbessert und die Zahl menschenrechtswidriger Verstöße ist zurückgegangen.

4. Eine Gesamtbetrachtung ergibt daher, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG hat, da ihm nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden in seinem Herkunftsland droht. Nach Überzeugung des Senats hat er sich nicht strafbar gemacht. Selbst im Falle einer Verurteilung würde eine mögliche Haftstrafe wohl zur Bewährung ausgesetzt und bei der Verbüßung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe würde auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche Behandlung in der Strafhaft drohen.

III.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl 1952 II S.685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Der sachliche Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist dabei weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über dieses nicht hinaus (BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – BVerwGE 147, 8 = juris Rn. 25). Eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung droht dem Kläger aber nicht (s. II.).

2. Auch ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht ersichtlich. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei dem Kläger handelt es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen, jungen Mann. Seine Mutter und seine Großmutter leben in der Westukraine und es ist nicht ersichtlich, dass er nicht an seinen früheren Wohnort bei seiner Mutter zurückkehren und dort wieder eine Arbeit aufnehmen könnte.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.