Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Juni 2015 - L 2 U 298/14

bei uns veröffentlicht am18.06.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Gründe

Hauptschlagwort: gemischte Motivationslage gespaltene Handlungstendenz Handlungstendenz Vorbereitungshandlung

Titel:

Normenkette:

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt

- Kläger und Berufungskläger -

Proz.-Bev.:

Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt

gegen

Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Bezirksverwaltung A-Stadt, vertreten durch den Hauptgeschäftsführer, Barthstraße 20, 80339 A-Stadt - -

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Der 2. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in München

am 18. Juni 2015

durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr. Dürschke, die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Banfelder und den Richter am Bayer. Landessozialgericht Randak sowie die ehrenamtlichen Richter Mayr und Ziegler

für Recht erkannt:

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 8. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der 1975 geborene Kläger, der als Betriebsrevisor bei der M.R.-Gesellschaft in A-Stadt tätig war, befand sich für mehrere Tage in M-Stadt zur Prüfung der dortigen Außenstelle. Bei einer Stadtrundfahrt am Sonntag, den 06.07.2008, wurde er kurz nach dem Einsteigen in den offenen Doppeldeckerbus von einem in die Fahrbahn hereinragenden Baumast am Hinterkopf getroffen. Es erfolgte eine ärztliche Behandlung in Spanien und Deutschland. Die Fachärztin für Neurologie Dr. C. diagnostizierte ein Schädel-Hirn-Trauma Grad I und einen akuten Bandscheibenvorfall im Bereich L 5/S 1.

Mit Bescheid vom 08.08.2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab. Zwar habe sich der Kläger auf einer Dienstreise befunden. Der Unfall habe sich jedoch in einem Sightseeing-Bus ereignet. Das Sightseeing stelle eine nicht versicherte, eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar. Dienstliche Belange hätten eine allenfalls untergeordnete und damit unwesentliche Bedeutung gehabt.

Im Widerspruchsverfahren führte der Kläger aus, die Busfahrt habe auf Anregung eines Abteilungsleiters in M-Stadt stattgefunden. Es habe sich verboten, das Fürsorgeangebot einer Führungskraft aus der M-Stadter Niederlassung der M.R. auszuschlagen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei einer Stadtrundfahrt an einem arbeitsfreien Wochenende während einer Dienstreise fehle es am inneren Zusammenhang mit der versicherten beruflichen Tätigkeit. Eine Stadtrundfahrt gehöre zum Freizeitprogramm. Freizeitaktivitäten stünden auch dann nicht unter Versicherungsschutz, wenn das Unternehmen sie organisiere oder gar finanziere. Die Stadtrundfahrt diene dem Zweck der privaten Freizeitgestaltung und stehe daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) (Az.: S 15 U 282/08). Das SG vernahm die damalige Arbeitskollegin des Klägers, Frau C. C., im Erörterungstermin am 14.12.2009 als Zeugin. Die Zeugin führte aus, dass ein Mitarbeiter der Niederlassung in M-Stadt, Herr D., den sie aus ihrer Tätigkeit in A-Stadt gekannt habe, ihrem Vorschlag zugestimmt habe, gemeinsam am Sonntag eine Stadtrundfahrt durchzuführen. Am Sonntag habe man dann zunächst im Hotel gemeinsam gefrühstückt und sei zum Bus gegangen. Die Abteilung von Herrn D. sei nicht geprüft worden. Auf die Niederschrift vom 14.12.2009 wird verwiesen.

Der Kläger bestätigte diese Angaben. Er machte weiterhin geltend, er habe im Rahmen seiner Tätigkeit eine Kontrollfunktion. Dies beinhalte auch umfangreiche Nachforschungsaufgaben, insbesondere darüber, ob Geschäftsprozesse ordnungsgemäß ablaufen und Gesetze und Verordnungen eingehalten würden. Ein Informationsaustausch sei gerade in den Geschäftsräumen problematisch, da andere Mitarbeiter davon Kenntnis bekommen könnten. Es sei daher aus seiner Sicht anzunehmen gewesen, dass er von Herrn D. auf der Stadtrundfahrt weitere Hinweise erhalten sollte.

Mit Urteil vom 22.03.2010 wies das SG die Klage ab. Eine versicherte Tätigkeit sei nicht nachgewiesen. Eine Stadtrundfahrt werde unter lebensnaher Betrachtung durchgeführt, um sehenswerte Gebäude und Orte in einer fremden Stadt zu besichtigen und nähere Kenntnisse über die besuchte Stadt zu erlangen. Die auf dem Oberdeck eines eigens hierfür eingesetzten Busses stattfindende Rundfahrt sei in keiner Weise dazu geeignet, auch nur ansatzweise dienstliche Gespräche zu führen. Dies erscheine wegen des beträchtlichen Umgebungslärms, der Konzentration auf die zu besichtigenden Orte und den meist erfolgenden Erklärungen zu den Sehenswürdigkeiten nahezu ausgeschlossen. Das der Stadtrundfahrt vorhergehende gemeinsame Frühstück mit den Kollegen könnte noch zumindest als sog. gemischte Tätigkeit gewertet werden. Eine Zäsur stelle jedoch die Stadtrundfahrt dar, die rein privaten Zwecken gedient habe und nicht geeignet gewesen sei, irgendwelche dienstliche Erkenntnisse zu erbringen. Auch die Zeugin C. habe bestätigt, dass das Treffen mit dem früheren Kollegen D. nicht aus dienstlichen Gründen, sondern zur Gestaltung der Freizeit am Wochenende erfolgt sei. Versicherungsschutz ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger bei der Dienstreise in eine besondere Gefahrenlage geraten sei. Gefahren, denen sich der Reisende bei privaten Unternehmungen am Aufenthaltsort freiwillig aussetze, begründeten keinen Versicherungsschutz.

Das Bayer. Landessozialgericht wies die hiergegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 08.02.2011 zurück (Az.: ...). Ein Versicherungsschutz habe für das Unfallereignis nicht bestanden.

Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (Az.: B 2 U 120/11 B) wurde zurückgenommen.

Am 10.05.2011 beantragte der Kläger eine Überprüfung nach § 44 SGB X. Zur Begründung berief sich er sich auf die Bedingungstheorie (conditio sine qua non); ohne die Dienstreise hätte sich der Unfall in M-Stadt nicht ereignet. Das Schädel-Hirn-Trauma und den akuten Bandscheibenvorfall hätte er nicht erlitten, wenn nicht die Besonderheiten der Dienstreise stattgefunden hätten. Die Anregung, eine Stadtrundfahrt durchzuführen, sei von einem Mitarbeiter der Niederlassung des Arbeitgebers in M-Stadt ausgegangen. Ihm als Revisor bei der M.R. Versicherungsgesellschaft hätten alle Mittel zur Verfügung gestanden, auch diejenigen etwa einer Stadtrundfahrt. Bemerkenswert sei überdies, dass für das Wochenende ein Heimflug nicht genehmigt worden sei, so dass er und die Arbeitskollegin am Wochenende etwas betrieblich zusammen unternommen hätten. Es läge sicherlich eine gemischte Tätigkeit vor, wenn wie hier, das Vergnügen, aber auch die dienstlichen Belange zusammen wirken würden.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05.09.2011 den Antrag ab. Das Recht sei weder unrichtig angewandt worden noch sei die Beklagte von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hätte. Es seien keine neuen Tatsachen genannt, die nicht bereits im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren vorgebracht worden sei. Auch das Argument, dass am Wochenende ein Heimflug nicht genehmigt worden sei, führe nicht dazu, dass damit zwangsläufig alle eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten versichert sind. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2011 zurück. Da keine neuen Tatsachen vorlägen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden, seien die Voraussetzungen für eine Rücknahme des bindend gewordenen Verwaltungsaktes vom 08.08.2008 nach § 44 SGB X nicht gegeben.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut hat der Kläger vor allem unter Verweis auf § 2 Abs. 2 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) vorgebracht, dass die Beklagte neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit hätte prüfen müssen. Die Ablehnung erscheine weder rechtmäßig noch zweckmäßig. Der Kläger hat ferner u. a. verschiedene ärztliche Unterlagen und Stellungnahmen zur Zusammenhangsfrage zwischen dem Unfallereignis und persistierenden somatischen und psychischen Erkrankungen vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit dem Antrag, „den Bescheid vom 5. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2011 aufzuheben und unter Rücknahme des Bescheides vom 8. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2008 festzustellen, dass der Unfall vom 6. Juli 2008 ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist“, mit Gerichtsbescheid vom 08.07.2014 abgewiesen. Die Kammer hat auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides verwiesen und hat sich den Ausführungen des Bayer. Landessozialgerichts vom 08.02.2011 angeschlossen. Ergänzend hat sich das Gericht mit den Entscheidungen des Bayer. Landessozialgerichts vom 04.09.2012 auseinander gesetzt; im Gegensatz zu dieser Entscheidung sei vorliegend jedoch die konkrete Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfalls als eigenwirtschaftlich zu werten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 28.03.1985 (Az.: 2 RU 7/83), aus der hervorgehe, dass bei der Frage des Versicherungsschutzes darauf abzustellen sei, ob die konkrete Verrichtung wesentlich betrieblichen Zwecken diente und nicht nur eine eigenwirtschaftliche (unversicherte) Tätigkeit war. Aus der vorgelegten Stellungnahme von Dr. v. B. (T. International Deutschland e.V.) vom 29.02.2012 ergäben sich keine Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würde. Schließlich lasse sich die Vorschrift des § 2 Abs. 2 SGB I nicht dahingehend verwenden, dass sämtliche Verrichtungen während einer grundsätzlich versicherten Geschäftsreise vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst wären. Vielmehr sei eine wertende Betrachtung vorzunehmen.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Berufung, die nun auch auf eine Entschädigung „insbesondere in Form der Verletztenrente und weiteren Entschädigung“ gerichtet war, hat der Kläger erneut darauf verwiesen, dass er das Schädelhirntrauma und die Bandscheibenvorfälle nicht erlitten hätte, wenn nicht die Besonderheiten einer gemischten Tätigkeit stattgefunden hätten. Da ein Heimflug nicht genehmigt worden sei, müsse die „offenkundige Dienstreisekausalität“ angesprochen werden. Auf Geschäftsreisen sei überdies der Versicherungsschutz weiter gesteckt als am Heimatort. Auf die Entscheidung des BSG (NJW 1964, 2222) ist hingewiesen worden. Das Sozialgericht gefährde mit der Anwendung des Begriffs der finalen Handlungstendenz die Wahrung der Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung. Schließlich hat der Kläger erneut auf Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 SGB I hingewiesen. Weitere Unterlagen bzw. verschiedene ärztliche Befundberichte sind nachgereicht worden.

Die Beklagte hat sich auf die Entscheidung des 3. Senats des Bayer. Landessozialgerichts berufen. Sie hat auf die Zulässigkeit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage hingewiesen. Konkrete Leistungsansprüche seien nicht Gegenstand des Verfahrens.

Der Senat hat den Sachverhalt mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung vom 04.03.2015 erörtert. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat eine Anhörung des Herrn D. als Zeugen durch den Senat für notwendig erachtet. Im Rahmen der Vernehmung werde sich ergeben, dass im Rahmen der Busfahrt vor allem über betriebliche Gesichtspunkte gesprochen wurde bzw. werden sollte. Der Kläger habe M-Stadt bereits gekannt und habe die Stadtrundfahrt nicht gemacht, um die Stadt kennen zu lernen. Wichtige Informationen kämen oftmals von Abteilungen, die gerade nicht geprüft würden. Herr D. habe Signale ausgesandt, bestimmte Informationen zu haben. Es sei angebracht und nicht unüblich gewesen, diese Informationen auf neutralem Boden zu besprechen.

Der Beklagtenvertreter hat ferner die nochmalige Anhörung der Zeugin C. angeregt.

Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen. Der Rechtsstreit wurde zur weiteren Sachverhaltsaufklärung vertagt.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2015 hat der Senat die Zeugen D., E. und C. C. gehört. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 08.07.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2008 zu verurteilen, festzustellen, dass der Unfall vom 06.07.2008 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 05.09.2011 lehnte die Beklagte einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ab, der sich auf den Bescheid vom 08.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2008 bezog. Gleichzeitig wendet sich der Kläger damit gegen das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 08.02.2011. Der Bescheid vom 05.09.2011 enthielt darüber im Entscheidungssatz den Ausspruch: „Der Unfall vom 06.07.2008 wird nicht als Arbeitsunfall anerkannt.“ Nicht gegenständlich ist die Gewährung von Leistungen. Zutreffende Klageart ist hierbei die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG.

Die Gerichte sind sowohl an bestandskräftige Verwaltungsakte als auch an rechtskräftige Urteile gebunden, soweit nicht die prozessrechtlichen Voraussetzungen für ein gerichtliches Wiederaufnahmeverfahren erfüllt sind. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst die Möglichkeit, sich über frühere negative Entscheidungen zugunsten der Sozialleistungsberechtigten kraft besserer Erkenntnisse hinwegzusetzen. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Die Behörde ist von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, wenn sie ihre Entscheidung auf tatsächliche Umstände gestützt hat, die sich nachträglich als falsch herausstellten (vgl. Pickel/Marschner, SGB X, § 44 Rdnr. 26). Dies kann sich insbesondere aufgrund neuer Tatsachenkenntnis oder aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ergeben.

Jedenfalls dann, wenn sich die Beklagte nicht auf die Bindungswirkung des Ausgangsbescheides berief, sondern die Richtigkeit dieses Bescheides (vollständig) überprüfte, ist die Entscheidung der Beklagten auch im gerichtlichen Verfahren voll zu überprüfen (s.a. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 9. Mai 2003, Az.: L 16/12 U 19/02).

Der Bescheid der Beklagten vom 08.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2008 ist jedoch nicht rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X, da er im Ergebnis zutreffend die Feststellung eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 8 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) ablehnte.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG); dies gilt insbesondere für die Darlegung der Kausalitätsfragen bzw. der Handlungstendenz sowie zu der Vorschrift des § 2 Abs. 2 SGB I. Wie das Sozialgericht bezieht sich auch der Senat im Übrigen auf die Darlegungen des 3. Senats des Bayer. Landessozialgerichts in dessen Entscheidung vom 08.02.2011. Bereits in dieser Entscheidung nahm das Gericht eine wertende Ermittlung des ursächlichen Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit vor und führte im Einzelnen zutreffend aus:

„Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass der während der Stadtrundfahrt erfolgte Unfall nicht als Arbeitsunfall festzustellen ist. Zwar befand sich der Kläger auf einer Dienstreise, die grundsätzlich als sog. Betriebsweg versichert ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Versicherte auf einer solchen Reise betriebsbedingt mehr und größeren Gefahren ausgesetzt ist als im Umfeld seines Arbeits- und Wohnortes. Insoweit können besonders gefahrbringende Umstände, die den Versicherten nur auf der Reise betreffen, zur Bejahung des Versicherungsschutzes im Einzelfall auch bei Verrichtungen führen, die ansonsten zum unversicherten privaten Lebensbereich gehören. Im Einzelnen ist aber anhand der Handlungstendenz zu unterscheiden, ob die Tätigkeit für das Unternehmen wesentlich im Zusammenhang steht oder ob dieser Zusammenhang in den Hintergrund tritt. Der Versicherungsschutz entfällt, wenn sich der Versicherte rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussenden Belangen widmet (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 21/01 R; BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 43/02 R, SozR 4-2200 § 550 Nr. 1). Zu den privatnützigen und damit unversicherten Handlungen auf Dienst- und Geschäftsreisen zählt die Freizeitgestaltung wie z. B. der Besuch von Gaststätten oder Bars nach Beendigung der Dienstgeschäfte, private Museumsbesuche anlässlich der Reise, die Benutzung des Hotelschwimmbades oder der Hotelsauna (vgl. Wagner in juris PK-SGB VII § 8 Rdnr. 78 m. w. N.).

Bei gemeinsamen privaten Betätigungen der Teilnehmer an einer Dienstreise zur Freizeitgestaltung besteht grundsätzlich kein Versicherungsschutz. Dieser begründet sich in der Regel auch nicht dadurch, dass auch über dienstliche Themen gesprochen wird (vgl. BSG, Urteil vom 04.08.1992, 2 RU 43/91, vgl. Keller in Hauck/Noftz § 8 Rdnr. 80, 82, 83).

Für den Senat sind vorliegend keine Besonderheiten erkennbar, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigten. Soweit der Kläger vorbringt, er sei auf Informationen von Kollegen im Rahmen seiner Tätigkeit angewiesen, die ihm außerhalb des Geschäftsbetriebs zukommen könnten, ist dies nicht ausreichend. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG gemäß § 153 Abs. 2 SGG. Gespräche haben bereits während des gemeinsamen Frühstücks stattgefunden. Die Zeugin C. hat zudem ausgesagt, es habe auch Treffen am Abend in einer Kneipe gegeben. Dass dienstliche Gespräche auch im Rahmen der Stadtrundfahrt erfolgen sollten, begründet keinen Versicherungsschutz. Eine rechtlich bedeutsame Beziehung zu der betrieblichen Tätigkeit wird dadurch nicht hergestellt. Der Kläger wollte sich vielmehr im Rahmen der Stadtrundfahrt rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmen. Er wollte sich der privaten Freizeitgestaltung zuwenden. Dies ergibt sich auch aus der Zeugeneinvernahme der Kollegin G., die den Freizeitcharakter bestätigte und zudem angab, die Abteilung des Kollegen D. ist durch den Kläger nicht geprüft worden. Auch der Kläger selbst gab an, dass er und seine Kollegin mit dem Kollegen D. in M-Stadt unmittelbar beruflich nichts zu tun gehabt hätten. Dessen Abteilung ist nicht von ihnen geprüft worden. Dass Schnittstellen zur Abteilung des Kollegen D. bestanden haben, ist nicht hinreichend. Die Stadtbesichtigung diente damit wesentlich eigenwirtschaftlichen Belangen.

Der Senat hat vorliegend keinen Zweifel daran, dass der Kläger mit seinen Kollegen am Sonntag die Stadtrundfahrt machen wollte, um seinen privaten Interessen nachzugehen. Ein Heimflug war nicht genehmigt worden, so dass der Kläger und seine Arbeitskollegin am Wochenende die Freizeit zusammen verbrachten. Der Kollege D. hat die Freizeitaktivität organisiert. Bei dieser Aktivität stand das private Freizeit-, Unterhaltungs- und Erholungsinteresse im Vordergrund. Soweit der Kläger hoffte, eventuell zusätzliche betriebliche Informationen zu bekommen, stand dies jedenfalls im Rahmen der Stadtrundfahrt im Hintergrund. Die Rundfahrt diente nicht unmittelbar betrieblichen Interessen, etwa weil eine bestimmte Problematik oder Situation des Betriebs besprochen werden sollte. Gelegenheiten zu betrieblichen Gesprächen waren bereits vorher gegeben gewesen. Die vom Kläger vorgebrachte Notwendigkeit, betriebliche Gegebenheiten außerhalb der Dienststelle in Erfahrung zu bringen, kann daher jedenfalls bei der Stadtrundfahrt nicht mehr im Vordergrund gestanden haben. Dass der Kläger das Angebot des Herrn D. aus beruflicher Verbundenheit nicht ablehnen wollte, kann ebenfalls keine andere Beurteilung rechtfertigen. Herr D. war weder Vorgesetzter noch wurde seine Abteilung unmittelbar geprüft. Allein die Befürchtung, einen Kollegen in leitender Position zu enttäuschen, wenn man an dessen organisierter Freizeitaktivität nicht teilnimmt, kann keinen Versicherungsschutz begründen.

Die Stadtrundfahrt hat auch nicht deshalb unter Versicherungsschutz gestanden, weil der Kläger durch die Umstände der Dienstreise einer besonderen Gefährdung ausgesetzt war. Gefährdungen, denen sich der Reisende bei privaten Unternehmungen am Aufenthaltsort freiwillig aussetzt, begründen keinen Versicherungsschutz (vgl. BSGE 39, 180 = SozR 2200 § 548 Nr. 7: Sprung vom Drei-Meter-Brett des Hotelswimmingpools; BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 110: Absturz bei einem privaten Spaziergang im Gebirge; BSG, SozR 2200 § 548 Nr. 21: Verkehrsunfall beim Besuch des Oktoberfestes). Der Kläger hat sich demnach nicht betriebsbedingt einer besonderen Gefahr ausgesetzt, die Unfallversicherungsschutz begründen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2008, B 2 U 13/07 R).“

Der 3. Senat gelangte in der Entscheidung nach Würdigung der Aussage der Zeugin C. und des Akteninhalts somit zu dem Ergebnis, dass die Teilnahme an der Stadtrundfahrt im privaten Interesse erfolgte. Dies wird durch das Ergebnis der Beweisaufnahme des Senats vom 18.06.2015 bestätigt.

Zunächst bekräftigt der Senat, dass im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung die reine Bedingungstheorie im Sinne der conditio-sine-qua-non nicht anwendbar ist. Für die erforderliche Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden sowie für die Kausalität zwischen Gesundheits(erst)schaden und weiteren Gesundheitsschäden als Unfallfolgen einschließlich Verschlimmerungen gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG v. 17.02.2009 - Az. B 2 U 18/07 R - Juris Rdnr. 12), die auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht. Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Als rechtserheblich werden aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache für das Entstehen eines neuen bzw. die Verschlimmerung eines bereits bestehenden Gesundheitsschadens wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (vgl. BSG v. 17.02.2009, a. a. O.) sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (vgl. BSG v. 09.05.2006 - Az.: B 2 U 1/05 R - Juris Rdnr. 17).

Im Rahmen des Berufungsverfahrens stützte sich der Kläger auf das Vorliegen einer gemischten Tätigkeit. Das BSG hat in seinem Urteil vom 09.11.2010 (Az. B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 3 8 Nr. 39 Rdrn. 22 f.) unterschieden zwischen

- einer gemischten Tätigkeit, die zumindest zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraussetzt, von denen (wenigstens) eine im sachliche Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht; eine Verrichtung ist nur ein konkretes, als auch räumlich und zeitlich bestimmtes Verhalten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist, und

- einer Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw. mit gemischter Motivationslage, wenn jemand mit ein und derselben Verrichtung sowohl betriebliche als auch eigenwirtschaftliche oder private Zwecke verfolgt.

Konkret hat das BSG in dem von ihm entschiedenen Fall eine Motorradfahrt, die sowohl betrieblichen als auch privaten Zwecken diente, als Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz und nicht als gemischte Tätigkeit beurteilt, weil das Motorradfahren aus Sicht eines einheitlichen Beobachters eine einzige einheitliche Verrichtung sei, selbst wenn sie unterschiedlichen Zwecken diene. Es könne nicht zwischen den Verrichtungen „Fahrt“ und „Motorrad“ unterschieden werden, weil eine „Fahrt“ ohne Verkehrsmittel nicht möglich sei. Entsprechend ist auch der vorliegende Fall „Stadtrundfahrt“ zu beurteilen. Auch hier handelt es sich nur um einen Handlungsstrang - Fahrt mit dem Bus.

Hierfür hat das BSG den Grundsatz aufgestellt, dass eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet (BSG, Urteil vom 09.11.2010, a. a. O., Rn. 24). Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (BSG, a. a. O.).

Das BSG hat in dem zitierten Motorrad-Fall den inneren Zusammenhang schon allein deshalb verneint, weil der Kläger dort ohne die private Motivation zwar vielleicht dieselbe Strecke zum selben Zeitpunkt, aber nicht mit dem Motorrad, sondern mit dem Auto gefahren wäre. Damit ist für die Bejahung des inneren Zusammenhangs vorliegend entscheidend, ob die Verrichtung „Fahrt in dem Bus“ hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre. Die private Motivation ist vorliegend

a) die gemeinsame Freizeitgestaltung mit den beiden Arbeitskollegen sowie

b) evtl. die Stadtbesichtigung, wobei allerdings der Kläger im Berufungsverfahren angegeben hat, M-Stadt aufgrund zwei oder drei früheren Aufenthalten bereits zu kennen.

Demgegenüber ist aber nach Überzeugung des Senats nicht zu erkennen, dass betriebliche Gründe wesentlich im Vordergrund stehen wie

a) allgemeine dienstliche Gespräche,

b) unbestimmte Motivation, etwas über Missstände in anderen Abteilungen zu erfahren,

c) ein Verpflichtet-Fühlen aufgrund der Organisation durch Hr. D.,

d) Nichtgenehmigung des Heimflugs am Wochenende: Allein dass der Heimflug vom Arbeitgeber grundsätzlich nicht genehmigt wurde, begründet jedenfalls keine „offenkundige Dienstreisekausalität“. Auch hier wendet der Kläger ungefiltert die reine Bedingungstheorie an.

Bereits in der Entscheidung des Bayer. Landessozialgerichts vom 08.02.2011 hat das Gericht deutlich gemacht, dass es grundsätzlich für die Annahme eines sachlichen Zusammenhangs zwischen einer unfallbringenden Tätigkeit und der generell versicherten Tätigkeit nicht ausreichend ist, dass über dienstliche Themen gesprochen wird. Dies erfolgt erfahrungsgemäß überwiegend bei Gesprächen zwischen Kollegen auch außerhalb der eigentlichen Arbeit, z. B. beim Mittagessen oder wie hier bei gemeinsamen Treffen in arbeitsfreien Zeiten. Der Zeuge E. bestätigte ausdrücklich, dass an dem Wochenende in M-Stadt keine Arbeitspflicht bestand. Er wie auch die Zeugin C. bekräftigten, dass „meistens über geschäftliche Sachen unter Kollegen gesprochen wurde“, wie die Zeugin C. es ausdrückte.

Für die Annahme eines Versicherungsschutzes müssen besondere Umstände vorliegen, die sich jedoch durch die Beweisaufnahme nicht bestätigten. Entgegen der Ansicht des Klägers sieht der Senat durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt, dass es Absicht des Klägers gewesen sei, prüfungsrelevante Informationen zu erhalten. Zwar gab der Kläger im Erörterungstermin im Berufungsverfahren an, Herr D. habe Signale ausgesandt, „bestimmte Informationen“ zu haben. Gerade dies bestätigte der Zeuge D. aber nicht. Er sagte vielmehr aus, dass ein konkreter Anlass für das Gespräch nicht bestanden habe. Er habe nur erwartet, dass „während der Busfahrt auch berufliche Gespräche stattfinden, daneben auch private.“ Weiter gab er an, nach seiner Einschätzung zum Unfallzeitpunkt nur „über seine ersten Eindrücke hinsichtlich der anderen Abteilung etwas sagen zu können“. Es gab somit weder die vom Kläger erwähnten Signale für prüfungsrelevante Informationen noch einen vordergründig beruflichen Anlass für die Stadtrundfahrt. Es handelt sich dabei im Übrigen um eine seit langem geplante Prüfung und nicht um eine Anlassprüfung, wie von den Zeugen D. und E. bestätigt. Schließlich äußerte auch die Zeugin C., sie habe nicht erwartet, dass über die Prüfung konkret gesprochen wird, sondern sie hat dies nur für „durchaus möglich“ oder „wahrscheinlich“ gehalten, „da meistens über geschäftliche Sachen unter Kollegen gesprochen wurde und Herr D. früher im Bereich der Prüfung tätig war“.

Zwar ist nach den Aussagen der Zeugen D. und C. nicht geklärt, von wem die Initiative für die Stadtrundfahrt gekommen ist, doch standen nach den Aussagen sowohl bei Frau C. als auch bei Herrn D. zunächst private Motive im Vordergrund. Die Zeugin C. machte dies in ihren beiden Zeugenaussagen deutlich und erläuterte nun, bereits ein 48-Stunden-Ticket erworben zu haben und deshalb vorgeschlagen zu haben, am Sonntag gemeinsam die von ihr am Samstag bereits genutzte Stadtrundfahrt zu machen bzw. fortzusetzen. Ihre Motivation war ausdrücklich auf die Freizeitgestaltung in M-Stadt gerichtet. Es ist zwar zutreffend, wenn der Kläger darauf hinweist, dass die Motivation bei der Zeugin und ihm durchaus verschieden gewesen sein kann, zumal er nach eigenen Angaben M-Stadt bereits kannte. Aber auch Herr D., der erst seit wenigen Wochen nach M-Stadt versetzt war, wollte und konnte sich hauptsächlich mit den ehemaligen Kollegen treffen, da er am Wochenende Zeit hatte, weil seine Familie noch nicht nachgezogen war. Die noch bestehende kollegiale Nähe aufgrund der früheren gemeinsamen Tätigkeit in der Abteilung in A-Stadt spielte hier offensichtlich eine gewichtige Rolle.

Jedenfalls scheidet vor diesem Hintergrund ein „sich verpflichtet Fühlen“ des Klägers aufgrund der Organisation durch den (ehemaligen unmittelbaren) Vorgesetzten aus.

Es bestand auch keine Anweisung des Arbeitsgebers, am Wochenende die Prüfung bei jeder Gelegenheit fortzusetzen. Der Zeuge E. als damaliger Vorgesetzter hat vielmehr ausgesagt, dass es bei der Arbeitgeberin keine mündlichen oder schriftlichen Anweisungen gibt, dass die Prüfer in ihrer Freizeit weiter prüfen.

Allerdings sah dies der Zeuge E. als „natürlich nützlich“ an. Bei Auslandsprüfungen bestehe ein hoher Arbeitsdruck für die Prüfer, so dass ein besonderer Einsatz anerkannt werde. Der Senat zweifelt nicht an, dass der Kläger prüfungsrelevante Informationen, die er während der Busfahrt erhalten hat, auch für die Prüfung verwendet hätte. Dies ist nach allen Zeugenaussagen nach der betriebliche Praxis wohl üblich. Der Senat ist aber auch davon überzeugt, dass - wie dargelegt - keine konkreten Anzeichen für die Erlangung relevanter Informationen bestanden und dass zu erwarten war, dass neben beruflichen Themen im weiteren Sinn auch private Themen erörtert werden sollten.

Dabei ist es aber zum einen auch noch nicht zum Beginn dieser Gespräche gekommen, da sich der Unfall bereits beim Einsteigen ereignete - der Kläger hatte sich noch nicht einmal hingesetzt. Die Busfahrt hätte nur den Rahmen für die Gespräch geliefert. Insgesamt befand sich der Kläger in dieser Hinsicht erst im Stadium einer Vorbereitungshandlung. Vorbereitungshandlungen sind Verrichtungen, die der eigentlichen versicherten Tätigkeit vorangehen und oder ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (s.a. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.12.2014, Az.: L 3 U 196/13, juris Rn. 19). Soweit vom Gesetzgeber nicht geregelt (wie z. B. nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII) sind Vorbereitungshandlungen unversichert, auch wenn sie letztlich mit einer auf die grundsätzlich versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (BSG, Urt. v. 04.09.2007, Az.: B 2 U 24/06 R, veröffentlich in juris). Versicherungsschutz besteht nur ausnahmsweise, wenn diese Tätigkeiten einen besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu der versicherten Tätigkeit aufweisen (BSG, Urt. v. 28.04.2004, Az.: B 2 U 26/03, juris Rn. 16). Diese Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn die Vorbereitungshandlung mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung so eng verbunden ist, dass beide bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden (so z. B. LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O.). Maßgeblich ist auch hier die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch objektive Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, Urteil v. 04.07.2013, Az.: B 2 U 3/13 R, juris Rn. 11 f; v. 28.04.2004, Az.: B 2 U 26/03 R, juris Rn. 16 ff).

Von einer derartigen Ausnahmesituation vermag der Senat nicht auszugehen. Die Handlungstendenz des Klägers war, folgt man seinen Angaben, sowohl auf eine kollegiale Gemeinschaft gerichtet als auch auf das Ausüben seiner Tätigkeit als Prüfer vor Ort. Bei letzterem handelte es sich aber nur um eine Bereitschaft, prüfungsrelevante Informationen zu erlangen ohne konkreten Bezugspunkt. Damit würde sich der Kläger nicht nur von seiner Kollegin C. unterscheiden, sondern auch von dem Zeugen D., der nur mit derartigen Fragen bei Gelegenheit des gemeinsamen Zusammenseins rechnete. Der Kläger hat seine eventuell weitergehende Handlungstendenz aber weder in irgendeiner Form vorher nach außen geäußert noch sind objektive Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Die objektiven Umstände der gemeinsamen Stadtrundfahrt, wobei die Initiative nicht von ihm, sondern von der Zeugin C. oder dem Zeugen D. kam, sprechen vielmehr gerade für eine private Tätigkeit.

Aber selbst wenn der Senat eine fremdnützige Handlungstendenz annehmen würde, läge eine Handlung mit gemischter Motivationslage bzw. mit gespaltener Handlungstendenz vor, da zweifelsohne für Sonntag mit Beginn des Frühstücks das gemeinsame Verleben dieses arbeitsfreien Tages vorgesehen war. Der Senat ist aufgrund der Zeugenaussagen vor allem des Herrn D. und der Frau C., aber auch des Zeugen E., davon überzeugt, dass die Stadtrundfahrt vom Kläger hypothetisch nicht vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation entfallen wäre. Das private Treffen am grundsätzlich freien Wochenende mit dem Zeugen D., der noch vor wenigen Wochen der Chef gewesen ist und erst seit kurzem und noch ohne Familiennachzug in M-Stadt tätig war, stand nach Überzeugung des Senats ohne vernünftige Zweifel im Vordergrund für den Vormittag des Sonntags. Nachdem jeder bereits den Samstag zu privaten Zwecken genutzt hatte, wollte man am Sonntag gemeinsam den Tag verbringen. Dies begann, wie die Zeugin C. schilderte, mit dem gemeinsamen Frühstück im Hotel und sollte zumindest das Mittagessen einschließen. Während der Stadtrundfahrt war geplant, die Fahrt ggf. zu unterbrechen und Besichtigungen vorzunehmen. Dass der Kläger sich, ohne Auftrag der Arbeitgeberin, verpflichtet gefühlt haben will, bei passender Gelegenheit zu versuchen, Informationen über die zu prüfende Abteilung der Außenstelle M-Stadt zu erlangen, vermag eine überwiegende fremdbestimmte Handlungstendenz nicht zu begründen. Darüber hinaus lässt die Verrichtung ,Stadtrundfahrt‘, so wie sie durchgeführt wurde, wie dargelegt auch objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz nicht erkennen (siehe hierzu oben und BSG, Urteil vom 09.11.2010, a. a. O.). Würde man eine derartige Objektivierung nicht verlangen, würde dies zu einem „Rund-um-die-Uhr-Schutz“ für Prüfer führen, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, der vom Gesetzgeber nicht gewollt ist.

Die abweichende Einschätzung des damaligen Abteilungsleiter E., dass es sich um einen Arbeitsunfall handelt, begründete der Zeuge selbst nicht mit einer Prüfungstätigkeit, sondern „da der Aufenthaltsort dienstlich vorgegeben gewesen sei.“ Dies ist jedoch, wie oben dargelegt, nicht ausreichend für die Anerkennung des sachlichen Zusammenhangs zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und der generell versicherten Tätigkeit.

Auch nach weitergehender Amtsermittlung verbleibt es somit dabei, dass der innere sachliche Zusammenhang zwischen der generell versicherten Tätigkeit als Prüfer und der Stadtrundfahrt mit dem Bus nicht gegeben ist. Die Beklagte lehnte im Ergebnis zu Recht die Aufhebung des Bescheides vom 08.082008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2008 ab. Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Juni 2015 - L 2 U 298/14 zitiert 13 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 136


(1) Das Urteil enthält 1. die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,2. die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidun

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 2 Soziale Rechte


(1) Der Erfüllung der in § 1 genannten Aufgaben dienen die nachfolgenden sozialen Rechte. Aus ihnen können Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teil

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Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dort

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Der Erfüllung der in § 1 genannten Aufgaben dienen die nachfolgenden sozialen Rechte. Aus ihnen können Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs im einzelnen bestimmt sind.

(2) Die nachfolgenden sozialen Rechte sind bei der Auslegung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten; dabei ist sicherzustellen, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Der Erfüllung der in § 1 genannten Aufgaben dienen die nachfolgenden sozialen Rechte. Aus ihnen können Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs im einzelnen bestimmt sind.

(2) Die nachfolgenden sozialen Rechte sind bei der Auslegung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten; dabei ist sicherzustellen, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 2. Dezember 2008 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1976 geborene Kläger war als Verwaltungsangestellter im Außendienst bei der Stadt L. beschäftigt, um den ruhenden Verkehr zu überwachen, und wohnte in der sog H.-Siedlung in L.-A.

3

Am Nachmittag des 31.3.2006 erhielt der Kläger, der seinen Dienst um 12.00 Uhr angetreten hatte, an seinem Einsatzort in L.-Süd die telefonische Nachricht, dass er auf dienstliche Anweisung zusammen mit seinem Kollegen L. zunächst den Theaterparkplatz in L.-Mitte überwachen und anschließend in der H.-Siedlung in L.-A. parkende Lastkraftwagen kontrollieren sollte. Der Kläger fuhr mit seinem privaten Pkw zum T.-Parkplatz in L.-Mitte, stellte sein Fahrzeug ab und nahm die Überwachungstätigkeit auf. Er vereinbarte mit seinem Kollegen, dass er seine Pause, die 30 Minuten betrug, dafür nutzen wolle, zu der in der Innenstadt gelegenen Werkstatt zu fahren, in der sich sein Motorrad zur Wartung befand. Der Kläger wollte dort nachfragen, ob die Wartung abgeschlossen sei.

4

Nachdem er und sein Kollege die Überwachungstätigkeit auf dem T.-Parkplatz gegen 16.30 Uhr beendet hatten, fuhren sie im Pkw des Kollegen zur Werkstatt. Die Wartung des Motorrads war abgeschlossen. Der Kläger vereinbarte mit seinem Kollegen, dass er mit dem Motorrad zu der in der H.-Siedlung gelegenen Wohnung des Klägers fahren sollte, damit der Kläger sein Motorrad dort abstellen konnte und um von dort aus die Ermittlungen aufzunehmen. Der Kollege sollte mit seinem Pkw dorthin kommen.

5

Gegen 16.40 Uhr trat der Kläger mit dem Motorrad die Fahrt von der Werkstatt in Richtung L.-A. an. Er befuhr die A. Straße in Richtung L.-A., als er gegen 16.48 Uhr mit einem in diese Straße einbiegenden Fahrzeug kollidierte. Dabei zog er sich eine Beckenring- und Oberschenkelfraktur zu.

6

Die Stadt L. meldete den Unfall dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe. Mit Bescheid vom 26.6.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 wurde die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe sein Motorrad in der Arbeitspause von der Werkstatt zu seiner Wohnung bringen wollen. Diese private Tätigkeit sei unversichert. Dass der sich anschließende Weg zum nächsten Einsatzort nicht mehr so weit gewesen sei, begründe keinen Versicherungsschutz.

7

Das SG hat die Klage, die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtet war, mit Urteil vom 2.12.2008 abgewiesen.

8

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG geändert und entsprechend dem im Berufungsverfahren geänderten Antrag des Klägers unter Aufhebung der angefochtenen Ablehnungsentscheidung festgestellt, dass der Unfall vom 31.3.2006 ein Arbeitsunfall ist. Die zum Unfall führende Fahrt habe nicht trennbar sowohl unversicherten privaten als auch versicherten Zwecken gedient. Als sog gemischte Tätigkeit habe die Fahrt unter Versicherungsschutz gestanden, weil sie auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck - das Nach-Hause-Bringen des Motorrads - entfallen wäre. Wäre das Motorrad nicht in der Werkstatt gewesen, wäre der Kläger nach der Pause mit dem Kollegen in dessen Privat-Pkw zum nächsten Einsatzort gefahren. Der Kläger sei arbeitsrechtlich nicht gehalten gewesen, seine Dienstfahrten in einer bestimmten Weise - zB zusammen mit dem Kollegen oder mit einem Pkw - zurückzulegen. Er hätte vom Einsatzort in L.-Stadtmitte bei Wahl der kürzesten Wegstrecke über die A. Straße zu seinem neuen Einsatzort gelangen müssen.

9

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und die Verletzung von § 8 SGB VII gerügt. Die unfallbringende Fahrt habe nicht im erforderlichen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Überwachungstätigkeit gestanden. Der Kläger habe die versicherte Tätigkeit vorerst beendet gehabt und sich durch das rein privatwirtschaftliche Aufsuchen der Werkstatt in seiner Pause von der betrieblichen Tätigkeit gelöst. Der Weg ab der Werkstatt sei maßgeblich von den eigenwirtschaftlichen Interessen des Klägers - Verbringung des Motorrads zur Wohnung - geprägt, denn für die Wahl des Zeitpunkts und des Verkehrsmittels seien andere Gründe maßgebend gewesen als die Absicht, den nächsten Ort der Tätigkeit zu erreichen. Aus Sicht eines unbeteiligten Dritten sei das Aufsuchen der Werkstatt, die Auslösung des Motorrads und dessen Verbringung an den Wohnort eine einheitliche, eigenwirtschaftliche Handlung. Die reine Streckenidentität mit dem Weg zwischen den Einsatzgebieten genüge nicht zur Begründung von Versicherungsschutz, der auch nicht nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII oder § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII in Betracht komme.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.4.2010 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Dortmund vom 2.12.2008 zurückzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Er sei nur mit dem Motorrad nach L.-A. gefahren, weil es sich wegen des in der Nähe seiner Wohnung gelegenen Einsatzortes angeboten habe und nicht, weil er das Motorrad "zu sich nach Hause bringen wollte". Mit Antritt der Fahrt ab der Werkstatt habe er nach außen erkennbar seinen Dienst wieder angetreten.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG begründet, denn das LSG hat zu Unrecht das klageabweisende Urteil des SG geändert und unter Aufhebung des Bescheides vom 26.6.2007 idF des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 einen Arbeitsunfall festgestellt.

14

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG den Antrag einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG gestellt. Das LSG hat sachlich über diesen Klageantrag entschieden und so den Übergang des Klägers von einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf eine Anfechtungs- und Feststellungsklage im Berufungsverfahren bindend zugelassen (§ 153 Abs 1 SGG iVm § 99 Abs 4 SGG; vgl BSGE 48, 159, 162; BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 89/98 B; Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008 § 99 RdNr 15). Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erweist sich als zulässig. Denn die grundsätzliche prozessrechtliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage steht der Zulässigkeit der mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung des Senats in Fällen der vorliegenden Art nicht entgegen (vgl BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4 f; Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8). Begehrt der Versicherte allein die von dem Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, kann er durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage ggf unmittelbar eine gerichtliche, von der Verwaltung nicht mehr beeinflussbare Feststellung erlangen.

15

Entgegen der Entscheidung des LSG war der Unfall des Klägers vom 31.3.2006 kein Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII.

16

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl ua BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 10 mwN; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

17

Der Kläger war zwar zur Zeit des Unfallereignisses Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII und hat am 31.3.2006 einen Unfall mit der Folge eines Gesundheitsschadens erlitten.

18

Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall, da die vom Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung - die Motorradfahrt von der Werkstatt zur eigenen Wohnung in der H.-Siedlung - nicht im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hat. Es handelt sich weder um eine versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII (dazu sogleich unter 1.) noch um das Zurücklegen eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII (dazu unter 2.) noch um ein mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängendes Verwahren, Befördern, Instandhalten oder Erneuern eines Arbeitsgeräts nach § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII (dazu unter 3.).

19

1. Mit der Motorradfahrt zum Unfallzeitpunkt erfüllte der Kläger keine arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflicht, die ihm als Verwaltungsangestellten zur Kontrolle des ruhenden Verkehrs oblag, insbesondere legte er keinen Betriebsweg zurück, der Teil der versicherten Tätigkeit iS von § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII wäre.

20

Ein Betriebsweg unterscheidet sich von anderen Wegen dadurch, dass er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und nicht - wie Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit iS von § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII - der versicherten Tätigkeit lediglich vorausgeht oder sich ihr anschließt(vgl hierzu BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R - Juris RdNr 16). Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (vgl BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 14). Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden.

21

Die Motorradfahrt als konkrete Verrichtung des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses, die nach den Feststellungen des LSG zugleich betrieblichen und privaten Zwecken dienen sollte, beruhte angesichts der objektiven Umstände nicht auf der vom LSG bindend festgestellten betrieblichen Handlungstendenz.

22

Der Kläger verrichtete keine "gemischte Tätigkeit", da diese zumindest zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraussetzt, von denen (wenigstens) eine im sachlichen Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht, während die Motorradfahrt des Klägers eine einzige Verrichtung war. Denn eine "Verrichtung" ist nur ein konkretes, also auch räumlich und zeitlich bestimmtes Verhalten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Die Motorradfahrt ist aus Sicht eines objektiven Betrachters eine einzige einheitliche Verrichtung, selbst wenn sie unterschiedlichen Zwecken dient. Die Motorradfahrt ist die konkrete Verrichtung, durch die der Kläger von der Werkstatt aus sein Motorrad zur Wohnung fahren und selbst zum nächsten Einsatzort gelangen wollte. Deswegen kann die konkrete Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt entgegen der Formulierung im LSG-Urteil nicht abstrakt als "Fahrt" bezeichnet werden ohne Angabe des Fortbewegungsmittels. Eine "Fahrt" ohne Verkehrsmittel ist nicht möglich, sodass schon die Definition der zum Unfallzeitpunkt vorgenommenen konkreten Verrichtung des Klägers die Angabe eines Transportmittels voraussetzt.

23

Die Motorradfahrt zur klägerischen Wohnung war eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw mit gemischter Motivationslage (vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 16), denn sie erfolgte sowohl mit privatwirtschaftlicher als auch mit betrieblicher Handlungstendenz. Eine betriebliche, den sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende Handlungstendenz des Beschäftigten liegt vor, wenn er den Willen hat, durch die Verrichtung eine seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen oder die Erfüllung von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die das Gesetz versichert, zu ermöglichen, zu fördern oder zu sichern. Nach den Feststellungen des LSG hatte der Kläger zwei Ziele. Er wollte zwecks Wiederaufnahme seiner Beschäftigung weisungsgemäß seinen nächsten Einsatzort erreichen, also den Weg auch als "Betriebsweg" zurücklegen (betriebliche Handlungstendenz) und er wollte sein Motorrad an seiner Wohnung abstellen (privatwirtschaftliche Handlungstendenz). Bei der "Handlungstendenz" handelt es sich um eine sog innere Tatsache. Daher sind diese von der Beklagten nicht gerügten Feststellungen des LSG für den Senat bindend.

24

Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre (vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - aaO), wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt. Die Ausführungen des LSG darüber, was vermutlich geschehen wäre, wenn der Kläger zur Unfallzeit nicht mit seinem Motorrad von der Werkstatt zu seiner Wohnung gefahren wäre, enthalten keine maßgeblichen Tatsachenfeststellungen. Denn sie befassen sich mit hypothetischen Geschehensabläufen außerhalb der konkreten Verrichtung "Motorradfahrt", die als nicht erfolgte Ereignisse keine (feststellbaren) Tatsachen sind.

25

Nach den objektiven Umständen lässt die tatsächlich erfolgte Motorradfahrt des Klägers von der Werkstatt zur Wohnung einen sachlichen Zusammenhang mit der verrichteten Tätigkeit, hier zB sich zum nächsten Einsatzgebiet zu begeben, nicht deutlich werden. Der betriebliche Zweck, sich (von einem) zum nächsten Einsatzgebiet zu begeben, vermag nach den objektiven Umständen nicht zu erklären, dass die Fahrt an der Werkstatt beginnt, dass als Ziel im nächsten Einsatzgebiet gerade die Wohnung des Klägers gewählt worden ist und die Fahrt auf dem Motorrad erfolgt anstatt einer Fahrt mit dem eigenen Pkw oder einer Fahrt als Beifahrer im Pkw des Kollegen. Vorliegend wurden Ausgangsort, Ziel und das genutzte Verkehrsmittel nicht durch betriebliche Erfordernisse bestimmt, sondern finden ihren Grund in der privaten Motivation des Klägers, sein Motorrad von der Werkstatt zur eigenen Wohnung zu fahren.

26

In rechtlicher Wertung sprach nichts dafür, dass die berufliche Handlungstendenz, die private Motivation weggedacht, zu der unfallbringenden Motorradfahrt des Klägers geführt hätte. Ohne die private Motivation, das Motorrad von der Werkstatt zur Wohnung zu fahren, wäre insbesondere nicht das Motorrad als Verkehrsmittel gewählt worden und die konkrete, zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Verrichtung - nämlich die Motorradfahrt auf der A. Straße in Richtung der Wohnung - wäre nicht erfolgt. Das Führen eines Motorrads ist objektiv eine andere Verrichtung als eine Fahrt mit dem eigenen Pkw oder als Beifahrer im Pkw des Kollegen.

27

Dass der Kläger aus arbeitsrechtlicher Sicht sein privates Motorrad für dienstliche Fahrten nutzen durfte, vermag keinen inneren bzw sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit mit solchen Motorradfahrten des Klägers zu begründen, die nach dem oben dargelegten Maßstab für die Ermittlung der objektivierten Handlungstendenz bei gemischter Motivationslage gerade nicht auf einer objektivierten betrieblichen Handlungstendenz beruhen.

28

Eine den inneren bzw sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende objektivierte betriebliche Handlungstendenz des Klägers kann nicht daraus gefolgert werden, dass sich der Unfall an einer Stelle ereignet hat, die der Kläger mutmaßlich passiert hätte, wenn er eine Fahrt von einem zum anderen Einsatzgebiet zurückgelegt hätte.

29

Zutreffend hat die Revisionsklägerin darauf hingewiesen, dass reine Streckenidentität einer mit privater Handlungstendenz erfolgten Motorradfahrt mit einer möglichen, tatsächlich aber nicht erfolgten betrieblich veranlassten (Pkw-)Fahrt, die mutmaßlich (oder möglicherweise) an Stelle der Motorradfahrt getreten wäre, keinen inneren bzw sachlichen Zusammenhang der durchgeführten Motorradfahrt als konkrete Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit begründen kann (vgl auch BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 15).

30

2. Die Motorradfahrt des Klägers als Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses war auch keine versicherte Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.

31

Danach sind versicherte Tätigkeiten das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 und 6 SGB VII zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Begründet wird dieser Versicherungsschutz damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13; BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29 RdNr 21). Sie erfolgen entweder mit der Handlungstendenz, sich aus dem privaten Bereich in den betrieblichen Bereich (Weg zu dem Ort der Tätigkeit) oder sich aus dem betrieblichen Bereich zurück in den privaten Bereich zu begeben (Weg von dem Ort der Tätigkeit). Der Kläger hat mit der Motorradfahrt keinen unmittelbaren Weg von oder zu dem Ort der Tätigkeit zurückgelegt. Wie bereits dargelegt, fehlte der Verrichtung bei gemischter Motivationslage eine objektivierte betriebliche Handlungstendenz. Außerdem war Ausgangsort der konkreten Motorradfahrt kein Ort der Tätigkeit als Angestellter der Verkehrsüberwachung, sondern die aus privaten Gründen aufgesuchte Werkstatt, und deren Endpunkt die private Wohnung.

32

3. Das Motorrad war ferner kein Arbeitsgerät iS von § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII, denn es war nicht dazu bestimmt, hauptsächlich der Tätigkeit im Unternehmen zu dienen(vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 28 mit Verweis auf BSG vom 23.2.1966 - 2 RU 45/65 - BSGE 24, 243, 246).

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. September 2012 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. September 2011 zurückgewiesen.

Kosten sind in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Ereignisses vom 20.7.2010 als Arbeitsunfall streitig.

2

Der Kläger wollte auf dem direkten Heimweg von der Arbeit in R. auf einem übersichtlichen Stück einer Ortsdurchfahrt links in ein Privatgrundstück einbiegen, um dort an einem Verkaufsstand Erdbeeren einzukaufen. Aufgrund des Gegenverkehrs musste er bis zum Stillstand abbremsen. Nach wenigen Sekunden fuhr die Unfallverursacherin ungebremst hinten auf seinen Pkw auf. Diese gab an, das klägerische Auto habe plötzlich angehalten, um nach links abzubiegen. Sie habe noch versucht zu bremsen, die Kollision aber nicht mehr vermeiden können. Das Strafverfahren wegen Körperverletzung gegen die Unfallverursacherin wurde eingestellt. Bei dem Auffahrunfall erlitt der Kläger eine Stauchung und Zerrung der Halswirbelsäule ohne Zeichen einer Commotio. Er war bis 24.7.2010 arbeitsunfähig erkrankt.

3

Die Beklagte lehnte im Bescheid vom 16.11.2010 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Sie führte zur Begründung aus, der innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Zurücklegung des Wegs setze voraus, dass die Zurücklegung des Wegs wesentlich dazu diene, die Wohnung zu erreichen. Beim Kläger sei zum Zeitpunkt des Unfalls die Handlungstendenz darauf ausgerichtet gewesen, an dem Straßenstand Erdbeeren zu kaufen, weshalb er eigenwirtschaftliche Ziele verfolgt habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.4.2011).

4

Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Reutlingen erhoben, das mit Urteil vom 15.9.2011 die Klage abgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Zeitpunkt des Unfalls sei die Handlungstendenz des Klägers nicht mehr auf das Zurücklegen des unmittelbaren Wegs von der versicherten Beschäftigung, sondern von privatwirtschaftlichen Interessen getragen gewesen. Dies habe sich auch objektiv im Anhalten niedergeschlagen. Die Fahrt auf ein an der gegenüberliegenden Straßenseite liegendes Grundstück, um dort Erdbeeren zu kaufen, könne nicht als lediglich geringfügige Unterbrechung des Wegs betrachtet werden, weil dieser Vorgang eine klare Zäsur im Zurücklegen des Wegs von der versicherten Beschäftigung darstelle. Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls zwar noch geographisch auf dem Heimweg befunden, juristisch jedoch nicht mehr, weil er die Zurücklegung dieses Wegs zugunsten einer nicht mit seiner Beschäftigung zusammenhängenden Tätigkeit in nicht nur geringfügiger Weise zumindest vorübergehend aufgegeben habe.

5

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG Baden-Württemberg durch Urteil vom 20.9.2012 das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass das Unfallereignis vom 20.7.2010 ein Arbeitsunfall gewesen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei während des Unfalls versichert gewesen. Er habe auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte zur Wohnung grundsätzlich unter Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII gestanden. Der Weg zur Arbeit sei nicht durch das bloße Anhalten, auch wenn dieses einem Lebensmitteleinkauf dienen sollte, unterbrochen worden. Zwar wäre der Einkauf selbst mit der Einfahrt auf ein Privatgrundstück diesem Weg nicht zuzurechnen, denn es fehle am inneren Zusammenhang mit der Beschäftigung. Eine Unterbrechung sei aber dann als geringfügig anzusehen, wenn - wie hier - der öffentliche Verkehrsraum der zur Arbeitsstätte führenden Straße nicht verlassen werde. Die räumliche Unterbrechung beginne erst dann, wenn der Versicherte den öffentlichen Verkehrsraum seines Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit verlasse und ende mit dem Erreichen dieses Verkehrsraums sowie der Wiederaufnahme der Fortbewegung in Richtung des ursprünglichen Ziels. Der Unfall habe sich indessen noch bevor der Kläger überhaupt die Fahrrichtung geändert hatte und damit im öffentlichen Verkehrsraum der genutzten Straße in einem Bereich ereignet, den der Kläger auch ohne den Einkauf der Erdbeeren auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte zur Wohnung befahren hätte. Dass der Kläger bereits angehalten und damit die Fortbewegung unterbrochen gehabt habe, spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Das Anhalten des Autos, um einen Abbiegevorgang durchzuführen, sei zunächst ein neutraler Vorgang. Nach Ansicht der Beklagten und des SG wäre der Weg bereits dann unterbrochen und der Versicherungsschutz würde enden, wenn der Versicherte lediglich anhalte, es sei denn, er könnte seinerseits nachweisen, dass er aus versicherten Gründen angehalten habe. Diese Feststellung allein aufgrund der Absichten des Versicherten zu treffen - ohne dass es objektiv zu einem Verlassen des Verkehrswegs gekommen sei - würde zu nicht mehr justitiablen Ergebnissen gerade in den Fällen führen, in denen nicht mehr eindeutig geklärt werden könne, aus welchem Grund es zu einem Anhalten des Versicherten gekommen sei.

6

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Das Anhalten auf dem versicherten Weg vor dem Abbiegen zu privaten Zwecken sei nach der neueren Rechtsprechung des BSG nicht mehr vom Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung umfasst. Hiernach komme es nicht mehr darauf an, ob sich der Versicherte im öffentlichen Verkehrsraum befunden habe, sondern auf die Handlungstendenz. Es habe sich auch um keine lediglich geringfügige Unterbrechung gehandelt, weil der Erdbeerkauf nicht gleichsam nebenher habe erledigt werden können.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20.9.2012 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Reutlingen vom 15.9.2011 zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Deshalb war das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das zutreffende Urteil des SG zurückzuweisen. Der Kläger hat am 20.7.2010 keinen Arbeitsunfall erlitten.

10

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44, vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - UV-Recht Aktuell 2013, 251, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen; zuletzt BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

11

Der Kläger befand sich nach den Feststellungen des LSG am 20.7.2010 auf dem direkten Heimweg von seiner Arbeitsstätte. Die durch den Auffahrunfall verursachten gesundheitlichen Einwirkungen auf den Körper des Klägers begründeten jedoch keinen Arbeitsunfall, weil sie nicht iS von § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII "infolge" des Zurücklegens des versicherten Wegs auftraten und damit nach dem Schutzzweck der Norm nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen waren. Der Kläger selbst hat, indem er sein Fahrzeug zum Stehen brachte, die maßgebliche und unmittelbare Wirkursache für den Unfall - das Auffahren der Unfallverursacherin von hinten auf sein Fahrzeug - gesetzt. Er handelte dabei ausschließlich aus dem privatwirtschaftlichen Beweggrund, die Fahrt in anderer Richtung fortzusetzen, um dort Erdbeeren zu kaufen. Diese subjektive Handlungstendenz schlug sich unmittelbar in dem objektiv beobachtbaren Verhalten - dem vollständigen Abbremsen des Fahrzeugs - nieder (hierzu unter 1.) Entgegen der Rechtsansicht des LSG handelte es sich dabei auch nicht um eine geringfügige, zu vernachlässigende Unterbrechung (vgl unter 2.).

12

1. Die konkrete Verrichtung des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls - das vollständige Abbremsen des Pkw - stand nicht unter Versicherungsschutz. Wie das BSG seit seiner Entscheidung vom 9.12.2003 (B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3) in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl nur Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25, vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 und - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 22 f sowie vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32) ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin (hier Wohnung des Klägers) dient, die Handlungstendenz des Versicherten. Diesen Grundsatz hatte das BSG bis zu der Entscheidung vom 9.12.2003 (aaO) freilich mit der Einschränkung versehen, dass der Versicherungsschutz trotz der vorübergehenden Lösung vom betrieblichen Zweck des Wegs solange erhalten bleibt, wie sich der Versicherte noch innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums der für den Weg zu oder von der Arbeitsstätte benutzten Straße aufhält. Die nicht mehr versicherte Unterbrechung des Wegs begann nach dieser überholten Rechtsprechung danach erst, wenn der öffentliche Verkehrsraum, beispielsweise durch Betreten eines Geschäfts oder durch Einbiegen in eine Seitenstraße, verlassen wurde. Sie endete, sobald der Versicherte nach Erledigung der eigenwirtschaftlichen Verrichtung zur Fortsetzung des Wegs in den Bereich der Straße zurückkehrte (s etwa BSG vom 2.7.1996 - 2 RU 16/95 - SozR 3-2200 § 550 Nr 14 mwN). An dieser einschränkenden Rechtsprechung, die in der Vergangenheit aus Gründen der Rechtsklarheit und Verwaltungspraktikabilität die Einbeziehung bestimmter im privaten Bereich wurzelnder Unfallrisiken in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in Kauf genommen hatte, hat der Senat seit nunmehr zehn Jahren nicht mehr festgehalten. Wird der Weg zu oder von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz. Dieser setzt erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und die Handlungstendenz auch nach außen erkennbar wieder darauf gerichtet ist, den ursprünglichen, versicherten Weg wieder aufzunehmen (vgl das Urteil des Senats vom heutigen Tage - 4.7.2013 - B 2 U 12/12 R - Fortsetzung der Fahrt auf der Straße nach Beendigung eines Tankvorgangs).

13

Der Kläger hat hier sein Fahrzeug bis zum Stand abgebremst, um über die Gegenfahrbahn auf ein privates Gelände zu fahren, wo er Erdbeeren kaufen wollte. Das Kaufen der Erdbeeren stand als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht mehr unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung. Gründe dafür, nach denen die Nahrungsaufnahme in Form von Erdbeeren hier ausnahmsweise versichert gewesen sein könnte (vgl hierzu zuletzt das Urteil des Senats vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - mwN) sind weder festgestellt noch erkennbar. Begonnen hat der Kläger mit der Unterbrechung des versicherten Wegs mit dem Ziel des Erdbeerkaufs objektiv erkennbar in dem Moment, in dem er nach außen hin sichtbar seine subjektive Handlungstendenz in ein für Dritte beobachtbares "objektives" Handeln umgesetzt hat. Zutreffend hat das SG erkannt (vgl auch LSG Berlin-Brandenburg vom 3.11.2011 - L 3 U 7/09 - Ende des Versicherungsschutzes der Wegeunfallversicherung bei objektiv erkennbarer Verlangsamung des Fahrzeugs und Setzen eines Blinkers auch auf eigener Fahrbahnhälfte), dass damit die private Handlung in Gang gesetzt war. Denkt man sich die durch das Abbremsen verobjektivierte subjektive Handlungstendenz des Klägers hinweg, so findet sich schon auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung kein naturwissenschaftlicher Grund mehr für das Auffahren der Unfallverursacherin. Einzige objektive Wirkursache für den Unfall war das Abbremsen aus privatwirtschaftlicher Motivation.

14

Wie der Senat am 9.12.2003 (aaO, RdNr 26) ausgeführt hat, steht es dem Versicherten frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu bewegen, wenn die Fortbewegung nach seiner Handlungstendenz der Zurücklegung des Wegs von oder zum Ort der Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Insofern mag der Autofahrer bei einer doppelspurigen Straße entscheiden, ob er die rechte oder die linke Fahrspur befährt. Sobald indes der Versicherte allein eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmen, wird der Versicherungsschutz unterbrochen, und zwar so lange, bis er die Fortbewegung auf sein ursprüngliches Ziel hin wieder aufnimmt (vgl hierzu das Urteil von heutigen Tage - 4.7.2013 - B 2 U 12/12 R). Bei Benutzung eines Fahrzeugs (Pkw, Motorrad, Fahrrad) wird die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz dabei nicht erst mit dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums ersichtlich. Sie prägt das Verhalten des Versicherten, sobald er zB mit dem Ziel des Abbiegens durch das vollständige Abbremsen desselben nach außen dokumentiert, dass er sich auf dem versicherten Weg nicht weiter fortbewegen will. Die konkrete Verrichtung - das Abbremsen bis zum Stillstand - war allein dem eigenwirtschaftlich geprägten Wunsch zuzurechnen, einen Einkauf durchzuführen. Erst dieser Wunsch führte überhaupt dazu, dass der Versicherte abbremste.

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2. Entgegen der Rechtsansicht des LSG handelte es sich auch nicht um eine lediglich geringfügige, unbeachtliche Unterbrechung des Heimwegs. Wie der Senat in seinem Urteil vom 17.2.2009 (B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 15) klargestellt hat, ist eine Unterbrechung als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann (BSG vom 9.12.2003, aaO, RdNr 7; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 12). Nach dieser Rechtsprechung bewirkte etwa ein Richtungswechsel mit einem Pkw auf einem grundsätzlich versicherten Heimweg, mit dem sich der Versicherte wieder in entgegengesetzter Richtung von seiner Wohnung wegbewegt, eine deutliche Zäsur, weil sich die Umkehr sowohl nach ihrer Zielrichtung als auch ihrer Zweckbestimmung von dem zunächst zurückgelegten Heimweg unterscheidet (so auch BSG vom 19.3.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr 8 S 19 mwN; vgl auch für den 100 m längeren Weg zum Bankautomaten BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 40/02 R).

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Hier handelte der Kläger mit dem Ziel, über die Gegenfahrbahn hinweg ein privates Grundstück zu erreichen, um dort Erdbeeren einzukaufen. Die Gesamtheit dieses geplanten Handelns kann nicht mehr als geringfügig angesehen werden, weil sie eben gerade nicht "nur nebenbei" erledigt werden kann. Vielmehr setzt der subjektive Wunsch des Erdbeerkaufens eine neue objektive Handlungssequenz in Gang, die sich deutlich von dem bloßen "nach Hause fahren" abgrenzen lässt. Die konkrete Verrichtung des Abbremsens steht ihrerseits in einem unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit diesem Erdbeerkauf, der durch das zum Stand kommen des Pkw nach außen hin erkennbar in Gang gesetzt ist. Soweit das LSG rügt, damit werde einzig die geäußerte Motivation des jeweiligen Versicherten zum Maßstab des Versicherungsschutzes, so ist dies die Konsequenz der mit dem 9.12.2003 (aaO) begonnenen Rechtsprechung des Senats, die in der Praxis allerdings zu berechenbaren Ergebnissen führt (vgl insofern etwa nur LSG Berlin-Brandenburg vom 3.11.2011 - L 3 U 7/09 - sowie vom 16.5.2013 - L 3 U 268/11 -; vgl weiterhin Bayerisches LSG vom 25.10.2011 - L 3 U 52/11 - sowie vom 8.5.2007 - L 18 U 131/06 - Einkauf von Pilzen; LSG Niedersachen-Bremen vom 25.8.2010 - L 3 U 6/07 -; LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.9.2009 - L 15 U 298/08).

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.