Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 06. Nov. 2017 - L 3 U 52/15

bei uns veröffentlicht am06.11.2017
vorgehend
Sozialgericht München, S 24 U 20/13, 16.12.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Todes ihres 1967 geborenen und am 28./29.02.2012 verstorbenen Ehemannes A. (im Folgenden Versicherter genannt).

Der Versicherte reiste am 27.02.2012 im Rahmen seiner Tätigkeit als Bauleiter zu einer mehrtägigen Geschäftsreise nach D-Stadt. Für den Versicherten war im N-Hotel in D-Stadt vom 27. Februar bis 01.03.2012 ein Hotelzimmer gebucht. Er wurde am 29.02.2012 gegen 8:30 Uhr tot in seinem Hotelzimmer vom Hotelpersonal aufgefunden. Im Rahmen der Todesermittlung durch die Polizei D-Stadt vom 29.02.2012 lag der Versicherte beim Eintreffen der Polizei mit dem Rücken auf dem Fußboden. Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt. Der Versicherte war durch ein Dienstmädchen gegen 8:30 Uhr in seinem Hotelzimmer aufgefunden worden. Zu diesem Zeitpunkt lag der Verstorbene auf dem Bauch. Zwei weitere Dienstmädchen hatten den Verstorbenen auf den Rücken gelegt. Es stand ein eingeschalteter Laptop auf dem Highboard. Dabei war ein Programm „Reisekostenabrechnung“ eingeschaltet. Zudem lag eine Mappe mit Quittungen neben dem Laptop. Das Bett war noch gemacht und unbenutzt. Die Schlüsselkarte wurde am 28.02.2012 um 19:32 Uhr zuletzt benutzt. Eine Fremdeinwirkung konnte nicht festgestellt werden.

Assistenzarzt J. vom Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum D-Stadt führte am 29.02.2012 eine äußere Leichenschau durch. Zusammenfassend wurden keine Zeichen für eine Fremdeinwirkung gefunden, auf den Befund wird Bezug genommen.

Am 02.03.2012 erfolgte eine Unfallanzeige durch den Arbeitgeber des Versicherten. Mit Schreiben vom 07.04.2012 teilte die Klägerin mit, dass sie davon ausgehe, dass es sich um einen Versicherungsfall handle. Sie teilte mit, dass ihr Ehemann an einer Erkältung litt und Ohrenschmerzen hatte. Einen HNO-Arzt besuchte er in D-Stadt nicht. Er sei als Bauleiter für einen Umbau zuständig gewesen. Dies führte zu erheblichem Stress. So habe er bei der Fahrt zum Flughafen bereits Sorge gehabt, das Flugzeug nicht zu erreichen.

Ursache für die Erkrankung des Versicherten sei der durch die Reise bedingte Stress gewesen.

Anlässlich einer durchgeführten Obduktion teilten Professor Dr. L., Fachärztin für Rechtsmedizin, und Assistenzarzt J. vom Institut für Rechtsmedizin mit Schreiben vom 07.03.2012 der Klägerin mit, dass das Herz ihres Mannes eine Reihe von krankhaften Veränderungen aufgewiesen habe. Das kritische Herzgewicht sei deutlich überschritten, die Herzinnenhaut sei bindegewebig umbaut und die Herzschlagadern seien mittelgradig verkalkt gewesen. Aufgrund dieser Befunde hätte es zu jeder Zeit zum Auftreten von sogenannten bösartigen Herzrhythmusstörungen mit Kreislaufstillstand, rascher Bewusstlosigkeit und nachfolgendem Tod kommen können. In den Atemwegen haben sich Zeichen einer Entzündung befunden. Insgesamt sei davon auszugehen, dass es zu einem Herzversagen des krankhaft veränderten Herzens vor dem Hintergrund einer möglichen viralen Infektion (z.B. „Grippe“) mit Entzündung der Herzmuskulatur gekommen sei. Mit weiterem Schreiben vom 02.04.2012 teilten Professor Dr. P., PD Dr. S. und Assistenzarzt J. der Klägerin mit, dass sich bezüglich des Todeszeitpunkts ein Zeitintervall von den späten Abendstunden des 28.02.2012 bis in die frühen Morgenstunden des 29.02.2012 ergeben habe. Unter Würdigung aller Befunde sei davon auszugehen, dass der Tod des Versicherten in der zweiten Nachthälfte und somit am 29.02.2012 eingetreten sei.

Mit Bescheid vom 05.06.2012 lehnte die Beklagte Leistungen bezüglich des Todes des Versicherten ab. Dabei verneinte die Beklagte den inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Tod des Versicherten. Im Rahmen der Widerspruchsbegründung wurde eine Stellungnahme von Dr. S. T., der Hausärztin des Versicherten vom 29.10.2012 vorgelegt. Danach müsse nach Auffassung der Klägerin der Befund infrage gestellt werden, da der Versicherte bis kurz vor seinem Tod noch sehr sportlich aktiv war. Stress wirke sich in der beschriebenen Konstellation besonders maligne aus.

Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 13.12.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe. Ursächlich für den Tod des Klägers sei eine innere Ursache gewesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 10.01.2013 Klage erheben lassen. In der Klagebegründung hat der Bevollmächtigte zusammenfassend vorgetragen, dass der Versicherte an einer Erkältung während seiner Dienstreise litt. Aufgrund der erheblichen Arbeitsbelastung sei der Versicherte jedoch nicht zum Arzt gegangen. Der Kläger habe aufgrund seiner Tätigkeit erheblichen Stress gehabt. Er habe seine Erkrankung nicht auskurieren können, es habe deshalb keine reine innere Ursache oder Gelegenheitsursache vorgelegen. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Abwehrkräfte durch Stress und Schlafmangel vermindert werden, mit der Folge, dass sich leichte Erkältungen zu erheblichen viralen Infekten auszuweiten können.

Das Sozialgericht hat die Akte der D. beigezogen. In einer Stellungnahme Prof. Dr. P., PD Dr. S. und Assistenzarzt J. vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums D-Stadt vom 19.03.2014 haben diese berichtet, dass in der Lunge ein chronisches Emphysem, pigmentbeladene Makrophagen, Bronchiektasen, in Organisation übergehendes Ödem vorgelegen habe. Im Herz seien ganz vereinzelte azidophile Nekrosen, kein Anhalt für eine Myokarditis, kein Anhalt für Infarkt, Sauerstoffmangelschäden als Ausdruck einer am ehesten agonalen Hypoxie gefunden worden. Unter Würdigung der Sektionsergebnisse und der histologischen Untersuchung sei der Tod als Folge von bösartigen Herzrhythmusstörungen bei einer dilatativen Kardiomyopathie und mittelgradig ausgeprägten Koronarsklerose aufgetreten. Eine Herzmuskelentzündung sei histologisch ausgeschlossen.

Das Sozialgericht hat Sachverständigenbeweis durch Einholung eines fachinternistischen Gutachtens durch Dr. W. M. erhoben. In seinem Gutachten vom 07.07.2014 hat der Sachverständige zusammenfassend ausgeführt, die beim Kläger bestehende Kardiomyopathie sei Ausdruck einer länger zurückliegenden Erkrankung. Nebenbei sei dem Obduktionsbericht zu entnehmen, dass der Kläger geraucht habe. Eine dilatative Kardiomyopathie habe verschiedenste Ursachen, zum einen kann ein Trainingsmangel als Ursache herangezogen werden, auch früher zurückliegende virale Erkrankungen seien möglich. Eine weitere Möglichkeit sei ein Alkoholabusus. Eindeutige Hinweise für eine klare Ursache konnten nicht gefunden worden werden. Eine Myokarditis sei ausgeschlossen worden. Die von der Klägerseite vorgetragene Argumentation mit Stress und vermehrter Arbeitsbelastung sei nicht geeignet eine Kardiomyopathie hervorzurufen und dies sei letztlich als Ursache für die Herzrhythmusstörungen heranzuziehen. Der Tod sei nicht wesentlich durch die Umstände der Dienstreise verursacht worden. Erhöhter Stress und verspäteter Arztbesuch seien nicht die eindeutige Ursache für die Erkrankung. Für den Tod ursächlich sei eine sich seit langem abweichende dilatative Kardiomyopathie, deren Ursachen im früheren Leben zu suchen seien.

Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 08.08.2014 vorgetragen, der Tod sei eher in der ersten Nachthälfte eingetreten. Hierzu hat er weitere Fragen zu möglichen hypothetischen Abläufen an den Sachverständigen gerichtet. Auf das Schreiben vom 08.08.2014 wird ebenfalls Bezug genommen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 26.08.2014 hat der Sachverständige Dr. M. ausgeführt, inwieweit bei Anwesenheit der Frau zuhause der Tod verhindert hätte werden können, wäre nur denkbar, wenn ein Rettungssanitäter zeitnah eingetroffen wäre. Eine Defibrillation wäre hier die entscheidende therapeutische Maßnahme gewesen. Eine Laienreanimation hätte wohl einen hypoxischen Hirnschaden nicht verhindern können.

Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 30.10.2014 weitere Fragen bezüglich des Todes und der Situation gestellt und eine ergänzende Begutachtung beantragt.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zusammenfassend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger letztlich an einer rechtlich bedeutsamen inneren Ursache verstorben sei. Hierauf wird Bezug genommen.

Hiergegen hat der Klägerbevollmächtigte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. In seiner Berufungsbegründung hat er zusammenfassend vorgetragen, dass der Versicherte in einer vollkommen unnatürlichen Stellung aufgefunden worden sei, die auf Schmerzen und unnatürliche Bewegungen hindeuteten. Ein dahingehendes Verhalten -insbesondere ein Zusammenbrechen - wäre von der Familie der Klägerin bemerkt worden. Es hätte somit eine frühzeitige Reanimation eingesetzt werden können.

In der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2014 hat der Klägerbevollmächtigte nochmals darauf hingewiesen, dass die besondere Situation der Reise den Tod des Versicherten verursacht habe.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16.12.2014 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2012 eine Hinterbliebenenrente an die Klägerin ab 01.03.2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts München sowie der D. zum Todesfall des Versicherten beigezogen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht haben die Beklagte und das Sozialgericht München die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen abgelehnt, da kein versicherter Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorlag.

1. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung sind erfüllt, da insbesondere die Voraussetzungen der §§ 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beachtet wurden. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.

2. Hinterbliebene haben gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle im Sinne von § 8 SGB VII.

Nach den überzeugenden Ausführungen von Professor Dr. P., Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum D-Stadt, vom 02.04.2012 ist der Tod des Versicherten in den späten Abendstunden des 28.02. 2012 bis in die frühen Morgenstunden des 29.02.2012 eingetreten.

Für einen Arbeitsunfall ist nach der Legaldefinition des § 8 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit (siehe unter a) zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang - siehe unter b -), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt (Unfallkausalität - siehe unter c -) und dass das Unfallereignis hier den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität - siehe unter d -).

Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung zurzeit des Unfallereignisses, das Unfallereignis, der Gesundheitserstschaden und die Unfallfolge mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Danach darf ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Betrachter keinen Zweifel mehr haben (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 27.03.1958, Az.: 8 RV 387/55 -, Rn. 16, BSGE 7, 103). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist demgegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreichend (BSG vom 02.04.2009, Az.: B 2 U 30/07, UV-Recht aktuell 2009, 1055 ff; BSG vom 02.04.2009, Az.: B 2 U 9/08 R, SozR 4-5671, Anlage 1 Nr. 2103 Nr. 1). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt (BSG Urteil vom 09.05.2006, BSG vom 01.02.1996, Az.: 2 RU 1095; BSGE 45, 285, 286). Es muss dabei mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen. Es genügt, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (st. Rsprch. z.B. BSG Urteil vom 22.09.1977 - 10 RV 15/77; BSG Urteil vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 -, BSGE 45, 285-290, SozR 2200 § 548 Nr. 38, Rn. 13).

a) Der Verstorbene war als abhängig beschäftigter Bauleiter und daher grundsätzlich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bei der Beklagten auch auf Betriebsreisen und Betriebswegen versichert.

b) Versicherungsschutz ist jedoch nur gegeben, wenn insoweit ein innerer sachlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit besteht. Während einer Dienstreise ist ein Versicherter allerdings nicht schlechthin bei allen Verrichtungen unfallversicherungsrechtlich geschützt; vielmehr lassen sich gerade bei längeren Dienstreisen im Ablauf der einzelnen Tage in der Regel Verrichtungen unterscheiden, die mit der Tätigkeit für das Unternehmen wesentlich im Zusammenhang stehen, und solche, bei denen dieser Zusammenhang in den Hintergrund tritt (BSG, Urteil vom 12.06.1990, 2 RU 57/89, SozR 3-2200 § 548 Nr. 3, Rn. 16). Die besonderen Umstände bei einer dienstlich veranlassten Reise bringen es aber mit sich, bei einer Reihe von Tätigkeiten anders als an sich am Wohn- oder Betriebsort einen inneren Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit zu begründen (BSG, Urteil vom 12.06.1990 - 2 RU 57/89 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 3, Rn. 16). Der betrieblich bedingte Aufenthalt an einem fremden Ort auch außerhalb der Arbeitszeit wird nämlich nicht in demselben Maße von rein eigenwirtschaftlichen Belangen beeinflusst, wie derjenige am Wohnort (BSG, Urteil vom 12.06.1990 - 2 RU 57/89 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 3, Rn. 16). Der Versicherungsschutz während einer Dienstreise kann sich daher auch auf solche Tätigkeiten erstrecken, die sonst dem privaten Bereich zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 12.06.1990 - 2 RU 57/89 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 3, Rn. 16; BSG, Urteil vom 25.03.1964 - 2 RU 123/61 - in BG 1964, 373 zu Wegen in einem Restaurant; BSGE 50, 100 zu Wegen nach einem längeren Gaststättenaufenthalt; BSG, Urteil vom 26.04.1990 - 2 RU 54/89 - zum Erkunden der örtlichen Verhältnisse eines Tagungshotels). Der Versicherungsschutz entfällt allerdings dann, wenn sich der Reisende persönlichen, von der beruflichen Tätigkeit und den Besonderheiten des auswärtigen Aufenthalts nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet (BSG, Urteil vom 12.06.1990 - 2 RU 57/89 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 3, Rn. 16; BSG, Urteil vom 27.07.1989 - 2 RU 3/89 - zu einem Saunabesuch; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 110 zu einem Spaziergang).

Nach den Feststellungen des Senats bestehen bereits Zweifel am inneren bzw. sachlichen Zusammenhang im Zeitpunkt des Todes des Versicherten. Aus den beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft ergibt sich lediglich, dass im Zimmer des Versicherten dessen Laptop noch mit einem Reisekostenprogramm lief und Belege neben dem Computer lagen. Der Versicherte hat ausweislich der Aufzeichnungen des Hotels um 19:32 Uhr zuletzt seine Schlüsselkarte verwendet. Der Senat geht daher davon aus, dass der Versicherte von diesem Zeitpunkt an bis zu seinem Tod im Hotelzimmer verweilte. Nach den überzeugenden Ausführungen von Professor Dr. P., Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum D-Stadt, vom 02.04.2012 ist der Tod des Versicherten in den späten Abendstunden des 28.02.2012 bis in die frühen Morgenstunden des 29.02.2012 eingetreten. Diesen Feststellungen schließt sich der Senat an und verwertet insoweit das Schreiben von Professor Dr. P. im Urkundsbeweis nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff ZPO. Dabei steht jedoch nicht der gesamte Aufenthalt im Hotel unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Unklar bleibt, welche Tätigkeit der Versicherte im Zeitpunkt des Todes konkret ausgeübte. Auch wenn im Zimmer des Versicherten ein Computerprogramm zur Abrechnung von Reisekosten geöffnet war, ist unklar, ob der Versicherte sich im Zeitpunkt seiner Herzattacke mit der Reisekostenabrechnung beschäftigte. Dabei kann offen bleiben, ob eine Reisekostenabrechnung überhaupt im konkreten Fall noch vom Versicherungsschutz mit erfasst wäre. Durch den Aufenthalt im Hotelzimmer haben sich auch nicht besondere Umstände verwirklicht, welche einen sachlichen Zusammenhang begründen. Soweit der Klägerbevollmächtigte meint, der Versicherte wäre zuhause von seiner Ehefrau gerettet worden, stellt dies nur eine Möglichkeit dar. Auch zuhause wäre nicht sichergestellt gewesen, dass die Klägerin innerhalb einer nur kurzen Zeitphase von wenigen Minuten nach Eintreten der dilatativen Kardiomyopathie die Erkrankung des Versicherten entdeckt und den Rettungsdienst verständigt hätte, der Rettungsdienst rechtzeitig eingetroffen und erfolgreich eine Reanimation mit einem Defibrillator durchgeführt worden wäre. Dr. M. weist darauf hin, dass aufgrund des anzunehmenden Todeszeitpunktes in den späten Abendstunden des 28. bzw. frühen Morgenstunden des 29.02.2012 der Tod auch im Schlaf hätte eintreten können. Der Umstand, dass der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes alleine gewesen ist, stellt überdies keine spezifische Gefahrensituation einer Dienstreise dar, sondern kann genauso im privaten Bereich vorkommen. Zur Problematik der hypothetischen Kausalität wird ergänzend auf die Ausführungen unter 2d) bb) verwiesen. Soweit der Todeszeitpunkt durch den Klägerbevollmächtigten ohne nähere Begründung bestritten wurde, schließt sich der Senat insoweit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. in seinem Gutachten vom 07.07.2014 an, welche insbesondere mit den Todesermittlungen der Polizei D-Stadt und den Obduktionsergebnissen und der Leichenschau von Professor Dr. P./PD Dr. S./J. vom Universitätsklinikum D-Stadt, Institut für Pathologie (Schreiben vom 02.04.2012), übereinstimmen. Dieser Arztbrief wurde durch den Senat im Urkundsbeweis nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff ZPO verwertet. Daher ist bereits der sachliche Zusammenhang nicht im Vollbeweis nachgewiesen.

c) Auch wenn man mit dem Vorbringen der Klägerin eine besonders stressreiche Tätigkeit des Versicherten während des Aufenthalts in D-Stadt unterstellt, so ist dennoch nach Auffassung des Senats ein Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht nachgewiesen.

Stress als solcher stellt sich nicht als Krankheit dar, sondern kann nur eine Vielzahl von völlig unterschiedlichen Symptomen und Beschwerden auslösen, die von Person zu Person in verschiedenster Art und Intensität auftreten (Bundestagsdrucksache 18/13543, S. 15). Stress kann durch das berufliche aber auch das private Umfeld entstehen. Stress kann sich in den vielfältigsten Formen manifestieren (Zeitdruck, Arbeitspensum, Überforderung, Arbeitsplatzverhältnisse,…). Stress tritt deshalb in den unterschiedlichsten Betätigungsfeldern in und außerhalb des Arbeitslebens auf (Bundestagsdrucksache 18/13543, S. 15).

Ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung verlangt ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zeitlich auf eine Arbeitsschicht begrenzt ist und im vorliegenden Fall den Tod als Folge verursachte (Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn. 10). Ein konkretes von außen auf den Körper einwirkendes Unfallereignis wurde von der Klägerin nicht vorgetragen und ist auch aus den beigezogenen Unterlagen der D. und der Beklagten nicht erkennbar. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass auch Einflüsse auf die Psyche durch die versicherte Tätigkeit Einwirkungen von außen auf den Körper im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII darstellen können. So werden in der Rechtsprechung und Literatur z.B. schwere Beleidigungen (Bereiter-Hahn/ Mehrtens, § 8 Rz. 11.2.; vgl. BVerwG, 09.04.1970, II C 49.68, BVerwGE 35, S. 133 ff.), der Anblick verletzter Personen oder von Blut durch einen Rettungssanitäter (Bultmann/ Fabra, MedSach 2009, S. 172 ff., 174), die versehentliche Tötung eines Kollegen (Bay. LSG, 19.07.1968, L 2/U 170/65, Breith. 1969, S. 475), ein belastendes Personalgespräch (Bay. LSG, 29.04.2008, L 18 U 272/04, NZS 2009, S. 232 ff.), eine Versagenssituation eines Schülers (BSG, 18.12.1979, 2 RU 77/77, USK 79208), erheblicher psychischer Stress während einer betrieblichen Besprechung (LSG BaWü., 11.01.2012, L 6 U 2574/09, UV-Recht Aktuell 2012, S. 586 ff.) und Einwirkungen auf die Psyche als Führer eines Schienenfahrzeugs (BSG, 29.11.2011, B 2 U 23/10 R, NZS 2012, S. 390 ff.; Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn. 11c) als Beispiele genannt. Erleidet jemand einen Schockschaden, so ist er jedoch nur dann versichert, wenn das Unfallereignis durch Vorgänge verursacht wird, die der grundsätzlich versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Problematisch ist insoweit, dass es wie bei organisch-physischen Einwirkungen für eine psychische Stresssituationen keine feste Untergrenze der erforderlichen Einwirkungsintensität gibt (Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn. 11c; LSG Berlin-Bbg., 26.01.2012, L 3 U 329/09, UV-Recht Aktuell 2012, S. 586 ff., 593; Düsel in: Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten, 2008, S. 75 ff., 86). Bezüglich der zeitlichen Begrenzung der Einwirkungen liegt die Grenze höchstens innerhalb einer Arbeitsschicht (BSG vom 31.01.2012, B 2 U 2/11 R). Dabei muss der komplette Zeitpunkt des Ereignisses nicht zwingend festgestellt sein, das Ereignis muss jedoch an einem bestimmten, wenn auch nicht mehr genau bestimmbaren Tag eingetreten sein (BSG vom 30.04.1985, 2 RU 7/84). In Abgrenzung zum Berufskrankheitenrecht (vgl. § 9 SGB VII) erfüllen länger anhaltende Einwirkungen, welche sich über mehrere Arbeitsschichten erstrecken grundsätzlich nicht den Unfallbegriff des § 8 SGB VII. Ein Unfallereignis im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist jedoch dann anzunehmen, wenn im Rahmen zahlreicher über eine Arbeitsschicht hinausgehender Beeinträchtigungen einem Ereignis eine eigenständige wesentliche Bedeutung für den eingetretenen Schaden zukommt (Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn. 12b; BSG, 30.05.1985, 2 RU 17/84, SozR 2200 § 548 Nr. 71; Köhler, SGb 2014, S. 69 ff., 76). Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Tätigkeit des Versicherten grundsätzlich sehr verantwortlich und mit allgemeinem Stress verbunden war. Die von der Klägerin vorgetragene Stresssituation bei der Anreise nach D-Stadt am 27.02.2012, kann insoweit jedoch nicht berücksichtigt werden, da diese nicht in der Arbeitsschicht des Klägers am 28.02.2012 stattfand. Hinweise auf andere herausragende Ereignisse, welche eine besondere Stresssituation beim Versicherten in der Arbeitsschicht vom 28.02.2012 verursacht haben könnten, waren für den Senat nicht erkennbar und wurden auch nicht durch den Klägerbevollmächtigten oder die Klägerin vorgetragen. Die vom Klägerbevollmächtigten vorgetragene allgemeine Stresssituation des Versicherten ist insoweit nicht geeignet das Tatbestandsmerkmal eines geeigneten Unfallereignisses zu erfüllen.

d) Auch bezüglich der Ursachenzusammenhänge folgt der Senat den von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Grundsätzen (vgl. z.B. BSG vom 24.07.2012, Az.: B 2 U 9/11 R, BSG vom 12.04.2005, Az.: B 2 U 27/04 R). Danach ist zunächst eine Kausalitätsprüfung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn (siehe unter aa) durchzuführen. Es ist zu prüfen, ob das äußere Geschehen nach aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen und allgemeinem ärztlichen Erfahrungswissen generell geeignet ist, den Tod des Versicherten zu verursachen. Diese Feststellung beruht auf der Äquivalenztheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Weiter stellt sich die Frage, ob die Gesundheitsstörungen ohne das angeschuldigte Ereignis überhaupt nicht, wesentlich später oder in anderer Intensität eingetreten wäre.

Wegen der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen hat nach der Theorie der sogenannten wesentlichen Bedingung eine wertende Eingrenzung zu erfolgen (ständ. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rn. 13; - siehe hierzu unter bb -).

aa) Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. und dem Obduktionsbericht des Instituts für Rechtsmedizin im Klinikum D-Stadt ist als Todesursache eine dilatative Kardiomyopathie im Vollbeweis nachgewiesen, welche nach Auffassung des Senats als reine innere Ursache anzusehen ist. Der Versicherte ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. an den Folgen maligner Herzrhythmusstörungen bei dilatativer Kardiomyopathie akut verstorben. Die beim Versicherten bestehende dilatative Kardiomyopathie ist nach Auffassung des Sachverständigen Ausdruck einer länger zurückliegenden Erkrankung. Eine dilatative Kardiomyopathie hat nach Auffassung des Sachverständigen verschiedenste Ursachen, zum einen kann ein Trainingsmangel als Ursache herangezogen werden, auch früher zurückliegende virale Erkrankungen sind mögliche Ursachen. Eindeutige Hinweise auf eine klare Ursache konnten nicht gefunden werden. Eine Myokarditis konnte histologisch ausgeschlossen werden. Eine virale Genese des Infektes wurde durch den Sachverständigen als Verdachtsdiagnose bewertet. Bei Abwägung dieser Umstände kam der Sachverständige überzeugend zu dem Ergebnis, dass es sich jedoch um ein schicksalhaftes Ereignis gehandelt hatte. Unter Bezugnahme auf die Literatur führt der Sachverständige weiter aus, dass die beim Kläger vorliegende dilatative Kardiomyopathie ihre Ursache in deutlich länger zurückliegenden Ereignissen hatte. Dem schließt sich der Senat ebenfalls an. Insoweit kann kein eindeutiger Zusammenhang zwischen einem akuten viralen Infekt und hieraus entstehenden malignen Herzrhythmusstörungen hergestellt werden. Der Sachverständige Dr. M. wie auch Professor Dr. P. sehen auch keine Veranlassung, eine Zurechnung im Sinne der Verschlimmerung anzunehmen. Ausweislich des Schreibens vom Professor Dr. L./J. vom Universitätsklinikum D-Stadt, Institut für Rechtsmedizin, vom 07.03.2012 wies das Herz des Versicherten eine Reihe von krankhaften Veränderungen auf. So waren die Kammerwände verdickt und die Herzhöhlen erweitert. Das sogenannte kritische Herzgewicht war deutlich überschritten. Die Herzinnenhaut war bindegewebig umgebaut. Die Herzschlagadern waren mittelgradig verkalkt. Ferner wiesen Professor Dr. L./J. darauf hin, dass es aufgrund dieser Befunde zu jeder Zeit zu dem Auftreten von sogenannten bösartigen Herzrhythmusstörungen mit Kreislaufstillstand, rascher Bewusstlosigkeit und nachfolgendem Tod hätte kommen können. Eine Herzmuskelentzündung konnte nach Professor Dr. P. im Befundbericht vom 19.03.2014 histologisch ausgeschlossen werden. Auch diese Berichte wurden durch den Senat im Urkundsbeweis nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff ZPO verwertet.

In der einschlägigen sozialmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S.S. 858) wird auf eine sogenannte Stress-Kardiomyopathie hingewiesen. Danach sollen nach einer akuten emotionalen Ausnahmesituation (Tod eines Angehörigen, Kündigung) Symptome auftreten, die vom Herzinfarkt nicht zu unterscheiden sind. Vorliegend ist jedoch der im Vollbeweis erforderliche Nachweis einer besonderen Stresssituation nicht gegeben. Daneben haben aber auch weder Professor Dr. P. noch der Sachverständige Dr. M. Hinweise für eine Stress-Kardiomyopathie erkennen können. Als Ursache kommt daher nur die außerberuflich erworbene dilatative Kardiomyopathie für den Versicherten als Todesursache in Betracht. Nach Auffassung des Senats ist die allgemeine berufliche Belastung durch Stress, insbesondere wenn sie über einen längeren Zeitraum anhält und nicht innerhalb einer Arbeitsschicht sich verwirklicht, nicht ausreichend um eine Stress-Kardiomyopathie anzunehmen.

Unter Heranziehung der Äquivalenztheorie sind daher die berufliche Tätigkeit des Klägers und deren Umstände bereits nicht als kausal im naturwissenschaftlichen Sinn anzusehen.

bb) Aber auch unter Anwendung der Theorie der wesentlichen Bedingung scheidet eine Zurechnung aus. Insoweit hat die Rechtsprechung des BSG folgende Grundsätze herausgearbeitet (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rn. 15): „Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rn. 15; BSG SozR Nr. 69 zu § 542 aF RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO;). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) „wesentlich“ und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als „wesentlich“ anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache“ oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils Rn. 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils Rn. 11)."

Kriterien der Wesentlichkeitsgrenze eines Arbeitsunfalls für den Gesundheitsschaden sind z.B. die versicherte Ursache, das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, die konkurrierenden Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Krankheitsbild, die Belastbarkeit vor dem Unfallereignis sowie die gesamte Krankengeschichte BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt dabei nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rn. 16; BSG vom 02.04.2009, Az.: B 2U 9/08 R). Ein Zusammenhang ist dann gegeben, wenn der Unfall und seine Folgen nach ihrer Eigenart und Stärke unersetzlich und damit nicht mit anderen alltäglichen Ereignissen austauschbar sind. Eine Ursache ist nicht schon deshalb wesentlich, weil sie als letzte Bedingung eingetreten ist. Unfallunabhängige Faktoren überwiegen, wenn sie bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens darstellen, das Unfallereignis deshalb völlig zurückdrängen. Ein hypothetischer Verlauf steht mit dem Versicherungsfall nicht im Zusammenhang.

Ein Unfallereignis ist wesentlich, wenn eine Krankheitsanlage entweder zur Entstehung krankhafter Veränderungen einer besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung bedurfte und diese im Unfallereignis enthalten ist oder ohne das Unfallereignis zu einem - nicht unwesentlichen - späteren Zeitpunkt aufgetreten wäre, diese aber durch die schädigende Einwirkung erheblich vorverlegt wurde. Unfallunabhängige Faktoren überwiegen und stellen daher eine nicht wesentliche Bedingung dar, wenn sie bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt eines Gesundheitsschadens darstellen. Man sprach insoweit auch von Gelegenheitsursache.

Mit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. kann der Senat jedoch auch nicht die berufliche Tätigkeit des Klägers als wesentliche Ursache des eingetretenen Todes des Versicherten annehmen. Hiergegen spricht insbesondere, dass eine massive Vorschädigung des Herzens des Versicherten im Sinne einer dilatativen Kardiomyopathie nachgewiesen ist und keine besonderen Umstände erkennbar sind, welche vorliegend eine überragende Stresssituation für den Versicherten begründen. Der Gesetzgeber hat in der gesetzlichen Unfallversicherung zwischen Arbeitsunfällen im Sinne von § 8 SGB VII und Berufskrankheiten nach § 9 SGB VII unterschieden. Wie bereits ausgeführt wurde, ist insoweit eine Begrenzung des „Unfallereignisses“ auf eine Arbeitsschicht vorzunehmen. Vorliegend war jedoch nicht über die Frage einer Berufskrankheit zu entscheiden. Diese Vorerkrankung des Versicherten steht daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine allgemeine stressbedingte berufliche Tätigkeit scheidet daher auch als wesentliche Bedingung auf der zweiten Stufe der Zurechnung aus.

Auch der Schutzbereich von § 8 SGB VII und die Abgrenzung zum Berufskrankheitenrecht in § 9 SGB VII sprechen insoweit gegen eine Zurechnung im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung.

e) Soweit der Klägerbevollmächtigte rügt, dass der Sachverständige Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 26.08.2014 nicht ausreichend konkret die Fragen des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 08.08.2014 beantwortet hätte, kann sich der Senat diesen Bedenken nicht anschließen. Bezüglich des Todeszeitpunktes nimmt der Sachverständige in seiner Stellungnahme auf den Obduktionsbericht von Professor Dr. P. Bezug. Auf die Frage, in welchem Ausmaß die Überlebenschancen des Versicherten sich verändert hätten, wenn die Erkrankung des Versicherten früher erkannt worden wäre, ist der Sachverständige ebenfalls eingegangen. Der Sachverständige sieht auch nicht die mögliche Verschlimmerung der Erkältung durch Aufnahme der Reise als wesentliche Ursache für die malignen Herzrhythmusstörungen. Insoweit wurde auch diese Fragestellung beantwortet. Ausdrücklich hat der Sachverständige ausgeführt, dass im vorliegenden Fall der berufliche Stress nach Auffassung des Sachverständigen Dr. M. nicht wesentliche Ursache der Herzrhythmusstörungen war.

Die vom Klägerbevollmächtigten vorgetragenen Argumentationen bezüglich einer möglicherweise früheren Rettung, wenn er zuhause gewesen wäre, betrifft eine in der Unfallversicherung unzulässige hypothetische Kausalität. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sind grundsätzlich hypothetische Verläufe nicht zu berücksichtigen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII vorliegt und insoweit keine Hinterbliebenenleistungen gewährt werden können.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 06. Nov. 2017 - L 3 U 52/15 zitiert 14 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 2 Versicherung kraft Gesetzes


(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 9 Berufskrankheit


(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

Zivilprozessordnung - ZPO | § 415 Beweiskraft öffentlicher Urkunden über Erklärungen


(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffen

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 118


(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprech

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 7 Begriff


(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. (2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

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Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. August 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesso

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(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. März 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Ereignisses vom 06.06.2006 als Arbeitsunfall und von Unfallfolgen streitig.
Der 1949 geborene Kläger nahm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Vertriebsleiter der ASS E. GmbH an einer Besprechung vom 06.06.2006, bei der der Produktionsleiter P. sowie die beiden Geschäftsführer W. und L. anwesend waren, teil.
Der Kläger erlitt bei dieser Besprechung einen ischämischen Insult bei Mediainfarkt links und wurde nach vorheriger notärztlicher Versorgung (Alarmierung 14:52 Uhr, Ankunft 15:01 Uhr, vgl. Notarztprotokoll St. M.) stationär ab 06.06.2006 im Zentrum für Innere Medizin des Klinikums Sch. G. und ab 21.06.2006 in den Kliniken Sch. G./St. behandelt (Einlieferung 15:22 Uhr). In dem über die stationäre Behandlung vom 06.06.2006 bis zum 21.06.2006 erstellten ärztlichen Entlassungsbericht des Prof. Dr. H., Chefarzt am Zentrum für Innere Medizin des Klinikums Sch. G., vom 21.06.2006 wurde angegeben, beim Kläger sei aus dem Wohlbefinden heraus eine unkontrollierte Parese des rechten Armes und des rechten Beines sowie eine Aphasie aufgetreten. Trotz umfangreicher kardialer Diagnostik habe sich kein hinreichender Anhalt für eine Genese des apoplektischen Ereignisses finden lassen. So hätten sich die Blutdruckwerte allenfalls grenzwertig im hypertonen Bereich befunden. Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern oder anderweitig bedingte kardiale Thromben, insbesondere der Vorhöfe, hätten ausgeschlossen werden können. Die hirnversorgenden Arterien stellten sich in der Duplexsonographie im Wesentlichen altersentsprechend dar. Laborchemisch habe sich lediglich eine nicht allzu ausgeprägte Hyperlipoproteinämie nachweisen lassen. Im weiteren Verlauf der stationären Behandlung hätten sich die neurologischen Ausfallserscheinungen trotz intensiver therapeutischer Bemühungen nur geringgradig rückläufig gezeigt.
Mit Bescheid des Landratsamts Ostalbkreis vom 11.10.2006 wurde bei dem Kläger ein GdB von 100 ab 01.06.2006 festgestellt und die Merkzeichen G, B und aG anerkannt.
Am 21.06.2006 zeigte die Ehegattin des Klägers das Ereignis als Arbeitsunfall an.
Mit dem ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 26.06.2006 führte die Beklagte aus, dass Ereignis vom 06.06.2006 stelle keinen versicherten Arbeitsunfall dar, so dass Leistungen zu ihren Lasten nicht zu erbringen seien.
In den über die stationären Behandlungen vom 21.06.2006 bis zum 02.08.2006 sowie vom 02.08.2006 bis zum 30.08.2006 erstellten ärztlichen Entlassungsberichten der Dr. L., stellvertretende ärztliche Leitung der Kliniken Sch. G./St., vom 08.08.2006 und 29.08.2006 wurde unter anderem ausgeführt, es habe trotz der im Klinikum Sch. G. durchgeführten Lyse-Therapie noch eine ausgeprägte Schwäche im rechten Bein sowie eine Plegie des rechten Armes bei starker Dysarthrie und Aphasie vorgelegen.
Mit Schreiben vom 30.05.2007 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 26.06.2006 Widerspruch ein.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei während der Geschäftsbesprechung von der Geschäftsleitung vehement verbal angegriffen worden und so erheblichem psychischem Stress ausgesetzt gewesen. Nach Ende der Geschäftsbesprechung sei er von den beiden Geschäftsführern zwecks Fortführung der Besprechung zurückgerufen worden. Kurz darauf sei der Kläger zusammengebrochen. Vorgelegt wurden neben den ärztlichen Entlassungsberichten des Klinikums Sch. G. und der Kliniken Sch. G./St. die Stellungnahme des Produktionsleiters P. vom 28.03.2007 und die ärztliche Bescheinigung der Internistin B. vom 30.07.2007. Der Produktionsleiter P. gab an, durch die finanziell angeschlagene Situation der Firma sei der Kläger unter starkem Druck gestanden, Aufträge zu akquirieren und optimal vorzubereiten. Vertriebsseitige Unterstützung habe dieser kaum erhalten, da dessen neuen Kollegen Spezialwissen gefehlt habe. Ferner gab er an, bei der Geschäftsbesprechung sei es um die Einwände der Technikabteilung hinsichtlich eines vom Kläger aquirierten Auftrages gegangen. Während dieser Geschäftsbesprechung habe die Geschäftsleitung den Kläger vehement angegriffen und gefragt, warum dieser mit seiner Erfahrung solche Risiken nicht erkannt habe und er diesen Auftrag überhaupt so habe annehmen können. Dem Kläger sei bei dem Versuch, seine Sicht darzulegen, ständig ins Wort gefallen worden. Nachdem die Geschäftsleitung das Gespräch für beendet erklärt habe und die Beteiligten den Raum verlassen hätten, sei der Kläger im scharfen Ton von der Geschäftsleitung zurückgerufen worden, woraufhin der Kläger wieder zurückgegangen sei und sich die Tür hinter ihm geschlossen habe. Dr. B. gab an, bei dem seit November 2006 in seiner Behandlung stehenden Kläger seien nach dessen Angaben keine internistischen Vorerkrankungen und auch keine Risikofaktoren bekannt. Anamnestisch habe als einziger begünstigender Faktor für die Apoplexie eine außergewöhnliche psychische Belastung am Tag des Geschehens vermutet werden können.
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Die Beklagte befragte den Geschäftsführer und Alleingesellschafter W. zum fraglichen Ereignis. Dieser gab unter dem 13.08.2007 an, es habe aus seiner Sicht keine besondere Stresssituation vorgelegen. Es sei bei der Geschäftsbesprechung um die Rückabwicklung eines kurz zuvor stornierten Auftrages eines ihrer Kunden gegangen. Mitten in der Besprechung, an der neben ihm und dem Kläger der weitere Geschäftsführer L. sowie der Produktionsleiter P. teilgenommen hätten, habe der Kläger auf einmal sehr intensiv gegähnt und sei anschließend von seinem Stuhl gerutscht. Die Arbeitssituation habe sich normal gestaltet. Der Kläger sei zuvor nicht auffällig gewesen und habe sich wie gewohnt an der Diskussion beteiligt.
11 
Auf Anfrage der Beklagten führten die Stationsärztin K. und Dr. W., Klinikum Sch. G., am 24.08.2007 aus, der Kläger habe im Rahmen der stationären Behandlung aufgrund seiner sehr eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit keine Angaben zur Ursache seines Schlaganfalls gemacht. Aufgrund dessen, dass duplexsonographisch keine Stenosen im Bereich der Karotidenstrombahn beidseits, kein Diabetes mellitus, im Elektrokardiogramm sowie im Langzeit-Elektrokardiogramm ein Sinusrhythmus, kein Nikotinabusus und lediglich als Risikofaktor eine Hypercholesterinämie festgestellt worden seien, sei die Ursache des Schlaganfalls ungeklärt. Aus dem beigefügten Notarztprotokoll vom 06.06.2006 geht unter anderem ein Blutdruck-Wert von 140 mmHg hervor.
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Mit Unterschrift vom 20.09.2007 bestätigte der Geschäftsführer L. die im Schreiben vom 13.08.2007 gemachten Angaben des Geschäftsführers W..
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine für die Anerkennung eines Schlaganfalls als Arbeitsunfall erforderliche, ein außergewöhnliches das betriebsübliche Maß erheblich überschreitende, akute Stresssituation habe nicht vorgelegen. Bei der Geschäftsbesprechung habe es sich um eine betriebsübliche Stresssituation gehandelt, die sich aus dem beruflichen Verantwortungsbereich des Klägers ergeben habe. In diese berufliche Verantwortung gehörten angespannte berufliche Situationen, wie vorliegend die Auseinandersetzung mit den beiden Geschäftsführern, zum gewöhnlichen beruflichen Alltag. Es sei deshalb nicht ungewöhnlich und somit auch nicht außergewöhnlich, wenn verbale Kritik geübt werde, auch wenn sie als unsachgemäß und überzogen empfunden werde.
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Hiergegen hat der Kläger am 14.11.2007 Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben. Zur Begründung ist ausgeführt worden, er sei im Rahmen der Geschäftsbesprechung in eine besondere psychische Anspannung geraten. Der erhöhte Druck habe daraus resultiert, dass Gegenstand der Geschäftsbesprechung ein Auftrag gewesen sei, der vertragsmäßig das 200-fache des üblichen Maßes der von ihm sonst akquirierten Aufträge überschritten habe. Das Scheitern dieses Auftrages sei für ihn keinesfalls eine alltägliche Situation gewesen, so dass von einer besonderen psychischen Anspannung mit einer hieraus resultierenden Stressreaktion auszugehen sei, die eine äußere Einwirkung im Sinne des Unfallbegriffs darstelle.
15 
Die Beklagte hat eingewandt, gerate ein Versicherter in Folge einer Zurechtweisung eines Vorgesetzten in hochgradige Erregung, so habe dessen seelischer Zustand seine Ursache überwiegend in der persönlichen Veranlagung. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass psychische Einwirkungen gemäß der Eigenart der Persönlichkeit zu beurteilen seien. Hierbei würden Art und Umstände je nach der psychischen Struktur des Versicherten mehr oder wenig belastend erlebt. Zu beachten sei hierbei auch, dass solche verbalen Auseinandersetzungen überall anzutreffen seien. Daher sei für die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall die Existenz einer außergewöhnlichen Stresssituation zu verlangen. Eine solche habe nicht vorgelegen. Selbst wenn für den Kläger aufgrund der Höhe des Auftrages eine angespannte Situation vorgelegen habe, sei diese nicht als außergewöhnlich zu beurteilen.
16 
Das Sozialgericht hat die Internistin B. unter dem 22.04.2008, den Neurologen Dr. G. unter dem 23.04.2008 und die Allgemeinmedizinerin Dr. Sch. am 28.04.2008 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.
17 
Die Internistin B. hat ausgeführt, den Kläger seit Herbst 2006 zu behandeln. Sie hat die ärztlichen Entlassungsberichte des Klinikums Sch. G. vom 05.06.2007 und 19.02.2008, den Arztbrief des Dr. G. vom 18.02.2008 sowie ihre Stellungnahme vom 14.04.2008 vorgelegt. Dr. G. hat ausgeführt, den Kläger seit 04.06.2007 zu behandeln. Dr. Sch. hat ausgeführt, den Kläger seit 18.09.2006 zu behandeln. Sie hat den Arztbrief des Dr. G. vom 14.04.2008 vorgelegt. Ferner hat der Internist Dr. Sch. die Arztbriefe des Prof. Dr. H., Abteilung für Kardiologie des R.-B.-Krankenhauses, vom 11.05.1990 (fraglicher Zustand nach Herzhinterwandinfarkt, auffälliges EKG, relativ niedriges HDL-Cholesterin) sowie vom 28.06.1990 (das EKG mit überdrehtem Linkstyp und R-Verlust in II, III und aVF sehe aus wie nach einem Hinterwandinfarkt, im Röntgenbild sei eine Verkalkung des Aortenbogens aufgefallen, der Kläger habe früher täglich 60 bis 80 Zigaretten geraucht und rauche derzeit täglich 20 Zigarillos, er wirke rastlos), des Dr. M., Abteilung Nuklearmedizin und Strahlentherapie des R.-B.-Krankenhauses, vom 20.08.1990 (regelrechtes Myokardszintigramm, kein Hinweis auf das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit), der Dr. B. vom 05.12.1995 (der Kläger habe 1995 seinen Nikotinkonsum eingestellt; die jetzt durchgeführte Untersuchung habe ergeben, dass eine bereits 1990 auffällig gewesene Kalksichel im Aortenkopf an Stärke oder Größe nicht zugenommen habe und ein geringfügig erhöhter Cholesterinwert vorliege) und des Internisten und Kardiologen Dr. M. vom 11.12.1995 (koronare Herzerkrankung unwahrscheinlich, Brustwirbelsäulensyndrom, symptomatische ventrikuläre Extrasystolie) vorgelegt.
18 
Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Prof. Dr. Sch., C. G., vom 24.10.2008 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, auf neurologischem Fachgebiet bestünden beim Kläger als Folgen des ischämisch bedingten Infarktes im Cerebri-Media-Stromgebiet links eine Narbe im Gehirn und eine symptomatische Epilepsie mit zwei manifesten Anfällen. Bei einem Schlaganfall handle es sich um eine sehr häufige Erkrankung. Risikofaktoren hierfür seien unter anderem neben Alter männliches Geschlecht, Nikotinabusus (beim Kläger früher manifest), Blutdruckwerte über 140 mmHg systolisch, leichtes metabolisches Syndrom mit Adipositas, Hyperlipidämie mit erhöhtem Gesamt-Cholesterin und erniedrigtem HDL-Cholesterin. Dabei handele es sich jeweils um Risikofaktoren, die schon zum Zeitpunkt des Schlaganfalles beim Kläger bestanden hätten. Es sei nicht auszuschließen, dass der Schlaganfall auch bei jeder anderen Tätigkeit im Ablauf des täglichen Lebens ebenfalls hätte eintreten können. Die vom Kläger erlebte psychische Stresssituation sei im Sinne eines allgemeinen Lebensrisikos und nicht als wesentlicher Grund für die Entwicklung des Schlaganfalls zu deuten. An etwaigen Vorerkrankungen seien nachgewiesene Fettstoffwechselstörungen, ein grenzwertig erhöhter Blutdruck sowie eine Adipositas belangvoll. Weitere Risikofaktoren zum Zeitpunkt des Schlaganfalles seien nicht ausreichend evaluiert. Auf jeden Fall seien mit einer erhöhten Blutdrucklage, eindeutig nachgewiesenen ateriosklerotischen Gefäßveränderungen und einem wohl auch schon früher gestörten Fettstoffwechsel Vorerkrankungen, wenn auch nur im geringeren Ausmaße als bei der gutachterlichen Untersuchung, nachweisbar. Beigefügt war das neuropsychologische Zusatzgutachten der Dipl.-Psych. E. vom 03.11.2008.
19 
Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2009 den Geschäftsführer W. und den Produktionsleiter P. als Zeugen gehört. Der Geschäftsführer W. hat ausgeführt, zum damaligen Zeitpunkt sei es der Firma finanziell schlecht gegangen. Anlass der Geschäftsbesprechung sei gewesen, dass der vom Kläger akquirierte und vertragsmäßig sehr wichtige Auftrag storniert worden sei. Bei der Geschäftsbesprechung sei es daher um die Rückabwicklung dieses Auftrages, insbesondere mit den Vorlieferanten Schadensersatzregelungen zu treffen, gegangen. Es habe insgesamt eine depressive Situation geherrscht. Es habe sich um eine normale Besprechung gehandelt, im Rahmen derer niemand geschrien habe. Es habe sich um eine außergewöhnliche Situation gehandelt, da die gesamte Verantwortung für den stornierten Auftrag beim Kläger gelegen habe. Herr L. und Herr P. hätten erste Hilfe geleitet. Der Produktionsleiter P. hat angegeben, die Firma habe sich damals in einem sehr kritischen Zustand befunden. Am Tag des Schlaganfalls sei ein großer Auftrag erteilt worden. Was der Kunde gefordert habe, hätte man allerdings nicht leiten können. Er habe die Geschäftsleitung auf die Gefahr von Reklamationen hingewiesen. Daraufhin sei die Besprechung einberufen worden. Der Geschäftsführer W. habe die Risiken gesehen und sei hart mit dem Kläger und ihm ins Gericht gegangen. Dem Kläger sei vorgeworfen worden, diesen Auftrag an Land geholt zu haben. Sodann sei die Besprechung persönlich geworden. Der Kläger sei hart angegangen worden. Man habe schon öfters kritische Situationen gehabt, in denen man persönlich angegangen worden sei. Die sachliche Ebene sei dann verlassen worden. Nach Beendigung der Besprechung sei der Kläger in harschem Ton in das Besprechungszimmer zurückgerufen worden. Circa 10 Minuten später sei er vom Geschäftsführer W. angerufen worden, um einen Ersthelfer zu alarmieren. Zum Zeitpunkt der Besprechung sei der Auftrag noch nicht storniert gewesen.
20 
Mit Urteil vom 26.03.2009 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 26.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2007 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 06.06.2006 ein Arbeitsunfall sei sowie eine motorisch betonte Aphasie, eine mittelschwere hand- und armbetonte zentrale Hemiparese rechts, eine leichte Polyneuropathie, kognitive Beeinträchtigungen und eine symptomatische Epilepsie Folgen des Arbeitsunfalles seien. Es hat zur Begründung ausgeführt, es habe eine geistig-seelische Einwirkung im Sinne einer psychischen Ausnahme- beziehungsweise Belastungssituation für den Kläger vorgelegen. Dies ergebe sich aus dem erheblichen Umfang des bei der Besprechung gegenständlichen Auftrages. Entweder sei nach Angaben des Geschäftsführers W. ein für die Firma und den Kläger bedeutender Auftrag kurz vor der Besprechung storniert worden oder es sei nach den Angaben des Produktionsleiters P. zu massiven verbalen Attacken gegenüber dem Kläger wegen unübersehbarer Risiken des Auftrages für das Unternehmen gekommen. Aufgrund der Gesamtsituation des Unternehmens und der Bedeutung des Auftrages habe es sich nicht um eine normale Belastungssituation gehandelt. Dass entweder durch die Stornierung des Auftrages oder die Besprechung hinsichtlich der Risiken des Auftrages eine extreme psychische Belastungssituation für den Kläger vorgelegen habe, sei mithin augenscheinlich. Auch liege ein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den eingetretenen Gesundheitsschäden vor. Eine Schadensanlage beziehungsweise ein Vorschaden, für deren Bestehen der Vollbeweis erbracht werden müsse, dürfe als rechtlich allein wesentliche Bedingung nur dann gewertet werden, wenn sie beziehungsweise er so stark ausgeprägt und so leicht ansprechbar gewesen sei, dass es zur Auslösung des aktuellen Krankheitsbildes keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung aus der versicherten Tätigkeit bedurft habe, sondern wenn der Gesundheitsschaden wahrscheinlich auch ohne diese Einwirkungen durch beliebig austauschbare Einwirkungen des unversicherten Alltagslebens zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd gleicher Schwere entstanden wäre. Beim Kläger hätten keine relevanten körpereigenen Ursachen festgestellt werden können, so dass die betriebsbedingte Ursache, also die psychische Ausnahmesituation, als einzig relevante Ursache für den Schlaganfall in Betracht komme. Denn zum versicherten Gesundheitszustand gehöre auch das allgemein vorhandene Schlaganfallrisiko. Eine stark ausgeprägte Schadensanlage oder Vorerkrankung, die zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko führen würde, habe beim Kläger nicht bestanden. Hinsichtlich der Vorerkrankungen sei das Gutachten des Prof. Dr. Sch. in sich widersprüchlich. Aus den ärztlichen Berichten vor dem Schlaganfallereignis ergäben sich keine pathologischen Befunde. Auch seien im Klinikum Sch. G. keine Normabweichungen beziehungsweise Vorerkrankungen festgestellt worden. Die dort festgestellten erhöhten Cholesterinwerte stellten keine bedeutende Krankheitsanlage für einen Schlaganfall dar. Auch sei der Kläger seit 1990 nikotinabstinent, so dass erhebliche Zweifel daran bestünden, ob der stattgehabte Nikotinabusus überhaupt noch als Risikofaktor in Betracht zu ziehen sei. Jedenfalls käme selbst einer Kombination aus Nikotinabusus und erhöhten Cholesterinwerten keine derart hohe Bedeutung zu, dass die betriebsbedingte Ursache in den Hintergrund zu treten hätte. Die Befunde, auf die sich Prof. Dr. Sch. stütze, bezögen sich zumindest teilweise offenbar auf den Zustand des Klägers nach dem erlittenen Schlaganfall. Vorliegend bestehe ein kausaler Zusammenhang zwischen Unfall und Schlaganfall auch schon allein wegen des zeitlichen Zusammenhangs. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass kardiovaskulär bedingte Ischämiegeschehen, ein Apoplex, ein akutes Koronarsyndrom oder ein Herzinfarkt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Stresssituation aufträten, auf diese Stresssituation zurückzuführen seien. Hierfür lägen sogar empirische Daten vor. Als Folge dieses Anscheinsbeweises sei der volle Beweis als erbracht anzusehen, solange nicht konkrete Tatsachen festgestellt würden, also erwiesen seien, die einen von der Typik abweichenden Ablauf ernsthaft als möglich erscheinen ließen. Aufgrund der Tatsache, dass beim Kläger keine relevanten Vorerkrankungen festgestellt und auch keine anderen Umstände festgestellt worden seien, bestehe ein kausaler Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden.
21 
Die Beklagte hat gegen das ihr am 18.05.2009 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 05.06.2009 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, es sei nicht zutreffend, dass keine relevanten körpereigenen Ursachen hätten festgestellt werden können. Seit 1990 seien EKG-Veränderungen mit nachgewiesener Aortensklerose mit Kalksichelbildung im Aortenkopf. bekannt Es habe auch ein exzessiver Nikotinabusus von 60 bis 80 Zigaretten täglich bis 1982 und 20 Zigarillos täglich bis 1990 vorgelegen. Nachgewiesen worden sei damals auch eine symptomatische ventrikuläre Extrasystolie mit überdrehtem Herz-Linkstyp. Bekannt sei auch, dass die Mutter des Klägers im Alter von 68 Jahren an einer allgemeinen Gefäßsklerose mit Hochdruck verstorben sei. Der Vater sei starker Raucher gewesen und mit 69 Jahren verstorben. Es sei also nicht von der Hand zu weisen, dass schon früher Krankheitsbilder vorgelegen hätten, die als Risikofaktoren für einen Schlaganfall gälten. Auch sei im Rahmen der stationären Behandlung nach dem Schlaganfall eine Hypercholesterinämie festgestellt worden. Dies stelle ebenfalls einen Risikofaktor für einen Schlaganfall dar. Im Übrigen sei der gesundheitliche Vorzustand des Klägers bislang lückenhaft aufgeklärt worden. Ferner seien nicht alle Befunde nach Eintritt des Schlaganfalls beigezogen worden. Nach Einholung aller Befunde sei ein fundiertes wissenschaftliches Gutachten einzuholen. Ferner seien zwecks Feststellung, ob es sich bei der Geschäftsbesprechung um eine außergewöhnliche Belastungssituation gehandelt habe, die Gesprächsteilnehmer erneut als Zeugen zu hören. Im Übrigen sei zu bedenken, dass der Kläger seit Jahrzehnten als Vertriebsleiter tätig gewesen und folglich als langjährige Führungskraft mit dem „auf und ab“ im Geschäftsleben, dem Termingeschäft in der Branche und den Risiken kurzfristiger Auftragsstornierungen auch über Zwischenhändler bestens vertraut gewesen sei. Dass ein von ihm organisierter Auftrag in größerem Volumen storniert werde, gehöre zu den unternehmerischen Risiken. Im Übrigen sei es so, dass ein Schlaganfall fast immer im Zusammenhang mit einer latenten Krankheitsanlage stehe.
22 
Die Beklagte beantragt,
23 
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
24 
Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
26 
hilfsweise Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. und Dr. B. die zu den Akten gereichten Fragestellungen zu stellen,
27 
hilfsweise den Zeugen P. zur Dauer bis zum Eintreffen des Notarztes zu befragen,
28 
hilfsweise die Revision zuzulassen.
29 
Er hat ausgeführt, die Beklagte verkenne, dass im ärztlichen Entlassungsbericht des Klinikums Sch. G. festgestellt worden sei, dass keine medizinischen Ursachen wie Bluthochdruck oder Nikotinabusus für den Schlaganfall verantwortlich gemacht werden könnten. Außerdem sei der Vater des Klägers mit 71 Jahren verstorben und Nichtraucher gewesen.
30 
Der Senat hat zunächst Dr. M. unter dem 13.01.2010 und den Allgemeinmediziner Dr. N. unter dem 15.01.2010 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. M. hat angegeben, dass er den Kläger seit Dezember 1995 nicht mehr behandelt habe und die Akten inzwischen vernichtet worden seien. Dr. N. hat mitgeteilt, dass die Akten vernichtet worden seien.
31 
Ferner hat der Senat die Schwerbehinderten-Akten des Landratsamts Ostalbkreis, insbesondere den ärztlichen Entlassungsbericht der Kliniken Sch. G./St. vom 08.08.2006, die Akten über den stationären Aufenthalt des Klägers im Klinikum Sch. G., die Akten der Deutschen Rentenversicherung Bund, insbesondere den über die stationäre Maßnahme vom 03.09.2008 bis zum 15.10.2008 erstellten ärztlichen Entlassungsbericht von Dr. R., Kliniken Sch. G., vom 15.10.2008, die Krankenakten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. B. sowie erneut die bereits aktenkundigen Arztbriefe des R.-B.-Krankenhauses St. beigezogen.
32 
Des Weiteren hat der Senat den Orthopäden Dr. W. unter dem 19.03.2010, den Urologen Dr. G. unter dem 07.04.2010 sowie die radiologische Gemeinschaftspraxis Dres. G., H. und K. am 14.04.2010 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. W. hat ausgeführt, den Kläger seit 03.04.2003 zu behandeln, den Arztbrief des Radiologen und Internisten Dr. H. vom 21.03.2005 (Peritendinitis) vorgelegt und unter anderem die Diagnose einer Osteoporose aufgeführt. Die radiologische Gemeinschaftspraxis Dres. G., H. und K. hat diverse Arztbriefe aus der Zeit nach dem Schlaganfallereignis vorgelegt. Dr. G. hat ausgeführt, dass er den Kläger am 02.12.2003 wegen einer angegebenen erektilen Dysfunktion und am 20.01.2004 sowie am 22.05.2006 wegen eines Harnwegsinfektes behandelt habe. Dabei seien außer Bakterien im Urin keine pathologischen Befunde erhoben worden. Im Jahr 2006 sei eine Urin- und Laborkontrolle nach erfolgter antibiotischer Therapie empfohlen worden.
33 
Sodann hat der Senat von Amts wegen das nach Aktenlage erstellte Gutachten des Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W., Klinik für Neurologie G., vom 20.07.2010 eingeholt.
34 
Der Sachverständige hat dargelegt, der Kläger habe bei Eintreffen des Notarztes rund 10 Minuten nach dessen Alarmierung eine Halbseitenlähmung rechts und eine motorische Aphasie gezeigt. Es seien sodann Blutdruckwerte zwischen 140 und 150 mmHg sowie eine Herzrate von 55/min. dokumentiert worden. Im Elektrokardiogramm habe sich eine Sinusbradykardie mit linksanteriorem Hemiblock und einem Hinweis auf eine fragliche Hinterwandinfarktnarbe gezeigt. Die Duplexsonographie der hirnversorgenden Arterien habe vereinzelt Plaques in beiden Carotiden, jedoch keine höhergradigen Stenosen, gezeigt. Das erste craniale Computertomogramm sei unauffällig gewesen. Das am Tag darauf durchgeführte craniale Kontroll-Computertomogramm zeige im vorderen Mediastromgebiet links einen recht ausgedehnten, bereits gut demarkierten Territorialinfarkt. Als Ursache ergäben sich Hinweise auf einen Verschluss eines Hauptastes der Arteria cerebri media links, während sich der Hauptast des Gefäßes als unauffällig dargestellt habe. Die initialen Laborbefunde hätten als wesentliche Auffälligkeit einen grenzwertig erhöhten Hämatokrit-Wert und eine mäßiggradige diabetogene Stoffwechsellage gezeigt. Im transösophagealen Echokardiogramm hätten sich Plaques in der Aorta, jedoch weder Thromben noch ein größeres offenes Foramen ovale gezeigt.
35 
Der Sachverständige hat ausgeführt, bei wenigstens 30 bis 40 % der Betroffenen von Hirninfarkten sei entweder gar keine Ursache oder aber lediglich ein entsprechendes vaskuläres Risikoprofil zu finden. Zu diesem Prozentsatz gehöre auch der Kläger. Zwar habe bei ihm kein Bluthochdruck, der gemäß epidemiologischen Studien bei 80 bis 90 % aller Hirninfarkt-Betroffenen zu finden sei, bestanden. Nicht zu verkennen sei jedoch eine zumindest leichte diabetogene Stoffwechsellage und die sich bei den Ultraschalluntersuchungen gezeigten arteriosklerotischen Plaques im Aortenbogen und in den hirnversorgenden Arterien. Darüber hinaus habe der Kläger zum Zeitpunkt des Ereignisses mit dem erhöhten Hämatokrit-Wert eine zumindest leichtgradige Eindickung des Blutes, die gemäß Studienlage mit einer erhöhten Blutgerinnungsneigung verbunden sei, gezeigt. Zwar habe sich der Hämatokrit-Wert nur grenzwertig erhöht gezeigt. Zum Zeitpunkt der Laborwertbestimmung habe der Kläger gemäß des Notarztprotokolls aber bereits eine intravenöse Flüssigkeitssubstitution erhalten, so dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt des Ereignisses ein über 46,5 % liegender Hämatokrit-Wert bestanden habe. Zusammenfassend sei also auszuführen, dass beim Kläger zwar keine eindeutige Ursache für den Hirninfarkt gefunden werden könne, es sei jedoch bei Weitem nicht so, dass eine betriebsbedingte Ursache als einzig relevante Ursache für den Schlaganfall in Betracht komme, da zum Zeitpunkt des Ereignisses mehrere vaskuläre Risikofaktoren, die gleichermaßen geeignet wären, einen Hirninfarkt auszulösen, bestanden hätten.
36 
Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, unter dem Begriff des Schlaganfalls würden mit Hirninfarkt, Hirnblutungen und Subarachnoidalblutungen mehrere völlig unterschiedliche Krankheitsbilder subsummiert, deren einzige Gemeinsamkeit darin bestehe, dass sie plötzlich aufträten und mit neurologischen Ausfällen einher gingen. Hirninfarkte träten auf, wenn sich eine zum Gehirn führende Arterie verstopfe. Häufigste Ursache von Hirnblutungen seien Einrisse der kleinen Hirnarterien bei Bluthochdruck. Unter Subarachnoidalblutungen verstehe man platzende Aussackungen der großen Hirnarterien. Ausgehend von diesen grundsätzlichen Erwägungen seien, was stressbedingte Schlaganfälle angehe, nochmals zwei grundlegende Unterschiede zu beachten. So bestehe ein durchaus beträchtlicher Zusammenhang zwischen „körperlichem und/oder physischem“ Stress und dem Auftreten von Hirninfarkten. Als Mediator werde hierbei vor allem der Bluthochdruck gesehen, der bei langfristigem Stress häufig erhöht sei. Nach den vorliegenden Studien handle es sich hierbei nicht um kurzdauernden psychischen Stress, sondern um im Allgemeinen über Jahre anhaltende Stresssituationen. Akuter Stress erhöhe nach den Studien die Schlaganfallinzidenz eher auf einer chronischen Basis.
37 
Beim Kläger sei es zum einen zu einem Hirninfarkt und zum anderen zu einem recht ausgedehnten Territorialinfarkt gekommen. Demnach habe es sich nicht um eine Mikroangiopathie, sondern um einen Verschluss eines größeren hirnversorgenden Gefäßes, des Hauptastes der Arteria cerebri media, gehandelt. Derartige Hirninfarkte könnten jedoch lediglich entweder durch Streuen eines Blutgerinnsels aus dem Herzen beziehungsweise dem Aortenbogen oder durch arteriosklerotische Veränderungen im Bereich der Hirngefäße selbst verursacht werden. Es gebe jedoch weder hinreichende Anhaltspunkte noch überhaupt eine pathophysiologische Idee in der wissenschaftlichen Literatur, wie ein solcher Territorialinfarkt durch Stress verursacht sein könnte. Der einzige klar bekannte Zusammenhang wäre der über eine akute Blutdruckerhöhung. Eine solche könne jedoch zu Hirn- oder Subarachnoidalblutungen, gegebenenfalls auch zu mikroangiopathischen Schlaganfällen, führen, nicht jedoch zu einem Verschluss einer großen Hirnarterie. Hier bestünden grundlegende Unterschiede zur Situation im Bereich des Herzens. Ferner sei bislang nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger rund zwei Wochen vor dem Schlaganfallereignis wegen eines Harnweginfektes in Behandlung gekommen und eine antibiotische Therapie empfohlen worden sei. Es habe sich in einer Studie gezeigt, dass eine relevante Anzahl von Patienten, allerdings lediglich innerhalb der letzten Woche vor dem Ereignis, einen Infekt gehabt habe. Nicht zuletzt sei aber auch festzustellen, dass gar keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Blutdruckkrise bestünden. So habe der 10 Minuten nach dem Ereignis eintreffende Notarzt einen normalen Blutdruck vorgefunden. Hätte zum Zeitpunkt der Besprechung bei dem Kläger ein massiver Blutdruckanstieg vorgelegen, wäre nach aller Erfahrung nicht zu erwarten gewesen, dass dieser innerhalb von 10 Minuten wieder vollständig verschwinde. Darüber hinaus sei es einfach nicht so, dass alternative Ursachen nicht zu diskutieren wären.
38 
Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand keinen pathophysiologischen Mechanismus gebe, der positiv erklären würde, warum die Geschäftsbesprechung in wesentlicher Weise zu der Entwicklung der Gesundheitsstörungen des Klägers beigetragen haben solle. Es sei nicht bekannt, dass die kurzfristige Ausschüttung von Stresshormonen, die dann möglicherweise mit einer Erhöhung des Blutdrucks einhergehe, in wesentlicher Weise an der Ausbildung embolisch bedingter Territorialinfarkte mit Verschluss großer Hirnarterien beteiligt wäre. Aufgrund des anderen Pathomechanismus verböten sich Analogschlüsse zu kardialen Ereignissen, bei denen es sich im Regelfall nicht um Embolien, sondern um isolierte Verschlussprozesse von Koronararterien handle.
39 
Der Kläger hat zu dem Gutachten eingewandt, der Sachverständige habe sich nicht dazu geäußert, woher der erhöhte Hämatokrit-Wert komme. So könne der erhöhte Hämatokrit-Wert auch auf einen Flüssigkeitsverlust zurückzuführen sein. Zu Wasserverlusten könne es beispielsweise bei starkem Schwitzen kommen, wobei Stress auch Schwitzen verursache. Es sei daher zu ermitteln, ob der Kläger bei der Geschäftsbesprechung zu wenig getrunken habe. Es sei auch kein Nachweis dafür gegeben, dass ein vaskulärer Risikofaktor vorgelegen habe. Auch der Hinweis auf den Harninfekt sei nicht nachvollziehbar, da allein ein akuter Harninfekt und auch nur untergeordnet geeignet sei, einen Schlaganfall zu verursachen. Des Weiteren könne von einem normalen Blutdruck keine Rede sein. So ergebe sich aus dem Notarztprotokoll ein Blutdruck-Wert von 160 mmHg. Ferner sei nicht geklärt, wie viel Zeit zwischen Schlaganfall und Eintreffen des Notarztes vergangen sei. Um hierzu medizinische Aussagen treffen zu können, müsste der Sachverhalt ermittelt werden. Des Weiteren ergebe sich aus Studien, dass Stress sehr wohl geeignet sei, einen Schlaganfall auszulösen. Ferner habe der Sachverständige nicht dargelegt habe, woraus sich ergebe, dass der Kläger an Diabetes leide.
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Daraufhin hat der Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten der Nervenfachärztin und Psychotherapeutin Dr. B. vom 14.06.2011 eingeholt.
41 
Die Sachverständige hat ausgeführt, beim Kläger sei ein embolischer Infarkt eines Seitenastes der Arteria media links diagnostiziert worden. Sie hat weiter ein cerebrales Anfallsleiden und eine Dysthymia beschrieben.
42 
Die Sachverständige hat ferner ausgeführt, der Kläger habe zum Zeitpunkt seiner Erkrankung unter einem seit mehreren Wochen oder gar Monaten bestehenden großen Stress, der durch die schlechte wirtschaftliche Lage seines Arbeitgebers verursacht worden sei, gelitten, Dieser Stress habe seinen Höhepunkt in der Auseinandersetzung während der Geschäftsbesprechung, die eine psychische Extrembelastung dargestellt habe, gefunden. Der Blutdruck des Klägers sei bei Eintreffen des Notarztes nur gering erhöht gewesen. Eine Studie belege, dass Probanden, die einen negativen Stress angegeben hätten, signifikant häufiger Apoplexe erlitten hätten als Vergleichsprobanden. Bis zu dem Apoplex seien beim Kläger keine internistischen Erkrankungen im Sinne von Risikofaktoren für einen Apoplex bekannt gewesen. Den von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. beschriebenen Verdacht auf eine Linksherzschädigung habe sie den Akten nicht entnehmen können. Bei dem von Dr. M. am 11.12.1995 diagnostizierten überdrehten Linkstyp handle es sich um einen Lagetyp der elektrischen Herzachse, der zwar als Hinweis auf eine Linksherzbelastung gedeutet werden könne, aber allein keinen Krankheitswert habe. In weitergehenden Untersuchungen sei kein weiterer Hinweis auf eine Linksherzbelastung gefunden worden. In der Literatur werde die Ansicht vertreten, dass psychischer Stress einer der 10 wichtigsten Risikofaktoren für Schlaganfälle sei. Der von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. getroffenen Unterscheidung zwischen Schlaganfällen bei Langzeitstress und akutem Stress sei nicht zuzustimmen. Der einzige klar benannte Zusammenhang zwischen akutem Stress und embolischen Hirninsulten wäre eine akute Blutdruckerhöhung, die beim Kläger nicht habe festgestellt werden können. Nach einer Studie reiche schon eine Erhöhung des Blutdrucks um 10 bis 20 mmHg, um bei Männern mittleren Alters einen stressverursachten Apoplex auszulösen. Der rund 2 Wochen vor dem Schlaganfall aufgetretene Harnwegsinfekt und die 11 Tage vor dem Schlaganfall abgeschlossene antibiotische Behandlung könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Einfluss auf den Gesundheitszustand des Klägers gehabt haben. Es gebe keine Studien, die einen Zusammenhang zwischen Hirnembolien und Antibiotikaeinnahme suggerierten.
43 
Die Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der psychologische Stress als Risikofaktor für embolisch bedingte Hirninfarkte angesehen werden könne und beim Kläger keine außerberuflichen Risikofaktoren vorgelegen hätten. Der Kläger habe 16 Jahre zuvor mit dem Rauchen aufgehört, sei nicht übergewichtig, habe nur sehr gemäßigt getrunken, habe sich regelmäßig körperlich betätigt und habe nicht unter kardialen Erkrankungen gelitten. Sowohl sein Blutzucker als auch seine Cholesterinwerte hätten wie der Blutdruck im oberen Bereich der Norm gelegen, seien aber nicht behandlungswürdig gewesen.
44 
Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, der Ansatz von Dr. B., dass aus ihrer Sicht nur ein Verschluss eines Nebenastes der Arteria cerebri media vorgelegen habe, also nicht der Verschluss des Hauptastes dieser Arterie, sei unzutreffend. Dass nur eine psychische Ausnahmesituation allein verantwortlich für den Hirninfarkt gewesen sein solle, sei eindeutig widerlegt. Diesbezüglich sei das Gutachten des Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. überzeugend. Es werde auch nicht in Frage gestellt, dass psychischer Stress als Risikofaktor für einen Schlaganfall in Frage komme. Dr. B. habe sich aber nicht dazu geäußert, ob beziehungsweise warum der Stress alleine beziehungsweise die rechtlich wesentliche Ursache für den Hirninfarkt sein solle. Vielmehr habe Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. überzeugend dargelegt, dass es nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand keine pathophysiologischen Mechanismen gebe, die dafür sprächen, dass eine akute Stresssituation zu einem Territorialinfarkt mit Verschluss großer Hirnarterien führen könne. Zu Unrecht habe Dr. B. in die Diskussion einen beruflich bedingten Langzeitstress mit einbezogen. Vorliegend sei aber lediglich die Stresssituation im Rahmen der Geschäftsbesprechung zu beurteilen.
45 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
46 
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
47 
Der Senat konnte vorliegend entscheiden, ohne die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. und Dr. B. oder den Zeugen P. erneut zu hören. Die darauf gerichteten Beweisanträge des Klägers waren abzuweisen, teils weil die Fragen bereits in den Gutachten oder Zeugenaussagen beantwortet wurden, teils weil es sich um unzulässige Ausforschungsbeweise handelt (dazu im Einzelnen unten).
48 
Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall sowie dessen Folgen sind die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
49 
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
50 
Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; jeweils zitiert nach juris) die folgenden Grundsätze entwickelt:
51 
Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Erforderlich ist für die Feststellung von Unfallfolgen, dass längerandauernde Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität).
52 
Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses, der Gesundheitserstschaden und die hierdurch verursachten längerandauernden Unfallfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.
53 
Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes.
54 
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.
55 
Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.
56 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.
57 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung des Ereignisses vom 06.06.2006 als Arbeitsunfall und auch nicht von Unfallfolgen.
58 
Zwar ist die Geschäftsbesprechung der bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Vertriebsleiter zuzurechnen, so dass ein innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang zwischen der Verrichtung zur Zeit des Schlaganfalls und der versicherten Tätigkeit gegeben ist.
59 
Diese Verrichtung hat auch zu einem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt.
60 
Das Erfordernis des von außen auf den Körper einwirkenden, zeitlich begrenzten Ereignisses dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt oder Kreislaufkollaps, wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. So genügt beispielsweise ein schlichter Sturz auf einem versicherten Weg, es sei denn, der Unfall ist infolge einer nichtbetriebsbedingten krankhaften Erscheinung eingetreten und zur Schwere der Verletzung hat keine Gefahr mitgewirkt, der der Versicherte auf dem Weg ausgesetzt war. Ist eine innere Ursache nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor. Das Merkmal der äußeren Einwirkung hat also lediglich den Zweck, äußere Vorgänge von krankhaften Vorgängen im Inneren des menschlichen Körpers abzugrenzen. Die Annahme einer äußeren Einwirkung scheidet mithin nur aus, wenn die Einwirkung auf Umständen beruht, für die eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Betroffenen oder dessen willentliches Verhalten die wesentliche Ursache war. Für die Prüfung der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls ist ferner von Bedeutung, dass für die äußere Einwirkung nicht ein äußerliches, mit den Augen zu sehendes Geschehen zu fordern ist (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - zitiert nach juris).
61 
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben ist in der vom Geschäftsführer W. und vom Produktionsleiter P. beschriebenen Geschäftsbesprechung und der hierdurch für den Kläger aufgetretenen psychischen Belastung ein Unfallereignis zu sehen. Auch der Senat ist der Ansicht, dass es sich dabei um eine psychische Ausnahme- beziehungsweise Belastungssituation gehandelt hat. Der Senat verweist insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts (siehe auch Sächsisches LSG, Urteil vom 09.02.2006 - L 2 U 69/03 - zitiert nach juris).
62 
Es lässt sich vorliegend auch mit dem erlittenen Schlaganfall ein Gesundheitserstschaden festzustellen.
63 
Es fehlt aber am haftungsbegründenden Kausalzusammenhang zwischen den mit von der Geschäftsbesprechung ausgehenden psychischen Einwirkungen und dem dabei erlittenen Schlaganfall.
64 
Der Senat folgt dabei den in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Prof. Dr. Sch. und des Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. in ihren Gutachten vom 24.10.2008 und 20.07.2010. Demgegenüber überzeugt das Gutachten der Dr. B. vom 14.06.2011 nicht.
65 
Zwar hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass beim Kläger keine relevanten körpereigenen Ursachen festgestellt worden sind. Denn bei den von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. beschriebenen Unregelmäßigkeiten im gesundheitlichen Zustand des Klägers in Form eines zwei Wochen zurückliegenden Harnweginfektes mit nachfolgender antibiotischer Therapie, einer leichten diabetogenen Stoffwechsellage, von arteriosklerotischen Plaques im Aortenbogen (vgl. Duplexsonographie der hirnversorgenden Arterien vom 09.06.2006) und in den hirnversorgenden Arterien sowie einer aufgrund eines trotz vorheriger intravenöser Flüssigkeitssubstitution erhöhten Hämatokrit-Wertes zumindest leichtgradigen Eindickung des Blutes mit einer damit verbundenen erhöhten Blutgerinnungsneigung handelt es sich zwar um mögliche Ursachen für die Entstehung eines Schlaganfalles. Nichts anderes gilt für die von Prof. Dr. Sch. beschriebenen Faktoren wie der früher manifeste Nikotinabusus, das leichte metabolische Syndrom mit Adipositas und die Hyperlipidämie mit erhöhtem Gesamt-Cholesterin und erniedrigtem HDL-Cholesterin.
66 
In Auswertung des Akteninhalts ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Möglichkeit zu einer Wahrscheinlichkeit verdichtet hätte. Deswegen kommt es auf die insoweit vom Kläger gestellten Beweisanträge nicht an, insbesondere ob die Arterien doch altersentsprechend waren oder wie der Harnwegsinfekt zu bewerten ist. Eine andere Ansicht vertritt auch Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. nicht. Er hat lediglich und auch zu Recht dargelegt, dass es unter Berücksichtigung der festgestellten vaskulären Risikofaktoren entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Ansicht eben nicht so ist, dass die Geschäftsbesprechung als einzige relevante Ursache für den Schlaganfall in Betracht kommt.
67 
Entgegen der Darlegungen des Sozialgerichts ist es unzulässig, allein deswegen festzustellen, dass ein Schlaganfall in einem kausalen Zusammenhang mit einer psychischen Belastungssituation steht, weil keine relevanten Vorerkrankungen im Sinne von kardiovaskulären Risikofaktoren vorliegen. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen den psychischen Einwirkungen der Geschäftsbesprechung und dem Schlaganfall genügt für die Bejahung der Kausalität gerade nicht. Es gibt, wie bereits oben dargelegt, keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. In diesem Zusammenhang hilft auch der vom Sozialgericht ins Feld geführte Beweis des ersten Anscheins nicht weiter. Nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins kann bei sogenannten typischen Geschehensabläufen von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache geschlossen werden (BSG, Urteil vom 04.02.1998 - B 9 VG 5/96 R - zitiert nach juris). Der Senat lässt es dahin stehen, ob es - wie vom Sozialgericht angenommen - allgemeiner Lebenserfahrung entspricht, dass kardiovaskulär bedingte Ischämiegeschehen, die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Stresssituation auftreten, auf diese Stresssituationen zurückzuführen sind. Denn bei dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt handelt es sich nicht um ein kardiovaskulär bedingtes Ischämiegeschehen. Der Senat entnimmt das dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W.. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass sich aufgrund des anderen Pathomechanismus eines Hirninfarkts Analogschlüsse zu kardialen Ereignissen, bei denen es sich im Regelfall nicht um Embolien, sondern um isolierte Verschlussprozesse von Koronararterien handelt, verbieten (so auch Hessisches LSG, Urteil vom 17.02.2009 - L 3 U 292/03, zitiert nach Juris, zum embolischen Hirninfarkt). Der darauf gerichtete Beweisantrag des Klägers ist vom Sachverständigen bereits beantwortet worden und daher abzulehnen.
68 
Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. hat in seinem Gutachten überzeugend herausgearbeitet, dass sich die nach den Ausführungen des Sozialgerichts „als Ursache für den Schlaganfall in Betracht“ kommenden psychischen Einwirkungen der Geschäftsbesprechung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als Ursache im Rechtssinne bestätigen lässt.
69 
Dabei ist für den Senat maßgeblich, dass das am 07.06.2006 und mithin am Tag nach dem Schlaganfall durchgeführte craniale Kontroll-Computertomogramm nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. im vorderen Mediastromgebiet links einen recht ausgedehnten, bereits gut demarkierten Territorialinfarkt gezeigt hat und sich als Ursache Hinweise auf einen Verschluss eines Hauptastes der Arteria cerebri media links ergeben haben. Beim Kläger ist es daher zu einem Hirninfarkt und zu einem recht ausgedehnten Territorialinfarkt, also zu einem akuten Verschluss eines größeren hirnversorgenden Gefäßes, gekommen. Der Sachverständige hat das den CT-Befunden vom 07.06.2006 und 09.06.2006 entnommen, die sich wiederum bei den Unterlagen der St. M. über die stationäre Behandlung von 06. bis 21.06.2006 befanden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat vollumfänglich anschließt, können derartige Hirninfarkte lediglich entweder durch Streuen eines Blutgerinnsels aus dem Herzen beziehungsweise dem Aortenbogen oder durch arteriosklerotische Veränderungen im Bereich der Hirngefäße selbst verursacht werden. Hinreichende Anhaltspunkte oder eine pathophysiologische Idee in der wissenschaftlichen Literatur, wie ein solcher Territorialinfarkt durch Stress verursacht sein könnte, gibt es dagegen nicht. Die im Beweisantrag des Klägers aufgeworfene Frage, ob der Territorialinfarkt mit einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt vergleichbar ist, hat der Sachverständige bereits in seinem Gutachten (Bl. 14 ff.) beantwortet. Soweit der Kläger eine Aufklärung darüber begehrt, ob es entsprechende Lehrbücher darüber gibt, war dieser Antrag als reiner Ausforschungsantrag abzulehnen.
70 
Demgegenüber überzeugen die Angaben der Dr. B. nicht. Sie ist nämlich für den Senat nicht nachvollziehbar davon ausgegangen, dass der Kläger „am 06.06.2006 mit der später bestätigten Diagnose embolischer Infarkt eines Seitenasts der Arteria Media links“ eingeliefert worden sei. Die Diagnose eines Infarkts des Seitenastes statt des Hauptastes der Arteria media links ergibt sich indessen weder aus den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, noch wurde sie von Dr. B. unter Heranziehung des am 07.06.2006 und mithin am Tag nach dem Schlaganfall durchgeführten cranialen Kontroll-Computertomogramms begründet.
71 
Auch kann eine stressbedingte Blutdruckerhöhung allenfalls zu Hirnblutungen, Subarachnoidalblutungen oder mikroangiopathischen Schlaganfällen, nicht aber zu einem Verschluss einer großen Hirnarterie, führen. Doch selbst unter der Annahme, dass eine Blutdruckerhöhung, die nach epidemiologischen Studien bei 80 bis 90 % aller Hirninfarkt-Betroffenen zu finden ist, zum Verschluss einer großen Hirnarterie führen könnte, ist eine Ursächlichkeit der psychischen Einwirkungen der Geschäftsbesprechung für den Schlaganfall nicht darstellbar. Denn Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. hat schlüssig dargelegt, dass es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte für eine wesentliche Blutdruckkrise gibt, da jedenfalls der den Kläger unmittelbar nach dem Schlaganfall versorgende Notarzt mit 140 mmHg einen nur einmalig nicht dauerhaft erhöhten diastolischen Blutdruck vorgefunden hat. Diese erste Blutdruckmessung fand frühestens 10 Minuten nach Eintreffen des Notarztes statt, der nach Angaben des Zeugen W. zeitgleich mit dem Produktionsleiter P. und dem Geschäftsführer L. als Ersthelfer benachrichtigt wurde (Schriftsatz vom 13.08.2007, Bl. 49 V-Akte sowie Zeugenaussage beim Sozialgericht Ulm vom 26.03.2009). Wann der Alarm bei der Notdienststelle eintraf und wann der Notarzt dem Kläger ärztliche Hilfe leiten konnte, ist dem Notarztprotokoll zu entnehmen, nämlich um 14:52 Uhr der Alarm und um 15:01 Uhr die Ankunft. Insofern bedurfte es daher der vom Kläger beantragten erneuten Zeugenvernehmung des Produktionsleiters P. nicht, zumal der Zeuge bereits erstinstanzlich auf die spezielle Nachfrage ausgesagt hat, er könne sich überhaupt nicht mehr sicher an die Zeiten erinnern (Bl. 137 SG-Akte). Im Übrigen hat auch Dr. B. bestätigt, dass der Blutdruck bei Eintreffen des Notarztes nur gering erhöht war. Da mit den psychischen Einwirkungen der Geschäftsbesprechung in Zusammenhang stehende höhere Blutdruckwerte nicht nachgewiesen sind und bei der vorzunehmenden Kausalitätsbewertung daher auch nicht unterstellt werden können, war nicht Beweis über die Frage zu erheben, ob der Blutdruckwert grenzwertig war und deswegen einen Schlaganfall hätte auslösen können, wie dies der Kläger beantragt hat.
72 
Zwar besteht nach den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. ein durchaus beträchtlicher Zusammenhang zwischen Stress und dem Auftreten von Hirninfarkten, wobei als Mediator vor allem der Bluthochdruck gesehen wird, der bei langfristigem Stress häufig erhöht ist. Zum einen handelt es sich aber nach den vorliegenden Studien hierbei nicht um kurzdauernden psychischen Stress, sondern um im Allgemeinen über Jahre anhaltende Stresssituationen, und erhöht akuter Stress die Schlaganfallinzidenz eher auf einer chronischen Basis. Es ist eben nicht bekannt, dass die kurzfristige Ausschüttung von Stresshormonen, die dann möglicherweise mit einer Erhöhung des Blutdrucks einhergeht, in wesentlicher Weise an der Ausbildung embolisch bedingter Territorialinfarkte mit Verschluss großer Hirnarterien beteiligt wäre. Zum anderen ist ein auf psychischen Stress hinweisender dauerhafter Bluthochdruck, wie oben bereits dargelegt, ohnehin nicht aktenkundig. Demgegenüber überzeugen die Ausführungen der Dr. B. nicht. Sie hat sich lediglich auf eine Studie gestützt, wonach Probanden, die einen negativen Stress angegeben haben, signifikant häufiger Apoplexe erlitten hätten als Vergleichspersonen. Sie hat dabei weder in körperlichen und psychischen noch in langandauernden und kurzfristigen Stress unterschieden. Auch genügt es für die Annahme einer naturwissenschaftlichen Kausalität nicht, dass in der Literatur die Ansicht vertreten werde, psychischer Stress sei einer der 10 wichtigsten Risikofaktoren für Schlaganfälle, und dass nach einer Studie schon eine Erhöhung des Blutdrucks um 10 bis 20 mmHg reiche, um bei Männern mittleren Alters einen stressverursachten Apoplex auszulösen. Denn damit ist der exakte Pathomechanismus eines stressverursachten Hirninfarkts in Form des Verschlusses eines größeren hirnversorgenden Gefäßes nicht erklärt, sondern lediglich die statistische beziehungsweise theoretische Möglichkeit eines stressverursachten Apoplexes, also eines Schlaganfalls, ohne die von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. getroffene Unterscheidung in Hirninfarkt, Hirnblutungen und Subarachnoidalblutungen als Formen eines Schlaganfalls dargestellt.
73 
Nach alledem lässt sich die Ursache des vom Kläger erlittenen Schlaganfalls, wie bei wenigstens 30 bis 40 % der Betroffenen von Hirninfarkten, nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit aufklären. Angesichts der oben dargestellten gesundheitlichen Unregelmäßigkeiten des Klägers vor dem Schlaganfall und den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. zur Ursächlichkeit von Hirninfarkten, insbesondere von Verschlüssen großer Hirnarterien, spricht jedenfalls nicht mehr dafür als dagegen, dass die psychischen Einwirkungen im Rahmen der Geschäftsbesprechung den Schlaganfall verursacht haben.
74 
Weitere Ermittlungen, insbesondere die Anhörung von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. und Dr. B. sowie die Zeugeneinvernahme des Produktionsleiters P. zu den vom Prozessbevollmächtigten aufgeworfenen Fragen, haben sich dem Senat nicht aufgedrängt. Der „Nachweis alternativer Risikofaktoren“ ist nicht erforderlich, so lange schon nicht mit hinreichender Wahrscheinlich eine Ursächlichkeit der psychischen Einwirkungen der Geschäftsbesprechung festgestellt werden kann. Es kommt also vorliegend überhaupt nicht darauf an, ob beim Kläger die von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. beschriebenen gesundheitlichen Unregelmäßigkeiten wie eine diabetogene Stoffwechsellage oder ein erhöhter Hämatokrit-Wert vorgelegen haben oder nicht. Aus demselben Grund kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der stattgehabte Harnwegsinfekt als Risikofaktor ausscheidet oder nicht. Auch ist nicht weiter der Frage nachzugehen, ob die psychischen Einwirkungen im Rahmen der Geschäftsbesprechung geeignet waren, einen schlaganfallauslösenden Bluthochdruck hervorzurufen. Denn die einmalige kurzfristige Erhöhung des diastolischen Blutdrucks auf 140 mmHg ist nicht die wahrscheinliche Ursache des erlittenen Hirninfarkts. Auch die weiteren vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellten Fragen sind - wie oben dargelegt - nicht entscheidungserheblich. Insbesondere handelt es sich bei den von ihm aufgeworfenen Fragen zu möglichen Ursachen eines Territorialinfarkts wie beispielsweise kurzzeitstressbedingte Stoffwechselstörungen, Hypertonie, endotheliale Dysfunktion, Entzündungsreaktion, Blutgerinnungsstörung, Katecholaminproduktionsverlängerung, Steigerung der Erregbarkeit im Hippocampus oder noradrenalinbedingte verstärkte emotionale Einprägung und Zellverlust im Hippocampus um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt im sozialgerichtlichen Verfahren vor, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt, oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will (BSG, Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B; BSG, Urteil vom 19.09.1979 - 11 RA 84/78; jeweils zitiert nach juris). So liegt der Fall hier. Der Kläger hat für seine Behauptungen keine wissenschaftliche Grundlage dargelegt. Demgegenüber hat Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. in seinem Gutachten ausgeführt, dass es nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand keinen pathophysiologischen Mechanismus gibt, der positiv erklären würde, warum die Geschäftsbesprechung in wesentlicher Weise zu der Entwicklung der Gesundheitsstörungen des Klägers beigetragen haben soll, und eine wesentlich ursächliche Beteiligung einer kurzfristigen Ausschüttung von Stresshormonen an der Ausbildung embolisch bedingter Territorialinfarkte mit Verschluss großer Hirnarterien nicht bekannt ist. Deswegen hat sich der Senat auch nicht dazu gedrängt gesehen, ein Gutachten auf dem Gebiet der „Psychoneuroimmunologie“ zu den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgeworfenen Fragen hinsichtlich stressbedingter Apoptose oder Ausschüttung von Glukokortikoiden und zur Relevanz immunologischer Risikofaktoren einzuholen. Auch die im Zusammenhang mit diesen Fragen vom Kläger beschriebenen immunologischen Prozesse hat er nicht belegt. Hierzu hat sich aber Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. klar positioniert.
75 
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
76 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
77 
Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

Gründe

 
46 
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
47 
Der Senat konnte vorliegend entscheiden, ohne die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. und Dr. B. oder den Zeugen P. erneut zu hören. Die darauf gerichteten Beweisanträge des Klägers waren abzuweisen, teils weil die Fragen bereits in den Gutachten oder Zeugenaussagen beantwortet wurden, teils weil es sich um unzulässige Ausforschungsbeweise handelt (dazu im Einzelnen unten).
48 
Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall sowie dessen Folgen sind die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
49 
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
50 
Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; jeweils zitiert nach juris) die folgenden Grundsätze entwickelt:
51 
Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Erforderlich ist für die Feststellung von Unfallfolgen, dass längerandauernde Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität).
52 
Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses, der Gesundheitserstschaden und die hierdurch verursachten längerandauernden Unfallfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.
53 
Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes.
54 
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.
55 
Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.
56 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.
57 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung des Ereignisses vom 06.06.2006 als Arbeitsunfall und auch nicht von Unfallfolgen.
58 
Zwar ist die Geschäftsbesprechung der bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Vertriebsleiter zuzurechnen, so dass ein innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang zwischen der Verrichtung zur Zeit des Schlaganfalls und der versicherten Tätigkeit gegeben ist.
59 
Diese Verrichtung hat auch zu einem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt.
60 
Das Erfordernis des von außen auf den Körper einwirkenden, zeitlich begrenzten Ereignisses dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt oder Kreislaufkollaps, wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. So genügt beispielsweise ein schlichter Sturz auf einem versicherten Weg, es sei denn, der Unfall ist infolge einer nichtbetriebsbedingten krankhaften Erscheinung eingetreten und zur Schwere der Verletzung hat keine Gefahr mitgewirkt, der der Versicherte auf dem Weg ausgesetzt war. Ist eine innere Ursache nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor. Das Merkmal der äußeren Einwirkung hat also lediglich den Zweck, äußere Vorgänge von krankhaften Vorgängen im Inneren des menschlichen Körpers abzugrenzen. Die Annahme einer äußeren Einwirkung scheidet mithin nur aus, wenn die Einwirkung auf Umständen beruht, für die eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Betroffenen oder dessen willentliches Verhalten die wesentliche Ursache war. Für die Prüfung der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls ist ferner von Bedeutung, dass für die äußere Einwirkung nicht ein äußerliches, mit den Augen zu sehendes Geschehen zu fordern ist (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - zitiert nach juris).
61 
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben ist in der vom Geschäftsführer W. und vom Produktionsleiter P. beschriebenen Geschäftsbesprechung und der hierdurch für den Kläger aufgetretenen psychischen Belastung ein Unfallereignis zu sehen. Auch der Senat ist der Ansicht, dass es sich dabei um eine psychische Ausnahme- beziehungsweise Belastungssituation gehandelt hat. Der Senat verweist insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts (siehe auch Sächsisches LSG, Urteil vom 09.02.2006 - L 2 U 69/03 - zitiert nach juris).
62 
Es lässt sich vorliegend auch mit dem erlittenen Schlaganfall ein Gesundheitserstschaden festzustellen.
63 
Es fehlt aber am haftungsbegründenden Kausalzusammenhang zwischen den mit von der Geschäftsbesprechung ausgehenden psychischen Einwirkungen und dem dabei erlittenen Schlaganfall.
64 
Der Senat folgt dabei den in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Prof. Dr. Sch. und des Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. in ihren Gutachten vom 24.10.2008 und 20.07.2010. Demgegenüber überzeugt das Gutachten der Dr. B. vom 14.06.2011 nicht.
65 
Zwar hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass beim Kläger keine relevanten körpereigenen Ursachen festgestellt worden sind. Denn bei den von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. beschriebenen Unregelmäßigkeiten im gesundheitlichen Zustand des Klägers in Form eines zwei Wochen zurückliegenden Harnweginfektes mit nachfolgender antibiotischer Therapie, einer leichten diabetogenen Stoffwechsellage, von arteriosklerotischen Plaques im Aortenbogen (vgl. Duplexsonographie der hirnversorgenden Arterien vom 09.06.2006) und in den hirnversorgenden Arterien sowie einer aufgrund eines trotz vorheriger intravenöser Flüssigkeitssubstitution erhöhten Hämatokrit-Wertes zumindest leichtgradigen Eindickung des Blutes mit einer damit verbundenen erhöhten Blutgerinnungsneigung handelt es sich zwar um mögliche Ursachen für die Entstehung eines Schlaganfalles. Nichts anderes gilt für die von Prof. Dr. Sch. beschriebenen Faktoren wie der früher manifeste Nikotinabusus, das leichte metabolische Syndrom mit Adipositas und die Hyperlipidämie mit erhöhtem Gesamt-Cholesterin und erniedrigtem HDL-Cholesterin.
66 
In Auswertung des Akteninhalts ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Möglichkeit zu einer Wahrscheinlichkeit verdichtet hätte. Deswegen kommt es auf die insoweit vom Kläger gestellten Beweisanträge nicht an, insbesondere ob die Arterien doch altersentsprechend waren oder wie der Harnwegsinfekt zu bewerten ist. Eine andere Ansicht vertritt auch Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. nicht. Er hat lediglich und auch zu Recht dargelegt, dass es unter Berücksichtigung der festgestellten vaskulären Risikofaktoren entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Ansicht eben nicht so ist, dass die Geschäftsbesprechung als einzige relevante Ursache für den Schlaganfall in Betracht kommt.
67 
Entgegen der Darlegungen des Sozialgerichts ist es unzulässig, allein deswegen festzustellen, dass ein Schlaganfall in einem kausalen Zusammenhang mit einer psychischen Belastungssituation steht, weil keine relevanten Vorerkrankungen im Sinne von kardiovaskulären Risikofaktoren vorliegen. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen den psychischen Einwirkungen der Geschäftsbesprechung und dem Schlaganfall genügt für die Bejahung der Kausalität gerade nicht. Es gibt, wie bereits oben dargelegt, keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. In diesem Zusammenhang hilft auch der vom Sozialgericht ins Feld geführte Beweis des ersten Anscheins nicht weiter. Nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins kann bei sogenannten typischen Geschehensabläufen von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache geschlossen werden (BSG, Urteil vom 04.02.1998 - B 9 VG 5/96 R - zitiert nach juris). Der Senat lässt es dahin stehen, ob es - wie vom Sozialgericht angenommen - allgemeiner Lebenserfahrung entspricht, dass kardiovaskulär bedingte Ischämiegeschehen, die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Stresssituation auftreten, auf diese Stresssituationen zurückzuführen sind. Denn bei dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt handelt es sich nicht um ein kardiovaskulär bedingtes Ischämiegeschehen. Der Senat entnimmt das dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W.. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass sich aufgrund des anderen Pathomechanismus eines Hirninfarkts Analogschlüsse zu kardialen Ereignissen, bei denen es sich im Regelfall nicht um Embolien, sondern um isolierte Verschlussprozesse von Koronararterien handelt, verbieten (so auch Hessisches LSG, Urteil vom 17.02.2009 - L 3 U 292/03, zitiert nach Juris, zum embolischen Hirninfarkt). Der darauf gerichtete Beweisantrag des Klägers ist vom Sachverständigen bereits beantwortet worden und daher abzulehnen.
68 
Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. hat in seinem Gutachten überzeugend herausgearbeitet, dass sich die nach den Ausführungen des Sozialgerichts „als Ursache für den Schlaganfall in Betracht“ kommenden psychischen Einwirkungen der Geschäftsbesprechung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als Ursache im Rechtssinne bestätigen lässt.
69 
Dabei ist für den Senat maßgeblich, dass das am 07.06.2006 und mithin am Tag nach dem Schlaganfall durchgeführte craniale Kontroll-Computertomogramm nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. im vorderen Mediastromgebiet links einen recht ausgedehnten, bereits gut demarkierten Territorialinfarkt gezeigt hat und sich als Ursache Hinweise auf einen Verschluss eines Hauptastes der Arteria cerebri media links ergeben haben. Beim Kläger ist es daher zu einem Hirninfarkt und zu einem recht ausgedehnten Territorialinfarkt, also zu einem akuten Verschluss eines größeren hirnversorgenden Gefäßes, gekommen. Der Sachverständige hat das den CT-Befunden vom 07.06.2006 und 09.06.2006 entnommen, die sich wiederum bei den Unterlagen der St. M. über die stationäre Behandlung von 06. bis 21.06.2006 befanden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat vollumfänglich anschließt, können derartige Hirninfarkte lediglich entweder durch Streuen eines Blutgerinnsels aus dem Herzen beziehungsweise dem Aortenbogen oder durch arteriosklerotische Veränderungen im Bereich der Hirngefäße selbst verursacht werden. Hinreichende Anhaltspunkte oder eine pathophysiologische Idee in der wissenschaftlichen Literatur, wie ein solcher Territorialinfarkt durch Stress verursacht sein könnte, gibt es dagegen nicht. Die im Beweisantrag des Klägers aufgeworfene Frage, ob der Territorialinfarkt mit einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt vergleichbar ist, hat der Sachverständige bereits in seinem Gutachten (Bl. 14 ff.) beantwortet. Soweit der Kläger eine Aufklärung darüber begehrt, ob es entsprechende Lehrbücher darüber gibt, war dieser Antrag als reiner Ausforschungsantrag abzulehnen.
70 
Demgegenüber überzeugen die Angaben der Dr. B. nicht. Sie ist nämlich für den Senat nicht nachvollziehbar davon ausgegangen, dass der Kläger „am 06.06.2006 mit der später bestätigten Diagnose embolischer Infarkt eines Seitenasts der Arteria Media links“ eingeliefert worden sei. Die Diagnose eines Infarkts des Seitenastes statt des Hauptastes der Arteria media links ergibt sich indessen weder aus den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, noch wurde sie von Dr. B. unter Heranziehung des am 07.06.2006 und mithin am Tag nach dem Schlaganfall durchgeführten cranialen Kontroll-Computertomogramms begründet.
71 
Auch kann eine stressbedingte Blutdruckerhöhung allenfalls zu Hirnblutungen, Subarachnoidalblutungen oder mikroangiopathischen Schlaganfällen, nicht aber zu einem Verschluss einer großen Hirnarterie, führen. Doch selbst unter der Annahme, dass eine Blutdruckerhöhung, die nach epidemiologischen Studien bei 80 bis 90 % aller Hirninfarkt-Betroffenen zu finden ist, zum Verschluss einer großen Hirnarterie führen könnte, ist eine Ursächlichkeit der psychischen Einwirkungen der Geschäftsbesprechung für den Schlaganfall nicht darstellbar. Denn Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. hat schlüssig dargelegt, dass es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte für eine wesentliche Blutdruckkrise gibt, da jedenfalls der den Kläger unmittelbar nach dem Schlaganfall versorgende Notarzt mit 140 mmHg einen nur einmalig nicht dauerhaft erhöhten diastolischen Blutdruck vorgefunden hat. Diese erste Blutdruckmessung fand frühestens 10 Minuten nach Eintreffen des Notarztes statt, der nach Angaben des Zeugen W. zeitgleich mit dem Produktionsleiter P. und dem Geschäftsführer L. als Ersthelfer benachrichtigt wurde (Schriftsatz vom 13.08.2007, Bl. 49 V-Akte sowie Zeugenaussage beim Sozialgericht Ulm vom 26.03.2009). Wann der Alarm bei der Notdienststelle eintraf und wann der Notarzt dem Kläger ärztliche Hilfe leiten konnte, ist dem Notarztprotokoll zu entnehmen, nämlich um 14:52 Uhr der Alarm und um 15:01 Uhr die Ankunft. Insofern bedurfte es daher der vom Kläger beantragten erneuten Zeugenvernehmung des Produktionsleiters P. nicht, zumal der Zeuge bereits erstinstanzlich auf die spezielle Nachfrage ausgesagt hat, er könne sich überhaupt nicht mehr sicher an die Zeiten erinnern (Bl. 137 SG-Akte). Im Übrigen hat auch Dr. B. bestätigt, dass der Blutdruck bei Eintreffen des Notarztes nur gering erhöht war. Da mit den psychischen Einwirkungen der Geschäftsbesprechung in Zusammenhang stehende höhere Blutdruckwerte nicht nachgewiesen sind und bei der vorzunehmenden Kausalitätsbewertung daher auch nicht unterstellt werden können, war nicht Beweis über die Frage zu erheben, ob der Blutdruckwert grenzwertig war und deswegen einen Schlaganfall hätte auslösen können, wie dies der Kläger beantragt hat.
72 
Zwar besteht nach den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. ein durchaus beträchtlicher Zusammenhang zwischen Stress und dem Auftreten von Hirninfarkten, wobei als Mediator vor allem der Bluthochdruck gesehen wird, der bei langfristigem Stress häufig erhöht ist. Zum einen handelt es sich aber nach den vorliegenden Studien hierbei nicht um kurzdauernden psychischen Stress, sondern um im Allgemeinen über Jahre anhaltende Stresssituationen, und erhöht akuter Stress die Schlaganfallinzidenz eher auf einer chronischen Basis. Es ist eben nicht bekannt, dass die kurzfristige Ausschüttung von Stresshormonen, die dann möglicherweise mit einer Erhöhung des Blutdrucks einhergeht, in wesentlicher Weise an der Ausbildung embolisch bedingter Territorialinfarkte mit Verschluss großer Hirnarterien beteiligt wäre. Zum anderen ist ein auf psychischen Stress hinweisender dauerhafter Bluthochdruck, wie oben bereits dargelegt, ohnehin nicht aktenkundig. Demgegenüber überzeugen die Ausführungen der Dr. B. nicht. Sie hat sich lediglich auf eine Studie gestützt, wonach Probanden, die einen negativen Stress angegeben haben, signifikant häufiger Apoplexe erlitten hätten als Vergleichspersonen. Sie hat dabei weder in körperlichen und psychischen noch in langandauernden und kurzfristigen Stress unterschieden. Auch genügt es für die Annahme einer naturwissenschaftlichen Kausalität nicht, dass in der Literatur die Ansicht vertreten werde, psychischer Stress sei einer der 10 wichtigsten Risikofaktoren für Schlaganfälle, und dass nach einer Studie schon eine Erhöhung des Blutdrucks um 10 bis 20 mmHg reiche, um bei Männern mittleren Alters einen stressverursachten Apoplex auszulösen. Denn damit ist der exakte Pathomechanismus eines stressverursachten Hirninfarkts in Form des Verschlusses eines größeren hirnversorgenden Gefäßes nicht erklärt, sondern lediglich die statistische beziehungsweise theoretische Möglichkeit eines stressverursachten Apoplexes, also eines Schlaganfalls, ohne die von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. getroffene Unterscheidung in Hirninfarkt, Hirnblutungen und Subarachnoidalblutungen als Formen eines Schlaganfalls dargestellt.
73 
Nach alledem lässt sich die Ursache des vom Kläger erlittenen Schlaganfalls, wie bei wenigstens 30 bis 40 % der Betroffenen von Hirninfarkten, nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit aufklären. Angesichts der oben dargestellten gesundheitlichen Unregelmäßigkeiten des Klägers vor dem Schlaganfall und den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. zur Ursächlichkeit von Hirninfarkten, insbesondere von Verschlüssen großer Hirnarterien, spricht jedenfalls nicht mehr dafür als dagegen, dass die psychischen Einwirkungen im Rahmen der Geschäftsbesprechung den Schlaganfall verursacht haben.
74 
Weitere Ermittlungen, insbesondere die Anhörung von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. und Dr. B. sowie die Zeugeneinvernahme des Produktionsleiters P. zu den vom Prozessbevollmächtigten aufgeworfenen Fragen, haben sich dem Senat nicht aufgedrängt. Der „Nachweis alternativer Risikofaktoren“ ist nicht erforderlich, so lange schon nicht mit hinreichender Wahrscheinlich eine Ursächlichkeit der psychischen Einwirkungen der Geschäftsbesprechung festgestellt werden kann. Es kommt also vorliegend überhaupt nicht darauf an, ob beim Kläger die von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. beschriebenen gesundheitlichen Unregelmäßigkeiten wie eine diabetogene Stoffwechsellage oder ein erhöhter Hämatokrit-Wert vorgelegen haben oder nicht. Aus demselben Grund kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der stattgehabte Harnwegsinfekt als Risikofaktor ausscheidet oder nicht. Auch ist nicht weiter der Frage nachzugehen, ob die psychischen Einwirkungen im Rahmen der Geschäftsbesprechung geeignet waren, einen schlaganfallauslösenden Bluthochdruck hervorzurufen. Denn die einmalige kurzfristige Erhöhung des diastolischen Blutdrucks auf 140 mmHg ist nicht die wahrscheinliche Ursache des erlittenen Hirninfarkts. Auch die weiteren vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellten Fragen sind - wie oben dargelegt - nicht entscheidungserheblich. Insbesondere handelt es sich bei den von ihm aufgeworfenen Fragen zu möglichen Ursachen eines Territorialinfarkts wie beispielsweise kurzzeitstressbedingte Stoffwechselstörungen, Hypertonie, endotheliale Dysfunktion, Entzündungsreaktion, Blutgerinnungsstörung, Katecholaminproduktionsverlängerung, Steigerung der Erregbarkeit im Hippocampus oder noradrenalinbedingte verstärkte emotionale Einprägung und Zellverlust im Hippocampus um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt im sozialgerichtlichen Verfahren vor, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt, oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will (BSG, Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B; BSG, Urteil vom 19.09.1979 - 11 RA 84/78; jeweils zitiert nach juris). So liegt der Fall hier. Der Kläger hat für seine Behauptungen keine wissenschaftliche Grundlage dargelegt. Demgegenüber hat Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. in seinem Gutachten ausgeführt, dass es nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand keinen pathophysiologischen Mechanismus gibt, der positiv erklären würde, warum die Geschäftsbesprechung in wesentlicher Weise zu der Entwicklung der Gesundheitsstörungen des Klägers beigetragen haben soll, und eine wesentlich ursächliche Beteiligung einer kurzfristigen Ausschüttung von Stresshormonen an der Ausbildung embolisch bedingter Territorialinfarkte mit Verschluss großer Hirnarterien nicht bekannt ist. Deswegen hat sich der Senat auch nicht dazu gedrängt gesehen, ein Gutachten auf dem Gebiet der „Psychoneuroimmunologie“ zu den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgeworfenen Fragen hinsichtlich stressbedingter Apoptose oder Ausschüttung von Glukokortikoiden und zur Relevanz immunologischer Risikofaktoren einzuholen. Auch die im Zusammenhang mit diesen Fragen vom Kläger beschriebenen immunologischen Prozesse hat er nicht belegt. Hierzu hat sich aber Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. klar positioniert.
75 
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
76 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
77 
Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. August 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der im Jahre 1955 geborene Kläger ist seit Oktober 1974 bei der S-Bahn B. als Führer von Schienenfahrzeugen beschäftigt. Am 18.6.2007 führte der Kläger als Triebfahrzeugführer einen S-Bahn-Zug und erlitt ausweislich der Unfallanzeige des Arbeitgebers einen Beinaheunfall an einem Bahnübergang. Wegen einer Störung einer Schrankenanlage wurde der Kläger im Vorfeld des Dienstantritts schriftlich beauftragt, mit seinem Zug vor einem bestimmten Bahnübergang zu halten. An diese Anweisung hielt sich der Kläger. Nachdem er festgestellt habe, dass sich keine Fahrzeuge den Gleisen rechts näherten bzw diese vor dem Bahnkreuz (linke Seite) angehalten hätten, habe er das "Achtungssignal" gegeben und den Zug in Bewegung gesetzt. Als der sich in Fahrt befindliche S-Bahn-Zug bereits den Straßenbereich des Bahnübergangs erreicht gehabt habe, fuhr ein Kraftfahrzeug von rechts kommend unmittelbar vor dem Zug über die Gleise. Nur durch eine sofortige Schnellbremsung habe ein Zusammenprall verhindert werden können. Der Kläger war daraufhin nicht mehr in der Lage, seinen Dienst ordnungsgemäß zu beenden und musste abgelöst werden. Der Durchgangsarzt diagnostizierte am 18.6.2007 bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsreaktion. Arbeitsunfähigkeit lag vom 18.6.2007 bis 30.6.2007 vor.

3

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.1.2008 einen Anspruch des Klägers auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen des Ereignisses vom 18.6.2007 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung als Ursache einer Verletzung nicht stattgefunden habe. Der Kläger habe sich zu keinem Zeitpunkt in einer lebensbedrohlichen Situation befunden, vielmehr fehle es am äußeren Ereignis. Es handele sich um eine berufstypische Belastung.

4

Das SG Berlin hat durch Gerichtsbescheid vom 16.1.2009 die Klage abgewiesen, das LSG durch Urteil vom 26.8.2010 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die unstreitig vorliegende Gefahrenbremsung des Klägers habe nicht den Begriff des Unfalls iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt, denn es fehle die zeitlich begrenzte Einwirkung von außen - das eigentliche Unfallereignis. Reduziere man das streitgegenständliche Ereignis auf seinen Kern, dann habe der Kläger eine Zugbremsung ausgelöst. Wolle man den Tatbestand des Unfalls in § 8 Abs 1 SGB VII nicht völlig aushöhlen und durch das Tatbestandsmerkmal "jeder (auch noch so übliche und alltägliche) Geschehensablauf" ersetzen, so müsse an dem Erfordernis eines von der versicherten Tätigkeit selbst abzugrenzenden Ereignisses festgehalten werden. Die gesetzliche Unfallversicherung schütze nicht alltägliche Tätigkeiten und Geschehensabläufe, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit üblich und selbstverständlich seien, sondern nur die sich davon abhebenden Ereignisse. Dass der Kläger gesehen habe, wie ein Pkw knapp vor dem Zug die Gleise überquerte, genüge nicht, weil dieses einen ganz normalen Vorgang des täglichen (Berufs-)Lebens darstelle.

5

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision. Er rügt die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Zur Begründung trägt er vor, das LSG verenge den Begriff des Arbeitsunfalls in unzulässiger Weise. § 8 SGB VII gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass lediglich solche Ereignisse, die über die alltäglichen beruflichen Anforderungen hinausgingen, Arbeitsunfälle darstellen könnten. § 8 SGB VII nehme insbesondere keine Einschränkungen auf nicht berufstypische Einwirkungen vor, sondern der Unfallbegriff werde unabhängig von den jeweiligen Pflichten, die die ausgeübte und versicherte Berufstätigkeit mit sich bringe, definiert. Bei einer Gefahrenbremsung zur Vermeidung einer Kollision mit einem PKW handele es sich gerade nicht um einen "alltäglichen" Vorgang für einen Triebfahrzeugführer. Im vorliegenden Fall habe eine tatsächliche Einwirkung durch den sich verkehrswidrig verhaltenden Kraftfahrzeug-Fahrer vorgelegen, der ohne seiner Wartepflicht nachzukommen, die Schienen unmittelbar vor dem Zug überquert habe. Schließlich habe das LSG Feststellungen zu den gesundheitlichen Unfallfolgen unterlassen.

6

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.8.2010, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16.1.2009 sowie die ablehnende Entscheidung im Bescheid der Beklagten vom 20.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.1.2008 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 18.6.2007 ein Arbeitsunfall ist.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Zur Begründung führt sie aus, mit dem Begriff des Unfalls könne nicht ein Beinaheunfall gemeint sein. Wenn der Unfallbegriff soweit gehen würde, dass bereits ein in der Fantasie vorgestelltes Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt werden müsste, dann wäre die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung unbegrenzt, denn dann müsste jede beliebige, nicht nachprüfbare, allein vom Versicherten behauptete Vorstellung entschädigt werden. Die Unfreiwilligkeit der Einwirkung sei dem Unfallbegriff immanent.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Entgegen der Rechtsansicht des LSG stellte die vom Kläger am 18.6.2007 vorgenommene Gefahrenbremsung seines S-Bahn-Zuges einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dar. Es fehlt jedoch an Feststellungen dazu, ob bei dem Kläger überhaupt ein Gesundheitsschaden vorlag und ob das Unfallereignis einen solchen ggf vorliegenden Gesundheitsschaden verursachen konnte und verursacht hat. Entsprechende Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben.

10

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG war zulässig, ebenso die von ihm erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage. Diese Klagen sind gemäß § 54 Abs 1 iVm § 55 Abs 1 Nr 1 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft. Der Kläger hat zwar vor dem LSG noch beantragt, die Beklagte zu der Feststellung eines Arbeitsunfalls zu verpflichten. Der Wechsel von der Verpflichtungs- zur Feststellungsklage ist jedoch auch im Revisionsverfahren noch zulässig (vgl iÜ BSG Urteil vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - RdNr 14 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

11

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist für einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs 1 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist(innerer bzw sachlicher Zusammenhang, vgl BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 10; BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92, S 257), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.

12

Die vom Kläger zur Zeit des Unfalls ausgeübte Verrichtung - das Führen eines Schienenfahrzeugs - war Teil seiner versicherten Tätigkeit als Triebwagenführer. Diese Verrichtung - das Führen des Triebwagens - führte auch zu dem Unfallereignis. Der Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII bestand hier darin, dass der Kläger wegen eines auf die Schienen fahrenden PKW's eine Gefahrenbremsung seines Triebwagens vornahm. Das LSG hat für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, dass der Kläger vor einem Bahnübergang zunächst sein Triebfahrzeug angehalten hat. Nachdem er seinen S-Bahn-Zug wieder in Bewegung gesetzt hat, nahm der Kläger einen PKW wahr, der von rechts kommend unmittelbar vor dem Zug über die Gleise fuhr. Der Kläger konnte nur durch eine sofortige Schnellbremsung einen Zusammenprall verhindern. Anders als in dem Rechtsstreit B 2 U 10/11 R des Klägers lagen bei dem nach den insofern nicht mit Rügen angegriffenen Feststellungen des LSG damit am 18.6.2007 alle Merkmale eines Unfallereignisses vor.

13

Nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

14

Es liegt hier zunächst eine Einwirkung iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII vor, die von außen auf den Körper des Klägers einwirkte. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für die äußere Einwirkung noch nicht einmal ein äußerliches, mit den Augen zu sehendes Geschehen zu fordern (vgl BSG Urteil vom 12.4.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, RdNr 9 f - Anheben eines festgefrorenen Grabsteins). Die äußere Einwirkung liegt im vorliegenden Fall aber bereits darin, dass ein PKW an einem ungesicherten Bahnübergang so nahe vor dem Zug über die Schienen fuhr, dass eine konkrete Gefahr ua für den Kläger bestand.

15

Entgegen dem Urteil des LSG ist für den Unfallbegriff nicht konstitutiv, dass ein besonderes, ungewöhnliches Geschehen vorliegt (vgl BSG aaO RdNr 7; vgl insbesondere auch BSG Urteil vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31). Das von außen auf den Körper einwirkende Ereignis liegt nicht nur bei einem besonders ungewöhnlichen Geschehen, sondern auch bei einem alltäglichen Vorgang vor, wie es das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden darstellt, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (vgl BSG Urteil vom 30.1.2007 - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22, RdNr 16; BSG Urteil vom 12.4.2005 - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15; BSG Urteil vom 18.4.2000 - B 2 U 7/99 R - RdNr 25 mwN). Die Revision rügt insofern zutreffend, dass das LSG offenbar eine Eingrenzung des Unfallbegriffs auf außergewöhnliche, nicht alltägliche Ereignisse vorgenommen hat, die der Systematik des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII nicht entspricht. Von daher kann hier auch dahinstehen, dass die vom Kläger vorgenommene Gefahrenbremsung schon keinen alltäglichen, üblichen Vorgang darstellen dürfte, vielmehr gerade aus dem Bereich der Routinehandlungen herausfällt.

16

Ebenfalls überzeugt nicht die Einschränkung des LSG, dass Verrichtungen, die im Rahmen einer versicherten Tätigkeit "üblich und selbstverständlich" sind, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stünden. Hierdurch wird der Versicherungsschutz in einer den Systemzweck der Unfallversicherung verkürzenden Weise verengt. Geschützt sind nach dem Zweck des SGB VII alle Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen (vgl § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Eine Differenzierung in nicht versicherte "übliche" und versicherte "unübliche" Tätigkeiten ist dem Wortlaut und Regelungszweck des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht zu entnehmen.

17

Nicht erheblich ist schließlich auch, dass der Kläger auf die von außen über die Sinneswahrnehmung auf ihn einwirkende Gefahr durch den PKW selbst durch gewillkürtes Handeln (das Ziehen des Bremshebels) reagiert hat. Zwar ist die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht (BSGE 61, 113, 115 = SozR 2200 § 1252 Nr 6 S 20). Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle eines gewollten Handelns auf Grund einer ungewollten Einwirkung. Bei dieser liegt eine äußere Einwirkung vor. Dies ist für äußerlich sichtbare Einwirkungen unbestritten, zB für den Sägewerker, der nicht nur ein Stück Holz absägt, sondern auch unbeabsichtigt seinen Daumen. Gleiches gilt für äußere Einwirkungen, deren Folgen äußerlich nicht sichtbar sind (vgl BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, RdNr 7). Im vorliegenden Fall ist auf Grund der Feststellungen des LSG davon auszugehen, dass ein PKW vor dem Schienenfahrzeug des Klägers auf die Gleise fuhr, das sich bereits unmittelbar im Bereich des Übergangs befand. Der eigentliche, gewillkürte Bremsakt ist mithin durch diese äußere Einwirkung (den PKW auf den Gleisen) ausgelöst worden. Durch den Bremsakt wirkten wiederum Trägheits- oder Scheinkräfte auf den Körper des Klägers, sodass es sich eben gerade nicht um einen rein mentalen oder nur "eingebildeten" Vorgang handelte. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn das LSG positiv festgestellt hätte, dass ein PKW objektiv nicht auf den Schienen gewesen sei und sich der Kläger die gesamte Gefahrensituation nur vorgestellt hätte. Dann wäre der Unfall möglicherweise auf eine innere Ursache - die Überängstlichkeit des Klägers - zurückzuführen. Von einem solchen Sachverhalt kann mangels eindeutiger, entgegenstehender Feststellungen des LSG - anders als in dem Rechtsstreit des Klägers B 2 U 10/11 R - jedoch nicht ausgegangen werden.

18

Mithin stellte die Gefahrenbremsung des Klägers auf Grund des PKW's, der auf die Schienen fuhr, ein Unfallereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dar. Der Senat kann wegen fehlender weiterer tatsächlichen Feststellungen des LSG jedoch nicht darüber entscheiden, ob dieses Unfallereignis bei dem Versicherten zu einem Gesundheitserstschaden geführt hat. Nach den Feststellungen des LSG steht schon nicht fest, ob und welche Gesundheitsschäden im Einzelnen bei dem Kläger vorlagen. Ebenso wenig kann beurteilt werden, ob diese ggf vorliegenden Gesundheitsschäden überhaupt kausal im Sinne der Wesentlichkeitstheorie auf das Unfallereignis zurückzuführen sind.

19

Das LSG wird nach der Zurückverweisung der Sache entsprechende Feststellungen zu treffen und auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger die Feststellung eines Arbeitsunfalls wegen des Ereignisses vom 7.4.2003 beanspruchen kann.

2

Der 1953 geborene Kläger war bei der Firma H. als Kraftfahrer beschäftigt. Am 7.4.2003 hatte er den Auftrag, Waren von M. aus zur Firma C. in B. zu transportieren. Er fuhr gegen 1.00 Uhr in M. ab, kam gegen 2.30 Uhr in der Umgebung von B. an. Nachdem sich C morgens bei H nach dem Verbleib der Ware erkundigt hatte, kam der Kläger gegen 9.30 Uhr bei C in B. an. Nach dem Abladevorgang bewegte er sich mit einem Hämatom am Kopf langsam taumelnd. Beim Eintreffen des Rettungssanitäters zeigte er sich desorientiert und bewusstseinsgetrübt. Ferner zeigte er einen schwankenden Gang und konnte keine adäquaten Angaben zum vorangegangenen Geschehen machen. Bei der notärztlichen und der anschließenden stationären Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. vom 7. bis 29.4.2003 bestand hinsichtlich des Geschehenen eine vollständige Amnesie. Diagnostiziert wurden ein schweres Schädel-Hirn-Trauma unklarer Genese, eine Kalottenfraktur okzipital, multiple Einblutungen fronto-basal rechts, ein passagerer Verwirrtheitszustand, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine retrograde Amnesie und eine chronische Bronchitis bei Nikotinabusus.

3

Die Beklagte gewährte dem Kläger Heilbehandlung und ab 20.5.2003 Verletztengeld. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten führte am 4.6.2003 Telefongespräche mit dem Inhaber der H sowie einem Mitarbeiter E des Betriebs, bei dem der Kläger die Waren entladen sollte. Nach weiteren Ermittlungen verfügte die Beklagte unter dem 6.8.2004 die Einstellung der Zahlung des Verletztengeldes mit Ablauf des 27.9.2004. Mit dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit sei nach Ablauf der 78. Woche nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr zu rechnen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien derzeit nicht zu erbringen.

4

Der Kläger beantragte am 31.8.2004 Verletztenrente. Die Beklagte zahlte ihm im Oktober 2004 auf die "voraussichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" einen Vorschuss in Höhe von 300 €. Dieser stehe unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung, falls sich herausstelle, dass keine oder eine geringere Leistungspflicht bestehe. Auf das klägerische Schreiben vom 16.3.2005 zahlte die Beklagte unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung auf die "voraussichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" einen weiteren Vorschuss von 1700 €.

5

Mit Bescheid vom 24.6.2005 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 7.4.2003 ab. Es lasse sich nicht feststellen, dass sich der Kläger seine Kopfverletzung bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen habe. Ein zu entschädigender Arbeitsunfall sei nicht erwiesen. Die Vorschüsse auf Leistungen in Höhe von 2000 € seien zu erstatten. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1.2.2006 zurückwies.

6

Der Kläger hat beim SG Heilbronn Klage erhoben. Er habe seinen Arbeitstag am 7.4.2003 wie immer begonnen, wenn er mit seinem Lkw in Richtung B. gefahren sei. Bei diesen Fahrten sei er gegen 1.00 Uhr zum Betrieb in M. gefahren, habe Lkw und Ladung kontrolliert und habe sich dann auf den Weg in Richtung B. gemacht. Wie üblich habe er die Absicht gehabt, einen vor R. gelegenen Parkplatz anzufahren, auf dem er üblicherweise bei dieser Tour stehe. Von dort zur Abladestation in B. betrage die Fahrtzeit ca 20 Minuten.

7

Mit Urteil vom 3.3.2009 hat das SG "den Bescheid der Beklagten vom 24.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2006" aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 7.4.2003 als Arbeitsunfall festzustellen. Als der Kläger die versicherte Tätigkeit aufgenommen habe, sei er noch gesund gewesen. Bei der Ankunft an der Entladestelle habe er sich Verletzungen zugezogen gehabt, die aus einem Unfall resultieren müssten. Es lasse sich nicht nachweisen, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit zwischen 1.00 Uhr und 9.30 Uhr für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe.

8

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte beim LSG Berufung eingelegt. Das Urteil überzeuge nicht, da nicht nachgewiesen sei, dass der Kläger zur Zeit der Gesundheitsschädigung eine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Das LSG hat mit Urteil vom 9.12.2010 (L 6 U 2656/09) das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Dass sich der Nachweis der Ausübung einer versicherten Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls nicht führen lasse, gehe nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Verunglücke ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet habe, entfalle der Versicherungsschutz zwar nur, wenn bewiesen werde, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe (unter Hinweis auf BSG vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9; BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 28/06 R - veröffentlicht in Juris). Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben, denn es lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet habe, verunglückt sei. Der Kläger habe am Unfalltag nicht ausschließlich betriebliche, sondern auch eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. So habe er von vornherein beabsichtigt, auf einem Parkplatz eine 4 bis 4,5 Stunden dauernde Pause einzulegen, die er nach den Ermittlungen auch eingelegt habe. Die Einlegung einer nicht versicherten Pause führe "zu einer Beweislastumkehr" dergestalt, dass nicht die Beklagte die Beweislast dafür trage, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe, sondern der Kläger die Beweislast dafür trage, dass er nicht während einer eigenwirtschaftlichen Unterbrechung verunfallt sei.

9

Gegen das Urteil des LSG hat der Kläger Revision eingelegt. Es verletze §§ 7, 8 SGB VII, indem es zu Unrecht davon ausgehe, dass der vorliegende Fall von den Konstellationen abweiche, die den Entscheidungen des BSG vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R) und vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R) zu Grunde lagen. Bei der von ihm eingelegten Pause handle es sich nicht um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Vielmehr sei er zur Einhaltung von Ruhezeiten normativ verpflichtet. Er sei darin frei, sich die Ruhezeiten nach eigener Planung einzuteilen. Die Ungewissheit darüber, unter welchen Umständen er sich die Verletzungen zugezogen habe, gehe zu Lasten der Beklagten.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. März 2009 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Der Vollbeweis dafür, dass der Kläger einen Unfall in Ausübung der versicherten Tätigkeit erlitten habe, sei nicht erbracht worden.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Ereignisses vom 7.4.2003 als Arbeitsunfall begehrt, ist unbegründet.

14

Das LSG hat das Urteil des SG im Ergebnis zu Recht aufgehoben und die Klagen abgewiesen (1.). Vorliegend können nicht die "Beweiserleichterungen" gelten, die der Senat angenommen hat, wenn ein Versicherter am Arbeitsplatz und in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer versicherten Verrichtung einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleidet (2.). Es findet keine "Beweislastumkehr" zu Lasten des Klägers statt (3.). Ein Arbeitsunfall ist auch nicht nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins festzustellen (4.).

15

1. Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles, hier eines Arbeitsunfalles, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f). Einen Arbeitsunfall hat der Kläger aber nach den für das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht erlitten.

16

Nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 S 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr 17 RdNr 10; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

17

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). Das BSG ist an die Feststellung nicht nur dieser Tatsachen, sondern auch an die eines naturphilosophischen Kausalzusammenhangs durch das LSG grundsätzlich gebunden, falls - wie hier - keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen gegen die dabei zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen erhoben werden und materiellrechtlich nicht ersichtlich ist, dass das LSG die rechtlichen Vorgaben für diesen ersten Schritt der Kausalitätsbeurteilung verkannt hat. Zu einer eigenständigen beweiswürdigenden Tatsachenfeststellung ist das BSG nur in seltenen, hier nicht einschlägigen Ausnahmesituationen befugt. Demgegenüber ist die Entscheidung über die Wesentlichkeit eines naturphilosophischen Kausalzusammenhangs im Einzelfall eine reine Rechts- und Rechtsanwendungsfrage.

18

Eine "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", die unter einen gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, ist nicht erwiesen. Nach den vom LSG bindend festgestellten Tatsachen ist weder nachgewiesen noch nachweisbar, dass der Kläger die Gesundheitsschäden bei der Ausübung einer Tätigkeit erlitten hat, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand. Danach steht schon nicht fest, ob der Gesundheitsschaden am 7.4.2003 oder vorher entstanden ist. Weiter ist nicht nachgewiesen, ob, wenn die Gesundheitsschädigung am 7.4.2003 zwischen 1.00 Uhr und 9.30 Uhr entstand, diese während der Zeiten der Verrichtung von Kraftfahreraufgaben oder während einer mehrstündigen Erholungspause eintrat. Als abhängig beschäftigter Kraftfahrer hätte er zur Zeit der Schädigung eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit nur verrichtet, wenn er Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt hätte oder eine nicht geschuldete Handlung mit der objektivierten Handlungstendenz vorgenommen hätte, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Es steht aber nur fest, dass er am Unfalltag um 1.00 Uhr die Ausübung der versicherten Tätigkeit als Kraftfahrer aufgenommen hat und dass bei ihm gegen 9.30 Uhr erhebliche Gesundheitsschäden vorgelegen haben. Allerdings war nicht feststellbar, welche versicherten und nicht versicherten Verrichtungen der Kläger in der Zwischenzeit ausgeführt hat.

19

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalls iS des § 8 Abs 1 SGB VII sind deshalb nicht erfüllt.

20

2. Das LSG hat bei seiner Entscheidung nicht verkannt, dass bei der Beweiswürdigung der rechtliche Beweismaßstab des Vollbeweises bei der Prüfung der versicherten Tätigkeit eines Beschäftigten auch dann erfüllt sein kann, wenn ein Versicherter an dem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt versicherte Tätigkeiten verrichtet hatte, aus ungeklärten Umständen einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleidet, falls keine konkret festgestellten Tatsachen Zweifel daran begründen, dass er auch noch zur Unfallzeit versichert gearbeitet hat (teilweise als "Beweiserleichterung" bezeichnet).

21

Der Senat hat in der Entscheidung vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R - Juris RdNr 22) folgende Maßstäbe aufgestellt: "Die Ungewissheit darüber, aus welchen Beweggründen V (Anm: der Versicherte) … 10 bis 20 Minuten auf der Plattform verblieben ist und was er dort getan hat, geht zu Lasten der Beklagten. Denn sie trägt bei der gegebenen Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der versicherten Baustelleneinrichtung vorübergehend einer anderen, privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hatte."

22

Ähnlich führte er schon im Urteil vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9)aus: "Verunglückt ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, wo er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hatte, so entfällt der Versicherungsschutz nur dann, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung unterbrochen hatte." Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem ein Versicherter mit einem Arbeitskollegen auf einem Dach Arbeiten verrichtete und nach einer 15 bis 30 Minuten dauernden Abwesenheit des Kollegen von dem Dach abgestürzt war.

23

Die Umstände des vorliegenden Falls unterscheiden sich - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - von den Konstellationen, die den Entscheidungen des BSG vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R) und vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9) zu Grunde lagen. Beiden Entscheidungen lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem jeweils die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit nachgewiesen war und die Versicherten aus nicht zu klärenden Umständen in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz zu einem bekannten Zeitpunkt Unfälle erlitten hatten. "Beweiserleichterungen" nach den og Urteilen kommen daher nur in Betracht, wenn der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet hat, nicht verlassen und er dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat (so auch Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2011, K § 8 RdNr 340; derselbe in jurisPR-SozR 12/2005 Anm 5).

24

Daran fehlt es hier. Es ist völlig offen, wann genau, wo und bei welcher Gelegenheit der Kläger sich seine Verletzungen zugezogen hat. Vergleichbar liegt der Fall des Klägers mit denjenigen, die den oben genannten Urteilen zu Grunde lagen, nur insoweit, als auch der Kläger unter ungeklärten Umständen erhebliche Gesundheitsschäden erlitten hat. Vorliegend erstreckt sich aber der Zeitraum zwischen der Aufnahme der versicherten Tätigkeit (1.00 Uhr), einer Pause von 2.30 Uhr bis 9.00 Uhr bis zur Wahrnehmung bestehender Gesundheitsschäden (gegen 9.30 Uhr) auf mehr als acht Stunden. Für diese Zeitspanne ist unklar, wann die Schädigung stattgefunden hat und welchen konkreten versicherten und nichtversicherten Verrichtungen der Kläger nachgegangen ist. Der Zeitraum, in dem die Einwirkung möglicherweise erfolgte, übersteigt sogar die zeitliche Dauer einer Arbeitsschicht, die als Grenze gilt, bis zu der das Merkmal "zeitlich begrenzt" in § 8 Abs 1 S 2 SGB VII noch erfüllt werden kann(stRspr BSG vom 30.5.1985 - 2 RU 17/84 - SozR 2200 § 548 Nr 71; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2011, K § 8 RdNr 12 f).

25

Auch in örtlicher Hinsicht ist offen, ob der Kläger die Verletzungen am Arbeitsplatz, zB in seinem Fahrzeug, oder an einem Ort erlitten hat, den er bedingt durch die versicherte Tätigkeit aufsuchen musste, oder an einem zu eigenwirtschaftlichen Verrichtungen aufgesuchten Ort, zB einem Rasthof.

26

Das LSG hat die Nichtfeststellbarkeit der Verrichtung der versicherten Beschäftigung auch unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeit geprüft, dass die vom Kläger einzuhaltenden und zwingend vorgeschriebenen Ruhezeiten Teil der versicherten Tätigkeit wären (vgl zu Ruhe- und Lenkzeiten der Kraftfahrer: Art 6 f EGV Nr 561/2006; unbeschadet der EGV gilt für Fahrer in einem Arbeitsverhältnis auch das ArbZG, insbesondere § 21a; vgl auch BAG vom 20.04.2011 - 5 AZR 200/10). Hier kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Kraftfahrer bei der Einhaltung von Ruhe-, Lenk- und Standzeiten eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Denn das LSG hat bindend festgestellt, dass vorliegend eine betriebliche Notwendigkeit - wie etwa einzuhaltende Lenkzeiten - für die gewählte Pausengestaltung nicht ersichtlich ist. Im Übrigen hat der Senat in dem mehrfach zitierten Urteil vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - aaO RdNr 8) bereits darauf verwiesen, dass ein Versicherter, der während einer Arbeitspause oder während eines Bereitschaftsdienstes einer höchst persönlichen oder eigenwirtschaftlichen Verrichtung nachgeht, ebenso wenig versichert ist, wie ein Versicherter, der während der normalen Arbeitszeit eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit einschiebt. In beiden Fällen wird die versicherte Tätigkeit unterbrochen.

27

3. Eine "Umkehr der Beweislast" zu Lasten des Klägers oder eine "Rückausnahme", wie das LSG meint, liegt nicht vor.

28

Das LSG ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die hier vorliegenden Umstände, ausgehend von den Entscheidungen des Senats eine "Beweislastumkehr" zu Lasten des Klägers bewirken. Vielmehr bleibt es bei den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (stRspr; vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 10 mwN; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN). Bei Tatsachen, die das LSG nur mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststellen darf, schaden rein theoretische Zweifel, die immer vorliegen können, ohnehin nicht (Erforderlich ist "ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit" so Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl 2011, § 286 RdNr 2 mwN). Die in den oben zitierten Entscheidungen sehr unspezifisch als "Beweiserleichterungen" (zu dem Begriff vgl Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl, Vor § 284 RdNr 25 f) bezeichneten Ausnahmesituationen zeichnen sich dadurch aus, dass weder eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit noch konkrete Hilfstatsachen dafür festgestellt sind. Folglich könnten nur aus der Unaufklärbarkeit der Umstände des Einzelfalles Zweifel an der (weiteren) Verrichtung der versicherten Tätigkeit bis zur Unfallzeit entstehen. Solche Zweifel aber, die sich nicht auf festgestellte Tatsachen stützen lassen, können auch nur rein theoretischer Natur sein.

29

4. Das LSG hätte, worauf nur beiläufig hinzuweisen ist, die Verrichtung der versicherten Beschäftigung zur Unfallzeit auch nicht wegen eines Anscheinsbeweises feststellen müssen.

30

Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung. Bei typischen Geschehensabläufen erlaubt er den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens aufgrund von Erfahrungssätzen, auch wenn im Einzelfall entsprechende Tatsachen nicht festgestellt werden können (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl, Vor § 284 RdNr 29). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann also der Geschehensablauf zu Grunde gelegt werden, als habe er sich in der typischen Weise ereignet. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann (s dazu: Keller aaO; BSG SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 S 2). Es kann offenbleiben, ob und in welchen Fällen ein Beweis des ersten Anscheins für den Überzeugungsgrad des Vollbeweises ausreichen kann.

31

Dementsprechend wird auch für einzelne Voraussetzungen des Arbeitsunfalls, wie zB die Unfallkausalität, die Möglichkeit des Anscheinsbeweises bejaht (dazu BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22, RdNr 15; vgl auch Bolay in Hk-SGG, 3. Aufl 2009, § 128 RdNr 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr 9 ff). Vorliegend kann ein Anscheinsbeweis schon mangels eines typischen Geschehensablaufs nicht den Nachweis begründen, dass ein Unfallereignis bei der "Verrichtung einer versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit" eingetreten ist. Neben einer feststellbaren Unfallzeit fehlt es auch an einem Erfahrungssatz des Inhalts, dass Beschäftigte im Transportgewerbe (außerhalb von Verkehrsunfällen) bei Ausübung ihrer Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt sind, die zu Verletzungen der vom Kläger erlittenen Art führen.

32

Nach alledem ist die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich C 6/7 seiner Halswirbelsäule (HWS) ein weiterer Gesundheitserstschaden seines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 3.7.2005 ist.

2

Der Kläger absolvierte an diesem Tag als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers aufgabengemäß eine Testfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Italien. Dabei platzte bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs. Es kam von der Fahrbahn ab, durchbrach die Leitplanke und kam in einem Wäldchen zum Stehen.

3

Bei der Erstuntersuchung des Klägers erbrachten die Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für Frakturen. Am 6.7.2005 diagnostizierte ein Facharzt für Chirurgie ua eine Halswirbelsäulen-Distorsion (Verstauchung, Zerrung). In der Kernspintomographie der HWS vom 4.8.2005 wurden erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie für den Bereich von C 6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal weiten Neuroforamina (Wurzelkanälen) beschrieben. Eine weitere Kernspintomographie der HWS vom 30.8.2005 ergab zwischen den Halswirbelkörpern C 6/7 einen links gelegenen Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente. Eine Begleitverletzung wurde nicht benannt.

4

Im Bescheid vom 18.10.2007 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 3.7.2005 als Arbeitsunfall. Als "Unfallfolgen" wurden "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers" anerkannt.

5

Ferner wurde festgestellt, der Bandscheibenvorfall zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper sei keine "Folge des Arbeitsunfalls", weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall sei angesichts des MRT-Befundes vom 4.8.2005, in dem eine Traumatisierung des Segments C 6/7 nicht beschrieben sei, zu verneinen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008).

6

Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 14.7.2010 festgestellt, dass "die Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei.

7

Die Beklagte hat mit ihrer Berufung geltend gemacht, das Urteil sei in seiner Kausalitätsbeurteilung mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht vereinbar. Im Standardwerk der gesetzlichen Unfallversicherung von Schönberger/Mehrtens/Valentin, das den anerkannten neuesten medizinischen Kenntnisstand dokumentiere, werde seit der 7. Auflage ausgeführt, dass die traumatische Verursachung eines isolierten Bandscheibenschadens ohne Begleitverletzung nicht möglich sei. Dazu sei Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

8

Das LSG hat die Berufung durch Beschluss vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Es sei vorliegend zumindest wahrscheinlich, dass der Unfall vom 3.7.2005 naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7 gewesen sei. Hierfür sprächen vor allem jene Indizien, die auf eine akute Schädigung im Bereich des Bewegungssegments C 6/7 und damit eine Substanzschädigung der betreffenden Bandscheibe in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinwiesen. Vor dem Unfall sei der Kläger trotz bestehender degenerativer Veränderungen gerade auch im Bereich der HWS beschwerdefrei gewesen. Der Unfall habe zu einer Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule geführt. Umstände, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprächen, hätten im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung.

9

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf das Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin und meine, es sei dort dokumentierter neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen einhergehe. Diesen Ausführungen könne aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Denn dieses Standardwerk der unfallmedizinischen Literatur vermenge die Prüfung der naturwissenschaftlichen Kausalität auf der ersten Stufe mit der wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung (Wesentlichkeit). Bei der Prüfung der Wesentlichkeit handele es sich um eine wertende Entscheidung, die dem juristischen Betrachter vorbehalten sei.

10

Der Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens werde abgelehnt. Selbst wenn die von Schönberger/Mehrtens/Valentin vertretene Auffassung den herrschenden medizinischen Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung wiedergeben sollte, ändere dies nichts daran, dass dieser Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden dürfe, weil er die maßgebenden rechtlichen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG vernachlässige.

11

Lägen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall "örtlich-zeitlich in Rede" stehe, sei ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

12

Sei der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stelle sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich gewesen sei. Hierbei sei vor dem Hintergrund der Schwere des Unfalltraumas mit einer plötzlichen unphysiologischen Belastung der HWS den bereits vorliegenden degenerativen Veränderungen im Hinblick auf den aufgetretenen Bandscheibenvorfall keine überragende Bedeutung beizumessen gewesen. Demnach sei das Unfallereignis wesentliche Mitursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls und die beim Kläger in der Folge erforderlich gewordene Versteifung im Bewegungssegment einschließlich der fortbestehenden Schmerzsymptomatik als Unfallfolge festzustellen.

13

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall liege nicht vor. Das LSG habe nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ermittelt.

14

Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet.

17

1. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann das BSG nicht abschließend darüber befinden, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, die die Verbandszuständigkeit der Beklagten begründet und eine Einwirkung auf die HWS des Klägers wesentlich mitverursacht hat (dazu unter 3.), dadurch auch eine objektive und zudem rechtlich wesentliche Mitursache des Bandscheibenvorfalls auf der Höhe des 6./7. Halswirbelkörpers geworden ist. Nur dann wäre dieser ein Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls.

18

Das LSG hat nicht festgestellt, ob dieser Schaden nach Maßgabe des derzeit anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft durch die verrichtungsbedingte und deshalb versicherte Einwirkung unmittelbar objektiv mitverursacht wurde (dazu unter 4.). Seine Ansicht, dies könne durch "eine wertende Entscheidung …, die … dem juristischen Betrachter vorbehalten" sei, im Rahmen der rechtlichen "Wesentlichkeitsbeurteilung" ersetzt werden, verfehlt den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache für eine bestimmte Wirkung (dazu unter 3. und 5.).

19

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Zurückweisung ihrer zulässigen Berufung durch das LSG. Mit ihr wandte sie sich erstens gegen die Aufhebung ihres Verwaltungsakts durch das SG, der Kläger habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung seines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als "Folge des Arbeitsunfalls". Zweitens begehrte sie die Aufhebung des Feststellungsurteils des SG, dass die "Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei. Der Erfolg ihrer Rechtsmittel hängt davon ab, ob die zulässige Kombination der zulässigen Anfechtungs- mit der zulässigen Feststellungsklage des Klägers begründet ist. Das wäre dann der Fall, wenn sie durch ihren negativ feststellenden Verwaltungsakt einen Anspruch des Klägers auf die Feststellung eines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als Gesundheitserstschaden zu Unrecht abgelehnt hätte. Dann wäre dieser (insoweit unter klarstellender Änderung des bisherigen Ausspruchs des SG) durch Feststellungsurteil als weiterer Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen. Andernfalls hätte ihre Revision durchgreifenden Erfolg.

20

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG zwischen den Beteiligten klargestellt werden konnte, richtete sich das Begehren des Klägers von Anfang an nicht auf die Feststellung seines Bandscheibenvorfalls als eine (unmittelbare) Unfallfolge. Ihm kam es vielmehr stets auf die Feststellung dieses Gesundheitsschadens als weiteren Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls an. Eine unmittelbare Unfallfolge kann sich hingegen nur infolge eines Gesundheitserstschadens einstellen, der selbst als Tatbestandsvoraussetzung des Unfallbegriffs iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dem Begriff des Arbeitsunfalls unterfällt. Der Bandscheibenvorfall war zudem ersichtlich keine Wirkung eines bereits anerkannten Erstschadens. Bei sachgerechter Auslegung war auch die angefochtene negative Feststellung der Beklagten auf die Ablehnung der Anerkennung eines Erstschadens gerichtet.

21

3. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht abschließend beurteilbar, aber möglich, dass dem Kläger der erhobene Feststellungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Jeder Versicherte hat nämlich das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung aller Erstschäden (Gesundheitserstschäden oder Tod) eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 43 vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

22

a) Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte eine insoweit unanfechtbar gewordene Feststellung getroffen hat, der Kläger habe infolge seiner versicherten Testfahrt einen Arbeitsunfall mit folgenden Gesundheitserstschäden erlitten: "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers".

23

Die rechtliche Bindungswirkung dieses Verwaltungsakts erstreckt sich nicht auf die hier umstrittene Frage, ob die infolge der Testfahrt eingetretene Einwirkung auf den Körper des Klägers weitere Gesundheitserstschäden (objektiv und unfallversicherungsrechtlich wesentlich) mitverursacht hat. Werden die Erstschäden anfangs nur unvollständig anerkannt, hat der Versicherte Anspruch auf eine vollständige Feststellung aller objektiv vom Arbeitsunfall umfassten Gesundheitserstschäden. Entscheidet der Versicherungsträgerbei seiner Feststellung eines Arbeitsunfalls, wie hier, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Feststellung bestimmter weiterer Erstschäden habe, oder stellt er die Gesundheitserstschäden ausdrücklich abschließend (positiv oder negativ) fest, ist dagegen der Widerspruch gegeben (nach Fristablauf allein §§ 44 f SGB X). Da hier erstmals um einen weiteren, von der Beklagten abgelehnten Gesundheitserstschaden gestritten wird, erfasst die rechtliche Bindungswirkung des den Arbeitsunfall feststellenden Verwaltungsakts den hier rechtshängigen Streitgegenstand nicht.

24

b) Die Feststellungen des LSG lassen erkennen, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung der umstrittenen Gesundheitserstschäden hat. Denn danach hat er eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet und infolge dessen ein Unfallereignis erlitten (dazu sogleich).

25

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs 2) SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2).

26

Daher muss eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge" also ua nach dieser Verrichtung eingetreten sein muss, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet seine Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung.

27

Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

28

Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom Richter im Überzeugungsgrad des Vollbeweises) festgestellt sein.

29

aa) § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII setzt voraus, dass der Verletzte eine "den Versicherungsschutz" begründende "Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" verrichtet hat und dass der Unfall (iS von Satz 2 aaO) "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist.

30

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben den Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden (oder Tod und ggf wirtschaftliche Folgen etc), die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. Zurechnungsvoraussetzungen sind somit auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung vom jeweiligen Schutzzweck der begründeten Versicherung.

31

bb) Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) objektiv mitverursacht hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine Wirkursache war, ist schlechthin kein Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). Als (objektives) Handeln des Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder iS von § 11 SGB VII, der für die zweite Stufe andere Zurechnungsgründe als die "Wesentlichkeit" regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie ua zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht.

32

Erst dann, wenn die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war.

33

cc) Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.

34

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (so schon BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc) muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden.

35

Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl hierzu BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 21 vorgesehen - RdNr 21 ff - Lebendnierenspende).

36

Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf konkret festgestellte unversicherte Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten Wirkursachen mit ihren ggf festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten.

37

Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (vgl schon RVA vom 24.5.1912, AN 1912, 930 = Breithaupt 1912, 212; GS RVA vom 26.2.1914, AN 1914, 411 <2690>; vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17).

38

dd) In gleicher Weise muss zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls ggf die versicherte Einwirkung den Erstschaden (ggf den Tod) a) objektiv und b) rechtlich wesentlich verursacht haben. Dabei kommt es schon wegen der Einheit des jeweiligen Versicherungsfalls stets auch darauf an, dass die Zurechnungskette auf ein- und dieselbe versicherte und den Versicherungsschutz bei dem Unfallversicherungsträger begründende Verrichtung zurückzuführen ist.

39

ee) Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Gesundheitserstschaden erfüllt sein. "Gesundheitserstschaden" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden (oder den Tod), die "infolge" ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten.

40

c) Nach den Feststellungen des LSG liegt eine versicherte Verrichtung des Klägers vor, die eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat.

41

aa) Der Kläger hat durch seine Testfahrt den Tatbestand der versicherten Tätigkeit als "Beschäftigter" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt(zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandes näher BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 20 vorgesehen). Denn er hat dadurch zur Erfüllung einer Hauptpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit dem Automobilhersteller zumindest angesetzt, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG auch in tatsächlicher Hinsicht abschließend außer Streit gestellt werden konnte. Er war daher in der Beschäftigtenversicherung grundsätzlich gegen alle Gefahren unfallversichert, die sich "infolge" der versicherten Testfahrt verwirklichten.

42

bb) Das LSG hat ferner bindend festgestellt, dass es infolge der Testfahrt zu einer "Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule" gekommen ist. Unter "Einwirkung" (als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist. Das LSG hat zur Natur der körperlichen Veränderung festgestellt, dass ein Chirurg am 6.7.2005 beim Kläger eine "HWS-Distorsion" diagnostiziert habe. Nach dem Gesamtzusammenhang des Beschlusses des LSG hat es sich diese Diagnose zu eigen gemacht. Eine solche HWS-Verstauchung genügt jedenfalls dem (weiten) Einwirkungsbegriff.

43

cc) Das LSG hat auch noch festgestellt, dass die versicherte Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit, das Platzen des Autoreifens, das Abkommen von der Testbahn, das Durchbrechen der Leitplanke und das Abstoppen im Wäldchen diese Einwirkung auf die HWS objektiv mitverursacht haben. Auch wenn das LSG keine näheren Feststellungen zur Ursache des Platzens des Reifens (ua Materialfehler, äußere Ursache) und auch nicht dazu getroffen hat, ob es bei der Testfahrt gerade um die Prüfung der Belastbarkeit der Reifen ging, ist seine Feststellung rechtlich nicht zu beanstanden, dass die versicherte Testfahrt als Grundvoraussetzung des Unfallhergangs eine mitwirkende Ursache für die Einwirkung war. Wie zudem vor dem BSG zur Gehörsgewährung eingeführt und von den Beteiligten bestätigt wurde, entspricht es dem heutigen allgemeinkundigen Stand der Erfahrung, dass ein solcher Ablauf einer Autofahrt Ursache eines starken Aufpralls mit der Wirkung ua einer Verstauchung der HWS sein kann und nach den konkreten Umständen des Falles hier auch war. Weitere Mitursachen wurden vom LSG nicht festgestellt und von der Beklagten nicht behauptet.

44

dd) Das LSG hat sinngemäß auch die rechtliche Beurteilung geäußert, dass das versicherte Handeln des Klägers eine mit der Erfüllung dieser Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis verbundene Gefahr für seine Gesundheit verwirklicht hat. Das trifft bundesrechtlich zu. Denn die Beschäftigtenversicherung soll grundsätzlich in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren schützen, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis unter Eingliederung in einen vom Unternehmer bestimmten Gefahrenbereich ergeben. Der Kläger hat infolge der ihm aufgetragenen Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit Gesundheitsgefahren eingehen müssen, die sich in der Einwirkung realisiert haben. Damit fällt die durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Einwirkung auf die HWS unter den Schutzbereich der hier begründeten Beschäftigtenversicherung. Die konkret festgestellten Mitursachen der Einwirkung, das Platzen des Reifens, der Widerstand der durchbrochenen Leitplanke schließen in der gebotenen rechtlichen Gesamtabwägung die Zuordnung der HWS-Verstauchung zum Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung nicht aus. Denn in ihnen hat sich gerade die besondere Gefahr verwirklicht, die mit der vom Kläger zu erfüllenden Pflicht verbunden war.

45

ee) Das LSG hat schließlich bindend festgestellt, dass der vom Kläger als Gesundheitserstschaden geltend gemachte Bandscheibenvorfall C 6/7 vorliegt.

46

d) Damit sind die Voraussetzungen für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung dieses Vorfalls C 6/7 als weiteren Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls mit der Ausnahme erfüllt, dass das BSG noch nicht entscheiden kann, ob die Testfahrt mit der durch sie rechtlich wesentlich mitverursachten Einwirkung auf die HWS des Klägers auch rechtserhebliche (Mit-)Wirkursache dieses Bandscheibenvorfalls war.

47

4. Das LSG hat zwar ausgeführt, die versicherte Einwirkung und letztlich die versicherte Testfahrt hätten auch den Bandscheibenvorfall objektiv und wesentlich verursacht. Dies ist jedoch für das BSG nicht bindend. Es darf dies seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

48

a) Dies folgt für die Rechtsfrage der unfallversicherungsrechtlichen Wesentlichkeit schon daraus, dass es hier allein um Rechtsanwendung, also um die rechtliche Subsumtion der auf der ersten Stufe der Zurechnung festgestellten Tatsachen unter den Schutzbereich der für die konkrete Beschäftigung begründeten Beschäftigtenversicherung geht. Hier muss das Revisionsgericht in vollem Umfang die Beachtung des Bundesrechts überprüfen. Das LSG hat hierbei den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache unzutreffend angewandt (dazu unter 5.).

49

b) Auf der ersten Stufe der Zurechnung hat das LSG keine das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen zur objektiven Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Einwirkung/versicherte Verrichtung getroffen.

50

Allerdings hat das LSG ausdrücklich festgestellt, dass die (versicherte) Einwirkung auf die HWS des Klägers "naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7" gewesen ist.

51

aa) Grundsätzlich ist das Revisionsgericht an eine solche Tatsachenfeststellung, zu der auch der konkrete objektive Kausalzusammenhang im Einzelfall gehört, gebunden (§ 163 SGG). Hier tritt diese Bindung jedoch nicht ein, weil das LSG zum einen von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven ("wissenschaftlich-philosophischen") Kausalität ausgegangen ist. Zum anderen hat es, wie die Beklagte zulässig und begründet rügt, die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es hat seinem Beschluss einen nicht existierenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und deshalb davon abgesehen aufzuklären, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle durch Unfalleinwirkungen nur verursacht werden können, wenn ein unfallbedingter Begleitschaden vorliegt.

52

bb) Das LSG hat seine Kausalitätsbeurteilung auch auf folgenden nicht existierenden Erfahrungssatz gestützt: Liegen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ist ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

53

Daran ist das BSG nicht gebunden. Ein solcher Erfahrungssatz ist nicht allgemeinkundig oder dem BSG gerichtsbekannt. Die Revisionsführerin bestreitet seine Existenz. Das LSG hat nicht mitgeteilt, woher es diese Erkenntnis gewonnen hat. Soweit die Formulierung auch als generelle weitere "Beweiserleichterung" bei der richterlichen Überzeugungsbildung zum Grad der (juristischen) Wahrscheinlichkeit gemeint sein könnte, wäre sie bundesrechtswidrig. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch "juristische Betrachtungen" vorbeizugehen.

54

c) Das LSG hat auch im Übrigen einen unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven Verursachung (der "philosophisch-wissenschaftlichen Kausalität") zugrunde gelegt.

55

Objektive Verursachung bedeutet einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Dabei gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache.

56

Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung, die Einwirkung eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens sein. Ob die Verrichtung Wirkursache der Einwirkung (etc) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über Kausalbeziehungen beantwortet werden kann.

57

Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite (der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufs. Darüber hinaus verweist er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen.

58

Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht mitverursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung, dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige") Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat des RVA (aaO) hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann Wirkursache sein, muss es aber nicht. Sie kann auch bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können.

59

Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des Gesundheitserstschadens (etc) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine Wirkursache der Einwirkung/des Gesundheitserstschadens, wenn sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper des Verletzten, seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen.

60

aa) Dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Bandscheibenvorfall des Klägers Wirkung der festgestellten versicherten Einwirkung/versicherten Testfahrt als Ursache war. Dafür kommt es, weil es sich um eine in den Fachbereich der medizinischen Wissenschaft fallende Frage handelt, allein darauf an, ob ein Wirkungszusammenhang zwischen dieser Testfahrt und dieser Einwirkung auf die HWS des Klägers und diesem Bandscheibenvorfall nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens vorliegt. Dafür reicht ein bloßer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus.

61

Vielmehr ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrunde zu legen. Dies wird in der Regel die Auffassung der Mehrheit der im jeweiligen Fragenbereich veröffentlichenden Wissenschaftler/Fachkundigen eines Fachgebiets sein. Lässt sich eine solche "herrschende Meinung" nicht feststellen, so darf der Richter nicht gleichsam als Schiedsrichter im Streit einer Wissenschaft fungieren und selbst eine (von ihm anerkannte) Ansicht zur maßgeblichen des jeweiligen für ihn fachfremden Wissenschaftsgebietes erklären. Vielmehr kommt, falls auch durch staatliche Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände etc kein von den Fachkreisen mehrheitlich anerkannter neuester Erfahrungsstand festgestellt werden kann, eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen in Betracht (anders offenbar noch BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).

62

Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zB medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden.

63

bb) Soweit ein nicht allgemeinkundiges oder gerichtsbekanntes Erfahrungswissen Gegenstand einer staatlich anerkannten Wissenschaft, hilfsweise einer sonstigen fachkundigen Profession, ist, muss das Gericht, sofern es keine nachweisbare eigene Fachkompetenz oder Gerichtskenntnis auf diesem Gebiet hat, aufgrund der Ermessensreduktion im Rahmen seiner Sachaufklärung nach § 103 SGG sich die erforderliche Kenntnis durch Sachverständige verschaffen. Es ist gerade Aufgabe der Sachverständigen, dem Richter den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über Ursache-Wirkung-Beziehungen der fraglichen Art gibt und ggf welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Soweit auch die Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall, wie häufig, ebenfalls besondere Sachkunde erfordert, kann der Sachverständige auch damit beauftragt werden.

64

Gegenstand solcher Erfahrungssätze und ihrer generellen Anwendungsbedingungen ist, ob Vorgänge der Art des vorderen Kausalgliedes - hier: die Einwirkung auf den HWS-Bereich durch den Aufprall unter Absehung von bloßen Randbedingungen des konkreten Falles - allein oder im Zusammenwirken mit anderen nach dieser Erfahrung ursächlichen Bedingungen Vorgänge der Art des zweiten Kausalgliedes - hier: Bandscheibenvorfall C 6/7 als Gesundheitserstschaden - bewirken. Sofern diese Kausalbeziehung zwischen den beiden Arten der Kausalglieder besteht, ist das vordere eine hinreichende Ursache des folgenden Kausalgliedes. Tritt das zweite Kausalglied (hier: der Gesundheitserstschaden) immer und nur dann auf, wenn das vordere Kausalglied vorliegt, handelt es sich bei diesem um eine notwendige Ursache, bei dem zweiten um eine notwendige Wirkung. Bedingungen im Sinne der Bedingungstheorie, die erfahrungsgemäß keine solchen hinreichenden oder sogar notwendigen Wirkursachen sind, bleiben schon deshalb bei der Zurechnung außer Betracht.

65

cc) Allerdings darf das Gericht die jeweils einschlägige Wissenschaft (oder Fachkunde) auch nicht mit gebietsfremden Anforderungen überfordern, welchen dieser Erfahrungsbereich nicht genügen kann. Das Rechtssystem knüpft in den Grenzen der Rechtslogik an den jeweiligen aktuell anerkannten Stand der einschlägigen empirischen Wissenschaft (oder Fachkunde) an.

66

Es sind - gerade auch im Bereich der Medizin - nicht immer deterministische Erfahrungssätze vorhanden oder anerkannt. Sehr häufig werden nur wissenschaftlich begründete Wahrscheinlichkeitssätze (die nichts mit dem juristischen Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit zu tun haben) festgestellt werden können. Dabei gibt es in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Begriffe von empirischer Wahrscheinlichkeit bis hin zu probabilistischen Erfahrungssätzen. Sie werden nach entsprechenden Untersuchungen gelegentlich mathematisch formuliert, häufig aber allein durch tradierte Erfahrung im jeweiligen Fachkreis mit geringer Überprüfungsdichte gelehrt und/oder bloß unausgesprochen in der Praxis vorausgesetzt (begründete Vermutungen). Hier sind Unterschiede ferner zwischen Fachbereichen zu beachten, in denen es wissenschaftliche Fachdisziplinen gibt, und solchen, in denen es überwiegend nur die tradierte Erfahrung des Kreises der professionell im jeweiligen Gebiet Tätigen gibt.

67

dd) Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist also der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens (vgl hierzu zuletzt auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Als Maßstäbe sind jeweils, soweit vorhanden, die aktuell anerkannten Erfahrungssätze festzustellen und anzuwenden. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung bei der der Richter der Hilfe des Sachverständigen bedarf. Hinsichtlich der richterlichen Feststellung des Inhalts der Erfahrungssätze genügt der richterliche Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit. Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist.

68

ee) Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen.

69

Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet nicht fachgerecht ausgebildete Richter genügt zur Feststellung des (nicht allgemeinkundigen oder gerichtsbekannten) aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des ohnehin benötigten Gutachtens erfolgen. Dieser Erkenntnisstand ist aber die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf.

70

Bestreitet nach rechtzeitiger Einführung eines solchen Erfahrungssatzes in den Prozess einer der Beteiligten dessen Vorliegen oder Tragweite mit nicht offenkundig fernliegenden Sachargumenten, so wird das Gericht im Regelfall diesem Vorbingen durch (zumindest schriftliche) Befragung eines Sachverständigen nachzugehen haben (vgl BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

71

d) Das LSG hat hinsichtlich der strittigen Verursachung des Bandscheibenvorfalls schon keinen neuesten anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgestellt, sondern einen anderen Verursachungsbegriff zugrunde gelegt.

72

aa) Die Beklagte hatte unter Zitierung des Werks von Schönberger/Mehrtens/Valentin dargelegt, dass es dem dort dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall nur mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorkommen könne. Das LSG hätte hierauf selbst die Existenz oder Nichtexistenz dieses oder eines anderen anerkannten Erfahrungssatzes in der medizinischen Wissenschaft feststellen müssen.

73

bb) Dies war nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil das LSG davon ausgegangen ist, dass sich eine Feststellung des einschlägigen medizinischen Erfahrungssatzes erübrige, weil die Autoren Schönberger/Mehrtens/Valentin von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Kausalitätsbetrachtung ausgegangen seien. Sie hätten Aspekte der rechtlichen Wesentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit naturwissenschaftlichen Aussagen verquickt.

74

Es ist hier nicht darauf einzugehen, ob diese Behauptungen zutreffen. Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Gebrauch des Wortes "wesentlich" zugleich eine Äußerung zur "Theorie der wesentlichen Bedingung" sein muss. Soweit Nichtjuristen sich zu solchen juristischen Problemen äußern, liegen keine Stellungnahmen eines Sachverständigen, möglicherweise aber dennoch bedenkenswerte oder richtige Argumente vor. In keinem Fall durfte das LSG davon absehen, den aktuellen Stand der anerkannten medizinischen Erfahrung über durch Unfälle verursachte Bandscheibenvorfälle festzustellen.

75

e) Es ist nicht tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), dass das BSG das Bestehen und den Inhalt des von der Beklagten behaupteten oder eines sonstigen aktuell anerkannten medizinischen Erfahrungssatzes über die Verursachung von Bandscheibenvorfällen durch Unfalleinwirkungen und dessen generelle Anwendungsbedingungen selbst feststellt. Zwar gehören solche generellen Erfahrungssätze dem revisiblen Bundesrecht (§ 162 SGG) an. Jedoch bedürfte es zu einer Entscheidung darüber, ob im Fall des Klägers die Vorgaben eines solchen Erfahrungssatzes erfüllt sind, der Feststellung von Einzelfalltatsachen und deren fachgerechte Zuordnung zum generellen medizinischen Erfahrungssatz. Das BSG müsste daher voraussichtlich nach Klärung des generellen Standes der anerkannten Erfahrung die Sache dennoch an das LSG zurückverweisen, dem die Feststellung von Tatsachen des Einzelfalles grundsätzlich vorbehalten ist.

76

Das LSG wird folglich nach der Zurückverweisung durch Einholung von Sachverständigengutachten und die anderen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten festzustellen haben, ob der von der Beklagten behauptete wissenschaftliche Erfahrungssatz oder ein anderer von der Mehrheit der Wissenschaftler des einschlägigen medizinischen Wissenschaftszweiges vertreten wird.

77

Lässt sich dies zur vollen richterlichen Überzeugung bejahen, so ist er nebst seinen in gleicher Weise wissenschaftlich anerkannten generellen Anwendungsbedingungen der (mindestens im richterlichen Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit zu treffenden) Feststellung zwingend zugrunde zu legen, ob im vorliegenden Fall die versicherte Einwirkung faktische Mitursache des Bandscheibenvorfalls C 6/7 war. Stellt das LSG hingegen fest, dass nicht dieser Erfahrungssatz, sondern ein anderer entsprechend anerkannt ist, ist dieser zwingend maßgeblich. In jedem Fall ist dann über die Mitursächlichkeit der Testfahrt und der durch sie verursachten Einwirkung für den Vorfall C 6/7 und dabei auch der Mitverursachungsanteil anderer Wirkursachen zu entscheiden.

78

5. Von diesen Feststellungen darf das LSG nicht wegen der zweiten Zurechnungsstufe, der rechtlichen "Wesentlichkeit" der Wirkursache für den Schaden, absehen. Das LSG hat nämlich in seinem Beschluss den dargelegten bundesrechtlichen Begriff der Wesentlichkeit unzutreffend auf den Bereich der objektiven Verursachung angewandt. Er betrifft aber allein die zweite Stufe der Zurechnung. Auf ihr geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der Beschäftigtenversicherung verwirklicht hat. Ggf hängt - wie oben gezeigt - diese Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt.

79

Hierbei geht es ausschließlich um rechtliche Bewertungen (Auslegung und Subsumtion). Die Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile (Tatsachenfrage) sind bereits auf der ersten Stufe der objektiven Verursachung abschließend festzustellen. Insbesondere kann die ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung auf der ersten Stufe nicht durch Wertungen auf der zweiten ersetzt werden.

80

Das LSG wird daher, falls es auf der ersten Stufe die objektive Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Verrichtung/Einwirkung nach neuer Prüfung bejahen wird, auf der zweiten Stufe erstmals die vorgenannte Rechtsfrage beantworten müssen.

81

6. Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.