Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 02. Apr. 2019 - 10 CS 19.277

bei uns veröffentlicht am02.04.2019
vorgehend
Verwaltungsgericht Ansbach, AN 15 S 18.00657, 15.01.2019

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Januar 2019 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Nrn. 2 und 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 26. März 2018 wiederhergestellt und hinsichtlich Nr. 6 dieses Bescheides angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Halter des Hundes „Ice“. Er hat den Hund als „Dogo Argentino Mix“ aus dem Tierheim F. übernommen. Mit Schreiben vom 7. November 2017 forderte ihn die Antragsgegnerin auf, zur Widerlegung der Kampfhundeeigenschaft ein Gutachten eines Sachverständigen vorzulegen.

Im Gutachten vom 30. November 2017 kommt der Sachverständige U. zum Ergebnis, der Hund weise zwar keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit auf, die Einkreuzung eines unter § 1 Abs. 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (KampfhundeV) genannten Hundes könne aber nicht ausgeschlossen werden. Zur abschließenden Klärung der Rassezuordnung werde der Halter eine DNA-Analyse zur Rassebestimmung beauftragen und dem zuständigen Ordnungsamt vorlegen.

Laut Untersuchungsbefund der L. Diagnostik GmbH & Co. KG vom 12. Dezember 2017 beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund „Ice“ der Rasse American Staffordshire Terrier zugeordnet wird, 46%. Bei einer Zuordnungswahrscheinlichkeit zwischen 40% und 60% sei von einem reinrassigen Elternteil auszugehen.

Mit Bescheid vom 26. März 2018 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers auf Erteilung eines Negativzeugnisses für den Hund „Ice“ ab (Nr. 1), untersagte ihm die Haltung des Hundes ab 9. April 2018 (Nr. 2), ordnete die Abgabe des Hundes bis zum Ablauf des 8. April 2018 an eine volljährige berechtigte und zuverlässige Person oder an das Tierheim E. an (Nr. 3) und drohte für den Fall der Nichterfüllung der Nr. 3 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- Euro an (Nr. 6). In Nr. 4 des Bescheids verfügte die Antragsgegnerin einen (unbeschränkten) Maulkorbzwang für den Hund. Die sofortige Vollziehung der Verfügungen Nr. 1 bis Nr. 4 des Bescheids wurde angeordnet. Bereits mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 war ein Leinenzwang innerhalb und ein Maulkorbzwang außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile angeordnet worden.

Mit Beschluss vom 15. Januar 2019 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hinsichtlich Nrn. 2, 3 und 6 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 26. März 2018 ab. Bei dem Hund „Ice“ handle es sich um einen Kampfhund im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 LStVG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der KampfhundeV, da eine Kreuzung aus einem reinrassigen American Staffordshire Terrier und einem anderen Hund vorliege. Die Kampfhundeeigenschaft könne auf Grundlage der derzeit vorliegenden Informationen mit einer für das vorläufige Rechtsschutzverfahren ausreichenden Sicherheit nachvollzogen werden. Zwar habe von der Antragsgegnerin die Abstammung des Hundes nicht ermittelt werden können, da der Antragsteller keinen Abstammungsnachweis vorgelegt habe. Jedoch ergäben sich tragfähige Anhaltspunkte für eine Kampfhundeeigenschaft von „Ice“ aus dem Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen U. sowie aus dem DNA-Gutachten. Auch die sehr kurze Frist für die Abgabe könne noch hingenommen werden, da dem Antragsteller aufgrund des laufenden Verwaltungsverfahrens bekannt gewesen sei, dass er keine Erlaubnis zum Halten eines Hundes der Kategorie 1 erhalten werde.

Im Beschwerdeverfahren beantragt der Antragsteller,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Januar 2019 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Nrn. 2 und 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 26. März 2018 wiederherzustellen und hinsichtlich der Nr. 6 anzuordnen.

Die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei unrichtig. Entgegen dessen Auffassung lägen gerade keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem Hund des Antragstellers um einen Kampfhund der Kategorie 1 handle. Die Darlegungs- und Beweislast dafür trage im Übrigen die Antragsgegnerin. Weder der eingeholte DNA-Test noch die hinsichtlich der Rassebestimmung dürftigen Angaben des Gutachtens des Sachverständigen U. genügten, um mit ausreichender Sicherheit vom Vorliegen eines Kampfhundes der Kategorie 1 auszugehen. Die vorgelegte DNA-Analyse sei nicht ausreichend aussagefähig und verwertbar. In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) habe das Gericht durch Amtstierärzte begutachten lassen, ob ein DNA-Test der Firma L. Diagnostik, der auch vorliegend in Rede stehe, zu verwertbaren Ergebnissen führe. Die Amtstierärzte hätten ausgeführt, dass das ganze Verfahren auf einer Wahrscheinlichkeitsberechnung basiere und umso präziser und zuverlässiger sei, je mehr Genmarker in der Datenbank vorhanden seien. Damit ein Rassetest im Labor 100-prozentig treffsicher sein könne, müssten alle existierenden Rassen in einer solchen Datenbank hinterlegt sein. Im Gegensatz zum sehr sicheren DNA-Screening zur Bestimmung von genetisch bedingten Krankheiten stütze sich der Rassetest auf eine Wahrscheinlichkeitsberechnung, abhängig davon, wie die jeweils genutzte Datenbank mit Daten der jeweiligen Rasse komplettiert sei. Für die Vergleichbarkeit und die Unerschütterlichkeit der Beweise vor Gericht müssten alle Unternehmen auf die gleiche Datenbank zurückgreifen können. Dies schränke die Aussage solcher Tests ein. Die Firma L. Diagnostik sei weit davon entfernt, 200 Hunderassen oder mehr in ihrer Datenbank hinterlegt zu haben. Dies sei nur ein Bruchteil dessen, was grundsätzlich erforderlich sei, um von einer validen Ausgangsbasis zu sprechen. Zudem werde auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Juli 2014 verwiesen, wonach eine hinreichend valide Rassezuordnung mittels eines DNA-Tests nach dem derzeitigen Wissensstand trotz beachtlicher Fortschritte in den letzten Jahren selbst bezüglich nur der von der FCI anerkannten Rassen noch nicht möglich sei, da derzeit nur von ca. der Hälfte der von der FCI erfasst Hunderassen Vergleichsmaterial in Unternehmen vorliege, die DNA-Tests bei Hunden durchführten. Außerdem sei eine Rassezuordnung bei Mischlingen nur dann möglich, wenn in einem solchen Hund Genotypen bzw. Genkombinationen nachweisbar seien, von denen bekannt sei, dass sie ausschließlich in bestimmten Rassen aufträten. Dazu müssten von den infrage kommenden Rassen die rassetypischen Markergenotypen bzw. Markergenfrequenzen untersucht werden, wozu es zumindest repräsentativer Stichproben jeder Rasse bedürfe. Bei keinem Labor, das DNA-Tests anbiete, gebe es indes Informationen über Art und Umfang der untersuchten Rassestichproben. Gerade bei Rassen, die nicht so verbreitet seien, deren Bestände vielmehr klein seien, herrsche innerhalb der Bestände eine hohe Verwandtschaft der Tiere vor. Insofern könne schon nicht von repräsentativen Stichproben ausgegangen werden. Daher könne auch vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass mittels DNA-Tests ausreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Hund des Antragstellers der Rasse American Staffordshire Terrier zugeordnet werden könne. Daran änderten auch die Ausführungen des Sachverständigen U. in seinem Gutachten nichts. Etwas „nicht ausschließen können“ sei kein taugliches Kriterium. Darüber hinaus reiche die Vermutung des Sachverständigen nur bezüglich des Kopfes des Hundes nicht aus, um mit hinreichender Gewissheit von einer Kreuzung mit einem Kampfhund der Kategorie 1 auszugehen. Die Ausführungen des Sachverständigen zur Rasse genügten nicht den Minimalanforderungen, die an ein Rassegutachten zu stellen seien. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Kampfhundeeigenschaft trage die Antragsgegnerin und nicht der Antragsteller. Zudem sei die extrem kurze Abgabefrist unverhältnismäßig. Es gebe auch keinen Grund für eine derart kurz gesetzte Frist, da es vollständig gleichgültig sei, ob der Hund einige Tage mehr oder weniger unter Beachtung von Nr. 4 des Bescheids mit Leine und Maulkorb geführt werde. Vor allem hätte das Verwaltungsgericht aber auch das Zusammenspiel mit dem recht hohen Zwangsgeld beachten müssen, welches fällig werde, wenn der Antragsteller die unverhältnismäßig kurz gesetzte Frist nicht beachten könne.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Es bestünden keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit und Aussagekraft des DNA-Ergebnisses. Nach dem Untersuchungsbefund des Labors für klinische Diagnostik betrage die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund „Ice“ zur Rasse American Staffordshire Terrier zugeordnet werde, 46%. In der Datenbank des Untersuchungslabors seien neben dem American Staffordshire Terrier unter anderem auch die Rasse „Dogo Argentino“ hinterlegt. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem American Staffordshire Terrier um eine vergleichsweise junge Hunderasse handle, welche nach Kenntnis der Antragsgegnerin nicht die Grundlage für die Entstehung der Hunderasse „Dogo Argentino“ gebildet habe. Somit könne auch ein fehlerhaftes Ergebnis aufgrund eines unzulässigen Rückgriffs auf eventuelle Abstammungsrassen ausgeschlossen werden. Der Antragsgegnerin sei durchaus bewusst, dass ein alleiniger DNA-Test eines privaten Anbieters für sich noch nicht zur zweifelsfreien Feststellung der Hunderasse geeignet sei. Im Zusammenhang mit den weiteren Ermittlungsergebnissen des Verwaltungsverfahrens sei der vorliegende DNA-Test jedoch geeignet, die Kampfhundeeigenschaft von „Ice“ zu belegen. Dem Gutachten des Hundesachverständigen U. vom 30. November 2017 sei zu entnehmen, dass der Kopf des Hundes die Einkreuzung eines Kampfhundes im Sinne des § 1 Abs. 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vermuten lasse. Eine abschließende Rassezuordnung sei nicht vorgenommen worden. Stattdessen hätten der Antragsteller und der Hundesachverständige vereinbart, dass zur abschließenden Klärung der Rassezugehörigkeit eine DNA-Analyse erfolgen werde. Auf die genaue Wortwahl des Gutachtens komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Es seien keine nachvollziehbaren Gründe ersichtlich, weshalb der Sachverständige im konkreten Fall auf die Bestätigung der Hunderasse verzichtet haben sollte. Dem Antragsteller sei mehrfach Gelegenheit gegeben worden, dass Gutachten vervollständigen zu lassen oder ein neues Gutachten eines Sachverständigen vorzulegen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass es sich bei „Ice“ um einen Mischlingshund im Sinne des § 1 Abs. 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit handle. Im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers sei eine abschließende Feststellung der Hunderasse von „Ice“ durch die Beschwerdegegnerin im Verwaltungsverfahren nicht erforderlich oder angezeigt. Selbst vom Antragsteller werde nicht bestritten, dass es sich bei „Ice“ mindestens um einen Hund im Sinne von § 1 Abs. 2 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit handle. Bei diesen Hunden habe jedoch der Halter die Kampfhundeeigenschaft zu widerlegen. Nachdem der Antragsteller kein vollständiges und positives Wesensgutachten vorgelegt habe, werde bei „Ice“ kraft Gesetzes die Kampfhundeeigenschaft vermutet.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Januar 2019, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen Nrn. 2, 3 und 6 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 26. März 2018 abgelehnt hat, hat Erfolg. Die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

1. Der Senat kommt bei der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage gegen die Haltungsuntersagung in Nr. 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 26. März 2018 zu dem Ergebnis, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist. Bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung überwiegt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Haltungsuntersagung das öffentliche Interesse an deren sofortigen Vollziehung.

Die hier streitgegenständliche Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 37 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 LStVG setzt voraus, dass ein Kampfhund ohne die erforderliche Erlaubnis gehalten wird. Die Kampfhundeeigenschaft wird bei den in § 1 Abs. 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (KampfhundeV) genannten Hunden sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden stets vermutet. Bei Kreuzungen wird die Kampfhundeeigenschaft allerdings nur bis zur sog. F1-Generation angenommen, d.h. ein Elternteil des Mischlingshundes ist ein reinqassiger Kampfhund im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2009 - 10 B 09.89 - juris Rn. 23; B.v. 18.9.2013 - 10 CS 13.1544 - juris Rn. 26; a.A. OVG Bln-Bgb, B.v. 3.8.2015 - OVG 5 S 36.14 - juris Rn. 12; HessVGH, B.v. 14.3.2006 - 11 UE 1426/04 - juris).

Eine eindeutige Zuordnung des Hundes des Antragstellers in diese Kategorie ist nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen nicht mit hinreichender Sicherheit möglich. Der Antragsteller hat den Hund „Ice“ ohne Abstammungsnachweis aus dem Tierheim als „Dogo Argentino Mix“ übernommen. Der vom Antragsteller veranlasste DNA-Test kommt zum Ergebnis, dass es sich bei dem Hund um eine Kreuzung zwischen einem reinrassigen American Staffordshire Terrier und einem anderen Hund handelt. Dies ergibt sich aus der ermittelten Zuordnungswahrscheinlichkeit von 46%. Der Antragsteller hat jedoch im Beschwerdeverfahren substantiiert dargelegt, dass das Ergebnis dieses DNA-Tests noch keine hinreichend valide Rassezuordnung zulässt (vgl. OVG LSA, B.v. 18.6.2014 - 3 M 255/13 - juris Rn. 17 m.w.N.; B.v. 26.4.2016 - 3 L 129/15 - juris Rn. 43), weil für die Aussagekraft des Tests von Bedeutung ist, von wie vielen Hunderassen im jeweiligen Labor genetisches Vergleichsmaterial vorliegt und wie viele Hunde von einer Rasse dort genetisch erfasst sind. Denn das Ergebnis der Rassezuordnung stellt eine Zuordnungswahrscheinlichkeit des fraglichen Tieres zu einer der im Datenpool befindlichen Rassen dar. Erforderlich ist zudem, dass mit einem aktuellen Datenpool gearbeitet wird, der der geographischen Population, aus der das fragliche Tier kommt, entspricht (siehe Bl. 21 Behördenakte). Diesbezügliche Erkenntnisse über den Datenpool des Labors L. Diagnostik liegen derzeit nicht vor. Das Vorbringen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren, sowohl die Rasse American Staffordshire Terrier als auch die Rasse Dogo Argentino seien in der Datenbank hinterlegt, die Rasse American Staffordshire Terrier habe nicht die Grundlage für die Entstehung der Rasse Dogo Argentino gebildet, räumt die bestehenden Zweifel an einer validen Rassezuordnung aufgrund des vorliegenden DNA-Tests nicht aus.

Das Ergebnis des DNA-Tests ist auch nicht hinreichend durch die Einschätzung eines Hundesachverständigen verifiziert. Zwar kann nach Auffassung des Sachverständigen im Gutachten vom 30. November 2017 nicht ausgeschlossen werden, dass ein Kampfhund der Kategorie 1 eingekreuzt ist. Allerdings ist bei Kreuzungen zu berücksichtigen, dass Rassezuordnungen aufgrund des Phänotyps nicht immer eindeutig möglich sind (vgl. IMS vom 6.5.2003, IC2-2116.4-5, Hinweise zu Sachverständigengutachten). Ein Rassegutachten muss sich mit den Zuordnungskriterien Phänotyp, Wesen und Bewegungsablauf befassen. Folglich kann allein aus der Kopfform nicht hinreichend sicher auf die Zugehörigkeit des Hundes zu einer in § 1 Abs. 1 KampfhundeV aufgeführten Rasse geschlossen werden. Hinzu kommt, dass die Äußerung des Sachverständigen, „eine Einkreuzung eines unter Abs. 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit genannten Hundes könne nicht ausgeschlossen werden“, keine sichere Zuordnung des Hundes des Antragstellers als Kreuzung mit einem reinrassigen American Staffordshire Terrier zulässt. Letztlich ist eine zuverlässige Einordnung eines Mischlingshundes ohne Abstammungsnachweis als Kreuzung im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV nur möglich, wenn ein aussagekräftiges Sachverständigengutachten und ein hinreichend valider DNA-Test zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen. Der der Entscheidung des Senats vom 18. September 2013 (10 CS 13.1544) zugrunde liegende Fall macht die Einordnungsproblematik deutlich, nachdem selbst bei einer Zuordnungswahrscheinlichkeit im DNA-Test von 94% zur Rasse des American Staffordshire Terriers der Hundesachverständige bei der Rassebestimmung zu einem anderen Ergebnis kam.

Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 37 Abs. 4 Nr. 1 LStVG lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Antragsteller kein vollständiges Sachverständigengutachten zur Rassebestimmung seines Hundes vorgelegt habe. Die Beweislast dafür, dass es sich beim Hund des Antragstellers um einen Hund der Kategorie 1 handelt, trifft die Antragsgegnerin (HessVGH, U.v. 14. 3. 2006 - 11 UE 1426/04 - juris; OVG LSA, B.v. 26.4.2016 - 3 L 129/15 - juris Rn. 17). Kommt der Hundehalter einer Aufforderung, ein Rassegutachten vorzulegen, nicht nach, so muss die Antragsgegnerin gegebenenfalls unter Androhung von Zwangsmitteln die Vorlage eines solchen Gutachtens anordnen bzw. eine entsprechende Begutachtung selbst vornehmen lassen.

Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Art. 37 Abs. 4 Nr. 1, Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 KampfhundeV scheidet als Rechtsgrundlage für eine Haltungsuntersagung aus. Die Vorlage eines (vollständigen) Wesenstests zur Widerlegung der Kampfhundeeigenschaft kann von einem Hundehalter nur verlangt werden, wenn sein Hund unter § 1 Abs. 2 KampfhundeV fällt und daher die rassebedingte Vermutung der Kampfhundeeigenschaft widerlegbar ist. Bei den § 1 Abs. 1 KampfhundeV genannten Rassen scheidet dies von vornherein aus. Die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids lässt nicht eindeutig erkennen, ob die Antragsgegnerin die Haltungsuntersagung letztlich auf das Fehlen der Erlaubnis für einen „Kategorie-1-Hund“ oder die nicht widerlegte Vermutung der gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit für einen „Kategorie-2-Hund“ stützen will. Folgt man der Auffassung der Antragsgegnerin, dass es sich bei „Ice“ zumindest um einen Kampfhund im Sinne von § 1 Abs. 2 KampfhundeV handelt, so ist dessen rassebedingt vermutete gesteigerte Gefährlichkeit und Aggressivität jedenfalls durch das Gutachten vom 30. November 2017 widerlegt. Die Antragsgegnerin kann sich insoweit nicht darauf berufen, das Gutachten sei nicht vollständig, weil eine Angabe zur Rasse fehle, wenn sie in der Begründung des Bescheids selbst (hilfsweise) davon ausgeht, dass der Hund einer Rasse bzw. einer Kreuzung nach § 1 Abs. 2 KampfhundeV angehört.

Soweit die Antragsgegnerin die Haltungsuntersagung daneben noch auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt hat, genügt die Anordnung nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 8 LStVG. Auch wenn vom Hund des Antragstellers Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen und Tieren ausgehen würden, hätte die Antragsgegnerin zunächst zu prüfen, ob nicht mildere Mittel als eine Haltungsuntersagung in Betracht kommen. Hierzu fehlen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid.

Ist demnach offen, ob der Hund „Ice“ unter § 1 Abs. 1 KampfhundeV fällt, seine Haltung der Erlaubnispflicht nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG unterliegt und der Bußgeldtatbestand des Art. 37 Abs. 4 Nr. 1 LStVG erfüllt ist, und kann die Haltungsuntersagung nicht auf die anderen von der Antragsgegnerin genannten Rechtsgrundlagen gestützt werden, ist das Interesse des Antragstellers, den Hund bis zur endgültigen Klärung der Rassezugehörigkeit weiter zu halten, mit dem öffentlichen Interesse an einem sofort vollziehbaren Hundehaltungsverbot abzuwägen. Nach Auffassung des Senats begründen von dem Hund ausgehende Gefahren kein überwiegendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Haltungsuntersagung. Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bescheid unter Nr. 4 zusätzlich zum bereits verfügten Leinenzwang und Maulkorbzwang im Außenbereich einen sofort vollziehbaren umfassenden Maulkorbzwang angeordnet, den der Antragsteller nicht infrage gestellt hat. Anhaltspunkte dafür, dass er sich nicht an die getroffenen Anordnungen halten würde, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Zudem kam der Hundesachverständige U. im Gutachten vom 30. November 2017 zum Ergebnis, dass beim Hund des Antragstellers keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit festgestellt werden könne. Das tatsächliche Verhalten des Hundes entspricht somit nicht dem durch die vermutete Rassezugehörigkeit angenommenen Gefährdungspotential für Menschen und Tiere.

2. Sind der Erfolgsaussichten der Klage gegen die Haltungsuntersagung offen, liegen auch die Voraussetzungen für eine sofort vollziehbare Abgabeanordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 37 Abs. 4 Nr. 4 LStVG bzw. Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG nicht vor, so dass auch insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen war. Zudem dürfte auch die von der Antragsgegnerin gesetzte Frist für die Abgabe des Hundes an eine zuverlässige und berechtigte Person oder an das Tierheim nicht mehr dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Innerhalb der nach Zustellung des Bescheids verbleibenden Frist von vier Tagen wäre es dem Antragsteller kaum möglich gewesen, eine zuverlässige Person zu finden, die zur Haltung eines derartigen Hundes berechtigt ist. Soweit sich die Antragsgegnerin auf eine mit dem Tierheim E. bestehende langjährige vertragliche Vereinbarung beruft, wonach der Hund „Ice“ jederzeit dort aufgenommen würde, ist dem entgegenzuhalten, dass laut Aktenvermerk vom 2. Februar 2018 (Bl. 39 Behördenakte) keine Aufnahmemöglichkeit für den Hund bestand, weil keine Box frei war. Daher wurde die Abgabefrist damals verlängert.

3. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Nr. 6 des Bescheids vom 26. März 2018 verfügte Zwangsgeldandrohung war anzuordnen, weil nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abgabeanordnung die Voraussetzungen für eine Zwangsmittelandrohung nicht mehr vorliegen (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 146


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt. Gründe

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 28. Mai 2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2013 hinsichtlich der Ziffern 2. und 3. wiederhergestellt und zu Ziffer 4. angeordnet.

3

Gemäß § 14 Abs. 1 GefHundG i. V. m. §§ 13, 3 Nr. 3 Buchst. a SOG LSA können die zuständigen Sicherheitsbehörden die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden. Eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit kann auch dann vorliegen, wenn ein Hundehalter einen sog. Listenhund i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG hält, ohne dass gemäß § 4 Abs. 1 GefHundG durch Vorlage eines Wesenstests i. S. d. § 10 Abs. 2 GefHundG binnen sechs Monaten nach Beginn der Haltung des Hundes gegenüber der zuständigen Behörde die Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten nachgewiesen worden ist.

4

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der nur gebotenen summarischen Prüfung die Voraussetzungen für die Anordnung des Maulkorb- und Leinenzwanges hinsichtlich des Hundes „(...)“ mit der Transpondernummer (276...) (Ziffer 2.) und die Anordnung, dass dieser Hund außerhalb des Grundstückes der Antragstellerin nur von der Halterin selbst geführt werden darf (Ziffer 3.) sowie die Androhung eines Zwangsgeldes für Zuwiderhandlungen gegen die Ziffern 2. und 3. (Ziffer 4.) nicht vorliegen, da der von der Antragstellerin gehaltene Miniatur Bullterrier nicht zu den in § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland vom 12. April 2001 (Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz - HundVerbrEinfG -, BGBl. I S. 530) genannten Hunden zählt, deren Gefährlichkeit gemäß § 3 Abs. 2 GefHundG vermutet und deren Haltung nur unter den in § 4 Abs. 1 GefHundG genannten Voraussetzungen erlaubt ist. Nach § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG dürfen Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzung untereinander oder mit anderen Hunden nicht in das Inland eingeführt oder verbracht werden. Eine landesrechtliche Regelung, die die listenmäßige „Gefährlichkeit“ der vorgenannten Hunde durch weitere Rassen ergänzt, existiert in Sachsen-Anhalt nicht. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Hunde der Rasse Miniatur Bullterrier nicht mit Hunden der in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG genannten Rassen gleichzusetzen sind. Aus den Verwaltungsakten ergeben sich auch keine Umstände, welche darauf schließen lassen, dass der in Rede stehende Hund durch bestimmte Verhaltensweisen (z. B. einen Beißvorfall) auffällig geworden ist, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt nicht vom Vorliegen einer Gefahr i. S. d. § 3 Nr. 3 Buchst. a SOG LSA ausgegangen werden kann.

5

Grundsätzlich erfährt die Aufstellung einer sog. Rasseliste und das unter Vorbehalt stehende Verbot der Haltung der in der Liste des § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG aufgeführten Hunde seine Rechtfertigung in dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck der Gefahrenvorsorge. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 16. März 2004 (1 BvR 1778/01, juris) das vom Bundesgesetzgeber erlassene Einfuhr- und Verbringungsverbot in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundEinfVerbrG für bestimmte, in sog. Rasselisten zusammengefasste Hunderassen auch im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG als verfassungsgemäß angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Gesetzgeber bei der Einschätzung von Gefahren, die der Allgemeinheit drohten, und bei der Beurteilung der Maßnahmen, die der Verhütung und Bewältigung dieser Gefahren dienen sollten, ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zustehe, dessen Grenzen erst überschritten seien, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam seien, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben könnten. Die der angegriffenen Regelung in abstrakter Betrachtung zugrunde gelegte Annahme, dass Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier für Leib und Leben von Menschen so gefährlich seien, dass ihre Einfuhr und ihr Verbringen in das Inland unterbunden werden müssten, sei vertretbar und nicht offensichtlich unrichtig. Die Vorschrift verstoße auch nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, da sie die Hunde hinreichend klar nach der Zugehörigkeit zu den in ihr genannten Rassen bezeichne, deren Einfuhr und Verbringen in das Inland unterbunden werden soll.

6

Es ist dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums dabei grundsätzlich unbenommen, bei der Bestimmung des Begriffs „Rasse“ auf Kriterien zurückzugreifen, die von anerkannten Fachverbänden, wie etwa dem internationalen kynologischen Verband Fédération Cynologique Internationale (FCI) mit Sitz in Thuin/Belgien, entwickelt worden sind (vgl. Beschl. d. Senates v. 14.10.2013 - 3 M 229/13 -, juris). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Einteilung der verschiedenen Rassen bei Hunden nicht nach naturwissenschaftlichen Methoden (metaphysische und erkenntnistheoretische Prämissen, Empirie und Experiment, Induktion, Deduktion, Verifikation und Falsifikation, Reduktion, mathematische Beschreibung, Hypothesen- und Theoriebildung) ermittelt worden ist, sondern auf normähnlichen Entscheidungen in Gestalt von Rassestandards von Interessenverbänden wie dem FCI beruht.

7

Von der Definition von Hunderassen anhand der von Fachverbänden entwickelten Kriterien ist offenbar auch der Bundesgesetzgeber bei der Beschlussfassung über das Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz ausgegangen. In der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde heißt es (BT-Drs. 14/4451, S. 13): „Im Entwurf des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens gefährlicher Hunde in das Inland werden in § 1 Abs. 1 drei Hunderassen genannt. Aus hiesiger Sicht fehlt der Bullterrier. Das Fehlen des Bullterriers stellt einen Wertungswiderspruch dar, da dieser wie auch die aufgeführten Rassen zur gleichen Gruppe gehören (vgl. FCI - Gruppe III - der bullartigen Terrier). Der Bullterrier unterscheidet sich weder in Größe, Gewicht oder Art noch Abstammung wesentlich von den dort aufgeführten Hunderassen, so dass die Aufzählung um den Bullterrier ergänzt werden müsste, ohne den Staffordshire-Bullterrier zu streichen.“ Weitergehende Hinweise auf die von der FCI anerkannten Rassestandards enthalten weder die Beschlussempfehlung und der Bericht des Innenausschusses des Bundestages vom 06. Dezember 2000 (BT-Drs. 14/4920) noch die zu Protokoll gegebenen Redebeiträge in der 2. Beratung des Entwurfes des Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde vom 8. Dezember 2000 (Plenarprotokoll 14/141, S. 13867 f.). Eine Bezugnahme im Sinne einer statischen oder dynamischen Verweisung auf die von Hundeverbänden entwickelten Rassestandards enthält weder das Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz des Bundes noch das Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23. Januar 2009.

8

Bei der Auslegung des § 2 HundVerbrEinfG bzw. § 3 Abs. 2 GefHundG ist zudem der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen grundsätzlich so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit grundsätzlich nicht entgegen; allerdings müssen sich aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris). Wenn - wie hier - eine gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 5 GefHundG bußgeldbewehrte Verbots- bzw. Gebotsvorschrift im Streit steht, muss sich diese zudem an den strengeren Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG bzw. Art. 7 EMRK messen lassen. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein besonderes Bestimmtheitsgebot. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits sicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass der Gesetzgeber über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen selbst entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung oder einer Verhängung von Geldbußen festzulegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.11.2009 - 1 BvR 2717/08 -, NJW 2010, 754). Das schließt allerdings nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Ferner ist es wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Straf- und Bußgeldnormen unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Zweifel in solchen Grenzfällen aber führen allein nicht zur Unvereinbarkeit der Vorschrift auch mit Art. 7 EMRK, solange sie sich für die große Mehrzahl aller Fälle als klar genug erweist. Der Begriff der Vorhersehbarkeit hängt dabei weitgehend vom Inhalt der Vorschrift ab, um die es geht, dem Sachbereich der Regelung sowie der Anzahl und dem Kreis der Personen, an die sie sich richtet. Vorhersehbar kann eine gesetzliche Vorschrift auch dann sein, wenn der Betroffene Rechtsrat einholen muss, um in einem den Umständen nach vernünftigem Ausmaß die Folgen eines bestimmten Verhaltens abzuschätzen (zur Auslegung von Art. 7 EMRK: EGMR, Urt. v. 06.10.2011 - 50425/06 - „Soros/Frankreich“ -, NJW-RR 2012, 1502).

9

Gemessen an diesen Maßstäben ist festzustellen, dass der Gesetzgeber weder selbst Rassebeschreibungen im HundVerbrEinfG bzw. GefHundG aufgenommen noch geregelt hat, welche privaten Verbände nach welchen formellen und materiellen Maßgaben Rassestandards bestimmen dürfen. Es ist dem Gesetzgeber zwar nicht grundsätzlich untersagt, hinsichtlich der Definition bestimmter Rechtsbegriffe auf seine eigene Rechtssetzungsbefugnis zu verzichten und - der Sache nach - auf Regelungen privater Verbände zu verweisen. Private Regelungen - z. B. Zuchtregelungen von privaten Züchtervereinigungen - dürfen jedoch dann nicht zur Grundlage staatlicher Maßnahmen mit grundrechtsbeschränkender Wirkung gemacht werden, wenn sie gemäß den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht hinreichend bestimmt sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.12.1993 - 1 BvR 1368/90 -, juris und Beschl. v. 25.05.1993 - 1 BvR 345/83 -, juris, jeweils zu Formulierungen in Satzungen von Zuchtverbänden über das Zuchtziel von Pferderassen). Auch darf eine Verweisung von staatlichen Gesetzen auf private Regelungen nicht dazu führen, dass der Bürger schrankenlos der normsetzenden Gewalt eines privaten Verbandes ausgeliefert wird, der ihm gegenüber weder staatlich-demokratisch noch mitgliedschaftlich legitimiert ist. Nur soweit der Inhalt der privaten Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht, kann von einem unzulässigen Verzicht des Gesetzgebers auf seine Rechtsetzungsbefugnisse nicht die Rede sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.06.1983 - 2 BvR 488/80 -, juris; BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 - 3 C 21.12 -, juris zu DIN-Normen; OVG Münster, Urt. v. 06.12.2013 - 9 A 543/11 -, juris zu nicht in deutscher Sprache veröffentlichten Regelungen der International Telecommunication Union).

10

Hinsichtlich der von der FCI und anderen Hundeverbänden anerkannten Rassestandards ist zunächst festzustellen, dass diese als Grundlage bei der Zuchteignungsprüfung herangezogen werden, um die Übereinstimmung des Hundes mit den äußerlichen Merkmalen und Wesenseigenschaften seiner Rasse zu bewerten. Funktion dieser Rassestandards, wie sie sowohl von der FCI als auch von nationalen Hundezuchtverordnungen festgelegt worden sind, ist dabei nicht die möglichst trennscharfe Abgrenzung verschiedener Hunderassen. Nach dem Modellstandard der FCI (Erster FCI-Modellstandard, verabschiedet auf der Generalversammlung in Jerusalem 28./29. Juni 1987 und vom Vorstand in Wien im Juli 2009 revidiert, veröffentlicht auf www.fci.be) sollen die Rassestandards Dokumente darstellen, welche den Rasse-Urtyp methodisch beschreiben. In diesem Standard soll nur das beschrieben werden, was mit bloßem Auge erkannt werden kann. Insgesamt soll ein Rassestandard darstellen, was von Züchtern und Wertungsrichtern verwendet wird, um zu bewerten, ob der rassereine Hund ein Temperament hat, das eine Beurteilung ermöglicht; ob er die typischen Merkmale seiner Rasse besitzt bzw. sich fehlerfrei bewegt. Der Rassestandard stellt daher ein Dokument für den korrekten Rassetyp und ein Schema für die Beurteilung von rassereiner Zucht dar. Aus den Rassestandards wird auch deutlich, dass das Fehlen eines phänotypischen Merkmals oder die nicht „standardgerechte“ Ausformung eines solchen phänotypischen Merkmals nicht dazu führt, dass ein bestimmter Hund nicht als der betreffenden Rasse zugehörig angesehen wird, sondern (nur) dazu führt, dass der Hund auf Leistungsschauen wegen dieses „Fehlers“ ggf. nicht zu prämieren ist bzw. nicht weiter in der Zucht verwendet werden soll, um eine „standardgerechte“ Weiterführung der Zuchtlinien zu gewährleisten.

11

Es lässt sich zudem weder dem Wortlaut noch der Gesetzgebungsgeschichte hinreichend eindeutig entnehmen, dass der Gesetzgeber in § 2 HundVerbrEinfG statisch auf die bei Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rassestandards der FCI Bezug genommen hat und zudem z. B. das Geburtsdatum eines Hundes als maßgeblich für die Rassezuordnung angesehen hat. Der Wortlaut der Vorschrift lässt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ohne weiteres auch eine Auslegung dahingehend zu, dass die im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung geltenden (und zumindest im Internet veröffentlichten) Rassestandards maßgeblich sind. Auch der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass der Bundesgesetzgeber im Jahr 2001 bzw. der Landesgesetzgeber in Sachsen-Anhalt im Jahr 2009 für die Zuordnung von Hunden zu den in § 2 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen statisch auf einen vorgefundenen Bestand an Hunderassen verwiesen hat und nicht dynamisch auch nach Inkrafttreten des Gesetzes eintretende Veränderungen bei den Rassestandards berücksichtigt wissen wollte. Wie oben bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber zwar auf die Rassestandards der Gruppe III der FCI (Bullartige Terrier) verwiesen und zur Begründung der Aufnahme des Bullterriers in die Rasseliste die phänotypische Vergleichbarkeit dieser Rasse mit den anderen in der Liste aufgeführten Rassen angeführt. Dieser Verweis erfasst jedoch bereits nicht alle in § 2 HundVerbrEinfG aufgeführten Hunderassen, da die FCI außer für den Bullterrier (Standard Nr. 11) bislang nur den für American Staffordshire Terrier (Standard Nr. 286) und Staffordshire Bullterrier (Standard Nr. 76) einen Rassestandard definiert hat, welcher seit 2001 unverändert geblieben ist. Für den ebenfalls in § 2 HundVerbrEinfG genannten Pit Bull Terrier fehlte zum Inkrafttreten des Gesetzes und fehlt auch aktuell noch ein Rassestandard der FCI. Insofern geht für den Pitbull Terrier der Verweis in der Stellungnahme des Bundesrates auf die Standards der FCI fehl. Für den (American) Pit Bull Terrier haben z. B. der in den USA ansässige United Kennel Club, welcher nicht dem FCI angehört, sowie die American Dog Breeders Association und einige nationale Hundeverbände (wie z. B. der American Pit Bull Terrier Club Schweiz) eigene, zum Teil divergierende Rassestandards festgelegt.

12

Im Weiteren weisen der FCI-Standard Nr. 11 für den Bullterrier und der Standard Nr. 359 für den Miniatur Bullterrier hinsichtlich einzelner phänotypischer Merkmale begrifflich unbestimmte und nicht hinreichend objektivierbare Beschreibungen auf. Hinsichtlich des Bullterriers heißt es etwa:

13

„Augen: Erscheinen schmal, schräg eingesetzt und dreieckig, gut eingebettet, schwarz oder so dunkelbraun wie möglich um nahezu wie schwarz zu wirken, mit einem durch-dringenden Glitzern.

14

Ohren : Klein, dünn und nahe zueinander angesetzt. Ein Bullterrier sollte in der Lage sein die Ohren steif aufgerichtet zu halten, wenn sie gerade nach oben zeigen.“

15

Im Rassestandard Nr. 359 der FCI vom 23. Dezember 2011 für den Miniatur Bullterrier heißt es hinsichtlich der Größe des Hundes: „Die Widerristhöhe sollte 35,5 cm nicht überschreiten. Es sollte ein Eindruck von Substanz im Verhältnis zur Größe des Hundes vorhanden sein. Es gibt keine Gewichtsgrenze. Die Hunde sollten immer harmonisch sein.“

16

Außerdem wird z. B. von Tierärzten eine Rassebestimmung bei Hunden anhand von phänotypischen Merkmalen, die von Zuchtverbänden bestimmt worden sind, als wenig geeignet für eine hinreichend verlässliche Zuordnung zu einer bestimmten Hunderasse angesehen. So hat der Vizepräsident der Tierärztekammer des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Kutschmann (zugleich auch Mitglied des Bundesvorstandes des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte e.V.) auf einem Symposium zur Evaluierung des Hundegesetzes Sachsen-Anhalt in Aschersleben am 30. Mai 2013 ausgeführt, dass die Zuordnung zu einer Rasse in der Praxis schwierig sei. Es gebe derzeit keine praktikable Methode, Hunde sicher einer bestimmten Rasse zuzuordnen. Man gehe immer vom Phänotyp aus, welcher oft sehr variabel sei (vgl. www.mi.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/ MI/MI/PDF_Dokumente/Abteilung_2/Hundegesetz/Tagungsdokumentation_zum_Symposium_Hundegesetz.pdf). Diese Einschätzung deckt sich mit Untersuchungen, die in den letzten Jahren insbesondere zu Mischlingshunden in den USA durchgeführt worden sind. Bei einer Untersuchung im Jahr 2012 wurde dort bei 20 Mischlingshunden zunächst eine DNA-Untersuchung durchgeführt, um die genetisch dominierende Rasse zu ermitteln. Danach wurde 900 Personen, welche über besondere Erfahrungen im Umgang mit Hunden haben, neben der Mitteilung von Geschlecht, Größe, Gewicht und Alter eine Videoaufnahme des jeweiligen Hundes vorgeführt und um eine Einschätzung gebeten, welche Rasse nach den phänotypischen Merkmalen als dominant angesehen wird. Bei 14 der 20 Hunde erkannten weniger als 50 % der Befragten die Rasse als prägend, die sich aus dem DNA-Befund ergab. Lediglich bei sieben Hunden konnten sich die Befragten zu mehr als 50 % auf eine als dominant erkannte Rasse verständigen, bei drei von diesen sieben Hunden stimmte das Ergebnis nach der phänotypischen Bewertung nicht mit dem genetischen Testergebnis überein (vgl. Voith et al., Comparison of Visual and DNA Breed Identification of Dogs and Inter-Observer Reliability, American Journal of Sociological Research 2013, 17, veröffentlicht unter article.sapub.org/pdf/10.5923.j.sociology.20130302.02.pdf).

17

Eine hinreichend valide Rassezuordnung mittels eines DNA-Testes ist nach dem derzeitigen Wissenstand trotz beachtlicher Fortschritte in den letzten Jahren (vgl. hierzu Gunreben u. a., Genetische Rassezuordnung von Hunden, Kleintiermedizin 2011, 72) selbst bezüglich nur der von der FCI anerkannten Rassen noch nicht möglich, da derzeit nur von ca. der Hälfte der von der FCI erfassten Hunderassen Vergleichsmaterial in den Unternehmen vorliegt, die DNA-Tests bei Hunden durchführen (vgl. z. B. die 200 Rassen umfassende Liste bei www.wisdompanel.com/breeds). Für den Bullterrier und den Miniatur Bullterrier liegt allerdings bereits differenziertes genetisches Vergleichsmaterial vor (vgl. z. B. die Übersicht bei www.dogdna.de/hunderassen/rassenliste_2013.pdf).

18

Stellt man für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die oben aufgeführten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 3 Abs. 2 GefHundG zurück, ist § 3 Abs. 2 GefHundG i. V. m. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG und den von der FCI bestimmten Rassestandards für Bullterrier und Miniatur Bullterrier verfassungskonform so auszulegen, dass die „Soll-Bestimmung“ für die maximale Widerristhöhe eines Miniatur Bullterriers im FCI-Standard Nr. 359 den Regelfall darstellt, welcher die phänotypische Abgrenzung zwischen den beiden Hunderassen ermöglicht. Die Rassestandards für den Bullterrier und den Miniatur Bullterrier unterscheiden sich nur hinsichtlich der Größe, insofern als bei einem Miniatur Bullterrier eine Widerristhöhe von 35,5 cm nicht überschritten werden „soll“. Nach dem insofern auch von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen Sachverhalt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erfüllt der in Rede stehende Hund hinsichtlich der Widerristhöhe die Maßgaben des Standards Nr. 359 für den Miniatur Bullterrier, so dass der in Rede stehende Hund nach derzeitigem Sachstand nicht den in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen zuzuordnen ist. Die Antragsgegnerin hat keine Messung der Widerristhöhe des Hundes vorgelegt, welche es als fraglich erscheinen lassen könnte, dass der Hund noch dem für Miniatur Bullterrier geltenden Rassestandard entspricht. Hinzu kommt, dass wie sonst auch grundsätzlich bei belastenden Verwaltungsakten bei nicht aufklärbaren Zweifelsfällen hinsichtlich der Rasseeigenschaft eines Hundes die Antragsgegnerin die Beweislast trägt. Eine Umkehr der Beweislast zulasten des Hundehalters ist anders als in anderen Bundesländern (z. B. § 2 Abs. 4 des Hamburgischen Gesetzes über das Halten und Führen von Hunden vom 26. Januar 2006, HmbGVBl. 2006, 37; § 3 Abs. 2 des Hundegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2002, GV NRW 2002, 656; § 3 Abs. 2 des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren vom 22. Juni 2011, GVBl. 2011, 93) in § 3 Abs. 2 GefHundG nicht vorgesehen.

19

Der Einwand der Antragsgegnerin, dass es sich jedenfalls bei den hier in Rede stehenden Miniatur Bullterriern um Kreuzungen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen handele, bei denen gemäß § 3 Abs. 2 GefHundG ebenfalls die Vermutung der Gefährlichkeit besteht, greift ebenfalls nicht durch. Die Argumentation der Antragsgegnerin, dass es sich bei dem Miniatur Bullterrier jedenfalls bis 2011 auch nach Auffassung der FCI nur um eine Varietät des (Standard-) Bullterrier gehandelt habe und daher die Elterntiere des hier in Rede stehenden, im Mai 2010 geborenen Miniatur Bullterriers jedenfalls im Zeitpunkt der Geburt des Hundes ausschließlich als (Standard) Bullterrier anzusehen gewesen seien, was zur Folge habe, dass der streitgegenständliche Hund als ein aus einer Kreuzung mit zumindest einem (Standard-) Bullterrier hervorgegangener Hund anzusehen sei, stellt die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage. Die Antragsgegnerin legt mit der Beschwerdebegründung nicht dar, dass erst mit der Anerkennung durch die FCI eine neue Hunderasse gleichsam „konstitutiv“ entsteht. Nach den Statuten der FCI können Hunde von Rassen, die von der FCI und den in der FCI zusammengeschlossenen Verbänden (noch) nicht anerkannt sind, an Ausstellungen und Zuchtschauen, die von der FCI und den ihr angeschlossenen Verbände ausgerichtet werden, nicht teilnehmen. Ferner ist mit der Anerkennung der Hunderasse durch die FCI die gegenseitige Anerkennung der Zuchtbücher der Mitglieds- und Partnerverbände verbunden. Insofern hat die Anerkennung einer Hunderasse durch die FCI zwar Auswirkungen im Bereich der Zucht und des Haltens eines Hundes. Sie hat aber nicht die zwingende Folge, dass eine nach gemeinsamen phänotypischen Merkmalen gegenüber anderen Hunden abgrenzbare Gruppe von Hunden vor der Anerkennung durch die FCI nicht als eigenständige Hunderasse angesehen werden kann. Hinzu kommt, dass auch schon vor 2011 in der veterinärmedizinischen Praxis (vgl. Steinfeldt: „Kampfhunde“. Geschichte, Einsatz, Haltungsprobleme von „Bull-Rassen“. Diss. med. vet. Hannover 2002, S. 67) und in der behördlichen Praxis in anderen Bundesländern zwischen den Rassen Bullterrier und Miniatur Bull Terrier unterschieden wurde (sog. Hundebericht Nordrhein-Westfalen vom 17.05.2011 für das Berichtsjahr 2010, S. 8: seit dem Jahr 2009 Einstufung der Rasse Miniatur Bullterrier als sog. kleiner Hund: www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV14-2232.pdf).

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.

21

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.


Gründe

1

I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle - 1. Kammer - vom 27. April 2015 hat keinen Erfolg.

2

1. Die von der Beklagten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

3

„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen(vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).

4

Das Antragsvorbringen begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit - des Ergebnisses - der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass auf die zulässige Klage hin die Ziffer 2. bis 6. der Ordnungsverfügung vom 20. November 2012 aufzuheben sind, da der Bescheid insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

5

Voranzustellen ist, dass rechtlicher Anknüpfungspunkt für das vorliegende Verfahren das Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23. Januar 2009 (GVBl. LSA S. 22) in der Fassung der Änderung vom 17. Juni 2014 (GVBl. LSA S. 288) ist - im Folgenden: GefHuG LSA -. Die durch das Gesetz vom 27. Oktober 2015 (GVBl. LSA S. 560) zum 1. März 2016 bewirkten Änderungen der §§ 3, 6, 10, 11 und 16 sind mangels Vorhandenseins einer Übergangsvorschrift nicht maßgebend, da hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Anfechtungsklage die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung von Relevanz ist. Denn Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 20. November 2012 in Gestalt des Änderungsbescheides der Beklagten vom 5. Mai 2015 in der Fassung des nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens erlassenen Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 11. August 2015, so dass es auf etwaige durch die Neufassung des § 3 Abs. 2 - des nunmehr amtlich als Hundegesetz (HundeG LSA) bezeichneten Gesetzes - bewirkten Änderungen der Rechtslage nicht entscheidungserheblich ankommt.

6

1.1. Soweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung deshalb gerügt werden, weil das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Klageumstellung bejaht hat, hat die Beklagte solche nicht schlüssig dargelegt. Keine Klageänderung liegt vor, wenn von einer negativen Feststellungsklage zur Anfechtungsklage übergegangen wird. Denn als Änderung der Klage ist gemäß §§ 173 VwGO, 264 Nr. 2 ZPO nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird(vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 1987 - 4 B 211.87 -, juris).

7

Zwar hat der Kläger mit seiner am 29. August 2012 erhobenen Klage die Feststellung begehrt, dass er für die Haltung seines Hundes „(...)“ nicht gemäß § 4 Abs. 1 GefHuG LSA durch einen Wesenstest nachweisen müsse, dass sein Hund zu sozialverträglichem Verhalten in der Lage sei. Hiermit war ausweislich der Klagebegründung verknüpft, die für die Vorlage des Wesenstests notwendige Gefährlichkeitsvermutung hinsichtlich seine Hundes auszuschließen, weil der Kläger davon ausgeht, dass sein Hund kein Bullterrier i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA (sog. Listenhund) sei. Jedenfalls insoweit war - mangels gegenteiligen Vorbringens der Beklagten - die negative Feststellungsklage des Klägers zulässig. Dass mit dem Schreiben der Beklagten vom 28. Juni 2012, mit der der Kläger aufgefordert worden war, einen Wesenstest nach § 4 Abs. 1 GefHuG bis zum 27. Juli 2012 vorzulegen, eine regelnde Feststellung der Zugehörigkeit des Hundes des Klägers zu einer dort genannten Hunderassen (sog. Listenhund) getroffen worden, mithin die Vermutungswirkung der Gefährlichkeit des Hundes des Klägers nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA bestandskräftig geregelt worden wäre, legt die Beklagte im Zulassungsverfahren im Übrigen nicht dar. Sie beschränkt ihr Vorbringen darauf, den Kläger (zumindest) zur Vorlage eines Wesenstests verpflichtet zu haben (vgl. Seite 6, 2. Absatz der Zulassungsbegründungsschrift), ohne darzulegen, dass hiermit eine solche regelnde Feststellung der Rassezugehörigkeit verknüpft gewesen sei. In der Folge hat die Beklagte die von dem Kläger hier mit der Klage angegriffene Verfügung vom 20. November 2012 erlassen, worin dem Kläger ausgehend von einer vermuteten Gefährlichkeit seines Hundes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA aufgrund einer vermuteten Rassezugehörigkeit (Bullterrier) aufgegeben worden war, den Hund an der Leine und mit Maulkorb (Ziffer 2.) nur durch den Halter (Ziffer 3.) auszuführen, wobei ihm Zwangsgelder bei Zuwiderhandlung gegen die unter Sofortvollzug (Ziffer 5.) gestellten Ziffern 2. und 3. der Verfügung in Höhe von jeweils 250,00 € angedroht (Ziffer 4.) und die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden (Ziffer 6.). Die Beklagte hat dagegen nicht in Durchsetzung ihrer Aufforderung vom 28. Juni 2012 die Durchführung des Wesenstestes im Wege des Verwaltungszwangs veranlasst, sondern (lediglich) mit Bescheid vom 20. November 2012 - ohne im Zulassungsverfahren eine (mittlerweile bestandskräftige) Feststellung der Rassezugehörigkeit des Hundes des Klägers aufgrund des Bescheides vom 28. Juni 2012 selbst anzunehmen - Anordnungen auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 GefHuG LSA i. V. m. § 13 SOG LSA getroffen, die der Kläger durch die zunächst erhobene negative Feststellungsklage hatte verhindern wollen. Gegenstand des Bescheides vom 20. November 2012 ist damit auch die den Anordnungen zugrunde liegende Vermutung der Gefährlichkeit des klägerischen Hundes, die das mit der negativen Feststellungsklage verfolgte Begehren spiegelt.

8

Folglich hat der Kläger zunächst eine negative Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO erhoben, die im Zeitpunkt der Klageerhebung zulässig war, weil er ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hatte, dass sein Hund kein gefährlicher Hund i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA ist. Dass die Feststellungsklage - wie die Beklagte vorträgt - bereits von Beginn an aufgrund der Verfügung vom 28. Juni 2012 unzulässig gewesen sei, vermag der Senat angesichts dessen, dass die Beklagte selbst nicht von einer regelnden Feststellung der Rassezugehörigkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA durch den Bescheid vom 28. Juni 2012 ausgeht, nicht zu erblicken. Vielmehr ist zu konstatieren, dass die Rechtsfrage der sich nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA ergebenden Gefährlichkeit des Hundes des Klägers von Beginn an zwischen den Beteiligten streitig war und einer Klärung durch die Gerichte im Wege der Feststellungsklage erfolgen sollte. Nur so kann der Schriftverkehr zwischen den Beteiligten verstanden werden (Bescheid vom 20. November 2012, Vorbringen der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren, zuletzt Schriftsatz vom 29. April 2013). Eine andere Sichtweise verbietet sich zudem deshalb, weil die Beklagte erstmals nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO) des ohne Rechtsbehelfsbelehrung erlassenden Bescheides vom 28. Juni 2012 wohl in rechtsmissbräuchlicher Weise die Unzulässigkeit der (negativen) Feststellungsklage behauptet hat (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 11. Juli 2013).

9

Da die Beklagte somit erstmals mit Bescheid vom 20. November 2012 in regelnder Art und Weise die Rassezugehörigkeit des Hundes des Klägers nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA festgestellt, mithin dessen Gefährlichkeit vermutet und daraufhin Anordnungen getroffen hat, die der Kläger mit Erhebung seiner Feststellungsklage hatte vermeiden wollen, ist die Feststellungsklage unzulässig geworden. Sie ist deshalb jedoch nicht abweisungsreif. Denn für das verwaltungsgerichtliche Verfahren kommt es nicht auf die Form des Klageantrags an, sondern auf das Begehren (§ 88 VwGO). Das Begehren des Klägers war erkennbar darauf gerichtet, die Vermutung der Gefährlichkeit seines Hundes auszuschließen und hiermit verbundene Folgeverfügungen - wie hier den Leinen- und Maulkorbzwang sowie die ausschließliche Führung durch den Halter - zu vermeiden. Die Beschwer des Klägers ist folglich durch den Erlass des Bescheides vom 20. November 2012 nicht entfallen. Sie ist durch diese Verfügungen lediglich in eine andere Gestalt gekleidet worden. In § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist bestimmt, dass bei Erledigung eines Verwaltungsaktes auf die Feststellungsklage übergegangen werden kann, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse daran hat, dass festgestellt wird, der erledigte Verwaltungsakt sei rechtswidrig gewesen. Für den umgekehrten Gang der Dinge muss Entsprechendes gelten. Wird eine negative Feststellungsklage durch einen belastenden Verwaltungsakt unterlaufen, so bleibt der Streitgegenstand in seinem Wesensgehalt unverändert. Es stünde in Widerspruch zu dem Grundsatz der Prozessökonomie, der in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für den dort behandelten Fall seine normative Ausprägung erhalten hat, wollte man in einem Verwaltungsrechtsstreit wie dem vorliegenden das bisherige Verfahren als gegenstandslos ansehen und den Kläger zwingen, gegen den Bescheid vom 20. November 2012 ein neues Verfahren einzuleiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 1968 - V C 23.62 -,
juris). An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass sich der Kläger zunächst nicht gegen das Schreiben der Beklagten vom 28. Juni 2012 gewandt und nur die Verfügung vom 20. November 2012 angefochten hat. Dies lag in seiner Dispositionsmaxime, zumal die Beklagte in ihrem Zulassungsvorbringen schon nicht davon ausgeht, dass mit dem Schreiben vom 28. Juni 2012 die Gefährlichkeitsvermutung regelnd festgestellt worden wäre. Dies zugrunde gelegt, konnte - wie vorliegend geschehen - das zunächst mit der negativen Feststellungsklage geführte Verfahren als Anfechtungsklage weiter verfolgt werden.

10

Der Einwand der Beklagten, identisch wäre der Streitgegenstand nur, wenn sich der Kläger gegen einen Verwaltungsakt vom 28. Juni 2012 wenden würde, mittels welchem dieser zur Vorlage des Wesenstestes aufgefordert worden sei, greift nicht Platz. Die Beklagte verkennt, dass das Feststellungsbegehren des Klägers - wie dargestellt - zuvorderst darauf gerichtet war, die Rassezugehörigkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA auszuschließen und Folgeverfahren, die in dieser Gefährlichkeitsvermutung wurzeln, zu vermeiden. Die Beklagte legt jedoch nicht zulassungsbegründend dar, dass eine solche Vermutung der Gefährlichkeit bereits in der Verfügung vom 28. Juni 2012 bestandskräftig getroffen wurde.

11

Mit den von der Beklagten vorgetragenen Kontrollüberlegungen, die belegen sollen, dass der Streitgegenstand der zuvor erhobenen Feststellungsklage ein gänzlich anderer sei als der durch die Einbeziehung des Bescheides der Beklagten vom 20. November 2012, legt sie ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Zulässigkeit der Klage dar. Denn entgegen der unter Ziffer II. 1.1.1. lit. a) der Antragsbegründungsschrift aufgestellten Behauptung der Beklagten lag schon keine von Anfang an unzulässige Feststellungsklage vor (siehe Darstellung oben). Dass aufgrund der „Bestandskraft des Bescheides vom 28. Juni 2012“ nach ihrem Vorbringen unter Ziffer II. 1.1.1. lit. b) nicht mehr zu thematisieren sei, ob der Kläger einen Miniatur Bullterrier oder einen Bullterrier halte, ist unzutreffend. Ein dahin zu verstehender „Bescheid“ berechtigte allenfalls die Anwendung von Verwaltungszwang zwecks Durchführung eines Wesenstestes. Aus welchen Gründen es für das vorliegende Verfahren somit nicht entscheidungserheblich darauf ankommen soll, ob der Kläger einen Miniatur Bullterrier oder einen Bullterrier hält, legt die Beklagte somit schon nicht schlüssig dar, zumal sie selbst nicht von einer regelnden Feststellung der Rassezugehörigkeit des Hundes des Klägers nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA mit Schreiben vom 28. Juni 2012 ausgeht.

12

Dass der Kläger das Klageverfahren primär angestrengt habe, um den kostenintensiven Wesenstest nicht durchführen zu müssen, steht - unabhängig von der Frage, ob er dieses Ziel überhaupt mit der vorliegenden Klage habe erreichen können - einer Klageumstellung nicht entgegen. Denn - wie die Beklagte selbst vorträgt - war eine weitere Intention des Klägers, sich nicht laufend gegen ordnungsrechtliche Anordnungen und Bußgelder der Beklagten wehren, d. h. keine multiplen Verfahren führen zu müssen. Dass der Kläger mit Schriftsatz vom 12. August 2013 daneben vorgetragen habe, der Streitgegenstand des den Bescheid vom 20. November 2012 betreffenden Widerspruchsverfahrens sei ein anderer als der des (Feststellungs-)Klageverfahrens schließt ebenfalls die vorgenommene Klageumstellung nicht aus. Denn der Kläger muss sich weder an seinem Vorbringen im Klageverfahren derart festhalten lassen, dass er den lediglich schriftsätzlich angekündigten Klageantrag zu stellen verpflichtet ist, noch war sein (ursprüngliches) Feststellungsinteresse allein darauf gerichtet, die Kosten und Gebühren für die Durchführung eines Wesenstestes zu vermeiden (siehe vorherige Darstellung).

13

1.2. Auch die unter Ziffer II. 1.1.2. der Antragsbegründungsschrift vorgetragenen Erwägungen rechtfertigen die Zulassung der Berufung aufgrund ernstlicher Zweifel nicht. Ausgehend davon, dass eine wirksame Klageumstellung vorliegt, kommt es auf die Einwendungen der Beklagten zur Zulässigkeit einer etwaigen Klageänderung schon nicht entscheidungserheblich an.

14

1.3. Mit den von der Beklagten unter Ziffer II. 1.2. der Antragsbegründungsschrift unter der Überschrift "Erledigung" thematisierten Einwendungen legt sie ebenfalls keine ernstlichen Zweifel zulassungsbegründend dar. Richtig ist, dass ein Änderungsbescheid, der im Laufe eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergeht, den Streitgegenstand zwingend ändert. Dessen Einbeziehung in das gerichtliche Verfahren hängt nicht von der Disposition der Beteiligten ab. Darauf, dass der Kläger lediglich Widerspruch gegen die mit Änderungsbescheid der Beklagten vom 5. Mai 2015 vorgenommene Befristung der unter Ziffer 2. und 3. getroffenen Regelungen des Bescheides der Beklagten vom 20. November 2012 eingelegt hat, kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an.

15

Ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass der Hund des Klägers als Miniatur Bullterrier kein Hund ist, für den nach der bis zum 29. Februar 2016 geltenden Fassung des § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA die Gefährlichkeit vermutet wird, handelt es sich mangels Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes im Einzelfall nach § 3 Abs. 3 GefHuG LSA bei dem Hund des Klägers um keinen gefährlichen Hund i. S. v. § 3 Abs. 1 GefHuG LSA. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte nicht berechtigt war, einen - auch nicht bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 1 A 51/13 HAL oder der Vorlage eines Wesenstestes - befristeten Maulkorb- bzw. Leinenzwang und die ausschließliche Halterführung zu verfügen. Die Gesetzessystematik des Gefahrhundegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt ist anders als bei einer festgestellten Gefährlichkeit nach § 3 Abs. 3 GefHuG LSA (vgl. § 11 GefHuG LSA) schon nicht darauf ausgelegt, im Fall der Gefährlichkeitsvermutung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA einen Leinen- und Maulkorbzwang bzw. die alleinige Führung durch den Halter zu bestimmen. Der Gesetzgeber hat bewusst auf weitere Einschränkungen der Hundehaltung bei Hunden, deren Gefährlichkeit an die Rasse anknüpfend vermutet wird, verzichtet. Die Gefährlichkeitsvermutung kann nur durch die Ablegung eines Wesenstestes widerlegt werden (vgl. im Einzelnen: OVG LSA, Beschluss vom 14. Oktober 2013 - 3 M 229/13 -, juris). Zwar ergibt sich aus der Generalnorm des § 14 Abs. 1 GefHuG LSA, insbesondere über § 13 SOG LSA eine Eingriffsnorm zum Erlass der erforderlichen Maßnahmen, um die von einem Hund oder der Haltung und Führung eines Hundes ausgehende Gefahr abzuwehren. Damit ist jedoch nicht verknüpft, im Fall des bloßen Gefahrenverdachtes etwaige Maßnahmen zu treffen. § 13 SOG LSA setzt das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraus. Eine Gefahr ist gemäß § 3 Nr. 3 lit. a) SOG LSA eine konkrete, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Falle die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. Die öffentliche Sicherheit i. S. d. § 3 Nr. 3 lit. a) SOG LSA umfasst gemäß § 3 Nr. 1 SOG LSA die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie des Bestandes, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger der Hoheitsgewalt(vgl. OVG LSA, Beschluss vom 21. Januar 2013 - 3 M 591/12 -, juris).

16

Allein der Umstand, dass der Kläger mit Schreiben vom 28. Juni 2012 zur Vorlage eines Wesenstestes aufgefordert wurde, rechtfertigt nicht die Annahme einer konkreten Gefahr im vorbezeichneten Sinne. Denn es lag dieser Aufforderung zur fristgemäßen Vorlage - wie bereits dargestellt - keine regelnde Feststellung der Rassezugehörigkeit (sog. Listenhund i. S. v. § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA) zugrunde, so dass allein die nicht fristgemäße Vorlage des Wesenstestes keine Verletzung der Rechtsordnung dahingehend begründen kann, dass gleichwohl vom Halten eines sog. Listenhundes ausgegangen werden durfte, was die Annahme einer konkreten Gefahr gerechtfertigt hätte.

17

Ungeachtet dessen ist es schon nicht ausreichend, dass ein Außendienstmitarbeiter der Beklagten - ohne dass dies im Verwaltungsvorgang eine Stütze findet, zumal der Kläger dies auch bestritten hat - festgestellt haben will, dass der als Miniatur Bullterrier angemeldete Hund größer erscheine, um eine Rassezuordnung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA vorzunehmen. Dieser bloße Verdacht zwingt die Behörde, eine Begutachtung des Hundes durch den Amtstierarzt oder einen anderen sachverständigen Dritten vornehmen zu lassen bzw. im Fall der Weigerung des Halters, diese durch eine Duldungsverfügung durchzusetzen. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Vielmehr hat die Beklagte den Kläger wohl zur Vermeidung des Begutachtungsaufwandes in die Feststellungsklage gedrängt und im Nachgang Anordnungen nach § 14 Abs. 1 GefHuG LSA getroffen, obgleich sie bei richtiger Sachbehandlung den Gefahrenverdacht hätte weiter aufklären können und müssen, denn ihr obliegt nach dem materiellen Recht die Beweislast(vgl. zu Letzterem: OVG LSA, Beschluss vom 18. Juni 2014 - 3 M 255/13 -, juris Rdnr. 18; Urteil vom 4. Juni 2014 - 3 L 230/13 -, juris). Dass der Außendienstmitarbeiter der Beklagten über den notwendigen Sachverstand, insbesondere bei einer mit bloßem Auge erfolgenden Einschätzung der Größe des Hundes verfügt hat, legt die Beklagte weder zulassungsbegründend dar noch liegt dies ohne Weiteres auf der Hand. Dem Verwaltungsvorgang kann Entsprechendes schon nicht entnommen werden.

18

Allein der Umstand, dass die Widerristhöhe des Hundes - wie im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahren festgestellt - 2,3 cm über dem für Miniatur Bullterrier vorliegendem Sollwert von 35,5 cm liegt, genügt nicht, um eine konkrete Gefahr zu rechtfertigen, zumal sich die Beklagten ausweislich der Aktenlage bei Erlass ihrer Verfügung vom 20. November 2012 einer Überschreitung des Sollwertes schon nicht bewusst war. Denn sie stützte diese allein darauf, dass auch ein Miniatur Bullterrier ein gefährlicher Hund i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 des Hundeverbringungs- und Einfuhrbeschränkungsgesetzes, mithin ein sog. Listenhund sei. Erst im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens ist das Überschreiten der Soll-Bestimmung für die Widerristhöhe zum Gegenstand des Vorbringens gemacht worden.

19

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass der Senat in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, welches die Sicherstellung und Verwahrung eines als Miniatur Bullterrier bezeichneten Hundes zum Gegenstand gehabt habe, ein Überschreiten der Sollhöhe habe genügen lassen, um von einem Standard Bullterrier auszugehen (vgl. Beschluss vom 14. Oktober 2013, a. a. O.), legt sie schon nicht in hinreichender Art und Weise dar, dass mit dem (bloßen) Überschreiten der Soll-Bestimmung der Widerristhöhe nach dem FCI-Rassestandard für Miniatur Bullterrier eine konkrete Gefahr i. S. v. §§ 13, 3 Nr. 3 lit. a) SOG LSA verbunden ist. Ein Überschreiten der sog. Sollhöhe um 2,3 cm bei einer vom Halter behaupteten Zuordnung zu der Rasse der Miniatur Bullterrier kann in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, bei dem der Sofortvollzug auf der Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beruht, nur offene Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren begründen. Denn dass sich der Verwaltungsakt aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird, steht schon angesichts der Notwendigkeit der Begutachtung des Hundes durch einen sachverständigen Dritten und einer Überschreitung der Sollhöhe um 2,3 cm nicht hinreichend fest, so dass das Gericht im Rahmen seiner Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zu entscheiden hat(te). Dass es im Eilverfahren für den Regelfall annimmt, ein Überschreiten der Sollhöhe genüge, um ein Überwiegen öffentlicher Interessen zu bejahen, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme einer konkreten Gefahr, zumal mittlerweile feststeht, dass eine solche gerade nicht vorgelegen hat. Dass für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung die Anordnungen der Beklagten bei summarischer Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ihre Rechtfertigung gefunden hätten, genügt nicht, um eine konkrete Gefahr zu bejahen. Weder die Verletzung der Rechtsordnung (Nichtvorlage des Wesenstestes [siehe Darstellung oben]) noch die bloß mögliche Rassezugehörigkeit des Hundes begründen im Rahmen Hauptsacheverfahren eine konkrete Gefahr. Dass der Kläger gegen die unter Sofortvollzug gestellte Verfügung der Beklagten vom 20. November 2012 nicht im Wege des Eilrechtsschutzes vorgegangen ist, weil er (wohl) in Kenntnis der Rechtsprechung des beschließenden Senates seine mangelnden Erfolgsaussichten überblickt haben dürfte, lässt ebenfalls nicht aus dem bloßen Gefahrenverdacht für den Zeitraum der nachträglichen Befristung der Verfügung vom 20. November 2012 mit Änderungsbescheid vom 5. Mai 2015 eine konkrete Gefahr erwachsen. Das Risiko, dass sich im gerichtlichen Hauptsacheverfahren herausstellt, dass - wie hier - keine konkrete Gefahr vorgelegen hat, hat die Behörde zu tragen. Sie kann sich diesem durch eine (nachträgliche) Befristung nicht entledigen. Die rechtskräftige Entscheidung des Gerichtes entfaltet ihre Wirkung ex tunc. Der bloße Gefahrenverdacht genügt jedoch nicht, um - wenn auch nur zeitweise - die Anordnungen der Beklagten zu rechtfertigen. Stellt sich somit - wie hier - heraus, dass es sich von Anfang an um keinen sog. Listenhund gehandelt hat, trägt die Beklagte trotz des zu attestierenden Gefahrenverdachtes das Prozesskostenrisiko, zumal ihr die Beweislast obliegt (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 18. Juni 2014, a.a.O.; Urteil vom 4. Juni 2014, a. a. O.).

20

Nach alledem hat sich die angefochtene Verfügung vom 20. November 2012 nicht durch die „Berichtigung“ vom 5. Mai 2015 „erledigt“; die Beschwer besteht im Zeitpunkt der Senatsentscheidung auch noch fort.

21

1.3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung ergeben sich ebenso wenig hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angenommenen Rechtswidrigkeit der Ziffer 2. bis 6. der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 20. November 2012. Offen bleiben kann hier, ob das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Verfügung der Beklagten vom 20. November 2012 bereits formell rechtswidrig sei bzw. ob mit dem nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgten Erlass des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 11. August 2015 eine Heilung nach § 45 Abs. 2 VwVfG i. V. m. § 1 VwVfG LSA eingetreten sein könnte. Denn ausgehend von den unter Ziffer II. 1.3.2. der Antragsbegründungsschrift vorgetragenen Erwägungen hat das Verwaltungsgericht jedenfalls richtigerweise die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnungen unter Ziffer 2. bis 6. des Bescheides der Beklagten vom 20. November 2012 verneint (siehe folgende Darstellung unter I. 1.3.1 bis I. 1.3.3.). Auch der Erlass des zurückweisenden Widerspruchsbescheides durch das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 11. August 2015, den der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 14. August 2015) vermag keine andere Sichtweise zu rechtfertigen.

22

1.3.1. Soweit die Beklagte unter II. 1.3.2. lit. A) ihrer Antragsbegründungsschrift einwendet, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes handele es sich bei dem streitgegenständlichen Hund um einen Hund der Rasse Bullterrier (Standard), weil er über eine Widerristhöhe von über 35,5 cm verfüge, legt er ernstliche Zweifel nicht zulassungsbegründend dar. Der Verweis auf die in einem Eilrechtsschutzverfahren getroffene Entscheidung des Senates vom 14. Oktober 2014 (3 M 229/13) trägt diese Sichtweise nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass alle die Soll-Bestimmung für die Widerristhöhe nach den FCI-Standard überschreitenden Hunde der Rasse Miniatur Bullterrier sodann Bullterrier seien. Vielmehr ging der Senat allein für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon aus, dass § 2 Abs. 1 des Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetzes vom 12. April 2001 (BGBl. I S. 530), geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 12. April 2001 (BGBl. I S. 530, 532) - im Folgenden: HundVerbrEinfG -, § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA i. V. m. den von dem größte Hundefachverband, der Fédération Cynologique Internationale (FCI) bestimmten Rassestandards für Bullterrier und Miniatur Bullterrier verfassungskonform so ausgelegt werden könne, dass die „Soll-Bestimmung“ für die maximale Widerristhöhe eines Miniatur Bullterriers den Regelfall darstellt, welcher die Abgrenzung zwischen den beiden Hunderassen ermögliche (OVG LSA, Beschluss vom 14. Juni 2014, a.a.O.). Hiermit ist angesichts der verwendeten Begrifflichkeit "Regelfall" nicht verknüpft, dass es keiner sachverständigen Begutachtung zur abschließenden Klärung der Rassezugehörigkeit auf der Grundlage des bis zum 29. Februar 2016 geltenden § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA im Hauptsacheverfahren bedarf. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Hund - obgleich die Sollhöhe überschritten ist - der Rasse der Miniatur Bullterrier noch zuzuordnen ist oder aber eine Zuordnung zur Rasse der Bullterrier zu erfolgen hat. Die Verwendung der Begrifflichkeit "sollte" bei der Angabe der Widerristhöhe eines Miniatur Bullterriers i. S. d. FCI-Standards Nr. 359 offenbart, dass eine - wenn auch nur minimale - Abweichung der Widerristhöhe nach oben nicht von vornherein die Zuordnung zur Rasse der Miniatur Bullterrier ausschließt.

23

Dass die Sachverständige in ihrem Gutachten vom 17. Oktober 2014 den Hund des Klägers einzig abstellend auf die gemessene Widerristhöhe von 37,8 cm mit einer großen Wahrscheinlichkeit als Miniatur Bullterrier eingeordnet habe, ist weder richtig noch rechtfertigt dies die Annahme, dass jeder Hund bei Überschreiten der Sollbestimmung zur Widerristhöhe sodann der Rasse der Bullterrier zuzuordnen sei. Entgegen der Annahme der Beklagten hat die Sachverständige ausweislich des Gutachtens auch das weitere Erscheinungsbild des Hundes, mithin phänotypische Merkmale in ihre Betrachtung einbezogen und im Rahmen der "Annährung an eine Rassenzugehörigkeit des Hundes "(...)" " dargestellt und für ihr "Fazit" verwendet. Dass die FCI-Standards für den Bullterrier und den Miniatur Bullterrier bis auf die jeweilige Angabe zur Größe identisch seien, schließt angesichts der bloßen Sollangabe zur Widerristhöhe beim Miniatur Bullterrier eine Berücksichtigung des weiteren Erscheinungsbildes schon nicht aus. Vielmehr ist unter Zugrundelegung der hier maßgebenden, die Rassezuordnung bestimmenden Regeln vor dem Hintergrund einer bloßen Sollangabe von einer fließenden Grenze zwischen den Rassen auszugehen, die vorliegend durch einen Sachverständigen zu finden und im jeweiligen Einzelfall auch unter Berücksichtigung des Erscheinungsbildes zu ziehen ist. Gegen die von der Sachverständigen hierbei gewählte Methodik, mangels einer Angabe zu Toleranzgrenzen ("von- bis") die über dem Soll liegende Höhe - hier mit 2,3 cm - zu bestimmen, und zu überprüfen, ob sich der Hund mit den 2,3 cm "über Soll" schon deutlich der Größe des (durchschnittlichen) Bullterriers annähert oder nicht, ist nichts zu erinnern. Denn es gilt gerade zu ermitteln, ob es sich nicht nur um eine geringfügige Abweichung von der Sollgrenze des FCI handelt. Dass die FCI-Standards selbst keine Aussage über die Durchschnittgröße eines Bullterriers treffe, ist hierbei nicht von Belang. Denn die Beklagte legt nicht dar, dass die von der Sachverständigen zugrunde gelegten Durchschnittswerte (21-22 Inches bzw. 53-56 cm) unrichtig, insbesondere überhöht seien. Soweit sie vorträgt, die Schlussfolgerung der Sachverständigen führe zu dem sicherlich weder seitens der FCI noch dem American Kennel Club (AKC) gewünschten Ergebnis, dass ein Bullterrier mit einer Größe über 35,5 cm jedoch unter 53 cm weder dem Rassestandard eines Bullterriers noch dem eines Miniatur Bullterriers entsprechen würde und von der Zucht auszunehmen wäre, ist durch den Senat schon nicht nachvollziehbar. Die Sachverständige hat weder einen solchen Schluss gezogen noch dargetan, dass bei solchen "Zwischengrößen" kein Rassestandard erreicht würde. Nach alledem legt die Beklagte nicht in hinreichender Art und Weise dar, dass die von der Sachverständigen verwandte Methodik zur Ermittlung der Rassezugehörigkeit unrichtig sei, insbesondere den FCI-Standards widerspreche. Anhand phänotypischer Merkmale kann die Rasse eines Hundes festgestellt werden. Die Abgrenzungskriterien nach äußeren Erscheinungsmerkmalen, zu denen auch die Widerristhöhe zählt, sind auch nicht ungeeignet, um eine Rasse zu bestimmen. Ein Miniatur Bullterrier, der eine Widerristhöhe über dem Sollwert von 35,5 cm erreicht, ist durch einen über die notwendige Sachkunde verfügenden Gutachter zu erkennen, da hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes an Hand der Proportionen Entsprechendes festgestellt werden kann. Damit bestehen zwischen dem Standard-Bullterrier und dem Miniatur Bullterrier phänotypische Unterscheidungen, die über die bloße Widerristhöhe hinausgehen (so auch VG Gera, Urteil vom 23. September 2013 - 2 K 513/12 Ge -, juris).

24

1.3.2. Der Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht vertrete zu Unrecht die Auffassung, dass die Rasse Miniatur Bullterrier nicht zu den in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG genannten Listenhunden zähle und mangels dieser Aufzählung erweiternder landesrechtlicher Regelungen nicht unter § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 GefHuG LSA falle, begründet ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung. Voranzustellen ist, dass Hunde der Rasse Miniatur Bullterrier nicht zu den in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG genannten Hunden zählen, deren Gefährlichkeit gemäß § 3 Abs. 2 GefHuG LSA in der bis zum 29. Februar 2016 geltenden Fassung vermutet wird und deren Haltung nur unter den in § 4 Abs. 1 GefHuG LSA genannten Voraussetzungen erlaubt ist(vgl. im Einzelnen: OVG LSA, Beschluss vom 18. Juni 2014 - 3 M 255/13 -, juris; Beschluss vom 14. Oktober 2013, a. a. O.). Mit denen in diesem Zusammenhang unter Ziffer II. 1.3.2. lit. B) vorgetragenen Erwägungen, insbesondere dahingehend, dass die Charakterisierung des Miniatur Bullterriers als eigenständige Rasse, keine biologische Charakterisierung sei, sondern vielmehr eine politische Entscheidung seitens der FCI bzw. auch der deutschen Zuchtverbände zur Umgehung deutscher Gesetze, legt die Beklagte nicht zulassungsbegründend dar, dass es sich bei Hunden der Rasse der Miniatur Bullterrier um sog. Listenhunde nach § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG handele(vgl. im Einzelnen: OVG LSA, Beschluss vom 18. Juni 2014, a. a. O.; Beschluss vom 14. Oktober 2013, a. a. O.). Die Beklagte verkennt, dass der Senat sich in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2013 (3 M 229/13) durchaus mit den Hintergründen der Anerkennung des Miniatur Bullterriers als eigenständige Rasse auseinandergesetzt und den Einwand als im Ergebnis nicht durchgreifend erachtet hat (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 14. Oktober 2013, a. a. O., dort im Einzelnen: Rdnr. 9 f.), weil der Hinweis auf die Definition des Begriffes "Hunderasse" durch private Züchterverbände allenfalls die Verfassungsmäßigkeit der von ihr herangezogenen Ermächtigungsgrundlage, nicht jedoch die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Frage zieht. Sollte es an einer verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA fehlen, wäre die Beklagte von vornherein nicht berechtigt, die Gefährlichkeit eines sog. Listenhundes zu vermuten, so dass es auf die Eigenständigkeit der Rasse Miniatur Bullterrier bereits nicht ankäme. Hiervon ausgehend war der Landesgesetzgeber gehalten, die notwendigen Schlüsse zu ziehen, was er mit dem zum 1. März 2016 in Kraft getretenen Änderungsgesetz vom 27. Oktober 2015 (a.a.O.) durch Neufassung des § 3 Abs. 2 HundeG LSA, der nunmehr eine statische Verweisung enthält, getan an. Dass die durch die FCI mit Entscheidung vom 9. November 2011 zum 1. Januar 2012 bewirkte Anerkennung des Miniatur Bullterriers als eigenständige Rasse ein "Schlupfloch" hinsichtlich der Anwendung deutscher Bundes- und Landesgesetze geschaffen habe, das mit der Rechtsordnung nicht vereinbar sei, kann zwar nicht ohne Weiteres von der Hand gewiesen werden. Dies zwingt jedoch allenfalls den Gesetzgeber - wie vorliegend geschehen -, in Durchsetzung seines Rechtssetzungswillens die Vorschrift des § 3 Abs. 2 GefHuG LSA zur Vermeidung solcher Umgehungen anzupassen. Eine planwidrige Regelungslücke, mithin eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 3 Abs. 2 GefHuG LSA dahingehend, dass auch Miniatur Bullterrier sog. Listenhunde seien, scheidet bereits deshalb aus, da die Vorschrift Grundlage für straf-/ordnungswidrigkeitsbewehrte Pflichten ist (vgl. im Einzelnen: OVG LSA, Beschluss vom 18. Juni 2014, a. a. O.; Beschluss vom 14.10.2013, a. a. O.), so dass es auf die hinter der Entscheidung vom 9. November 2011 stehende Intention der FCI nicht streitentscheidend ankommen kann.

25

1.3.3. Der unter Ziffer II. 1.3.2. lit. C) der Antragsbegründungsschrift geführte Einwand der Beklagten, die mit der Verfügung vom 20. November 2012 nur vorläufig getroffenen Maßnahmen des Maulkorb- und Leinenzwanges sowie der alleinigen Führung des Hundes durch den Halter seien erforderlich gewesen, um dem Gefahrenverdacht zu begegnen, begründen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Gerichts, da die Anordnungen nach § 14 Abs. 1 GefHuG i.V.m. § 13, 3 Nr. 3 lit. a) SOG LSA das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senates unter Ziffer I.1.3. verwiesen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang ergänzend vorträgt, das am wenigsten belastende Mittel gewählt zu haben, ist ihr bereits entgegenzuhalten, dass sich angesichts des Fehlens einer konkreten Gefahr die Wahl des Mittels schon nicht stellt. Damit, dass der Kläger durch die Erhebung der Feststellungsklage die Kosten und Gebühren des Wesenstestes habe abwenden wollen, legt die Beklagte weder dar, dass es einer konkreten Gefahr für ihr Handeln nicht bedurft hätte, noch, dass eine solche vorliegt. Ungeachtet dessen ist festzustellen, dass sich der Kläger aufgrund der „Bestandskraft der Verfügung vom 28. Juni 2012“ der Kostenlast von vornherein nicht benehmen könnte.

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2. Überdies rechtfertigt sich die Zulassung der Berufung nicht wegen der von der Beklagten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

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„Grundsätzliche Bedeutung“ i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen(vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 L 166/07 -, juris [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. „Dargelegt" im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt (vgl. OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961, BVerwGE 13, 90, vom 9. März 1993, Buchholz 310 § 133 n. F. VwGO Nr.11, Beschluss vom 10. November 1992, Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hiernach ist es zunächst erforderlich, dass in der Antragsschrift eine konkrete - entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige - rechtliche oder tatsächliche Frage „aufgeworfen und ausformuliert” wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995, Der Personalrat 1996, 27). Darüber hinaus obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden, im Einzelnen darzulegen, inwiefern die aufgeworfene Frage im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinaus einer fallübergreifenden Klärung bedarf und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Hierbei sind - neben der Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes, welche die Begründung erkennen lassen muss - die genannten Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Weise unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung, der einschlägigen Rechtsprechung sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und/oder rechtlichen Überlegungen zu erläutern und aufzuarbeiten, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist (vgl. OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 VwGO § 133 (n. F.) Nr. 26, Beschluss vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 -, NJW 1993, 2825).

28

In Anlegung dieser Maßstäbe ist unter Zugrundelegung ihrer Ausführungen unter Ziffer II. 2. der Antragsbegründungsschrift eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache von der Beklagten nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden. Zwar hat die Beklagte drei aus ihrer Sicht entscheidungserhebliche Rechtsfragen aufgeworfen:

29

"ob die Zuordnung eines Hundes zur Rasse der Miniature Bull Terrier in Abgrenzung zur Rasse Bull Terrier anhand einer wertenden Betrachtung des gesamten äußeren Erscheinungsbildes es Hundes vorzunehmen ist oder im Rahmen des Hauptsacheverfahrens nur hinsichtlich der Größe des Hundes entsprechend der Soll-Vorgabe des FCI-Standards Nr. 359 zu erfolgen hat",

30

"anhand welcher nicht in den FCI-Standard 359 und FCI-Standard-Nr. 11 angeführten äußeren Unterscheidungsmerkmale die Zuordnung eines Hundes zur Rasse Miniature Bull Terrier in Abgrenzung zur Rasse Bull Terrier erfolgen soll"

31

und

32

"ob die Zuordnung eines Hundes zur Rasse Miniature Bull Terrier in Abgrenzung zur Rasse Bull Terrier anhand eines genetischen Gutachtens zu erfolgen hat".

33

Die Beklagte hat einen fallübergreifenden Klärungsbedarf jedoch deshalb nicht dargelegt, weil es sich bei der diesen Rechtsfragen zugrunde liegenden Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA um mittlerweile ausgelaufenes Recht handelt. Die aufgrund des Gesetzes vom 27. Oktober 2015 (GVBl. LSA S. 560) zum 1. März 2016 in § 3 Abs. 2 des nunmehr als Hundegesetz bezeichneten Gesetzes bewirkten Änderungen führen zu einer grundlegend neuen Regelung. Danach bleiben zwar Satz 1 der Vorschrift, wie auch die bisherigen Sätze 2 und 3, die nunmehr die Sätze 5 und 6 der Vorschrift bilden, unverändert. Die Rassezugehörigkeit eines Hundes bestimmt sich gemäß Neuregelung des Satzes 2 der Vorschrift jedoch nunmehr nach dem äußeren Erscheinungsbild (Phänotyp). In dem neu gefassten Satz 3 der Vorschrift ist geregelt, dass das für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung die standardgerechten Merkmale der Phänotypen für die in Satz 1 genannten Hunde unter Berücksichtigung der von kynologischen Fachverbänden entwickelten und am 9. Februar 2001 geltenden Kriterien bestimmt. Danach wird der Miniatur Bullterrier aufgrund der erfolgten statischen Verweisung auf die von kynologischen Fachverbänden entwickelten und am 9. Februar 2001 geltenden Kriterien nunmehr von der Rasse des Bullterriers als Unterfall erfasst, mit der Folge, dass dessen Gefährlichkeit unabhängig von seiner Widerristhöhe vermutet wird. Die Abgrenzungsfrage beider Hunderasse stellt sich mit Erlass der Rechtsverordnung nicht mehr. Die Beklagte legt insofern schon nicht im Ansatz dar, dass im Rahmen einer Grundsatzberufung noch Veranlassung besteht, sich über die Entscheidung im konkreten Einzelfall hinaus mit ausgelaufenem Recht zu befassen (vgl. insoweit: BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2004 - 5 B 57.04 -, juris; OVG LSA, Beschluss vom 25. November 2010 - 1 L 137/10 -, juris; Beschluss vom 19. April 2006 - 1 L 256/05 -, JMBl. LSA 2007, 60 [m. w. N.]).

34

3. Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich zudem nicht wegen der gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO geltend gemachten Divergenz.

35

Eine Divergenz i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht in einer Rechts- oder Tatsachenfrage seiner Entscheidung einen abstrakten Rechts- oder Tatsachensatz zugrunde gelegt hat, der mit dem in der Rechtsprechung eines der in der genannten Vorschrift aufgeführten Divergenzgerichte aufgestellten Rechtssatz nicht übereinstimmt(vgl. zu § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO: BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 1984 - 1 B 13.84 -, juris; st. Rspr. d. Senats, s. u. a. Beschluss vom 4. November 2015 - 3 L 315/13 -, juris, m. w. N.). Eine nur unrichtige Anwendung eines in obergerichtlicher oder höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten und vom Tatsachengericht nicht in Frage gestellten Rechts- oder Tatsachengrundsatzes stellt hingegen keine Abweichung i. S. d. Zulassungsrechtes dar; insbesondere kann eine Divergenzrüge nicht gegen eine reine einzelfallbezogene, rechtliche oder tatsächliche Würdigung erhoben werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 - 5 ER 625.90 -, juris; Beschluss vom 12.12.1991 - 5 B 68.91 -, juris). Gleiches gilt, wenn das Verwaltungsgericht aus nicht (ausdrücklich) bestrittenen Rechtssätzen nicht die gebotenen (Schluss-)Folgerungen zieht, etwa den Sachverhalt nicht in dem hiernach erforderlichen Umfang aufklärt und damit unbewusst von der divergenzfähigen Entscheidung abgewichen ist (st. Rspr. d. Senates: Beschluss vom 4. November 2015, a. a. O., m. w. N.) Das Darlegungserfordernis gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO verlangt zugleich, dass die voneinander abweichenden (abstrakten) Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen des Divergenzgerichts einerseits sowie die des angefochtenen Urteils andererseits aufgezeigt und gegenübergestellt werden(vgl. zu § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO: BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1994 - 11 B 116.93 -, juris; Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 -, juris). Diese Gegenüberstellung der voneinander abweichenden Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur ordnungsgemäßen Erhebung der Divergenzrüge unverzichtbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995, a. a. O). Für die ordnungsgemäße Darlegung einer Divergenzrüge ist es somit nicht ausreichend, wenn sich die Antragsschrift lediglich darauf beschränkt geltend zu machen, das Verwaltungsgericht habe aus der divergenzfähigen Rechtsprechung nicht die gebotenen Schlüsse gezogen oder sei bei der einzelfallbezogenen Tatsachenfeststellung und -würdigung zu einem anderen Ergebnis gelangt als die in Bezug genommene obergerichtliche bzw. höchstrichterliche Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.01.1995 - 6 B 39.94 -, a. a. O.; Beschl. v. 19.08.1997 - 7 B 261.97 -, a. a. O.).

36

Das Vorbringen unter Ziffer II. 3. der Antragsbegründungsschrift zur Abweichung des erstinstanzlichen Urteiles von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes des Landes genügt bereits nicht den Darlegungsanforderungen. Der Verweis auf einen Rechtssatz des Senates, der (lediglich) in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 14. Oktober 2013 (a. a. O.) aufgestellt worden sei, verfängt vorliegend nicht. Der Senat hat in seiner (Folge-)Entscheidung vom 18. Juni 2014 (a. a. O.) - ohne dass die Beklagte im Rahmen ihrer Divergenzrüge darauf eingeht - deutlich gemacht hat, dass die „Soll-Bestimmung“ der Widerristhöhe eines Miniatur Bullterriers in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den Regelfall darstelle, welcher die Abgrenzung zwischen den beiden Hunderassen ermögliche. Die Verwendung der Begrifflichkeiten "Regelfall" in diesem Zusammenhang sowie "sollte" bei der Größenangabe zur Widerristhöhe i. S. d. FCI-Standards Nr. 359 offenbart, dass es Fälle geben kann, bei denen der Hund trotz Überschreitens der Sollhöhe der Rasse der Miniatur Bullterrier zuzuordnen ist (siehe Darstellung unter I.1.3.). Zudem hat der Senat in seiner Entscheidung vom 14. Juni 2014 (a. a. O.) schon nicht mehr darauf abgestellt, dass sich ein Miniatur Bullterrier nur hinsichtlich seiner Größe von einem Bullterrier unterscheidet. Wie bereits unter Ziffer I.1.3.1. dargestellt, kommt es auf das gesamte - sowohl in der Größe (Widerristhöhe) als auch in den Proportionen zum Ausdruck kommende - Erscheinungsbild an, wobei in einem summarischen Verfahren regelmäßig weitere sachverständig festgestellte Anhaltspunkte fehlen.

37

Ungeachtet dessen hat die Beklagte auch nicht ansatzweise dargelegt, dass mit Blick auf die Neufassung des Gesetzes zum 1. März 2016 bei der hier gerügten Divergenz als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung noch Veranlassung besteht, sich über die Entscheidung im konkreten Einzelfall hinaus mit ausgelaufenem Recht zu befassen (siehe Darstellung unter Ziffer I.2.)

38

4. Ferner rechtfertigt sich die Zulassung der Berufung nicht wegen der gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Gestalt einer Aufklärungsrüge geltend gemachten Verfahrensmängel.

39

4.1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die beantragte Beweiserhebung zu der Frage, „ob es sich bei einem Miniatur Bullterrier (FCI-Standard Nr. 359) unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten um keine von dem Bullterrier (FCI-Standard Nr. 11) zu unterscheidende eigenständige Rasse handelt“, abgelehnt. Denn hierauf kam es - in Entsprechung der Rechtsprechung des Senates - nicht entscheidungserheblich an. Die Frage der Unterscheidung des Miniatur Bullterriers und des Bullterriers nach ihrer Rassenzugehörigkeit ist eine Rechtsfrage, die sich aus der Ausgestaltung der Norm des § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHuG LSA in seiner bis zum 29. Februar 2016 geltenden Fassung ergibt. Denn die anzunehmende Unbestimmtheit der Norm, die bei verfassungskonformer Auslegung eine rechtliche Unterscheidung zwischen dem Miniatur Bullterrier und dem Bullterrier erzwingt (vgl. im Einzelnen: OVG LSA, Beschluss vom 14. Oktober 2013, a. a. O.; Beschluss vom 18. Juni 2014, a. a. O.), kann, selbst wenn es sich nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten um keine eigenständige Rasse handeln würde, kein anderes Ergebnis begründen.

40

4.2. Schließlich hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachten der Sachverständigen für Genetik Dr. S., Gelantos Genetics GmbH zu der Frage abgelehnt, „ob es sich bei dem Hund des Klägers namens (...), geboren am 10. Mai 2010 oder am 23. August 2012, Transponder-Chip-Nummer: 27609690102(…) um keinen reinrassigen Miniatur Bullterrier, sondern vielmehr um einen Bullterrier bzw. einer Kreuzung dieser Rasse handelt“.

41

Hat das Gericht mangels eigener Sachkunde - wie im gegebenen Fall - bereits ein Sachverständigengutachten eingeholt, so kann es sich in der Regel auf dessen Aussagen stützen, soweit gegen das Gutachten nicht durchgreifende Mängel geltend gemacht oder ersichtlich sind. Das Prozessgericht kann sich gemäß § 98 VwGO i. V. m. §§ 404 Abs. 1 Satz 1 und 2, 412 ZPO dabei auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken. Die Entscheidung darüber, ob ein weiteres Gutachten eingeholt werden soll, steht im Rahmen der freien Beweiswürdigung im pflichtgemäßen Ermessen des Tatsachengerichtes. Dieses Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung eines - weiteren - Gutachtens oder eines Obergutachtens absieht, obwohl die Notwendigkeit dieser weiteren Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen. Reicht ein bereits eingeholtes Gutachten aus, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die entscheidungserheblichen Fragen sachkundig zu beurteilen, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens oder Obergutachtens weder notwendig noch veranlasst. Die Nichteinholung eines weiteren Gutachtens ist in aller Regel nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn das bereits vorliegende Gutachten auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, insbesondere von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare Widersprüche aufweist, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen besteht, wenn ein anderer Sachverständiger über bessere Forschungsmittel verfügt oder wenn es sich um besonders schwierige (medizinische) Fragen handelt, die umstritten sind oder zu denen einander widersprechende Gutachten vorliegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2009 - 2 B 38.09 -, juris [m. w. N.]; vgl. zudem: Beschluss vom 30. Juni 2010 - 2 B 72.09 -, juris [m. w. N.]).

42

Hiervon ausgehend bedurfte es keines weiteren Gutachtens, um auszuschließen, dass es sich bei dem Hund des Klägers um keinen reinrassigen Miniatur Bullterrier, sondern einen Bullterrier oder einer Kreuzung dieser Rasse handelt. Das vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Gutachten der Sachverständigen Dr. T. (Fachtierärztin für Verhaltenskunde und Tierschutz) vom 17. Oktober 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass es nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht möglich sei, den Hund (...) mit absoluter (100-prozentiger) Sicherheit als Bullterrier oder als Miniatur-Bullterrier einzuordnen. Er sei aufgrund der gemessenen Größe und des weiteren Erscheinungsbildes mit großer Wahrscheinlichkeit als Miniatur-Bullterrier einzuordnen (vgl. "Fazit" auf S. 5 des Gutachtens). Dieses Ergebnis zugrunde gelegt, besteht schon kein Anhalt, die Reinrassigkeit des Hundes des Klägers in Zweifel zu ziehen. Denn dass es sich bei dem Hund des Klägers um eine Kreuzung aus der Rasse Bullterrier handelt, bringt sie an keiner Stelle zum Ausdruck, obgleich es ihr ohne Weiteres möglich gewesen wäre, zur Kreuzungswahrscheinlichkeit Aussagen zu treffen. Ist danach von einer unterstellten Reinrassigkeit des begutachteten Hundes auszugehen, legt die Beklagte schon nicht in hinreichender Art und Weise dar, dass die Einholung eines weiteren Gutachtens veranlasst ist.

43

Ungeachtet dessen hat die Beklagte ebenfalls nicht zulassungsbegründend dargelegt, dass das Gericht bei seiner Entscheidung von - sich aus dem Gutachten ergebenden -unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist. Denn entgegen ihrer Behauptung, durch die Sachverständige für Genetik Frau Dr. S. könne festgestellt werden, ob es sich bei dem streitbefangenen Hund um keinen reinrassigen Miniatur Bullterrier, sondern um einen Bullterrier bzw. eine Kreuzung aus dieser Rasse handele, führt die gerichtliche Sachverständige in ihrem Gutachten vom 17. Oktober 2014 aus, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine wissenschaftlich valide Rassebestimmung eines einzelnen Individuums nicht möglich sei. Selbst wenn die Elterntiere bekannt wären, bliebe wieder das Problem, deren Rassezugehörigkeit zu bestimmen (vgl. letzter Absatz S. 3 des Gutachtens). Das Hundegenom sei zwar zum aktuellen Zeitpunkt komplett entschlüsselt, es sei aber eine Zusammenfassung bestimmter DNA-Abschnitte zu einzelnen Genen und Zuweisung bestimmter Funktionen/Kodierungen erst für sehr wenige Bereiche gelungen. Die genetische Diversität zwischen einzelnen Hunderassen sei sehr limitiert. Danach hätten aktuelle Untersuchungen gezeigt, dass bestimmte Rassen eine alte (historische) Herkunft hätten und gegen "moderne" Rassen abgegrenzt werden könnten. Für die Hundepopulation ließen sich vier genetische Raster identifizieren, die Rassen mit ähnlichem geografischen Ursprung, ähnlicher Morphologie und ähnlichem Gebrauchswert für bzw. Nutzen durch den Menschen beinhalten würden; allerdings seien die Rassen innerhalb der Cluster individuell nicht gegeneinander abzugrenzen. Das Gros der modernen (seit 150 Jahren entwickelten/beschriebenen) Rassen sammle sich in einem einzigen Cluster. Untersuchungen einzelner Hunderassen auf ihre genetische Vielfalt (Haplotypendiversität) hätten für Hunde insgesamt eine große Variabilität gezeigt. Beispielweise seien bestimmte Haplotypen des Bullterriers identisch beim Pudel aufgetreten (vgl. "Bestimmung der Rassenzugehörigkeit eines individuellen Hundes", S. 3 des Gutachtens). Dem tritt die Beklagte in ihrer Antragsbegründungsschrift nicht ansatzweise entgegen. Sie beschränkt sich darauf, unter Bezugnahme auf einen Internetauftritt der Galantos Genetics GmbH (http://www.dogdna.de/ueber und_galantos_hund.html) auszuführen, dass dieses Unternehmen ein Speziallabor betreibe, welches genetische Tests zur Rassebestimmung von Hunden anbiete. Zu den testbaren Rassen würden unter anderem der Miniatur Bullterrier und der Bullterrier gehören, wobei die von ihr als Sachverständige für Genetik bezeichnete Frau Dr. S. das Labor im Bereich "DOG DNA" leite. Allein der Umstand, dass ein Unternehmen Testverfahren für die genetische Bestimmung der Rassezugehörigkeit eines Miniatur Bullterriers bzw. eines Bullterriers anbietet, genügt angesichts der Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen nicht, deren überzeugende und widerspruchsfreie Einschätzung, dass nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft keine valide, mithin zuverlässige Rassebestimmung für die hier streitbefangen Rassen möglich sei, in Frage zu stellen. Dass die Bestimmung der Rassezugehörigkeit im Rahmen einer genetischen Untersuchung als ein besseres Forschungsmittel anzusehen sei, wird danach - für den hier vorliegenden Fall - nicht plausibel dargelegt, zumal es für die Beklagte ohne Weiteres möglich gewesen wäre, über die bloße Verweisung auf einen Internetauftritt hinaus, eine belastbare Stellungnahme der von ihr bezeichneten Sachverständigen in insoweitiger Auseinandersetzung mit dem gerichtlichen Gutachten zu erlangen. Schon im erstinstanzlichen Verfahren hat sie sich hiermit nicht substantiiert auseinandergesetzt, so dass das Verwaltungsgericht mangels erkennbarer gutachterlicher Mängel nicht veranlasst war, ein weiteres Gutachten einzuholen.

44

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

45

III. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 40, 47 GKG i. V. m. Ziffer 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

46

IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.