Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Feb. 2018 - 10 ZB 17.2063

bei uns veröffentlicht am16.02.2018

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000, - Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 11. Januar 2017 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, seine Abschiebung in die Türkei aus der Haft oder der Unterbringung heraus angeordnet und für den Fall nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht wurde.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.). Die im weiteren geltend gemachten Zulassungsgründe der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache und ihrer grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO) sind bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 S. 4 VwGO; 2.).

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage gegen die Ausweisungsverfügung vom 11. Januar 2017 darauf gestützt, dass das persönliche Verhalten des Klägers auch gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und seine Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich sei (§ 53 Abs. 3 AufenthG). Der weitere Aufenthalt des Klägers gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung, weil er schwere Straftaten begangen habe. Das Verwaltungsgericht bezog sich dabei auf eine Reihe von Verurteilungen wegen Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten, so insbesondere durch Urteil des LG München I vom 7. Oktober 2011 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, beides am 5. Juni 2013 ausgesetzt zur Bewährung bis 11. Juli 2018, sowie durch weiteres Urteil desselben Gerichts vom 22. Februar 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren 6 Monaten (unter Einbeziehung der erstgenannten Verurteilung) u.a. wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das Verwaltungsgericht bezieht sich dabei auf Einzelheiten der Tatbegehung. Der bisherige positive Verlauf der Entziehungstherapie, wie er in der Stellungnahme der kbo vom 29. Mai 2017 dargestellt werde, relativiere die Wiederholungsgefahr nicht entscheidend; der Kläger habe sich jedenfalls noch nicht unter den realen Bedingungen eines Lebens in Freiheit für einen längeren Zeitraum straffrei bewährt. Die Ausweisung sei auch nicht unverhältnismäßig, weil das Ausweisungsinteresse angesichts des unsicheren Therapieerfolgs trotz der Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet und seiner weitgehenden Entwurzelung hinsichtlich der Türkei seine Bleibeinteressen überwiege.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Seine Ausführungen vermögen jedoch keine ernstlichen Zweifel in diesem Sinne zu begründen.

1.1 Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht von einem Fortbestand der Wiederholungsgefahr aus. Es übersehe die in der Stellungnahme vom 29. Mai 2017 dokumentierten Fortschritte des Klägers, die er in der Therapie während seiner Unterbringung gemacht habe. Es seien weder „Lockerungsmissbräuche“

geschehen noch lägen auffällige Drogen- oder Alkoholtests vor. Der Kläger habe inzwischen die Lockerungsstufe D erreicht, die es ihm erlaube, ab und an außerhalb der Einrichtung bei seiner Mutter zu nächtigen. Er arbeite schon seit 3. August 2017– zur Zufriedenheit des Arbeitgebers – als Hausmeister bei einer Gebäudetechnik-Firma außerhalb der Einrichtung und damit „nicht mehr im geschützten Rahmen“, ohne dass es zu neuen Straftaten gekommen sei. Es sei nach dem Bericht vom 29. Mai 2017 davon auszugehen, dass der Kläger „seine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen“ und damit auch die Erwartung eines künftigen drogen- und straffreien Lebens glaubhaft gemacht habe.

Mit seinem Vorbringen hat der Kläger die Bewertung des Verwaltungsgerichts, von ihm gehe auch weiterhin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen sind, wenn dem Ausländer – wie hier – ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zusteht. Denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (vgl. BayVGH, U.v. 28.3.2017 – 10 BV 16.1601 – juris Rn. 31). Weiterhin hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats (z.B. B.v. 3.5.2017 – 10 ZB 15.2310 – juris Rn. 14) die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen haben. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftaten, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist.

Bei Anlegung dieser Maßgaben und vor dem Hintergrund des Zulassungsvorbringens kann im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung nicht von einem Entfallen der Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Das vom Kläger in der Strafhaft (seit Mai 2015) und während der sich ab 9. August 2016 laufenden Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gezeigte Wohlverhalten und die für eine Verhaltensänderung sprechenden positiven Ansätze haben nur begrenzte Aussagekraft für sein Verhalten nach der Haftentlassung, weil er unter der Kontrolle der Therapieeinrichtung und unter dem Druck des Ausweisungsverfahrens stand und steht. Ein positives Verhalten in der Haft oder Unterbringung lässt nach ständiger Rechtsprechung des Senats noch nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 10 ZB 15.331 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 13.10.2017 – 10 ZB 17.1469 – juris Rn. 12). Vor diesem Hintergrund rechtfertigt auch der Umstand, dass sich der Kläger im Zeitpunkt dieses Beschlusses offenbar in der höchsten Lockerungsstufe (D) befindet, weshalb er außerhalb der Therapieeinrichtung einer Arbeit nachgeht sowie zu „Übernachtungsurlauben“ berechtigt ist, noch keine günstigere Gefahrenprognose.

Zwar bescheinigt die Stellungnahme der Therapieeinrichtung (kbo vom 29. Mai 2017) dem Kläger eine durchwegs positive Entwicklung (Therapiemotivation, Nachreifung der Persönlichkeit, Durchhaltevermögen). Dennoch heißt es in der zusammenfassenden Bewertung, dass „durch die Behandlung der Sucht und weitere Stabilisierung der Persönlichkeitsstruktur die Wiederholungsgefahr für erneute Delinquenz verringert werden“ könne und von „einer eher günstigen Behandlungsprognose aufgrund der… Therapie- und Abstinenzmotivation auszugehen“ sei. Diese zurückhaltenden Formulierungen belegen, dass vom Kläger – würde er ohne Hilfe der schützenden und kontrollierenden Hand der Therapieeinrichtung sein Leben gestalten müssen – nach wie vor die Gefahr der Begehung neuerlicher Straftaten ausgeht.

Es kommt hinzu, dass er zwar eine erste Drogentherapie in einer Entziehungseinrichtung gemäß § 64 StGB (Oktober 2011 bis Juni 2013) zunächst erfolgreich beendet hatte, woraufhin seine Reststrafe für fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt und die erste, mit Bescheid vom 16. Juli 2013 ausgesprochene Ausweisung im damaligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgehoben wurde; der Kläger wurde allerdings nach wenigen Monaten rückfällig, beging erneut Straftaten, die den Hintergrund des vorliegenden Streitverfahrens bilden, und konnte somit die in ihn gesetzte Erwartung, die Bewährungszeit straffrei zu überstehen, nicht rechtfertigen. Auf diesen auch für das Verwaltungsgericht zentralen Aspekt seiner Entscheidung geht die Zulassungsbegründung nicht ein, obwohl er weitere Zweifel an der Behauptung aufwirft, der Kläger werde nach Therapieabschluss ein straffreies Leben führen können. Gegen ein Entfallen der Wiederholungsgefahr spricht schließlich, dass der Kläger, der weder einen Schul- noch einen Ausbildungsabschluss besitzt, bisher niemals einer länger andauernden Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, sieht man einmal von einer einjährigen Beschäftigung in einem Lebensmittelmarkt unmittelbar nach Ende der Schulzeit ab (vgl. Stellungnahme d. kbo v. 29.5.2017, S. 2). Die schlechten Chancen für eine berufliche Integration auf dem freien Arbeitsmarkt wirken sich im Rahmen der Gefahrenprognose ebenfalls negativ aus.

1.2 Weiterhin trägt der Kläger zur Begründung ernstlicher Zweifel am angefochtenen Urteil vor, das Verwaltungsgericht habe seinen Status als faktischer Inländer „nicht geprüft und bedacht“ und daher sein besonders schutzwürdiges Bleibeinteresse „nicht ausreichend gewürdigt“. Die Abschiebung in ein Land, in dem seine für die Straftaten verantwortliche Drogensucht nicht ausgelöst worden sei, sei rechtswidrig. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass die Ausweisung Art. 8 EMRK verletze. In diesem Zusammenhang seien insbesondere der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet, seine fehlende kulturelle und familiäre Bindung zur Türkei und das Nichtbeherrschen der türkischen Sprache zu nennen. Diese Umstände seien zu Unrecht geringer gewichtet worden als die schwerwiegenden Straftaten.

Diese Ausführungen begründen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, denn sie stellen weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Das Ergebnis der Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Es hat deutlich gemacht, dass der Kläger aufgrund der seit Jahren bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit und der damit in Zusammenhang stehenden Straffälligkeit, der Schwere der Straftaten sowie der Tatausführungen immer noch eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, so dass seine aufgrund der Stellung als faktischer Inländer bestehenden Bleibeinteressen hinter das öffentliche Interesse an seiner Ausreise zurücktreten müssen. Auch die Schwierigkeiten, die dem Kläger im Falle seiner Übersiedelung in die Türkei dort begegnen werden, hat das Verwaltungsgericht thematisiert, ohne ihnen ein ausschlaggebendes Gewicht zuzumessen. Somit geht der Vorwurf an das Erstgericht, es habe die Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet und damit seine Stellung als faktischer Inländer nicht oder zumindest nicht ausreichend gewürdigt, ins Leere; es hat lediglich nicht die vom Kläger geforderte Abwägungsentscheidung getroffen. Die Annahme der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung wird mit dem Vorbringen nicht ernstlich in Zweifel gezogen.

2. Der Kläger führt im Zulassungsantrag weiter aus, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2017 sei zuzulassen, weil zudem die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO vorlägen. In der Begründung des Zulassungsantrags fehlen jedoch jegliche Darlegungen zu diesen Zulassungsgründen; dem Vorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, worin die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache liegen sollen oder welche Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären ist. Damit sind diese Gründe bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet. Daneben begehrt er die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis über ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht.

Der am 30. Juni 1996 in der Bundesrepublik Deutschland geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Seine Eltern leben bereits seit 1985 in Deutschland. Der Vater ist seit mehr als 20 Jahren als Industriereiniger bei der W. GmbH in B. beschäftigt. Der Kläger hat noch zwei 1994 und 1997 geborene Brüder. Er verließ 2011 nach der 8. Klasse die Hauptschule ohne Abschluss und verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die ihm 1997 erstmals erteilte Aufenthaltserlaubnis wurde in der Folge regelmäßig, zuletzt bis zum 24. Oktober 2014, verlängert.

Strafrechtlich trat der Kläger bisher insbesondere wie folgt in Erscheinung:

– Amtsgericht Altötting, Urteil vom 30.11.2010, rechtskräftig seit 8.12.2010, wegen Diebstahls geringwertiger Sachen, Erbringung von Arbeitsleistungen (30 Stunden gemeinnützige Arbeit)

– Verfügung der Staatsanwaltschaft Traunstein vom 12.12.2011, wegen Hehlerei, von der Verfolgung abgesehen nach § 45 Abs. 2 JGG

– Amtsgericht Altötting, Urteil vom 28.2.2012, rechtskräftig seit 28.2.2012, wegen Hausfriedensbruch in 5 Fällen und der Beihilfe zum Diebstahl, 1 Freizeit-/Jugendarrest

– Amtsgericht Altötting, Urteil vom 16.10.2012, rechtskräftig seit 24.10.2012, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer verbotenen Waffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe in Tatmehrheit mit Diebstahl geringwertiger Sachen in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, 7 Monate Jugendstrafe (Bewährungszeit 2 Jahre)

– Amtsgericht Mühldorf a. Inn - Jugendschöffengericht, Urteil vom 1.7.2014, rechtskräftig seit 15.10.2014, wegen Diebstahls in fünf tatmehrheitlichen Fällen, hiervon in zwei versuchten Fällen jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten (unter Einbeziehung der Verurteilung des Amtsgerichts Altötting vom 16.10.2012)

– Amtsgericht Laufen, Urteil vom 19.1.2016, rechtskräftig seit 19.1.2016, wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Mittäterschaft, Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren 8 Monaten (unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Mühldorf vom 1.7.2014).

Der Verurteilung des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn vom 1. Juli 2014 lag zur Überzeugung des Jugendschöffengerichts zugrunde, dass der Kläger und vier weitere Angeklagte bzw. anderweitig Verfolgte im Zeitraum September 2013 bis Januar 2014 teilweise alleine, teilweise aufgrund gemeinsamen Tatplans und Zusammenwirkens in Kindergärten, Schulen und weitere Gebäude im Landkreis A. einbrachen, um dort Waren und Geld zu entwenden. Dadurch hätten sie sich eine eigene Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschafft; teilweise hätten sie dabei Brecheisen, einen Maurerhammer und einen Schraubendreher verwendet.

Der Verurteilung durch das Amtsgericht Laufen lag zur Überzeugung des Jugendschöffengerichts zugrunde, dass der Kläger und sein Mitangeklagter während des laufenden Vollzugs in der Justizvollzugsanstalt Laufen-Lebenau aufgrund eines gemeinsamen Plans bei einem Freigang des Mitangeklagten am 19. Juli 2015 von einer unbekannten dritten Person ein Gramm Marihuana erworben und es anschließend teilweise selbst konsumiert, teilweise an Mithäftlinge zum Konsum weitergegeben haben.

Der Kläger befand sich bis 22. August 2016 (Aussetzung des Strafrestes der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Laufen vom 19. Januar 2016 auf Bewährung durch Beschluss des Amtsgerichts Neuburg a. d. Donau - Strafvollstreckungsgericht - vom 21. Juli 2016 nach § 88 JGG) in der Justizvollzugsanstalt Neuburg-Herrenwörth in Haft.

Aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilungen wurde der Kläger vom Beklagten mehrfach, letztmals mit Schreiben vom 14. Januar 2013, ausländerrechtlich verwarnt.

Nach vorheriger Anhörung wies der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 30. Dezember 2015 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1. des Bescheids), lehnte seinen Antrag vom 18. September 2014 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 2.), stellte das Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach dem ARB 1/80 fest und lehnte gleichzeitig seinen Antrag vom 12. Mai 2015 auf Ausstellung einer Bescheinigung über das assoziationsrechtliche Daueraufenthaltsrecht ab (Nr. 3.). Weiter wurde die Abschiebung des Klägers unmittelbar aus der Strafhaft angeordnet (Nr. 4.) sowie für den Fall der Undurchführbarkeit und der nicht fristgerechten Ausreise binnen eines Monats ab Haftentlassung die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Nr. 5. und 6.). Die Wiedereinreise und der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland wurden dem Kläger (zunächst) für die Dauer von fünf Jahren, beginnend ab der Ausreise, untersagt (Nr. 7.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ausweisung des Klägers, der über seinen Vater eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben habe, erfolge (allein) aus spezialpräventiven Gründen im Wege einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG in Verbindung mit Art. 14 ARB 1/80. Der Kläger sei der Polizei seit dem Alter von zwölf Jahren als sogenannter „jugendlicher Intensivstraftäter“ mit derzeit 15 polizeilichen Anzeigen und vier strafrechtlichen Verurteilungen bekannt. Die Delikte reichten von Sachbeschädigung über Ladendiebstahl bis hin zu gefährlicher Körperverletzung, unerlaubtem Besitz und Führen einer verbotenen Waffe und schließlich Diebstahl in fünf tatmehrheitlichen Fällen. Der Kläger habe sich von früheren Verurteilungen und selbst einer verhängten Bewährungsstrafe unbeeindruckt und eine kriminelle Energie von einem Ausmaß gezeigt, so dass bei ihm auch künftig weitere schwerwiegende Straftaten, die Grundinteressen der Gesellschaft berührten, zu befürchten seien. Die Ausweisung sei auch nach einer Interessenabwägung unter Beachtung der durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Interessen ermessensgerecht und verhältnismäßig.

Die auf Aufhebung des Bescheids vom 30. Dezember 2015 und Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 zu erteilen und ihm eine Bescheinigung über sein Daueraufenthaltsrecht auszustellen, gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. April 2016 abgewiesen. Gemessen an den zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts geltenden Regelungen des Aufenthaltsgesetzes in der seit 1. Januar 2016 gültigen Fassung erweise sich die Ausweisung des Klägers nach § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG als rechtmäßig, weil auch gegenwärtig die Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten bestehe und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich sei. Das Gericht sei zur Überzeugung gelangt, dass nach dem Gesamtbild des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden müsse, dass er erneut (schwerwiegende) Straftaten begehen werde und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG darstelle. Die erhebliche kriminelle Energie des Klägers zeige sich darin, dass er schon als strafunmündiges Kind polizeilich in Erscheinung getreten und seit seiner Strafmündigkeit insgesamt fünfmal strafrechtlich verurteilt worden sei. Der Kläger habe sich weder durch vorangegangene Verurteilungen noch ausländerrechtliche Verwarnungen von weiteren Straftaten abhalten lassen und zuletzt selbst während der Verbüßung der Haftstrafe eine Betäubungsmittelstraftat begangen. Die Jugendgerichte hätten ihm bereits schädliche Neigungen attestiert. Ein grundlegendes Umdenken im Sinne einer Nachreifung des Klägers habe auch während des Strafvollzugs nicht stattgefunden. Vielmehr sei der Kläger während der Haft mehrfach disziplinarisch auffällig geworden. Er habe keinen Schulabschluss; ob er seine Schlosserausbildung abschließen werde, sei derzeit offen. Hinzu komme das ungeklärte Drogenproblem, dessen Fortbestehen sich insbesondere im Marihuana-Konsum in der Justizvollzugsanstalt zeige. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Eltern ihren nunmehr erwachsenen Sohn künftig „in den Griff“ bekommen würden. Zudem sei nicht zu erwarten, dass sich der Kläger nach seiner Haftentlassung dauerhaft von seinem Freundeskreis und der Gruppe „gleichaltriger delinquenter Heranwachsender“ lösen werde. Dabei verkenne das Gericht die vom Kläger im Strafvollzug gezeigten positiven Ansätze nicht. Eine Bereitschaft, sich nunmehr nachhaltig von seinem bisherigen Verhalten zu distanzieren, könne die Kammer allerdings nicht erkennen.

Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Interessenabwägung ergebe ein überwiegendes Ausweisungsinteresse. Zwar stehe einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG aufgrund der assoziationsrechtlichen Rechtsstellung und des bisherigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet auch ein besonders schwerwiegendes, wenn auch in seinem Fall nicht gesetzlich vertyptes Bleibeinteresse gegenüber. Gleichwohl falle die anzustellende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG zu Ungunsten des Klägers aus. Er sei zwar ein so genannter „faktischer Inländer“, der in der Bundesrepublik geboren und aufgewachsen sei und hier seine wesentliche Prägung und Entwicklung erfahren habe. Seine enge Bindung zu den Eltern komme insbesondere auch in deren regelmäßigen Besuchen in der Justizvollzugsanstalt zum Ausdruck. Demgegenüber stünden jedoch die besonders intensive Straffälligkeit und die ungeklärte Drogenproblematik. So hätten den Kläger weder eine Bewährungsstrafe noch die erstmalige Inhaftierung beeindrucken und zu einem straffreien Leben bewegen können. Gerade unter dem Eindruck von Drogen und deren enthemmender Wirkung sei die vom Kläger ausgehende Gefahr für die geschützten Rechtsgüter - insbesondere die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum - als besonders hoch einzuschätzen. Demgemäß stelle sich zur Überzeugung des Gerichts die Ausweisung nach Abwägung aller Umstände auch mit Blick auf Art. 6 GG und die strengen Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK als verhältnismäßig dar. Von einem jugendtypischen Augenblicksversagen könne bei ihm keine Rede sein. Der Kläger besitze noch Bindungen zu seinem Herkunftsland und beherrsche die türkische Sprache.

Demgemäß seien auch die weiteren Verfügungen des Beklagten in den Nummern 3. bis 7. des angefochtenen Bescheids rechtmäßig. Durch die Ausweisung sei die assoziationsrechtliche Rechtsposition des Klägers erloschen; die Abschiebungsanordnung und die Abschiebungsandrohung seien rechtlich nicht zu beanstanden. Die im angegriffenen Bescheid verfügte Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf fünf Jahre begegne ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die festgesetzte Sperrfrist erscheine angesichts des vom Kläger ausgehenden hohen Gefahrenpotenzials angemessen.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Er habe während seiner Strafhaft die Ausbildung zum Schlosser fortgesetzt. Das Strafvollstreckungsgericht habe aufgrund der positiven persönlichen Entwicklung bei ihm keine aktuelle Gefahr mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gesehen und die weitere Vollstreckung seiner Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Demgemäß befinde er sich seit 22. August 2016 nicht mehr in Haft. Er habe nunmehr die Möglichkeit, die Ausbildung bei seinem Lehrbetrieb fortzusetzen. Er habe während des Strafvollzugs erfolgreich an einer Suchtberatung und an Gesprächen im Rahmen einer Drogengruppe teilgenommen. Die gute Entwicklung während der Haft zeige, dass die Straffälligkeit dem falschen Freundeskreis geschuldet gewesen sei. Dies habe er eingesehen und halte sich nunmehr von diesen Freunden fern. Das Verwaltungsgericht habe die Anforderungen an die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen nicht hinreichend beachtet und insbesondere die für den Kläger sprechenden Umstände nicht ausreichend gewürdigt. Dass von ihm keine Gefahren mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, werde durch seine vorzeitige Haftentlassung und die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung bestätigt. Zudem sei die Ausweisung des in Deutschland geborenen und hier ununterbrochen lebenden Klägers offensichtlich unverhältnismäßig. Ihm sei die Trennung von seiner in Deutschland lebenden Familie nicht zuzumuten. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Kläger im türkischen Kulturkreis fest verwurzelt sei. Die Türkei kenne er lediglich als Urlaubsland.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. April 2016 den Bescheid des Beklagten vom 30. Dezember 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG zu erteilen und ihm eine Bescheinigung über sein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht auszustellen,

hilfsweise über die Sperrfrist unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu (d.h. unter Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist) zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Weder aus der Aussetzung des Rests der Jugendstrafe nach § 88 JGG noch aus den Ausführungen in der Berufungsbegründung ergäben sich durchgreifende Bedenken gegen die Richtigkeit der überzeugenden erstinstanzlichen Entscheidung. Der Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts Neuburg a. d. Donau vom 21. Juli 2016 enthalte keine über den Wortlaut des § 88 Abs. 1 JGG hinausgehende Begründung, aus der nachvollzogen werden könnte, welche Erwägungen für die positive Prognose tragend seien. Eine weitergehende tatsächliche Indizwirkung entfalte diese Entscheidung nicht. Im Übrigen könne noch nicht davon gesprochen werden, dass sich der Kläger über einen längeren Zeitraum in Freiheit bewährt habe. Ob bei ihm eine Fortsetzung der während der Haft begonnenen Ausbildung möglich sei, sei derzeit völlig offen. Er habe auch nicht wie behauptet erfolgreich an einer Suchtberatung und Gesprächen im Rahmen einer Drogengruppe teilgenommen. Die geltend gemachte gute Entwicklung während der Haft werde schon durch seine Verurteilung durch das Amtsgericht Laufen vom 19. Januar 2016 eindeutig widerlegt. Nicht zutreffend sei auch die Behauptung, er habe sich in der Justizvollzugsanstalt ohne größere disziplinarische Auffälligkeiten geführt. Der Kläger sei zwar „faktischer Inländer“, eine nachhaltige Integration in die deutschen Lebensverhältnisse sei ihm jedoch nicht gelungen. Er beherrsche die türkische Sprache und habe sich in den Ferien nach eigenen Angaben zu Besuch bei Verwandten in der Türkei aufgehalten. Zudem besitze er in dort lebenden Verwandten eine familiäre Anlaufstelle.

Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2016 teilte der Beklagte noch mit, dass der Kläger durch sein Verhalten (Rasur der Haare, nachträgliche Wasserzugabe zum Urin) wohl bewusst ein bei ihm vorgeschriebenes Drogenscreening unterlaufen habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde die gemäß § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG zu bestimmende Sperrfrist vom Beklagtenvertreter angesichts der bisherigen Entwicklung des Klägers nach der Haft und der dabei gezeigten positiven Ansätze nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens auf nunmehr drei Jahre festgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, die Behördenakten sowie die Strafakten (in Auszügen) verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die im Hauptantrag auf Aufhebung des Bescheids vom 30. Dezember 2015 und Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG zu erteilen und eine Bescheinigung über sein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht auszustellen, gerichtete Klage ist ebenso unbegründet wie das Hilfsbegehren des Klägers, den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zur erneuten Entscheidung über die Sperrfrist (d.h. unter Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist) zu verpflichten. Die im streitbefangenen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers ist gemessen an den im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; 1.). Demzufolge hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG und Ausstellung einer Bescheinigung über sein assoziationsrechtliche Daueraufenthaltsrecht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO; 2.). Keinen Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) weist schließlich die durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs geänderte Befristung der Wirkungen des aus der Ausweisung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise auf, weshalb auch das hilfsweise beantragte Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergehen kann (3.).

1. Die gegen die Ausweisung gerichtete Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) des Klägers hat keinen Erfolg.

1.1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Ausweisung (und der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung) ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Berufungsgerichts (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 13.1982 - juris Rn. 27).

1.2. Die im Bescheid des Beklagten vom 30. Dezember 2015 verfügte Ausweisung des Klägers ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs gemessen an den Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung (1.2.1.) rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; 1.2.2.).

1.2.1. Die streitbefangene Ausweisung ist an dem seit der Rechtsänderung am 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsrecht zu messen und durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar. Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung (§ 55 Abs. 1 AufenthG a.F. i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80) wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen. Er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U.v. 8.12.2011 - Rs. C-371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten, weshalb bei einer Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, Art. 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (stRspr, vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 13.1982 - juris Rn. 29 f. m.w.N.).

1.2.2. Daran gemessen erweist sich die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig.

Dem Kläger stand zwar unstreitig ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 als Familienangehörigen seines seit mehr als 20 Jahren dem regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland angehörenden Vaters zu. Sein persönliches Verhalten stellt jedoch gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland berührt (1.2.2.1.). Die gebotene (umfassende) Abwägung des öffentlichen Ausweisungsinteresses mit den privaten Interessen des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG) führt nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zum Ergebnis, dass die Ausweisung auch für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (§ 53 Abs. 3 AufenthG; 1.2.2.2.).

1.2.2.1. Die den Verurteilungen des Klägers insbesondere wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Diebstahls (in fünf tatmehrheitlichen Fällen) zu Grunde liegenden Verstöße (auch) gegen die durch die Grundrechte - hier: Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG, Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG - errichtete objektive Wertordnung (mit den damit verbundenen staatlichen Schutzpflichten; vgl. z.B. BVerfG, B.v. 4.5.2011 - 1 BvR 1502/08 - juris Rn. 37) stellen einen hinreichend schweren Ausweisungsanlass dar, der über die mit jedem Rechtsverstoß verbundene Störung der öffentlichen Ordnung deutlich hinausgeht und ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Das hinreichende Gewicht der vom Kläger begangenen (Anlass-)Straftaten hat das Verwaltungsgericht zu Recht darin gesehen, dass der Kläger die Diebstähle im Rahmen einer gleichsam bandenmäßig organisierten Einbruchsserie in Kindergärten, Schulen und andere Gebäude mit erheblichen Sach- und Beuteschäden begangen und dabei auch nach den Feststellungen des Strafgerichts eine erhebliche kriminelle Energie bewiesen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 13.1982 - juris Rn. 32). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH a.a.O.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 31; U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B.v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris Rn. 11). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Nach diesen Maßstäben teilt der Senat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs trotz vom Kläger gezeigter positiver Ansätze nach der Entlassung aus der Strafhaft die vom Beklagten gleichwohl aufrechterhaltene Prognose einer hinreichenden Rückfallgefahr hinsichtlich Gewalt- bzw. Körperverletzungsdelikte und gravierender Eigentumsdelikte.

Der Kläger ist seit dem Alter von zwölf Jahren immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten und seit seiner Strafmündigkeit fünfmal strafgerichtlich verurteilt worden. Er hat sich dabei bei zunehmender Rückfallgeschwindigkeit von bisherigen Strafmaßnahmen und auch ausländerrechtlichen Verwarnungen unbeeindruckt gezeigt und die zuletzt abgeurteilten Einbruchsdiebstähle innerhalb seiner noch offenen Bewährungszeit begangen. Sogar während seiner Haftzeit hat er, wenn auch nur in einer sehr geringen Menge und im Wesentlichen zum Eigenkonsum, in Mittäterschaft Marihuana erworben, dadurch den Straftatbestand des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verwirklicht und nach den Feststellungen des Amtsgerichts L. die bei ihm bereits früher festgestellten schädlichen Neigungen neuerlich bestätigt. Beim Kläger mussten während seiner Haftzeit in der Justizvollzugsanstalt Laufen-Lebenau insgesamt sieben Disziplinarmaßnahmen (mit Verbüßung von insgesamt 5 Tagen Arrest) unter anderem wegen Betriebsstörung, Beleidigung und Bedrohung sowie tätlicher Auseinandersetzung mit Gefangenen vollzogen werden. Auch während der anschließenden Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Neuburg-Herrenwörth ist der Kläger disziplinarisch unter anderem wegen Beleidigung eines Mitgefangenen und Provozierens einer körperlichen Auseinandersetzung geahndet worden. Dementsprechend hat der Anstaltsleiter in seiner Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht vom 13. April 2016 den Haftverlauf beim Kläger als „ambivalent“ bezeichnet und abschließend festgestellt, die Sozialprognose sei nur dann als günstig zu erachten, wenn er die Drogentherapie erfolgreich durchlaufe, seine Ausbildung abschließe und sich konsequent von der Gruppe gleichaltriger, delinquenter Heranwachsender fernhalte. Keine dieser Voraussetzungen hat er jedoch bisher nachweislich erfüllt. Seine Abkehr vom bisherigen delinquenten und im Wesentlichen drogensüchtigen Freundeskreis hat der Kläger, der nach seiner Haftentlassung wieder in dasselbe Umfeld seiner Heimatstadt zurückgekehrt ist, zwar in der mündlichen Verhandlung nochmals beteuert. Gleichwohl ist der Senat auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Kläger nicht von einem grundlegenden Einstellungswandel überzeugt. Auch ist nicht ersichtlich, dass seine Eltern im Gegensatz zu früher nunmehr auf ihn den offensichtlich erforderlichen Einfluss und die nötige stabilisierende Wirkung haben. So soll der betrunkene Kläger nach der Sachverhaltsschilderung der telefonisch gerufenen Beamten der zuständigen Polizeiinspektion am 10. Oktober 2014 mit einem Messer auf seine Familie losgegangen sein, wobei eine weitere Klärung dieses Geschehens durch die Polizeibeamten in der Familie dann aber letztlich nicht möglich war.

Dieser Gefahrenprognose steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht Neuburg a.d. Donau (Strafvollstreckungsgericht) mit Beschluss vom 21. Juli 2016 den Rest der Einheitsjugendstrafe beim Kläger von zwei Jahren acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts L. vom 19. Januar 2016 nach § 88 JGG zur Bewährung ausgesetzt hat, weil er einen Teil der Strafe verbüßt habe und dies im Hinblick auf seine Entwicklung, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden könne. Zwar kommt Strafaussetzungsentscheidungen für die behördliche und verwaltungsgerichtliche Sachverhaltswürdigung und die Beurteilung der Wiederholungsgefahr grundsätzlich eine erhebliche indizielle Bedeutung zu (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.1.2017 - 10 ZB 16.1778 - juris Rn. 7 m. Rspr-nachweisen). Im Fall des Klägers bestehen aber gewichtige Gründe, die ein Abweichen von dieser rechtlich ohnehin nicht bindenden Einschätzung rechtfertigen. Objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte oder Gründe für die strafrichterliche Prognose beim Kläger sind aus dem Aussetzungsbeschluss vom 21. Juli 2016 nicht ersichtlich. Der Beklagte hat demgegenüber zutreffend auf den beim Kläger im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen und Verurteilungen festgestellten hohen Alkohol- und Drogenkonsum hingewiesen, der aufgrund der enthemmenden Wirkung bei dessen Straftaten auch nach Angaben des Klägers eine wesentliche Rolle gespielt hat. Im Aussetzungsbeschluss vom 21. Juli 2016 werden ihm für die Bewährungszeit von drei Jahren u.a. die Teilnahme an Beratungsgesprächen (für Suchtprobleme) und nach Weisung des Bewährungshelfers durchzuführende Drogenscreenings als Weisungen auferlegt. Der Kläger bezieht sich zwar insoweit auf vier von ihm bisher absolvierte Drogenberatungsgespräche sowie zwei bei ihm auf Veranlassung des Gesundheitsamts durchgeführte Drogentests (am 14.11. und 19.12.2016), die keine einschlägigen Befunde ergeben haben. Demgegenüber macht der Beklagte jedoch zu Recht geltend, dass durch die Beratungsgespräche die Drogenproblematik (nicht Drogensucht) beim Kläger noch nicht hinreichend behandelt worden ist und die Umstände bei dem am 14. November 2016 durchgeführten Drogentest (mutmaßliche Vereitelung der Haarprobe sowie Auffälligkeiten beim Urintest) jedenfalls die diesbezüglichen Befunde ernstlich infrage stellen. Auch wenn das Strafvollstreckungsgericht unter Resozialisierungsgesichtspunkten eine vorzeitige Entlassung aus der Haft unter näher bestimmten Weisungen (d.h. Auflagen) als verantwortbar angesehen hat, ist ausländerrechtlich bei der hier maßgeblichen längerfristigen Prognose, ob dem Kläger - auch über die Bewährungszeit hinaus - ein (straffreies) Leben ohne erneute Gewalt- bzw. Körperverletzungsdelikte und gravierende Eigentumsdelikte gelingen wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19), derzeit eine positive Prognose nach alledem nicht möglich.

Dass der Kläger inzwischen entsprechend einer weiteren Weisung im Aussetzungsbeschluss des Strafvollstreckungsgerichts bei der Firma W. Produktionsservice GmbH einer geregelten Arbeit als Industriehelfer nachgeht und ausweislich der Bestätigung dieser Firma dort ab Herbst dieses Jahres eine Lehre als Industriemechaniker beginnen könnte, ist zwar unstreitig ein positiver Bewährungsansatz, als solcher aber ebenfalls noch nicht ausreichend, um einen glaubhaften Einstellungswandel und ein Umdenken bzw. eine Nachreifung des Klägers annehmen zu können.

1.2.2.2. Die Ausweisung ist auch im Sinne des § 53 Abs. 3 AufenthG für die Wahrung des hier betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich.

Im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit ist zu beachten, dass die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, wobei sämtliche konkreten Umstände, die für die Situation des Betroffenen kennzeichnend sind, zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, U.v. 3.2.2015 - 10 BV 13.421 - juris Rn. 77 m.w. Rspr-nachweisen). Danach ist die Ausweisung des Klägers auch nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs unerlässlich, weil die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 2 Abs. 1 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt, dass das Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Ausreise nachrangig ist. Das Verwaltungsgericht ist unter Berücksichtigung der hier verwirklichten typisierten Ausweisungs- und Bleibeinteressen (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG einerseits und § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in entsprechender Anwendung andererseits) bei der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmenden Interessenabwägung (s. § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG) zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitbefangene Ausweisung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch wahrt. Dabei hat das Erstgericht zutreffend zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass er so genannter „faktischer Inländer“ ist, sein gesamtes Leben hier verbracht und seine wesentliche Prägung und Entwicklung in der Bundesrepublik erfahren hat. Auch die enge Bindung des inzwischen volljährigen Klägers zu seinen Eltern, bei denen er nach wie vor lebt, und sein Recht auf Privatleben nach Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK hat das Verwaltungsgericht bei der Abwägung als erhebliche und gewichtige Interessen für einen weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet gewürdigt. Das gleichwohl überwiegende Ausweisungsinteresse hat das Verwaltungsgericht, auf dessen ausführliche und überzeugende Begründung Bezug genommen wird, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vor allem in der sich über einen langen Zeitraum erstreckenden intensiven Delinquenz des Klägers (auch) jenseits bloßer Bagatelldelikte und mit steigender Rückfallgeschwindigkeit sowie in der ungelösten bzw. unbehandelten Drogenproblematik gesehen. Die im bisherigen Verhalten des Klägers zum Ausdruck kommende dauerhafte Missachtung der Rechtsordnung in Verbindung mit der offensichtlich enthemmenden Wirkung des Konsums von Marihuana und Alkohol gerade auch innerhalb seines (ebenfalls delinquenten) Freundeskreises hat das Verwaltungsgericht zu Recht zu der Annahme geführt, dass vom Kläger auch nach Haftende eine besonders hohe Gefahr für gewichtige Rechtsgüter Dritter wie insbesondere die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) ausgeht. Der Verweis des Klägers, der (noch) während des Strafvollzugs aufgrund seiner gezeigten Aggressivität mehrfach disziplinarisch geahndet werden musste und trotz Teilnahme an Drogenberatungsgesprächen in der Haft wieder Marihuana konsumiert hat, er sei nun auf „einem guten Weg“ und die Drogenproblematik bestehe inzwischen nachweislich nicht mehr, überzeugt den Senat aus den bereits oben (zur Gefahrenprognose) dargelegten Gründen nicht. Die weisungsgemäße Arbeitsaufnahme und zwei durchgeführte Drogentests sind bei dem noch am Anfang seiner Bewährungszeit stehenden Kläger kein hinreichender oder überzeugender Beleg für einen grundlegenden Einstellungswandel und eine nachhaltige Abkehr von seiner langjährigen Straffälligkeit. Auch die Angaben des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vaters des Klägers, sein Sohn habe sein Verhalten insofern stark verändert, als er sich außerhalb der Arbeit überwiegend zu Hause oder bei seiner Freundin aufhalte und nicht mehr so häufig wie früher weggehe, wertet der Senat nicht in dem zuletzt genannten Sinne. Schließlich hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass von einer gelungenen sozialen Integration des Klägers im Bundesgebiet bisher nicht gesprochen werden kann. Bei ausreichenden türkischen Sprachkenntnissen und bestehenden familiären und sozialen Bindungen des Klägers in die Türkei ist davon auszugehen, dass er als gesunder arbeitsfähiger junger Mann gegebenenfalls auch mit wirtschaftlicher Unterstützung seiner Familie dort zurechtkommen kann, so dass die Aufenthaltsbeendigung auch insofern nicht unzumutbar ist. Deshalb ist die Ausweisung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, weil verhältnismäßig.

2. Ist nach alledem die assoziationsrechtliche Rechtsposition des Klägers nach Art. 7 ARB 1/80 durch die im Einklang mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 und § 53 Abs. 3 AufenthG stehende Ausweisungsverfügung des Beklagten erloschen, besteht auch der mit der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO) geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG und Ausstellung einer Bescheinigung über sein assoziationsrechtliche Daueraufenthaltsrecht nicht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

3. Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist gemäß § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG als die zuletzt durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nachträglich verfügte Frist von drei Jahren. Mit Blick auf die voraussichtlich bestehende Gefahr, dass der Kläger weitere Körperverletzungs- und gravierende Eigentumsdelikte begehen wird, und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1 GG) und Vorgaben aus Art. 8 EMRK ist die festgesetzte Sperrfrist von drei Jahren jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft, weil sie einen adäquaten Ausgleich zwischen dem Präventionszweck und den für den Kläger streitenden Bleibeinteressen vornimmt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 10. April 2015 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und seine Abschiebung in die Türkei angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht wurde. Das Verwaltungsgericht hat mit dem Urteil vom 29. September 2015 zwar die in dem Bescheid ebenfalls enthaltene Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung aufgehoben, die Klage aber im Übrigen abgewiesen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Hinsichtlich der noch im Schriftsatz vom 16. Oktober 2015 aufgeführten weiteren Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 VwGO hat der Kläger zur Begründung nichts mehr vorgetragen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a.F.) für rechtmäßig erachtet.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer zwingenden Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG (a.F.) seien wegen der rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers erfüllt. Es brauche nicht abschließend geklärt zu werden, ob der Kläger als türkischer Staatsangehöriger ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht und damit den besonderen Ausweisungsschutz nach ARB 1/80 genieße, denn die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung sei auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden. Aufgrund des persönlichen Verhaltens des Klägers liege eine schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor, es bestehe eine gegenwärtige Gefahr weiterer Straftaten.

Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen Art. 8 EMRK. Der Kläger könne als sog. faktischer Inländer nur unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes des Art. 8 EMRK ausgewiesen werden, doch führe die vorzunehmende Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis, dass der Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens als gerechtfertigt und verhältnismäßig anzusehen sei.

2. Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. auch BVerwG, B.v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744).

Der Senat hat daher das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 29. September 2015 unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens - mangels entgegenstehender Übergangsregelung - anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung zu überprüfen. Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ausweisung ist nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Wenn man - mit dem Verwaltungsgericht - zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass ihm ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/ Türkei zusteht, darf er gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

3. Mit seinem Vorbringen hat der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei rechtmäßig, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung, im Ergebnis nicht ernsthaft im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Zweifel gezogen.

a) Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es sich bei ihm um einen „assoziationsrechtlich privilegierten türkischen Staatsbürger“ handle, trifft dies so nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage - mit der Bemerkung, dass für diese Rechtsstellung „einiges spricht“ - offengelassen, weil die getroffene Ermessensentscheidung auch diesen Anforderungen entspreche.

Dieses vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis trifft auch unter Anwendung der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung weiterhin zu. Zunächst ist insoweit festzustellen, dass die vom Aufenthalt des Ausländers ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nunmehr im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ausweisung nach § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG zu prüfen ist.

b) Entgegen den Ausführungen in der Zulassungsbegründung und auch unter Berücksichtigung der seit dem erstinstanzlichen Urteil eingetretenen Entwicklungen ist auch unter Anwendung des § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG weiterhin davon auszugehen, dass von dem vom Kläger zu erwartenden persönlichen Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ausgeht. Der Kläger hat diese Gefahrenprognose in seiner Zulassungsbegründung nicht durchgreifend in Frage gestellt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Im Fall des Klägers bestehen Gefahren für Rechtsgüter von hohem Rang, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren. Er ist wegen einer Vielzahl von Gewalt- und Eigentumsdelikten zuletzt mit Urteil vom 11. März 2013, unter Einbeziehung bereits früher verhängter Strafen, zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

Das Verwaltungsgericht hat in seiner Gefahrenprognose entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger seit seiner Jugend massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Er sei bereits zehnmal strafrechtlich geahndet worden, unter anderem wegen Straftaten aus dem Bereich der Körperverletzungs- und Diebstahlsdelikte, und werde bei der Polizei als jugendlicher Intensivtäter geführt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts wiegt schwer, dass sich bei ihm eine erschreckende Skrupellosigkeit und in den Taten zum Ausdruck kommende Aggressivität manifestiert habe, die er nicht aufzuarbeiten bereit sei. Er habe in der Vergangenheit wiederholt ohne vorangegangene Provokation andere Personen massiv geschlagen und verletzt. Das Amtsgericht sei schon in seinem Urteil vom 13. September 2012 nachvollziehbar zu der Erkenntnis gekommen, dass die Defizite des völlig haltlosen Angeklagten so gravierend seien, dass auf ihn im Rahmen des Strafvollzugs länger eingewirkt werden müsse. Das Strafvollstreckungsgericht habe mit Beschluss vom 9. März 2015 den Antrag auf Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt, da unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine vorzeitige Haftentlassung nicht verantwortet werden könne, insbesondere weil seine Sucht- und Gewaltproblematik nach wie vor nicht behandelt sei. Eine Behandlung der Delikts- und Persönlichkeitsproblematik habe aus disziplinarischen Gründen nach kurzer Zeit abgebrochen werden müssen. Er habe während der Haft an keinem Anti-Gewalt- oder Anti-Aggressions-Training teilgenommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe er zwar angegeben, dass er dies nach Haftentlassung nachholen werde, die Kammer habe aber nicht zu der Überzeugung gelangen können, dass er therapiewillig sei. Es sei keine Einsichtsfähigkeit in sein Handeln erkennbar gewesen, sondern vielmehr die Tendenz, seine Straftaten zu bagatellisieren. Nach ihrem Eindruck in der mündlichen Verhandlung gehe die Kammer davon aus, dass sein Vorbringen, die Gewaltproblematik nach seiner Haftentlassung angehen zu wollen, unter dem Eindruck der drohenden Ausweisung und nicht aufgrund eigener Einsicht erfolgt sei. Es sei deshalb nicht zu erkennen, dass die Inhaftierung beim Kläger zu einer Verhaltensänderung geführt habe. Während seiner Inhaftierung sei er zwanzig Mal disziplinarisch gemaßregelt worden, unter anderem weil er gegenüber Mitgefangenen Gewalt ausgeübt habe. Der Kläger habe durch sein wiederholtes massives strafbares Verhalten gezeigt, dass die erzieherischen Maßnahmen des Jugendstrafrechts und auch die sozialtherapeutischen Maßnahmen während seiner Jugend nicht gefruchtet hätten. Die Prognose verschlechtere sich zudem dadurch, dass der Kläger noch keine Ausbildung begonnen habe. Er habe keine berufliche Perspektive für die Zeit nach seiner Haftentlassung. Zwar habe er in der Haft den „Grundlehrgang Bau“ abgeschlossen, sich jedoch nicht um einen Ausbildungsplatz nach der Haft bemüht. Die Kammer habe aufgrund der Gesamtumstände keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine Ankündigung in der mündlichen Verhandlung, sich nach seiner Haftentlassung um einen Ausbildungsplatz bemühen zu wollen, auch in die Tat umsetzen werde. Die Kammer könne nach alldem nicht erkennen, dass der Kläger ernsthaft gewillt und bemüht sei, sein Leben nach seiner Haftentlassung zu ändern. Es stehe aufgrund der fehlenden beruflichen Perspektive und der unbehandelten Gewaltproblematik zu befürchten, dass er erneut Straftaten, insbesondere Körperverletzungsdelikte, begehen werde. Die begangenen Taten offenbarten Persönlichkeitsdefizite, schädliche Neigungen und eine Rohheit gegenüber seinen Mitmenschen sowie einen mangelnden Respekt vor den Rechtsgütern anderer und der Rechtsordnung, so dass sich eine Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer Straftaten ergebe (UA S. 9-10).

Aus diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts ergibt sich überzeugend, dass das persönliche Verhalten des Klägers im Sinn des § 53 Abs. 3 AufenthG gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Mit seinem Vortrag in der Begründung des Zulassungsantrags konnte der Kläger dem nicht durchgreifend entgegentreten.

Der Kläger meint, die strafrechtlichen Ahndungen, die mit einer Verwarnung bzw. einer jugendrichterlichen Weisung geendet hätten, könnten weder isoliert noch in ihrer Gesamtheit eine Ausweisungsentscheidung rechtfertigen. Davon ist das Verwaltungsgericht auch nicht ausgegangen. Vielmehr hat es die gesamte strafrechtliche „Karriere“ des Klägers, mit ihren schnell aufeinander folgenden Straftaten schon ab der Strafmündigkeit und der sich steigernden Schwere der Straftaten, in seine Gefahrenprognose einbezogen.

Weiter bringt der Kläger vor, von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht sei fehlerhaft nicht berücksichtigt worden, dass er „in seinen Kinder- und Jugendjahren unter der anerkannten Krankheit Hyperaktivität gelitten hat, welche ganz offensichtlich nicht adäquat behandelt wurde und den Kläger bis in den Strafvollzug hinein begleitet hat“. Zwar ergibt sich aus den Akten durchaus, dass beim Kläger in jungen Jahren Hyperaktivität diagnostiziert und mit Medikamenten behandelt wurde. Dass die Krankheit nicht adäquat behandelt worden und sie beim Kläger in späteren Jahren immer noch ausgeprägt gewesen sei, beruht jedoch nur auf Vermutungen des Bevollmächtigten; es ist auch nicht ersichtlich, warum dies die vielfachen Straftaten des Klägers entschuldigen oder die Gefahrenprognose relativieren könnte. Im Gegenteil ist mehrfach eine generelle Therapieunwilligkeit des Klägers dokumentiert, wie etwa im Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt vom 25. Februar 2015.

An der Gefahrenprognose ändert es auch nichts, dass nach seinem Vortrag die der Ausweisung zugrundeliegenden Verurteilungen innerhalb von nur neun Monaten erfolgt seien und die damit abgeurteilten Straftaten innerhalb von nur fünf Monaten stattgefunden hätten. Dass es sich bei den Verfehlungen lediglich um einen „isolierten Lebensabschnitt“ gehandelt hätte, kann daraus angesichts der seit Strafmündigkeit einsetzenden und sich steigernden Delinquenz des Klägers nicht abgeleitet werden.

Die Führungsberichte der Justizvollzuganstalt zeigen entgegen der Meinung des Klägers keine signifikante Besserung des „Bildes“ des Klägers, auch wenn sich angeblich ein Justizvollzugs-Bediensteter gegenüber dem Kläger anders geäußert haben soll.

Auch die erneut bekundete Absicht, sich nach der Haftentlassung um eine Ausbildung und/oder Arbeit zu bemühen und eine Anti-Gewalt-Therapie zu beginnen, sowie der Hinweis auf die enge Verbundenheit zu Eltern und Geschwistern können die Gefahrenprognose nicht erschüttern.

Die vom Kläger zunächst vertretene Ansicht, eine Suchtproblematik bestehe bei ihm nicht, hat er selbst wieder zurückgezogen, nachdem die von ihm eingeholte und mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 vorgelegte Stellungnahme einer Suchtberatungsstelle vom 25. November 2015 das Gegenteil festgestellt hat.

Schließlich bestätigt aber die seit der Haftentlassung des Klägers am 13. November 2015 zu beobachtende Entwicklung der Geschehnisse eindrucksvoll die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts. Der Kläger wurde seither mehrfach wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Leistungserschleichung, Diebstählen, Körperverletzungen sowie wegen Verstößen gegen Weisungen während der Führungsaufsicht auffällig. Wegen Leistungserschleichung wurde er am 31. Mai 2016 zu einer Geldstrafte von 80 Tagessätzen verurteilt. Bezüglich der Anklageschriften vom 28. September 2016 und 23. November 2016 jeweils wegen Verstößen gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (§ 145a StGB) und vom 21. Oktober 2016 wegen zweier Diebstähle ist nach Aktenlage offenbar noch keine strafgerichtliche Entscheidung ergangen. Jedenfalls aber ist daraus zu erkennen, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung keineswegs eine grundlegende Änderung seines Verhaltens vorgenommen hat.

c) Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass die Ausweisung für die Wahrung eines Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist. Unerlässlichkeit ist dabei nicht im Sinne einer „ultima ratio“ zu verstehen, sondern bringt den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass das nationale Gericht eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen hat (BayVGH, B.v. 13.3.2017 - 10 ZB 17.226 - juris Rn. 6 ff. m.w.N.).

Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.

Der Kläger bringt in seinem Zulassungsantrag vor, das Verwaltungsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass er nicht über eine Aufenthaltserlaubnis verfüge. Jedoch besitze er die Rechtsstellung nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80, weshalb es keine Rolle spiele, dass seine (deklaratorische) Aufenthaltserlaubnis im Dezember 2012 abgelaufen sei.

Daraus ergeben sich jedoch auch unter dem Blickwinkel der Abwägung im Sinne von § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Bewertung des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig.

Wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass ihm tatsächlich ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zusteht, führt dies dazu, dass sein Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (in entsprechender Anwendung; vgl. BayVGH, U.v. 28.3.2017 - 10 BV 16.1601 - juris Rn. 41) besonders schwer wiegt. Dem steht aber ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber.

Bei der vorzunehmenden Abwägung ergibt sich auch aktuell eine Unerlässlichkeit der Ausweisung für die Wahrung des vom Kläger bedrohten Grundinteresses der Gesellschaft. Das Verwaltungsgericht hat bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung im Übrigen sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Es hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger zwar ein sog. faktischer Inländer ist, im Ergebnis aber die von ihm ausgehende Gefahr weiterer Straftaten von höherem Gewicht ist. Eine eigene Kernfamilie hat der Kläger nicht, zu seinen Eltern und Geschwistern besteht kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Dem Kläger sei es auch möglich und zumutbar, sich sprachlich und kulturell in der Türkei zu integrieren, zumal er Türkisch spreche.

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 13. November 2013 in der Fassung der Änderungen vom 12. November 2014 weiter. Mit diesem Bescheid wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus, untersagte die Wiedereinreise zuletzt für acht Jahre und drohte die Abschiebung in die Türkei an.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Die Berufung ist weder wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 2.) zuzulassen.

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, lägen nur vor, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Dies gilt zunächst, soweit der Kläger vorbringt, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Prognoseentscheidung, es bestehe die konkrete Gefahr, dass der Kläger auch nach seiner Haftentlassung schwere Straftaten begehen werde, nicht berücksichtigt, dass der Kläger erstmals eine Freiheitsstrafe verbüße, er in der Haft den Mittelschulabschluss mit der Note 2,1 abgelegt habe, sein Verhalten in der Justizvollzugsanstalt beanstandungsfrei sei, er erfolgreich an einer Drogen- und Gewalttherapie teilgenommen habe, beabsichtige, eine Schreinerlehre zu beginnen und ab August 2015 an einer weiterführenden Sozial- und Gewalttherapie in der Justizvollzugsanstalt teilnehmen werde.

Diese Ausführungen begründen aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Denn sie stellen weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung im Urteil des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren hat die Beklagte das positive Verhalten des Klägers im Strafvollzug in ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigt. Das Erstgericht hat sich die Ausführungen der Beklagten gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zu Eigen gemacht. Die Beklagte hat zum positiven Vollzugsverhalten des Klägers ausgeführt, dass sein Verhalten in der Haft nur begrenzte Aussagekraft für das Verhalten nach der Haftentlassung habe, da er unter der Kontrolle des Strafvollzugs und unter dem Druck des Ausweisungsverfahrens stehe (Bl. 92 der VG-Akte). Sie folgt damit der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach ein Wohlverhalten in der Haft nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen lasse (vgl. BayVGH, B. v. 6.5.2015 - 10 ZB 15.231 - juris Rn. 11 m. w. N.).

Auch die Teilnahme an dem Projekt „Therapie mit Langstrafigen“ und die künftigen Therapiepläne des Klägers rechtfertigen nicht die Annahme ernsthafter Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bezüglich der vom Erstgericht angenommenen erheblichen Gefahr der Begehung weiterer Straftaten seitens des Klägers nach der Haftentlassung. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren durch entsprechende Tatsachen glaubhaft gemacht hätte, dass er sich auch nach dem Ende der Strafhaft straffrei verhalten werde. Angesichts der zahlreichen Straftaten, die er vor seiner Verurteilung wegen versuchten Totschlags begangen hat, und der Schwere der der Verurteilung vom 13. Februar 2013 zugrundeliegenden Tat, liegen jedoch derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung keine Straftaten mehr begehen werde. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass das schwerwiegende Gewaltdelikt gegen die körperliche Unversehrtheit, das der Kläger aus einer persönlichen Kränkung heraus gegenüber seinem Schwager begangen hat, neben dem Alkohol- und Drogenkonsum auf eine dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung zurückzuführen sei. Der Kläger habe zwar von Januar 2014 bis November 2014 am Projekt „Therapie mit Langstrafigen zu Beginn der Haftzeit“ teilgenommen. Jedoch sei nach den Berichten der Justizvollzugsanstalt eine weiterführende Therapie in Einzelgesprächen bzw. ein soziales Kompetenztraining erforderlich. Solange diese Therapie nicht erfolgreich abgeschlossen worden sei und sich der Kläger nicht in einem Leben in Freiheit bewährt habe, könne von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden. Wenn der Kläger nunmehr im Zulassungsantrag auf die Teilnahme an dem Projekt „Therapie mit Langstrafigen“ und die beabsichtigte Teilnahme an einer weiterführenden Sozial- und Gewalttherapie verweist, so stellt er damit die Ausführungen des Erstgerichts, dass die Wiederholungsgefahr frühestens dann entfalle, wenn der Kläger die Therapie erfolgreich abgeschlossen habe, nicht ernsthaft in Frage. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach dann, wenn die Ursache der begangenen Straftaten (auch) in der Suchtmittelabhängigkeit liegt, die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr ist (vgl. BayVGH, B. v. 29.3.2014 - 10 ZB 14.538 - juris Rn. 6 m. w. N.). Dies gilt in gleicher Weise, wenn die Straftat - wie beim Kläger - zudem auf einer therapiebedürftigen Persönlichkeitsstörung beruht.

Der Einholung eines Prognosegutachtens zur konkreten Gefahr der Begehung weiterer Straftaten bedurfte es nicht. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ausweisung eines strafgerichtlich verurteilten Ausländers ist hinsichtlich der gebotenen Gefahrenprognose nicht alleine auf das Strafurteil und die diesem zugrundeliegende Straftat, sondern auf die Gesamtpersönlichkeit des Täters abzustellen. Dabei sind auch nachträgliche Entwicklungen einzubeziehen. Bei dieser Prognoseentscheidung bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die den Richtern allgemein zugänglich sind. Die inmitten stehende Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann daher grundsätzlich von den Gerichten regelmäßig ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden (vgl. BayVGH, B. v. 18.3.2015 - 10 C 14.2655 - juris Rn. 22 m. w. N.). Ein Sachverständigengutachten kann die eigene Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern hierfür allenfalls eine Hilfestellung bieten (BVerwG, B. v. 13.3.2009 - 1 B 20.08 - juris Rn. 5). Der Zuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 11). Ein solcher Sonderfall liegt beim Kläger nicht vor. Das Gericht hat seiner Prognose zum Bestehen der konkreten Gefahr, dass der Kläger auch nach seiner Haftentlassung weiterhin Straftaten begehen werde, zum einen die zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers, die Feststellungen des Strafgerichts zum Tathergang am 8. Februar 2012 sowie die Darlegungen der Sachverständigen Dr. L. und Dr. K. aus dem Strafverfahren zugrunde gelegt. Beide Sachverständigen bescheinigen dem Kläger eine Persönlichkeitsstruktur, die von geringer Frustrationstoleranz, hypochondrischen Zügen und der Fokussierung auf eigene Bedürfnisse geprägt sei. Der Kläger gebe selbst zu, dass er sich für gesellschaftliche Normen kaum interessiere und er ein Problem mit Fremdbestimmung und der Anerkennung von Regeln und Autoritäten habe. Es sei eine dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung zu erkennen. Die Abschlussberichte der Justizvollzugsanstalt zum Projekt „Therapie mit Langstrafigen zu Beginn der Haft“ vom 21. August 2014 und 10. November 2014 lagen der Gefahrenprognose des Erstgerichts ebenfalls zugrunde. In beiden Berichten wird dem Kläger zwar bescheinigt, dass er sich mit seinen Problembereichen mit Hilfe der Therapeuten zunehmend offen und motiviert auseinandergesetzt habe. Es bestehe jedoch nach wie vor Therapiebedarf zur Verfestigung neu erworbener Verhaltensweisen. Sozialtherapeutische Maßnahmen werden für erforderlich gehalten. Auf dieser Grundlage war es dem Gericht möglich, eine Prognoseentscheidung zum Vorliegen der Wiederholungsgefahr auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zu treffen.

Auch die Ausführungen des Klägers zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung rechtfertigen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Er verweist zunächst auf die Urteile des EGMR in Sachen Beldjoudi (U. v. 26.3.1992 - 55/1990/246/317 - InfAuslR 1993, 86), Moustaquim (U. v. 18.2.1991 - 31/1989/191/291 - InfAuslR 1991, 149), Amrollahi (U. v. 11.7.2002 - 56811/00 - Inf AuslR 2004, 180) sowie auf den Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte in Sachen Lamguindaz (InfAusR 1995, 133). Der Verweis auf einzelne Entscheidungen des EGMR reicht jedoch nicht aus, um die Feststellungen des Erstgerichts zur Bindung des Klägers an die Bundesrepublik, zur Schwere seiner Straftat und zu seinen Beziehungen in die Türkei und die darauf beruhende Abwägungsentscheidung ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Insbesondere fehlt es an einer substantiierten Darlegung, inwieweit die vom Kläger angeführten Beispiele aus der Rechtsprechung des EGMR mit der Situation des Klägers vergleichbar sind. Im Fall Beldjoudi war der ausgewiesene Ausländer mit einer Staatsangehörigen des Aufnahmestaates verheiratet, der nicht zugemutet werden konnte, mit ihm ins Ausland zu ziehen. Auch im Fall Amrollahi hatte der Beschwerdeführer eine Staatsangehörige des Aufnahmestaates geheiratet und mit ihr gemeinsame Kinder. Der Kläger hat demgegenüber keine eigene Kernfamilie in der Bundesrepublik gegründet. Die Entscheidung im Fall Moustaquim beruht darauf, dass der Beschwerdeführer die Straftaten als Jugendlicher begangen hatte. Der Kläger war bei Begehung des versuchten Totschlags bereits 25 Jahre alt. Im Fall Lamguindaz konnte der Beschwerdeführer die Sprache seines Heimatlandes kaum verstehen und nicht lesen und schreiben. Der Kläger spricht ausweislich der Feststellungen im Strafurteil fließend türkisch und er beherrscht zwei Sprachen (deutsch und türkisch) fast perfekt.

Die Tatsache, dass der Kläger in der Bundesrepublik geboren ist und seine gesamte Sozialisation hier erhalten hat, hat das Erstgericht bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zugunsten des Klägers berücksichtigt. Andererseits hat es jedoch auch festgestellt, dass der Kläger noch Beziehungen zu seinem Heimatland hat, weil sich seine Eltern die Hälfte des Jahres in der Türkei aufhalten und auch noch entferntere Verwandte dort leben. Zudem beherrscht der Kläger die türkische Sprache. Die bloße Behauptung im Zulassungsverfahren, der Kläger habe keinerlei Beziehungen in die Türkei und spreche die türkische Sprache nicht so gut, um dort einer Arbeit nachzugehen, vermag die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht in Zweifel zu ziehen. Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung (vgl. Sitzungsprotokoll vom 12.11.2014) erklärt, dass seine Eltern teils in der Türkei und teils im Bundesgebiet wohnten. Er spreche türkisch.

Das Angebot der Schwester des Klägers, den Kläger nach seiner Haftentlassung wieder bei ihr im Lebensmittelgeschäft mitarbeiten zu lassen und ihn in ihrer Wohnung aufzunehmen, hat das Erstgericht in seiner Entscheidung ebenfalls gewürdigt. Es kam jedoch zum Ergebnis, dass dieses Angebot die vom Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr der Begehung weiterer Straftaten nach der Haftentlassung nicht entfallen ließe. Diese Wertung des Erstgerichts hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Auch wenn die Schwester des Klägers ihn nach der Haftentlassung unterstützen möchte, wird der Kontakt zwischen dem Kläger und seinen Verwandten im Bundesgebiet nicht zu einer Beistandsgemeinschaft, in der der Kläger auf die Lebenshilfe seiner Schwester angewiesen ist. Insofern ist die Beurteilung des Erstgerichts, dass es sich angesichts des Alters des Klägers um eine bloße Begegnungsgemeinschaft handle, nicht rechtsfehlerhaft.

2.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend hinreichend dargelegt. Um einen auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Der Kläger hat schon keine Rechtsfrage formuliert. Sollte sein Zulassungsvorbringen dahingehend zu verstehen sein, dass er als klärungsbedürftig erachtet, ob die Einführung der Zulassungsberufung gegen Art. 13 ARB 1/80 verstößt, ist diese Frage bereits durch den Senat entschieden (BayVGH, B. v. 26.1.2015 - 10 ZB 13.898 - juris Rn. 21 ff.). Auch hat der Kläger nicht dargelegt, dass diese Frage für den konkreten Rechtsstreit überhaupt entscheidungserheblich ist. Insbesondere zeigt er nicht auf, dass die Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkten in seinem konkreten Ausweisungsfall zu einem unterschiedlichen Ergebnis geführt hätte, er insbesondere durch die Entscheidung im Zulassungsverfahren schlechter gestellt wäre als in einem Berufungsverfahren. Der Kläger unterstellt lediglich, dass eine Berufungsentscheidung erst dann erginge, wenn der Kläger seine weiterführende Therapie abgeschlossen hätte oder das Prognosegutachten zur Strafaussetzung zur Bewährung vorläge.

Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidungen vom 13. Dezember 2012 und vom 14. Mai 2013 (U. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - beide juris Rn. 34 bzw. 23) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 19.2.2009 - Rs. C-228/06, Soysal; U. v. 17.9.2009 - Rs. C-242/06, Sahin - beide juris Rn. 61 bzw. 67). bereits zu verfahrensrechtlichen Regelungen, die sowohl ARB-berechtigte türkische Staatsangehörige als auch Unionsbürger in gleicher Weise betreffen, entschieden, dass der Erlass oder Wegfall von solchen Regelungen nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP stehe. Einer Vorlage an den EuGH bedarf es daher nicht

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000, - Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 16. November 2016 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, seine Abschiebung in die Türkei angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht und die Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung auf vier bzw. drei Jahre befristet wurden. Nicht Gegenstand des Zulassungsverfahrens ist der mit Urteil vom 27. Juni 2017 ebenfalls abgewiesene Hilfsantrag des Klägers, ihm eine Duldung nach § 60a AufenthG zu erteilen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (2.). Die im Zulassungsantrag erwähnten Zulassungsgründe der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache, der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Abweichung des Urteils von höchstrichterlichen Entscheidungen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 und 4 VwGO) sind bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 S. 4 VwGO; 1).

1. Der Kläger führt im Zulassungsantrag aus, dass die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. Juni 2017 zuzulassen sei, weil die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 und 4 VwGO vorlägen, in der Begründung des Zulassungsantrags fehlen jedoch jegliche Darlegungen zu den genannten Zulassungsgründen. Dem Vorbringen im Zulassungsantrag lässt sich auch nicht entnehmen, worin die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache liegen sollen, welche Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären ist und von welchen Entscheidungen der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 abweicht.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v.10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/ 12 – juris Rn. 16). Seine Ausführungen vermögen jedoch keine ernstlichen Zweifel in diesem Sinne zu begründen.

Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage gegen die Ausweisungsverfügung vom 16. November 2016 darauf gestützt, dass das persönliche Verhalten des Klägers auch gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und seine Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich sei (§ 53 Abs. 3 AufenthG). Der weitere Aufenthalt des Klägers gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung, weil er schwere Straftaten begangen habe. Das Verwaltungsgericht bezog sich dabei auf die der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 10. Dezember 2014 zugrunde liegenden Delikte. Der Kläger hatte seine damalige Freundin wiederholt geschlagen und dabei erheblich verletzt, sie vergewaltigt und war wiederholt ohne Fahrerlaubnis Auto gefahren. Die vom Kläger ausgehende Gefahr dauere bis heute an, weil eine Tatwiederholung konkret zu befürchten sei. Bei bedrohten Rechtsgütern mit einer hervorgehobenen Bedeutung, wie der körperlichen Unversehrtheit und der sexuellen Selbstbestimmung, seien im Rahmen der tatrichterlichen Prognose der Wiederholungsgefahr umso geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden sei. Zu berücksichtigen seien die vom Kläger auch in der Vergangenheit begangenen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit. Der Kläger neige in jeder beliebigen Lebenssituation aus nichtigen Anlässen dazu, Straftaten zu begehen. Auffällig sei seine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit. Aus dem Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt bzw. seiner Teilnahme an einer Sozialtherapie ergebe sich nichts anderes. Auch der Therapeut gebe an, dass die Therapie noch während der gesamten Inhaftierung fortzuführen und selbst nach der Entlassung des Klägers eine therapeutische Nachsorge für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren notwendig sei. Bei der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmenden Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit dessen Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet sei zu berücksichtigen, dass das Vorliegen eines in § 54 AufenthG normierten Ausweisungsinteresses, dem ein gleichwertiges Bleibeinteresse gegenüberstehe, nicht ohne weiteres zur Ausweisung des Betroffenen führe. Für den Kläger spreche, dass er im Bundesgebiet geboren sei und seine sozialen Beziehungen und Bindungen an die Türkei gering seien. Er habe auch vereinzelte Kontakte zu seiner deutschen Tochter. Massiv gegen den Kläger spreche, dass er sich weder wirtschaftlich noch sozial integriert habe und vielfach straffällig geworden sei. Er habe die Schule erst im Rahmen einer Praxisklasse abgeschlossen, eine Lehre habe er weder vor der Haft noch während der Zeit in der Justizvollzugsanstalt abgeschlossen. Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen Art. 6 oder Art. 8 EMRK. Zwischen ihm und seiner Tochter bestehe keine tatsächliche Verbundenheit im Sinne einer familiären Lebensgemeinschaft, die unter den Schutz des Art. 6 GG falle. Dem volljährigen Kläger sei es möglich und zumutbar, sich sprachlich und kulturell in der Türkei zu integrieren.

Der Kläger bringt insoweit zunächst vor, dass die Feststellung des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen einer Wiederholungsgefahr den gesetzlichen und höchstrichterlichen Grundsätzen widerspreche. Die Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen könne nämlich nicht bereits dann erfolgen, wenn eine irgendwie geartete Wiederholungsgefahr bestehe. Vielmehr müsse zu erwarten sein, dass der Kläger schwere Straftaten begehe, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührten. Zu solchen Straftaten gehöre u.a. der illegale Drogenhandel. Die von ihm begangenen Körperverletzungsdelikte stellten zwar erhebliche und schwerwiegende Straftaten dar, es sei jedoch fraglich, ob durch deren Begehung eine schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft vorliege. Die Aufzählung der Straftaten reiche hierfür nicht aus. Gänzlich unbeachtet geblieben sei der Umstand, dass sich der Kläger erstmalig in Haft befinde. Auch habe sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem forensisch psychiatrischen Gutachten vom 17. September 2014 auseinandergesetzt. Es bleibe unerwähnt, dass es sich bei der vorliegenden Tat um eine Beziehungstat gehandelt habe und die damalige Geschädigte unmittelbar nach der von ihr angezeigten Vergewaltigung die Beziehung zum Kläger fortgesetzt habe. Auch der Bericht der Justizvollzugsanstalt vom 13. April 2017 sei bei der Beurteilung der vom Kläger ausgehenden Wiederholungsgefahr nicht berücksichtigt worden. Das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 27. Januar 2014 habe eine Bewährungsentscheidung zu seinen Gunsten enthalten. Dies habe das Verwaltungsgericht ebenso wenig beachtet wie die in der Justizvollzugsanstalt besuchten Therapien. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht die Vater-Kind-Beziehung und die hiermit verbundene Reifung des inzwischen 25 Jahre alten Klägers in die Beurteilung der Wiederholungsgefahr miteinbezogen. Die richterliche Überzeugungsbildung sei mangelhaft, weil das Verwaltungsgericht mit Blick auf entscheidungserhebliche Tatsachen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei und die Beweiserhebung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweise.

Der Kläger hat mit seinem Vorbringen in der Zulassungsbegründung die Bewertung des Verwaltungsgerichts, wonach von ihm auch weiterhin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen sind, wenn dem Ausländer – wie hier – ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zusteht. Denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (vgl. BayVGH, U.v. 28.3.2017 – 10 BV 16.1601 – juris Rn. 31).

Weiterhin hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats (z.B. B.v. 3.5.2017 – 10 ZB 15.2310 – juris Rn. 14) die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen haben. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist.

Bei dieser tatrichterlichen Prognose handelt es sich – entgegen der Auffassung des Klägers – um keine Beweiswürdigung, sondern um eine Prognoseentscheidung. Die Ausführungen des Klägers zur Beweiserhebung und Beweiswürdigung gehen daher bereits an der Sache vorbei. Die Prognose des Verwaltungsgerichts zur Wiederholungsgefahr hat der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt. Die Verurteilung des Klägers wegen mehrerer vorsätzlicher Körperverletzungsdelikte und der Vergewaltigung seiner damaligen Freundin stellen gravierende Verstöße gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung dar und bilden einen hinreichend schweren Ausweisungsanlass, der über die mit jedem Rechtsverstoß verbundene Störung der öffentlichen Ordnung deutlich hinausgeht und ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. BayVGH, U.v. 28.3.2017 – 10 BV 16.1601 – juris Rn. 34). Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat das Gericht das hinreichende Gewicht der vom Kläger begangenen Straftaten nicht alleine in ihrer Anzahl, sondern auch in der Schwere der Delikte gesehen. Es hat sich ausdrücklich auf das Sexualdelikt und die Gewalttaten, die der Kläger aus nichtigem Anlass begangen hat, bezogen. Dass der Kläger die Straftaten überwiegend gegenüber seiner damaligen Freundin begangen hat, mindert die Schwere der konkreten Straftaten nicht. Die Straffälligkeit des Klägers lässt sich auch ausschließlich als sog. „Beziehungstat“ einordnen, weil er im Vorfeld der Straftaten gegenüber seiner damaligen Freundin auch andere Personen verletzt hat. Anzuführen sind insoweit die Verurteilungen des Amtsgerichts Augsburg vom 26. Mai 2011 und vom 23. Oktober 2012 sowie das Körperverletzungsdelikt vom 7. April 2013.

Das vom Kläger in der Haft gezeigte Wohlverhalten, das auch im Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt vom 18. April 2017 zum Ausdruck kommt, hat nur begrenzte Aussagekraft für sein Verhalten nach der Haftentlassung, weil er unter der Kontrolle des Strafvollzugs und unter dem Druck des Ausweisungsverfahrens stand. Ein Wohlverhalten in der Haft lässt nach ständiger Rechtsprechung des Senats noch nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 10 ZB 15.331 – juris Rn. 7 m.w.N.).

Auch bedurfte es nicht, wie vom Kläger im Zulassungsverfahren beantragt, der Einholung eines Prognosegutachtens zur konkreten Gefahr der Begehung weiterer Straftaten. Bei der Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die Gerichten allgemein zugänglich sind. Die inmitten stehende Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann daher grundsätzlich von den Gerichten ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden (BayVGH, B.v. 18.3.2015 – 1 C 14.2655 –juris Rn. 22 m.w.N.). Ein Sachverständigengutachten kann die eigene Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern nur eine Hilfestellung bieten (BVerwG, B.v. 13.3.2009 – 1 B 20.08 – juris Rn. 5). Der Zuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände – etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen – nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 11). Ein solcher Sonderfall liegt beim Kläger nicht vor.

Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen im Gutachten vom 17. September 2014 musste das Verwaltungsgericht bei seiner Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr nicht berücksichtigen. Dieses Gutachten hat das Strafgericht eingeholt, um festzustellen, ob der Kläger die Vergewaltigung im Zustand der Schuldunfähigkeit bzw. verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20 und 21 StGB begangen hat und ob gegebenenfalls seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlich ist (§ 63 StGB). Die bei einer Ausweisungsentscheidung unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten zu treffende Prognose, ob vom Kläger eine Wiederholungsgefahr ausgeht, unterscheidet sich nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen grundsätzlich von einer Maßnahme nach § 63 StGB, so dass vom Fehlen einer Devianz in soziologischer und psychologischer Hinsicht nicht darauf geschlossen werden kann, dass der Kläger, rein ordnungsrechtlich betrachtet, auch nach seiner Haftentlassung keine Straftaten im Bereich der Körperverletzungs- und Sexualdelikte mehr begehen werde.

Die Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 27. Januar 2014 vermag die Einschätzung des Erstgerichts, dass vom Kläger auch künftig die Gefahr der Begehung schwerwiegender Straftaten ausgehe, nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Dieser Verurteilung lagen lediglich die am 7. April 2013 gegenüber einem Dritten und am 29. und 30. Juni 2013 gegenüber seiner ehemaligen Freundin begangenen Körperverletzungsdelikte zugrunde. Zudem ist dieses Urteil in die Entscheidung des Amtsgerichts Augsburg vom 10. Dezember 2014 einbezogen worden und damit sowohl hinsichtlich des Strafausspruchs als auch der Bewährungsentscheidung nicht mehr relevant.

Soweit der Kläger meint, es bestehe keine Wiederholungsgefahr mehr, weil er aufgrund seiner Vaterstellung und durch die Verbüßung der Freiheitsstrafe inzwischen in seiner Persönlichkeit gereift sei, bleibt er jeglichen Nachweis dafür schuldig. Bezüglich der familiären Beziehung zu seiner inzwischen bald dreijährigen Tochter ist lediglich bekannt, dass sie ihn zweimal in der Haftanstalt besucht hat. Eine Persönlichkeitsreifung wird dem Kläger weder im Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt vom 18. April 2017 noch in der Stellungnahme der sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt vom 13. April 2017 bescheinigt.

Auch die Teilnahme an einer Therapie für Sexualstraftäter und die Bereitschaft zur Aufarbeitung des Tatgeschehens lassen die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Entgegen dem Vorbringen im Zulassungsantrag hat sich das Verwaltungsgericht mit der Stellungnahme des Therapeuten vom 13. April 2017 in den Entscheidungsgründen auseinandergesetzt (UA S. 11). Es nimmt ausdrücklich Bezug auf die Stellungnahme, in der der Therapeut ausführt, dass die Therapie während der gesamten Haftdauer fortzuführen sei und eine therapeutische Nachsorge nach der Entlassung über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren ebenfalls notwendig sei. Alleine die Teilnahme an einer Therapiemaßnahme reicht nicht aus, um ein Verhaltensmuster – hier die bereits bei nichtigen Anlässen bestehende Gewaltbereitschaft, die sich auch in einem sexuellen Übergriff manifestiert hat – zu durchbrechen. Erforderlich sind vielmehr der Nachweis des erfolgreichen Abschlusses der Therapie und eine Bewährung über einen gewissen Zeitraum nach der Haftentlassung. Dies gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund Bedeutung, dass es sich beim Kläger um eine „Persönlichkeit mit dissozialen und hyperthym-narzistischen Zügen“ (Strafurteil vom 14.12.2014, S. 11) handelt.

Die Tatsache, dass der Kläger erstmals eine längere Haftstrafe verbüßt, spricht ebenfalls nicht entscheidend gegen das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Zwar gehen die Straf- und Verwaltungsgerichte davon aus, dass die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe, insbesondere als erste massive Einwirkung auf einen jungen Menschen, unter Umständen seine Reifung fördert und die Gefahr, erneut straffällig zu werden, mindern kann (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2016 – 10 ZB 16.901 – juris Rn. 10). Selbst wenn der Kläger inzwischen laut der Stellungnahme vom 13. April 2014 „die ihm im Urteil zur Last gelegte Tat gestand“, reicht dies nicht als Beleg für einen dauerhaften Einstellungswandel aus. Die Strafhaft hat beim Kläger allenfalls dazu geführt, dass er, nachdem er laut Gutachten vom 17. September 2014 anfangs die Tatbegehung leugnete, nun zumindest bereit ist, sich mit seiner Tat auseinanderzusetzen und seine Persönlichkeitsdefizite therapeutisch aufzuarbeiten.

Soweit sich der Kläger auf ein positives Nachtatverhalten beruft, ist hierzu nichts Konkretes vorgetragen. Es ist zwar richtig, dass das Opfer der Straftaten die Beziehung mit dem Kläger auch nach der Vergewaltigung fortgeführt hat. Er hat sich jedoch weder bei dem Opfer entschuldigt noch sich um eine „Wiedergutmachung“ bemüht. Die Tatsache, dass die Geschädigte die Beziehung fortgesetzt hat, spricht jedenfalls nicht für den Kläger. Offensichtlich hatte seine damalige Freundin Angst vor den Gewalttätigkeiten des Klägers und wurde von seiner Familie unter Druck gesetzt, die Strafanzeige zurückzunehmen. Dies lässt sich den Entscheidungsgründen des Strafurteils vom 10. Dezember 2014 entnehmen.

Weiterhin bringt der Kläger im Zulassungsverfahren vor, dass er den Abwägungsvorgang des Erstgerichts für fehlerhaft halte. Er führt aus, dass eine Gewichtung der persönlichen Belange im Sinne des Gesetzes nicht deren kumulative Aufzählung, sondern eine tatsächliche inhaltliche Würdigung der einzelnen Belange bedeute. Das Gericht hätte in die Gesamtabwägung nicht nur die Straftaten des Klägers, sondern auch dessen Auseinandersetzung mit der Tat, seine Deliktaufarbeitung und sein Nachtatverhalten, sein Verhältnis zum Opfer, ebenso die bislang erlittene Strafhaft als möglicher positiver Einfluss auf seine Persönlichkeitsentwicklung sowie den Grad der Gefahr der Begehung neuer Straftaten berücksichtigen müssen. Dies fehle vollständig. Die Beurteilung der angeblich nicht gelungenen nachhaltigen Integration sei anmaßend, weil sie ohne Rücksicht auf die körperlichen oder geistigen Möglichkeiten erfolgt sei.

Diese Ausführungen begründen aber ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Denn sie stellen weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Das Ergebnis der Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Es hat deutlich gemacht, dass der Kläger aufgrund der seit Jahren bestehenden Straffälligkeit, der Schwere der Straftaten sowie der Tatausführung immer noch eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, so dass seine aufgrund seiner Stellung als faktischer Inländer bestehenden Bleibeinteressen hinter das öffentliche Interesse an seiner Ausreise zurücktreten müssen. Die Bindungen zu seiner Familie sind zwar zu berücksichtigen, aber geringer zu gewichten, weil der Kläger als erwachsener junger Mann nicht mehr auf die (Lebens-)Hilfe seiner Familie angewiesen ist. Der Tatsache, dass er Vater einer Tochter mit deutscher Staatsangehörigkeit ist, kommt ebenfalls keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil er zu seiner Tochter bis zum Oktober 2016 keinerlei Kontakt hatte und sich nach Aussagen der Kindesmutter auch nicht um einen Kontakt bemüht hat. Bislang fanden nur zwei Besuche der Tochter beim Kläger in der Justizvollzugsanstalt statt. Der wirtschaftlichen und sozialen Integration des Klägers ins Bundesgebiet ist ebenfalls kein besonderes Gewicht beizumessen, weil sie sich auf einem Niveau bewegt, das der Kläger auch in der Türkei erreichen kann. Er hat in der Bundesrepublik lediglich Hilfsarbeitertätigkeiten ausgeübt. Eine derartige Beschäftigung steht ihm auch in der Türkei offen. Demgegenüber hat trotz seiner Stellung als faktischer Inländer keine absolute Entfremdung vom Land seiner Staatsangehörigkeit stattgefunden. Im Rahmen der biographischen Anamnese hat der Kläger im Gutachten vom 17. September 2014 angegeben, dass seine Eltern Gastarbeiter der ersten Generation seien und er mit seinem Vater überwiegend Türkisch gesprochen habe, mit der Mutter gemischt Deutsch und Türkisch. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger, auch wenn er die Türkei nur von Urlaubsaufenthalten kennt, jedenfalls soweit mit der Sprache und Kultur dieses Landes vertraut ist, dass er sich dort integrieren kann.

Die Abwägungsentscheidung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil, wie der Kläger meint, das Verwaltungsgericht nicht nochmals ausdrücklich auf die Umstände der Tatbegehung, die persönliche Entwicklung des Klägers sowie den Grad der Wiederholungsgefahr eingegangen ist. Denn die Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 53 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG stellt keine Ermessensentscheidung dar, bei der das Gericht lediglich in den Grenzen des § 114 Satz 1 VwGO überprüfen kann, ob die Behörde alle maßgeblichen Gesichtspunkte in die Entscheidung eingestellt und richtig gewichtet hat. Es handelt sich vielmehr um eine gerichtlich voll überprüfbare Entscheidung, bei der es nur auf die Ergebnisrichtigkeit ankommt (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 13.9.2017 – 10 C 17.1783 – Rn. 6).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.