Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. März 2019 - L 13 R 496/15

bei uns veröffentlicht am20.03.2019

Tenor

I. Auf den Antrag des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15.06.2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2014 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine neue Versicherungsnummer unter Zugrundelegung des Geburtsdatums 27.08.1951 zu vergeben.

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Änderung der Versicherungsnummer bzw. des Geburtsdatums nach § 33a Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I).

Der Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, wurde in der Türkei (M.) geboren.

Am 13.07.1970 nahm der Kläger erstmals eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland auf. Hierfür wurde von der ... die Versicherungsnummer ... vergeben. Nachdem diese Versicherungsnummer stillgelegt wurde, vergab die ... am 13.04.1988 die Versicherungsnummer ... Unter dieser Versicherungsnummer ergingen anschließend verschiedene Feststellungs- und Beitragsbescheide. Sowohl im Antrag des Klägers vom 23.10.2003 auf Feststellung von Versicherungspflicht als Bezieher eines Existenzgründungszuschusses als auch in anderen Urkunden ist dieses Geburtsdatum angegeben, so in den regelmäßigen Mitteilungen der Handwerkskammer Schwaben, aber auch im türkischen Ausweis, dem deutschen Personalausweis und in der Einbürgerungsurkunde.

Mit Schreiben vom 18.06.2013 beantragte der Kläger über seinen Bevollmächtigten, das Geburtsdatum vom ... 1954 auf den 15.08.1949 zu berichtigen. Das Geburtsdatum ... 1954 sei unrichtig, richtig sei der 15.08.1949. Als Nachweis wurde eine Taufurkunde des Patriarchats von A. in Kopie übersandt, in der der Pfarrer der syrisch-orthodoxen Kirche D-Stadt das Geburtsdatum 15.08.1949 und die Taufe des Klägers am 06.09.1949 in M. bestätigt. Auf Anforderung übersandte der Bevollmächtigte des Klägers außerdem einen Auszug aus dem türkischen Einwohnerbuch (N. K. Ö.) vom 24.07.2013, in dem als Geburtsdatum gemäß Beurkundung vom 30.05.1957 der 03.02.1954 eingetragen ist. Dazu wurde aufgeführt, dass es am Geburtsort des Klägers kein Standesamt gegeben habe. Es sei lediglich in unregelmäßigen Abständen ein Beamter der Kreisstadt gekommen, um die zurückliegenden Geburten aufzunehmen. Dabei seien gerade die männlichen Kinder oft jünger gemacht worden, damit sie, wenn sie zum Wehrdienst einberufen würden, wo sie als Angehörige einer christlichen Minderheit besonderen Repressalien ausgesetzt gewesen seien, möglichst älter wären als ihre muslimischen Mitsoldaten. Im Gegensatz zum Staat habe aber die christliche Kirche penibel Buch über kirchliche Ereignisse wie Taufen geführt, daher sei diese Eintragung als richtig anzusehen. Seine Mutter könne sich an das Geburtsdatum auch deshalb so genau erinnern, weil er an Maria Himmelfahrt geboren sei und seine Familie diesen Feiertag sehr verehrt habe.

Mit Bescheid vom 19.08.2013 lehnte die Beklagte die Änderung des Geburtsdatums bzw. der Versicherungsnummer ab. Bei in der Türkei geborenen Versicherten sei eine Änderung der Versicherungsnummer regelmäßig nur nach Vorlage des Auszugs aus dem türkischen Einwohnerbuch vorzunehmen. Dabei seien nur die Eintragungen von Bedeutung, die vor der ersten Angabe des Geburtsdatums beim deutschen Sozialleistungsträger erfolgt seien. Die vorgelegte Taufbescheinigung sei keine Urkunde im Sinne des § 33a SGB I.

Mit seinem Widerspruch erklärte der Kläger, die vorgelegte Taufurkunde sei zwar nach der ersten Angabe im Sinne des § 33a SGB I ausgestellt. Die Beurkundung beruhe jedoch auf dem Original im Kirchenbuch der Türkei, welches der Pfarrer der syrisch-orthodoxen Kirche D-Stadt dort persönlich habe einsehen können. Dazu legte der Klägerbevollmächtigte Kopien von Fotos des Taufbuchs der syrisch-orthodoxen Kirche in M. vor, die der Cousin des Klägers am 24.01.2014 gemacht habe. Den Unterlagen lag eine Übersetzung aus der aramäischen Sprache in die deutsche Sprache durch einen Dolmetscher bei. Danach handele es sich um das Registerbuch der Taufnamen vom Jahr 1949 bis 1993. Auf Seite 3 werde im Jahr 1951 der Name G. N. M. aufgeführt, getauft am 17.08.1951 in der Kirche in M.. Da das Taufbuch traditionell sehr sorgfältig geführt werde, sei davon auszugehen, dass das Taufdatum 17.08.1951 richtig sei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers gab an, dass sich der im Taufbuch eingetragene Name G. N. M. zusammensetze aus dem Vornamen des Klägers (G.), dem seines Vaters (G. = G.) und seines Großvaters (N.) sowie dem Namen des zugehörigen Stammes (M.). Als Nachweis für die Namen des Vaters und des Großvaters wurde ein weiterer handschriftlicher Auszug aus dem türkischen Einwohnerbuch vom 02.09.1998 in Kopie vorgelegt, der Eintragungen zum Kläger, seinen Eltern und Geschwistern enthält. Darin werden - soweit leserlich - folgende Namen und Geburtsdaten genannt:

G. A. geb. ... 1954

F. A. geb. ... 1955

R. A. geb. ... 1960

N. A. geb. ... 1960

F. A. geb. ... 1966

S. A. geb. ... 1968

Das Geburtsjahr einer weiteren Schwester N. A. ist danach nur schlecht lesbar. Es kann sowohl 01.03.1951, als auch 01.03.1957 oder 01.03.1959 heißen.

Dazu wurde ausgeführt, dass der Aussteller der zuvor vorgelegten Taufurkunde offenbar keine Einsicht in das Taufbuch habe nehmen können. Wie er auf das in der Urkunde ausgewiesene Taufdatum 06.09.1949 gekommen sei, sei unklar, dieses sei jedenfalls falsch. Möglicherweise habe der Pfarrer versucht, das Datum anhand der mündlichen Überlieferungen rückwirkend zu ermitteln. Anhand des nun feststehenden Taufdatums 17.08.1951 lasse sich nachvollziehen, dass das richtige Geburtsjahr des Klägers nicht 1949, sondern 1951 sei. Zwischenzeitlich habe auch für den groben Zeitraum des Geburtsdatums ein weiterer Zeuge gefunden werden können. Es handle sich um den Pfarrer der syrisch-orthodoxen Gemeinde in C-Stadt, dessen Eltern in derselben Straße wie die Eltern des Klägers gewohnt hätten und dessen Geburtsdatum (Anfang 1951) feststehe. Die Mutter dieses Zeugen habe immer davon gesprochen, dass der Kläger nur einige Monate nach ihm geboren sei. Der Antrag werde daher dahingehend berichtigt, dass das Geburtsdatum des Klägers vom 03.02.1954 auf den 15.08.1951 (nicht 15.08.1949) berichtigt werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2014 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Voraussetzungen nach § 33a SGB I lägen nicht vor. Es liege kein Schreibfehler vor und es sei auch nicht nachgewiesen, dass sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach § 33a Abs. 1 SGB I ausgestellt wurde, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Die zunächst vorgelegte Urkunde, die vom Pfarrer der syrisch-orthodoxen Kirche in D-Stadt unterzeichnet wurde und die nach ursprünglicher Behauptung nach dessen Einsicht in das Originaltaufbuch ausgestellt worden sei, trage kein Datum, sei aber offensichtlich erst aktuell ausgestellt worden. Nachdem das in dieser Unterlage bestätigte Geburtsdatum nicht weiter geltend gemacht werde, brauche auf die Beweiskraft dieser Unterlagen nicht weiter eingegangen zu werden. Es komme aber auch keine Änderung des Geburtsdatums auf den 15.08.1951 in Betracht. Ein Original des Dokuments liege weiterhin nicht vor, ebenso wenig eine amtlich beglaubigte Abschrift. Aus den vorgelegten Unterlagen, die kaum leserlich seien, könne nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass sie überhaupt tatsächlich den Kläger beträfen, zumal ursprünglich vom Pfarrer der syrisch-orthodoxen Kirche in D-Stadt das Datum 15.08.1949 genannt worden sei. Ein früheres Geburtsdatum bzw. Geburtsjahr sei daher nicht mit ausreichender Sicherheit feststellbar.

Mit seiner Klage zum Sozialgericht Augsburg hat der Kläger weiterhin vorgetragen, am 15.08.1951 geboren zu sein. Mit Schriftsatz vom 10.12.2014 hat er eine schriftliche Stellungnahme des angegebenen Zeugen K. vom 08.12.2014 vorgelegt, in der dieser erklärt, dass der Kläger nach Überlieferung beider Mütter ca. 8 - 9 Monate jünger sei als er. Er selbst sei am 26.11.1950 geboren. Sie hätten einer gemeinsamen Altersklasse angehört und gemeinsamen Religionsunterricht besucht. Durch ihre Mütter seien sie über das jeweilige Alter des anderen informiert worden.

Als Nachweis dafür, dass die Eintragung im Taufbuch tatsächlich ihn betreffe, hat der Kläger ihn und seinen Vater betreffende Kopien der Urkunden über die Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft in Übersetzung sowie einen von seinem Bruder S. gefertigten Stammbaum vorgelegt. Aus diesem gehe auch hervor, dass die Familienangehörigen in Syrien den alten Familiennamen „M.h“ hätten behalten dürfen, während man in der Türkei gezwungen worden sei, bedeutungslose türkische Familiennamen anzunehmen. Die Namenskombination im Taufbuch mit dem Namen des Klägers sowie dessen Vaters und Großvaters sowie des Sippennamens sei, zumal in Verbindung mit dem Geburtsort M., selten bzw. einmalig.

In der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2015 hat das Sozialgericht den jüngsten Bruder des Klägers S. A. als Zeugen gehört. Der Zeuge hat bestätigt, dass die Eintragung im Taufbuch den Kläger betreffe und angegeben, dass auch in seinem Fall das Taufdatum 40 Tage vor dem offiziellen Geburtsdatum liege. Er hat die Praxis einer späteren Erfassung der Geburtsdaten wie auch die Änderung des Nachnamens bestätigt und erklärt, dass die Taufe in der Regel acht Tage nach der Geburt erfolgt sei. Auch die Eintragung in das Taufbuch sei nicht unmittelbar, sondern erst einige Zeit später erfolgt. In dem von ihm gefertigten Stammbaum habe er für den Kläger das Geburtsjahr 1954 verwendet, weil es der Eintragung im Personalausweis entspreche. Er hat angegeben, das Taufbuch oder eine Kopie zuvor noch nie gesehen zu haben, sondern lediglich einen handschriftlich von einem weiteren Bruder gefertigten Auszug, auf dem alle Geschwister bis auf eine Schwester vermerkt gewesen seien, und zwar alle mit dem Namen A., was aber nicht ausschließe, dass im Taufbuch, das er nicht kenne, die Eintragung mit einem anderen Namen erfolgt sei.

Mit Urteil vom 15.06.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gemäß § 33a SGB I sei das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten gegenüber einem Sozialleistungsträger ergebe, wenn Rechte oder Pflichten von einer bestimmten Altersgrenze abhängig sind. Das sei vorliegend das Geburtsdatum 03.02.1954 gewesen. Gemäß § 33a Abs. 2 und 3 SGB I dürfe davon nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststelle, dass ein Schreibfehler vorliege oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs. 1 ausgestellt worden sei, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Zwar sei das Taufbuch eine Urkunde im Sinne von § 33a SGB I, die auch vor der erstmaligen Angabe des Geburtsdatums gegenüber einem deutschen Sozialversicherungsträger erstellt worden sei, wobei die Vorlage des Originals nicht notwendig sei und grundsätzlich auch das Taufdatum als Nachweis eines Mindestalters genüge. Es habe jedoch nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis festgestellt werden können, dass diese Eintragung tatsächlich den Kläger betreffe. Zweifel bestünden schon aufgrund der widersprüchlichen Angaben im Verwaltungsverfahren und auch die Aussage eines Bruders des Klägers als Zeugen habe den erforderlichen Vollbeweis nicht erbracht. Es bestehe daher auch kein Anspruch auf Änderung der Versicherungsnummer.

Mit seiner Berufung hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass ihm der Fehler des Pfarrers, der ursprünglich das Geburtsjahr 1949 ermittelt habe, nicht anzurechnen sei. Der Zeuge habe alle Angaben bestätigt, was gleichwohl nicht als ausreichend angesehen worden sei. Tatsächlich könne der Kläger zahlreiche weitere Zeugen aus der Gemeinde benennen, die bestätigen könnten, dass die Eintragung nur ihn betreffen könne. Auch die Geschwister seien mit der gleichen Systematik im Taufbuch eingetragen worden. Mit Schriftsatz vom 18.01.2016 ist ein Auszug aus dem Taufbuch der M.-Kirche in M. vorgelegt worden. Dazu ist eine in beglaubigter Übersetzung vom 26.01.2016 vorliegende handschriftliche Erklärung mit Stempel des Vereins für Syrisch Orthodoxe und des Gemeindevorstehers vorgelegt worden, welche der Eintragungen sich auf welche Personen beziehen. Nach der Übersetzung der jeweiligen Einträge sind darin die Namen der Angehörigen (Geschwister) aufgeführt, mit der Ergänzung „Sohn von G. M.“ bzw. bei „Sohn von G. N. M.“. Vermerkt sind danach folgende Namen und Taufdaten:

F. 06.06.1953

R. 21.03.1959

S. (N.?) 14.06.1961

F. 03.11.1965

S. 06.01.1968.

Sollten Zweifel an der Art und Weise der Führung der Taufbücher bestehen, werde angeboten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Es wurde ferner mitgeteilt, dass das Taufbuch, das inzwischen völlig zerfleddert gewesen sei, von einem Mitglied der Gemeinde vor einiger Zeit neu abgeschrieben worden sei, und zwar mit arabischen Zahlen, wobei sich insofern ein Fehler eingeschlichen habe, als die Seite mit dem Eintrag des Klägers nun mit der Registrierungsnummer 65 statt vorher 64 beginne, weswegen die Eintragung des Klägers nun die Registrierungsnummer 93 statt vorher 92 habe. Gleich geblieben sei aber die Eintragung in der 3. Zeile von unten mit dem Taufdatum 17.08.1951 und dem Namen G. N. M.. Ein Geistlicher der Syrischorthodoxen Kirche in M. hat unter dem Datum 25.05.2016 bestätigt, dass nach Überprüfung des Taufregisters neben dem am 17.08.1951 getauften Kläger kein weiteres Kind des Herrn G. N. M. mit dem Namen existiere. In einer zweiten Bestätigung vom 06.05.2016 hat ein anderer Geistlicher bestätigt, dass nach Überprüfung des Taufregisters Herr G. A. dort auf Blatt 3, Folgenummer 92 eingetragen sei.

Auf Aufforderung des Senats sind vom Kläger noch folgende Unterlagen vorgelegt worden:

- das Grundschulzeugnis (Grundschule mit 5 Jahrgängen) vom 12.06.1965 - die Legitimationskarte vom 06.07.1970

- die Einberufung zum Militär zum 06.07.1974

- die Bescheinigung des türkischen Generalkonsulats vom 08.03.1975 über die Verpflichtung zum Antritt des Wehrdienstes am 18.03.1975

- weitere Unterlagen über die anschließende Ausmusterung nach Behandlung im Militärkrankenhaus in S. im Juli 1975.

Außerdem ist die handschriftliche Aufstellung des Bruders R. über die Taufdaten der Geschwister, wie sie dem ursprünglichen Taufbuch entnommen worden sind, vorgelegt worden.

In der mündlichen Verhandlung am 25.04.2018 ist dem Kläger aufgegeben worden, dem Gericht die Fotodateien der bereits vorgelegten Fotografien sowohl des Originaltaufbuchs als auch der Abschrift sowie Fotodateien der Blätter 1,2, 4,5 sowie 7-17 sowohl des Originaltaufbuchs als auch der Abschrift vorzulegen. Der Kläger hat anschließend 12 Seiten mit Kopien des ursprünglichen Taufbuchs beginnend 1949, gefertigt von der Kirchengemeinde M. sowie eine CD mit Fotografien beider Taufbücher (Original und Abschrift) und einzelner Seiten vorgelegt. Der Zeuge C. hat mit Schreiben vom 11.10.2018 auf Frage des Gerichts mitgeteilt, dass er unter dem Namen B. A. D. C. am 05.11.1950 in der M. Kirche in M. getauft worden sei und einen Auszug aus dem Taufbuch vorgelegt. Vom Senat sind anschließend Übersetzungen in Auftrag gegeben worden, wobei aufgrund der vorgelegten Kopien nach Auskunft des Übersetzers vieles nicht lesbar war.

In der mündlichen Verhandlung am 20.03.2019 hat der Senat den Priester C. als Zeugen gehört, sowie den Übersetzer I. H. als sachverständigen Zeugen. Es sind diesen die den Kläger betreffenden Auszüge aus dem Originaltaufbuch in einer vergrößerten von der CD gefertigten Kopie vorgelegt worden sowie am Richtertisch in die CD Einsicht genommen worden. Hinsichtlich des Inhalts der Zeugeneinvernahme und des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die gefertigte Niederschrift verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15.06.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2014 aufzuheben die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine neue Versicherungsnummer unter Zugrundelegung des Geburtsdatums 17.08.1951 zu vergeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Akte des Ausländeramtes beizuziehen und die Angaben des Klägers anlässlich seiner Einbürgerung zu überprüfen,

hilfsweise die Berufung zurückzuweisen sowie die Revision zuzulassen.

Sie ist der Auffassung, dass der erforderliche Nachweis weiterhin nicht geführt werden könne. Es stehe nicht einmal fest, dass das Originaltaufbuch vor 1970 gefertigt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Leistungsakten der Beklagten einschließlich der von ihr beigezogenen Aktenvorgänge der DRV Hessen sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist gemäß §§ 143,151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt.

Sie ist auch begründet, weil zur Überzeugung des Senats feststeht, dass der Kläger am 17.08.1951 getauft worden ist und daher spätestens an diesem Tag geboren sein muss. Die Beklagte ist daher verpflichtet, die Versicherungsnummer des Klägers unter Berücksichtigung dieses Datums zu ändern.

1. Richtige Klageart für das Begehren des Klägers ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Die Neuvergabe einer Versicherungsnummer stellt einen Verwaltungsakt dar (vgl. BSG, Urteil vom 05.04.2001, B 13 RJ 35/0 0 R). Dementsprechend wurde der Antrag des Klägers auf Änderung der Versicherungsnummer von der Beklagten auch durch Verwaltungsakt abgelehnt.

2. Der Kläger hat Anspruch auf Vergabe einer neuen Versicherungsnummer unter Berücksichtigung eines Geburtsdatums am 17.08.1951, weil festgestellt worden ist, dass er tatsächlich nicht am 03.02.1954, sondern spätestens am 17.08.1951 geboren ist. Das vorliegend streitige Geburtsdatum ist gem. § 147 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) Teil der Versicherungsnummer.

Der Anspruch auf Vergabe bzw. Neuvergabe (Berichtigung) einer Versicherungsnummer richtet sich nach § 147 und § 152 Nr. 3 SGB VI i.V.m. der Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufsverordnung vom 30. März 2001 (BGBl. I S. 475), die zuletzt durch Artikel 22 Absatz 8 des Gesetzes vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500) geändert worden ist (VKVV) und die die frühere Versicherungsnummer-Verordnung (VNrV) abgelöst hat. Nach § 147 Abs. 1 Satz 1 SGB VI kann der Träger der Rentenversicherung für Personen eine Versicherungsnummer vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach dem SGB VI versicherten Personen hat er eine Versicherungsnummer zu vergeben (§ 147 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Nach § 147 Abs. 2 SGB VI setzt sich die Versicherungsnummer einer Person aus der Bereichsnummer des zuständigen Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer zusammen. Nach § 3 Abs. 1 VKVV werden Versicherungsnummern, in denen das Geburtsdatum oder die Seriennummer unrichtig sind oder Versicherungsnummern, die aufgrund einer nach § 33a Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums fehlerhaft geworden sind, gesperrt und die Versicherten erhalten eine neue Versicherungsnummer.

Ob eine Versicherungsnummer wegen eines unzutreffenden Geburtsdatums unrichtig ist, bestimmt sich nach § 33a SGB I. Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Von einem nach Abs. 1 maßgebenden Geburtsdatum darf gemäß § 33 Abs. 2 SGB I nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass

- ein Schreibfehler vorliegt oder

- sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs. 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

Diese Regelungen gelten gemäß § 33 Abs. 3 SGB I für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuches verwendeten Kennzeichens sind.

§ 33a SGB I in der Fassung vom 16.12.1997 soll die rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen in den Fällen vermeiden, in denen aufgrund einer Änderung von Geburtsdaten ein längerer Bezug von Sozialleistungen (z.B. bei kindbezogenen Leistungen) oder ein früherer Bezug (z.B. einer Altersrente) beantragt wird. Dabei nimmt die Gesetzesordnung vor allem Bezug auf die in ausländischen Rechtsordnungen vorgesehene Möglichkeit, das Geburtsdatum durch eine gerichtliche Entscheidung nachträglich zu ändern, wovon gerade türkische Arbeitnehmer in der Vergangenheit vermehrt Gebrauch gemacht haben (BT-Drs. 13/8994, S. 67 und grundlegend Seewald in Kassler Kommentar, 96. Aufl. 2017, § 33a SGB I, Rn. 2ff). Durch die Regelung in § 33a SGB I soll - die zuvor besonders verwaltungsintensive Prüfung vereinfachend - sichergestellt werden, dass solche Änderungen im deutschen Sozialrecht grundsätzlich nicht berücksichtigt werden und dass grundsätzlich das Geburtsdatum maßgebend ist, dass zuerst gegenüber einem Sozialleistungsträger angegeben wurde. Damit hat der Gesetzgeber die Anknüpfung an das „wahre“ Geburtsdatum aufgegeben und das im Geltungsbereich des SGB für altersabhängige Rechte und Pflichten maßgebende Geburtsdatum eigenständig definiert (BSG, Urteil vom 05.04.2001 - B 13 RJ 35/00 R - juris, Rdnr. 19).

Vorliegend hat der Kläger bis zu seinem Änderungsantrag, den er mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18.06.2013 gestellt hat, als Geburtsdatum den 03.02.1954 angegeben. Dieses war auch Grundlage für die Vergabe der Vers.-Nr. 18 030254 O 022 durch die Beklagte am 13.04.1988 und ist damit zunächst maßgebend im Sinne des § 33a Abs. 1 SGB I.

Da weder vorgetragen noch erkennbar ist, dass dieses Geburtsdatum auf einem Schreibfehler beruht, kommt es entscheidend darauf an, ob sich aus eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs. 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt (§ 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I).

Dabei gelten nach der Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 05.04.2001, a.a.O.) folgende Grundsätze:

Ein Geburtsdatum ist i.S. des § 33a SGB I nicht erst dann fehlerhaft, wenn sich nach Tag, Monat und Jahr ein (vollständig) anderes Geburtsdatum ergibt (BSG, Urteil vom 09.04.2003 - B 5 RJ 32/02 R -).

Der Begriff der Urkunde richtet sich nach allgemeinen Bestimmungen, wobei nicht nur Personenstandsunterlagen bzw. nur solche Urkunden herangezogen werden können, die das Geburtsdatum unmittelbar selbst dokumentieren. Danach sind Urkunden alle durch Niederschrift verkörperten Gedankenerklärungen, die geeignet sind, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Im sozialgerichtlichen Verfahren stellen sie Beweismittel i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dar.

Nach den allgemeinen Bestimmungen ist unter einer Urkunde i.S. von § 33a SGB I jede schriftliche Verkörperung eines Gedankens zu verstehen (auch hierzu grundlegend, BSG Urteil vom 05.04.2001, a.a.O.; Thomas in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, Vorb. zu § 415 Rn. 1), wobei Aussteller und die Art und Weise der Herstellung zunächst unerheblich sind. Auch Taufbücher stellen nach diesen allgemeinen Bestimmungen Urkunden dar. Nicht zu den Merkmalen der Urkunde gehört deren Beweiskraft. Im Unterschied zum Strafrecht kommt es beim Urkundsbeweis i.S.v. § 21 Abs. 1 Nr. 3 SGB X nicht darauf an, dass die Urkunde einen Aussteller erkennen lässt und im Rechtsverkehr von Bedeutung ist, sondern der Urkundenbeweis dient im Verfahrensrecht der Ermittlung und Verwertung des gedanklichen Inhalts eines Schriftstücks (Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 21 Rn. 30).

Dass nur Urkunden zu berücksichtigen sind, deren Original vor der ersten Angabe des Versicherten i.S. von § 33a Abs. 1 SGB I ausgestellt worden ist, bedeutet nicht, dass das Original der Urkunde vorliegen muss. Gerade Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb ihres Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen worden sind, befinden sich häufig in amtlicher Verwahrung. In diesem Fall ist ausschlaggebend, ob zur vollen Überzeugung des Gerichts festgestellt werden kann, dass eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe i.S. des § 33a Abs. 1 SGB I ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Daher kann für die Überzeugungsbildung des Gerichts auch eine Kopie oder Fotografie von Bedeutung sein, unabhängig davon, wann diese angefertigt worden ist.

§ 33a Abs. 2 SGB I verlangt auch nicht, dass das Geburtsdatum als solches in der Urkunde ausdrücklich und vollständig vermerkt ist; es „ergibt“ sich aus der Urkunde auch, wenn die durch die Urkunde bewiesenen Tatsachen zur vollen Überzeugung des Gerichts auf ein abweichendes Geburtsdatum i.S. des § 33a Abs. 2 SGB I schließen lassen.

2.1. Die vorgelegten Auszüge aus dem Taufregister stellen Urkunden i.S.d. § 33a SGB I dar. Das gilt sowohl für das Originalregister als auch für die später gefertigte Abschrift.

Für die Frage, welche Tatsachen durch eine Urkunde bewiesen werden, und für deren Echtheit gelten nach § 118 SGG die besonderen Beweisregeln der §§ 415 bis 419 ZPO bzw. die §§ 437 bis 440 ZPO entsprechend (BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 5 RJ 33/03 R -, juris). Dabei besteht nach den hier auch zu beachtenden europarechtlichen Grundsätzen die Verpflichtung, von der Behörde eines anderen Mitgliedstaates ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist (EUGH Urteil vom 2. Dezember 1997 - C-336/94 - SozR 3-7670 § 66 Nr. 1). Im Übrigen entscheidet das Gericht insbesondere über die Frage, welche Bedeutung die durch eine Urkunde i.S. der Beweisregeln bewiesenen Tatsachen für das Beweisthema haben, in freier Beweiswürdigung.

2.2. Das Originaltaufbuch ist zur Überzeugung des Senats auch vor dem Zeitpunkt ausgestellt worden, zu dem der Kläger erstmals gegenüber einem Sozialleistungsträger Angaben zu seinem Geburtsdatum im Sinne des § 33a Abs. 1 SGB I gemacht hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob hinsichtlich der Erstangaben auf die erste Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Jahr 1970, damals wurde die Versicherungsnummer 18 260054 O 008 vergeben, abzustellen ist, oder auf die Vergabe der nunmehrigen Versicherungsnummer am 13.04.1988. Wann die Fotografien angefertigt worden sind, ist ebenfalls unerheblich. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass dieses in mehreren Handschriften geführte Taufbuch mit einer chronologischen Darstellung aller Geburten zeitnah erstellt und nicht nachträglich abgeschrieben oder gar zur Vorlage bei Gericht erstellt worden ist. Vom Kläger sind neben Fotos von einzelnen Seiten auch Fotos vom Originaltaufbuch mit Deckblatt vorgelegt worden, aus denen sich der insgesamt sehr schlechte Zustand ergibt. Es handelt sich danach offensichtlich um ein altes Buch, das sich gerade in der Mitte zunehmend auflöst, weswegen es inzwischen auch in einer neuen Abschrift vorliegt, die anders als die von unterschiedlichen, nicht immer zweifelsfrei leserlichen und durchaus mit Streichungen und Korrekturen versehenen handschriftlichen Einträgen geprägte Urschrift sorgfältig und stringent in einer Handschrift gefertigt worden ist. Die Beklagte hat für ihre Zweifel an der Echtheit des Taufbuchs und der zeitnahen Eintragung der dort verzeichneten Taufen über ein allgemeines Misstrauen hinaus auch keine konkreten Anhaltspunkte benennen können. Fest steht allerdings, dass die Abschrift des Taufbuchs, die im Berufungsverfahren vorgelegt worden ist, nach dem gemäß § 33a Abs. 1 SGB I maßgebenden Zeitpunkt erstellt worden ist. Der Senat hat für seine Entscheidung hierauf aber nicht abgestellt. Maßgebend für die Feststellung eines anderen Geburtsdatums ist das Originaltaufbuch, das dem Senat sowohl in Kopie als auch in gut lesbaren Fotografien vorgelegt worden ist und an dessen Echtheit und Beweiskraft der Senat keine Zweifel hat.

2.3. Das Taufregister ist keine öffentliche Urkunde im Sinn des § 415 Abs. 1 ZPO. Öffentliche Urkunden sind danach Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind. Diese begründen, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges. Es kann aber als ausgeschlossen angesehen werden, dass christliche Gemeinden in der Türkei in den fünfziger Jahren als öffentliche Behörden fungiert haben (vgl. zu den Anforderungen im Einzelnen Geimer in Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 415 ZPO).

Das bedeutet, dass die beurkundete Tatsache nicht bereits durch die Beurkundung an sich nachgewiesen ist, sondern dass nach allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts zu entscheiden ist.

Gemäß § 128 SGG entscheidet der Senat dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, wobei die anspruchsbegründenden Feststellungen grundsätzlich nach dem Maßstab des Vollbeweises zu treffen sind, soweit sich nicht aus dem materiellen Recht im Einzelfall ein geringerer Maßstab - etwa Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung - ergibt (so BSG in ständiger Rspr., aktuell etwa im Urteil vom 15.12.2016 - B 5 RS 4/16 R -, juris, dort Rn. 14). Derartige Abweichungen vom Regelbeweismaß bedürfen aber einer gesetzlichen Grundlage und bestehen vorliegend nicht. Die entscheidungserheblichen Tatsachen, hier die Feststellung eines anderen Geburtsdatums aus dem Taufbuch, muss mit einem an Sicherheit oder Gewissheit grenzenden Grad der Wahrscheinlichkeit, der ernste, vernünftige Zweifel zum Schweigen bringt, festgestellt werden. Ob dieser Grad der inneren Überzeugung erreicht ist, kann nicht allgemein und objektiv, sondern allein aus Sicht des entscheidenden Richters im konkreten Fall bestimmt werden. Das ist letztlich der Kern bzw. der Ausdruck der freien Beweiswürdigung (Giesbert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 128 SGG, Rn. 26). Dabei können auch Unterlagen berücksichtigt werden, die zeitlich jüngeren Datums sind. Denn der zeitliche Ausschluss durch das Erfordernis einer früheren Urkunde bezieht sich nur auf die Ausstellung der Urkunde, aus deren Original sich ein anderes Geburtsdatum ergeben soll, hier das alte Taufbuch. Der Gesetzgeber hat damit lediglich das Nachschieben von neuen Tatsachen in dem Sinn begrenzt, dass neuere Urkunden als Beweismittel von Gesetzes wegen ausgeschlossen sein sollen, um - vor dem Hintergrund von Erfahrungen der Sozialleistungsträger - einen Missbrauch durch nachträglich erfolgte Beurkundungen auszuschließen (Seewald, a.a.O., Rn. 33). Im Rahmen der freien Beweiswürdigung können sowohl der Beteiligtenvortrag als auch Zeugenaussagen berücksichtigt werden und es dürfen auch allgemein bekannte Erkenntnisse mit einbezogen werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 128 Rn. 4).

2.4. Grundsätzlich bestehen aufgrund der Art und Weise, in der das Taufbuch geführt worden ist, zunächst keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Taufen darin ordnungsgemäß und zutreffend beurkundet worden sind. Die Taufen sind chronologisch und systematisch verzeichnet, wobei zunächst der Vorname des Täuflings aufgeführt ist, dann weitere Namen; nach Angaben des Klägers und des mit der Führung von Taufbüchern vertrauten Zeugen C. handelt es sich dabei um den Namen des Vaters, dann den des Großvaters sowie anschließen den Familien-/Sippennamen. Zum Teil ist auch nur ein weiterer Vorname (Vater oder Großvater) genannt. Ferner sind eingetragen die Kirche, der taufende Priester und der oder die Taufpaten. Die Einträge sind entsprechend der aramäischen Schreibweise von rechts nach links zu lesen. Vereinzelte Streichungen und Korrekturen, die offensichtlich zeitnah vorgenommen worden sind, sind nicht geeignet, die Beweiskraft grundsätzlich zu erschüttern. Der Zeuge C. hat ergänzend ausgesagt, dass die Taufe nach dem Recht der syrisch-orthodoxen Kirche vorzunehmen war, sobald der Nabel verheilt ist, also in der Regel ein bis zwei Wochen nach der Geburt. Dem somit grundsätzlich zeitnah geführten Taufregister kommt eine höhere Beweiskraft zu als nachträglich ausgestellten Bescheinigungen, etwa Schulbescheinigungen, bei denen regelmäßig nicht bekannt ist, auf welcher Grundlage die Daten eingetragen worden sind (vgl. etwa Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30.04.2014 - L 20 R 872/12 -, juris).

Aus dieser Urkunde ergibt sich, dass eine Person namens (bzw. Gi. oder evtl. auch Gü. oder G.) G. N. M. am 17.08.1951 in der Kirche St. M. in M. in der Türkei von Pfarrer N. getauft worden ist. Das haben sowohl der Sachverständige Zeuge H. als auch der zum Termin geladene schriftkundige Dolmetscher wie auf Vorhalt des Taufbuchs auch der Zeuge C., der als Priester ebenfalls schriftkundig ist, bestätigt. Leidglich nicht sicher ausgeschlossen werden kann danach nach Aussage des Zeugen H., ob es sich bei dem Konsonaten in der Mitte um ein „n“ oder ein „l“ handelt, da nach dem handschriftlichen Eintrag der entsprechende Buchstabe für ein „n“ vergleichsweise lang dargestellt ist, allerdings auch kürzer als üblicherweise ein „l“. Der Zeuge C. war dagegen der Meinung, dass es sich sicher um ein „n“ handle. Fest steht danach auch, dass Vokale in der aramäischen Schrift keine Rolle spielen und allenfalls zur Erleichterung der Lesbarkeit mit kleinen hochgestellten Zeichen dargestellt werden können, wie es später in der Abschrift erkennbar ist. Diese sind im Originaltaufbuch allerdings nicht enthalten. Der Name kann daher sowohl Gi. als auch G. bzw. evtl. G. oder Gü. heißen. Die beiden am Ende verbundenen Querstriche, die auch als Streichung bzw. Korrektur angesehen werden können, stellen tatsächlich nach übereinstimmender Aussage aller Schriftkundigen in der mündlichen Verhandlung einen Buchstaben dar, der dazu führt, dass das stimmlose „G“ zu Beginn als stimmhaftes „Tsch“ ähnlich dem englischen „G“ etwa in George ausgesprochen wird, was auch der Aussprache des Vornahmens des Klägers in der aramäischen Sprache entspricht. Die nachfolgenden Eintragungen „G. N. M.“ sowie der taufende Pfarrer und der Taufpate sind danach zweifelsfrei gut leserlich.

2.5. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich bei der am 17.08.1951 getauften Person um den Kläger gehandelt hat. Ernste, vernünftige Zweifel bestehen danach nicht mehr und wären allenfalls dann gerechtfertigt, wenn man das Taufbuch als Beweismittel grundsätzlich ablehnen wollte oder die Angaben des Klägers und des Zeugen insgesamt als unglaubwürdig ansehen würde. Dafür besteht aber keine Veranlassung. Sowohl der Kläger als auch der Zeuge haben spontan, widerspruchsfrei und im Wesentlichen überstimmend ausgesagt, ohne dass in irgendeiner Form eine Absprache zutage getreten wäre. Ohne dass es hierauf entscheidend ankommt, hat der Dolmetscher, der wie der Kläger und Zeuge aus M. stammt, allerdings deutlich jünger ist und daher beide in M. noch nicht kannte, deren Angaben zu den Strukturen und behördlichen Verfahrensweisen bestätigt. Auch die übrigen vorgelegten Unterlagen lassen ein Geburtsdatum des Klägers im Jahr 1951 als wesentlich wahrscheinlicher erscheinen als eines im Jahr 1954. Dem Senat ist im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht verwehrt, auch solche Umstände heranzuziehen, um sich von der Beweiskraft und Richtigkeit der Urkunde zu überzeugen.

Die übrigen Unterlagen, die ausnahmslos auf dem von den türkischen Behörden aufgenommenen Geburtsdatum 03.02.1954 beruhen, sind demgegenüber ebenso unrichtig wie das Geburtsdatum selbst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger, der bisher über keine andere Legitimation verfügt hat, bisher nur dieses Geburtsdatum verwenden konnte. Dass die auf dieser Grundlage erstellten Urkunden, etwa die Legitimationskarte, die Unterlagen des Militärs und die deutschen und türkischen Personaldokumente wie auch die Einbürgerungsurkunde der Regierung von Schwaben vom 22.06.1993 aufgrund eigener Prüfung der ausstellenden Behörden ausgestellt worden sind, kann nicht festgestellt werden, weswegen aus der Tatsache, dass die meisten vorgelegten Dokumente das „falsche“ Geburtsdatum aufweisen keine zusätzliche Beweiskraft für dieses Geburtsdatum beigemessen werden kann. Dem Kläger mag vorgeworfen werden, dass er sich erst im Zusammenhang mit einer - aufgrund des zunächst angegebenen Alters - mit Abschlägen verbundenen vorgezogenen Altersrente entschieden hat, ein anderes Geburtsdatum feststellen zu lassen. Deswegen sind auch die Angaben besonders gründlicher Überprüfung zu unterziehen. Dass er dies aber rechtsmissbräuchlich zu einem früheren Zeitpunkt unterlassen hat, etwa um in den Genuss bestimmter an ein späteres Geburtsdatum geknüpfter Leistungen zu kommen, kann nicht festgestellt werden. Vielmehr hat das Geburtsdatum für den Kläger bis zu diesem Zeitpunkt keine Rolle gespielt, was sich auch in der persönlichen Einvernahme bestätigt hat. Der Kläger selbst wusste zu keinem Zeitpunkt, wie alt er wirklich war. Er hatte stets nur eine ungefähre Vorstellung, so in Relation zu dem Zeugen oder seinen Geschwistern. Vor allem kann es inzwischen nicht mehr darauf ankommen, ob der Kläger möglicherweise aufgrund seiner (angegebenen) Minderjährigkeit Vorteile erhalten hat, als er 1970 das erste Mal zu seiner Mutter nach Deutschland gekommen ist.

Deswegen war auch dem Beweisantrag der Beklagten auf Anforderung der möglicherweise noch vorhandenen Ausländerakte nicht nachzukommen. Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht ansatzweise erläutert hat, welche Tatsache damit bewiesen werden soll, geht der Senat davon aus, dass der Kläger bzw. wohl damals seine Mutter das „offizielle“ türkische Geburtsdatum 03.02.1954 angegeben hat.

Für die Identität des Klägers mit der im Taufbuch eingetragenen Person spricht insbesondere die Namenskombination mit dem Vaters-/Großvaters- und Sippennamen. Die Namen des Vaters und Großvaters (G. bzw. N.) sind anhand weiterer Urkunden, insbesondere der Urkunde über die Entlassung des Vaters aus der türkischen Staatsbürgerschaft belegt. Der Sippenname (M. bzw. M.h) ergibt sich aus den Angaben des Klägers und des Zeugen sowie dem vorgelegten Stammbaum. Auch die Geschwister des Klägers sind danach entweder mit dem Namen des Vaters oder des Großvaters und in jedem Fall mit diesem Stammesnamen im Taufbuch eingetragen. Dazu kommt der türkische Vorname, wobei es keine entscheidende Rolle spielt, ob der Kläger darin mit „l“ oder mit „n“ geschrieben ist.

Die Angaben des Klägers, wonach sie als christliche Minderheit mehr oder weniger gezwungen gewesen seien, türkische Namen, so auch den Familiennamen „A.“ anzunehmen, hat der Zeuge C. bestätigt. Auch dieser ist mit einem aramäischen Namen im Taufbuch eingetragen, hat aber jahrelang einen türkischen Nachnamen (K.) geführt. Der Kläger hat dazu angegeben, dass in seinem Fall der Vater habe „auf Nummer sicher gehen wollen“ und ihm zum Schutz vor möglichen Repressalien zusätzlich zum türkischen Familiennamen einen türkischen Vornamen gegeben habe. An der Richtigkeit dieses Sachverhalts und dem grundsätzlichen Nebeneinander von türkischen und aramäischen Namen hat der Senat keinen ernsthaften Zweifel.

Sowohl der Kläger als auch der Zeuge C. waren sich sicher, dass es keine andere Familie G. N. M. in M. gegeben hat. Dazu haben beide umfangreich ausgesagt und erläutert, welche anderen Bruder- bzw. Cousinfamilien mit entsprechend anderen Kombinationen es in M. und in anderen Städten gegeben hat. Der Zeuge, der mit dem Kläger zusammen aufgewachsen ist, hat spontan weitere Namenskombinationen aufgezählt, die belegen, dass es sich dabei jeweils um Brüder des Vaters oder des Großvaters gehandelt hat. Bei ca. 70 Familien im Viertel sowie 900 in M., bestehend aus ca. 10 „Stämmen“ kann es, wenn man diese Angaben nicht grundsätzlich als unglaubwürdig ansieht, wofür keine Anhaltspunkte bestehen, keinen Zweifel geben, dass es sich bei der eingetragenen Person um den Kläger handelt. So hat der Kläger zu der Eintragung unter ihm (Eintrag 93 des ursprünglichen Taufbuches) erläutert, dass es sich um einen Cousin gehandelt haben muß, dessen Vater A. ein Bruder seines Vaters war. Unabhängig davon, wie der Vorname dieses Verwandten genau lautete, insoweit waren sich die Schriftkundigen nicht einig, da dieser Eintrag vergleichsweise schlecht lesbar ist, hat er auch hierzu spontan weitere Verwandte und Namenskombinationen aufgezählt und angegeben, wie viele und welche Kinder sein Onkel A. insgesamt gehabt hatte. Auch wenn es sich danach bei den Namen G. und N. um immer wiederkehrende Namen handelt, erscheint damit ausgeschlossen, dass es eine weitere Person mit der Namenskombination des Klägers gegeben hat, die zu dieser Zeit in dieser Kirche in M. getauft worden ist.

Die Angaben werden insbesondere bestätigt durch die Aussage des Zeugen C., der zunächst selbst überzeugend dargelegt hat, weswegen er sich in seinem Fall sicher ist, dass für ihn zeitnah ein annähernd passendes Geburtsdatum eingetragen wurde. Danach ist zwar auch er zunächst 8 bis 15 Tage nach der Geburt getauft worden, anschließend aber, was ungewöhnlich gewesen sei, sofort bei den türkischen Behörden registriert worden, um eine Steuerbefreiung, die der Staat ab dem 5. Kind gewährt habe, alsbald in Anspruch nehmen zu können. Damit steht nach seiner Überzeugung aufgrund der übereinstimmenden Daten fest, dass er im November 1950 geboren ist. Er hat aber ausgeführt, dass dies eine Ausnahme gewesen sei und im Weiteren dargelegt, dass er den Kläger, der im Nachbarhaus bzw. auf der anderen Straßenseite gewohnt habe, nach seiner Erinnerung, die etwa mit dem 4. Lebensjahr beginne, schon immer gekannt habe und mit ihm bis heute befreundet bzw. jedenfalls bekannt sei. Wäre der Kläger wirklich erst 1954 geboren, wäre er aber zu diesem Zeitpunkt erst geboren und kaum ein geeigneter Spielkamerad gewesen. Auch sind beide entsprechend des Jahrgangsunterschiedes von einem guten Jahr mit einem Jahr Unterschied eingeschult worden, er erinnerlich 1958, der Kläger entsprechend 1959 oder 1960, nachdem sie zuvor gemeinsam die Religionsschule besucht haben, was entsprechend 1957 oder 1958 gewesen sein muss, also zu einem Zeitpunkt als der Kläger danach erst drei oder vier Jahre alt gewesen wäre. Dies steht in Übereinstimmung mit dem vorgelegten Schulentlassungszeugnis vom Juni 1965, wonach der Kläger nach einer 5-jährigen Schulzeit entlassen wurde und demnach 1959 oder spätestens 1960 eingeschult worden sein muss. Das bedeutet, dass er bei seinem Geburtsdatum 1954 bei seiner Einschulung erst fünf oder gerade sechs Jahre alt gewesen wäre, was der allgemeinen Erfahrung widerspricht, wonach Kinder in der Türkei regelmäßig nicht vor dem 7. Lebensjahr eingeschult worden sind, sondern tendenziell erst danach bis zum 9. Lebensjahr (vgl. auch hierzu Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30.04.2014, a.a.O.). Auch der Zeuge, der erst spät im Jahr 1950 geboren ist, ist erst mit 8 Jahren eingeschult worden, wobei er erinnerlich erst von 7 Jahren ausgegangen ist. Der Kläger selbst hat hierzu angegeben, dass er schon etwas „erwachsener“ gewesen sei als die übrigen Schüler. Auch dies spricht dafür, dass der Eintrag 03.02.1954 falsch und der Eintrag im Taufbuch richtig ist und den Kläger betrifft.

Im Sinne einer Bestätigung der Schlüssigkeit der Taufbucheintragungen gegenüber den Eintragungen im Personenregister spricht auch die Reihenfolge der danach eingetragenen Geburten, die hinsichtlich des Personenstandsregisters den Eindruck erwecken, es habe sich nicht um reale Geburtsdaten handelt, wofür vor allem die Häufung der Angaben 01.01. oder 02.01. eines Jahres bei alleine vier Geschwistern spricht. Das diese Register oft nicht die realen Geburtsdaten aufweisen und insbesondere in ländlichen Gebieten der Türkei keine Vermutung der Richtigkeit für sich beanspruchen können, ist eine gerichtsbekannte Tatsache (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 05.04.2001 - B 13 RJ 35/00 R -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor. Streitig sind keine Rechtsfragen, sondern ausschließlich Tatsachenfeststellungen sowie Fragen der Beweiswürdigung. Dabei legt der Senat die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zugrunde.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. März 2019 - L 13 R 496/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. März 2019 - L 13 R 496/15

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. März 2019 - L 13 R 496/15 zitiert 19 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Zivilprozessordnung - ZPO | § 415 Beweiskraft öffentlicher Urkunden über Erklärungen


(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffen

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 118


(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprech

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 21 Beweismittel


(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere 1. Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,2. Be

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 33 Ausgestaltung von Rechten und Pflichten


Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 437 Echtheit inländischer öffentlicher Urkunden


(1) Urkunden, die nach Form und Inhalt als von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person errichtet sich darstellen, haben die Vermutung der Echtheit für sich. (2) Das Gericht kann, wenn es die Echtheit f

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 147 Versicherungsnummer


(1) Die Datenstelle der Rentenversicherung kann für Personen eine Versicherungsnummer vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Geset

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 33a Altersabhängige Rechte und Pflichten


(1) Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, daß eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenübe

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 152 Verordnungsermächtigung


Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates 1. Personen, an die eine Versicherungsnummer zu vergeben ist,2. den Zeitpunkt der Vergabe einer Versicherungsnummer,3. das Nähere übe

Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufsverordnung - VKVV | § 3 Berichtigung der Versicherungsnummer


(1) Eine Versicherungsnummer wird nur einmal vergeben und nicht berichtigt. Versicherungsnummern, in denen das Geburtsdatum oder die Seriennummer unrichtig sind oder Versicherungsnummern, die aufgrund einer nach § 33a des Ersten Buches Sozialgesetzbu

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. März 2019 - L 13 R 496/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. März 2019 - L 13 R 496/15 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 30. Apr. 2014 - L 20 R 872/12

bei uns veröffentlicht am 30.04.2014

Tenor I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 03.09.2012 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelas

Bundessozialgericht Urteil, 15. Dez. 2016 - B 5 RS 4/16 R

bei uns veröffentlicht am 15.12.2016

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 1. März 2016 abgeändert und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dres

Referenzen

(1) Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, daß eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt.

(2) Von einem nach Absatz 1 maßgebenden Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß

1.
ein Schreibfehler vorliegt oder
2.
sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.

(1) Die Datenstelle der Rentenversicherung kann für Personen eine Versicherungsnummer vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach diesem Buche versicherten Personen hat sie eine Versicherungsnummer zu vergeben.

(2) Die Versicherungsnummer einer Person setzt sich zusammen aus

1.
der Bereichsnummer des zuständigen Trägers der Rentenversicherung,
2.
dem Geburtsdatum,
3.
dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens,
4.
der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und
5.
der Prüfziffer.
Weitere personenbezogene Merkmale darf die Versicherungsnummer nicht enthalten.

(3) Jede Person, an die eine Versicherungsnummer vergeben wird, und der für sie zuständige Träger der Rentenversicherung sind unverzüglich über die vergebene Versicherungsnummer sowie über die Zuordnung nach § 127 zu unterrichten.

(4) Die Datenstelle der Rentenversicherung stellt für jede Person, für die sie eine Versicherungsnummer vergibt, einen Versicherungsnummernachweis aus, der nur folgende personenbezogene Daten enthalten darf:

1.
die Versicherungsnummer,
2.
die Vornamen, den Familiennamen und den Geburtsnamen und
3.
das Ausstellungsdatum.

(5) Ein neuer Versicherungsnummernachweis wird durch die Datenstelle der Rentenversicherung ausgestellt

1.
auf Antrag bei der zuständigen Einzugsstelle oder beim Rentenversicherungsträger, wenn der Sozialversicherungsausweis oder der Versicherungsnummernachweis zerstört worden, abhandengekommen oder in anderer Form unbrauchbar geworden ist oder
2.
von Amts wegen, wenn sich die Versicherungsnummer oder die Angaben zur Person ändern. In diesen Fällen werden die bisher ausgestellten Versicherungsnummernachweise widerrufen.

(6) Die Versicherungsnummer findet auch Anwendung für die Sozialhilfe und die Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Personen, an die eine Versicherungsnummer zu vergeben ist,
2.
den Zeitpunkt der Vergabe einer Versicherungsnummer,
3.
das Nähere über die Zusammensetzung der Versicherungsnummer sowie über ihre Änderung,
4.
die für die Vergabe einer Versicherungsnummer zuständigen Versicherungsträger,
5.
das Nähere über Voraussetzungen, Form und Inhalt sowie Verfahren der Versendung von Versicherungsverläufen,
6.
die Art und den Umfang des Datenaustausches zwischen den Trägern der Rentenversicherung sowie mit der Deutschen Post AG sowie die Führung des Versicherungskontos und die Art der Daten, die darin gespeichert werden dürfen,
7.
Fristen, mit deren Ablauf Sozialdaten spätestens zu löschen sind,
8.
die Behandlung von Versicherungsunterlagen einschließlich der Voraussetzungen, unter denen sie vernichtet werden können, sowie die Art, den Umfang und den Zeitpunkt ihrer Vernichtung
zu bestimmen.

(1) Die Datenstelle der Rentenversicherung kann für Personen eine Versicherungsnummer vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach diesem Buche versicherten Personen hat sie eine Versicherungsnummer zu vergeben.

(2) Die Versicherungsnummer einer Person setzt sich zusammen aus

1.
der Bereichsnummer des zuständigen Trägers der Rentenversicherung,
2.
dem Geburtsdatum,
3.
dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens,
4.
der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und
5.
der Prüfziffer.
Weitere personenbezogene Merkmale darf die Versicherungsnummer nicht enthalten.

(3) Jede Person, an die eine Versicherungsnummer vergeben wird, und der für sie zuständige Träger der Rentenversicherung sind unverzüglich über die vergebene Versicherungsnummer sowie über die Zuordnung nach § 127 zu unterrichten.

(4) Die Datenstelle der Rentenversicherung stellt für jede Person, für die sie eine Versicherungsnummer vergibt, einen Versicherungsnummernachweis aus, der nur folgende personenbezogene Daten enthalten darf:

1.
die Versicherungsnummer,
2.
die Vornamen, den Familiennamen und den Geburtsnamen und
3.
das Ausstellungsdatum.

(5) Ein neuer Versicherungsnummernachweis wird durch die Datenstelle der Rentenversicherung ausgestellt

1.
auf Antrag bei der zuständigen Einzugsstelle oder beim Rentenversicherungsträger, wenn der Sozialversicherungsausweis oder der Versicherungsnummernachweis zerstört worden, abhandengekommen oder in anderer Form unbrauchbar geworden ist oder
2.
von Amts wegen, wenn sich die Versicherungsnummer oder die Angaben zur Person ändern. In diesen Fällen werden die bisher ausgestellten Versicherungsnummernachweise widerrufen.

(6) Die Versicherungsnummer findet auch Anwendung für die Sozialhilfe und die Grundsicherung für Arbeitsuchende.

(1) Eine Versicherungsnummer wird nur einmal vergeben und nicht berichtigt. Versicherungsnummern, in denen das Geburtsdatum oder die Seriennummer unrichtig sind oder Versicherungsnummern, die aufgrund einer nach § 33a des Ersten Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums fehlerhaft geworden sind, werden gesperrt. Die Versicherten erhalten eine neue Versicherungsnummer.

(2) Sind an eine Person mehrere Versicherungsnummern vergeben worden, sind alle bis auf eine zu sperren. Für gesperrte Versicherungsnummern ist eine Verbindung zu dem aktuell gültigen Versicherungskonto herzustellen; eine Datenübermittlung im Sinne von § 6 ist sicherzustellen.

(3) Wird eine Versicherungsnummer für mehrere Versicherte benutzt, darf diese nicht mehr verwendet werden. Die Versicherten erhalten eine neue Versicherungsnummer. Die gespeicherten Daten werden durch die Rentenversicherungsträger dem richtigen Versicherungskonto zugeordnet.

(1) Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, daß eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt.

(2) Von einem nach Absatz 1 maßgebenden Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß

1.
ein Schreibfehler vorliegt oder
2.
sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.

Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind.

(1) Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, daß eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt.

(2) Von einem nach Absatz 1 maßgebenden Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß

1.
ein Schreibfehler vorliegt oder
2.
sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, daß eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt.

(2) Von einem nach Absatz 1 maßgebenden Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß

1.
ein Schreibfehler vorliegt oder
2.
sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, daß eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt.

(2) Von einem nach Absatz 1 maßgebenden Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß

1.
ein Schreibfehler vorliegt oder
2.
sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.

(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges.

(2) Der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zulässig.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 1. März 2016 abgeändert und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 22. Mai 2015 in vollem Umfang zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren darüber, ob die Beklagte die bisherigen Höchstwertfestsetzungen von Arbeitsentgelten, die der Kläger während seiner Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr 1 der Anl 1 zum AAÜG - AVItech) tatsächlich erzielt hat, im sog Überführungsbescheid zurücknehmen und zusätzlich Jahresendprämien als weiteres Arbeitsentgelt für die Jahre 1975 bis 1990 feststellen muss.

2

Der 1950 geborene Kläger war vom 18.9.1972 bis 30.6.1990 zunächst als Konstrukteur, später als Mitarbeiter für Forschung und Entwicklung im volkseigenen Betrieb (VEB) P bzw im VEB Druckmaschinenwerk P beschäftigt. Die Beklagte stellte das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 18.9.1972 bis 30.6.1990 als "nachgewiesene Zeiten" der AVItech sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest, ohne dabei Jahresendprämien zu berücksichtigen (Überführungsbescheid vom 16.3.2005). Im Juni 2014 beantragte der Kläger die Berücksichtigung von Jahresendprämien als glaubhaft gemachtes Entgelt und legte eine Zeugenerklärung vor. Nachdem die Beklagte den Zeugen schriftlich befragt hatte, lehnte sie es ab, den Überführungsbescheid zurückzunehmen und Jahresendprämien als weitere Arbeitsentgelte festzustellen, weil ihr Zufluss weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sei (Bescheid vom 18.11.2014 und Widerspruchsbescheid vom 29.1.2015).

3

Das SG Dresden hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 22.5.2015). Auf die Berufung des Klägers hat das Sächsische LSG den Gerichtsbescheid abgeändert und die Beklagte "unter Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.1.2015 verurteilt, den Bescheid vom 16.3.2005 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1975 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe" in geschätzter und genau bezifferter Höhe "zu berücksichtigen sind". Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 1.3.2016): Es sei überwiegend wahrscheinlich und daher glaubhaft gemacht, dass dem Kläger für die Beschäftigungs- und Planjahre 1974 bis 1989 in den jeweils nachfolgenden Jahren 1975 bis 1990 Jahresendprämien tatsächlich zugeflossen seien, weil er gemäß § 117 Abs 1 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB-DDR) vom 16.6.1977 (GBl I, 185) dem Grunde nach Anspruch auf Jahresendprämien gehabt habe. Denn die Zahlung von Jahresendprämien sei für sein Arbeitskollektiv glaubhaft in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart gewesen, sein Arbeitskollektiv habe glaubhaft die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt und er sei in den Jahren 1974 bis 1989 während des gesamten Planjahres nachweislich Angehöriger der jeweiligen VEBs gewesen. Dagegen sei die konkrete Höhe der gezahlten Jahresendprämien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Deshalb mache das Gericht von seiner Schätzbefugnis Gebrauch, die sich aus § 202 SGG iVm § 287 Abs 2, Abs 1 S 1 ZPO ergebe. Wie das BSG bereits in der Vergangenheit implizit bestätigt habe, handele es sich bei der Feststellung weiterer Arbeitsentgelte zumindest mittelbar und sekundär um eine vermögensrechtliche Streitigkeit iS von § 287 Abs 2 ZPO, weil das von der Beklagten nach § 6 Abs 1 S 1 AAÜG festzustellende und dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilende(§ 8 Abs 1 S 1 und S 2 AAÜG)erzielte Arbeitsentgelt Grundlage der Berechnung der Höhe einer Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei. Darüber hinaus sei die vollständige Aufklärung aller für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämienbeträge maßgebenden Umstände (jährliche Betriebskollektivverträge, individuelle und kollektive Leistungskennziffern, Berechnungsmethoden und Berechnungsgrundlagen ausgehend von den Zielvorgaben der staatlichen Planauflagen, beispielsweise in einer Betriebsprämienordnung) auch mit Schwierigkeiten iS von § 287 Abs 2 ZPO verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stünden. Die Schätzung gestalte sich im konkreten Fall wie folgt: Als jährlicher Basiswert der Jahresendprämienhöhe sei der im Planjahr erzielte durchschnittliche Bruttomonatslohn zugrundezulegen, der im Überführungsbescheid jeweils ausgewiesen sei. Denn bei der Jahresendprämie habe es sich um ein sog 13. Monatsgehalt in der (Mindest-)Höhe eines Bruttomonatslohns gehandelt, und ein anderer Ausgangswert sei nicht vorhanden, weil die Grundlagen der konkreten Leistungskennziffern gänzlich unbekannt seien. In diesen Fällen sei auch nach den maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen von den im Betrieb üblichen Bedingungen auszugehen, wobei vergleichende Feststellungen der an andere Betriebsangehörige als Jahresendprämie gezahlte Beträge als Anhaltspunkte dienen könnten. Auch die maßgeblichen staatlichen Prämienverordnungen selbst hätten in ihren abstrakten Rahmenvorgaben hinsichtlich der Höhe der Jahresendprämie an den durchschnittlichen Monatsverdienst angeknüpft. Von diesem jährlichen Basiswert sei ein Abschlag iHv 30 % vorzunehmen, der dem Umstand Rechnung trage, dass die konkrete Höhe der jeweiligen jährlichen Jahresendprämien von einer Vielzahl von individuellen und kollektiven Faktoren abhängig gewesen sei, die rückschauend betrachtet in ihrer Gesamtheit nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden könne. Von den somit zugrunde gelegten (geschätzten) 70 % eines monatlichen Bruttodurchschnittsverdienstes sei ein weiterer Abzug in Höhe eines Sechstels als sachgerecht zu veranschlagen, sodass im Ergebnis lediglich fünf Sechstel von 70 % zu berücksichtigen seien. Dieser zusätzliche Abschlag sei aus zwei Gründen gerechtfertigt: Zum einen werde damit dem Umstand Rechnung getragen, dass der Kläger den Zufluss der Jahresendprämie dem Grunde nach nicht nachgewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht habe (Rechtsgedanke des § 6 Abs 6 AAÜG). Zum anderen sei dieser Abschlag auch wegen eines Erst-Recht-Schlusses gerechtfertigt: Wenn schon das Gesetz in § 6 Abs 6 AAÜG eine Berücksichtigung von fünf Sechsteln bei nur glaubhaft gemachter Höhe des weiteren Arbeitsentgelts vorsehe, dann müsse dies erst recht gelten, wenn die Höhe nicht einmal glaubhaft gemacht sei, sondern lediglich vom Gericht geschätzt werden könne. Das geschätzte Ergebnis (fünf Sechstel von 70 % = ca 58,33 %) nähere sich damit stark dem unter Bezugnahme auf verschiedene Betriebsprämienordnungen einzelner Betriebe angegebenen Mindestwert von Jahresendprämien (60 %) an, was die Schätzung zusätzlich bestätige. Soweit der Kläger höhere Arbeitsentgelte sowie solche für das Zuflussjahr 1974 begehre, sei die Berufung unbegründet und zurückzuweisen.

4

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzungen von § 128 Abs 1 S 1, § 202 S 1 SGG iVm § 287 Abs 2, Abs 1 S 1 ZPO; § 6 Abs 1 S 1, § 8 Abs 2 S 2 AAÜG: Ob das Tatsachengericht im Rahmen freier Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 S 1 SGG) von seiner Schätzbefugnis und damit von einer Beweiserleichterung Gebrauch mache, stehe in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Vorliegend sei dem LSG ein Ermessensfehlgebrauch unterlaufen. Es habe die Grenzen richterlicher Beweiswürdigung verletzt, weil es zur Schätzung der Höhe der Jahresendprämien nicht befugt gewesen sei. Ein Rückgriff auf die Vorschrift des § 287 Abs 2 ZPO im geschlossenen System des Nachweises bzw der Glaubhaftmachung von Entgelten in der gesetzlichen Rentenversicherung sei systemwidrig. Die Regelung des § 6 Abs 6 AAÜG zur Glaubhaftmachung sei abschließend, und eine Schätzung deshalb von vornherein ausgeschlossen, wie die Landessozialgerichte Mecklenburg-Vorpommern(Urteile vom 2.3.2016 - L 7 R 311/12 sowie vom 18.2.2015 - L 7 R 1L 7 R 147/11 - Juris RdNr 50 f) und Berlin-Brandenburg (Urteil vom 28.4.2016 - L 33 R 6/15 - Juris RdNr 49) bereits entschieden hätten. Das Berufungsgericht verkenne, dass sämtliche Tatumstände, die es unter die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale des § 117 Abs 1 AGB-DDR subsumiere, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dh im Vollbeweis, nachgewiesen sein müssten, was auch das BSG im sog "Jahresendprämien-Urteil"(vom 23.8.2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 4) fordere. Die bloße Glaubhaftmachung iS einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit genüge somit nicht; das Beweismaß der Glaubhaftmachung in § 6 Abs 6 AAÜG gelte nicht für den Feststellungsanspruch dem Grunde nach, sondern nur für dessen Höhe. Zudem dürfe "die Höhe einer Forderung" nach § 287 Abs 2 ZPO nur geschätzt werden, wenn die Tatsachen voll erwiesen seien, mit denen das "Ob" der Forderung, dh der Zahlungsanspruch als solcher, begründet werde, worauf das LSG Berlin-Brandenburg(aaO, Juris RdNr 51) zu Recht hinweise. Schließlich seien dem Berufungsgericht bei der Art und Weise, wie es den Schätzvorgang gestalte, "Verfahrensfehler" unterlaufen. Soweit es das durchschnittliche Monatsbruttogehalt im jeweiligen Planjahr als Anknüpfungstatsache heranziehe, sei dieser Basiswert - schon nach den rechtlichen Regularien der DDR - untauglich und rechtlich nicht tragfähig. Die davon erfolgenden Abschläge von 30 % und nochmals einem Sechstel seien aus der Luft gegriffen und methodisch nicht haltbar. Abschließend sei festzustellen, dass dem Berufungsgericht sowohl bei der Beantwortung der Frage, ob es überhaupt schätzen durfte als auch bei der Durchführung der Schätzung selbst Fehler unterlaufen seien, die die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten. Hierauf beruhe das angefochtene Urteil.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 1. März 2016 abzuändern und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 22. Mai 2015 in vollem Umfang zurückzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Das BSG habe bereits im Urteil vom 4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 3) entschieden, dass hilfsweise eine Schätzung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts gemäß § 287 ZPO in Betracht komme, wenn sich dessen Höhe in Kalenderjahren mit Arbeitsausfalltagen nicht unmittelbar feststellen lasse. Vorliegend habe das LSG die Voraussetzungen des § 117 Abs 1 AGB-DDR auf Basis der bindenden Tatsachenfeststellungen zu Recht bejaht. Die Beklagte verkenne, dass unterschiedliche Beweismaßstäbe zum Beleg der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 117 Abs 1 AGB-DDR möglich seien. Es ergebe sich aus keiner gesetzlichen Grundlage, dass hier ausschließlich der Strengbeweis zu fordern sei und eine Glaubhaftmachung gerade nicht genüge. Soweit das LSG bei der Bestimmung der Höhe der Jahresendprämie an den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpfe, sei dies unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsverordnungen nachvollziehbar. Zwar sei es richtig, dass über die Höhe des Abschlags im Rahmen der Schätzung gestritten werden könne. Insoweit komme dem Gericht jedoch ein nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten werde, wenn die Schätzungsgrundlagen schlichtweg unvertretbar seien. Davon könne jedoch nicht ausgegangen werden. Denn es sei kein Fall bekannt, in dem die Jahresendprämie nicht wenigstens 70 % eines monatlichen Bruttodurchschnittsverdienstes betragen habe. Alle Anspruchssteller und Zeugen tendierten eher dahin, die Höhe der Jahresendprämie mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von mindestens 90 % anzugeben. Vor diesem Hintergrund sei es vertretbar, den Abschlag so hoch anzusetzen, dass sämtliche Unwägbarkeiten Berücksichtigung finden könnten, sodass es nahezu ausgeschlossen sei, dass hier Arbeitsentgelte berücksichtigt würden, die tatsächlich nicht erzielt worden seien. Es sei auch vertretbar, quasi als zusätzliche Sicherheit, noch auf die Regelung des § 6 Abs 6 AAÜG zurückzugreifen. Insofern sei entscheidend, dass das LSG die Schätzungsgrundlagen offengelegt und diese nachvollziehbar dargelegt habe.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet, sodass der Senat in der Sache selbst zu entscheiden hat (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das LSG hat der Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG unter Verletzung von Bundesrecht (§ 162 SGG) überwiegend stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind indes rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die bisherigen Höchstwertfestsetzungen von Arbeitsentgelten im sog Überführungsbescheid vom 16.3.2005 zurückzunehmen und zusätzlich geschätzte Jahresendprämien als weiteres Arbeitsentgelt für die Jahre 1975 bis 1990 vorzumerken. Denn dem Kläger steht kein entsprechender Anspruch auf Feststellung höherer Arbeitsverdienste zu.

9

Der Kläger begehrt im Wege der Kombination (§ 56 SGG) einer Anfechtungs- und mehrerer Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 S 1 Var 1 und 3 SGG), die Ablehnungsentscheidung im Bescheid vom 18.11.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 29.1.2015 (§ 95 SGG) aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die bestandskräftigen (§ 77 SGG) Verwaltungsakte (§ 31 S 1 SGB X) über die Festsetzung des jeweiligen Höchstbetrages seiner Arbeitsentgelte für die Jahre 1975 bis 1990 im Überführungsbescheid vom 16.3.2005 zurückzunehmen und anstelle der alten Entgelthöchstbetragsregelungen jeweils eine neue Höchstbetragsregelung unter Einbeziehung von Jahresendprämien festzusetzen. Da der Kläger das Berufungsurteil vom 1.3.2016 nicht angegriffen hat, soweit es seine Berufung zurückweist, ist der Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 22.5.2015 insofern rechtskräftig (§ 141 Abs 1 SGG)und der Bescheid vom 18.11.2014 für die Beteiligten in der Sache insofern bindend (§ 77 SGG) geworden, als die Beklagte darin die Feststellung höherer Arbeitsentgelte für das Zuflussjahr 1974 verneint und es gleichzeitig abgelehnt hat, für die Zuflussjahre 1975 bis 1990 höhere Arbeitsentgelte festzusetzen, die über diejenigen hinausgehen, die im angefochtenen Urteil zugesprochen worden sind.

10

1. Die insoweit erstrebte Rücknahme richtet sich nach § 44 SGB X, der auch im Rahmen des AAÜG anwendbar ist(§ 8 Abs 3 S 2 AAÜG; vgl auch Senatsurteil vom 15.6.2010 - B 5 RS 6/09 R - Juris RdNr 13 und ausführlich BSGE 77, 253, 257 = SozR 3-8570 § 13 Nr 1 S 5). Danach ist ein (iS von § 45 Abs 1 SGB X) nicht begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit er (anfänglich) rechtswidrig ist. Der Verwaltungsakt ist immer mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Abs 2 S 1 aaO), soweit er noch Rechtswirkungen hat, also noch nicht iS von § 39 Abs 2 SGB X erledigt ist. Die Rücknahme hat (gebundene Entscheidung) für die Vergangenheit zu erfolgen, wenn wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts "Sozialleistungen" zu Unrecht nicht erbracht oder "Beiträge" zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X). Das Gebot zur rückwirkenden Rücknahme gilt nicht in bestimmten Fällen der Bösgläubigkeit (Abs 1 S 2 aaO). Im Übrigen "kann" (Ermessen) der anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakt auch in sonstigen Fällen, also über die Fälle des Abs 1 S 1 aaO hinaus, für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs 2 S 2 aaO).

11

Da sich § 44 Abs 1 SGB X nur auf solche bindenden Verwaltungsakte bezieht, die - anders als die feststellenden Verwaltungsakte im Überführungsbescheid vom 16.3.2005 - unmittelbar Ansprüche auf nachträglich erbringbare "Sozialleistungen" (§ 11 S 1 SGB I) iS der §§ 3 ff und 18 ff SGB I betreffen(BSGE 69, 14, 16 = SozR 3-1300 § 44 Nr 3), kann sich der Rücknahmeanspruch des Klägers nur aus Abs 2 aaO ergeben. Nach dieser Vorschrift ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar (und damit zugleich bindend) geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (S 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (S 2). Die Feststellungen über die Höhe der erzielten Arbeitsentgelte im Überführungsbescheid vom 16.3.2005, die jeweils einzelne feststellende Verwaltungsakte iS des § 31 S 1 SGB X sind und die in Bezug auf die geltend gemachten Jahresendprämien keinen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt haben(nicht begünstigender Verwaltungsakt iS von § 45 Abs 1 SGB X), waren jedoch im Zeitpunkt ihres Erlasses (Bekanntgabe iS von § 37 SGB X)rechtmäßig. Denn die geltend gemachten Jahresendprämien sind nicht als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen.

12

2. Als Anspruchsgrundlage für die begehrten rechtlichen Feststellungen kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträgerin für das Zusatzversorgungssystem der Anl 1(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat ua "das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen" (= Arbeitsverdienste) zu enthalten.

13

3. Maßstabsnorm, nach der sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste den Zugehörigkeitszeiten zu einem (Zusatz-)Versorgungssystem der DDR zuzuordnen sind, ist § 6 Abs 1 S 1 AAÜG. Danach ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl § 5 aaO) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrundezulegen. Der Begriff des Arbeitsentgelts iS des § 6 Abs 1 S 1 AAÜG bestimmt sich nach § 14 SGB IV, wie der erkennende Senat(BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 6 RdNr 15) im Einklang mit dem 4. Senat des BSG (SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 24 ff), der früher für das Recht der Rentenüberleitung zuständig gewesen ist, bereits entschieden hat. Dabei ist durch die Rechtsprechung des 4. Senats, der sich der erkennende Senat anschließt, gleichermaßen geklärt, dass die sog Jahresendprämien einmalige Einkünfte aus einer Beschäftigung iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IV waren und diese bundesrechtliche Qualifizierung nicht durch § 17 Abs 1 Nr 1 SGB IV iVm § 1 ArEV vom 18.12.1984 (BGBl I 1642) ausgeschlossen ist (BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 27, 33). Gleichzeitig folgt für die Feststellung von Bezug und Höhe dieser einmaligen Einkünfte aus der Formulierung "erzieltes Arbeitsentgelt" in § 6 Abs 1 S 1 AAÜG im Zusammenhang mit § 5 Abs 1 S 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also in bestimmter Höhe tatsächlich gezahlt worden ist(BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 19).

14

4. Für den Zufluss von Entgeltbestandteilen wie der sog Jahresendprämie trägt der Zahlungsempfänger die Feststellungs- bzw objektive Beweislast (BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 42), dh das Risiko bzw den Nachteil, dass sich diese Tatsache nicht beweisen und feststellen lässt (non liquet). Der Tatbestand öffentlich-rechtlicher Normen ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn ein einschlägiger Sachverhalt nach Ausschöpfung grundsätzlich aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisgrundlagen bis zur Grenze der Zumutbarkeit (Senatsbeschluss vom 2.3.2010 - B 5 R 208/09 B - Juris RdNr 9; BVerwG Urteil vom 26.8.1983 - 8 C 76/80 - Buchholz 310 § 86 Abs 1 VwGO Nr 147 S 9 und Beschluss vom 18.2.2015 - 1 B 2/15 - Juris RdNr 4; vgl auch BVerfG Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 - Juris RdNr 67) mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl zB BSG Urteil vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7) im Vollbeweis, dh zur vollen Überzeugung des hierzu berufenen Anwenders iS einer subjektiven Gewissheit feststeht. Für das sozialgerichtliche Verfahren ergibt sich dies aus § 103 S 1 Halbs 1, § 128 Abs 1 S 1 SGG. Abweichungen (Gewissheit, hinreichende Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung) von diesem Regelbeweismaß bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 4 - Juris RdNr 4; vgl auch BSG Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R - BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3; BVerwG Beschluss vom 3.8.1988 - 9 B 257/88 - NVwZ-RR 1990, 165; Bolay in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 128 RdNr 13 ff; Höfling/Rixen in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, § 108 RdNr 87; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl 2016, § 108 RdNr 5; Kühl in Breitkreuz/Fichte, 2. Aufl 2014, § 118 RdNr 3 ff). Nur dann ist gewährleistet, dass normativ angeordnete Rechtsfolgen allein Fällen der gesetzlich vorgesehenen Art zugeordnet werden und im Streitfall effektiver Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) gewährleistet ist. Die in § 6 Abs 6 AAÜG normierten Beweiserleichterungen verhelfen der Klage indessen nicht zum Erfolg.

15

5. Zwar hat das LSG auf dieser Grundlage für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, dass dem Kläger in den jeweils ausgeurteilten Jahren tatsächlich Jahresendprämien zugeflossen sind, weil dies zwar nicht (im Vollbeweis) nachgewiesen, aber glaubhaft gemacht, dh "überwiegend wahrscheinlich" sei (vgl dazu § 23 Abs 1 S 2 SGB X; § 202 S 1 SGG iVm § 294 ZPO). Dabei geht das LSG zu Recht davon aus, dass dieser - im Vergleich zum Regelbeweismaß - abgesenkte Beweisgrad ausreicht, um im Einzelfall den tatsächlichen Zufluss von Arbeitsentgelt anzunehmen und festzustellen (so auch Bayerisches LSG Urteil vom 23.6.2015 - L 1 RS 3/14 - Juris LS; LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil 18.2.2015 - L 7 R 147/11 - Juris RdNr 42 ff; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 9.10.2014 - L 33 R 151/13 - Juris RdNr 37; Thüringer LSG Urteil vom 27.5.2014 - L 6 R 1280/12 - Juris RdNr 19 ff; offen gelassen LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 12.2.2014 - L 1 RS 28/13 - Juris RdNr 25 ff). Dies ergibt die Auslegung des § 6 Abs 6 AAÜG. Danach wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird. Die Formulierungen "der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes" und "der andere Teil" sind prinzipiell weit und ermöglichen es, die Glaubhaftmachung dieses Verdienstteils sowohl auf dessen Höhe als auch auf dessen Zufluss oder auf beides zu beziehen, während der Nachweis des übrigen Verdienstteils schon logisch Zufluss und Höhe erfassen muss. Angesichts der klaren gesetzlichen Differenzierung des Gesamtverdienstes in einen glaubhaft gemachten und einen nachgewiesenen Teil liegt es indes fern, die Glaubhaftmachung auf die Höhe des Verdienstes bei nachgewiesenem Zufluss zu beschränken. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Norm mit dem Erfordernis, dass Zufluss und Höhe eines Verdienstteils im Vollbeweis nachgewiesen sein müssen, bereits ausdrücklich das strenge Regelbeweismaß anlegt und damit einen starken Anker schafft, was spiegelbildlich Abstriche beim Beweismaß für Höhe und Zufluss des anderen Verdienstteils legitimiert und ggf Rückschlüsse aufgrund zuvor oder anschließend erzielten Arbeitsentgelts erlaubt (vgl dazu BSG Urteil vom 28.10.1996 - 8 RKn 19/95 - SozR 3-2600 § 123 Nr 1 S 4; Spegel, MittLVA Württ 1996, 164 jeweils zu § 256c SGB VI). Zudem findet die einschneidende Rechtsfolge, die einen erheblichen Abschlag in Höhe eines Sechstels vorsieht, auch und gerade in Fällen ihre Rechtfertigung, in denen neben der Höhe auch der Zufluss von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nur glaubhaft gemacht werden kann und damit die Verdienstfeststellung in ihrer anteiligen Gänze auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruht.

16

6. Ebenso für das Revisionsgericht verbindlich hat das Berufungsgericht aber auch (negativ) festgestellt, dass die Höhe der einschlägigen Zahlungen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht ist. Insofern ist unerheblich, dass das angegriffene Urteil möglicherweise nicht auf diesen Feststellungen beruht (vgl dazu BSG Urteil vom 10.11.1993 - 11 RAr 47/93 - BSGE 73, 195 = SozR 3-4100 § 249e Nr 3; Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 163 RdNr 15). Soweit das LSG die Höhe der Jahresendprämien jedoch auf 58,33 % eines im jeweiligen Beschäftigungsvorjahr erzielten monatlichen Bruttodurchschnittsbetrages geschätzt hat, ist der Senat an diese weitergehenden Feststellungen (§ 163 SGG) nicht gebunden. Denn das Berufungsgericht geht insofern von rechtlich unzutreffenden Annahmen hinsichtlich des Beweismaßes aus, die der sachlichen Prüfung durch das BSG unterliegen. Das AAÜG enthält jedenfalls für Fälle der vorliegend zur Entscheidung stehenden Art abschließende Regelungen zu Möglichkeiten und Folgen einer Beweiserleichterung hinsichtlich der Höhe des zugrundezulegenden Verdienstes. Zusätzliche Beweiserleichterungen des materiellen (a) oder des sog formellen Rechts (b) greifen daneben nicht ein.

17

a) § 6 Abs 6 AAÜG erlaubt es dem Versicherten ausnahmsweise, die Höhe eines Verdienstteils glaubhaft zu machen, wenn der andere Teil des Verdienstes nachgewiesen ist und eröffnet insoweit zu seinen Gunsten im beschränkten Umfang eine Beweismaßreduzierung, allerdings auf Kosten eines Abschlags in Höhe eines Sechstels des glaubhaft gemachten Teils des Verdienstes. Eine weitere Verminderung des Beweismaßstabes im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat.

18

Auch aus § 6 Abs 5 AAÜG iVm § 256b Abs 1 und § 256c Abs 1 und 3 S 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Insofern kann offenbleiben, ob Abs 5 überhaupt neben Abs 6 zur Anwendung kommen kann (idS BT-Drucks 13/2590 S 33).

19

b) Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO, die nach § 202 S 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und "entsprechend" anzuwenden ist(vgl zB BSG Urteile vom 14.7.1988 - 11/7 RAr 41/87 - SozR 4100 § 115 Nr 2; vom 20.5.1987 - 10 RKg 12/85 - BSGE 62, 5 = SozR 1750 § 287 Nr 1; vom 15.3.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr 5; vom 27.7.1978 - 2 RU 37/78 - Juris RdNr 21), greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 Abs 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs 6 AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene Schätzung scheidet damit aus. Andernfalls käme es zu unauflösbaren Widersprüchen, wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt: Bei der Schätzmethode des LSG handelt es sich um ein in sich geschlossenes Konstrukt, in das mit einer nachträglichen Kürzung des Schätzergebnisses um ein Sechstel derart intensiv eingegriffen würde, dass von einer Schätzung nicht mehr die Rede sein kann. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter ausgestalten und festlegen müssen, ob und ggf wie mit dem Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung in § 6 Abs 6 AAÜG als geschlossenes Regelungskonzept.

20

Aber selbst wenn man § 287 ZPO in Fällen der vorliegenden Art für anwendbar hält, scheidet eine Schätzung gemäß § 287 Abs 1 ZPO schon mangels "Schadens" von vornherein aus. Schließlich sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 287 Abs 2 ZPO nicht erfüllt. Denn diese Norm greift - als Ausnahme von den Grundsätzen in § 286 ZPO und § 128 Abs 1 S 1 SGG - nur ein, wenn eine "Forderung" dem Grunde nach mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht, dh im Vollbeweis belegt ist, und nur noch ihre "Höhe … streitig ist"(vgl BSG Urteil vom 28.5.2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr 1 RdNr 12; BGH Urteile vom 17.12.2014 - VIII ZR 88/13 - Juris RdNr 45 und vom 25.10.1984 - IX ZR 76/83 - MDR 1985, 494 Juris RdNr 13; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 2015, § 63 RdNr 85; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl 2016, § 287 RdNr 11; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 287 RdNr 1; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2013, § 287 RdNr 11 und 29; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl 2016, § 287 RdNr 20; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl 2016, § 287 RdNr 7; Saenger, ZPO, 6. Aufl 2015, § 287 RdNr 11). Die Schätzbefugnis und die damit verbundene Beweismaßreduzierung beschränkt sich somit auf die Höhe nachgewiesener Forderungen; nur wenn und soweit allein die Forderungshöhe streitig ist, darf der Richter insofern Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen anstellen. Andernfalls käme es zu doppelten Wahrscheinlichkeitsüberlegungen und zu dem Problem, dass hinsichtlich des "Ob" des Zuflusses (Glaubhaftmachung iS einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit) und mit Blick auf die Höhe der Forderung (Schätzungswahrscheinlichkeit) unterschiedliche Erwägungen zu unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgraden anzustellen wären. Damit würde aber das rechtswidrige Ergebnis in Kauf genommen, dass beide Faktoren in ihrer Überlagerung bzw Kombination nicht mehr wahrscheinlich, sondern lediglich möglich wären. Eine derart weite Loslösung von der Wirklichkeit und die damit verbundene Aufweichung der Feststellungslast sieht § 287 Abs 2 ZPO nicht vor; die bloße Möglichkeit, dass dem Versicherten Arbeitsentgelt in geschätzter Höhe zugeflossen ist, genügt keinesfalls (vgl zB BSG Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr 4). Schließlich erscheint es methodisch ausgeschlossen, die Schätzbefugnis nach § 287 Abs 1 S 1 ZPO erst nach mehrfacher entsprechender Anwendung dieser Vorschrift zu eröffnen: Über die Verweisung in § 202 S 1 SGG ist § 287 ZPO überhaupt nur "entsprechend anzuwenden" und innerhalb dieser zivilprozessualen Norm ist die Schätzbefugnis in § 287 Abs 1 S 1 SGG über Abs 2 aaO ihrerseits ebenfalls nur "entsprechend anzuwenden", und zwar vorliegend erst, nachdem dessen Regelungsbereich zuvor auf Fallkonstellationen mit ungeklärter Haftungsgrundlage erweitert worden ist, obgleich die insofern einschlägigen tatsächlichen Umstände gerade zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen müssen(§ 286 ZPO).

21

Fragestellungen zur Ermittlung und Feststellung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts in Kalenderjahren mit Arbeitsausfalltagen, die der Entscheidung des 4. Senats in seinem Urteil vom 4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 3) zugrunde liegen, waren vorliegend nicht zu beantworten. In diesem Fall ebenso wie in dem Urteil vom 23.8.2007 (SozR 4-8570 § 6 Nr 4) ging es dem Grunde nach um nachgewiesene Zahlungen.

22

c) Da die Höhe der glaubhaft erzielten Jahresendprämien weder im Vollbeweis noch im Wege der Glaubhaftmachung belegt ist und der Kläger insofern die Feststellungslast trägt, hat er keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte unter Rücknahme der bisherigen Entgelthöchstbetragsregelung eine neue Höchstbetragsregelung unter Einbeziehung geschätzter Jahresendprämien festsetzt.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Tenor

I.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 03.09.2012 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Berichtigung des Geburtsdatums in der Versicherungsnummer hat.

Der Kläger beantragte am 06.04.2010 bei der Beklagten eine Berichtigung des Geburtsdatums in der Versicherungsnummer. In der Versicherungsnummer ist das Geburtsdatum mit 1953 angegeben, im vorgelegten Pass des Klägers ist das Geburtsdatum mit 1950 angegeben. Vorgelegt wurde ebenfalls ein Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister (Nüfus), wonach am 11.03.2010 gemäß Urteil des Amtsgerichts P. das Geburtsdatum 1953 in 1950 korrigiert wurde. Zur Begründung des Antrags gab der Kläger an, seine Eltern seien bis 1952 nicht verheiratet gewesen. Deshalb hätten sie das Geburtsdatum mit 1953 angegeben, tatsächlich sei er aber 1950 geboren.

Mit Bescheid vom 27.04.2010 lehnte die Beklagte eine Berichtigung ab. Änderungen in der Nüfus-Bescheinigung könnten nur dann berücksichtigt werden, wenn sie zeitlich vor der ersten Angabe des Geburtsdatums, also vor der Vergabe der Versicherungsnummer lägen. Der Beschluss des türkischen Gerichts vom 11.03.2010 sei erst nach der erstmaligen Angabe des Geburtsdatums bei Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung ergangen, so dass eine Änderung nicht erfolgen könne.

Gegen den Bescheid ließ der Kläger mit Schreiben vom 19.05.2010 Widerspruch erheben. Zur Begründung legte der Bevollmächtigte 2 Unterlagen vor:

Ein „Diploma“ vom 05.09.1964, welches dem deutschen qualifizierten Abschluss an einer Hauptschule entspreche. Wäre der Widerspruchsführer tatsächlich erst 1953 geboren, hätte er den obigen Abschluss bereits mit 11 Jahren erworben, was wohl nicht zutreffend sein könne.

Ein Urteil des Amtsgerichts P. vom 01.02.2010. Mit diesem Urteil wurde das Geburtsdatum des Klägers von 1953 in 1950 berichtigt. Der Kläger gab in diesem Verfahren an, die Zeugenaussagen würden das Geburtsjahr 1950 in Verbindung mit anderen Ereignissen bestätigen. Das Gericht folgte dieser Argumentation.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die erstmalige Vergabe der Versicherungsnummer sei am 09.07.1971 unter dem Nachweis des Geburtsdatums1953 erfolgt. Das Urteil des türkischen Amtsgerichts sei im Jahre 2010 ergangen, könne also nicht zu einer Änderung im Sinne des § 33a Abs. 2 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) führen. Das „Ilkokul Diplomasie“ vom 05/1964 entspreche nicht einem Abschlusszeugnis, welches dem qualifizierenden Hauptschulabschluss entspreche. Das Diplom sei übersetzt worden. In diesem Diplom werde bestätigt, dass der Kläger die fünfjährige Ausbildung im Schuljahr 1963/1964 mit Zeugnis vom 05.09.1964 erfolgreich abgeschlossen habe. Es handele sich um ein Abschlusszeugnis der Grundschule. Dies spreche vielmehr für das Jahr 1953 als Geburtsjahr, weil der Kläger bei der Einschulung im Jahr 1959 dann 6 Jahre alt gewesen sei.

Dagegen hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erheben lassen. Im Wesentlichen hat er die Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

Ergänzend hat der Bevollmächtigte eine beglaubigte Übersetzung einer Bestätigung des türkischen Bildungsministeriums vom 18.01.2011 vorgelegt. In diesem Schreiben bestätigt das Bildungsministerium Direktion der Grundschulen am 18.01.2011, dass 1958 gemäß § 4 der Richtlinie (b) im Mitteilungsblatt vom 06.01.1958 mit der Nr. 992 Kinder zwischen 7 bis 9 Jahren in die erste Klasse aufgenommen worden seien. Daraus ergebe sich, dass Ende der 1950er Jahre nur Kinder im Alter zwischen 7 bis 9 Jahre in die erste Klasse aufgenommen worden seien. Bedenken der Beklagten über das Einschulungsalter von 9 Jahren des Klägers seien also unbegründet. Eine Einschulung mit 6 Jahren sei aus rechtlichen Gründen gar nicht möglich gewesen. Sei der Kläger also erst 1953 geboren, hätte eine Einschulung 1959 nicht erfolgen dürfen. Sei er allerdings 1950 geboren worden, sei die Aufnahme innerhalb der Altersgrenzen in der ersten Klasse erfolgt. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die Grundschule nicht in den vorgeschriebenen 5 Jahren absolviert habe, sondern 1 Jahr habe wiederholen müssen, er also bereits 1958 eingeschult worden sei.

Die Beklagte hat dargelegt, dass aus der Schulbescheinigung nicht eindeutig hervorgehe, wann der Kläger geboren sei. Es lasse sich auch nicht zwingend - durch Rückrechnungen ausgehend vom Einschulungsalter - bestimmen, da das Einschulungsalter ebenfalls nicht nachgewiesen sei.

Der Kläger hat weiter vorgetragen, seine Eltern seien zum Zeitpunkt seiner Geburt 1950 noch nicht verheiratet gewesen. Es sei undenkbar gewesen, als Kind zweier nicht verheirateter Elternteile geboren zu werden. Die Eltern hätten erst am 18.06.1952 geheiratet, so dass das Geburtsdatum einfach auf das Jahr nach der Hochzeit, nämlich den 1953 beziffert worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Änderung gemäß § 33a SGB I bestehe nicht. Das Urteil des Amtsgerichts P. sei für die Anwendung des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nicht zu verwerten, da es erst im Jahre 2010 erstellt worden sei. Auch die vorgelegte Schulbescheinigung in Verbindung mit der Auskunft des Bildungsministeriums sei nicht geeignet, das Geburtsdatum 1950 zu begründen. Zwar handele es sich bei der Schulbescheinigung um eine Urkunde i. S. des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I. Allerdings habe nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts festgestellt werden können, dass sich aus der Urkunde, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Das von dem Kläger begehrte Geburtsdatum sei in der Schulbescheinigung schon nicht konkret benannt. Nach eigener Einlassung des Klägers habe dieser türkischen Behörden gegenüber im Jahr 1958 als am1953 geboren gegolten. Damit sei er gegenüber den türkischen Behörden 5 Jahre alt gewesen. Nach der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung sei eine Einschulung im Jahr 1958 nur im Alter zwischen 7 bis 9 Jahren möglich gewesen. Eine Einschulung - wie vom Kläger vorgetragen - sei also nicht möglich gewesen.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Im Wesentlichen hat er vorgetragen, die etwaigen Unstimmigkeiten im klägerischen Vortrag hätten im Rahmen der Amtsermittlung durch Zeugeneinvernahme der Mutter und Vortrag des Klägers geklärt werden müssen.

In der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger erklärt, zwischen den Familien seiner Eltern habe damals eine Blutfehde bestanden. Seine Eltern hätten etwa in den Jahren 1950 bis 1953 nach I. flüchten müssen, deshalb sei es zu dem Geburtdatum 1953 gekommen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 03.09.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 27.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Versicherungsnummer entsprechend dem Geburtsdatum 1950 zu ändern.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 03.09.2012 zurückzuweisen.

Die Beklagte schließt sich den Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG Bayreuth an.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Berichtigung seiner Versicherungsnummer abgelehnt.

Gemäß § 33a SGB I ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten gegenüber einem Sozialleistungsträger ergibt, wenn Rechte oder Pflichten von einer bestimmten Altersgrenze abhängig sind. Der für diesen Rechtsstreit entscheidende Teil der Versicherungsnummer ist das nach § 147 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) enthaltene Geburtsdatum. Im Fall einer Änderung des Geburtsjahres hätte dies nach § 152 Nr. 3 SGB VI i. V. m. § 3 der Verordnung über die Versicherungsnummer, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung - Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufverordnung (VKVV) zur Folge, dass der Versicherte eine neue Versicherungsnummer erhält.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger bei der erstmaligen Vergabe der Versicherungsnummer am 09.07.1971 das Geburtsdatum 1953 angegeben.

Gemäß § 33a Abs. 2 Abs. 3 SGB I kann von einem nach Abs. 1 maßgebenden Geburtdatum nur dann abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass

1. ein Schreibfehler vorliegt oder

2. sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs. 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

Die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I sind jedoch nicht erfüllt (Nr. 1 steht hier nicht in Frage).

Der Kläger hat 2 Dokumente vorgelegt, die im Rahmen des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I Anwendung finden sollen. Das Urteil des Amtsgerichts P. stammt vom 01.02.2010 und berichtigt das bisherige Geburtsdatum des Klägers auf den 1950. Dieses Urteil ist jedoch nach 1971 ergangen und insoweit nicht berücksichtigen.

Der Kläger hat weiter ein Diplom vom 05.09.1964 vorgelegt.

Zunächst ist festzustellen, dass sich der Begriff einer Urkunde i. S. des § 33a Abs. 2 SGB I nach den allgemeinen Bestimmungen richtet und eine Beschränkung auf die Berücksichtigung nur bestimmter Urkunden der Vorschrift nicht zu entnehmen ist. § 33a Abs. 2 SGB I verlangt auch nicht, dass das Geburtsdatum als solches in der Urkunde ausdrücklich und vollständig vermerkt ist; es „ergibt“ sich aus der Urkunde auch, wenn die durch die Urkunde bewiesenen Tatsachen zur vollen Überzeugung des Gerichts auf ein abweichendes Geburtsdatum i. S. des § 33a Abs. 2 SGB I schließen lassen (vgl. BSG vom 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 m. w. N., veröffentlicht in juris). Nach den allgemeinen Bestimmungen ist eine Urkunde i. S. des § 33a Abs. 1 SGB I i. V. m. § 415 der Zivilprozessordnung (ZPO) jede schriftliche Verkörperung eines Gedankens. Aussteller, Art und Weise der Herstellung sind unerheblich. Nicht zu den Merkmalen der Urkunde gehört deren Beweiskraft (vgl. BSG vom 28.04.2004 a. a. O.).

Für die Frage, welche Tatsachen durch eine Urkunde bewiesen werden, und für deren Echtheit gelten nach § 118 SGG die besonderen Beweisregelungen der §§ 415 bis 419 ZPO bzw. die §§ 437 bis 440 ZPO entsprechend. Dabei entsteht nach den auch hier zu beachtenden europarechtlichen Grundsätzen die Verpflichtung, von der Behörde eines anderen Mitgliedstaates ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogenen Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist (EuGH vom 02.12.1997 - C-336/94, veröffentlicht in juris). Im Übrigen entscheidet das Gericht insbesondere über die Frage, welche Bedeutung die durch eine Urkunde i. S. der Beweisregeln bewiesenen Tatsachen für das Beweisthema haben in freier Beweiswürdigung.

Bei dem von dem Kläger vorgelegten „Diplom“ handelt es sich zwar um eine Urkunde in diesem Sinne. Mit diesem Diplom wird bestätigt, dass der Kläger die 5-jährige Ausbildung im Schuljahr 1963/1964 mit Zeugnis vom 05.09.1964 erfolgreich abgeschlossen hat. Im Zusammenhang mit der Bestätigung des Bildungsministeriums vom 16.01.2011, wonach im Jahre 1958 Kinder zwischen 7 bis 9 Jahren in die erste Klasse aufgenommen wurden, kann allenfalls errechnet werden, dass der Kläger 1959 eingeschult worden ist. Bei Einschulung mit sieben Jahren wäre das Geburtsjahr 1952, bei Einschulung mit 9 Jahren 1950. Offiziell war den Behörden aber nur das Geburtsjahr 1953 bekannt, mithin erfolgte schon nicht nach den Vorschriften die Einschulung erst mit 7 Jahren, sondern bereits mit 6 Jahren. Schon daraus lässt sich schließen, dass ein zuverlässiger Schluss aus dem Jahr des Abschlusses in Verbindung mit den Einschulungsregelungen nicht gezogen werden kann. Wird der Vortrag des Klägers zugrunde gelegt, er sei schon im Jahre 1958 eingeschult worden, wäre er unter Berücksichtigung des offiziellen Alters schon mit 5 Jahren eingeschult worden.

Der Kläger hat weiter erklärt, dass der Umstand, dass er 1958 mit offiziell erst 5 Jahren eingeschult worden ist, damit erklärbar sei, dass er aufgrund seiner körperlichen und geistigen Entwicklung auf dem Stand eines 8-jährigen gewesen sei und nicht auf dem Stand eines 5-jährigen. Zur weiteren Begründung für das nunmehr frühere Geburtsdatum bzw. dass tatsächlich eingetragene spätere Geburtsdatum wurde angegeben, dass der Vater des Klägers und die Mutter des Klägers zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht miteinander verheiratet gewesen seien und es deshalb bei den gesellschaftlichen und religiösen Verhältnissen undenkbar gewesen, als Kind zweier nicht verheirateter Elternteile geboren zu werden. Die Eltern hätten am 18.06.1952 geheiratet, so dass das Geburtsdatum mit 1953 beziffert wurde.

Bei Würdigung des Vortrags und der Urkunde des Klägers kommt der Senat zu der Überzeugung, dass dem Diplom kein früheres Geburtsdatum als 1953 zu entnehmen ist.

Zum einen ist dem Diplom selbst schon gar kein Geburtsdatum zu entnehmen. Zum anderen wäre der Kläger nach eigener Einlassung im Jahr 1958 eingeschult worden, also mit einem „offiziellen“ Alter von 5 Jahren. Dies zeigt doch, dass die Einschulung offenbar nicht gemäß den Vorschriften (Einschulungsalter 7 bis 9 Jahre) erfolgt ist, sondern es auf den Eindruck des Entwicklungsstandes des Kindes ankam. Wie der Entwicklungsstand des Klägers in den Jahren zum Zeitpunkt der Absolvierung der Grundschule war, lässt sich heute nicht mehr objektivieren. Nachdem nach der eigenen Einlassung des Klägers ein früheres Einschulungsdatum möglich war, wäre es genauso gut möglich, dass der Kläger mit 6 Jahren eingeschult worden ist, zumal es auch keinerlei Nachweis dafür gibt, dass der Kläger tatsächlich 1958 eingeschult worden ist.

Darüber hinaus ist auch nur begrenzt nachvollziehbar, dass das Geburtsdatum mit 1953 eingetragen worden ist, weil die Eltern des Klägers erst im Jahr 1952 geheiratet haben. Nachdem der Kläger nach eigenem Vortrag schon 1950 geboren ist, war es für das Umfeld doch offensichtlich, dass die Geburt vor der Heirat erfolgt ist und zwar unabhängig vom Aufenthaltsort.

Nach alledem ist dem Diplom keine Beweiskraft zu entnehmen, dass der Kläger vor 1953 geboren ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.