Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

IV. Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 17. Oktober 2017 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sieben Jahre befristet und seine Abschiebung aus der Haft in die Türkei angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht wurde. Weiter begehrt er die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für dieses Zulassungsverfahren.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, noch hat der Kläger die weiter angeführten Zulassungsgründe der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in einer den Anforderungen gemäß § 124 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügenden Weise dargelegt.

1.1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers gemäß §§ 53 ff. AufenthG als rechtmäßig angesehen. Sie sei nach § 53 Abs. 3 AufenthG zulässig, weil das persönliche Verhalten des Klägers eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland berühre und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses nach der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmenden Abwägung unerlässlich sei. Der Kläger habe schwere Straftaten begangen und es bestehe bis heute eine erhebliche Wiederholungsgefahr. Das Ausweisungsinteresse überwiege das Bleibeinteresse des Klägers als „faktischer Inländer“ und Besitzer einer Niederlassungserlaubnis und stelle sich auch unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK als verhältnismäßig dar.

Die vom Kläger in der Zulassungsbegründung dagegen vorgebrachten Einwendungen begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe seine assoziationsrechtliche Stellung nach Art. 7 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 verkannt bzw. nicht hinreichend berücksichtigt, greift dieser den Prüfungsmaßstab der Ausweisungsverfügung betreffende Einwand nicht durch. Denn das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Ausweisungsverfügung unter Zugrundelegung eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts des Klägers nach Art. 7 ARB 1/80 zu Recht am Maßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG gemessen, der exakt die Voraussetzungen wiedergibt, die nach ständiger Rechtsprechung für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen gemäß Art. 14 ARB 1/80 erfüllt sein müssen (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, U.v. 28.3.2017 - 10 BV 16.1601 - juris Rn. 31 m.w.N.).

Weiter wendet der Kläger ein, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts sei bei ihm die Prognose einer hinreichenden Wiederholungsgefahr nicht mehr gerechtfertigt. Er habe die Anlassstraftaten als Jugendlicher und Heranwachsender begangen, jedoch nunmehr auch unter dem Eindruck der Haft Einsicht gezeigt und einen entscheidenden Lebenswandel vollzogen. Er habe in der Justizvollzugsanstalt regelmäßig Sport betrieben, an den Gruppen „Anonyme Alkoholiker“ und „Alkohol und Gewalt“ teilgenommen sowie eine Ausbildung zum Bäcker begonnen. Hätte das Verwaltungsgericht zu diesen positiven Veränderungen den Leiter der Justizvollzugsanstalt, Herrn O., als Zeugen vernommen und wäre es dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgekommen, hätte sich auch für das Gericht ergeben, dass er gegenwärtig keine Gefahr mehr für die Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland darstelle und von ihm keine neuen Straftaten zu erwarten seien. Auch hätte das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung die Straftaten vom 17. Januar, 2. Juni und 21. August 2015 nicht mehr mit heranziehen dürfen, weil dem schon aufgrund des Zeitmoments der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegenstehe; ein jahrelanges Zuwarten der Behörde sei durchaus geeignet, insoweit einen schützenswerten Vertrauenstatbestand zu schaffen. Das Verwaltungsgericht habe trotz Einstellung des Strafverfahrens wegen eines Vorkommnisses in der Strafhaft am 3. August 2017 unter Missachtung der Unschuldsvermutung diese Tat zur Stützung seiner Gefahrenprognose herangezogen.

Diese Rügen sind nicht geeignet, die Richtigkeit der Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts und damit des erstinstanzlichen Urteils ernstlich in Zweifel zu ziehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18) und des Senats (z.B. B.v. 8.11.2017 - 10 ZB 16.2199 - juris Rn. 6 f.; zuletzt B.v. 31.1.2019 - 10 ZB 18.1534 - Rn. 12) haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise beim Kläger eine hinreichende Wiederholungsgefahr erneuter schwerer Straftaten insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit Dritter angenommen. Es hat bei seiner Prognose zutreffend auf die vom Kläger begangenen zahlreichen Straftaten, die hohe Rückfallgeschwindigkeit, das bei den Taten gezeigte erhebliche Aggressionspotenzial und die offensichtlich fehlende Selbstkontrolle, die hohe Bedeutung des bedrohten Rechtsguts der körperlichen Integrität und das selbst in der Haft noch fortgesetzte aggressive und gewalttätige Verhalten abgestellt. Es hat den Kläger zu Recht als mehrfachen Bewährungsversager mit einer extrem hohen Rückfallgeschwindigkeit eingestuft.

Das Verwaltungsgericht hat auch die vom Kläger für einen „entscheidenden Lebenswandel“ angeführten positiven Ansätze während der Haft nicht verkannt, jedoch in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats mit Blick auf die langfristig angelegte Prognoseentscheidung (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 14.1.2019 - 10 ZB 18.1413 - juris Rn. 10) aus dem gezeigten Wohlverhalten noch nicht auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung (BayVGH, B.v. 16.2.2018 - 10 ZB 17.2063 - juris Rn. 10) geschlossen.

Entgegen der Auffassung des Klägers durfte das Verwaltungsgericht in seine Prognose auch die (früheren) Straftaten vom 17. Januar, 2. Juni und 21. August 2015 mit einbeziehen. Es hat den vom Kläger insoweit beanspruchten Vertrauensschutz zu Recht verneint, weil ein zum „Verbrauch“ des Ausweisungsgrunds führender „Verzicht“ von der Ausländerbehörde weder ausdrücklich noch konkludent erklärt worden ist und im Übrigen selbst ein durch einen ausdrücklichen Verzicht vermittelter Vertrauensschutz unter dem Vorbehalt stünde, dass sich die für die behördliche Entscheidung maßgeblichen Umstände nicht ändern (vgl. BayVGH, B.v. 8.9.2016 - 10 C 16.1214 - juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 16.11.1999 - 1 C 11.99 - juris Rn. 20). Allein das Verstreichen einer ohnehin relativ kurzen Zeitspanne ohne sofortige Reaktion der Ausländerbehörde vermag einen solchen Vertrauensschutz nicht zu vermitteln.

Nicht durchgreifend ist auch der Einwand, das Verwaltungsgericht habe unter Verstoß gegen die Unschuldsvermutung die dem Kläger vorgeworfene Tat vom 3. August 2017 (Körperverletzung während der Haft zulasten eines Mitgefangenen) berücksichtigt, obwohl der Kläger dies bis zuletzt bestritten habe und das Strafverfahren eingestellt worden sei. Die Unschuldsvermutung schützt nämlich nur vor Nachteilen, die einem Schuldspruch gleichkommen, nicht jedoch vor Rechtsfolgen ohne Strafcharakter (vgl. BVerwG, B.v. 20.1.2017 - 2 B 75.16 - juris Rn. 8, 11 ff.). Daher können grundsätzlich auch die in einem (später) eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegenständlichen Sachverhalte im Rahmen der Gefahrenprognose vorgehalten werden (BayVGH, B.v. 30.7.2018 - 10 CE 18.769 u.a. - juris Rn. 26). Unabhängig davon betraf dieser Tatvorwurf nur einen von mehreren während der Haft disziplinarisch geahndeten Vorfällen, die das Verwaltungsgericht zur Begründung des fortgesetzten, wesensimmanenten aggressiven Verhaltens des Klägers herangezogenen hat.

Ebenso wenig gefolgt werden kann dem Einwand des Klägers, bei der erforderlichen Einholung eines Sachverständigengutachtens wäre das Gericht in seiner Prognose zu einem für ihn günstigeren Ergebnis gelangt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Senats ist geklärt, dass sich das Gericht bei dieser Prognoseentscheidung regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 12, 18 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.3.2016 - 10 ZB 15.2109 - juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 31.1.2019 - 10 ZB 18.1534 - Rn. 15). Ein derartiger Sonderfall liegt hier nicht vor.

Die Einvernahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt als Zeugen zu den vom Kläger geltend gemachten positiven Veränderungen während der Haft war unabhängig davon, dass der Kläger sie in der mündlichen Verhandlung nicht förmlich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO), schon deshalb nicht erforderlich, weil sich das Verwaltungsgericht bei der Bewertung der nachträglichen Entwicklung auf mehrere ausführliche schriftliche Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt stützen konnte.

Auch die auf die vom Verwaltungsgericht gemäß § 53 Abs. 1 bis 3, § 54 und § 55 AufenthG vorgenommene Interessenabwägung bezogenen Rügen des Klägers begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger wendet ein, das Verwaltungsgericht habe bei der Abwägung seine Verwurzelung in der Bundesrepublik Deutschland und vollständige Entwurzelung in der Türkei nicht hinreichend berücksichtigt sowie die Vorgaben des Art. 8 EMRK nicht ausreichend beachtet. Bei ihm handle es sich um einen faktischen Inländer ohne Bezug zur Türkei, der über keine ausreichenden Türkischkenntnisse verfüge und ohne soziale Unterstützung bei der derzeitigen wirtschaftlichen Krise in der Türkei nicht Fuß fassen könne. Dagegen besitze er einen mittleren Schulabschluss und berufliche sowie wirtschaftliche Bindungen im Bundesgebiet, wo auch seine Eltern und seine Schwester lebten.

Das Verwaltungsgericht hat jedoch alle in die vorzunehmende Gesamtabwägung einzustellenden Umstände berücksichtigt und entgegen der Meinung des Klägers auch nicht fehlgewichtet. Es hat zum einen die engen und damit besonders schwerwiegenden Bindungen des seit seiner Geburt hier lebenden Klägers in Deutschland als „faktischer Inländer“ gesehen. Zum anderen hat es hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger in der Türkei lediglich einige kürzere (Urlaubs-)Aufenthalte verbracht und dort über seine Großeltern - ohne derzeitigen Kontakt - (allenfalls) familiäre Anknüpfungspunkte hat. Es hat insbesondere nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass der Kläger entgegen seiner Einlassung über ausreichende türkische Sprachkenntnisse verfügt, um sich in der Türkei sprachlich zurechtzufinden, auch wenn er diese teilweise erst wieder auffrischen muss. Weiter hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt, dass die Aufenthaltsbeendigung für den Kläger eine besonders einschneidende Veränderung seiner Lebenssituation darstellt. Es ist jedoch bei der gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens beim Kläger als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt und verhältnismäßig anzusehen sei, weil die von ihm nach wie vor ausgehende Gefahr für bedeutende Schutzgüter (insbesondere die körperliche Unversehrtheit), die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Interessen eine Ausweisung unerlässlich mache.

1.2. Zur Darlegung der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts konkret zu benennen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, und es ist anzugeben, dass und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet. Es ist eine Begründung dafür zu geben, weshalb die Rechtssache an den entscheidenden Richter (wesentlich) höhere Anforderungen stellt als im Normalfall (Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1.10.2018, § 124a Rn. 75 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger legt nicht dar, inwiefern insbesondere die Gefahrenprognose und die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung in seinem Fall wesentlich höhere Anforderungen an den Tatrichter als in sonstigen Ausweisungsfällen „faktischer Inländer“ stellen sollen.

1.3. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2018 - 21 ZB 16.1678 - juris Rn. 29; B.v. 24.1.2019 - 10 ZB 17.1343 - juris Rn. 11; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72). Dazu verhält sich das Zulassungsvorbringen jedoch in keiner Weise.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.

2. Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren ist abzulehnen, weil der Zulassungsantrag aus den oben dargestellten Gründen keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Feb. 2019 - 10 ZB 18.2343 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

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Referenzen

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet. Daneben begehrt er die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis über ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht.

Der am 30. Juni 1996 in der Bundesrepublik Deutschland geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Seine Eltern leben bereits seit 1985 in Deutschland. Der Vater ist seit mehr als 20 Jahren als Industriereiniger bei der W. GmbH in B. beschäftigt. Der Kläger hat noch zwei 1994 und 1997 geborene Brüder. Er verließ 2011 nach der 8. Klasse die Hauptschule ohne Abschluss und verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die ihm 1997 erstmals erteilte Aufenthaltserlaubnis wurde in der Folge regelmäßig, zuletzt bis zum 24. Oktober 2014, verlängert.

Strafrechtlich trat der Kläger bisher insbesondere wie folgt in Erscheinung:

– Amtsgericht Altötting, Urteil vom 30.11.2010, rechtskräftig seit 8.12.2010, wegen Diebstahls geringwertiger Sachen, Erbringung von Arbeitsleistungen (30 Stunden gemeinnützige Arbeit)

– Verfügung der Staatsanwaltschaft Traunstein vom 12.12.2011, wegen Hehlerei, von der Verfolgung abgesehen nach § 45 Abs. 2 JGG

– Amtsgericht Altötting, Urteil vom 28.2.2012, rechtskräftig seit 28.2.2012, wegen Hausfriedensbruch in 5 Fällen und der Beihilfe zum Diebstahl, 1 Freizeit-/Jugendarrest

– Amtsgericht Altötting, Urteil vom 16.10.2012, rechtskräftig seit 24.10.2012, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer verbotenen Waffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe in Tatmehrheit mit Diebstahl geringwertiger Sachen in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, 7 Monate Jugendstrafe (Bewährungszeit 2 Jahre)

– Amtsgericht Mühldorf a. Inn - Jugendschöffengericht, Urteil vom 1.7.2014, rechtskräftig seit 15.10.2014, wegen Diebstahls in fünf tatmehrheitlichen Fällen, hiervon in zwei versuchten Fällen jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten (unter Einbeziehung der Verurteilung des Amtsgerichts Altötting vom 16.10.2012)

– Amtsgericht Laufen, Urteil vom 19.1.2016, rechtskräftig seit 19.1.2016, wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Mittäterschaft, Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren 8 Monaten (unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Mühldorf vom 1.7.2014).

Der Verurteilung des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn vom 1. Juli 2014 lag zur Überzeugung des Jugendschöffengerichts zugrunde, dass der Kläger und vier weitere Angeklagte bzw. anderweitig Verfolgte im Zeitraum September 2013 bis Januar 2014 teilweise alleine, teilweise aufgrund gemeinsamen Tatplans und Zusammenwirkens in Kindergärten, Schulen und weitere Gebäude im Landkreis A. einbrachen, um dort Waren und Geld zu entwenden. Dadurch hätten sie sich eine eigene Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschafft; teilweise hätten sie dabei Brecheisen, einen Maurerhammer und einen Schraubendreher verwendet.

Der Verurteilung durch das Amtsgericht Laufen lag zur Überzeugung des Jugendschöffengerichts zugrunde, dass der Kläger und sein Mitangeklagter während des laufenden Vollzugs in der Justizvollzugsanstalt Laufen-Lebenau aufgrund eines gemeinsamen Plans bei einem Freigang des Mitangeklagten am 19. Juli 2015 von einer unbekannten dritten Person ein Gramm Marihuana erworben und es anschließend teilweise selbst konsumiert, teilweise an Mithäftlinge zum Konsum weitergegeben haben.

Der Kläger befand sich bis 22. August 2016 (Aussetzung des Strafrestes der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Laufen vom 19. Januar 2016 auf Bewährung durch Beschluss des Amtsgerichts Neuburg a. d. Donau - Strafvollstreckungsgericht - vom 21. Juli 2016 nach § 88 JGG) in der Justizvollzugsanstalt Neuburg-Herrenwörth in Haft.

Aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilungen wurde der Kläger vom Beklagten mehrfach, letztmals mit Schreiben vom 14. Januar 2013, ausländerrechtlich verwarnt.

Nach vorheriger Anhörung wies der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 30. Dezember 2015 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1. des Bescheids), lehnte seinen Antrag vom 18. September 2014 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 2.), stellte das Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach dem ARB 1/80 fest und lehnte gleichzeitig seinen Antrag vom 12. Mai 2015 auf Ausstellung einer Bescheinigung über das assoziationsrechtliche Daueraufenthaltsrecht ab (Nr. 3.). Weiter wurde die Abschiebung des Klägers unmittelbar aus der Strafhaft angeordnet (Nr. 4.) sowie für den Fall der Undurchführbarkeit und der nicht fristgerechten Ausreise binnen eines Monats ab Haftentlassung die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Nr. 5. und 6.). Die Wiedereinreise und der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland wurden dem Kläger (zunächst) für die Dauer von fünf Jahren, beginnend ab der Ausreise, untersagt (Nr. 7.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ausweisung des Klägers, der über seinen Vater eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben habe, erfolge (allein) aus spezialpräventiven Gründen im Wege einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG in Verbindung mit Art. 14 ARB 1/80. Der Kläger sei der Polizei seit dem Alter von zwölf Jahren als sogenannter „jugendlicher Intensivstraftäter“ mit derzeit 15 polizeilichen Anzeigen und vier strafrechtlichen Verurteilungen bekannt. Die Delikte reichten von Sachbeschädigung über Ladendiebstahl bis hin zu gefährlicher Körperverletzung, unerlaubtem Besitz und Führen einer verbotenen Waffe und schließlich Diebstahl in fünf tatmehrheitlichen Fällen. Der Kläger habe sich von früheren Verurteilungen und selbst einer verhängten Bewährungsstrafe unbeeindruckt und eine kriminelle Energie von einem Ausmaß gezeigt, so dass bei ihm auch künftig weitere schwerwiegende Straftaten, die Grundinteressen der Gesellschaft berührten, zu befürchten seien. Die Ausweisung sei auch nach einer Interessenabwägung unter Beachtung der durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Interessen ermessensgerecht und verhältnismäßig.

Die auf Aufhebung des Bescheids vom 30. Dezember 2015 und Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 zu erteilen und ihm eine Bescheinigung über sein Daueraufenthaltsrecht auszustellen, gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. April 2016 abgewiesen. Gemessen an den zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts geltenden Regelungen des Aufenthaltsgesetzes in der seit 1. Januar 2016 gültigen Fassung erweise sich die Ausweisung des Klägers nach § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG als rechtmäßig, weil auch gegenwärtig die Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten bestehe und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich sei. Das Gericht sei zur Überzeugung gelangt, dass nach dem Gesamtbild des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden müsse, dass er erneut (schwerwiegende) Straftaten begehen werde und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG darstelle. Die erhebliche kriminelle Energie des Klägers zeige sich darin, dass er schon als strafunmündiges Kind polizeilich in Erscheinung getreten und seit seiner Strafmündigkeit insgesamt fünfmal strafrechtlich verurteilt worden sei. Der Kläger habe sich weder durch vorangegangene Verurteilungen noch ausländerrechtliche Verwarnungen von weiteren Straftaten abhalten lassen und zuletzt selbst während der Verbüßung der Haftstrafe eine Betäubungsmittelstraftat begangen. Die Jugendgerichte hätten ihm bereits schädliche Neigungen attestiert. Ein grundlegendes Umdenken im Sinne einer Nachreifung des Klägers habe auch während des Strafvollzugs nicht stattgefunden. Vielmehr sei der Kläger während der Haft mehrfach disziplinarisch auffällig geworden. Er habe keinen Schulabschluss; ob er seine Schlosserausbildung abschließen werde, sei derzeit offen. Hinzu komme das ungeklärte Drogenproblem, dessen Fortbestehen sich insbesondere im Marihuana-Konsum in der Justizvollzugsanstalt zeige. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Eltern ihren nunmehr erwachsenen Sohn künftig „in den Griff“ bekommen würden. Zudem sei nicht zu erwarten, dass sich der Kläger nach seiner Haftentlassung dauerhaft von seinem Freundeskreis und der Gruppe „gleichaltriger delinquenter Heranwachsender“ lösen werde. Dabei verkenne das Gericht die vom Kläger im Strafvollzug gezeigten positiven Ansätze nicht. Eine Bereitschaft, sich nunmehr nachhaltig von seinem bisherigen Verhalten zu distanzieren, könne die Kammer allerdings nicht erkennen.

Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Interessenabwägung ergebe ein überwiegendes Ausweisungsinteresse. Zwar stehe einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG aufgrund der assoziationsrechtlichen Rechtsstellung und des bisherigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet auch ein besonders schwerwiegendes, wenn auch in seinem Fall nicht gesetzlich vertyptes Bleibeinteresse gegenüber. Gleichwohl falle die anzustellende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG zu Ungunsten des Klägers aus. Er sei zwar ein so genannter „faktischer Inländer“, der in der Bundesrepublik geboren und aufgewachsen sei und hier seine wesentliche Prägung und Entwicklung erfahren habe. Seine enge Bindung zu den Eltern komme insbesondere auch in deren regelmäßigen Besuchen in der Justizvollzugsanstalt zum Ausdruck. Demgegenüber stünden jedoch die besonders intensive Straffälligkeit und die ungeklärte Drogenproblematik. So hätten den Kläger weder eine Bewährungsstrafe noch die erstmalige Inhaftierung beeindrucken und zu einem straffreien Leben bewegen können. Gerade unter dem Eindruck von Drogen und deren enthemmender Wirkung sei die vom Kläger ausgehende Gefahr für die geschützten Rechtsgüter - insbesondere die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum - als besonders hoch einzuschätzen. Demgemäß stelle sich zur Überzeugung des Gerichts die Ausweisung nach Abwägung aller Umstände auch mit Blick auf Art. 6 GG und die strengen Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK als verhältnismäßig dar. Von einem jugendtypischen Augenblicksversagen könne bei ihm keine Rede sein. Der Kläger besitze noch Bindungen zu seinem Herkunftsland und beherrsche die türkische Sprache.

Demgemäß seien auch die weiteren Verfügungen des Beklagten in den Nummern 3. bis 7. des angefochtenen Bescheids rechtmäßig. Durch die Ausweisung sei die assoziationsrechtliche Rechtsposition des Klägers erloschen; die Abschiebungsanordnung und die Abschiebungsandrohung seien rechtlich nicht zu beanstanden. Die im angegriffenen Bescheid verfügte Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf fünf Jahre begegne ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die festgesetzte Sperrfrist erscheine angesichts des vom Kläger ausgehenden hohen Gefahrenpotenzials angemessen.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Er habe während seiner Strafhaft die Ausbildung zum Schlosser fortgesetzt. Das Strafvollstreckungsgericht habe aufgrund der positiven persönlichen Entwicklung bei ihm keine aktuelle Gefahr mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gesehen und die weitere Vollstreckung seiner Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Demgemäß befinde er sich seit 22. August 2016 nicht mehr in Haft. Er habe nunmehr die Möglichkeit, die Ausbildung bei seinem Lehrbetrieb fortzusetzen. Er habe während des Strafvollzugs erfolgreich an einer Suchtberatung und an Gesprächen im Rahmen einer Drogengruppe teilgenommen. Die gute Entwicklung während der Haft zeige, dass die Straffälligkeit dem falschen Freundeskreis geschuldet gewesen sei. Dies habe er eingesehen und halte sich nunmehr von diesen Freunden fern. Das Verwaltungsgericht habe die Anforderungen an die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen nicht hinreichend beachtet und insbesondere die für den Kläger sprechenden Umstände nicht ausreichend gewürdigt. Dass von ihm keine Gefahren mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, werde durch seine vorzeitige Haftentlassung und die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung bestätigt. Zudem sei die Ausweisung des in Deutschland geborenen und hier ununterbrochen lebenden Klägers offensichtlich unverhältnismäßig. Ihm sei die Trennung von seiner in Deutschland lebenden Familie nicht zuzumuten. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Kläger im türkischen Kulturkreis fest verwurzelt sei. Die Türkei kenne er lediglich als Urlaubsland.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. April 2016 den Bescheid des Beklagten vom 30. Dezember 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG zu erteilen und ihm eine Bescheinigung über sein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht auszustellen,

hilfsweise über die Sperrfrist unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu (d.h. unter Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist) zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Weder aus der Aussetzung des Rests der Jugendstrafe nach § 88 JGG noch aus den Ausführungen in der Berufungsbegründung ergäben sich durchgreifende Bedenken gegen die Richtigkeit der überzeugenden erstinstanzlichen Entscheidung. Der Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts Neuburg a. d. Donau vom 21. Juli 2016 enthalte keine über den Wortlaut des § 88 Abs. 1 JGG hinausgehende Begründung, aus der nachvollzogen werden könnte, welche Erwägungen für die positive Prognose tragend seien. Eine weitergehende tatsächliche Indizwirkung entfalte diese Entscheidung nicht. Im Übrigen könne noch nicht davon gesprochen werden, dass sich der Kläger über einen längeren Zeitraum in Freiheit bewährt habe. Ob bei ihm eine Fortsetzung der während der Haft begonnenen Ausbildung möglich sei, sei derzeit völlig offen. Er habe auch nicht wie behauptet erfolgreich an einer Suchtberatung und Gesprächen im Rahmen einer Drogengruppe teilgenommen. Die geltend gemachte gute Entwicklung während der Haft werde schon durch seine Verurteilung durch das Amtsgericht Laufen vom 19. Januar 2016 eindeutig widerlegt. Nicht zutreffend sei auch die Behauptung, er habe sich in der Justizvollzugsanstalt ohne größere disziplinarische Auffälligkeiten geführt. Der Kläger sei zwar „faktischer Inländer“, eine nachhaltige Integration in die deutschen Lebensverhältnisse sei ihm jedoch nicht gelungen. Er beherrsche die türkische Sprache und habe sich in den Ferien nach eigenen Angaben zu Besuch bei Verwandten in der Türkei aufgehalten. Zudem besitze er in dort lebenden Verwandten eine familiäre Anlaufstelle.

Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2016 teilte der Beklagte noch mit, dass der Kläger durch sein Verhalten (Rasur der Haare, nachträgliche Wasserzugabe zum Urin) wohl bewusst ein bei ihm vorgeschriebenes Drogenscreening unterlaufen habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde die gemäß § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG zu bestimmende Sperrfrist vom Beklagtenvertreter angesichts der bisherigen Entwicklung des Klägers nach der Haft und der dabei gezeigten positiven Ansätze nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens auf nunmehr drei Jahre festgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, die Behördenakten sowie die Strafakten (in Auszügen) verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die im Hauptantrag auf Aufhebung des Bescheids vom 30. Dezember 2015 und Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG zu erteilen und eine Bescheinigung über sein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht auszustellen, gerichtete Klage ist ebenso unbegründet wie das Hilfsbegehren des Klägers, den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zur erneuten Entscheidung über die Sperrfrist (d.h. unter Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist) zu verpflichten. Die im streitbefangenen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers ist gemessen an den im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; 1.). Demzufolge hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG und Ausstellung einer Bescheinigung über sein assoziationsrechtliche Daueraufenthaltsrecht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO; 2.). Keinen Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) weist schließlich die durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs geänderte Befristung der Wirkungen des aus der Ausweisung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise auf, weshalb auch das hilfsweise beantragte Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergehen kann (3.).

1. Die gegen die Ausweisung gerichtete Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) des Klägers hat keinen Erfolg.

1.1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Ausweisung (und der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung) ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Berufungsgerichts (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 13.1982 - juris Rn. 27).

1.2. Die im Bescheid des Beklagten vom 30. Dezember 2015 verfügte Ausweisung des Klägers ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs gemessen an den Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung (1.2.1.) rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; 1.2.2.).

1.2.1. Die streitbefangene Ausweisung ist an dem seit der Rechtsänderung am 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsrecht zu messen und durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar. Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung (§ 55 Abs. 1 AufenthG a.F. i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80) wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen. Er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U.v. 8.12.2011 - Rs. C-371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten, weshalb bei einer Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, Art. 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (stRspr, vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 13.1982 - juris Rn. 29 f. m.w.N.).

1.2.2. Daran gemessen erweist sich die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig.

Dem Kläger stand zwar unstreitig ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 als Familienangehörigen seines seit mehr als 20 Jahren dem regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland angehörenden Vaters zu. Sein persönliches Verhalten stellt jedoch gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland berührt (1.2.2.1.). Die gebotene (umfassende) Abwägung des öffentlichen Ausweisungsinteresses mit den privaten Interessen des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG) führt nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zum Ergebnis, dass die Ausweisung auch für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (§ 53 Abs. 3 AufenthG; 1.2.2.2.).

1.2.2.1. Die den Verurteilungen des Klägers insbesondere wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Diebstahls (in fünf tatmehrheitlichen Fällen) zu Grunde liegenden Verstöße (auch) gegen die durch die Grundrechte - hier: Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG, Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG - errichtete objektive Wertordnung (mit den damit verbundenen staatlichen Schutzpflichten; vgl. z.B. BVerfG, B.v. 4.5.2011 - 1 BvR 1502/08 - juris Rn. 37) stellen einen hinreichend schweren Ausweisungsanlass dar, der über die mit jedem Rechtsverstoß verbundene Störung der öffentlichen Ordnung deutlich hinausgeht und ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Das hinreichende Gewicht der vom Kläger begangenen (Anlass-)Straftaten hat das Verwaltungsgericht zu Recht darin gesehen, dass der Kläger die Diebstähle im Rahmen einer gleichsam bandenmäßig organisierten Einbruchsserie in Kindergärten, Schulen und andere Gebäude mit erheblichen Sach- und Beuteschäden begangen und dabei auch nach den Feststellungen des Strafgerichts eine erhebliche kriminelle Energie bewiesen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 13.1982 - juris Rn. 32). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH a.a.O.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 31; U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B.v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris Rn. 11). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Nach diesen Maßstäben teilt der Senat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs trotz vom Kläger gezeigter positiver Ansätze nach der Entlassung aus der Strafhaft die vom Beklagten gleichwohl aufrechterhaltene Prognose einer hinreichenden Rückfallgefahr hinsichtlich Gewalt- bzw. Körperverletzungsdelikte und gravierender Eigentumsdelikte.

Der Kläger ist seit dem Alter von zwölf Jahren immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten und seit seiner Strafmündigkeit fünfmal strafgerichtlich verurteilt worden. Er hat sich dabei bei zunehmender Rückfallgeschwindigkeit von bisherigen Strafmaßnahmen und auch ausländerrechtlichen Verwarnungen unbeeindruckt gezeigt und die zuletzt abgeurteilten Einbruchsdiebstähle innerhalb seiner noch offenen Bewährungszeit begangen. Sogar während seiner Haftzeit hat er, wenn auch nur in einer sehr geringen Menge und im Wesentlichen zum Eigenkonsum, in Mittäterschaft Marihuana erworben, dadurch den Straftatbestand des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verwirklicht und nach den Feststellungen des Amtsgerichts L. die bei ihm bereits früher festgestellten schädlichen Neigungen neuerlich bestätigt. Beim Kläger mussten während seiner Haftzeit in der Justizvollzugsanstalt Laufen-Lebenau insgesamt sieben Disziplinarmaßnahmen (mit Verbüßung von insgesamt 5 Tagen Arrest) unter anderem wegen Betriebsstörung, Beleidigung und Bedrohung sowie tätlicher Auseinandersetzung mit Gefangenen vollzogen werden. Auch während der anschließenden Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Neuburg-Herrenwörth ist der Kläger disziplinarisch unter anderem wegen Beleidigung eines Mitgefangenen und Provozierens einer körperlichen Auseinandersetzung geahndet worden. Dementsprechend hat der Anstaltsleiter in seiner Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht vom 13. April 2016 den Haftverlauf beim Kläger als „ambivalent“ bezeichnet und abschließend festgestellt, die Sozialprognose sei nur dann als günstig zu erachten, wenn er die Drogentherapie erfolgreich durchlaufe, seine Ausbildung abschließe und sich konsequent von der Gruppe gleichaltriger, delinquenter Heranwachsender fernhalte. Keine dieser Voraussetzungen hat er jedoch bisher nachweislich erfüllt. Seine Abkehr vom bisherigen delinquenten und im Wesentlichen drogensüchtigen Freundeskreis hat der Kläger, der nach seiner Haftentlassung wieder in dasselbe Umfeld seiner Heimatstadt zurückgekehrt ist, zwar in der mündlichen Verhandlung nochmals beteuert. Gleichwohl ist der Senat auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Kläger nicht von einem grundlegenden Einstellungswandel überzeugt. Auch ist nicht ersichtlich, dass seine Eltern im Gegensatz zu früher nunmehr auf ihn den offensichtlich erforderlichen Einfluss und die nötige stabilisierende Wirkung haben. So soll der betrunkene Kläger nach der Sachverhaltsschilderung der telefonisch gerufenen Beamten der zuständigen Polizeiinspektion am 10. Oktober 2014 mit einem Messer auf seine Familie losgegangen sein, wobei eine weitere Klärung dieses Geschehens durch die Polizeibeamten in der Familie dann aber letztlich nicht möglich war.

Dieser Gefahrenprognose steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht Neuburg a.d. Donau (Strafvollstreckungsgericht) mit Beschluss vom 21. Juli 2016 den Rest der Einheitsjugendstrafe beim Kläger von zwei Jahren acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts L. vom 19. Januar 2016 nach § 88 JGG zur Bewährung ausgesetzt hat, weil er einen Teil der Strafe verbüßt habe und dies im Hinblick auf seine Entwicklung, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden könne. Zwar kommt Strafaussetzungsentscheidungen für die behördliche und verwaltungsgerichtliche Sachverhaltswürdigung und die Beurteilung der Wiederholungsgefahr grundsätzlich eine erhebliche indizielle Bedeutung zu (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.1.2017 - 10 ZB 16.1778 - juris Rn. 7 m. Rspr-nachweisen). Im Fall des Klägers bestehen aber gewichtige Gründe, die ein Abweichen von dieser rechtlich ohnehin nicht bindenden Einschätzung rechtfertigen. Objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte oder Gründe für die strafrichterliche Prognose beim Kläger sind aus dem Aussetzungsbeschluss vom 21. Juli 2016 nicht ersichtlich. Der Beklagte hat demgegenüber zutreffend auf den beim Kläger im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen und Verurteilungen festgestellten hohen Alkohol- und Drogenkonsum hingewiesen, der aufgrund der enthemmenden Wirkung bei dessen Straftaten auch nach Angaben des Klägers eine wesentliche Rolle gespielt hat. Im Aussetzungsbeschluss vom 21. Juli 2016 werden ihm für die Bewährungszeit von drei Jahren u.a. die Teilnahme an Beratungsgesprächen (für Suchtprobleme) und nach Weisung des Bewährungshelfers durchzuführende Drogenscreenings als Weisungen auferlegt. Der Kläger bezieht sich zwar insoweit auf vier von ihm bisher absolvierte Drogenberatungsgespräche sowie zwei bei ihm auf Veranlassung des Gesundheitsamts durchgeführte Drogentests (am 14.11. und 19.12.2016), die keine einschlägigen Befunde ergeben haben. Demgegenüber macht der Beklagte jedoch zu Recht geltend, dass durch die Beratungsgespräche die Drogenproblematik (nicht Drogensucht) beim Kläger noch nicht hinreichend behandelt worden ist und die Umstände bei dem am 14. November 2016 durchgeführten Drogentest (mutmaßliche Vereitelung der Haarprobe sowie Auffälligkeiten beim Urintest) jedenfalls die diesbezüglichen Befunde ernstlich infrage stellen. Auch wenn das Strafvollstreckungsgericht unter Resozialisierungsgesichtspunkten eine vorzeitige Entlassung aus der Haft unter näher bestimmten Weisungen (d.h. Auflagen) als verantwortbar angesehen hat, ist ausländerrechtlich bei der hier maßgeblichen längerfristigen Prognose, ob dem Kläger - auch über die Bewährungszeit hinaus - ein (straffreies) Leben ohne erneute Gewalt- bzw. Körperverletzungsdelikte und gravierende Eigentumsdelikte gelingen wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19), derzeit eine positive Prognose nach alledem nicht möglich.

Dass der Kläger inzwischen entsprechend einer weiteren Weisung im Aussetzungsbeschluss des Strafvollstreckungsgerichts bei der Firma W. Produktionsservice GmbH einer geregelten Arbeit als Industriehelfer nachgeht und ausweislich der Bestätigung dieser Firma dort ab Herbst dieses Jahres eine Lehre als Industriemechaniker beginnen könnte, ist zwar unstreitig ein positiver Bewährungsansatz, als solcher aber ebenfalls noch nicht ausreichend, um einen glaubhaften Einstellungswandel und ein Umdenken bzw. eine Nachreifung des Klägers annehmen zu können.

1.2.2.2. Die Ausweisung ist auch im Sinne des § 53 Abs. 3 AufenthG für die Wahrung des hier betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich.

Im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit ist zu beachten, dass die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, wobei sämtliche konkreten Umstände, die für die Situation des Betroffenen kennzeichnend sind, zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, U.v. 3.2.2015 - 10 BV 13.421 - juris Rn. 77 m.w. Rspr-nachweisen). Danach ist die Ausweisung des Klägers auch nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs unerlässlich, weil die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 2 Abs. 1 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt, dass das Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Ausreise nachrangig ist. Das Verwaltungsgericht ist unter Berücksichtigung der hier verwirklichten typisierten Ausweisungs- und Bleibeinteressen (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG einerseits und § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in entsprechender Anwendung andererseits) bei der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmenden Interessenabwägung (s. § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG) zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitbefangene Ausweisung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch wahrt. Dabei hat das Erstgericht zutreffend zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass er so genannter „faktischer Inländer“ ist, sein gesamtes Leben hier verbracht und seine wesentliche Prägung und Entwicklung in der Bundesrepublik erfahren hat. Auch die enge Bindung des inzwischen volljährigen Klägers zu seinen Eltern, bei denen er nach wie vor lebt, und sein Recht auf Privatleben nach Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK hat das Verwaltungsgericht bei der Abwägung als erhebliche und gewichtige Interessen für einen weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet gewürdigt. Das gleichwohl überwiegende Ausweisungsinteresse hat das Verwaltungsgericht, auf dessen ausführliche und überzeugende Begründung Bezug genommen wird, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vor allem in der sich über einen langen Zeitraum erstreckenden intensiven Delinquenz des Klägers (auch) jenseits bloßer Bagatelldelikte und mit steigender Rückfallgeschwindigkeit sowie in der ungelösten bzw. unbehandelten Drogenproblematik gesehen. Die im bisherigen Verhalten des Klägers zum Ausdruck kommende dauerhafte Missachtung der Rechtsordnung in Verbindung mit der offensichtlich enthemmenden Wirkung des Konsums von Marihuana und Alkohol gerade auch innerhalb seines (ebenfalls delinquenten) Freundeskreises hat das Verwaltungsgericht zu Recht zu der Annahme geführt, dass vom Kläger auch nach Haftende eine besonders hohe Gefahr für gewichtige Rechtsgüter Dritter wie insbesondere die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) ausgeht. Der Verweis des Klägers, der (noch) während des Strafvollzugs aufgrund seiner gezeigten Aggressivität mehrfach disziplinarisch geahndet werden musste und trotz Teilnahme an Drogenberatungsgesprächen in der Haft wieder Marihuana konsumiert hat, er sei nun auf „einem guten Weg“ und die Drogenproblematik bestehe inzwischen nachweislich nicht mehr, überzeugt den Senat aus den bereits oben (zur Gefahrenprognose) dargelegten Gründen nicht. Die weisungsgemäße Arbeitsaufnahme und zwei durchgeführte Drogentests sind bei dem noch am Anfang seiner Bewährungszeit stehenden Kläger kein hinreichender oder überzeugender Beleg für einen grundlegenden Einstellungswandel und eine nachhaltige Abkehr von seiner langjährigen Straffälligkeit. Auch die Angaben des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vaters des Klägers, sein Sohn habe sein Verhalten insofern stark verändert, als er sich außerhalb der Arbeit überwiegend zu Hause oder bei seiner Freundin aufhalte und nicht mehr so häufig wie früher weggehe, wertet der Senat nicht in dem zuletzt genannten Sinne. Schließlich hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass von einer gelungenen sozialen Integration des Klägers im Bundesgebiet bisher nicht gesprochen werden kann. Bei ausreichenden türkischen Sprachkenntnissen und bestehenden familiären und sozialen Bindungen des Klägers in die Türkei ist davon auszugehen, dass er als gesunder arbeitsfähiger junger Mann gegebenenfalls auch mit wirtschaftlicher Unterstützung seiner Familie dort zurechtkommen kann, so dass die Aufenthaltsbeendigung auch insofern nicht unzumutbar ist. Deshalb ist die Ausweisung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, weil verhältnismäßig.

2. Ist nach alledem die assoziationsrechtliche Rechtsposition des Klägers nach Art. 7 ARB 1/80 durch die im Einklang mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 und § 53 Abs. 3 AufenthG stehende Ausweisungsverfügung des Beklagten erloschen, besteht auch der mit der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO) geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG und Ausstellung einer Bescheinigung über sein assoziationsrechtliche Daueraufenthaltsrecht nicht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

3. Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist gemäß § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG als die zuletzt durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nachträglich verfügte Frist von drei Jahren. Mit Blick auf die voraussichtlich bestehende Gefahr, dass der Kläger weitere Körperverletzungs- und gravierende Eigentumsdelikte begehen wird, und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1 GG) und Vorgaben aus Art. 8 EMRK ist die festgesetzte Sperrfrist von drei Jahren jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft, weil sie einen adäquaten Ausgleich zwischen dem Präventionszweck und den für den Kläger streitenden Bleibeinteressen vornimmt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2015 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und die Wirkungen der Ausweisung auf sieben (unter der Bedingung der Straffreiheit) bzw. auf neun Jahre ab Ausreise festgesetzt wurden; ferner wurde seine Abschiebung angeordnet bzw. angedroht.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet; der als Grund für eine Zulassung allein geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor.

Anlass der Ausweisung waren mehrere Verurteilungen wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften, der Verbreitung kinderpornographischer Schriften und des sexuellen Missbrauchs von Kindern, weshalb der Kläger derzeit eine nachträglich gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verbüßt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Urteil vom 20. September 2016 abgewiesen, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vom Kläger nach dem Maßstab des § 53 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG die Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig bestehe und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich sei.

Der Kläger rügt als Verfahrensmangel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO einen Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen den Amtsermittlungsgrundsatz. Dieses habe versäumt aufzuklären, „ob vom Kläger derzeit noch eine besonders schwere Gefahr für die Sicherheit und Ordnung ausgeht, vom Kläger nach erfolgreichem Abschluss der Therapie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, nach Abschluss der Therapie ein Rückfallrisiko vorliegt, der Kläger therapiewillig und therapiefähig ist und mit welcher voraussichtlichen Behandlungsdauer gerechnet werden muss und ob die Behandlung nach Ablauf der verbleibenden Haftzeit engmaschig extern weitergeführt werden könnte“. Den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesen Fragen habe das Verwaltungsgericht in der Sitzung am 20. September 2016 abgelehnt, da das Gericht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgestellt und zu diesem Zeitpunkt eine Wiederholungsgefahr bejaht habe, weil eine abgeschlossene Therapie noch gar nicht vorliege. Die Äußerung der Justizvollzugsanstalt vom 13. September 2016 sei kein aussagekräftiges fachärztliches Attest. Weil der Kläger unter die privilegierte Personengruppe des § 53 Abs. 3 AufenthG falle, hätte im Rahmen der Abwägung des besonders schweren Bleibeinteresses des Klägers gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG mit dem Ausweisungsinteresse auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger mittlerweile in der Haft eine Sexualtherapie begonnen habe, fachärztlich abgeklärt werden müssen, ob tatsächlich eine Rückfallgefahr vorliegt. Denn wäre fachärztlich festgestellt worden, dass der Kläger nunmehr fertig therapiert sei, dann wäre wohl die Abwägung für ihn positiv ausgefallen.

Damit ist aber kein Verfahrensfehler dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat weder seine Aufklärungspflicht verletzt noch sonst den Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt.

Die Frage, „ob vom Kläger derzeit noch eine besonders schwere Gefahr für die Sicherheit und Ordnung ausgeht“, ist eine Rechtsfrage, die vom Verwaltungsgericht selbst zu beantworten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben nämlich Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18).

Bei der Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die Gerichten allgemein zugänglich sind. Gerade die Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann daher grundsätzlich von den Gerichten ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden (stRspr des Senats: BayVGH, B.v. 18.3.2015 – 1 C 14.2655 – juris Rn. 22 m.w.N.; B.v. 13.10.2017 – 10 ZB 17.1469 – juris Rn. 11). Nur ausnahmsweise bedarf es der Zuziehung eines Sachverständigen, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände – etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen – nicht ohne spezielle fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 5). Im Übrigen kann auch ein Sachverständigengutachten die Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern nur Hilfestellung bieten (BVerwG, U.v. 13.3.2009 – 1 B 20.08 – juris Rn. 5).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger aufgrund seiner Verurteilungen den Tatbestand eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt; es war deshalb zu prüfen, ob die vom Kläger ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt fortbestand (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 26). Das Verwaltungsgericht hat seine (negative) Prognose wesentlich darauf gestützt, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung „noch nicht einmal ansatzweise eine abgeschlossene Therapie“ vorliege, „die jedoch Voraussetzung für das Entfallen einer Wiederholungsgefahr wäre“ (UA S. 12). Es stützt sich dabei unter anderem auf den Bericht der Justizvollzugsanstalt vom 13. September 2016 – also nur wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung –, in dem es heißt: „Er hat in der Deliktgruppe bereits seine Biographie vorgestellt und hat begonnen, seine verschiedenen Delikte in der Einzeltherapie aufzuarbeiten. Wesentliche Bestandteile der Deliktarbeit stehen jedoch noch aus, weswegen es dem Gefangenen auch noch nicht möglich ist, seine grundsätzlichen deliktischen Motive zu erkennen, Risikofaktoren herauszuarbeiten und alternative Verhaltensänderungen vorzunehmen. Auch die Erstellung eines Rückfallvermeidungsplanes steht noch aus.“ In Anbetracht dieser Tatsachengrundlage gab es für das Verwaltungsgericht keinerlei Anlass, durch ein (fachärztliches) Sachverständigengutachten weiter klären zu lassen, ob der Kläger gleichwohl „nunmehr fertig therapiert“ sei, so dass von ihm keine relevante Gefahr der Begehung weiterer Straftaten mehr ausgeht.

Den Fragen, ob „vom Kläger nach erfolgreichem Abschluss der Therapie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, nach Abschluss der Therapie ein Rückfallrisiko vorliegt, der Kläger therapiewillig und therapiefähig ist und mit welcher voraussichtlichen Behandlungsdauer gerechnet werden muss und ob die Behandlung nach Ablauf der verbleibenden Haftzeit engmaschig extern weitergeführt werden könnte“, brauchte das Verwaltungsgericht ebenfalls nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen.

Bei der hier zu treffenden Gefahrenprognose hatte das Verwaltungsgericht von den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Umständen auszugehen; wie sich die Gefahrenprognose in einer ungewissen Zukunft darstellen könnte, ist insoweit unerheblich (BayVGH, B.v. 27.10.2017 – 10 ZB 17.993 – juris Rn. 16). Ob sich in der Zukunft die tatsächlichen Umstände ändern werden, insbesondere ob die begonnene Therapie in vollem Umfang erfolgreich sein wird, kann im Vorhinein auch durch ein Sachverständigengutachten nicht zuverlässig geklärt werden.

Dass der Kläger (nunmehr) therapiewillig und –fähig ist, hat das Verwaltungsgericht im Übrigen zu seinen Gunsten unterstellt und sowohl bei der Gefahrenprognose (UA S. 12) wie auch bei der Abwägung im Rahmen seines Bleibeinteresses (UA S. 14) gewürdigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 17. August 2017 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen wurde, die Abschiebung in die Türkei angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht und die Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung auf fünf Jahre befristet wurden.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.). Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (II.1.) noch die weiter benannten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bzw. der Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4 VwGO (II.2.).

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung erweist sich als zulässig. Die Antragsbegründung vom 2. August 2018 erfüllt (noch) die formellen Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4 und 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Zwar hat der Kläger im letzten Absatz seiner Begründungsschrift die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 VwGO nur benannt, ohne deutlich zu machen, auf welchen Zulassungsgrund sich seine vorherigen Ausführungen jeweils beziehen. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 24.8.2010 - 1 BvR 2309/09 - juris Rn. 12 m.w.N.) für eine den Anforderungen von § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe nicht notwendig, dass der Kläger ausdrücklich eine der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Ziffern oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es unschädlich, wenn der Kläger sein Vorbringen dem falschen Berufungszulassungsgrund zuordnet oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Es reicht vielmehr aus, wenn das Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags zumindest der Sache nach eindeutig einem oder mehreren Zulassungsgründen zuzuordnen ist. Die abschließende Aufzählung von Zulassungsgründen in § 124 Abs. 2 VwGO legt es nahe, dies als Mindestvoraussetzung für eine den Anforderungen von § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechende Darlegung zu verlangen.

Diese Mindestvoraussetzungen werden durch die Zulassungsbegründung in Bezug auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (noch) erfüllt. Denn in angemessener Würdigung des klägerischen Vortrags kann dieser dahingehend ausgelegt werden, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend gemacht werden. Dies legen zumindest die vom Kläger gewählten Formulierungen wie bspw., dass gewisse Umstände „nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt“ worden seien, das Urteil „keine tragfähige Begründung für …“ enthalte oder Feststellungen ohne „breitere Tatsachengrundlage“ nicht hätten „bejaht“ werden können, nahe. Indes sind die weiter benannten Zulassungsgründe der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung der Sache und der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht einmal ansatzweise dargelegt worden (s.u. II.2.).

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist aber unbegründet.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist hier in Bezug auf die gegenüber dem Kläger erfolgte Ausweisung nicht der Fall.

a) Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig erachtet, weil sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich sei. Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass vom Kläger eine erhebliche Wiederholungsgefahr ausgehe, da er seit dem Jahr 2004 wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, die Anlasstat unter Alkoholeinfluss begangen habe und die Suchtproblematik nicht bewältigt sei. Mehrere Therapieversuche des Klägers, zuletzt von Juli 2012 bis Januar 2016, seien gescheitert. Er sei zum Tatzeitpunkt unter offener Bewährung gestanden. Ohne abgeschlossene Drogentherapie sei in einer schwierigen Lebenssituation eine Rückfälligkeit wahrscheinlich. Hieran ändere auch der erste positive Bericht des Bewährungshelfers von Ende November 2017 nichts, da der Kläger damals erst drei Monate vorher aus der Haft entlassen worden sei. Die vorgetragene Partnerschaft mit einer Deutschen und das nachgewiesene Arbeits- und Mietverhältnis könnten nur bedingt als gesicherte, stabile Lebensgrundlage angesehen werden.

Bei der Abwägungsentscheidung sei zugunsten des Klägers einzustellen, dass er nach seiner Vita als faktischer Inländer anzusehen sei und seine Familie in Deutschland lebe. Auch sei er Vater einer deutschen Tochter. Zu seinen Ungunsten wirke sich die Anzahl und Schwere der begangenen Straftaten sowie die erhebliche Wiederholungsgefahr aus. Eine nennenswerte wirtschaftliche Integration sei ihm bislang nicht gelungen. Zwar habe er einen mit seiner Lebensgefährtin abgeschlossenen Arbeitsvertrag von Ende Februar 2017 vorgelegt, jedoch zuletzt im Zeitraum von Januar bis Juli 2018 Arbeitslosengeld II bezogen. Den Bindungen zur Herkunftsfamilie und zu seinen beiden Kindern sei nur geringeres Gewicht beizumessen. Zum einen sei er als Volljähriger nicht in besonderem Maße auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen. Zum anderen bestehe zu seinem 2006 geborenen Sohn kein und zu seiner 2012 geborenen Tochter nur gelegentlicher, überwiegend telefonischer Kontakt. Die Ausweisung beeinträchtige mangels persönlicher Verbundenheit nicht das Kindeswohl. Die Beziehung zur jetzigen Lebenspartnerin stehe nicht unter dem Schutz des Art. 6 GG und sei in Kenntnis der Straftat und der drohenden Aufenthaltsbeendigung eingegangen worden. Der Kläger habe in der Türkei einige Halbgeschwister. Den Kontakt zu seinen im Bundesgebiet lebenden Verwandten könne er auch von der Heimat aus aufrechterhalten.

b) Demgegenüber macht der Kläger im Berufungszulassungsverfahren geltend, dass ihn die Ausweisungsentscheidung in seinen Grundrechten verletze. Er sei faktischer Inländer und die letzte Vorstrafe datiere von 2012. Seit der Haftentlassung versuche er ernsthaft, sich ein neues Leben aufzubauen und sei, auch im Zusammenhang mit der Suchtproblematik, nicht mehr straffällig geworden. Eine relevante Wiederholungsgefahr hätte demnach ohne weitere konkrete Feststellung, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, nicht angenommen werden dürfen. Die Ausführungen zur Zukunftsprognose seien abstrakt gehalten und fußten nicht auf konkreten Belegen. Nicht ausreichend sei der Kontakt des Klägers zu seinen Kindern berücksichtig worden. Auch erlaube und fördere die Mutter des Opfers der Anlasstat nach Überwindung der Beziehungsproblematik mittlerweile den Kontakt ihrer Tochter mit dem Kläger. Schließlich enthalte das angegriffene Urteil keine tragfähige Begründung hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit der Übersiedelung des Klägers in seine Heimat. Er spreche die türkische Sprache nicht in ausreichendem Maße.

c) Mit diesem Vorbringen hat der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei rechtmäßig, im Ergebnis nicht ernsthaft im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Zweifel gezogen.

Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist - sofern es wie vorliegend nach dem materiellen Recht auf den Entscheidungszeitpunkt ankommt - daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/ Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 124a Rn. 256 f.; vgl. auch BVerwG, B.v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2017 - 10 ZB 15.2062 - juris Rn. 14; B.v. 22.11.2016 - 10 CS 16.2215 - juris Rn. 6).

Gemessen hieran greifen die Einwendungen gegen die vom Verwaltungsgericht getroffene Gefahrenprognose nicht durch. Dieses hat rechtsfehlerfrei eine erhebliche Wiederholungsgefahr insbesondere wegen der Schwere der Anlasstat, im Hinblick auf den hohen Rang der bedrohten Rechtsgüter, der Häufigkeit der Straffälligkeit und der weiterhin nicht überwundenen Suchtproblematik bejaht. Gerade bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (siehe z.B. BayVGH, B.v. 7.2.2018 - 10 ZB 17.1386 - juris Rn. 10; B.v. 7.11.2016 - 10 ZB 16.1437 - juris Rn. 7; U.v. 3.2.2015 - 10 B 14.1613 - juris Rn. 32 mw.N.). Denn solange sich der Ausländer nicht außerhalb des Straf- bzw. Maßregelvollzugs bewährt hat, kann nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung geschlossen werden, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2018 a.a.O.; B.v. 13.10.2017 - 10ZB 17.1469 - juris Rn. 12; B.v. 6.5.2015 - 10 ZB 15.231 - juris Rn. 11).

Im vorliegenden Fall ist der Kläger Ende August 2017 aus der Haft entlassen worden und bislang nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten. Allerdings ist schon im Hinblick auf die bislang nicht aufgearbeitete Suchtproblematik des Klägers die seit der Haftentlassung verstrichene Zeit allein noch nicht geeignet, eine künftige straffreie Lebensführung anzunehmen. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen des Landgerichts Ingolstadt im Urteil vom 26. Juli 2012 der Kläger seit seinem 17. Lebensjahr regelmäßig Alkohol und ab etwa dem 18. Lebensjahr Betäubungsmittel konsumiert habe. Drei in den Jahren 2008, 2010 und 2011 unternommene Entgiftungskuren seien erfolglos geblieben. Zuletzt befand er sich vom 26. Juli 2012 bis zum 29. Januar 2016 in einer Entziehungsanstalt. Die gegenüber dem Kläger gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe mit Beschluss des Landgerichts München I vom 21. Januar 2016 wurde bereits am 25. Mai 2016 widerrufen, weil er sich weder an die ihm erteilte Abstinenz- noch an die auferlegte Therapieanweisung gehalten habe und es schon ab Anfang März 2016 zu Rückfällen gekommen sei. Die Justizvollzugsanstalt Bernau gelangte in ihren Stellungnahme vom 29. August 2016, 15. März 2017 und 7. April 2017 zu dem Ergebnis, dass in der Gesamtschau aufgrund der ungelösten Betäubungsmittel- und Alkoholproblematik, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, des Bewährungsversagens und der umfänglichen Weisungsverstöße während der zur Bewährung ausgesetzten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keine positive Legalprognose gestellt werden könne. Angesichts dieser Umstände ist auch unter Berücksichtigung dessen, dass seit der Haftentlassung vor rund eineinhalb Jahren keine neuerlichen Straftaten mehr bekannt geworden sind, die Annahme des Entfallens einer Wiederholungsgefahr nicht gerechtfertigt.

Nicht gefolgt werden kann auch dem Einwand des Klägers, wonach die Prognoseentscheidung vom Erstgericht nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte getroffen werde können. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Senats ist geklärt, dass bei der gerichtlichen Überprüfung der Ausweisung eines strafgerichtlich verurteilten Ausländers hinsichtlich der gebotenen Gefahrenprognose nicht allein auf das Strafurteil und die diesem zugrunde liegende Straftat, sondern auf die Gesamtpersönlichkeit abzustellen ist und dabei auch nachträgliche Entwicklungen einzubeziehen sind. Bei dieser Prognoseentscheidung bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 12, 18 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.3.2016 - 10 ZB 15.2109 - juris Rn. 18 m.w.N.). Von einem derartigen Sonderfall ist vorliegend nicht auszugehen, zumal sich das Verwaltungsgericht insbesondere hinsichtlich der Bewertung der nachträglichen Entwicklung auf mehrere Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt Bernau und den Beschluss über den Widerruf der Aussetzung der Restfreiheitsstrafe das Landgerichts München I stützen konnte.

Des Weiteren kann auch die angebliche „Ausräumung“ der der Anlasstat zugrunde liegenden Beziehungsproblematik zu keiner anderen rechtlichen Wertung führen, da die negative Legalprognose auf anderen, weiteren Umständen wie insbesondere der Schwere der Anlasstat, dem hohen Rang der bedrohten Rechtsgüter, der ungelösten Betäubungsmittel- und Alkoholproblematik, der hohen Rückfallgeschwindigkeit und dem Bewährungsversagen beruht.

Fehl geht schließlich auch der Einwand des Klägers, dass die Erwägungen des Erstgerichts zur Prognoseentscheidung nur abstrakt gehalten und nicht konkret belegt seien. Vielmehr hat das Gericht umfassend und ausführlich die für die Annahme der Wiederholungsgefahr maßgeblichen Umstände dargelegt (s. UA S. 20-25) und dabei konkret auf den Kläger bezogen insbesondere die unbewältigte Suchtproblematik, erfolglose Therapieversuche, Rückfallgeschwindigkeit sowie das Bewährungsversagen gewürdigt.

Soweit der Kläger die Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts angreift, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat sämtliche entscheidungsrelevante Gesichtspunkte berücksichtigt, die auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Der Beklagte weist in seiner Stellungnahme vom 26. September 2018 zu Recht darauf hin, dass der Kontakt des Klägers zu seinen Kindern und die „Ausräumung der Beziehungsproblematik“ in der angegriffenen Entscheidung hinreichend gewürdigt wurden. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass zum Sohn kein Kontakt besteht und der telefonische Kontakt zur Tochter auch von der Heimat aus aufrechterhalten werden kann (UA S. 30). Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren erstmals vorträgt, der türkischen Sprache nicht in ausreichendem Maße mächtig zu sein, wurde diese pauschale Behauptung nicht weiter belegt. Nach Lage der Akten (s bspw. Psychiatrisches Gutachten von Dr. med. Wittmann vom 2.7.2012, Strafakte Bl. 97) ist der Kläger von Anfang an zweisprachig aufgewachsen, nur sei ihm die deutsche Sprache weitaus geläufiger als die türkische. Angesichts der unbestrittenen verwandtschaftlichen Kontakte in seine Heimat (s. Strafakte Bl. 96) und der Möglichkeit, die vorhandenen Sprachkenntnisse in zumutbarer Weise auszubauen, ergeben sich für den Senat keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Erstgericht, wonach die Ausweisungsentscheidung auch im Hinblick auf die (sprachliche) Integrationsfähigkeit des Klägers in seiner Heimat verhältnismäßig ist.

2. Die weiter benannten Zulassungsgründe der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) sind schon nicht hinreichend im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.

a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2018 - 21 ZB 16.1678 - juris Rn. 29; B.v. 24.1.2019 - 10 ZB 17.1343 - Rn. 11; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).

Dem entspricht das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger formuliert schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, die grundsätzliche Bedeutung im vorgenannten Sinn haben soll und fallübergreifend beantwortet werden könnte.

b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) wurde ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Neben der genauen Benennung des Gerichts und der zweifelsfreien Angabe seiner Divergenzentscheidung hätte der Kläger aufzeigen müssen, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze hätte er so einander gegenüber stellen müssen, dass die Abweichung erkennbar wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2016 - 10 ZB 16.804 - juris Rn. 4; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73). Auch in dieser Hinsicht ist in der Begründung des Zulassungsantrags nichts dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 11. August 2017 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen wurde, die Abschiebung nach Afghanistan angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht und die Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung befristet wurden.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch ein Verfahrensmangel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (2.).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist hier in Bezug auf die gegenüber dem Kläger erfolgte Ausweisung nicht der Fall.

a) Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig erachtet, weil sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und das öffentliche Interesse an der Ausweisung das Interesse des Klägers am Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland überwiege. Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass vom Kläger eine erhebliche Wiederholungsgefahr ausgehe, da er keine bzw. nur eingeschränkt Einsicht in seine Taten zeige, deren Aufarbeitung bislang unterblieben sei. Unabhängig davon sei der Kläger bereits kurz nach seiner Einreise und im Folgenden wiederholt polizeilich wegen Übergriffe auf die körperliche Unversehrtheit seiner damaligen Ehefrau und Dritter in Erscheinung getreten, auch wenn es diesbezüglich zu keiner Verurteilung gekommen sei. Die bislang erfolgten Therapiebestrebungen des Klägers änderten nichts an der Einschätzung der Wiederholungsgefahr. Es sei auch nicht zu erwarten, dass der Kläger in ein stabiles soziales Umfeld zurückkehre, sondern von seinem sozialen Empfangsraum in seiner frauenfeindlichen Haltung eher noch bestärkt werde. So sei ein Schwager, der Bruder der geschiedenen Ehefrau, Mittäter einer Straftat des Klägers gewesen. Seine Schwiegereltern hätten den Kontakt zu ihrer Tochter abgebrochen, würden aber den Kläger willkommen heißen. Das Ausweisungsinteresse wiege schwer. Das in den Taten zu Tage getretene Aggressionspotential sei enorm. Das diesen zugrundeliegende Frauenbild könne nicht akzeptiert werden und rechtfertige die Ausweisung selbst dann, wenn zugunsten des Klägers angenommen werde, dass seine Kinder zu ihrem Wohl auf die Aufrechterhaltung der Beziehung zum Kläger angewiesen wären, wobei hiervon aufgrund der Angaben des Klägers und der Stellungnahmen der eingebundenen Fachbehörden ohnehin nicht auszugehen sei. Auch die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen führten zu keinem anderen Abwägungsergebnis; von einer erfolgreichen wirtschaftlichen Integration könne beim Kläger nicht gesprochen werden. Die Befristungsentscheidung erweise sich als ermessensfehlerfrei.

b) Demgegenüber macht der Kläger im Berufungszulassungsverfahren geltend, dass die vom Verwaltungsgericht getroffene Prognoseentscheidung rechtsfehlerhaft sei. Außer der Verurteilung durch das Landgericht München I vom 16. März 2017 lägen keine weiteren, vorangegangenen Verurteilungen vor. Mittlerweile habe die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg mit Beschluss vom 18. Juli 2018 den Kläger auf Bewährung aus der Haft entlassen. Die Bewährungszeit sei auf drei Jahre festgesetzt worden. Dem Beschluss liege ein forensisch-psychiatrisches Gutachten vom 30. Juni 2018 zugrunde, das zur Einschätzung gelangt sei, dass beim Kläger eine relativ geringe Gefahr des Fortbestehens der durch die Tat zu Tage getretenen Gefährlichkeit vorliege. Ferner habe der Kläger mittlerweile erfolgreich eine Gewalt-Präventions-Therapie abgeschlossen. Im Übrigen bestünden Zweifel an der Integrität der geschiedenen Ehefrau des Klägers, was zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen sie geführt habe. Rechtsfehlerhaft habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Beziehung des Klägers zu seinen Kindern letztlich unbeachtlich sei. Ergänzend wies der Kläger darauf hin, dass er sich um Kontakt zu seinen Kindern bemühe, an einem Job-Coaching teilgenommen habe und aus Sicht des Bewährungshelfers kein Bedarf für eine weiterführende Interventionsmaßnahme bestehe, da er die Rückfallwahrscheinlichkeit als eher gering einschätze. Der Kläger zeige eine hohe Motivation zur künftig straffreien Lebensführung. Er habe sich zu einem Elternseminar angemeldet. Ferner legte er seine (aktuellen) wirtschaftlichen Verhältnisse dar.

c) Mit diesem Vorbringen hat der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei rechtmäßig, im Ergebnis nicht ernsthaft im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Zweifel gezogen.

Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist - sofern es wie vorliegend nach dem materiellen Recht auf den Entscheidungszeitpunkt ankommt - daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 124a Rn. 256 f.; vgl. auch BVerwG, B.v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744).

Entgegen den Ausführungen in der Zulassungsbegründung und auch unter Berücksichtigung der seit dem erstinstanzlichen Urteil eingetretenen Entwicklungen ist unter Anwendung des § 53 Abs. 1 AufenthG weiterhin davon auszugehen, dass sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung und sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Der Kläger hat diese Annahme in seiner Zulassungsbegründung nicht durchgreifend in Frage gestellt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2017 - 10 ZB 15.2062 - juris Rn. 14; B.v. 22.11.2016 - 10 CS 16.2215 - juris Rn. 6).

Einer Strafaussetzungsentscheidung der Strafvollstreckungskammer - und gegebenenfalls den dieser zugrunde liegenden Gutachten und sonstigen Stellungnahmen, etwa der Justizvollzugsanstalt oder der Therapieeinrichtung - kommt zwar eine erhebliche indizielle Bedeutung zu. Die Ausländerbehörde und die Verwaltungsgerichte sind für die Frage der Beurteilung der Wiederholungsgefahr daran aber nicht gebunden; dabei bedarf es jedoch einer substantiierten Begründung, wenn von der strafgerichtlichen Entscheidung abgewichen wird (BVerfG, B.v. 19.10.2016 - 2 BvR 1943/16 - juris Rn. 21). Hier ist zu berücksichtigen, dass vorzeitige Haftentlassung und Ausweisung unterschiedliche Zwecke verfolgen und deshalb unterschiedlichen Regeln unterliegen: Bei Aussetzungsentscheidungen nach § 57 StGB geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines in Haft befindlichen Straftäters weiter im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit ggf. unter Auflagen „offen“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Bei dieser Entscheidung stehen naturgemäß vor allem Resozialisierungsgesichtspunkte im Vordergrund; zu ermitteln ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Demgegenüber geht es bei der Ausweisung um die Frage, ob das Risiko eines Misslingens der Resozialisierung von der deutschen Gesellschaft oder von der Gesellschaft im Heimatstaat des Ausländers getragen werden muss. Die der Ausweisung zu Grunde liegende Prognoseentscheidung bezieht sich folglich nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht hier um die Beurteilung, ob es dem Ausländer gelingen wird, über die Bewährungszeit hinaus ein straffreies Leben zu führen. Bei dieser längerfristigen Prognose kommt dem Verhalten des Ausländers während der Haft und nach einer vorzeitigen Haftentlassung zwar erhebliches tatsächliches Gewicht zu. Dies hat aber nicht zur Folge, dass mit einer strafrechtlichen Aussetzungsentscheidung ausländerrechtlich eine Wiederholungsgefahr zwangsläufig oder zumindest regelmäßig entfällt. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Täter im entscheidungserheblichen Zeitpunkt auf tatsächlich vorhandene Integrationsfaktoren verweisen kann; das Potenzial, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen, ist nur ein solcher Faktor, genügt aber für sich genommen nicht (BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 10 C 10.12 - juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 6.6.2017 - 10 ZB 17.588 - juris Rn. 5; B.v. 4.4.2017 - 10 ZB 15.2062 - juris Rn. 20 f.; B.v. 7.2.2018 - 10 ZB 17.1386 - juris Rn. 9).

Gemessen hieran spricht zwar zugunsten des Klägers neben der Teilnahme an einer Gewalt-Präventions-Therapie, dass auf der Grundlage des forensisch-psycholo-gischen Sachverständigengutachtens vom 30. Juni 2018 die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 18. Juli 2018 die weitere Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat; der Kläger wurde am 19. Juli 2018 aus der Haft entlassen. Auch bemühte er sich in der Folgezeit darum, die Voraussetzungen für eine Wiederherstellung des Kontakts zu seinen Kindern zu schaffen und nahm Angebote der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft wahr. Die Bewährungshilfe sieht aktuell keinen Bedarf einer weiterführenden Interventionsmaßnahme und bescheinigte dem Kläger in der aktuellsten Stellungnahme eine hohe Motivation zur künftig straffreien Lebensführung.

Gleichwohl kann auch unter Berücksichtigung der positiven Entwicklungen (noch) nicht der Schluss gezogen werden, dass damit die vom Kläger ausgehende Gefahr soweit entfallen ist, dass dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung bzw. sonstige erhebliche Interessen des Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gefährdet. Im Rahmen der längerfristig anzulegenden Prognose fällt zur Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 VwGO) die Beurteilung, ob es dem Kläger gelingen wird, über die Bewährungszeit hinaus ein straffreies Leben zu führen, derzeit negativ aus.

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Kläger erst vor wenigen Monaten aus der Haft entlassen wurde und damit noch ganz am Anfang der vom Strafvollstreckungsgericht festgesetzten Bewährungszeit von drei Jahren steht. Das Strafvollstreckungsgericht hält u.a. die Weisungen für erforderlich, wonach sich der Kläger unverzüglich nach der Entlassung an die Bewährungshilfe zur Weiter- und Durchführung eines Gewaltpräventionsprogramms wendet und sich monatlich bei der Bewährungshilfe meldet. Der Umgang mit seinen drei Kindern darf nur nach den Vorgaben der festgelegten Umgangsregelung erfolgen. Bereits hieraus ergibt sich, dass eine relevante Rückfallgefahr keineswegs zu verneinen ist, sondern es lediglich als verantwortbar erachtet wird, zu erproben, ob der Kläger sich künftig straffrei führen wird. Ferner sind auch dem forensisch-psychologischen Sachverständigengutachten weiterhin Tendenzen des Klägers zu entnehmen, wonach er nur bedingt Einsicht in seine Taten zeigt. Dies war für das Erstgericht mitunter maßgeblich für die Annahme einer erheblichen Wiederholungsgefahr (s. UA S. 22 ff.). So wird von ihm auch jetzt noch bestritten, dass er gegenüber der Ehefrau - gemeint ist wohl vor der Trennung im September 2014 - gewalttätig gewesen sei (S. 21 des Gutachtens). Die Angaben zum Schuldvorwurf (S. 22-27 des Gutachtens) sind teils ausweichend bzw. verharmlosend („weiß nicht, was danach gewesen ist“, „das könne durchaus sein […] erinnert er nicht“). Mehrere konkrete Tatumstände der jeweiligen Anlasstaten werden erst auf entsprechende Vorhalte eingeräumt. Im Rahmen des Persönlichkeitsquerschnitts gelangte der Gutachter folglich zur Einschätzung, dass der Kläger bemüht gewesen sei, „seine Erfahrungen und seine Auffassung darzustellen, wobei er das Tatgeschehen sicher etwas aus seiner subjektiven Sichtweise, wenn auch nicht ganz unplausibel dargestellt hat, zumindest mit authentisch bedauerndem, und auch nicht übertreiben wirkendem Tonfall ohne dramatisierende Komponente“. Was den eigentlichen Tatablauf angehe, schildere er ihn jetzt analog der Verurteilung, bestreite aber weiterhin, dass es im Vorfeld zu Aggressionshandlungen gekommen sei (S. 39 des Gutachtens). Dies widerspricht jedenfalls den tatsächlichen Feststellungen, wie sie der vorliegenden Aktenlage zu entnehmen ist (s. bspw. Urteil des Amtsgerichts München, Schöffengericht, v. 13.12.2016, S. 18, Bl. 544 der Behördenakte; Stellungnahme der ambulanten Jugendhilfe v. 23.2.2014, Bl. 503 f. der Behördenakte; Stellungnahme Kriminalfachdezernat 2 München v. 8.6.2015, Bl. 505 ff. der Behördenakten).

Auffällig ist zudem, dass der Kläger hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes seine Handlungen damit erklärte, dass es „sein Ziel“ gewesen sei, dass seine Ehefrau „quasi durch seine Augen sieht und ihre Schuld erkennt“ (S. 25 des Gutachtens). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Erstgericht die Wiederholungsgefahr wegen der unbearbeiteten Gewaltproblematik gerade auch an dem sozialen Empfangsraum, in den Kläger nach seiner Haftentlassung voraussichtlich zurückkehren wird und der ihn in seiner frauenfeindlichen Gesinnung eher noch bestärkt, festgemacht hat. Der Gutachter geht ebenfalls davon aus, dass „eine gewisse Handlungsweise unter Gruppendruck gerade (…) bei soziokulturell sozial-mental streng tradierten Normen mehr als denkbar“ ist (S. 58 des Gutachtens) und der Kläger genügend soziale Bindungen zur Großfamilie habe (S. 63 des Gutachtens). Dass der Kläger sein bei den Straftaten zu Tage getretenes und auf tradierte Denkweisen beruhendes Frauen- und Familienbild (nachhaltig) geändert hätte, lässt sich den Ausführungen des Gutachters nicht entnehmen. Auch wenn dieser in Bezug auf Einsicht und Motivation dem Kläger eine aussichtsvolle postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung bescheinigt und ihn „als ausreichend günstig jedenfalls für eine Entlassung“ einstuft, so nimmt er dennoch eine Rückfallwahrscheinlichkeit von acht bzw. zehn Prozent nach sieben bzw. zehn Jahren an. Die vom Gutachter zu erwartende „rasche“ berufliche Integration des Klägers (S. 64 des Gutachtens), auf die die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung mit abstellte, ist ebenfalls noch nicht eingetreten.

Inwiefern die in der Zulassungsbegründung geltend gemachten Zweifel an der Integrität der geschiedenen Ehefrau ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründen sollten, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Schließlich kann der Kläger auch mit dem Einwand, dass neben der bisherigen Straffreiheit, den Zweifeln an der Integrität der Kindsmutter und der fehlenden Wiederholungsgefahr wegen der nicht „umkehrbaren, schweren Beeinträchtigung der Beziehung des Klägers zu seinen Kindern“ ein überwiegendes Bleibeinteresse des Klägers aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK abzuleiten sei und das Verwaltungsgericht rechtfehlerhaft die vorgenannten Belange nicht abgewogen habe, nicht durchdringen. Entgegen dem Vorbringen hat das Gericht die Bindungen des Klägers eingehend gewürdigt und sogar zu seinen Gunsten ein inniges Verhältnis zu seinen Kindern vor der Inhaftierung unterstellt (s. UA S. 27, 29). Das Verwaltungsgericht hat allerdings nachvollziehbar dargelegt, weshalb es zu der Auffassung gelangte, dass die Kinder nicht zu ihrem Wohl auf die Aufrechterhaltung der persönlichen Verbundenheit zum Kläger angewiesen sind (s. UA S. 30 f.). Dem ist der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht bzw. nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Vielmehr besteht nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Beklagten derzeit kein Umgang mit den Kindern, auch wenn sich der Kläger um eine Wiederherstellung des Kontakts bemüht.

d) Unabhängig davon bestehen auch deswegen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, weil sich die Ausweisung jedenfalls aufgrund ihrer auch generalpräventiven Zielsetzung als rechtmäßig erweist. Zu den generalpräventiven Begründungselementen der Ausweisungsentscheidung verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht, obwohl die Beklagte zur Begründung des Ausweisungsinteresses neben spezialpräventiven auch generalpräventive Belange herangezogen hat (s. Bescheid S. 12). Das Verwaltungsgericht hat hierauf gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen und zudem generalpräventive Aspekte bei seiner Entscheidung (s. UA S. 27, 29) eingestellt. Mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. U.v. 12.7.2018 - 1 C 16.17 - juris Rn. 16 ff.) ist davon auszugehen, dass auch allein generalpräventive Gründe ein Ausweisungsinteresse begründen können. Nach den Ausführungen des Amtsgerichts - Schöffengericht - München im Urteil vom 13. Dezember 2016 waren die Gewalttaten des Klägers gegenüber seiner damaligen Ehefrau von seinen kulturell bedingten Vorstellungen, wie sich Frauen zu verhalten haben und wie auf deren „Verfehlungen“ zu reagieren sei (s. Bl. 543, 546 f. der Behördenakte), getragen. Die bei den Anlasstaten zu Tage getretenen Denkweisen weisen nicht derartig singuläre Züge auf, dass die an sie anknüpfende Ausweisung keine abschreckende Wirkung entfalten könnte. Angesichts der Schwere der Taten und auch aus integrationspolitischen Erwägungen besteht ein hohes öffentliches Interesse für eine ordnungsrechtliche Prävention. Schließlich ist das generalpräventive Ausweisungsinteresse gemessen an den vom Bundesverwaltungsgericht in der vorgenannten Entscheidung aufgestellten Maßstäben (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 - 1 C 16.17 - juris Rn. 23) zum maßgeblichen Zeitpunkt noch aktuell; die absolute Verjährungsfrist bei der vom Kläger u.a. begangenen gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 StGB beträgt zwanzig Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 3, § 78 Abs. 3 Satz 2 StGB). Demzufolge bestehen im Hinblick auf das (auch) generalpräventiv zu begründende Ausweisungsinteresse jedenfalls keine ernstlichen Zweifel am Ergebnis der Entscheidung.

2. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt ebenfalls nicht vor bzw. ist schon nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

a) Eine Aufklärungsrüge nach § 86 Abs. 1 VwGO, wie sie der Kläger u.a. erhoben hat, setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (BVerwG, B.v. 8.7.2009 - 4 BN 12.09 - juris Rn. 7).

Der Kläger trägt insoweit vor, dass präsente Zeugen Auskunft über die Beziehung des Klägers zu seinen Kindern vor seiner Inhaftierung hätten geben können. Das Verwaltungsgericht hat in Bezug auf das Verhältnis des Klägers zu seinen Kindern dessen Vortrag zu seinen Gunsten unterstellt (s. UA S. 29 f.) und damit seiner Erörterung und Bewertung zugrunde gelegt. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern der klägerische Sachvortrag unrichtig oder unvollständig gewesen sein sollte, so dass sich insoweit eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht aufgedrängt hätte. Die Aufklärungspflicht verlangt nicht, dass das Gericht - aus seiner Sicht unnötige - Ermittlungen anstellt, deren Ergebnis nach seinem materiellrechtlichen Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 5.8.2004 - 6 B 31.04 - juris Rn. 6; B.v. 13.9.2016 - 6 B 12.16 - juris Rn. 8 m.w.N.). Soweit der Kläger der Sache nach geltend macht, das Erstgericht hätte sich die rechtliche Auffassung des Klägers zu Eigen machen müssen, verkennt er, dass Rechtsfragen grundsätzlich einer Aufklärungsrüge nicht zugänglich sind, weil der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 86 VwGO nur für die Ermittlung und Bewertung von Tatsachen gilt (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 19. Aufl. 2019, § 86 Rn. 28).

b) Auch im Übrigen lässt die Würdigung des Tatsachenstoffes durch das Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht erkennen. Das Gericht darf nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist deshalb nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn es nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (vgl. BVerwG, B.v. 9.6.2015 - 6 B 59.14 - juris Rn. 53). Anhaltspunkte hierfür hat der Kläger mit der Zulassungsbegründung nicht aufgezeigt.

c) Schließlich sind auch darüber hinaus keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Verfahrensmangels etwa unter dem Aspekt der Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen der Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrages (§ 86 Abs. 2 VwGO) ersichtlich.

Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 10.8.2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 10; B.v. 8.3.2006 - 1 B 84.05 - juris Rn. 7), das heißt ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23.1.2018 - 10 ZB 17.31099 - juris Rn. 3 m.w.N.; B.v. 11.9.2018 - 10 ZB 18.437 - juris Rn. 19).

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers schon deswegen nicht, weil er den Verfahrensmangel in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht konkret bezeichnet hat (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124a Rn. 74; Roth in BeckOK, Posser/Wolf, VwGO, Stand 1.10.2018, § 124a Rn. 79 f.). Jedenfalls vermochte der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht darzulegen, dass die Ablehnung seines Beweisantrags als für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unerheblich im Prozessrecht keine Stütze findet. Denn das Verwaltungsgericht durfte den gestellten Beweisantrag wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit ablehnen, weil es nach seiner maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung davon ausgehen konnte, dass im Fall des Klägers ein überwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a. AufenthG selbst dann besteht, wenn er bis zu seiner Inhaftierung eine innige und gute Beziehung zu seinen Kindern gehabt und sich um sie gekümmert hätte.

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000, - Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 11. Januar 2017 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, seine Abschiebung in die Türkei aus der Haft oder der Unterbringung heraus angeordnet und für den Fall nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht wurde.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.). Die im weiteren geltend gemachten Zulassungsgründe der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache und ihrer grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO) sind bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 S. 4 VwGO; 2.).

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage gegen die Ausweisungsverfügung vom 11. Januar 2017 darauf gestützt, dass das persönliche Verhalten des Klägers auch gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und seine Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich sei (§ 53 Abs. 3 AufenthG). Der weitere Aufenthalt des Klägers gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung, weil er schwere Straftaten begangen habe. Das Verwaltungsgericht bezog sich dabei auf eine Reihe von Verurteilungen wegen Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten, so insbesondere durch Urteil des LG München I vom 7. Oktober 2011 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, beides am 5. Juni 2013 ausgesetzt zur Bewährung bis 11. Juli 2018, sowie durch weiteres Urteil desselben Gerichts vom 22. Februar 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren 6 Monaten (unter Einbeziehung der erstgenannten Verurteilung) u.a. wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das Verwaltungsgericht bezieht sich dabei auf Einzelheiten der Tatbegehung. Der bisherige positive Verlauf der Entziehungstherapie, wie er in der Stellungnahme der kbo vom 29. Mai 2017 dargestellt werde, relativiere die Wiederholungsgefahr nicht entscheidend; der Kläger habe sich jedenfalls noch nicht unter den realen Bedingungen eines Lebens in Freiheit für einen längeren Zeitraum straffrei bewährt. Die Ausweisung sei auch nicht unverhältnismäßig, weil das Ausweisungsinteresse angesichts des unsicheren Therapieerfolgs trotz der Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet und seiner weitgehenden Entwurzelung hinsichtlich der Türkei seine Bleibeinteressen überwiege.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Seine Ausführungen vermögen jedoch keine ernstlichen Zweifel in diesem Sinne zu begründen.

1.1 Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht von einem Fortbestand der Wiederholungsgefahr aus. Es übersehe die in der Stellungnahme vom 29. Mai 2017 dokumentierten Fortschritte des Klägers, die er in der Therapie während seiner Unterbringung gemacht habe. Es seien weder „Lockerungsmissbräuche“

geschehen noch lägen auffällige Drogen- oder Alkoholtests vor. Der Kläger habe inzwischen die Lockerungsstufe D erreicht, die es ihm erlaube, ab und an außerhalb der Einrichtung bei seiner Mutter zu nächtigen. Er arbeite schon seit 3. August 2017– zur Zufriedenheit des Arbeitgebers – als Hausmeister bei einer Gebäudetechnik-Firma außerhalb der Einrichtung und damit „nicht mehr im geschützten Rahmen“, ohne dass es zu neuen Straftaten gekommen sei. Es sei nach dem Bericht vom 29. Mai 2017 davon auszugehen, dass der Kläger „seine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen“ und damit auch die Erwartung eines künftigen drogen- und straffreien Lebens glaubhaft gemacht habe.

Mit seinem Vorbringen hat der Kläger die Bewertung des Verwaltungsgerichts, von ihm gehe auch weiterhin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen sind, wenn dem Ausländer – wie hier – ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zusteht. Denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (vgl. BayVGH, U.v. 28.3.2017 – 10 BV 16.1601 – juris Rn. 31). Weiterhin hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats (z.B. B.v. 3.5.2017 – 10 ZB 15.2310 – juris Rn. 14) die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen haben. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftaten, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist.

Bei Anlegung dieser Maßgaben und vor dem Hintergrund des Zulassungsvorbringens kann im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung nicht von einem Entfallen der Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Das vom Kläger in der Strafhaft (seit Mai 2015) und während der sich ab 9. August 2016 laufenden Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gezeigte Wohlverhalten und die für eine Verhaltensänderung sprechenden positiven Ansätze haben nur begrenzte Aussagekraft für sein Verhalten nach der Haftentlassung, weil er unter der Kontrolle der Therapieeinrichtung und unter dem Druck des Ausweisungsverfahrens stand und steht. Ein positives Verhalten in der Haft oder Unterbringung lässt nach ständiger Rechtsprechung des Senats noch nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 10 ZB 15.331 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 13.10.2017 – 10 ZB 17.1469 – juris Rn. 12). Vor diesem Hintergrund rechtfertigt auch der Umstand, dass sich der Kläger im Zeitpunkt dieses Beschlusses offenbar in der höchsten Lockerungsstufe (D) befindet, weshalb er außerhalb der Therapieeinrichtung einer Arbeit nachgeht sowie zu „Übernachtungsurlauben“ berechtigt ist, noch keine günstigere Gefahrenprognose.

Zwar bescheinigt die Stellungnahme der Therapieeinrichtung (kbo vom 29. Mai 2017) dem Kläger eine durchwegs positive Entwicklung (Therapiemotivation, Nachreifung der Persönlichkeit, Durchhaltevermögen). Dennoch heißt es in der zusammenfassenden Bewertung, dass „durch die Behandlung der Sucht und weitere Stabilisierung der Persönlichkeitsstruktur die Wiederholungsgefahr für erneute Delinquenz verringert werden“ könne und von „einer eher günstigen Behandlungsprognose aufgrund der… Therapie- und Abstinenzmotivation auszugehen“ sei. Diese zurückhaltenden Formulierungen belegen, dass vom Kläger – würde er ohne Hilfe der schützenden und kontrollierenden Hand der Therapieeinrichtung sein Leben gestalten müssen – nach wie vor die Gefahr der Begehung neuerlicher Straftaten ausgeht.

Es kommt hinzu, dass er zwar eine erste Drogentherapie in einer Entziehungseinrichtung gemäß § 64 StGB (Oktober 2011 bis Juni 2013) zunächst erfolgreich beendet hatte, woraufhin seine Reststrafe für fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt und die erste, mit Bescheid vom 16. Juli 2013 ausgesprochene Ausweisung im damaligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgehoben wurde; der Kläger wurde allerdings nach wenigen Monaten rückfällig, beging erneut Straftaten, die den Hintergrund des vorliegenden Streitverfahrens bilden, und konnte somit die in ihn gesetzte Erwartung, die Bewährungszeit straffrei zu überstehen, nicht rechtfertigen. Auf diesen auch für das Verwaltungsgericht zentralen Aspekt seiner Entscheidung geht die Zulassungsbegründung nicht ein, obwohl er weitere Zweifel an der Behauptung aufwirft, der Kläger werde nach Therapieabschluss ein straffreies Leben führen können. Gegen ein Entfallen der Wiederholungsgefahr spricht schließlich, dass der Kläger, der weder einen Schul- noch einen Ausbildungsabschluss besitzt, bisher niemals einer länger andauernden Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, sieht man einmal von einer einjährigen Beschäftigung in einem Lebensmittelmarkt unmittelbar nach Ende der Schulzeit ab (vgl. Stellungnahme d. kbo v. 29.5.2017, S. 2). Die schlechten Chancen für eine berufliche Integration auf dem freien Arbeitsmarkt wirken sich im Rahmen der Gefahrenprognose ebenfalls negativ aus.

1.2 Weiterhin trägt der Kläger zur Begründung ernstlicher Zweifel am angefochtenen Urteil vor, das Verwaltungsgericht habe seinen Status als faktischer Inländer „nicht geprüft und bedacht“ und daher sein besonders schutzwürdiges Bleibeinteresse „nicht ausreichend gewürdigt“. Die Abschiebung in ein Land, in dem seine für die Straftaten verantwortliche Drogensucht nicht ausgelöst worden sei, sei rechtswidrig. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass die Ausweisung Art. 8 EMRK verletze. In diesem Zusammenhang seien insbesondere der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet, seine fehlende kulturelle und familiäre Bindung zur Türkei und das Nichtbeherrschen der türkischen Sprache zu nennen. Diese Umstände seien zu Unrecht geringer gewichtet worden als die schwerwiegenden Straftaten.

Diese Ausführungen begründen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, denn sie stellen weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Das Ergebnis der Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Es hat deutlich gemacht, dass der Kläger aufgrund der seit Jahren bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit und der damit in Zusammenhang stehenden Straffälligkeit, der Schwere der Straftaten sowie der Tatausführungen immer noch eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, so dass seine aufgrund der Stellung als faktischer Inländer bestehenden Bleibeinteressen hinter das öffentliche Interesse an seiner Ausreise zurücktreten müssen. Auch die Schwierigkeiten, die dem Kläger im Falle seiner Übersiedelung in die Türkei dort begegnen werden, hat das Verwaltungsgericht thematisiert, ohne ihnen ein ausschlaggebendes Gewicht zuzumessen. Somit geht der Vorwurf an das Erstgericht, es habe die Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet und damit seine Stellung als faktischer Inländer nicht oder zumindest nicht ausreichend gewürdigt, ins Leere; es hat lediglich nicht die vom Kläger geforderte Abwägungsentscheidung getroffen. Die Annahme der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung wird mit dem Vorbringen nicht ernstlich in Zweifel gezogen.

2. Der Kläger führt im Zulassungsantrag weiter aus, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2017 sei zuzulassen, weil zudem die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO vorlägen. In der Begründung des Zulassungsantrags fehlen jedoch jegliche Darlegungen zu diesen Zulassungsgründen; dem Vorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, worin die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache liegen sollen oder welche Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären ist. Damit sind diese Gründe bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 8. Dezember 2014 weiter, mit dem die Beklagte ihn aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, seinen Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, ihm die Wiedereinreise für fünf Jahre untersagt und die Abschiebung aus der Haft nach Afghanistan angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht hat.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch eine besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.

a) Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers für rechtmäßig erachtet. Es hat auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung bei Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 1 AufenthG (durch die rechtskräftige Verurteilung des Klägers vom 24. Februar 2014 zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten) und Fehlen eines besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 AufenthG nach einer umfangreichen Prüfung die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 EMRK sowie Art. 2 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG bejaht.

Der (damals) 20jährige Kläger lebe zwar seit seinem 7. Lebensjahr in Deutschland, habe aber nur befristete Aufenthaltserlaubnisse innegehabt und verfüge seit Juni 2012 über keinen Aufenthaltstitel mehr. Nach dem Widerruf des nationalen Abschiebungsverbots habe er zudem, unabhängig von der streitgegenständlichen Ausweisung, keine Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht mehr. Zwar lebten seine Mutter, vier ältere Geschwister und weitere Verwandte in Deutschland, jedoch sei er als volljähriger junger Mann nicht mehr auf den Beistand seiner Mutter oder Familie angewiesen.

Eine Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse sei ihm - trotz des langen Aufenthalts und obwohl er deutsch spreche - bislang weder in wirtschaftlicher noch in sozialer Hinsicht gelungen und werde ihm in Zukunft mangels Aufenthaltsrecht auch nicht mehr ermöglicht werden. Gegen eine gelungene soziale Integration des Klägers sprächen die Anzahl an Straftaten, Verurteilungen und Inhaftierungen, gegen eine gelungene wirtschaftliche Integration, dass er bis heute nicht in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst durch legale Erwerbstätigkeit sicherzustellen. Er sei seit seinem 14. Lebensjahr vielfach und mit unterschiedlichen Straftatbeständen straffällig geworden und habe bereits fast drei Jahre in Haft verbracht. Zwar sei zu berücksichtigen, dass er den weit überwiegenden Teil seiner Straftaten als Jugendlicher begangen habe, doch dürfe ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden, dass er nach seiner ersten Haftentlassung auch als Volljähriger sein Verhalten nicht geändert habe. Laufende Reststrafenvollstreckungsaussetzungen zur Bewährung hätten den Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten können. Durch die vorausgegangene Strafhaft und die Verurteilungen sei er hinreichend gewarnt gewesen, habe jedoch bislang offenbar noch keine Konsequenzen dahingehend gezogen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und ein straffreies Leben zu führen. Der Kläger sei zuletzt überwiegend wegen Eigentumsdelikten auffällig geworden und nicht in erster Linie ein Gewaltstraftäter. Indes sei er bereits bei seiner ersten Verurteilung wegen Raub und versuchter räuberischer Erpressung und später unter anderem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden. Somit sei zwar keine Steigerung hinsichtlich der Intensität der Rechtsgutsverletzung zu erkennen, andererseits habe der Kläger in der Vergangenheit ebenfalls mehrfach Gewalt angewendet. Gewaltanwendung präge sein kriminelles Verhalten nicht primär, werde von ihm ersichtlich aber auch nicht völlig ausgeschlossen. Anhaltspunkte für eine bloß vorübergehende Jugenddelinquenz lägen nicht vor. Das Verhalten des Klägers in der Strafhaft sei von Arbeitsunwilligkeit, Überheblichkeit und Beratungsresistenz geprägt gewesen; während der ersten Inhaftierung sei er sieben Mal disziplinarisch belangt worden.

Nach dem Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewonnen habe, habe er immer noch nicht erkannt, dass er aktiv Maßnahmen ergreifen müsse, um sein Leben in den Griff zu bekommen. Die gesamte Entwicklung des Klägers bis zum jetzigen Zeitpunkt lasse keinen positiven Aspekt erkennen, der zu Hoffnung Anlass geben könne. Selbst die im Vergleich zum Lebensalter vergleichsweise langen Inhaftierungen hätten beim ihm offensichtlich keinerlei Einsicht und Verhaltensänderung bewirkt; bloße Beteuerungen oder Absichtserklärungen überzeugten und genügten in Anbetracht des Vorlebens des Klägers nicht.

Eine Rückkehr nach Afghanistan sei zwar mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, diese seien dem Kläger aber zumutbar. Es stehe rechtskräftig fest, dass § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einer Rückkehr nach Afghanistan nicht entgegenstehe; der Kläger könne in Kabul sein Leben sichern. Im Hinblick auf den Aspekt der Entwurzelung gehe das Gericht davon aus, dass weiterhin Verwandte des Klägers in Afghanistan lebten, auch spreche er zumindest gebrochen Dari.

Zwar bedürfe es wegen der zwingenden Ausweisung keiner Gefahrenprognose, jedoch ergebe beim Kläger eine im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmende individuelle Gefahrenprognose eine relevante Wiederholungsgefahr. Auch nach mittlerweile sechs Monaten in Freiheit habe der Kläger nichts aufzuweisen. In der letzten Verurteilung sei festgestellt worden, dass er sich mittels der Diebstähle eine dauerhafte Einnahmequelle von gewissem Umfang und gewisser Dauer habe eröffnen wollen. Somit stehe zumindest zu befürchten, dass der Kläger sich auf diese Art und Weise wieder eine kriminelle Einnahmequelle erschließen werde. Die Stabilisierung, die das Strafgericht zuletzt erhofft habe, sei nach Auffassung des Gerichts nicht eingetreten.

Die Zustände im Heimatland des Klägers seien im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von beachtlichem Gewicht, da es nach Auffassung des Gerichts - unabhängig von der asylrechtlichen Beurteilung - einen Unterschied mache, ob in ein Land wie Afghanistan oder einen anderen, nicht vergleichbaren Drittstaat ausgewiesen werde. Dies falle jedoch nicht ausschlaggebend ins Gewicht, da das Interesse des Klägers am Verbleib trotzdem nicht überwiege.

b) Im Zulassungsverfahren wendet sich der Kläger ausdrücklich nicht gegen die Annahme eines zwingenden Ausweisungsgrundes und des Fehlens eines besonderen Ausweisungsschutzes, sondern bringt vor, das Ausgangsgericht habe in seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung entscheidungserhebliche Tatsachen bzw. Rechtssätze - die im Einzelnen aufgeführt werden - außer Acht gelassen.

c) Mit diesem Vorbringen wird aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung des Klägers sei rechtmäßig, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. auch BVerwG, B.v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744). Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag; Rechtsänderungen während des Zulassungsverfahrens sind zu beachten.

Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisungsverfügung (und das diese als rechtmäßig bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen. Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky/Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53-56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht verfügte Ausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

d) Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in spezialpräventiver Hinsicht (immer noch) gegeben.

Das Verwaltungsgericht, das von einer zwingenden Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG a. F. ausgegangen ist, hat eine vom Kläger ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Straftaten nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung angesprochen und bejaht.

Der Senat bejaht auch unter Anwendung des § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. eine derartige Wiederholungsgefahr.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18).

Gemessen an diesen Grundsätzen kommt der Senat zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung zu der Bewertung, dass nach dem Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut durch vergleichbare Straftaten die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat, ist der Kläger seit seinem 14. Lebensjahr vielfach und mit unterschiedlichen Straftatbeständen straffällig geworden und hat sein Verhalten auch als Volljähriger nach seiner ersten Haftentlassung im Februar 2013 nicht geändert. Noch in der letzten Verurteilung vom 24. Februar 2014 stellte das Strafgericht fest, schwere schädliche Neigungen bestünden fort, die letzte Strafhaft habe den Kläger offensichtlich nicht im geringsten beeindruckt. Er habe nach seiner ersten Haftentlassung im Februar 2013 keine großen Anstrengungen unternommen, sich zu stabilisieren oder eine Arbeit anzutreten. Auffallend ist die hohe Rückfallgeschwindigkeit und die in den letzten Strafurteilen immer wieder festgestellte Weigerung, (sozialpädagogische) Hilfsmaßnahmen anzunehmen oder an sich selbst zu arbeiten; sein Verhalten sei von einer maßlosen Selbstüberschätzung getragen. Ebenso wie das Verwaltungsgericht kann auch der Senat keine positive Entwicklung nach seiner Entlassung aus der Haft im Februar 2015 erkennen. Zwar sind keine neuerlichen Straftaten mehr bekannt geworden, doch stand der Kläger seither unter dem Druck der am 8. Dezember 2014 ergangenen Ausweisungsverfügung. Außer einigen abgebrochenen Probearbeitsverhältnissen und einer schulischen Maßnahme, um einen Schulabschluss zu erwerben, hat der Kläger nichts zu seinen Gunsten vorzuweisen. Soweit er sich auf eine am 1. Oktober 2015 begonnene psychiatrische Behandlung (fachärztliches Attest vom 29.2.2016) beruft, gibt dies keinen Hinweis auf einen zukünftigen Wegfall der Wiederholungsgefahr; der Schwerpunkt der Behandlung liegt auf einer depressiven Erkrankung aufgrund einer drohenden Rückführung nach Afghanistan.

Soweit sich der Kläger in seinem auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit gerichteten Zulassungsvorbringen der Sache nach auch gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr wendet, dringt er damit nicht durch. Auch wenn es zutrifft, dass er „nur“ einmal nach einer Aussetzung der zu verbüßenden Reststrafe zur Bewährung wieder straffällig geworden ist (im Juni und Oktober 2013 nach der vorzeitigen Entlassung im Februar 2013), ändert dies angesichts der hohen Rückfallgeschwindigkeit und des Ablaufs der „kriminellen Karriere“ nichts an dieser Einschätzung. Gleiches gilt für den Vortrag, dass der Kläger nicht „mehrfach“, sondern „nur“ einmal Gewalt angewandt habe, nämlich bei der Tat, die mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung abgeurteilt worden sei. Mehr als eine sprachliche Ungenauigkeit liegt hierin nicht, denn der Kläger wurde außerdem noch unter anderem wegen Raub, versuchter räuberischer Erpressung, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten („Amoklauf“) und Bedrohung verurteilt, also wegen Straftaten, die mit Anwendung oder Androhung von Gewalt verbunden sind. Bereits das Verwaltungsgericht hat hervorgehoben, dass der Schwerpunkt der zuletzt vom Kläger begangenen Delikte auf Diebstählen lag.

e) Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt. Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist die streitbefangene Ausweisung des Klägers weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Das Verwaltungsgericht hat bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 24. Februar 2014 zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Sein Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt weder nach § 55 Abs. 1 AufenthG besonders schwer noch nach § 55 Abs. 2 AufenthG schwer, insbesondere weil der Kläger im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausweisungsverfügung nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war.

Das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis, die Ausweisung sei verhältnismäßig, begegnet auch unter dem Blickwinkel der Abwägung im Sinne von § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG keinen ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit. Die vom Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

- Der Kläger behauptet, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er mit einer Durchsetzung der Ausweisung und Abschiebung die für sein Privatleben konstitutiven Beziehungen unwiederbringlich verliere, da er auch nach Ablauf der Befristung der Wirkungen der Ausweisung kein Recht auf Wiederkehr habe. Er beruft sich hierbei auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Mai 2007 (2 BvR 304/07 - NVwZ 2007, 243, juris-Rn. 35), in dem dieses festgestellt hat, dass die Befristung der Ausweisungswirkungen nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung ist, eine Verhältnismäßigkeit der Ausweisung aber nicht allein durch eine Befristung erreicht werden kann, zumal wenn die Befristung mangels eines weiteren Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet ohne praktische Wirkung bleibt. Diese Vorgaben hat das Verwaltungsgericht jedoch beachtet. Es hat keineswegs die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung (allein) mit Verweis auf die Befristungsentscheidung bejaht, sondern durchaus darauf abgestellt, dass der Kläger künftig kein Aufenthaltsrecht mehr besitzt und sich auf einen dauerhaften Aufenthalt in Afghanistan einrichten muss (S. 15, 19 u. 25 UA).

- Ins Leere geht das Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe auf die Möglichkeit von Betretenserlaubnissen abgestellt, was wegen der restriktiven Praxis der deutschen Auslandsvertretungen unzutreffend sei. Die Möglichkeit von Betretenserlaubnissen (§ 11 Abs. 8 AufenthG) spielt in der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Verwaltungsgerichts keine Rolle, lediglich bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Befristungsentscheidung befindet sich ein derartiger Hinweis auf die Rechtslage (S. 26 UA).

- Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe die Sicherheitslage in Afghanistan nicht ausreichend berücksichtigt, zeigt er damit ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der Abwägungsentscheidung auf. Das Verwaltungsgericht ist - unabhängig von der rechtskräftigen Feststellung, dass ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht besteht - auf die Lage in Afghanistan eingegangen (S. 18, 19 u. 22 UA). Der Kläger behauptet demgegenüber lediglich pauschal, als „Auslandsrückkehrer“ in höherem Maße von Kriminalität bedroht zu sein; eine konkrete Bedrohung ergibt sich daraus nicht. Auch sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte insoweit gemäß § 42 Satz 1 AsylG an die rechtskräftige negative Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gebunden.

- Zwar hat das Verwaltungsgericht - insoweit unrichtig - davon gesprochen, dass laufende Reststrafenvollstreckungsaussetzungen zur Bewährung den Kläger in der Vergangenheit „mehrfach“ nicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten hätten (S. 15 UA). Diese Formulierung lässt jedoch nicht den Schluss zu, das Abwägungsergebnis sei fehlerhaft. Sie ist Bestandteil einer längeren umfassenden Würdigung der „kriminellen Karriere“ des Klägers, deren Ergebnis sich nicht relevant verändert, wenn darauf abgestellt wird, dass dem Kläger „nur“ einmal eine Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung gewährt wurde.

- Gleiches gilt für den Einwand, das Verwaltungsgericht sei fälschlich davon ausgegangen, der Kläger habe „mehrfach“ Gewalt angewandt. Wie bereits erwähnt, wurde der Kläger auch wegen Delikten verurteilt, die mit der Androhung oder Anwendung von Gewalt verbunden sind, und das Verwaltungsgericht hat durchaus gesehen und berücksichtigt, dass der Kläger zuletzt vor allem wegen Diebstählen verurteilt worden ist.

- Auch die „fehlende Berücksichtigung der Empathiefähigkeit des Klägers“ greift nicht durch. Der Kläger bezieht sich hier auf einen Gesichtspunkt in den Strafzumessungserwägungen im Strafurteil vom 20. Januar 2010, also in seiner ersten Verurteilung; der Kläger hatte einen Mittäter überredet, einen Teil erlangten Beute zurückzugeben. Es ist nicht erkennbar, dass dieser Aspekt an dem Ergebnis der Abwägung etwas ändern könnte. Die Beklagte weist in ihrer Stellungnahme vom 29. Oktober 2015 zu Recht darauf hin, dass derartige Situationen von Mitgefühl mit den Tatopfern bei den späteren Straftaten nicht mehr auftreten.

- Der Kläger bringt ferner vor, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Gefahrenprognose Tatsachen berücksichtigt, die es selbst schaffe, indem es bei der Prognose der Wiederholungsgefahr darauf abgestellt habe, dass dem Kläger mangels Aufenthaltsrecht eine Integration nicht mehr möglich sei. Dieser Einwand trifft aber nicht zu. Bei der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommenen Gefahrenprognose (S. 20 u. 21 UA) spielt ein zukünftiges Aufenthaltsrecht des Klägers keine Rolle; an anderer Stelle (S. 15 UA) weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass ihm in Zukunft mangels Aufenthaltsrecht (aus § 25 Abs. 3 AufenthG) keine Integration mehr ermöglicht werden könne. Ein „Zirkelschluss“ liegt also nicht vor.

- Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe die Tatsache, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen Gewalttäter oder einen Drogenkriminellen handele, nicht berücksichtigt, ist nicht nachvollziehbar. Das Verwaltungsgericht hat in der vom Kläger ungenau zitierten Textpassage ausdrücklich festgestellt, es habe beachtet, dass der Kläger „kein notorischer Gewaltstraftäter“ sei (S. 22 UA). Unzutreffend ist die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe sich lediglich auf die „Drei-Jahres-Grenze“ des § 53 Nr. 1 AufenthG (a. F.) zurückgezogen; es hat vielmehr ausführlich dargestellt, warum das Ausweisungsinteresse hier überwiegt, obwohl der Kläger zuletzt „nur“ wegen Diebstählen verurteilt wurde.

- Schließlich führt der Kläger an, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er sich seit seiner Haftentlassung um geordnete Lebensverhältnisse bemühe. Jedoch ergibt sich aus den Ausführungen des Urteils des Verwaltungsgerichts, dass sich dieses durchaus mit dem Verhalten des Klägers seit seiner Haftentlassung im Februar 2015 befasst, allerdings nicht entscheidend zu seinen Gunsten gewertet hat (S. 17 u. S. 20/21 UA). Das Verwaltungsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass aus den kurzzeitigen Probearbeitsverhältnissen noch nicht der Schluss gezogen werden könne, der Kläger sei willens, seinen Lebensunterhalt künftig durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern. Auch aus nach der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entstandenen und innerhalb des Frist des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgetragenen Umständen, insbesondere der Teilnahme an einer schulischen Maßnahme, um einen Schulabschluss nachzuholen, ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzung. Auch dass der Kläger sich seit dem 1. Oktober 2015 in psychiatrischer Behandlung befindet, lässt keine grundlegend neue Sicht auf das Ausweisungsinteresse zu. Während der Kläger behauptet, er arbeite damit sein vorangegangenes Verhalten auf, ergibt sich aus dem vorgelegten fachärztlichen Attest vom 29. Februar 2016 die Diagnose einer depressiven Erkrankung, die durch seine derzeitige Lebenssituation, vor allem durch die drohende Abschiebung nach Afghanistan, ausgelöst sei.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.

Eine Rechtssache weist besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern (Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 106).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Dass eine Ausweisung einer umfangreichen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des Art. 8 EMRK zu unterwerfen ist bzw. - nach der neuen Gesetzesfassung - eine umfassende Abwägung nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG zu erfolgen hat, wirft für sich allein keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art auf. Schon nicht schlüssig vorgetragen ist, warum sich solche besonderen Schwierigkeiten aus dem Umstand ergeben sollten, dass die Beklagte davon ausgegangen sei, dass die Verhältnisse in Afghanistan nicht die Verhältnismäßigkeitsprüfung einbezogen werden dürften; wie oben dargelegt, ist das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung auf die Verhältnisse in Afghanistan eingegangen. Ebenso ist die Ableitung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten aus der behaupteten Abweichung von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. Februar 1991 (Az. 31/1989/191/291 Moustaqim - InfAuslR 1991, 149) nicht nachvollziehbar; insoweit hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 1. März 2004 (2 BvR 1570/03 - NVwZ 2004, 852, juris-Rn. 23) darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung „durch Entscheidungen aus jüngerer Zeit überholt und als Auslegungshilfe nicht mehr heranzuziehen“ sein dürfte.

Einwände gegen die vom Verwaltungsgericht rechtlich nicht beanstandete Befristung der Wirkungen der Ausweisung des Klägers auf fünf Jahre und die Abweisung der Klage bezüglich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurden im Zulassungsverfahren nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 17. August 2017 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen wurde, die Abschiebung in die Türkei angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht und die Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung auf fünf Jahre befristet wurden.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.). Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (II.1.) noch die weiter benannten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bzw. der Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4 VwGO (II.2.).

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung erweist sich als zulässig. Die Antragsbegründung vom 2. August 2018 erfüllt (noch) die formellen Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4 und 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Zwar hat der Kläger im letzten Absatz seiner Begründungsschrift die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 VwGO nur benannt, ohne deutlich zu machen, auf welchen Zulassungsgrund sich seine vorherigen Ausführungen jeweils beziehen. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 24.8.2010 - 1 BvR 2309/09 - juris Rn. 12 m.w.N.) für eine den Anforderungen von § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe nicht notwendig, dass der Kläger ausdrücklich eine der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Ziffern oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es unschädlich, wenn der Kläger sein Vorbringen dem falschen Berufungszulassungsgrund zuordnet oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Es reicht vielmehr aus, wenn das Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags zumindest der Sache nach eindeutig einem oder mehreren Zulassungsgründen zuzuordnen ist. Die abschließende Aufzählung von Zulassungsgründen in § 124 Abs. 2 VwGO legt es nahe, dies als Mindestvoraussetzung für eine den Anforderungen von § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechende Darlegung zu verlangen.

Diese Mindestvoraussetzungen werden durch die Zulassungsbegründung in Bezug auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (noch) erfüllt. Denn in angemessener Würdigung des klägerischen Vortrags kann dieser dahingehend ausgelegt werden, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend gemacht werden. Dies legen zumindest die vom Kläger gewählten Formulierungen wie bspw., dass gewisse Umstände „nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt“ worden seien, das Urteil „keine tragfähige Begründung für …“ enthalte oder Feststellungen ohne „breitere Tatsachengrundlage“ nicht hätten „bejaht“ werden können, nahe. Indes sind die weiter benannten Zulassungsgründe der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung der Sache und der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht einmal ansatzweise dargelegt worden (s.u. II.2.).

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist aber unbegründet.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist hier in Bezug auf die gegenüber dem Kläger erfolgte Ausweisung nicht der Fall.

a) Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig erachtet, weil sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich sei. Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass vom Kläger eine erhebliche Wiederholungsgefahr ausgehe, da er seit dem Jahr 2004 wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, die Anlasstat unter Alkoholeinfluss begangen habe und die Suchtproblematik nicht bewältigt sei. Mehrere Therapieversuche des Klägers, zuletzt von Juli 2012 bis Januar 2016, seien gescheitert. Er sei zum Tatzeitpunkt unter offener Bewährung gestanden. Ohne abgeschlossene Drogentherapie sei in einer schwierigen Lebenssituation eine Rückfälligkeit wahrscheinlich. Hieran ändere auch der erste positive Bericht des Bewährungshelfers von Ende November 2017 nichts, da der Kläger damals erst drei Monate vorher aus der Haft entlassen worden sei. Die vorgetragene Partnerschaft mit einer Deutschen und das nachgewiesene Arbeits- und Mietverhältnis könnten nur bedingt als gesicherte, stabile Lebensgrundlage angesehen werden.

Bei der Abwägungsentscheidung sei zugunsten des Klägers einzustellen, dass er nach seiner Vita als faktischer Inländer anzusehen sei und seine Familie in Deutschland lebe. Auch sei er Vater einer deutschen Tochter. Zu seinen Ungunsten wirke sich die Anzahl und Schwere der begangenen Straftaten sowie die erhebliche Wiederholungsgefahr aus. Eine nennenswerte wirtschaftliche Integration sei ihm bislang nicht gelungen. Zwar habe er einen mit seiner Lebensgefährtin abgeschlossenen Arbeitsvertrag von Ende Februar 2017 vorgelegt, jedoch zuletzt im Zeitraum von Januar bis Juli 2018 Arbeitslosengeld II bezogen. Den Bindungen zur Herkunftsfamilie und zu seinen beiden Kindern sei nur geringeres Gewicht beizumessen. Zum einen sei er als Volljähriger nicht in besonderem Maße auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen. Zum anderen bestehe zu seinem 2006 geborenen Sohn kein und zu seiner 2012 geborenen Tochter nur gelegentlicher, überwiegend telefonischer Kontakt. Die Ausweisung beeinträchtige mangels persönlicher Verbundenheit nicht das Kindeswohl. Die Beziehung zur jetzigen Lebenspartnerin stehe nicht unter dem Schutz des Art. 6 GG und sei in Kenntnis der Straftat und der drohenden Aufenthaltsbeendigung eingegangen worden. Der Kläger habe in der Türkei einige Halbgeschwister. Den Kontakt zu seinen im Bundesgebiet lebenden Verwandten könne er auch von der Heimat aus aufrechterhalten.

b) Demgegenüber macht der Kläger im Berufungszulassungsverfahren geltend, dass ihn die Ausweisungsentscheidung in seinen Grundrechten verletze. Er sei faktischer Inländer und die letzte Vorstrafe datiere von 2012. Seit der Haftentlassung versuche er ernsthaft, sich ein neues Leben aufzubauen und sei, auch im Zusammenhang mit der Suchtproblematik, nicht mehr straffällig geworden. Eine relevante Wiederholungsgefahr hätte demnach ohne weitere konkrete Feststellung, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, nicht angenommen werden dürfen. Die Ausführungen zur Zukunftsprognose seien abstrakt gehalten und fußten nicht auf konkreten Belegen. Nicht ausreichend sei der Kontakt des Klägers zu seinen Kindern berücksichtig worden. Auch erlaube und fördere die Mutter des Opfers der Anlasstat nach Überwindung der Beziehungsproblematik mittlerweile den Kontakt ihrer Tochter mit dem Kläger. Schließlich enthalte das angegriffene Urteil keine tragfähige Begründung hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit der Übersiedelung des Klägers in seine Heimat. Er spreche die türkische Sprache nicht in ausreichendem Maße.

c) Mit diesem Vorbringen hat der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei rechtmäßig, im Ergebnis nicht ernsthaft im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Zweifel gezogen.

Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist - sofern es wie vorliegend nach dem materiellen Recht auf den Entscheidungszeitpunkt ankommt - daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/ Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 124a Rn. 256 f.; vgl. auch BVerwG, B.v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2017 - 10 ZB 15.2062 - juris Rn. 14; B.v. 22.11.2016 - 10 CS 16.2215 - juris Rn. 6).

Gemessen hieran greifen die Einwendungen gegen die vom Verwaltungsgericht getroffene Gefahrenprognose nicht durch. Dieses hat rechtsfehlerfrei eine erhebliche Wiederholungsgefahr insbesondere wegen der Schwere der Anlasstat, im Hinblick auf den hohen Rang der bedrohten Rechtsgüter, der Häufigkeit der Straffälligkeit und der weiterhin nicht überwundenen Suchtproblematik bejaht. Gerade bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (siehe z.B. BayVGH, B.v. 7.2.2018 - 10 ZB 17.1386 - juris Rn. 10; B.v. 7.11.2016 - 10 ZB 16.1437 - juris Rn. 7; U.v. 3.2.2015 - 10 B 14.1613 - juris Rn. 32 mw.N.). Denn solange sich der Ausländer nicht außerhalb des Straf- bzw. Maßregelvollzugs bewährt hat, kann nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung geschlossen werden, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2018 a.a.O.; B.v. 13.10.2017 - 10ZB 17.1469 - juris Rn. 12; B.v. 6.5.2015 - 10 ZB 15.231 - juris Rn. 11).

Im vorliegenden Fall ist der Kläger Ende August 2017 aus der Haft entlassen worden und bislang nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten. Allerdings ist schon im Hinblick auf die bislang nicht aufgearbeitete Suchtproblematik des Klägers die seit der Haftentlassung verstrichene Zeit allein noch nicht geeignet, eine künftige straffreie Lebensführung anzunehmen. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen des Landgerichts Ingolstadt im Urteil vom 26. Juli 2012 der Kläger seit seinem 17. Lebensjahr regelmäßig Alkohol und ab etwa dem 18. Lebensjahr Betäubungsmittel konsumiert habe. Drei in den Jahren 2008, 2010 und 2011 unternommene Entgiftungskuren seien erfolglos geblieben. Zuletzt befand er sich vom 26. Juli 2012 bis zum 29. Januar 2016 in einer Entziehungsanstalt. Die gegenüber dem Kläger gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe mit Beschluss des Landgerichts München I vom 21. Januar 2016 wurde bereits am 25. Mai 2016 widerrufen, weil er sich weder an die ihm erteilte Abstinenz- noch an die auferlegte Therapieanweisung gehalten habe und es schon ab Anfang März 2016 zu Rückfällen gekommen sei. Die Justizvollzugsanstalt Bernau gelangte in ihren Stellungnahme vom 29. August 2016, 15. März 2017 und 7. April 2017 zu dem Ergebnis, dass in der Gesamtschau aufgrund der ungelösten Betäubungsmittel- und Alkoholproblematik, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, des Bewährungsversagens und der umfänglichen Weisungsverstöße während der zur Bewährung ausgesetzten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keine positive Legalprognose gestellt werden könne. Angesichts dieser Umstände ist auch unter Berücksichtigung dessen, dass seit der Haftentlassung vor rund eineinhalb Jahren keine neuerlichen Straftaten mehr bekannt geworden sind, die Annahme des Entfallens einer Wiederholungsgefahr nicht gerechtfertigt.

Nicht gefolgt werden kann auch dem Einwand des Klägers, wonach die Prognoseentscheidung vom Erstgericht nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte getroffen werde können. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Senats ist geklärt, dass bei der gerichtlichen Überprüfung der Ausweisung eines strafgerichtlich verurteilten Ausländers hinsichtlich der gebotenen Gefahrenprognose nicht allein auf das Strafurteil und die diesem zugrunde liegende Straftat, sondern auf die Gesamtpersönlichkeit abzustellen ist und dabei auch nachträgliche Entwicklungen einzubeziehen sind. Bei dieser Prognoseentscheidung bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 12, 18 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.3.2016 - 10 ZB 15.2109 - juris Rn. 18 m.w.N.). Von einem derartigen Sonderfall ist vorliegend nicht auszugehen, zumal sich das Verwaltungsgericht insbesondere hinsichtlich der Bewertung der nachträglichen Entwicklung auf mehrere Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt Bernau und den Beschluss über den Widerruf der Aussetzung der Restfreiheitsstrafe das Landgerichts München I stützen konnte.

Des Weiteren kann auch die angebliche „Ausräumung“ der der Anlasstat zugrunde liegenden Beziehungsproblematik zu keiner anderen rechtlichen Wertung führen, da die negative Legalprognose auf anderen, weiteren Umständen wie insbesondere der Schwere der Anlasstat, dem hohen Rang der bedrohten Rechtsgüter, der ungelösten Betäubungsmittel- und Alkoholproblematik, der hohen Rückfallgeschwindigkeit und dem Bewährungsversagen beruht.

Fehl geht schließlich auch der Einwand des Klägers, dass die Erwägungen des Erstgerichts zur Prognoseentscheidung nur abstrakt gehalten und nicht konkret belegt seien. Vielmehr hat das Gericht umfassend und ausführlich die für die Annahme der Wiederholungsgefahr maßgeblichen Umstände dargelegt (s. UA S. 20-25) und dabei konkret auf den Kläger bezogen insbesondere die unbewältigte Suchtproblematik, erfolglose Therapieversuche, Rückfallgeschwindigkeit sowie das Bewährungsversagen gewürdigt.

Soweit der Kläger die Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts angreift, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat sämtliche entscheidungsrelevante Gesichtspunkte berücksichtigt, die auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Der Beklagte weist in seiner Stellungnahme vom 26. September 2018 zu Recht darauf hin, dass der Kontakt des Klägers zu seinen Kindern und die „Ausräumung der Beziehungsproblematik“ in der angegriffenen Entscheidung hinreichend gewürdigt wurden. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass zum Sohn kein Kontakt besteht und der telefonische Kontakt zur Tochter auch von der Heimat aus aufrechterhalten werden kann (UA S. 30). Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren erstmals vorträgt, der türkischen Sprache nicht in ausreichendem Maße mächtig zu sein, wurde diese pauschale Behauptung nicht weiter belegt. Nach Lage der Akten (s bspw. Psychiatrisches Gutachten von Dr. med. Wittmann vom 2.7.2012, Strafakte Bl. 97) ist der Kläger von Anfang an zweisprachig aufgewachsen, nur sei ihm die deutsche Sprache weitaus geläufiger als die türkische. Angesichts der unbestrittenen verwandtschaftlichen Kontakte in seine Heimat (s. Strafakte Bl. 96) und der Möglichkeit, die vorhandenen Sprachkenntnisse in zumutbarer Weise auszubauen, ergeben sich für den Senat keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Erstgericht, wonach die Ausweisungsentscheidung auch im Hinblick auf die (sprachliche) Integrationsfähigkeit des Klägers in seiner Heimat verhältnismäßig ist.

2. Die weiter benannten Zulassungsgründe der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) sind schon nicht hinreichend im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.

a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2018 - 21 ZB 16.1678 - juris Rn. 29; B.v. 24.1.2019 - 10 ZB 17.1343 - Rn. 11; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).

Dem entspricht das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger formuliert schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, die grundsätzliche Bedeutung im vorgenannten Sinn haben soll und fallübergreifend beantwortet werden könnte.

b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) wurde ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Neben der genauen Benennung des Gerichts und der zweifelsfreien Angabe seiner Divergenzentscheidung hätte der Kläger aufzeigen müssen, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze hätte er so einander gegenüber stellen müssen, dass die Abweichung erkennbar wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2016 - 10 ZB 16.804 - juris Rn. 4; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73). Auch in dieser Hinsicht ist in der Begründung des Zulassungsantrags nichts dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

II. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 51.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der ihm erteilten Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz von Waffen und dazu ergangene Nebenentscheidungen.

Die Kriminalpolizeiinspektion Schweinfurt übersandte dem Landratsamt Bad Kissingen mit Schreiben vom 29. August 2015 einen polizeilichen Vorgang einschließlich eines Auszugs des vom Kläger gepflegten Facebook-Profils. Daraus sind (auszugsweise) Äußerungen des Klägers zu Medienbeiträgen sowie Bildern unter anderem wie folgt zu ersehen:

Zu „Passant geschlagen und getreten - Tatverdächtiger festgenommen“ äußerte der Kläger: „Kopftreten. Wegen einer Sonnenbrille. Beliebt bei Irakern und anderen Arschlöchern. Bewaffnet Euch.“

Die Meldung „Junge Frau entkommt sexuellem Übergriff in Jena - Jenaer Nachrichten“ kommentierte der Kläger mit: „Passt auf Eure Frauen und Töchter auf. Aber vor allem - bewaffnet Euch!“.

Zur Nachricht „Brandbrief: Marxlohs Einwohner fühlen sich ausgeliefert - Einwohner haben in einem Brandbrief die Verharmlosung der Zustände in Duisburg-Marxloh angeprangert. Die meisten von ihnen seien bereits auf offener Straße bestohlen, von Kindern angespuckt, von Frauen beschimpft und von Männern …“ schrieb der Kläger: „Morgen auch bei Dir. Bereite Dich schon mal darauf vor. Und bewaffne Dich.“

Einen „Kommentar zur Flüchtlingspolitik: Neuankömmlinge sind ein Geschenk des Himmels“ erwiderte der Kläger mit: „Lasst sie kommen, kein Problem. Es darf nur kein Steuerzahlergeld mehr an sie fließen. Und die Steuerzahler müssen bewaffnet werden. Dann wird alles gut.“

Zu einem (Video-)Bild, das eine Frau während eines Interviews zeigt, kommentierte der Kläger: „Es wiederholt sich zum -zigstenmal, wird wohl auch nicht das letztem(al) gewesen sein. Bewaffnet Euch!“

Zum Bild einer Munitionslademaschine ergänzte der Kläger: „Muss ich haben! ☺“.

Zudem enthielt das Facebook-Profil Kommentare wie etwa: „Die Wichser wollen Dich verarschen. … Ramelow ist ein dreckiger Rassist. … Die Wichser [die Bundesregierung] sollen in der Hölle schmoren.“

Das Landratsamt widerrief mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 die dem Kläger erteilten Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz von Waffen (9 Waffenbesitzkarten mit insgesamt 63 Waffen und Wechselsystemen) sowie eine dem Kläger erteilte Waffenhandelserlaubnis und traf dazugehörige Nebenentscheidungen.

Mit weiteren Bescheiden gleichen Datums widerrief das Landratsamt eine dem Kläger erteilte sprengstoffrechtliche Erlaubnis und eine Erlaubnis zum gewerbsmäßig betriebenen Handel mit Waffen und Munition.

2. Der Kläger hat gegen den jeweiligen Widerrufsbescheid Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt.

Der Senat hat die Beschwerden in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen.

Die gegen den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 23. Juni 2016 abgewiesen.

Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Soweit Zulassungsgründe im Sinn des § 124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich oder sinngemäß geltend gemacht werden, liegen sie nicht vor bzw. wurden sie entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht hinreichend dargelegt.

1.1 Das innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.

Der Kläger wendet ein, das Verwaltungsgericht habe seine Äußerungen auf dem Facebook-Profil und den vor die Äußerungen gestellten „Disclaimer“ in einer Weise gewürdigt, die dazu führe, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigten, er werde Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden. Diese Würdigung halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Damit greift der Kläger die von ihm als unzutreffend bewertete richterliche Überzeugungsbildung an. Nach deren Ergebnis sind die dem Kläger erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen, weil nachträglich Tatsachen eingetreten sind, welche die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird, so dass mangels Zuverlässigkeit eine Voraussetzung für die Erlaubniserteilung entfallen ist (§ 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG). Das Zulassungsvorbringen zeigt insoweit keinen Fehler auf, der die Zulassung der Berufung rechtfertigt.

Das Gericht entscheidet gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Trotz des besonderen Charakters der Tatsachen- und Beweiswürdigung, der einen Wertungsrahmen eröffnet, ist das Gericht nicht gänzlich frei. Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, d.h. sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Derartige Fehler bei der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils rechtfertigen würden, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf; sie liegen auch nicht offensichtlich zutage (vgl. BayVGH, B.v. 14.3.2013 - 22 ZB 13.103 - juris Rn. 11; VGH BW, B.v. 12.7.2012 - 2 S 1265.12 - juris Rn. 3 f; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 19).

Der Kläger meint, es sei nicht nachvollziehbar, wieso das Verwaltungsgericht zu dem Schluss komme, er habe zu einer illegalen Bewaffnung aufgerufen; er habe auch zu keinem Zeitpunkt zu einem illegalen Handeln aufgefordert. Das Gericht bleibe es schuldig, in einer nachvollziehbaren Weise schlüssig zu belegen, warum aus seinen Äußerungen abgeleitet werden könne, dass er selbst seine Waffen in rechtswidriger Weise einsetzen wolle.

Daraus ergibt sich nicht, dass die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts ernstlich zweifelhaft ist. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dem zum Zeitpunkt der polizeilichen Sicherung vorhandenen Internetauftritt könne keine Beschränkung auf legal erworbene Waffen entnommen werden. Das ist angesichts der Allgemeinheit der hier inmitten stehenden Aufforderungen zur Bewaffnung und des aggressiven Charakters der Äußerungen des Klägers nachvollziehbar. Im Übrigen hat der Senat im Beschwerdeverfahren (21 CS 15.2465) des Klägers die auf dem Facebook-Profil enthaltenen Aussagen des Klägers in seinem Beschluss vom 8. Januar 2016 im Einzelnen gewürdigt und zusammenfassend unter anderem festgestellt: Die Äußerungen illustrierten die Einstellung des Klägers zu Waffen und deren Anwendung, die er ersichtlich als bevorzugtes Mittel betrachte, Konflikte zu lösen; sie unterstrichen zudem unter Berücksichtigung von Wortwahl und Diktion den Eindruck einer erheblichen (latenten) Aggressivität des Klägers. Die Aufrufe zur Bewaffnung ließen nach ihrem Inhalt und Zusammenhang nicht erkennen, dass der Kläger nur eine ordnungsgemäße Verwendung von Waffen befürworte und deshalb das Vertrauen verdiene, er werde auch künftig mit Schusswaffen verantwortungsbewusst umgehen. Auf den vom Kläger infrage gestellten Umstand, ob er zu einem illegalen Erwerb von Waffen aufgerufen habe, komme es nicht an (BA S. 4 f.). Das Verwaltungsgericht hat sich dem nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils angeschlossen. Der Zulassungsantrag setzt sich damit nicht substanziell auseinander; er zeigt insbesondere nicht auf, dass die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts objektiv willkürlich ist oder gegen die Denkgesetze verstößt.

Der Kläger wendet sich auch dagegen, dass im Urteil sein Profilbild als Abbildung „in kämpferischer Pose beim Abfeuern einer Pistole“ beschrieben wird. Er weist darauf hin, dass die Aufnahme auf dem Schießstand während des sportlichen Schießens erstellt worden sei und die fragliche Schießdisziplin vom Bundesverwaltungsamt anerkannt sei. Das lässt unberücksichtigt, dass das Verwaltungsgericht das Profilbild im Zusammenhang mit den aggressiven Äußerungen des Klägers bewertet hat. Es hat wesentliche Teile der rechtlichen Gründe des Senatsbeschlusses vom 8. Januar 2016 in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils teilweise wiedergegeben und so seine Auffassung unterstrichen, dass sich zugunsten des Klägers nichts aus dem Hinweis ergebe, mit dem er sein Facebook-Profil eingeleitet habe und dem zufolge seine Beiträge auf Facebook und anderswo als Satire zu verstehen seien. Eine derartige „salvatorische Klausel“, so das Verwaltungsgericht im Wege der Bezugnahme, sei schon deshalb nicht geeignet, den konkreten Erklärungsinhalt der Aufrufe zur Bewaffnung herabzuspielen, weil diese keinen erkennbar satirischen Charakter hätten. Das gelte umso mehr, als das Profilbild des Facebook-Auftritts den Kläger in kämpferischer Pose beim Abfeuern einer Pistole zeige (u.a. beidhändiger Anschlag, Mündungsfeuer).

Des Weiteren wird gerügt, das Verwaltungsgericht lege jegliche Äußerung des Klägers in einer nicht mehr vertretbaren Weise zu dessen Lasten aus. Das zeige sich an der Feststellung im angefochtenen Urteil, dass der Kläger mit seinem Vergleich zur Aufrüstung der Bundeswehr gleichsam das staatliche Gewaltmonopol in Frage stelle und sich Befugnisse zur eigenmächtigen Durchsetzung von Rechten anmaße.

Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht den im Klageverfahren gezogenen Vergleich des Klägers mit Politikern, die unter Hinweis auf eine geänderte Einsatz- und Bedrohungslage eine Aufrüstung der Bundeswehr fordern, zutreffend interpretiert hat. Jedenfalls führt der (verharmlosende) Vergleich des Klägers schon deshalb nicht weiter, weil die Äußerungen, die er auf seinem Facebook-Profil öffentlich gemacht hat, nach ihrem Inhalt und Gegenstand keinerlei Zusammenhang mit dem Verteidigungsauftrag der Bundeswehr und einer darauf bezogenen Aufrüstungsdebatte aufweisen.

Der Hinweis des Klägers auf diverse Anzeigen, mit denen für Pfefferspray zur Selbstverteidigung geworben wurde, ist ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts zu begründen. Die verfahrensgegenständlichen Äußerungen des Klägers haben ersichtlich einen anderen Charakter als die von ihm im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Werbeanzeigen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich schließlich nicht aus dem im Zusammenhang mit der Divergenzrüge formulierte Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht im Ergebnis die Auffassung vertreten, dass das Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung nicht berührt sei. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob die angegriffene behördliche Maßnahme in den Schutzbereich eingreift und zutreffend ausgeführt, die hier anzuwendenden Vorschriften des § 45 WaffG beschränkten in rechtmäßiger Weise das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 2 GG). Sie dienten der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und richteten sich damit weder gegen die Meinungsfreiheit als solche noch gegen eine bestimmte Meinung. Der Behörde sei es deshalb nicht verwehrt, aus Äußerungen des Klägers Rückschlüsse auf seine Zuverlässigkeit im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG zu ziehen.

1.2 Zu dem vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geht die Darlegung nicht über das hinaus, was zur Begründung der Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ausgeführt ist. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 27) ergeben sich daraus nicht.

1.3 Die vom Kläger behauptete grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72). Dem entspricht das Zulassungsvorbringen nicht. Es wird schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, die grundsätzliche Bedeutung im vorgenannten Sinn haben soll und fallübergreifend beantwortet werden könnte.

1.4 Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) wurde ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Neben der genauen Benennung des Gerichts und der zweifelsfreien Angabe seiner Divergenzentscheidung hätte der Kläger aufzeigen müssen, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze hätte er so einander gegenüber stellen müssen, dass die Abweichung erkennbar wird (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73). Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger behauptet das Verwaltungsgericht weiche mit dem angefochtenen Urteil von einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Januar 1990 (1 B 1.90) ab, ohne dass erkennbar ist, welchen entscheidungstragenden, divergierenden Rechtssatz das Verwaltungsgericht aufgestellt hat. Entsprechendes gilt, soweit mit dem Zulassungsantrag eine Divergenz zu den auszugsweise im Wortlaut wiedergegebenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 2016 (1 BvR 2844/13), vom 29. Juni 2016 (1 BvR 2732/15), vom 29. Juni 2016 (1 BvR 2646/15) und vom 24. Juli 2013 (1 BvR 444/13) behauptet wird.

1.5 Schließlich hat der Zulassungsantrag selbst dann keinen Erfolg, wenn der Einwand des Klägers, die Einholung eines Gutachtens hätte „auch im Falle der Annahme der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG angestanden“, als Aufklärungsrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) verstanden wird.

Mit der Rüge die unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens habe das Verwaltungsgericht gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, kann der anwaltlich vertretene Kläger schon deshalb nicht durchdringen, weil er in der mündlichen Verhandlungen keinen entsprechenden Beweisantrag im Sinn von § 86 Abs. 2 VwGO gestellt hat. Machen Beteiligte, die über rechtskundige Bevollmächtigte verfügen, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, erweist sich eine Aufklärungsrüge nur dann als begründet, wenn sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne förmlichen Beweisantrag aufdrängen musste (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 124 Rn. 13 m.w.N.). Dies ist weder vom Kläger substantiiert dargelegt worden noch sonst ohne Weiteres ersichtlich. Die Frage, ob bei dem Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird, erfordert grundsätzlich nicht die Hinzuziehung eines Sachverständigen. Das Gericht bewegt sich mit einer entsprechenden tatsächlichen Würdigung in der Regel in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Richter allgemein zugänglich sind (vgl. BVerwG, B.v. 9.1.1990 - 1 B 1.90 - juris Rn. 3 zum Fall eines wiederholt straffällig gewordenen Waffenbesitzers).

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Avs. 2 VwGO.

3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 18. Juli 2013 (abgedr. in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, ein bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger, seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 12. September 2016 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, ihm die Wiedereinreise auf drei Jahre untersagt und seine Abschiebung nach Italien angedroht wurde.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht, wie geltend gemacht, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind teilweise schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt, jedenfalls aber liegen sie nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124a Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16).

Die von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geforderte Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat (siehe dazu Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2018, § 124a Rn. 72 f.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 ff.).

Der Kläger geht bei seinen Ausführungen, warum der Klage nach seiner Meinung hätte stattgegeben werden müssen, allein auf den angefochtenen Bescheid der Beklagten ein, nicht aber auf die darauf bezogenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts.

Selbst wenn man den Vortrag zugunsten des Klägers dahin auslegt, dass er geltend machen will, das Verwaltungsgericht habe unrichtigen Tatsachenvortrag der Beklagten fehlerhaft gewürdigt, ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung.

Der Kläger beanstandet, im Ausweisungsbescheid werde behauptet, er sei gar nicht beschäftigt und habe seine Arbeitsstelle verloren. Dies entspreche jedoch offensichtlich nicht den Tatsachen. Auch wenn der Kläger im Strafverfahren behauptet haben sollte, dass er seine Arbeit verloren habe, um eine mildere Strafe zu erlangen, sei dies eine straflose Selbstbegünstigung.

Zutreffend ist insoweit lediglich, dass die Beklagte bei der Einsicht in die Strafakte das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten an das Amtsgericht vom 7. März 2016 vorgefunden hatte, in dem vorgetragen wurde, der Kläger habe aufgrund des Entzugs der Fahrerlaubnis seine Arbeit verloren, weshalb eine Reduzierung der Tagessatzhöhe beantragt werde. In der Stellungnahme im Anhörungsverfahren vom 19. Juli 2016 hatte der Kläger lediglich den ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 2014 vorgelegt. Daher hat die Beklagte in dem Bescheid vom 12. September 2016 den Verlust seiner Arbeitsstelle zugrunde gelegt, allerdings nur in einer Randfrage, nämlich mit der - im Übrigen zutreffenden - Bemerkung, dass sich aus dem vorgetragenen Arbeitsverhältnis kein gesetzlich umschriebenes Bleibeinteresse gemäß § 55 AufenthG ergebe. Belege, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers - entgegen der Behauptung im Strafverfahren - weiterhin fortbestand, wurden erst im Klageverfahren vorgelegt. Das Verwaltungsgericht hat das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses seiner Entscheidung zugrunde gelegt und in die Abwägung der Ausweisungs- und der Bleibeinteressen gemäß § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG eingestellt. Es ist dann allerdings - zu Recht - zu dem Ergebnis gekommen, dass das sich aus den Straftaten des Klägers und der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr ergebende Ausweisungsinteresse das „geringe Bleibeinteresse des Klägers, welches sich vor allem im wirtschaftlichen Interesse an einer Arbeitsstelle in Deutschland erschöpft“, überwiege.

2. Zur Darlegung der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts konkret zu benennen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, und es ist anzugeben, dass und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet. Es ist eine Begründung dafür zu geben, weshalb die Rechtssache an den entscheidenden Richter (wesentlich) höhere Anforderungen stellt als im Normalfall (Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2018, § 124a Rn. 75 m.w.N.).

Insoweit sind der Begründung des Zulassungsantrags keine Anhaltspunkte zu entnehmen und auch sonst nicht erkennbar.

3. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist eine bestimmte ober- oder höchstrichterlich noch ungeklärte Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren, ferner die Entscheidungserheblichkeit der betreffenden Frage im Berufungsverfahren aufzuzeigen sowie anzugeben, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Es ist dabei in Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung und Literatur darzulegen, in welchem Sinne und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist, dass das angefochtene Urteil auf der falschen Beantwortung der Frage beruht und warum es folglich erforderlich ist, dass sich das Oberverwaltungsgericht klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetze (Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, § 124a Rn. 76 m.w.N.).

Auch in dieser Hinsicht ist in der Begründung des Zulassungsantrags nichts dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.