Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2016 - 10 C 16.1164

bei uns veröffentlicht am21.09.2016
vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 4 K 16.1114, 06.05.2016

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai 2016 wird dem Kläger für das Verfahren M 4 K 16.1114 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Gründe

I. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für sein Klageverfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG weiter.

Der Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er reiste 5. Februar 2010 mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet ein und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis für eine Tätigkeit als Spezialitätenkoch, die zuletzt bis 6. Juni 2014 verlängert worden war. Seit 10. Dezember 2012 bezog der Kläger wegen einer schweren Erkrankung Krankengeld, seit 12. April 2014 erhält er Leistungen nach dem SGB XII.

Seinen Antrag vom 30. Mai 2014 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2016 ab. Ein Abschiebungshindernis bezüglich Indiens liege nicht vor. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich stabilisiert. Die für die dauerhafte Behandlung seiner Erkrankung notwendigen Medikamente könne er zu einem bedeutend günstigeren Preis auch in Indien erhalten. Da bislang keine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden sei, sei davon auszugehen, dass er in Neu Delhi wie vor seiner Ausreise wieder einer Berufstätigkeit nachgehen könne. Dort habe er auch den leichtesten Zugang zu medizinischer Versorgung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 7. März 2016 Klage (M 4 K 16.1114) und beantragte, ihm für das Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die erforderliche Behandlung sei für ihn aus finanziellen Gründen nicht zugänglich.

Ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 22. April 2016 besteht beim Kläger ein stabiler Folgezustand bei Anlage von TIPS (transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts). Eine lebenslange suffiziente Medikation sei jedoch erforderlich, um schwerwiegende lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden. Ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis vorliege, habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu entscheiden.

Der Kläger verwies auf seine Angaben zu seiner finanziellen Situation und auf eine Stellungnahme des behandelnden Arztes, wonach er lediglich zwei Stunden am Tag arbeitsfähig sei.

Mit Beschluss vom 6. Mai 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung verwies es auf den Beschluss der Kammer vom selben Tag im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 4 S 16.1115), mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 7. März 2016 abgelehnt worden war. Ein Abschiebungshindernis bestehe nicht, weil Behandlungsmöglichkeiten für die Erkrankung im Heimatland des Klägers bestünden. Die notwendige Behandlung sei für den Kläger auch finanziell zugänglich. Das Geld für die Medikamente könne sich der Kläger selbst verdienen. Notfalls könne er, wie dies in Indien üblich sei, von seiner Familie unterstützt werden. Im Übrigen sei der Zugang zur medizinischen Grundversorgung kostenfrei. Die Medikamente des Klägers kosteten in Indien nur einen Bruchteil der Preise in Europa.

Im Beschwerdeverfahren bringt der Kläger vor, dass nicht geklärt sei, ob er die lebensnotwendige Behandlung in Indien in finanzieller Hinsicht erreichen könne. Es gehe nicht nur um die Medikamente, sondern auch um die Labor-, Ultraschall und Gastroskopiekontrollen. Auch habe es das Verwaltungsgericht unterlassen, die finanzielle Situation der Familie des Klägers prüfen zu lassen.

Der Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das Erstgericht habe richtig entschieden.

Ergänzend wird auf die Behördenakten und die Gerichtsakten, auch in den Verfahren M 4 S 16.1115, M 4 K 16.1114 und 10 ZB 16.1653, verwiesen.

II. Die Beschwerde des Klägers gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai 2016 ist zulässig und begründet.

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen allerdings die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Solche offenen Erfolgsaussichten sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (st. Rspr., BayVGH, B.v. 11.1.2016 - 10 C 15.724 - juris Rn. 14 m. w. N.) im vorliegenden Fall gegeben.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 - 8 ME 87.16 - juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. zur Intention des Gesetzgebers: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren, BT-Drs. 18/7538 S. 18 f.).

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a. a. O.).

Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris Rn. 9).

Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung zu Recht darauf verwiesen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht abschließend geklärt war, ob ihm in Indien die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen werden, um die zur Behandlung seiner Erkrankung notwendigen Medikamente und Untersuchungen zu bezahlen. Es stand weder fest, in welchem Umfang der Kläger wieder arbeitsfähig sein wird, noch über welche familiären Strukturen, die ihn unterstützen könnten, er verfügt. Der Verweis auf die finanzielle Unterstützung durch die Großfamilie (unter Bezugnahme auf den Bericht der Deutschen Botschaft in Neu Delhi an das Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 30. Dezember 2013) trägt insoweit nicht. Anders als im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen war der Kläger vor seiner legalen Einreise in die Bundesrepublik bereits zehn Jahre in Indien als Spezialitätenkoch tätig und konnte so durch seine Berufstätigkeit die für die Einreise in die Bundesrepublik erforderlichen Mittel ansparen. Daher kann alleine aus der Tatsache, dass ihm das Geld für eine Einreise in das Bundesgebiet zur Verfügung stand, nicht auf eine mögliche finanzielle Unterstützung aus dem familiären Umfeld geschlossen werden. Auch war offen, ob bzw. in welchem Umfang das kostenfreie staatliche Gesundheitssystem die vom Kläger benötigten Medikamente und die erforderlichen Untersuchungen umfasst.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich aber auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Offen war im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag auch, ob im Fall des Klägers nicht die Sperrklausel des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG eingreift. Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Aus der Sperrklausel des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG folgt, dass der Betreffende sich nicht auf das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berufen kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die zuständige Landesbehörde einen allgemeinen Abschiebestopp erlassen hat oder - wie vorliegend - nicht. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde entschieden wird, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a AufenthG (BVerwG, U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris Rn. 13 m. w. N.). Auch wenn die allgemeine Gefahr den Ausländer konkret betrifft, ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gesperrt, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebestaat droht. Allgemeine schwierige Lebensbedingungen aufgrund einer katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Situation, die mit Mangelerscheinungen wie Obdachlosigkeit, Unterernährung oder unzureichender medizinischer Versorgung verbunden ist, begründen daher regelmäßig nur eine allgemeine Gefahr i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG (Hailbronner, AufenthG, Stand: April 2016, § 60 Rn. 80).

Entsprechend dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (508-516.80/3 IND vom 24.4.2016) lebt ein Viertel der Bevölkerung in Indien unter dem Existenzminimum. Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt, ist jedoch unzureichend. Deshalb weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Sollte es dem Kläger, wie er vorträgt, tatsächlich nicht gelingen, die Kosten für die erforderlichen Medikamente und Kontrolluntersuchungen durch eigene Arbeit oder finanzielle Unterstützung seiner Familie aufzubringen, so gehörte er der Bevölkerungsgruppe der Inder an, die auf die kostenlose, staatliche aber unzureichende Gesundheitsversorgung angewiesen sind. Damit würde grundsätzlich die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG greifen. Seine Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG könnte daher keinen Erfolg haben.

Diese Sperrwirkung kann aber aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung durchbrochen werden, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt nur vor, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Wann allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 24.10.2013 - 13a B 12.30421 - juris Rn. 19 m. w. N.). Ob von einer solchen extremen Gefahrenlage, die sich alsbald nach der Rückkehr des Klägers nach Indien realisieren würde, zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt über den Prozesskostenhilfe tatsächlich auszugehen war, war jedoch ebenfalls offen. Es bedurfte noch tatsächlicher Ermittlungen im Hauptsacheverfahren, um festzustellen, ob der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland in naher Zukunft mit einer lebensgefährlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands rechnen musste.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs. 1 VwGO).

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, ein am ... 1979 geborener indischer Staatsangehöriger, begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

Der Kläger reiste am ... 2010 mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet ein, um als Koch zu arbeiten. Am ... 2010 erteilte das Landratsamt Fürstenfeldbruck ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz-AufenthG-, die bis zum... 2010 befristet war und bis zum ... 2012 verlängert wurde. Am ... 2011 verzog der Kläger in den Landkreis ... Die Auflage in seiner Aufenthaltserlaubnis wurde daraufhin abgeändert und eine Beschäftigung in ... beim selben Arbeitgeber gestattet. Am 1. März 2012 verlängerte der Beklagte die Aufenthaltserlaubnis des Klägers bis zum 6. Juni 2014.

Im Zeitraum vom ... 2012 bis zum ... 2013 bezog der Kläger Krankengeld. Ab dem ... 2013 bis zum ... 2013 erhielt er Übergangsgeld der deutschen Rentenversicherung und ab dem ... 2013 bis zum ... 2014 erneut Krankengeld. Seit dem ... 2014 nimmt der Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt nach Sozialgesetzbuch 12. Buch in Anspruch. Auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden übernommen.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise § 25 Abs. 5 AufenthG unter Verweis auf die Erkrankung des Klägers. Es handle sich dabei um eine Gefäßerkrankung mit regelmäßig tödlichem Verlauf. Einige deutsche Ärzte hätten jedoch eine möglicherweise lebensrettende Behandlungsoption für den Kläger gefunden. Der Bevollmächtigte machte geltend, dass der Kläger sich die notwendige Behandlung in Indien nicht würde leisten können und daher eine zielstaatsbezogene Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege.

Mit Schreiben vom 10. November 2014 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Untätigkeitsklage (Az.: ...) mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers antragsgemäß zu verlängern.

In der mündlichen Verhandlung der Untätigkeitsklage am ... 2016 sicherte die Vertreterin des Beklagten zu, über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers bis zum ... 2016 zu entscheiden. Daraufhin erklärten die Parteien das Verfahren für erledigt und es wurde mit Beschluss vom 19. Januar 2016 eingestellt.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 30. Mai 2014 ab und forderte den Kläger auf, das Bundesgebiet bis zum 30. März 2016 zu verlassen. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege nicht vor, da aus dem Attest des Hausarztes vom... 2015 hervorgehe, dass die Tuberkulose erfolgreich behandelt worden und der Zustand des Klägers auch hinsichtlich der Portalvenenthrombose als ausreichend einzustufen sei. Die attestierten Schwächezustände, der Gewichtsverlust und die eingeschränkte körperliche Belastbarkeit begründeten keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es könne zudem davon ausgegangen werden, dass der Kläger die benötigten Medikamente auch in seinem Heimatland erlangen könne. Dies gelte insbesondere für ... der Stadt, in der der Kläger zuletzt lebte.

Mit Schreiben vom 7. März 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 5. Februar 2016 und beantragte,

den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2016, zugestellt am 9. Februar 2016, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers antragsgemäß zu verlängern.

Zudem beantragte der Bevollmächtigte des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Als Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorläge, da die notwendige Behandlung und Medikation für den Kläger individuell in Indien aus finanziellen Gründen nicht zugänglich sei. Die Ausgaben für Medikamente und ärztliche Behandlungen würden die monatlichen Einnahmen bei einer Vollzeitbeschäftigung in ... bei weitem übersteigen. Eine Vollzeitbeschäftigung sei dem Kläger jedoch ohnehin körperlich nicht möglich.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 15. März 2016,

die Klage abzuweisen.

In seiner Klageerwiderung verwies der Beklagte im Wesentlichen erneut darauf, dass kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege. Da von keiner Seite bisher eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit bestätigt worden sei, könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich mit seiner mehrjährigen Berufserfahrung erneut in das Berufsleben in Indien werde integrieren können. Vor seiner Ausreise habe der Kläger in ... gelebt, wo unzweifelhaft der leichteste Zugang zu ärztlicher Versorgung bestehe. Durch Einsatz erprobter Vitamin-K-Antagonisten statt des Präparats Xarelto würden sich die Kosten für die benötigten Medikamente zudem um ein Vielfaches senken lassen.

Es liegen mehrere privatschriftliche Atteste über den Gesundheitszustand des Klägers vor: In den Schreiben vom ... 2014, ... 2014, ... 2014, ... 2015, ... 2015 und ... 2016 wurde dem Kläger im Wesentlichen zunächst eine portale Hypertonie durch Portalvenenthrombose bescheinigt, die meist chronisch verlaufe und mit mehreren tödlichen Komplikationen assoziiert werde. Nach mehreren operativen Eingriffen und der veranlassten Therapie sei der Kläger auf dem Weg der Besserung, eine weitere medikamentöse Behandlung sei jedoch erforderlich. Der Allgemeinzustand dürfe mittlerweile als befriedigend eingestuft werden. Eine zwischenzeitlich eingetretene Tuberkulose sei erfolgreich behandelt worden. Allerdings sei aufgrund der nach wie vor bestehenden eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit zukünftig von einer reduzierten Erwerbstätigkeit des Klägers von zwei Stunden pro Tag auszugehen.

Am ... 2016 wurde der Kläger amtsärztlich untersucht. Im amtsärztlichen Gutachten vom ... 2016 kam der Amtsarzt im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass der Gesundheitszustand des Klägers bei dauerhafter Medikation als stabil eingeschätzt werde und der Kläger reisefähig sei. Der Kläger habe in der Vergangenheit insbesondere an einer portalen Hypertension durch Portaderverschluss mit cavernöser Transformation und initial Ösophagusvarizen III sowie Refluxösophagits Grad B gelitten. Die aktuelle Diagnose habe einen stabilen Folgezustand mit Ösophagusvarizen I sowie einer fortbestehenden mikrozytären hypochromen Anämie und einer exokrinen Pankreasinsuffizienz ergeben. Aktuell erfolge eine ausreichende medikamentöse Therapie mit Pantoprazol 40 mg 1-0-0, Carvedilol 1A Pharma 12,5 mg 1-0-1, Xarelto 20 mg 1-0-0, Vitamin D 3 1-0-0 sowie Novaminsulfon bei Bedarf. Dabei stelle die Gabe von Xarelto 20 mg einmal täglich nur eine von mehreren Therapieoptionen dar. Eine ausreichende Therapie könne auch durch die Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten unter ärztlicher Kontrolle der Gerinnungsparameter erreicht werden.

Mit Beschluss vom 6. Mai 2016 (Az.: ...) wies das Gericht den Eilantrag des Klägers als unzulässig ab, da vieles dafür spreche, dass dem Kläger aufgrund der Zusage des Beklagten, die Vollziehung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Jedenfalls sei der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unbegründet. Auf die ausführliche Begründung im Beschluss wird verwiesen.

In einer Stellungnahme eines Vertrauensarztes der Deutschen Auslandsvertretung in ... vom 18. Mai 2016 führte dieser aus, dass der nächstgelegene Behandlungsort für den Kläger in Indien ... sei, da sich dort mit dem National Institute of Liver and Biliary Diseases das einzige öffentliche medizinische Zentrum befände, das in Nordindien Patienten behandle, die eine TIPS Versorgung benötigen.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 23. Mai 2016 führte der Amtsarzt aus, dass die aktuell verabreichten Protonenpumpenhemmer wie Pantoprazol und Beta-Blocker wie Carvedilol nur eine empfohlene Begleitmedikation darstellten. Sie könnten durchaus für einige Zeit pausiert werden, ohne dass dadurch eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben des Klägers entstehen würde. In einer ergänzenden Stellungnahme des Amtsarztes vom 22. Juni 2016 führte dieser zudem aus, dass bei Einnahme des Vitamin-K-Antagonisten Warfarin eine Initialdosis von ½ bis 1 Tablette pro Tag (2,5 - 5 mg Warfarin-Na) und eine Erhaltungsdosis von ½ bis 2 Tabletten pro Tag (2,5 - 10 mg Warfarin-Na) notwendig sei.

Mit Stellungnahme vom 23. Juni 2016 übermittelte eine Mitarbeiterin des Vertrauensarztes der Deutschen Auslandsvertretung in ... die aktuellen Preise für Warfarin in ..., wobei der Umrechnungskurs aktuell bei 74 Rps/1 Euro liege. Danach würden 15 Tabletten Warfarin mit 5 mg Wirkstoff 37 Rps (umgerechnet 50 Cent), 15 Tabletten mit 2 mg Wirkstoff 41 Rps und 10 Tabletten mit 1 mg Wirkstoff 25 Rps kosten.

In der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2016 stellte der Bevollmächtigte des Klägers drei Beweisanträge, die abgelehnt wurden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschriften vom 28. und 29. Juni 2016 verwiesen.

In ergänzenden Stellungnahmen des Amtsarztes vom 28. Juni 2016 führte der Amtsarzt aus, dass eine Umstellung des Klägers auf den Vitamin-K-Antagonisten Warfarin noch in Deutschland möglich sei. Die danach notwendige Überprüfung der Gerinnungswerte und Dosierung des Medikaments könne auch durch den Kläger im Wege des INR-Selbstmanagements durchgeführt werden. Das dafür notwendige Gerät könne von einem niedergelassenen Arzt verschrieben werden, die Kosten übernehme die gesetzliche Krankenkasse. Die dazugehörigen Teststreifen würden ca. 20 Euro pro 100 Stück kosten und reichten für ca. ein halbes bis ganzes Jahr. Darüber hinaus führte der Amtsarzt aus, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung derzeit zu einer halbschichtigen (bis zu vierstündigen) Tätigkeit in der Lage sei, wenn die Möglichkeit von Arbeitspausen und zum Wechsel der Körperhaltung bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 28. und 29. Juni 2016 und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis hat. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung (§ 8 Abs. 1 AufenthG).

1. Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergibt sich nicht aus § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 60 Abs. 7 AufenthG.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. „Erheblich“ in diesem Sinne ist eine drohende Gesundheitsgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine „konkrete“ Gefahr liegt vor, wenn diese Verschlechterung alsbald nach Rückkehr des Ausländers in den Heimatstaat einträte, weil die dort zur Behandlung seiner Leiden zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unzureichend sind und er auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 15.05.2011 - AN 16 K 10.30197 -juris). Dabei ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist und eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch dann vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) kann sich ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG zum einen aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die ärztlichen und medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Zum anderen kann es sich daraus ergeben, dass der Ausländer die an sich verfügbaren medikamentösen und ärztlichen Behandlungen aus sonstigen Umständen im Zielstaat tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVwerG, Urteil vom 29.10.2002, Az. 1 C 1.02 = DVBl 2003 463-465).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind solche Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

Nach Auffassung des Gerichts sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG vorliegend erfüllt. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, läge bezogen auf den Kläger keine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.

a) Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 24. April 2015 leben in Indien mehr als 400 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil davon chronisch krank ist. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei diesen chronisch Kranken, die unter der Armutsgrenze leben, um eine Bevölkerungsgruppe im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, für die eine Anordnung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 AufenthG erforderlich ist.

Auch die dann notwendige verfassungskonforme Auslegung (z. B. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 24.10.2014 - 13a B 12.30421 - juris; Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 12.7.2001 - 1 C 5/01 = BVerwGE 115,1; Urt. 29.9.2011- 10 C 24/10 = NVwZ 2012, 451 Rn. 20) des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Kläger nicht „sehenden Auges in den sicheren Tod geschickt“ werden würde. Insoweit wird auf das Gutachten des Amtsarztes vom 22. April 2016 mit Ergänzung vom 28. Juni 2016 verwiesen. Darüber hinaus könnte sich der Kläger einen Medikamentenvorrat ins Heimatland mitnehmen.

b) Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG nicht vorliegen, läge in Bezug auf den Kläger keine konkrete erhebliche Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG vor, da die nötige medizinische Versorgung im Heimatland des Klägers zur Verfügung stünde und ihm auch individuell zugänglich wäre.

(1) Zum einen sind die Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland des Klägers ausreichend. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien vom 24. April 2015 ist die Gesundheitsversorgung gerade in ... - dem Ort, an dem der Kläger schon vorher längere Zeit als Koch fern von seiner Familie lebte - im Vergleich zu den anderen Landesteilen gut. In ... befindet sich nach Aussage des Vertrauensarztes mit dem National Institute of Liver and Biliary Disesases das einzige öffentliche medizinische Zentrum, das in Nordindien Patienten behandle, die eine TIPS Versorgung benötigen. Daher könnte der Kläger bei einer Rückkehr nach ... etwaig notwendige Untersuchungen hier durchführen lassen. Auch alle gängigen Medikamente sind dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien vom 24. April 2015 zufolge in Indien auf dem freien Markt erhältlich. Die im amtsärztlichen Gutachten und den privaten Attesten aufgelisteten Medikamente sind allesamt gängige Medikamente, die der Kläger auch in Indien erhalten kann, was auch die Aussage des Vertrauensarztes der deutschen Auslandsvertretung in ... bestätigt.

(2) Zum anderen ist die notwendige Behandlung oder Medikation auch für den Kläger individuell (finanziell) zugänglich. Die notwendigen Medikamente und Untersuchungen würden nach Überzeugung des Gerichts - soweit sie dem Kläger nicht im Rahmen der medizinischen Grundversorgung kostenfrei zur Verfügung stünden - keine erheblichen Kosten verursachen und der Kläger könnte sie zudem durch eigene Arbeit und/oder mit der Unterstützung seiner Großfamilie finanzieren.

(aa) Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien vom 24. April 2015 gewährt der indische Staat die medizinische Grundversorgung kostenfrei. Darüber hinaus gibt es auch einige staatliche Programme, um auch die Ärmsten mit Kranken- und Sozialversicherungsschutz zu versorgen (vgl. Auskunft Auswärtiges Amt vom 28.04.2014 an VG Leipzig, Az. 508-516.80/47964).

Darüber hinaus sind die Kosten für die benötigen Medikamente zur Überzeugung des Gerichts nicht erheblich. Da es sich bei Indien um den weltweit größten Hersteller von Generika handelt und großen Pharmazieunternehmen kein Patentschutz gewährt wird, kosten Medikamente in Indien auch außerhalb der kostenfreien Grundversorgung nur einen Bruchteil der Preise in Europa. Sie sind damit auch für die arme Bevölkerung finanzierbar (vgl. Bericht der Botschaft der BRD in New Delhi vom 30.12.2013 an das VG Sigmaringen, S. 3). Die persönlichen Kosten des Klägers ließen sich durch die Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin, die nach dem für das Gericht nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des Amtsarztes vom 22. April 2016 mit Ergänzungen vom 28. Juni 2016 eine ausreichende Therapie für den Kläger darstellt, im Gegensatz zur Einnahme von Xarelto auch noch deutlich senken. Warfarin ist in Indien sehr preisgünstig erhältlich. Auf Basis der Auskünfte des Amtsarztes und des Vertrauensarztes der Auslandsvertretung in ... würden dem Kläger (je nach notwendiger Dosierung) lediglich Kosten von umgerechnet zwischen 0,5 und vier Euro im Monat entstehen.

Die Umstellung auf Warfarin mit den dafür nötigen Untersuchungen kann noch in Deutschland erfolgen. Nach der Umstellung auf Warfarin sind nur noch alle drei bis vier Wochen Kontrolluntersuchungen notwendig. Für diese Kontrolluntersuchungen ist es dem Kläger möglich und zumutbar, diese (nach entsprechender Schulung) im Wege des Gerinnungsselbstmanagements (INR-Selbstmessung) selbst durchzuführen. Das Vorgehen ähnelt dem bekannten Zuckerselbsttest und das erforderliche Messgerät kann von einem in Deutschland niedergelassenen Arzt verschrieben werden, wobei die Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse getragen werden. Das Messgerät kann der Kläger mit in sein Heimatland nehmen, um die Selbstmessung dort fortzusetzen.

Selbst wenn das Gerinnungsselbstmanagement nicht möglich wäre, entstünden dem Kläger auch dann, wenn die INR-Messung in Indien nicht unter die kostenfreie medizinische (Notfall-)Versorgung fiele, zur Überzeugung des Gerichts keine erheblichen Kosten. Die Messung kann jeder praktische Arzt durchführen, sie wird in Deutschland sogar in vielen Apotheken (Kosten von unter zehn Euro pro Messung) angeboten. Das Gericht geht davon aus, dass die INR-Messung zumindest in den großen Städten in Indien problemlos möglich ist und die Kosten sich dabei weit unterhalb des deutschen Niveaus bewegen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kontrolluntersuchungen nur alle drei bis vier Wochen notwendig sind, sind die Kosten zur Überzeugung des Gerichts nicht erheblich. Darüber hinaus führt das Ausfallen von Kontrolluntersuchungen nicht zwangsläufig zu einer konkreten erheblichen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. hierzu die Stellungnahme des Amtsarztes vom 28. Juni 2016).

(bb) Die Kosten für Medikamente und eventuell benötigte Untersuchungen kann sich der Kläger zudem durch Arbeit finanzieren. Den Aussagen des Hausarztes in seiner Stellungnahme vom 28. Juni 2016 zufolge ist der Kläger dazu in der Lage, zumindest halbtags zu arbeiten. Dass es in Indien zumindest in den Großstädten keine Teilzeitbeschäftigung geben soll, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar.

Davon abgesehen geht das Gericht davon aus, dass der Kläger auf die Hilfe seiner indischen Großfamilie rechnen kann, da indische Großfamilien regelmäßig bereit sind, für die medizinische Versorgung gerade eines männlichen Familienangehörigen aufzukommen (vgl. Bericht der Botschaft der BRD in New Delhi vom 30.12.2013 an das VG Sigmaringen, S. 4). Der Kläger verfügt in Indien über eine Großfamilie: Neben der Kernfamilie in Gestalt seiner Eltern, der Ehefrau und den Kindern, hat der Kläger zwei ältere Schwestern, die verheiratet sind und in einem Dorf in der Nähe des Heimatdorfes des Klägers leben. Ein älterer Bruder hat einen Teeladen auf einem benachbarten Markt und ein weiterer älterer Bruder hält sich in Österreich auf.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Zwar kann Reiseunfähigkeit ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG begründen (vgl. BVerfG, B. v. 16.4.2002 - 2 BvR 553/02 = InfAuslR 2002, 415). Nach dem für das Gericht nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des Amtsarztes vom 22. April 2016 ist der Kläger jedoch gegenwärtig reisefähig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5000,00.- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein am ... Februar 1979 geborener indischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die abgelehnte Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

Der Antragsteller reiste am ... Juni 2010 mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet ein, um als Koch zu arbeiten. Am 6. August 2010 erteilte das Landratsamt Fürstenfeldbruck ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG-, die bis zum 23. Oktober 2010 befristet war und bis zum 23. Oktober 2012 verlängert wurde. Am ... Januar 2011 verzog der Antragsteller in den Landkreis ... Die Auflage in seiner Aufenthaltserlaubnis wurde daraufhin abgeändert und eine Beschäftigung in ... beim selben Arbeitgeber gestattet. Am 1. März 2012 beantragte der Antragsteller die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis beim Antragsgegner. Die Aufenthaltserlaubnis wurde bis zum 6. Juni 2014 verlängert.

Im Zeitraum vom 10. Dezember 2012 bis zum 13. November 2013 bezog der Antragsteller Krankengeld. Ab dem 14. November 2013 bis zum 12. Dezember 2013 erhielt er Übergangsgeld der deutschen Rentenversicherung und ab dem 13. Dezember 2013 bis zum 11. April 2014 erneut Krankengeld. Seit dem 12. April 2014 nimmt der Antragsteller Hilfe zum Lebensunterhalt nach Sozialgesetzbuch 12. Buch in Anspruch. Auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden übernommen.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise § 25 Abs. 4 AufenthG unter Verweis auf die Erkrankung des Antragstellers. Es handle sich dabei um eine Gefäßerkrankung mit regelmäßig tödlichem Verlauf. Einige deutsche Ärzte hätten jedoch eine möglicherweise lebensrettende Behandlungsoption für den Antragsteller gefunden. Der Bevollmächtigte machte geltend, dass der Antragsteller sich die notwendige Behandlung in Indien nicht würde leisten können und daher eine zielstaatsbezogene Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege.

Mit Schreiben vom 10. November 2014 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Untätigkeitsklage (Az.: M 4 K 14.5060) mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers antragsgemäß zu verlängern.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 wandte sich der Antragsgegner zwecks Beteiligung nach § 72 Abs. 2 AufenthG an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führte in einem Schreiben an den Antragsgegner vom 8. September 2015 im Wesentlichen aus, dass auch nach Durchsicht der Ausländerakte keine Einschätzung zur Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots möglich sei, da die vorliegenden medizinischen Unterlagen unergiebig seien. Der oder die behandelnden Ärzte würden deshalb um die Beantwortung mehrerer Fragen gebeten:

„Welche konkreten Aussagen können über den Gesundheitszustand von Herrn R. S. getroffen werden?

Welche Behandlungen (einschließlich Kontrolluntersuchen) und Medikamente sind hinsichtlich der diagnostizierten Erkrankungen momentan erforderlich (Name, Wirkstoff, ggf. geeignete Substitute)?

Können Aussagen zum voraussichtlichen Verlauf der Erkrankungen gemacht werden?

Welche konkreten gesundheitlichen Folgen hätten ein Abbruch der Behandlung bzw. fehlende oder unzureichende Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland des Patienten? Muss im Falle eines Abbruchs der Behandlung mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes gerechnet werden? Beschreiben Sie bitte die mit der erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden Auswirkungen konkret und plastisch!

Wie wahrscheinlich ist der Eintritt der geschilderten Gefahren?“

Der Antragsgegner übersandte die Stellungnahme des Bundesamts vom 8. September 2015 mit Schreiben vom 14. Oktober 2015 an den Bevollmächtigten des Antragsstellers.

In einer Stellungnahme vom 16. Oktober 2015 führte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erneut im Wesentlichen aus, dass nach Vorlage der bisherigen medizinischen Unterlagen nicht feststellbar sei, ob bei dem Ausländer aufgrund seines Krankheitsbildes ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot aus Krankheitsgründen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege. Ungeklärt sei nach den vorgelegten Unterlagen weiterhin, ob neben den nicht näher bezeichneten Verlaufskontrollen noch weitere Behandlungen und Medikamente erforderlich seien. Erst nach Mitteilung dieser Informationen könne das Bundesamt im Rahmen des Beteiligungsverfahrens klären, ob die für den Ausländer aktuell noch notwendige Behandlung in seinem Heimatstaat zur Verfügung stehe und für ihn auch in finanzieller Hinsicht verfügbar sei. Dem Antragsgegner stehe es jedoch frei, eine neue Anfrage nach § 72 Abs. 2 AufenthG zu stellen, sobald das Schreiben vom 8. September 2015 vom behandelnden Facharzt oder der behandelnden Fachärzte beantwortet sei und Angaben zur wirtschaftlich-finanziellen Situation des Ausländers gemacht werden könnten.

In einem Attest vom ... November 2015 führte der Hausarzt des Antragstellers im Wesentlichen aus, dass dieser im September 2012 an einer abdominellen Tuberkulose mit Ikterus und Milzabszess erkrankt sei. Die Tuberkulose habe sich erfolgreich behandeln lassen. Angesichts der erheblichen Vorerkrankung sei der aktuelle Zustand des Antragstellers als ausreichend einzustufen. Aufgrund der nach wie vor bestehenden eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit sei auch zukünftig von einer reduzierten Erwerbsfähigkeit des Antragstellers auszugehen. Der Hausarzt führte weiterhin aus, dass eine kontinuierliche medikamentöse Behandlung mit NOAKSs (beispielsweise Xarelto) zur Thromboseprophylaxe, Betablockade mit Carvedilol, Pantoprazol, Novaminsulfon sowie Folsäure und Vitamin B 12 nötig sei. Ein Abbruch der Behandlung würde wohl mit einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes einhergehen, was bei einer Rückkehr ins Heimatland zu befürchten sei.

In der mündlichen Verhandlung der Untätigkeitsklage am 19. Januar 2016 sicherte die Vertreterin des Antragsgegners zu, über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers bis zum 15. Februar 2016 zu entscheiden. Daraufhin erklärten die Parteien das Verfahren für erledigt und es wurde mit Beschluss vom 19. Januar 2016 eingestellt.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 30. Mai 2014 ab und forderte den Antragsteller auf, das Bundesgebiet bis zum 30. März 2016 zu verlassen. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege nicht vor, da aus dem Attest des Hausarztes vom... November 2015 hervorgehe, dass die Tuberkulose erfolgreich behandelt worden und der Zustand des Antragstellers auch hinsichtlich der Portalvenenthrombose als ausreichend einzustufen sei. Die attestierten Schwächezustände, der Gewichtsverlust und die eingeschränkte körperliche Belastbarkeit begründeten keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es könne zudem davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller die benötigten Medikamente auch in seinem Heimatland erlangen könne. Dies gelte insbesondere für Neu Delhi, der Stadt, in der der Antragsteller zuletzt lebte.

Mit Schreiben vom 7. März 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob der Antragsteller Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 5. Februar 2016. Zudem beantragte der Antragsteller nach § 80 Abs. 5 VwGO,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Als Begründung führte der Bevollmächtigte des Antragstellers im Wesentlichen aus, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorläge, da die notwendige Behandlung und Medikation für den Antragsteller individuell in Indien aus finanziellen Gründen nicht zugänglich sei. Die Ausgaben für Medikamente und ärztliche Behandlungen würden die monatlichen Einnahmen bei einer Vollzeitbeschäftigung in Neu-Delhi bei weitem übersteigen. Eine Vollzeitbeschäftigung sei dem Antragsteller jedoch ohnehin körperlich nicht möglich. Zudem sei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht ausreichend beteiligt worden. Durch Vorlage des hausärztlichen Attests vom ... November 2015 seien die vom Bundesamt gestellten Fragen umfassend beantwortet worden. Der Antragsgegner hätte das Bundesamt deshalb erneut beteiligen müssen.

Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 15. März 2016,

den Antrag abzulehnen.

In seiner Antragserwiderung erklärte der Antragsgegner, dass aus dem Bescheid vom 5. Februar 2016 nicht vollstreckt werde, bevor nicht in der Hauptsache rechtskräftig entschieden sei. Zur Begründung seines Antrags verwies der Antragsgegner im Wesentlichen erneut darauf, dass kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege. Da von keiner Seite bisher eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit bestätigt worden sei, könne davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller sich mit seiner mehrjährigen Berufserfahrung erneut in das Berufsleben in Indien werden integrieren können. Vor seiner Ausreise habe der Antragsteller in Neu Delhi gelebt, wo unzweifelhaft der leichteste Zugang zu ärztlicher Versorgung bestehe. Durch Einsatz erprobter Vitamin-K-Antagonisten statt des Präparats Xarelto würden sich die Kosten für die benötigten Medikamente zudem um ein Vielfaches senken lassen.

Es liegen mehrere privatschriftliche Atteste über den Gesundheitszustand des Antragstellers vor: In den Schreiben vom 9. Mai 2014, 12. Mai 2014, 23. Oktober 2014, 14. Januar 2015, 21. November 2015 und 6. März 2016 wurde dem Antragsteller im Wesentlichen zunächst eine portale Hypertonie durch Portalvenenthrombose bescheinigt, die meist chronisch verlaufe und mit mehreren tödlichen Komplikationen assoziiert werde. Nach mehreren operativen Eingriffen und der veranlassten Therapie sei der Antragsteller auf dem Weg der Besserung, eine weitere medikamentöse Behandlung jedoch erforderlich. Der Allgemeinzustand dürfe mittlerweile als befriedigend eingestuft werden. Eine zwischenzeitlich eingetretene Tuberkulose sei erfolgreich behandelt worden. Allerdings sei aufgrund der nach wie vor bestehenden eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit zukünftig von einer reduzierten Erwerbstätigkeit des Antragstellers von zwei Stunden pro Tag auszugehen.

Am ... April 2016 wurde der Antragsteller amtsärztlich untersucht. Im amtsärztlichen Gutachten vom ... April 2016 kam der Amtsarzt im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass der Gesundheitszustand des Antragstellers bei dauerhafter Medikation als stabil eingeschätzt werde und der Antragsteller reisefähig sei. Der Antragsteller habe in der Vergangenheit insbesondere an einer portalen Hypertension durch Portaderverschluss mit cavernöser Transformation und initial Ösophagusvarizen III sowie Refluxösophagits Grad B gelitten. Die aktuelle Diagnose habe einen stabilen Folgezustand mit Ösophagusvarizen I sowie einer fortbestehenden mikrozytären hypochromen Anämie und einer exokrinen Pankreasinsuffizienz ergeben. Aktuell erfolge eine ausreichende medikamentöse Therapie mit Pantoprazol 40 mg 1-0-0, Carvedilol 1A Pharma 12,5 mg 1-0-1, Xarelto 20 mg 1-0-0, Vitamin D 3 1-0-0 sowie Novaminsulfon bei Bedarf. Therapeutisch notwendig seien die Einnahme eines Protonenpumpenhemmers (z. B. Pantoprazol), eines Beta-Blockers (z. B. Carvedilol) sowie eine lebenslange orale Antikoagulation zur Offenhaltung der TIPS. Dabei stelle die Gabe von Xarelto 20 mg einmal täglich nur eine von mehreren Therapieoptionen dar. Eine ausreichende Therapie könne auch durch die Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Marcumar) unter ärztlicher Kontrolle der Gerinnungsparameter erreicht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- hat keinen Erfolg.

1. Es spricht bereits vieles dafür, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unzulässig ist. Dem Antragsteller fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsgegner in der Antragserwiderung vom 15. März 2016 erklärte, dass aus dem Bescheid vom 5. Februar 2016 nicht vollstreckt werde, bevor nicht in der Hauptsache rechtskräftig entschieden sei.

Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt dann nicht vor, wenn auch ohne eine Entscheidung im Eilverfahren eine Vollziehung des Verwaltungsakts ausgeschlossen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 136; Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 66). Das ist hier der Fall, da der Antragsgegner die Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt hat (Art. 21a Satz 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz -VwZVG-, § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Auch bei der Versagung einer Aufenthaltserlaubnis könnte der Antragsteller durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Eilrechtsschutz nicht mehr erlangen, als dass die Vollziehung des Verwaltungsakts ausgesetzt wird, da die aufschiebende Wirkung sich darin erschöpft, dass die Behörde nicht vollstrecken, das heißt die Abschiebung nicht durchführen kann. Darüber hinaus ist der Aufenthalt des Ausländers auch nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung weiterhin unrechtmäßig und auch die Fiktion des § 81 Abs. 3 AufenthG lebt nicht wieder auf (§ 84 Abs. 2 AufenthG, vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2014, § 84 AufenthG Rn. 34; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 84 Rn. 18).

2. Jedenfalls ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unbegründet.

Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei abzuwägen zwischen dem gesetzlich angeordneten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage offensichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse eines Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei der Interessenabwägung.

Nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers nach derzeitiger Einschätzung offensichtlich erfolglos bleiben wird, weil der Antragsteller keinen Anspruch auf eine Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis hat. Der angefochtene Bescheid vom 5. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Das Gericht nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug und verzichtet insoweit auf die Darstellung eigener Entscheidungs-gründe (§§ 122 Abs. 1, 117 Abs. 5 VwGO analog).

Darüber hinaus gilt Folgendes:

a) Der Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausreichend im Sinne von § 72 Abs. 2 AufenthG beteiligt.

In seinen Stellungnahmen vom 8. September und 16. Oktober 2015 äußerte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass ein Abschiebungsverbot nicht festgestellt werden könne, da die vorgelegten medizinischen Unterlagen unergiebig seien. Es formulierte einen detaillierten Fragenkatalog, der dem Bevollmächtigten des Antragstellers durch den Antragsgegner übermittelt wurde. Eine erneute Beteiligung des Bundesamts war nicht notwendig, da auch das nachgelieferte hausärztliche Attest vom ... November 2015 nicht die notwendigen Informationen beinhaltete. So enthielt es keine Aussage zum voraussichtlichen Verlauf der Krankheit und listete zwar die Medikamente auf, aber keine Dosierung. Die Aussage, dass „wohl“ eine „deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustands“ bei Abbruch der Behandlung und Rückkehr ins Heimatland drohe, reicht nicht aus. Das Attest enthält keine Aussage darüber, wie wahrscheinlich der Eintritt der Gefahren für die Gesundheit und das Leben des Antragstellers ist. Auch eine erneute Beteiligung des Bundesamtes nach § 72 Abs. 2 AufenthG wäre daher nicht zielführend gewesen, da die medizinischen Unterlagen insofern weiterhin unergiebig waren.

Zudem wäre der Antragsgegner selbst bei einer weiteren Beteiligung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht an dessen Einschätzung gebunden, da es sich um ein rein behördeninternes Beteiligungsverfahren handelt (vgl. Fritz/Vormeier, GK-Aufenthaltsrecht, § 25 AufenthG Rn. 34; Hofmann, Ausländerrecht, § 72 AufenthG Rn. 17).

b) Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung (§ 8 Abs. 1 AufenthG).

Die Voraussetzungen von § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 60 Abs. 7 AufenthaltsG lagen hier nicht vor.

Gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staats abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. „Erheblich“ in diesem Sinne ist eine drohende Gesundheitsgefahr dann, wenn eine besonders intensive Beeinträchtigung der Gesundheit zu erwarten ist. Davon ist dann auszugehen, wenn sich der Gesundheitszustand des Betroffenen wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine „konkrete“ Gefahr liegt vor, wenn diese Verschlechterung alsbald nach Rückkehr des Ausländers in den Heimatstaat einträte, weil die dort zur Behandlung seiner Leiden zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unzureichend sind und er auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 15.05.2011 - AN 16 K 10.30197 -juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) kann sich ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG zum einen aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die ärztlichen und medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Zum anderen kann es sich daraus ergeben, dass der Ausländer die an sich verfügbaren medikamentösen und ärztlichen Behandlungen aus sonstigen Umständen im Zielstaat tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVwerG, Urteil vom 29.10.2002, Az. 1 C 1.02 = DVBl 2003 463-465).

Diese Voraussetzungen sind im Fall des Antragstellers nicht erfüllt.

Zum einen sind die Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland des Antragstellers ausreichend. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien vom 24. April 2015 ist die Gesundheitsversorgung gerade in Neu Delhi - dem Ort, an dem der Antragsteller schon vorher längere Zeit als Koch fern von seiner Familie lebte - im Vergleich zu den anderen Landesteilen gut. Deshalb könnte der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Neu-Delhi etwaig notwendige Untersuchungen hier durchführen lassen. Auch alle gängigen Medikamente sind dem Lagebericht zufolge in Indien auf dem freien Markt erhältlich. Die im amtsärztlichen Gutachten und den privaten Attesten aufgelisteten Medikamente sind allesamt gängige Medikamente, die der Antragsteller auch in Indien, einem der weltweit größten Medikamentenhersteller, erhalten kann.

Zum anderen wäre die notwendige Behandlung oder Medikation auch für den Antragsteller individuell finanziell zugänglich. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien vom 24. April 2015 gewährt der indische Staat die medizinische Grundversorgung kostenfrei. Da es sich bei Indien zudem um einen der weltweit größten Hersteller von Generika handelt und großen Pharmazieunternehmen keinen Patentschutz gewährt wird, kosten Medikamente in Indien auch außerhalb der kostenfreien Grundversorgung nur einen Bruchteil der Preise in Europa. Sie sind damit auch für die arme Bevölkerung finanzierbar (vgl. Bericht der Botschaft der BRD in New Delhi vom 30.12.2013 an das VG Sigmaringen, S. 3). Zudem ließen sich die persönlichen Kosten des Antragstellers auch durch die Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten wie Marcumar, die nach Aussage des amtsärztlichen Attests eine Alternative für eine ausreichende Therapie des Klägers darstellten, noch deutlich senken (vgl. die Aussagen und das Rechenbeispiel auf Seite 10 des streitgegenständlichen Bescheids). Überdies ist nicht nur die medizinische Notfallversorgung in den staatlichen Kliniken kostenfrei, sondern es gibt auch einige staatliche Programme, um auch die Ärmsten mit Kranken- und Sozialversicherungsschutz zu versorgen (vgl. Auskunft Auswärtiges Amt vom 28.04.2014 an VG Leipzig, Az. 508-516.80/47964).

Das Geld für seinen Unterhalt und die benötigten Medikamente kann sich der Antragsteller zudem durch Arbeit verdienen. Den Aussagen im amtsärztlichen Attest zufolge ist der Gesundheitszustand des Antragstellers stabil, er ist reisefähig. Das Attest enthält auch keine Aussage über eine verminderte Erwerbsfähigkeit des Antragstellers. Doch selbst wenn diese vorläge (vgl. das Attest des Hausarztes vom 6. März 2016), ist davon auszugehen, dass der Antragsteller zusätzlich zu seinem Arbeitsentgelt mit Hilfe der indischen Großfamilie rechnen könnte, da erweiterte indische Großfamilien regelmäßig bereit sind, für die medizinische Versorgung gerade eines männlichen Familienangehörigen aufzukommen (vgl. Bericht der Botschaft der BRD in New Delhi vom 30.12.2013 an das VG Sigmaringen, S. 4).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- in Verbindung mit dem Streitwertkatalog. Gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde, da es sich vorliegend um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, die Hälfte des Betrages von 5.000,- € festgesetzt.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, ein am ... 1979 geborener indischer Staatsangehöriger, begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

Der Kläger reiste am ... 2010 mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet ein, um als Koch zu arbeiten. Am ... 2010 erteilte das Landratsamt Fürstenfeldbruck ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz-AufenthG-, die bis zum... 2010 befristet war und bis zum ... 2012 verlängert wurde. Am ... 2011 verzog der Kläger in den Landkreis ... Die Auflage in seiner Aufenthaltserlaubnis wurde daraufhin abgeändert und eine Beschäftigung in ... beim selben Arbeitgeber gestattet. Am 1. März 2012 verlängerte der Beklagte die Aufenthaltserlaubnis des Klägers bis zum 6. Juni 2014.

Im Zeitraum vom ... 2012 bis zum ... 2013 bezog der Kläger Krankengeld. Ab dem ... 2013 bis zum ... 2013 erhielt er Übergangsgeld der deutschen Rentenversicherung und ab dem ... 2013 bis zum ... 2014 erneut Krankengeld. Seit dem ... 2014 nimmt der Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt nach Sozialgesetzbuch 12. Buch in Anspruch. Auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden übernommen.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise § 25 Abs. 5 AufenthG unter Verweis auf die Erkrankung des Klägers. Es handle sich dabei um eine Gefäßerkrankung mit regelmäßig tödlichem Verlauf. Einige deutsche Ärzte hätten jedoch eine möglicherweise lebensrettende Behandlungsoption für den Kläger gefunden. Der Bevollmächtigte machte geltend, dass der Kläger sich die notwendige Behandlung in Indien nicht würde leisten können und daher eine zielstaatsbezogene Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege.

Mit Schreiben vom 10. November 2014 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Untätigkeitsklage (Az.: ...) mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers antragsgemäß zu verlängern.

In der mündlichen Verhandlung der Untätigkeitsklage am ... 2016 sicherte die Vertreterin des Beklagten zu, über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers bis zum ... 2016 zu entscheiden. Daraufhin erklärten die Parteien das Verfahren für erledigt und es wurde mit Beschluss vom 19. Januar 2016 eingestellt.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 30. Mai 2014 ab und forderte den Kläger auf, das Bundesgebiet bis zum 30. März 2016 zu verlassen. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege nicht vor, da aus dem Attest des Hausarztes vom... 2015 hervorgehe, dass die Tuberkulose erfolgreich behandelt worden und der Zustand des Klägers auch hinsichtlich der Portalvenenthrombose als ausreichend einzustufen sei. Die attestierten Schwächezustände, der Gewichtsverlust und die eingeschränkte körperliche Belastbarkeit begründeten keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es könne zudem davon ausgegangen werden, dass der Kläger die benötigten Medikamente auch in seinem Heimatland erlangen könne. Dies gelte insbesondere für ... der Stadt, in der der Kläger zuletzt lebte.

Mit Schreiben vom 7. März 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 5. Februar 2016 und beantragte,

den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2016, zugestellt am 9. Februar 2016, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers antragsgemäß zu verlängern.

Zudem beantragte der Bevollmächtigte des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Als Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorläge, da die notwendige Behandlung und Medikation für den Kläger individuell in Indien aus finanziellen Gründen nicht zugänglich sei. Die Ausgaben für Medikamente und ärztliche Behandlungen würden die monatlichen Einnahmen bei einer Vollzeitbeschäftigung in ... bei weitem übersteigen. Eine Vollzeitbeschäftigung sei dem Kläger jedoch ohnehin körperlich nicht möglich.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 15. März 2016,

die Klage abzuweisen.

In seiner Klageerwiderung verwies der Beklagte im Wesentlichen erneut darauf, dass kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege. Da von keiner Seite bisher eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit bestätigt worden sei, könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich mit seiner mehrjährigen Berufserfahrung erneut in das Berufsleben in Indien werde integrieren können. Vor seiner Ausreise habe der Kläger in ... gelebt, wo unzweifelhaft der leichteste Zugang zu ärztlicher Versorgung bestehe. Durch Einsatz erprobter Vitamin-K-Antagonisten statt des Präparats Xarelto würden sich die Kosten für die benötigten Medikamente zudem um ein Vielfaches senken lassen.

Es liegen mehrere privatschriftliche Atteste über den Gesundheitszustand des Klägers vor: In den Schreiben vom ... 2014, ... 2014, ... 2014, ... 2015, ... 2015 und ... 2016 wurde dem Kläger im Wesentlichen zunächst eine portale Hypertonie durch Portalvenenthrombose bescheinigt, die meist chronisch verlaufe und mit mehreren tödlichen Komplikationen assoziiert werde. Nach mehreren operativen Eingriffen und der veranlassten Therapie sei der Kläger auf dem Weg der Besserung, eine weitere medikamentöse Behandlung sei jedoch erforderlich. Der Allgemeinzustand dürfe mittlerweile als befriedigend eingestuft werden. Eine zwischenzeitlich eingetretene Tuberkulose sei erfolgreich behandelt worden. Allerdings sei aufgrund der nach wie vor bestehenden eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit zukünftig von einer reduzierten Erwerbstätigkeit des Klägers von zwei Stunden pro Tag auszugehen.

Am ... 2016 wurde der Kläger amtsärztlich untersucht. Im amtsärztlichen Gutachten vom ... 2016 kam der Amtsarzt im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass der Gesundheitszustand des Klägers bei dauerhafter Medikation als stabil eingeschätzt werde und der Kläger reisefähig sei. Der Kläger habe in der Vergangenheit insbesondere an einer portalen Hypertension durch Portaderverschluss mit cavernöser Transformation und initial Ösophagusvarizen III sowie Refluxösophagits Grad B gelitten. Die aktuelle Diagnose habe einen stabilen Folgezustand mit Ösophagusvarizen I sowie einer fortbestehenden mikrozytären hypochromen Anämie und einer exokrinen Pankreasinsuffizienz ergeben. Aktuell erfolge eine ausreichende medikamentöse Therapie mit Pantoprazol 40 mg 1-0-0, Carvedilol 1A Pharma 12,5 mg 1-0-1, Xarelto 20 mg 1-0-0, Vitamin D 3 1-0-0 sowie Novaminsulfon bei Bedarf. Dabei stelle die Gabe von Xarelto 20 mg einmal täglich nur eine von mehreren Therapieoptionen dar. Eine ausreichende Therapie könne auch durch die Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten unter ärztlicher Kontrolle der Gerinnungsparameter erreicht werden.

Mit Beschluss vom 6. Mai 2016 (Az.: ...) wies das Gericht den Eilantrag des Klägers als unzulässig ab, da vieles dafür spreche, dass dem Kläger aufgrund der Zusage des Beklagten, die Vollziehung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Jedenfalls sei der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unbegründet. Auf die ausführliche Begründung im Beschluss wird verwiesen.

In einer Stellungnahme eines Vertrauensarztes der Deutschen Auslandsvertretung in ... vom 18. Mai 2016 führte dieser aus, dass der nächstgelegene Behandlungsort für den Kläger in Indien ... sei, da sich dort mit dem National Institute of Liver and Biliary Diseases das einzige öffentliche medizinische Zentrum befände, das in Nordindien Patienten behandle, die eine TIPS Versorgung benötigen.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 23. Mai 2016 führte der Amtsarzt aus, dass die aktuell verabreichten Protonenpumpenhemmer wie Pantoprazol und Beta-Blocker wie Carvedilol nur eine empfohlene Begleitmedikation darstellten. Sie könnten durchaus für einige Zeit pausiert werden, ohne dass dadurch eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben des Klägers entstehen würde. In einer ergänzenden Stellungnahme des Amtsarztes vom 22. Juni 2016 führte dieser zudem aus, dass bei Einnahme des Vitamin-K-Antagonisten Warfarin eine Initialdosis von ½ bis 1 Tablette pro Tag (2,5 - 5 mg Warfarin-Na) und eine Erhaltungsdosis von ½ bis 2 Tabletten pro Tag (2,5 - 10 mg Warfarin-Na) notwendig sei.

Mit Stellungnahme vom 23. Juni 2016 übermittelte eine Mitarbeiterin des Vertrauensarztes der Deutschen Auslandsvertretung in ... die aktuellen Preise für Warfarin in ..., wobei der Umrechnungskurs aktuell bei 74 Rps/1 Euro liege. Danach würden 15 Tabletten Warfarin mit 5 mg Wirkstoff 37 Rps (umgerechnet 50 Cent), 15 Tabletten mit 2 mg Wirkstoff 41 Rps und 10 Tabletten mit 1 mg Wirkstoff 25 Rps kosten.

In der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2016 stellte der Bevollmächtigte des Klägers drei Beweisanträge, die abgelehnt wurden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschriften vom 28. und 29. Juni 2016 verwiesen.

In ergänzenden Stellungnahmen des Amtsarztes vom 28. Juni 2016 führte der Amtsarzt aus, dass eine Umstellung des Klägers auf den Vitamin-K-Antagonisten Warfarin noch in Deutschland möglich sei. Die danach notwendige Überprüfung der Gerinnungswerte und Dosierung des Medikaments könne auch durch den Kläger im Wege des INR-Selbstmanagements durchgeführt werden. Das dafür notwendige Gerät könne von einem niedergelassenen Arzt verschrieben werden, die Kosten übernehme die gesetzliche Krankenkasse. Die dazugehörigen Teststreifen würden ca. 20 Euro pro 100 Stück kosten und reichten für ca. ein halbes bis ganzes Jahr. Darüber hinaus führte der Amtsarzt aus, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung derzeit zu einer halbschichtigen (bis zu vierstündigen) Tätigkeit in der Lage sei, wenn die Möglichkeit von Arbeitspausen und zum Wechsel der Körperhaltung bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 28. und 29. Juni 2016 und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis hat. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung (§ 8 Abs. 1 AufenthG).

1. Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergibt sich nicht aus § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 60 Abs. 7 AufenthG.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. „Erheblich“ in diesem Sinne ist eine drohende Gesundheitsgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine „konkrete“ Gefahr liegt vor, wenn diese Verschlechterung alsbald nach Rückkehr des Ausländers in den Heimatstaat einträte, weil die dort zur Behandlung seiner Leiden zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unzureichend sind und er auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 15.05.2011 - AN 16 K 10.30197 -juris). Dabei ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist und eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch dann vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) kann sich ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG zum einen aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die ärztlichen und medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Zum anderen kann es sich daraus ergeben, dass der Ausländer die an sich verfügbaren medikamentösen und ärztlichen Behandlungen aus sonstigen Umständen im Zielstaat tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVwerG, Urteil vom 29.10.2002, Az. 1 C 1.02 = DVBl 2003 463-465).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind solche Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

Nach Auffassung des Gerichts sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG vorliegend erfüllt. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, läge bezogen auf den Kläger keine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.

a) Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 24. April 2015 leben in Indien mehr als 400 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil davon chronisch krank ist. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei diesen chronisch Kranken, die unter der Armutsgrenze leben, um eine Bevölkerungsgruppe im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, für die eine Anordnung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 AufenthG erforderlich ist.

Auch die dann notwendige verfassungskonforme Auslegung (z. B. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 24.10.2014 - 13a B 12.30421 - juris; Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 12.7.2001 - 1 C 5/01 = BVerwGE 115,1; Urt. 29.9.2011- 10 C 24/10 = NVwZ 2012, 451 Rn. 20) des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Kläger nicht „sehenden Auges in den sicheren Tod geschickt“ werden würde. Insoweit wird auf das Gutachten des Amtsarztes vom 22. April 2016 mit Ergänzung vom 28. Juni 2016 verwiesen. Darüber hinaus könnte sich der Kläger einen Medikamentenvorrat ins Heimatland mitnehmen.

b) Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG nicht vorliegen, läge in Bezug auf den Kläger keine konkrete erhebliche Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG vor, da die nötige medizinische Versorgung im Heimatland des Klägers zur Verfügung stünde und ihm auch individuell zugänglich wäre.

(1) Zum einen sind die Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland des Klägers ausreichend. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien vom 24. April 2015 ist die Gesundheitsversorgung gerade in ... - dem Ort, an dem der Kläger schon vorher längere Zeit als Koch fern von seiner Familie lebte - im Vergleich zu den anderen Landesteilen gut. In ... befindet sich nach Aussage des Vertrauensarztes mit dem National Institute of Liver and Biliary Disesases das einzige öffentliche medizinische Zentrum, das in Nordindien Patienten behandle, die eine TIPS Versorgung benötigen. Daher könnte der Kläger bei einer Rückkehr nach ... etwaig notwendige Untersuchungen hier durchführen lassen. Auch alle gängigen Medikamente sind dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien vom 24. April 2015 zufolge in Indien auf dem freien Markt erhältlich. Die im amtsärztlichen Gutachten und den privaten Attesten aufgelisteten Medikamente sind allesamt gängige Medikamente, die der Kläger auch in Indien erhalten kann, was auch die Aussage des Vertrauensarztes der deutschen Auslandsvertretung in ... bestätigt.

(2) Zum anderen ist die notwendige Behandlung oder Medikation auch für den Kläger individuell (finanziell) zugänglich. Die notwendigen Medikamente und Untersuchungen würden nach Überzeugung des Gerichts - soweit sie dem Kläger nicht im Rahmen der medizinischen Grundversorgung kostenfrei zur Verfügung stünden - keine erheblichen Kosten verursachen und der Kläger könnte sie zudem durch eigene Arbeit und/oder mit der Unterstützung seiner Großfamilie finanzieren.

(aa) Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien vom 24. April 2015 gewährt der indische Staat die medizinische Grundversorgung kostenfrei. Darüber hinaus gibt es auch einige staatliche Programme, um auch die Ärmsten mit Kranken- und Sozialversicherungsschutz zu versorgen (vgl. Auskunft Auswärtiges Amt vom 28.04.2014 an VG Leipzig, Az. 508-516.80/47964).

Darüber hinaus sind die Kosten für die benötigen Medikamente zur Überzeugung des Gerichts nicht erheblich. Da es sich bei Indien um den weltweit größten Hersteller von Generika handelt und großen Pharmazieunternehmen kein Patentschutz gewährt wird, kosten Medikamente in Indien auch außerhalb der kostenfreien Grundversorgung nur einen Bruchteil der Preise in Europa. Sie sind damit auch für die arme Bevölkerung finanzierbar (vgl. Bericht der Botschaft der BRD in New Delhi vom 30.12.2013 an das VG Sigmaringen, S. 3). Die persönlichen Kosten des Klägers ließen sich durch die Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin, die nach dem für das Gericht nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des Amtsarztes vom 22. April 2016 mit Ergänzungen vom 28. Juni 2016 eine ausreichende Therapie für den Kläger darstellt, im Gegensatz zur Einnahme von Xarelto auch noch deutlich senken. Warfarin ist in Indien sehr preisgünstig erhältlich. Auf Basis der Auskünfte des Amtsarztes und des Vertrauensarztes der Auslandsvertretung in ... würden dem Kläger (je nach notwendiger Dosierung) lediglich Kosten von umgerechnet zwischen 0,5 und vier Euro im Monat entstehen.

Die Umstellung auf Warfarin mit den dafür nötigen Untersuchungen kann noch in Deutschland erfolgen. Nach der Umstellung auf Warfarin sind nur noch alle drei bis vier Wochen Kontrolluntersuchungen notwendig. Für diese Kontrolluntersuchungen ist es dem Kläger möglich und zumutbar, diese (nach entsprechender Schulung) im Wege des Gerinnungsselbstmanagements (INR-Selbstmessung) selbst durchzuführen. Das Vorgehen ähnelt dem bekannten Zuckerselbsttest und das erforderliche Messgerät kann von einem in Deutschland niedergelassenen Arzt verschrieben werden, wobei die Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse getragen werden. Das Messgerät kann der Kläger mit in sein Heimatland nehmen, um die Selbstmessung dort fortzusetzen.

Selbst wenn das Gerinnungsselbstmanagement nicht möglich wäre, entstünden dem Kläger auch dann, wenn die INR-Messung in Indien nicht unter die kostenfreie medizinische (Notfall-)Versorgung fiele, zur Überzeugung des Gerichts keine erheblichen Kosten. Die Messung kann jeder praktische Arzt durchführen, sie wird in Deutschland sogar in vielen Apotheken (Kosten von unter zehn Euro pro Messung) angeboten. Das Gericht geht davon aus, dass die INR-Messung zumindest in den großen Städten in Indien problemlos möglich ist und die Kosten sich dabei weit unterhalb des deutschen Niveaus bewegen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kontrolluntersuchungen nur alle drei bis vier Wochen notwendig sind, sind die Kosten zur Überzeugung des Gerichts nicht erheblich. Darüber hinaus führt das Ausfallen von Kontrolluntersuchungen nicht zwangsläufig zu einer konkreten erheblichen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. hierzu die Stellungnahme des Amtsarztes vom 28. Juni 2016).

(bb) Die Kosten für Medikamente und eventuell benötigte Untersuchungen kann sich der Kläger zudem durch Arbeit finanzieren. Den Aussagen des Hausarztes in seiner Stellungnahme vom 28. Juni 2016 zufolge ist der Kläger dazu in der Lage, zumindest halbtags zu arbeiten. Dass es in Indien zumindest in den Großstädten keine Teilzeitbeschäftigung geben soll, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar.

Davon abgesehen geht das Gericht davon aus, dass der Kläger auf die Hilfe seiner indischen Großfamilie rechnen kann, da indische Großfamilien regelmäßig bereit sind, für die medizinische Versorgung gerade eines männlichen Familienangehörigen aufzukommen (vgl. Bericht der Botschaft der BRD in New Delhi vom 30.12.2013 an das VG Sigmaringen, S. 4). Der Kläger verfügt in Indien über eine Großfamilie: Neben der Kernfamilie in Gestalt seiner Eltern, der Ehefrau und den Kindern, hat der Kläger zwei ältere Schwestern, die verheiratet sind und in einem Dorf in der Nähe des Heimatdorfes des Klägers leben. Ein älterer Bruder hat einen Teeladen auf einem benachbarten Markt und ein weiterer älterer Bruder hält sich in Österreich auf.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Zwar kann Reiseunfähigkeit ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG begründen (vgl. BVerfG, B. v. 16.4.2002 - 2 BvR 553/02 = InfAuslR 2002, 415). Nach dem für das Gericht nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des Amtsarztes vom 22. April 2016 ist der Kläger jedoch gegenwärtig reisefähig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5000,00.- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Tenor

In Abänderung der Nr. II des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. März 2015 wird dem Kläger zu 2 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser, Münsterplatz 13, 89073 Ulm, beigeordnet.

Gründe

Der Kläger zu 2 (im Folgenden: Kläger), der deutscher und rumänischer Staatsangehöriger ist, verfolgt mit der Beschwerde seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für seine Klage gegen die Ausweisung seiner philippinischen Ehefrau, der Klägerin zu 1 (im Folgenden: Klägerin), weiter, der das Verwaltungsgericht anders als dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt und ihren Prozessbevollmächtigten beigeordnet hat (Nr. I des angefochtenen Beschlusses).

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Kläger ist nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen (I.) und sein Prozessbevollmächtigter nach § 166 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO beizuordnen (II.).

I.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen vor. Nach dieser Regelung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Danach ist dem Kläger, der nach den vorgelegten Erklärungen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Ehefrau die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Denn die Klage ist zulässig (1.) und hat auch in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zumindest offen ist, ob die Ausweisung der Klägerin sich im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird und den Kläger in seinen Rechten verletzt (2.).

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht deshalb unzulässig, weil die Klagefrist nicht gewahrt wäre (a), der Kläger nicht klagebefugt wäre (b) oder ihm für seine Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde (c).

a) Die Klage ist zunächst nicht verfristet, weil die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu laufen begonnen hat.

Nach dieser Regelung muss die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, wie sie der Kläger mit seiner Klage gegen die Ausweisung der Klägerin erhoben hat, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Verwaltungsakts erhoben werden. Danach ist im Falle des Klägers die Klagefrist aber nicht in Gang gesetzt worden. Denn die Ausweisung der Klägerin ist dem Kläger nicht bekanntgegeben worden. Vielmehr hat er davon nur aufgrund der von seinem Prozessbevollmächtigten am 12. Februar 2015 genommenen Akteneinsicht Kenntnis erlangt.

Der Kläger ist auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben so zu behandeln, als hätte er erst nach Ablauf der Klagefrist Klage erhoben (vgl. BVerwG, U. v. 27.11.1996 - 11 A 100.95 - juris Rn. 31). Insbesondere kommt eine Verwirkung nicht in Betracht. Denn der Kläger hat nicht längere Zeit, nachdem er von der Ausweisung der Klägerin Kenntnis erlangt hatte oder hätte erlangen müssen, und zu einem Zeitpunkt Klage erhoben, zu dem aufgrund seines Verhaltens nicht mehr mit einer Klageerhebung zu rechnen war (vgl. Brenner in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 74 Rn. 56 ff., insb. Rn. 63). Denn die Klage ist am 24. Februar 2015 und damit wenige Tage, nachdem der Kläger aufgrund der Akteneinsicht seines Prozessbevollmächtigten vom 12. Februar 2015 von der Ausweisung Kenntnis erlangen konnte, beim Verwaltungsgericht eingegangen.

b) Dem Kläger fehlt auch nicht die für die Klage gegen die Ausweisung der Klägerin erforderliche Klagebefugnis.

Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt, gegen den sie sich richtet, in seinen Rechten verletzt zu sein. Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; U. v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 jeweils m. w. N.). Danach ist der Kläger aber klagebefugt. Denn es erscheint zumindest möglich, dass er durch die Ausweisung der Klägerin in seinen sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Rechten verletzt ist.

Art. 6 Abs. 1 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, gewährt zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Jedoch verpflichtet die darin enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Jedes einzelne Mitglied einer durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Gemeinschaft ist in den persönlichen Schutzbereich der Norm einbezogen und daher berechtigt, dies gegenüber einer die familiäre Gemeinschaft berührenden verwaltungsbehördlichen oder verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend zu machen. Folglich hat jeder Träger der Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 GG einen eigenen Anspruch darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen und insbesondere bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die bestehenden familiären Bindungen des Betroffenen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, die Art. 6 Abs. 1 GG dem Schutz von Ehe und Familie beimisst (BVerwG, B. v. 12.7.2013 - 10 C 5.13 - juris Rn. 5; VGH BW, U. v. 17.7.2015 - 11 S 164/15 - juris Rn. 48). Insbesondere bei Ausweisungen kann daher Art. 6 Abs. 1 GG eine Klagebefugnis für den Ehegatten oder einen anderen Familienangehörigen des Ausgewiesenen begründen (vgl. VGH BW, U. v. 17.7.2015 - 11 S 164/15 - juris Rn. 49 m. w. N.).

Legt man dies zugrunde, so ist der Kläger entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts klagebefugt. Denn es erscheint möglich und ist nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass er als Ehegatte der Klägerin durch deren Ausweisung in seinem aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleiteten Anspruch darauf verletzt wird, dass die bestehenden ehelichen Bindungen bei dieser aufenthaltsbeenden Maßnahme in einer Weise berücksichtigt werden, die der großen Bedeutung entspricht, die Art. 6 Abs. 1 GG dem Schutz von Ehe und Familie beimisst. Denn nach § 11 Abs. 1 AufenthG hat die Ausweisung zur Folge, dass sich die Klägerin nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten darf und deshalb der Kläger die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihr nicht mehr in Deutschland führen kann.

c) Dem Kläger fehlt schließlich auch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts für seine Klage nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin selbst Klage gegen die Ausweisung erhoben und dafür Prozesskostenhilfe erhalten hat. Denn seine Klage dient nicht der Durchsetzung der Rechte der Klägerin, sondern seines eigenen Rechts nach Art. 6 Abs. 1 GG auf eine dem Gewicht des Schutzes von Ehe und Familie entsprechende Berücksichtigung seiner ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Klägerin.

2. Die Rechtsverfolgung bietet auch nach der Sach- und Rechtslage zum für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt (a) in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zumindest offen ist, ob die Ausweisung der Klägerin rechtswidrig ist (b) und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; c).

a) Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. BayVGH, B. v. 5.12.2014 - 10 C 13.1035 - juris Rn. 4; B. v. 10.4.2013 - 10 C 12.1757 - juris Rn. 25; B. v. 19.3.2013 - 10 C 13.334, 10 C 1310 C 13.371 - juris Rn. 26 m. w. N.). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ein (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.2007 - 10 C 39.07 u. a. - juris Rn. 1). Danach ist die Entscheidungsreife hier am 10. März 2015 eingetreten. Denn an diesem Tag sind die vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen beim Verwaltungsgericht eingegangen, nachdem die Beklagte bereits mit Schreiben vom 27. Februar 2015 zur Klageschrift, die auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe enthielt, Stellung genommen hatte. Damit sind für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage aber nicht die §§ 53 ff. AufenthG in der Fassung von Art. 1 Nr. 29 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) und Art. 13 Nr. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl I S. 1722), die nach Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung und Art. 19 Abs. 2 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes am 1. Januar 2016 in Kraft getreten sind (n. F.), sondern die §§ 53 ff. AufenthG in der vor dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung (a. F.) maßgeblich.

b) Zwar erfüllt danach die Klägerin den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 1 in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a. F., weil sie einen nicht geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Denn gegen sie ist mit Strafbefehl vom 6. Mai 2014 eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen wegen einer vorsätzlichen Straftat des unerlaubten Aufenthalts nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG festgesetzt worden. Gleichwohl sind die Erfolgsaussichten der Klage zumindest offen.

Zum einen spricht viel dafür, dass die Klägerin, obwohl sie sich offenbar zum für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag maßgeblichen Zeitpunkt nicht beim Kläger im Bundesgebiet, sondern in Rumänien aufgehalten hat, nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG a. F. besonderen Ausweisungsschutz genießt, weil sie mit dem Kläger als einem deutschen Familienangehörigen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt und deshalb nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG a. F. nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden darf. Zum anderen bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit der Ausweisung der Klägerin mit Art. 6 Abs. 1 GG. Denn die darin enthaltende wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat Ehe und Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde, bei Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des betroffenen Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen und damit angemessen zu berücksichtigen, wobei grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, B. v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris Rn. 12). Vorbehaltlich einer umfassenden Prüfung aller Umstände des Falles im Klageverfahren bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, dass die familiären Bindungen der Klägerin an den sich als Deutscher berechtigterweise im Bundesgebiet aufhaltenden Kläger angemessen berücksichtigt sind. Denn angesichts der großen Bedeutung, die dem Schutz von Ehe und Familie zukommt, stellt sich eine Ausweisung wegen einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen wegen unerlaubten Aufenthalts in der Regel als unverhältnismäßig dar.

Dies entspricht im Übrigen auch der Wertung des Gesetzgebers in der am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Neuregelung der Ausweisung. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG n. F. wiegt dabei das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. zwar schwer, wenn der Ausländer wie hier einen nicht nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Jedoch wiegt andererseits nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. besonders schwer, wenn der Ausländer mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt. Nach dieser vom Gesetzgeber vorgenommenen Gewichtung ergibt die in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. vorgesehene Abwägung aber in der Regel, dass das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse nicht überwiegt und deshalb eine Ausweisung nicht erfolgt, soweit die Abwägung nicht bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu einem anderen Ergebnis führt.

c) Kommt damit aber ernsthaft in Betracht, dass die Ausweisung die familiären Bindungen zwischen der Klägerin und dem Kläger nicht angemessen berücksichtigt und daher rechtswidrig ist, so ist auch zumindest offen, ob der Kläger durch sie in seinen eigenen Rechten verletzt wird. Denn fehlt es an einer angemessenen Berücksichtigung der ehelichen Bindungen zwischen der Klägerin und dem sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhaltenden Kläger, so ist dieser in seinem, wie dargelegt, aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf eine solche Berücksichtigung verletzt.

d) Hat die Klage aber hinreichende Aussicht auf Erfolg, so kommt es für das Prozesskostenhilfeverfahren nicht mehr darauf an, ob die Ausweisung bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil sich die Einreise und der Aufenthalt der Klägerin, die Familienangehörige des neben der deutschen auch die rumänische Staatsangehörigkeit besitzenden Klägers ist, gemäß § 1 FreizügG/EU nicht nach dem Aufenthaltsgesetz, sondern nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU richten. Ebenso kann offenbleiben, ob die Klägerin deshalb über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt, das ihr nur in entsprechender Anwendung des Freizügigkeitsgesetzes/EU (vgl. § 6 FreizügG/EU) oder in unmittelbarem Rückgriff auf Unionsrecht (vgl. Art. 28 Richtlinie 2004/38/EG) aberkannt werden kann, weil der Kläger, der als Deutscher aus Rumänien in die Bundesrepublik zurückgekehrt ist, in so nachhaltiger Weise von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätte, dass die praktische Wirksamkeit seines Freizügigkeitsrechts als Unionsbürger es erfordert, seinem Ehepartner einen unionsrechtlichen Nachzugsanspruch zuzubilligen (vgl. BVerwG, U. v. 22.6.2011 - 1 C 11.10 - juris Rn. 9).

II.

Liegen, wie dargelegt, die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor, so ist dem Kläger auch nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO sein Prozessbevollmächtigter beizuordnen. Denn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt war angesichts der Bedeutung der Sache für den Kläger erforderlich.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Weder fallen Gerichtskosten an, noch können Kosten erstattet werden. Gerichtskosten können im Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) nur erhoben werden, soweit anders als hier eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Prozesskostenhilfeentscheidung verworfen oder zurückgewiesen wird. Eine Kostenerstattung ist sowohl für das Bewilligungs- als auch für das Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 und § 127 Abs. 4 ZPO). Da Gerichtskosten nicht erhoben werden können, ist auch eine Streitwertfestsetzung entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.