Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 07. Sept. 2017 - L 11 AS 601/17 NZB

bei uns veröffentlicht am07.09.2017

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.07.2017 - S 10 AS 5/17 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist die Minderung des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.01.2017 in Höhe von 121,20 € monatlich.

Der Kläger bezog Alg II zuletzt aufgrund des Bescheides vom 02.03.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.04.2016, 24.08.2016, 07.09.2016 und 23.09.2016 für die Zeit vom 01.03.2016 bis 28.02.2017. Zu einer im August 2016 aufgenommenen Tätigkeit bei einer Zeitarbeitsfirma ist der Kläger ab 24.08.2016 nicht mehr erschienen; der Arbeitgeber kündigte am 26.08.2016 daher fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31.08.2016. Nach Befragung des Arbeitgebers und Anhörung des Klägers stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19.10.2016 den Eintritt einer Minderung um 30 vom Hundert des maßgebenden Regelbedarfes (121,20 € monatlich) für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.01.2017 wegen des Herbeiführens der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Nichterscheinen fest und hob (allein) den Bescheid vom 02.03.2016 insoweit auf.

Auf den dagegen eingelegten Widerspruch hin hob der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2016 die Bewilligungsbescheide vom 02.03.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.04.2016, 24.08.2016, 07.09.2016 und 23.09.2016 auf und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Eine Kündigung habe nicht vorgelegen, der Beklagte verstoße gegen § 226 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.07.2017 abgewiesen. Der Kläger habe durch sein Nichterscheinen zur Arbeit das Arbeitsverhältnis gelöst; darauf, wer gekündigt habe, komme es nicht an. Eine mangelnde Förderung der Arbeitsaufnahme durch den Beklagten stelle ebenso wenig einen wichtigen Grund für das Lösen des Beschäftigungsverhältnisses dar, wie die Tatsache, dass es sich beim Arbeitgeber um eine Zeitarbeitsfirma gehandelt habe. Zudem sei dem Kläger vom Arbeitgeber ein Vorschuss angeboten worden und es wären nur geringe Fahrtkosten zur Arbeit entstanden. Darlehensweise Leistungen des Beklagten lehne der Kläger ab. Eine Schikane des Beklagten gemäß § 226 BGB sei nicht zu erkennen. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Minderung bestünden nicht. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Eine Förderung des Arbeitsverhältnisses sei vom Beklagten abgelehnt worden. Gründe für eine Sanktion lägen nicht vor. Die Ausübung einer Tätigkeit ohne finanzielle Rücklagen sei unzumutbar. Ein Vorschuss hätte nur den Weg zur Arbeit abgesichert, nicht aber das Überleben. Eine Darlehensgewährung sei nicht angesprochen worden. Es bestehe die Besorgnis der Befangenheit gegenüber einem ehrenamtlichen Richter, der sich in der mündlichen Verhandlung durch ein Abzeichen als Vertreter der Arbeitgeberseite zu erkennen gegeben habe, und gegenüber dem Vorsitzenden des SG, da das Urteil schon bei Beginn der Verhandlung festgestanden habe. Ein Schriftsatz des Beklagten sei erst nach der mündlichen Verhandlung an ihn übersandt worden. Dazu hat der Kläger ein Schreiben des Beklagten vom 10.07.2017 in dem Verfahren S 10 AS 252/17 vorgelegt. Der Beklagte müsse Falschbehauptungen unterlassen. Wegen der Verschwendung von Steuergeldern habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12.Aufl, § 144 RdNr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).

Eine grundsätzliche Bedeutung ist vorliegend nicht gegeben. Die grundsätzliche Rechtsfrage, ob neben einer Minderung eine entsprechende Aufhebungsentscheidung bezüglich einer vorangegangener Leistungsbewilligung erforderlich ist, ist zum einen bereits geklärt (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 19/14 R -; vgl. dazu auch Beschluss des Senates vom 27.10.2015 - L 11 AS 561/15 NZB - veröffentlicht in juris). Zum anderen ist die weitere grundsätzliche Rechtsfrage, ob eine Verböserung der Ausgangsentscheidung (hier: Bescheid vom 19.10.2016) durch den Widerspruchsbescheid (hier: Satz 1 des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2016) erfolgen kann, ebenfalls bereits durch die Rechtsprechung des BSG entschieden (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 22.08.1987 - 7 RAr 46/84 - veröffentlicht in juris). Das Vorbringen des Klägers, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, da es sich um eine Verschwendung von Steuergeldern und einen mutmaßlichen Betrug handle, kann allenfalls ein allgemeines Interesse begründen, stellt jedoch keine entsprechende Rechtsfrage dar.

Das SG weicht auch nicht von der obergerichtlichen Rechtsprechung ab. Dabei ist nicht zu prüfen, ob das SG das materielle Recht und somit auch die Vorschriften zur Anhörung und die Rechtsprechung zur Verböserung im Widerspruchsverfahren (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 85 Rn. 5) sowie zur Aufhebung bereits bewilligter Leistungen (auch für die Vergangenheit mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2016) zutreffend angewandt hat; vielmehr ist lediglich zu prüfen, ob das SG in Abweichung der Rechtsprechung der Obergerichte einen Rechtssatz aufgestellt hat, der von deren Rechtsprechung abweicht. Dies ist hier nicht zu erkennen. Eine von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz stellt das SG insbesondere nicht dadurch auf, dass es die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Leistungsbewilligung im Rahmen des Widerspruchsbescheides nicht prüft, weil es vom Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ausgeht.

Der Kläger macht allerdings Verfahrensfehler des SG geltend. Zum einen führt er die Besorgnis der Befangenheit bezüglich eines ehrenamtlichen Richters an, der ein Abzeichen getragen habe, das ihn als Vertreter der Arbeitgeberseite ausweise. Zum anderen macht er die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Vorsitzenden des SG geltend, weil der Ausgang des Verfahrens von Beginn an festgestanden habe. Zudem sei ihm ein Schriftsatz des Beklagten erst nach der mündlichen Verhandlung zugegangen. Dieses Vorbringen greift jedoch nicht durch. Zum einen gehört gemäß § 12 Abs. 2 SGG unter anderem in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende je ein ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Eine Befangenheit ist daher im Tragen eines entsprechenden Abzeichens nicht zu erkennen. Ein Mangel der Besetzung scheidet daher aus. Zudem und entscheidend ist jedoch, dass der Kläger diesen Mangel ebenso wie die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Vorsitzenden des SG nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG rechtzeitig gerügt hat. Vielmehr hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung trotz der Kenntnis der seiner Meinung nach bestehenden Mängel - er hat das Abzeichen des ehrenamtlichen Richters gesehen und ging von einer von Anfang an feststehenden Entscheidung des SG aus - einen Klageantrag gestellt, ohne den Ablehnungsgrund geltend zu machen. Somit hat er sich weiter auf eine Verhandlung eingelassen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt a.a.O. § 144 Rn. 33a, Keller ebenda § 60 Rn. 11a ff.; § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 43 Zivilprozessordnung -ZPO-). Der vom Kläger angesprochene, zu spät übersandte Schriftsatz des Beklagten vom 10.07.2017 bezog sich auf einen anderen Rechtsstreit und erlangt daher vorliegend keine Bedeutung.

Weitere Verfahrensfehler (wie z. B. fehlende Urteilsgründe hinsichtlich der Zulässigkeit einer Verböserung und der Aufhebung der Leistungsbewilligung eventuell für die Vergangenheit mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2016) hat der Kläger weder geltend gemacht noch liegen sie tatsächlich vor. Das Urteil des SG enthält diesbezüglich hinsichtlich der Entscheidungsgründe (§ 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG) zwar Lücken (vgl. Keller a.a.O. § 136 Rn. 7g), macht jedoch Ausführungen zum wesentlichen Vorbringen des Klägers.

Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 136


(1) Das Urteil enthält 1. die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,2. die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidun

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 145


(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Ur

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 60


(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 226 Schikaneverbot


Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 12


(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter n

Zivilprozessordnung - ZPO | § 43 Verlust des Ablehnungsrechts


Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine vom Beklagten festgestellte Minderung des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes II für den Zeitraum vom 01.11.2016 bis zum 31.01.2017 wegen des Vorwurfs einer Pflichtverletzung.

Der 1968 geborene Kläger steht bereits seit längerer Zeit im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.

Unter dem 28.07.2016 schloss der Kläger mit der Zeitarbeitsfirma B. Personal A-Stadt M. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber) für die Zeit ab dem 08.08.2016 einen unbefristeten Arbeitsvertrag unter Vereinbarung einer Probezeit von sechs Monaten für eine Tätigkeit als Helfer. Der Abschluss des Arbeitsvertrages beruhte nicht auf einem vorherigen Vermittlungsvorschlag des Beklagten.

Nachdem der Kläger zunächst die ihm übertragene Arbeit in D. verrichtet hatte, kam es am 24.08.2016 zu einem E-Mail-Kontakt zwischen dem Kläger und dem Arbeitgeber. Dabei erklärte der Kläger auf Nachfrage des Arbeitgebers, dass er heute schon nicht habe hinkommen können (gemeint wohl: zum Entleihbetrieb). Vom Beklagten bekomme er ja noch etwas, vorher sei er handlungsunfähig. Auf das Angebot des Arbeitgebers zur Gewährung eines kleinen Vorschusses ging er nicht weiter ein. Stattdessen erklärte er in einer weiteren E-Mail vom selben Tag, dass er morgen die ausgefüllten Stundennachweise und den Chip bringe. Die Form der Beschäftigung mache ihm nur Probleme. Für seine Lebenssituation tauge das nicht.

Der Kläger erschien ab diesem Zeitpunkt auch tatsächlich nicht mehr auf der Arbeit.

Daraufhin kündigte der Arbeitgeber dem Kläger mit Schreiben vom 26.08.2016 fristlos.

Der Arbeitgeber teilte dem Beklagten unter dem 30.08.2016 auf dessen Anfrage u.a. mit, dass keine Abmahnung erteilt worden sei. Ab dem 24.08.2016 habe es nur noch E-Mail-Verkehr gegeben. Trotz mehrfacher Versuche habe man den Kläger telefonisch nicht mehr erreicht.

Nach entsprechender Anhörung des Klägers erließ der Beklagte am 19.10.2016 den vorliegend streitgegenständlichen Bescheid, mit dem für die Zeit vom 01.11.2016 bis zum 31.01.2017 eine Minderung des dem Kläger bewilligten Arbeitslosengeldes II um monatlich 30% des für ihn maßgebenden Regelbedarfs festgestellt wurde. Außerdem wurde der vorangegangene allgemeine Leistungsbescheid vom 02.03.2016 entsprechend abgeändert. Zur Begründung legte der Beklagte dar, dass der Kläger die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses selbst herbeigeführt habe, indem er seit dem 24.08.2016 nicht mehr zur Arbeit erschienen sei. Es sei für den Kläger absehbar gewesen, dass er hierdurch seine Arbeitslosigkeit nicht beende und hilfebedürftig bleibe. Der Kläger habe sein Verhalten damit begründet, dass ihm die finanziellen Mittel für den Fahrweg gefehlt hätten. Des Weiteren habe er angegeben, dass er nicht über die Möglichkeiten bezüglich einer Förderung durch den Beklagten bei einem Personaldienstleister informiert worden sei. Der Arbeitgeber habe dem Kläger nachweislich einen Vorschuss angeboten, um die Fahrkosten finanzieren zu können. Damit hätte der Kläger das Arbeitsverhältnis fortsetzen können. Dies habe der Kläger mit der Begründung „Die Form der Beschäftigung macht mir nur Probleme, das taugt nicht für meine Lebenssituation“ abgelehnt. Während der ESF-Maßnahme zur Betreuung von Langzeitarbeitslosen habe in regelmäßigem Turnus Kommunikation mit dem Betriebsaquisiteur Herrn K. (BAK) sowie der Betreuerin Frau M1. stattgefunden, so dass eine Anfrage zum Überbrückungsgeld, Fahrkosten o.ä. jederzeit möglich gewesen wäre. Der Kläger habe jedoch den Arbeitsvertrag ohne vorherige In-Kenntnis-Setzung von Herrn K. bzw. Frau M1. unterzeichnet, so dass er sich der Unterstützung des Beklagten und des LZA Projektes selbst entzogen habe. Dadurch seien die Voraussetzungen für eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe erfüllt (§ 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III).

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 24.10.2016 machte der Kläger zum einen die Verfassungswidrigkeit von § 31 SGB II geltend und stellte zum anderen darauf ab, dass seitens des Arbeitgebers eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen wäre.

Ein vom Kläger parallel hierzu eingeleitetes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes blieb erfolglos (Beschluss vom 04.11.2016, Az.: S 10 AS 489/16 ER), ebenso ein nachfolgender Abänderungsantrag (Beschluss vom 30.11.2016, Az.: S 10 AS 554/16 ER WA).

Der Widerspruch des Klägers vom 24.10.2016 wurde vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2016 im Wesentlichen als unbegründet zurückgewiesen. Eine Änderung ergab sich lediglich dahingehend, dass die Entscheidung vom 02.03.2016 nunmehr in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.04.2016, 24.08.2016, 07.09.2016 und 23.09.2016 aufgehoben wurde (die Änderungsbescheide waren im Bescheid vom 19.10.2016 noch nicht genannt worden). Die Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen begründete der Beklagte damit, dass vom Bayer. LSG keine Verfassungswidrigkeit von Sanktionen anerkannt werde. Das Arbeitslosengeld II mindere sich nach § 31a Abs. 1 SGB Il in einer ersten Stufe um 30% des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs, wenn sie die im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfülle, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen (§ 31 Abs. 2 Nr. 4 SGB II). § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III bestimme, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit ruhe, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten habe, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liege vor, wenn die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III). Der Kläger habe am 08.06.2016 eine Beschäftigung bei der Fa. Butz aufgenommen. Dieses Beschäftigungsverhältnis habe er nach seinen E-Mails vom 24.08.2016 um 10:11 Uhr und 11:34 Uhr selbst aufgegeben. So habe er auf die Frage der Mitarbeiterin der Fa. Butz vom 24.08.2016, 9:25 Uhr: „Sind Sie heute schon nicht arbeiten?“ am 24.08.2016 um 11:43 Uhr u.a. geantwortet: „Bringe morgen die ausgefüllten Stundennachweise und den Chip. Die Form der Beschäftigung macht mir nur Probleme.“ Er habe damit am 24.08.2016 seine Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsverhältnis sei dann mit fristloser Kündigung seitens des Arbeitgebers vom 26.08.2016 beendet worden. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis jedoch noch vor der Kündigung des Arbeitgebers selbst gekündigt, indem er am 24.08.2016 nicht mehr zur Arbeit erschienen sei und dem Arbeitgeber angekündigt habe, dass er am nächsten Tag seine Stundennachweise und den Chip zurückbringen werde. Das Kündigungsschreiben des Arbeitgebers sei von ihm sicherlich nur zur Schaffung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Bezug auf das Arbeitsverhältnis des Klägers erteilt worden. Mit ihr sei das Arbeitsverhältnis aber nicht erstmals gelöst worden. Eine vorherige Abmahnung durch den Arbeitgeber sei deshalb nicht als Voraussetzung für einen Sanktionstatbestand erforderlich. Ein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe durch den Kläger sei nicht erkennbar. Vom Arbeitgeber sei ihm ein Vorschuss für seine Fahrkosten angeboten worden. Er hätte auch für den Monat September 2016 zusätzliche Leistungen als Darlehen nach § 24 Abs. 4 SGB II beantragen können, soweit er seinen Lebensunterhalt bis zur ersten Lohnzahlung nicht hätte bestreiten können.

Mit der am 05.01.2017 erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.12.2016 und macht geltend, dass eine Kündigung nicht vorgelegen habe und der Beklagte außerdem gegen § 226 BGB verstoßen würde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2016 zu verurteilen, auf Grund des Bescheides vom 19.10.2016 einbehaltene Leistungen nachzuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält an seiner Entscheidung fest.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Bescheid vom 19.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2016 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht auf Grund einer Pflichtverletzung den Eintritt einer Minderung des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes II festgestellt.

a) Nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II begehen erwerbsfähige Hilfebedürftige eine Pflichtverletzung, wenn sie sich trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern. Weigern in diesem Sinne bedeutet regelmäßig die vorsätzliche, ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise dem Leistungsträger oder dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich an die durch das Gesetz auferlegte Pflicht zu halten (BSG, Urteil vom 15.12.2010, Az.: B 14 AS 92/09 R, Rn. 21 m.w.N.).

Eine Pflichtverletzung ist gem. § 31 Abs. 2 Nr. 4 SGB II darüber hinaus auch dann anzunehmen, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllt, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

Dadurch, dass der Kläger ab dem 24.08.2016 nicht mehr zur Arbeit erschienen ist, hat er das seit dem 08.08.2016 bestehende Beschäftigungsverhältnis mit dem Arbeitgeber gelöst, d.h. er hat sich nicht mehr dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterstellt. Der Sperrzeittatbestand des § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III, der keine vorherige Rechtsfolgenbelehrung voraussetzt, ist damit erfüllt.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber vor der von ihm ausgesprochenen Kündigung noch eine Abmahnung hätte aussprechen müssen oder ob der Kläger bereits zuvor eine Kündigung erklärt hat.

Entscheidend ist hier vielmehr allein, dass der Kläger bereits durch sein bloßes Verhalten das Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst hat. Wer in einer E-Mail am 24.08.2016 zu verstehen gibt, dass er nicht mehr zur Arbeit erscheinen wird und ab dann auch tatsächlich nicht mehr zur Arbeit erscheint, hat sein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III gelöst (einen Lösungstatbestand bei dauerhaftem Fernbleiben von der Arbeit bejahend auch Hess. LSG, Urteil vom 11.10.2006, Az.: L 6 AL 24/05, Rn. 25 sowie Bayer. LSG, Urteil vom 11.06.2015, Az.: L 10 AL 43/14, Rn. 18). Darauf, ob nach arbeitsrechtlichen Kriterien das eingegangene Arbeitsverhältnis gegebenenfalls noch über den 23.08.2016 hinaus - etwa im Hinblick auf eine fehlende schriftliche Kündigung des Klägers - fortbestanden haben könnte, kommt es vorliegend nicht an, weil das von § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III genannte Beschäftigungsverhältnis als faktisches Verhältnis nicht begriffsidentisch ist mit dem Arbeitsverhältnis als rechtlicher Beziehung.

b) Die Einwände des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19.10.2016 sind auch im Übrigen nicht begründet.

(1) Was das vom Kläger bemängelte Fehlen einer Förderung der aufgenommenen Tätigkeit des Klägers durch den Beklagten angeht, sieht das Gericht darin keinen wichtigen Grund i.S.d. § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II für die Aufgabe der Tätigkeit durch den Kläger. Der Kläger verkennt, dass er nach dem SGB II keinen verbindlichen Anspruch auf eine solche Förderung hat, sondern lediglich ermessensabhängige Fördermöglichkeiten nach §§ 16 bis 16f SGB II bestehen. Warum die Ausübung der Tätigkeit ohne eine Förderung jedoch per se unzumutbar sein sollte, erschließt sich dem Gericht nicht und wurde auch vom Kläger nicht näher ausgeführt. Dass es sich um eine Tätigkeit bei einer Zeitarbeitsfirma handelte, bewirkt jedenfalls keine Unzumutbarkeit, nachdem § 10 Abs. 1 S. 1 SGB II gerade festhält, dass einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person grundsätzlich jede Arbeit zumutbar ist. Die vom Kläger benannte Quelle für seine womöglich gegenteilige Rechtsauffassung (SG Hamburg, Beschluss vom 07.12.2006, Az.: S 62 AS 2226/06 ER) enthält jedenfalls keine solche Aussage. Stattdessen ist Bezug zu nehmen auf die Rechtsprechung des BSG zum Rechtskreis des SGB III, wonach die Vermittlung in ein Leiharbeitsverhältnis, das den Vorgaben des AÜG entspricht, einem Arbeitslosen nicht generell unzumutbar ist (Urteil vom 08.11.2001, Az.: B 11 AL 31/01 R, Rn. 18). Für die Fortführung einer entsprechenden Tätigkeit kann nichts anderes gelten. Soweit sich der Kläger sinngemäß daran stört, dass durch den Änderungsbescheid vom 23.08.2016 das bewilligte Arbeitslosengeld II für den Monat September 2016 verringert worden ist, sich die Auszahlung des Arbeitgeberlohns für den Monat August jedoch bis zur Mitte des Monats September hinziehen kann (vgl. § 7 Abs. 8 des Arbeitsvertrages vom 28.07.2016), hätte es dem Kläger oblegen, entweder einen Vorschuss beim Arbeitgeber zu erbitten oder alternativ mit dem Beklagten abzuklären, ob zu Beginn des Monats September auf der Grundlage von § 24 Abs. 4 SGB II eine zusätzliche darlehensweise Leistung von Arbeitslosengeld II erfolgen kann.

Hinsichtlich der Fahrtstrecke nach D., für die dem Kläger augenscheinlich ein Pkw zur Verfügung gestanden hat (siehe Verbis-Vermerk vom 28.07.2016, Bl. 107 der Verwaltungsakte) und die einfach ca. 22 km beträgt (Bl. 70 der Gerichtsakte), kann bei Arbeitsaufnahme zum 08.08.2016 und somit noch 17 Arbeitstagen im August 2016 von einer zu bewältigenden Gesamtzahl von (22 km x 2 x 17 Tage =) 748 km und großzügig geschätzt einem tatsächlichen Kostenaufwand von maximal 100,- EUR ausgegangen werden. Für die verbleibenden sechs Arbeitstage vom 24.08.2016 bis zum Monatsende wäre der anteilige Betrag entsprechend zu kürzen auf 35,29 EUR.

In Anbetracht dieses geringen Teilbetrages für den Restmonat August 2016 und des Umstandes, dass dem Kläger seitens des Arbeitgebers die Möglichkeit eines Vorschusses in Aussicht gestellt worden war (E-Mail vom 24.08.2016), erscheint dem Gericht die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses ohne weitere Versuche der Erhaltung des Beschäftigungsverhältnisses (insbesondere durch Inanspruchnahme eines Vorschusses des Arbeitgebers) nicht als verhältnismäßig. Dies gilt zumindest unter der zusätzlichen Erwägung, dass es an sich dem Kläger oblegen hätte, bereits vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages sicherzustellen, dass er für eine ausreichend lange Zeit (und zwar insbesondere bis zur Auszahlung des ersten Lohnes) in der Lage ist, den Arbeitsplatz auch tatsächlich zu erreichen.

Was den Monat September 2016 angeht, wäre bis zur Auszahlung des ersten Gehaltes in Betracht gekommen, dass seitens des Beklagten höhere Leistungen auf Darlehensbasis erbracht werden. Soweit der Kläger generell Darlehen ablehnt, liegt dies allein in seinem Verantwortungsbereich und vermag keinen wichtigen Grund für sein Verhalten zu begründen. Allein schon die ausdrücklich im Gesetz (§ 24 Abs. 4 SGB II) vorgesehene Möglichkeit einer Darlehensgewährung zeigt, dass die Inanspruchnahme eines solchen Darlehens nicht per se unzumutbar sein kann.

Allgemein ist noch zu erwähnen, dass die entsprechenden Fahrtkosten bei der Berechnung des Leistungsanspruches auf Arbeitslosengeld II gem. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB II vom Einkommen abgesetzt werden (bzw. gem. § 11b Abs. 2 SGB II durch eine Pauschale von 100,- EUR mit abgegolten werden).

(2) In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen vermag das Gericht keine Schikane (§ 226 BGB) o.ä. des Beklagten zu erkennen.

(3) Soweit der Kläger in seiner Klagebegründung zudem eine Verfassungswidrigkeit der Sanktionsvorschrift des § 31 SGB II geltend gemacht hat, greift auch dieser klägerische Hinweis auf eine solche vermeintliche Verfassungswidrigkeit und die entsprechende Richtervorlage des SG Gotha (Vorlagebeschluss vom 02.08.2016, Az.: S 15 AS 5157/14) nicht durch. Insbesondere sind vom BVerfG keine voraussetzungslosen steuerfinanzierten Staatsleistungen gefordert worden (Bayer. LSG, Beschluss vom 25.08.2015, Az.: L 11 AS 558/15 B ER, Rn. 13 a.E.). Auch nach Auffassung des BSG bestehen gegen eine Minderung des Arbeitslosengeld II-Anspruchs um 30% des maßgebenden Regelbedarfs auf Grund einer Pflichtverletzung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 29.04.2015, Az.: B 14 AS 19/14 R, Leitsatz 2).

c) Hinsichtlich der Höhe des Sanktionsumfangs hat der Beklagte in Anwendung von § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um eine erste Pflichtverletzung handelte, zu Recht eine Minderung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld II um 30% des für ihn maßgebenden Regelbedarfs festgestellt. Auch Beginn und Dauer des Minderungszeitraums wurden gem. § 31b Abs. 1 S. 1 und 3 SGB II zutreffend bestimmt.

2. Aus den genannten Gründen war die Klage daher abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

4. Die Berufung ist nicht bereits nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes in Anbetracht eines streitgegenständlichen Zeitraums von 3 Monaten und einer Minderung von 30% des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs weniger als 750,- EUR beträgt. Gründe für eine Zulassung nach § 144 Abs. 2 SGG bestehen nicht.

Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 167/12, L 16 AS 199/12, L 16 AS 389/12 - geändert. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Februar 2012 - S 11 AS 1294/11 - wird zurückgewiesen, soweit dieses den Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2012 - W 366/11 - aufgehoben hat.

Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Februar 2012 - S 11 AS 114/12 - wird geändert und der Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2012 und der Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2012 aufgehoben.

Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Mai 2012 - S 11 AS 209/12 - wird geändert und der Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2012 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist nur noch die Rechtmäßigkeit von sieben Bescheiden über Meldeversäumnisse und Minderungen von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld II (Alg II) in sich teilweise überschneidenden Zeiträumen.

2

Die im Jahr 1981 geborene Klägerin, die mit ihrem Ehemann zusammenlebt, bezieht vom beklagten Jobcenter seit dem Jahr 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Im Laufe der Zeit war die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zwischen den Beteiligten umstritten, und die Klägerin übersandte einen Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 17.7.2009, in dem abgelehnt wurde, einen Grad der Behinderung (GdB) festzustellen; eine seitens des Beklagten beabsichtigte ärztliche Untersuchung der Klägerin kam nicht zustande. Im Laufe des Jahres 2011 erfolgten wiederholte Absenkungen der Leistungen wegen Meldeversäumnissen der Klägerin. Zuletzt bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann Leistungen vom 1.9.2011 bis zum 29.2.2012 in nicht geminderter Höhe, aber unter zeitweiser Berücksichtigung eines Einkommens (Bescheid vom 21.7.2011, Änderungsbescheid vom 16.9.2011).

3

Nachdem die Klägerin zu einem Termin am 10.10.2011 bei dem Beklagten nicht gekommen war, lud der Beklagte sie durch ein Schreiben mit Rechtsfolgenbelehrung für den 24.10.2011 erneut zu einer Besprechung ihres "Bewerberangebots bzw ihrer beruflichen Situation" in seine Dienststelle. Aufgrund des Nichterscheinens der Klägerin hörte der Beklagte sie an und stellte ein Meldeversäumnis sowie eine Minderung ihres Alg II-Anspruchs um 10 vH ihres Regelbedarfs vom 1.12.2011 bis zum 29.2.2012 nach §§ 32, 31b Abs 1 SGB II mit Bescheid fest. In sechs weiteren solchen Schreiben wurde die Klägerin zu sechs weiteren Terminen vom 4.11. bis zum 12.12.2011 eingeladen, denen sie nicht nachkam. Anschließend erfolgten jeweils eine Anhörung sowie ein Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und eine Minderung des Alg II-Anspruchs für Zeiträume vom 1.12.2011 bis zum 30.4.2012. Gegen alle Bescheide wurden Widersprüche eingelegt und nach deren Zurückweisung wurden Klagen erhoben, die vom Sozialgericht (SG) zu drei Verfahren verbunden wurden, in denen zum Teil noch weitere Punkte umstritten waren und der Ehemann der Klägerin beteiligt war (Meldetermin vom 24.10.2011, Bescheid vom 17.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 7.12.2011, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 4.11.2011, Bescheid vom 29.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 2.1.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 32/12, verbunden zu S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 11.11.2011, Bescheid vom 9.12.2011, Widerspruchsbescheid vom 10.1.2012 - W 365/11, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 53/12, verbunden zu S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 21.11.2011, Bescheid vom 14.12.2011, Widerspruchsbescheid vom 26.1.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 209/12; Meldetermin vom 25.11.2011, Bescheid vom 15.12.2011, Widerspruchsbescheid vom 10.1.2012 - W 366/11, SG-Verfahren ebenfalls mit dem Aktenzeichen S 11 AS 53/12, verbunden zu S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 7.12.2011, Bescheid vom 2.1.2012, Widerspruchsbescheid vom 7.2.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 114/12; Meldetermin vom 12.12.2011, Bescheid vom 3.1.2012, Widerspruchsbescheid vom 9.2.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 122/12, verbunden zu S 11 AS 114/12).

4

In dem Verfahren S 11 AS 1294/11 hat das SG durch Urteil vom 13.2.2012 die Bescheide vom 29.11.2011, 9.12.2011 und 15.12.2011 in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides aufgehoben und im Übrigen wegen des Bescheides vom 17.11.2011 die Klage abgewiesen, weil die Klägerin hinsichtlich der aufgehobenen Bescheide vor dem jeweiligen Meldetermin nicht den erforderlichen ersten Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung erhalten habe. In den beiden anderen Verfahren hat das SG durch Urteile vom 27.2.2012 - S 11 AS 114/12 - und vom 9.5.2012 - S 11 AS 209/12 - die Klagen der Klägerin abgewiesen, weil die Klägerin vor dem jeweiligen Meldetermin den erforderlichen Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung erhalten habe.

5

Auf die Berufungen der Klägerin gegen alle drei Urteile und der des Beklagten gegen das Urteil vom 13.2.2012 hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteile vom 24.10.2012 - L 16 AS 167/12, L 16 AS 199/12, L 16 AS 389/12 - die Berufungen der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG vom 13.2.2012 geändert und die Klagen insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die angeführten Bescheide über die Feststellung von Meldeversäumnissen und Minderungen seien rechtmäßig. Die Klägerin sei zu allen Terminen ordnungsgemäß eingeladen worden, aber ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Die Meldetermine hätten einen zulässigen Zweck gehabt, und die "Einladungsdichte" sei nicht unverhältnismäßig gewesen. Die Addition von Minderungen aufgrund von Meldeversäumnissen sehe § 32 SGB II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung ausdrücklich vor. Nach dieser Rechtslage müsse vor Eintritt eines zweiten Meldeversäumnisses kein erstes Meldeversäumnis durch Bescheid festgestellt worden sein. Wegen der Höhe der Minderungen habe der Beklagte die Klägerin auf die Möglichkeit hingewiesen, ergänzende sach- oder geldwerte Leistungen zu beantragen.

6

In ihren vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen und zu einem Verfahren verbundenen Revisionen rügt die Klägerin eine Verletzung von §§ 31b, 32 SGB II. Nach wie vor setze eine zweite Sanktion innerhalb eines Sanktionszeitraums voraus, dass die erste Sanktion bereits vor dem zweiten Meldeversäumnis durch Bescheid festgestellt worden sei.

7

Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 167/12 - zu ändern, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Februar 2012 - S 11 AS 1294/11 - zurückzuweisen, dieses Urteil zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2011 aufzuheben,
2. das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 199/12 - und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Februar 2012 - S 11 AS 114/12 - zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2012 und den Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2012 aufzuheben,
3. das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 389/12 - und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Mai 2012 - S 11 AS 209/12 - zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2012 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er meint, § 32 SGB II schreibe beim Vorliegen seiner Voraussetzungen die Verhängung einer Sanktion zwingend vor, zudem führe nun jedes Meldeversäumnis zu einer Minderung des Alg II-Anspruchs um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs, sodass eine Addition während überlappender Zeiten erfolge.

Entscheidungsgründe

10

1. Die zulässige Revision der Klägerin ist zum Teil begründet (§ 170 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz), und die Urteile des LSG vom 24.10.2012 sind zu ändern. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 13.2.2012 ist zurückzuweisen, soweit dieses den Bescheid des Beklagten vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2012 - W 366/11 - wegen des Meldetermins am 25.11.2011 aufgehoben hat. Auf die Berufung der Klägerin ist das Urteil des SG vom 27.2.2012 zu ändern und sind der Bescheid des Beklagten vom 2.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.2.2012 wegen des Meldetermins am 7.12.2011 und der Bescheid des Beklagten vom 3.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.2.2012 wegen des Meldetermins am 12.12.2011 aufzuheben. Auf die weitere Berufung der Klägerin ist das Urteil des SG vom 9.5.2012 zu ändern und der Bescheid des Beklagten vom 14.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2012 wegen des Meldetermins am 21.11.2011 aufzuheben.

11

Im Übrigen ist die Revision unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 SGG). Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG zu Recht das Urteil des SG vom 13.2.2012 geändert und die Klagen gegen den Bescheid des Beklagten vom 29.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.1.2012 wegen des Meldetermins vom 4.11.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 9.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2012 - W 365/11 - wegen des Meldetermins am 11.11.2011 abgewiesen sowie die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Klageabweisung hinsichtlich des Bescheides vom 17.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.12.2011 wegen des Meldetermins am 24.10.2011 gewandt hat.

12

2. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile des LSG und SG nur noch hinsichtlich der genannten Bescheide in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides, soweit der Beklagte in ihnen jeweils ein Meldeversäumnis der Klägerin und (allgemein) den Eintritt einer Minderung ihres Alg II-Anspruchs um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs für drei Monate, die sich zum Teil überlappen, nach §§ 32, 31b Abs 1 Satz 1, 3 SGB II idF der ab 1.4.2011 geltenden Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850) festgestellt hat, nicht aber mangels einer entsprechenden Regelung des Beklagten in den genannten Bescheiden (dazu sogleich unter 3.) die konkrete Höhe des Alg II-Anspruchs der Klägerin für die strittige Zeit vom 1.12.2011 bis zum 30.4.2012.

13

3. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Die Berufungen der Beteiligten sind zulässig gewesen (§§ 143 f SGG), weil das SG sie in den Urteilen vom 13.2.2012 und 27.2.2012 zugelassen hat und die Berufung gegen das Urteil vom 9.5.2012 die Berufungssumme erreichte, da ursprünglich nicht nur die Feststellung der Meldeversäumnisse und der Minderung umstritten war (vgl zum Zeitpunkt für die Beurteilung der Statthaftigkeit der Berufung § 202 Satz 1 SGG iVm § 4 Abs 1 Zivilprozessordnung). Richtige Klageart ist die von der Klägerin erhobene reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG.

14

a) Regelungsgegenstand der streitbefangenen Bescheide ist allein die Feststellung von Meldeversäumnissen und der sich daraus ergebenden prozentualen Alg II-Minderungen, nicht aber die Höhe des Leistungsanspruchs für Zeiten, für die der Klägerin bereits existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II zuerkannt worden waren. Aufgegriffen mit der Formulierung "Sie sind trotz Kenntnis ... zu dem Meldetermin am … ohne wichtigen Grund nicht erschienen" und "für die Zeit vom … bis … wird eine Minderung ihres Arbeitslosengelds II monatlich um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs … festgestellt" ist allein der Wortlaut des § 31b Abs 1 Satz 1 SGB II, mit dem nach der Begründung des Gesetzentwurfs(BT-Drucks 17/3404 S 112) "klargestellt" werden soll, "dass sich der Auszahlungsanspruch der Betroffenen bei pflichtwidrigem Verhalten kraft Gesetzes mindert". In der Sache beinhaltet das die Feststellungen, dass ein Meldeversäumnis vorliegt und dieses eine Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin in Höhe von 10 vH für eine bestimmte Zeit nach sich zieht.

15

Nicht bestimmt ist hierdurch indes die Höhe des von der Klägerin im betroffenen Zeitraum konkret zu beanspruchenden Alg II. Schon im Ansatz ist das nicht möglich für die Zeit, die über den hier streitbefangenen Bewilligungsabschnitt vom 1.9.2011 bis 29.2.2012 hinausreicht. Ändernde Wirkungen entfalten die Feststellungsbescheide aber auch nicht im Hinblick auf die mit Bescheid vom 21.7.2011 sowie Änderungsbescheid vom 16.9.2011 zuerkannten Leistungen für diesen Bewilligungsabschnitt selbst. Solche Wirkungen kamen entsprechenden Bescheiden schon zur alten Rechtslage nicht zu (vgl BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 14 zu § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Hieran hat sich weiterhin nichts geändert. Soweit nunmehr gilt "Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt" (§ 31b Abs 1 Satz 1 iVm § 32 Abs 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 1.4.2011 geltenden Fassung) berührt das die Geltung bereits erlassener Bewilligungen nicht unmittelbar. Wie bis dahin ist damit vielmehr nur zum Ausdruck gebracht, ab welchem Zeitpunkt und um welchen Minderungsbetrag der Anspruch auf Leistungen ua bei Meldeversäumnissen abgesenkt ist. Nicht bestimmt ist hierdurch aber, dass es zu ihrer Umsetzung abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) einer förmlichen Änderung bereits ergangener Bewilligungen nicht bedarf.

16

Daran ändert nichts, dass durch die Regelung nach den Materialien "klargestellt" werden soll, "dass sich der Auszahlungsanspruch der Betroffenen bei pflichtwidrigem Verhalten kraft Gesetzes mindert" (BT-Drucks 17/3404 S 112). Soweit dadurch zum Ausdruck gebracht sein sollte, dass die Durchbrechung der Bindungswirkung bereits ergangener Bewilligungen (vgl § 77 SGG) ausnahmsweise nicht eine förmliche Änderungsentscheidung nach § 48 SGB X, erfordert, sondern unmittelbar durch Gesetz angeordnet ist, findet das in dem Gesetzeswortlaut(vgl zur bis dahin geltenden Rechtslage BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 14) keine Stütze. Mindert sich kraft Gesetzes der "Auszahlungsanspruch" einer zuerkannten Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt, so bedeutet das nicht, dass die zugrunde liegende Bewilligung selbst abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X ohne ausdrückliche (Teil-)Aufhebung partiell ihre Regelungswirkung verlieren könnte. Solche Wirkungen könnten nur einer Vorschrift beigemessen werden, die die Geltung von § 48 SGB X, ungeachtet des erheblichen Interesses insbesondere leistungsberechtigter Personen, "einfach"(vgl § 9 SGB X) erkennen zu können, in welcher Höhe (noch) Ansprüche nach dem SGB II zuerkannt sind, ausdrücklich ausschließt und die Absenkung zuerkannter Ansprüche nach dem SGB II einem abweichenden Sonderregime (vgl § 37 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil) unterstellt, woran es hier fehlt (ebenso Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 31b RdNr 7 f mwN; Valgolio in: Hauck/Noftz, Stand: März 2015, K § 31b SGB II, RdNr 13; Treichel, SGb 2014, 664 ff; aA Groth in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 2011, § 13 RdNr 421; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, K § 31b SGB II RdNr 2; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 31b RdNr 4).

17

b) Hat der Beklagte in unzutreffender Einschätzung dieser Rechtslage oder aus anderem Grund von einer formellen Umsetzung der Feststellungsbescheide über die Minderung abgesehen, kann sich die Klägerin ohne Verstoß gegen Rechtsprechung des BSG hiergegen mit der isolierten Anfechtungsklage wenden (zur prozessualen Lage bei jeweils am gleichen Tag erlassenem Feststellungs- und Änderungsbescheid vgl dagegen BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 4 RdNr 9).

18

Dies folgt aus dem Wortlaut und der darin deutlich werdenden Regelungskonzeption des SGB II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung, nach dessen § 31b Abs 1 Satz 1 ausdrücklich von einem eigenständigen Verwaltungsakt ausgegangen wird, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung feststellt, sowie § 39 Nr 1 SGB II, der die sofortige Vollziehbarkeit dieses Verwaltungsaktes anordnet(in diesem Sinne auch die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 17/3404 S 114 zu § 39). Entsprechend kommt den in den angefochtenen Bescheiden gebrauchten Wendungen "für die Zeit vom … bis … wird eine Minderung ihres Arbeitslosengelds II monatlich um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs … festgestellt" und "Sie sind trotz Kenntnis ... zu dem Meldetermin am … ohne wichtigen Grund nicht erschienen" durch gesonderte Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X die Feststellung zu, dass ein Meldeversäumnis vorliegt und dieses eine Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin in bestimmter Höhe für eine bestimmte Zeit nach sich zieht.

19

Jedenfalls solange es an der Umsetzung dieser Verwaltungsakte durch Änderung vorher ergangener Bewilligungen nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X im dargelegten Sinne oder durch Berücksichtigung bei der Bewilligung für einen neuen Bewilligungsabschnitt fehlt, steht ihrer isolierten Anfechtung die zur vorherigen Rechtslage ergangenen Aussage des Senats nicht entgegen, ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II aF stelle keinen abtrennbaren Streitgegenstand dar, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden könne(BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - RdNr 13; ähnlich der 4. Senat des BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 14 f). Bereits zur Feststellung von Meldeversäumnissen mit dem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) hat das BSG es als gerechtfertigt angesehen, die Überprüfung auf die Minderung als solche zu beschränken, wenn eine solche Beschränkung vom Kläger ausdrücklich gewollt ist und keinerlei Zweifel an einer Klagebeschränkung oder Klagerücknahme bestehen (BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 8; BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 44/06 R - RdNr 12). Umso mehr muss diese Möglichkeit offenstehen, wenn ein Jobcenter ausschließlich über das Meldeversäumnis und den Eintritt der Minderung entscheidet und nicht zugleich oder in engem zeitlichen Zusammenhang damit auch über die Änderung einer zuvor ergangenen Leistungsbewilligung (zur prozessualen Lage in einer solchen Konstellation vgl BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 4 RdNr 9).

20

Ergeht der vom SGB II nun vorgesehene eigenständige Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung sowie der Umsetzungsverwaltungsakt in getrennten Bescheiden - was nicht zwingend ist - und wird ggf nur der zeitlich spätere Umsetzungsverwaltungsakt angefochten, während der zeitlich frühere Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung bestandskräftig wird, ist zu beachten, dass für einen möglichen Antrag nach § 44 SGB X hinsichtlich dieses Feststellungsverwaltungsakts mangels Streit um die rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen die Rückwirkungsregelung in dessen Abs 4 unbeachtlich ist(vgl BSG Urteil vom 21.3.2002 - B 7 AL 44/01 R - SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 119). Wird umgekehrt nur die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung angefochten und nicht ein nachfolgender Umsetzungsbescheid, so steht dessen nachträglicher Korrektur bei einem Erfolg der Anfechtungsklage gegen den Minderungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X die Zeitgrenze des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 44 Abs 4 SGB X sowie § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Denn die Feststellung der Obliegenheitsverletzung und die Änderung der Leistungsbewilligung sind materiell so aufeinander bezogen, dass die rechtzeitige Anfechtung des Minderungsbescheides ein Aufhebungsbegehren im Hinblick auf den Umsetzungsverwaltungsakt einschließt, um einer effektiven Rechtsschutzgewährung im Lichte des Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) Rechnung zu tragen (vgl insoweit zur Rechtslage nach dem SGB III: BSG Urteil vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 9; BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 5 ff).

21

4. Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind § 32 SGB II über Meldeversäumnisse sowie § 31a Abs 3 und § 31b SGB II über Rechtsfolgen, Beginn und Dauer der Minderung, die gemäß § 32 Abs 2 Satz 2 SGB II entsprechend gelten.

22

Keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die angefochtenen Bescheide ist vorliegend § 48 SGB X iVm § 40 Abs 1 SGB II, auf die das LSG ua abgestellt hat, weil die angefochtenen Bescheide nur die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung enthalten, nicht hingegen Regelungen über Änderungen der erfolgten Bewilligungsbescheide hinsichtlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an die Klägerin(zur Unterscheidung zwischen dem Verwaltungsakt über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung sowie dem Umsetzungsverwaltungsakt hinsichtlich ggf notwendiger Änderungen einer schon erfolgten Bewilligung und der Herabsetzung des Alg II-Anspruches siehe zuvor unter 3.).

23

Die Voraussetzungen für die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, insbesondere das Vorliegen einer Anhörung nach § 24 SGB X, sind erfüllt.

24

Die materielle Rechtmäßigkeit ist nur hinsichtlich der Bescheide vom 17.11.2011, 29.11.2011 und 9.12.2011 erfüllt, denen die Meldeversäumnisse vom 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 zugrunde lagen, nicht aber hinsichtlich der Bescheide vom 14.12.2011, 15.12.2011, 2.1.2012 und 3.1.2012, die sich auf die Meldeversäumnisse vom 21.11.2011, 25.11.2011, 7.12.2011 und 12.12.2011 bezogen.

25

Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Meldeversäumnisses sind zumindest hinsichtlich der Meldetermine am 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 gegeben (dazu 5.), nicht jedoch angesichts der Abfolge der zugrunde liegenden sieben Meldeaufforderungen innerhalb von acht Wochen für den vierten und die weiteren Meldetermine (dazu 6.). Soweit der Beklagte rechtmäßigerweise ein Meldeversäumnis festgestellt hat, führt das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 32 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 2, § 31b Abs 1 Satz 1, 3 SGB II jeweils als Rechtsfolge zu einer Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs für drei Monate kraft Gesetzes(so auch die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 17/3404 S 112). Eine Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolge Minderung oder gar die "Verhängung einer Sanktion" ähnlich dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht seitens des zuständigen Jobcenters sieht das Gesetz nicht vor. Einer Erörterung des im Wortlaut des § 31b SGB II verwandten Begriffs "Auszahlungsanspruch" bedarf es nicht, weil durch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Minderung der Anspruch selbst ua auf Alg II sich entsprechend verringert(vgl zum Begriff "Anspruch" nur § 194 Abs 1 BGB). Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Minderungen bestehen nicht (dazu 7.).

26

5. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Meldeversäumnisses nach § 32 Abs 1 SGB II sind: Eine leistungsberechtigte Person muss eine Aufforderung des zuständigen Jobcenters, sich bei ihm zu melden oder bei einem Untersuchungstermin zu erscheinen, erhalten haben (Meldeaufforderung), mit der ein zulässiger Meldezweck verfolgt wurde(§ 59 SGB II, § 309 Abs 2 SGB III); die Person muss eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen erhalten oder von diesen Kenntnis haben und ohne wichtigen Grund der Meldeaufforderung schuldhaft nicht nachgekommen sein.

27

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG), hinsichtlich deren insbesondere die Klägerin keine Rügen erhoben hat, sind für die Bescheide vom 17.11.2011, 29.11.2011 und 9.12.2011 wegen der Meldetermine am 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 diese aufgeführten Voraussetzungen, einschließlich einer rechtmäßigen Meldeaufforderung (dazu a) und des Fehlens eines wichtigen Grundes (dazu b), erfüllt. Die Klägerin war eine leistungsberechtigte Person nach § 7 SGB II, wie sich aus ihrem Alter von 29 bzw 30 Jahren in der strittigen Zeit, ihrer Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit sowie gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und dem Fehlen von Ausschlusstatbeständen(vgl zB § 7 Abs 4 SGB II)ergibt. Ihre Erwerbsfähigkeit war im Laufe des Leistungsbezugs zwar zwischen den Beteiligten strittig, aufgrund der Feststellungen des LSG ist aber von der Erwerbsfähigkeit der Klägerin auszugehen, wie sich insbesondere aus dem vorgelegten Bescheid über die Ablehnung der Feststellung eines GdB und dem Fehlen anderer Feststellung hinsichtlich gesundheitlicher Einschränkungen sowie entsprechender Rügen der Klägerin ergibt. Die Klägerin hat jeweils eine Meldeaufforderung mit Datum und Uhrzeit und Ort erhalten, die mit einer schriftlichen und ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen war und der sie ohne wichtigen Grund schuldhaft nicht nachgekommen ist.

28

Zudem muss der Verwaltungsakt über die Feststellung des Meldeversäumnisses und der Minderung innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt des Meldeversäumnisses ergangen sein (§ 32 Abs 2 iVm § 31b Abs 1 Satz 5 SGB II). Die Wahrung dieser Fristen folgt aus den mitgeteilten Daten. Keine Voraussetzung aufgrund der neuen Rechtslage ist, dass ein Verwaltungsakt über die erste Feststellung eines Meldeversäumnisses und der eingetretenen Minderung ergangen ist, ehe ein zweites Meldeversäumnis eintreten konnte (dazu c).

29

a) Die Meldeaufforderungen zum 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 waren im Hinblick auf die mit ihnen verfolgten Meldezwecke (dazu aa) und die erforderliche Ermessensausübung (dazu bb) rechtmäßig.

30

Eine Meldeaufforderung ist nach weitgehend einhelliger Meinung ein Verwaltungsakt (vgl nur BSG Beschluss vom 19.12.2011 - B 14 AS 146/11 B - juris - mit zahlreichen weiteren Nachweisen) und die Verfügung einer solchen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten (vgl nur Siefert in Eicher/Schlegel, SGB III nF, Stand: Januar 2015, § 309 RdNr 18; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl, Stand: März 2015, K § 309 RdNr 27; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, § 309 SGB III RdNr 25), wie sich zudem aus der Entstehungsgeschichte und dem heutigen Zweck der Meldepflicht ergibt (BSG Urteil vom 14.5.2014 - B 11 AL 8/13 R - SozR 4-4300 § 309 Nr 2 RdNr 21 f; Winkler, aaO, RdNr 1, 4 ff). Die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung ist als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen, weil sich die Meldeaufforderung als solche durch Zeitablauf erledigt hat (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl zur Sperrzeit nach § 159 SGB III: Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl, Stand: März 2015, K § 159 RdNr 372; zu § 31 SGB II aF: BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 25 f).

31

aa) Den Meldeaufforderungen lagen rechtmäßige Meldezwecke zugrunde, die auch in ihnen zutreffend benannt wurden.

32

Dass eine rechtmäßige Meldeaufforderung einen Meldezweck voraussetzt, folgt aus § 59 SGB II, der ua die Vorschrift über die allgemeine Meldepflicht in § 309 SGB III für entsprechend anwendbar erklärt. Nach dessen Absatz 2 kann die Aufforderung zur Meldung "zum Zwecke der 1. Berufsberatung, 2. Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit, 3. Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen, 4. Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und 5. Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch erfolgen". Diese Aufzählung der Meldezwecke ist abschließend und orientiert sich an den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit zur aktiven Arbeitsförderung in §§ 29 ff SGB III. Mit jedem der Zwecke verbinden sich zahlreiche Beratungsgegenstände (vgl nur die Darstellung von Siefert in Eicher/Schlegel, SGB III nF, Stand: Januar 2015, § 309 RdNr 24 ff; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl, Stand: März 2015, K § 309 RdNr 28 ff; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, § 309 SGB III RdNr 14 ff). Wie konkret der Meldezweck benannt werden muss, kann nicht für alle Einzelfälle generell festgelegt werden, weil dafür die jeweilige Beratungssituation maßgebend ist; eine stichwortartige Konkretisierung ist aber im Regelfall ausreichend (vgl Siefert, aaO, RdNr 20; Winkler, aaO, RdNr 12). Dementsprechend ist die Angabe "Gespräch über das Bewerberangebot/die berufliche Situation" eine grundsätzlich zulässige und ausreichende Konkretisierung des Meldezwecks (ebenso BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 25).

33

Dem wird der vorliegend als Meldezweck seitens des Beklagten in den Meldeaufforderungen jeweils angegebene Grund "Ihr Bewerberangebot bzw Ihre berufliche Situation" bezogen auf die einzelnen Meldeaufforderungen gerecht, zumal es keine weiteren Feststellungen des LSG oder Rügen der Klägerin gibt, die Zweifel an einer ausreichenden Konkretisierung wecken.

34

bb) Die als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Meldeaufforderungen zum 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 notwendige Ermessensausübung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.

35

Zu deren Überprüfung ist von Folgendem auszugehen: Soweit ein Leistungsträger ermächtigt ist, nach seinem Ermessen zu handeln, ist sein Handeln nur rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grundlagen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG sowie § 39 Abs 1 Satz 1 SGB I zu Ermessensleistungen). Umgekehrt hat der Versicherte Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB I), nicht hingegen einen Rechtsanspruch auf einen bestimmten Betrag zB bei einem Leistungsbegehren, sofern nicht eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten ist. Abgesehen von einer solchen Ermessensreduzierung auf Null hat der Gesetzgeber dem Leistungsträger mit der Einräumung von Ermessen eine Auswahlbefugnis hinsichtlich mehrerer gleichermaßen rechtmäßiger Entscheidungsmöglichkeiten auf der Rechtsfolgenseite eröffnet. Zur Sicherung der Funktionentrennung (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG) und der Entscheidungsfreiheit des Leistungsträgers über die Zweckmäßigkeit seines Handelns ist die Überprüfung seiner Ermessensentscheidung durch die Gerichte auf die Rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt ("Rechtmäßigkeits-, aber keine Zweckmäßigkeitskontrolle"). Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG; vgl auch zum Nachfolgenden jeweils mwN nur: BSG Urteil vom 18.3.2008 - B 2 U 1/07 R - BSGE 100, 124 = SozR 4-2700 § 101 Nr 1, RdNr 13 ff und BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 2 U 10/10 R - SozR 4-2700 § 76 Nr 2 RdNr 12 ff).

36

Ein Ermessensnichtgebrauch, bei dem überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt werden und so gehandelt wird, als ob eine gebundene Entscheidung zu treffen ist, ist nicht festzustellen, weil der Beklagte nach den Feststellungen des LSG die Meldeaufforderung ausgesprochen hatte, um die berufliche Situation der Klägerin mit ihr zu erörtern, was angesichts der Länge ihres Leistungsbezugs naheliegend war. Eine Ermessensüberschreitung, bei der eine Rechtsfolge gesetzt wird, die in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist, scheidet aus. Denn die vom Beklagten ausgesprochene Meldeaufforderung ist ein vom Gesetz vorgesehenes Ergebnis seiner Ermessensausübung.

37

Die Voraussetzungen für eine Ermessensunterschreitung oder einen Ermessensmangel, bei denen zwar Ermessenserwägungen angestellt werden, diese indes unzureichend sind, weil sie zB nur aus formelhaften Wendungen bestehen oder relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt werden, oder für einen Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensmissbrauch, bei denen sachfremde Erwägungen angestellt werden, sind für die drei ersten Meldeaufforderungen ebenfalls nicht erfüllt. Denn ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem Beklagten über ihre Bewerbungssituation bzw berufliche Situation war angesichts ihrer Arbeitslosigkeit praktisch geboten. Zudem waren nach den Feststellungen des LSG Vermittlungshemmnisse und gesundheitliche Einschränkungen der Klägerin zu besprechen und zu klären, welche Tätigkeiten sie noch ausüben konnte und ob zunächst Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung durchzuführen waren. Ob es geboten war, diese weiteren Zwecke ausdrücklich zu benennen, zB zur Klärung der gesundheitlichen Situation der Klägerin, die zwischen den Beteiligten zumindest zeitweise umstritten war, kann angesichts der genannten zulässigen Zwecke - bezogen auf die einzelne Meldeaufforderung - dahingestellt bleiben. Die in den Meldeaufforderungen genannten Zwecke dienten dem zentralen Ziel des SGB II, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen und im Zusammenwirken mit ihr Wege zu entwickeln und ihr aufzuzeigen, wie sie eine solche Erwerbstätigkeit erlangen kann (vgl § 1 Abs 2 SGB II).

38

Dass der Beklagte sich von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen, hat das LSG nicht festgestellt, die Klägerin hat insofern keine Rügen erhoben und bezogen auf die drei Meldeaufforderungen ist Derartiges aus den vom LSG festgestellten Tatsachen auch nicht ableitbar.

39

b) Umstände, die für einen wichtigen Grund bei nur einem der drei Meldeversäumnisse sprechen, so zB dass die Klägerin krankheitsbedingt verhindert war, einen der Termine wahrzunehmen, sind den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen.

40

c) Entgegen der Ansicht des SG musste die Klägerin nicht vor einem weiteren Meldeversäumnis einen ersten Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung als Warnung erhalten, damit der zweite Bescheid über dieses weitere Meldeversäumnis und die Minderung in rechtmäßiger Weise ergehen durfte.

41

Die dahingehende frühere Rechtsprechung (zB BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 22 f)ist durch die Neufassung der §§ 31 ff SGB II ab 1.4.2011, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, überholt. § 32 SGB II über Meldeversäumnisse verweist in seinem Absatz 2 lediglich auf die Vorschriften des § 31a Abs 3 und § 31b SGB II. Die Vorschrift des § 31a Abs 1 Satz 4 SGB II, nach der eine wiederholte Pflichtverletzung nur "vorliegt", wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde, ist ausdrücklich nicht in Bezug genommen. Stattdessen heißt es in § 32 Abs 1 Satz 1 SGB II, dass sich das Alg II jeweils um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs mindert. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber einerseits entsprechend dem genannten Urteil vom 9.11.2010 das Erfordernis der vorherigen bescheidmäßigen Feststellung der vorangegangenen Pflichtverletzung vor dem Eintritt der nächsten Pflichtverletzung in das Gesetz übernommen. Andererseits hat er durch seine differenzierende Verweisungsvorschrift zum Ausdruck gebracht, dass dies nicht bei Meldeversäumnissen gelten soll. Er hat damit die Möglichkeit nebeneinander stehender Bescheide über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung für identische Zeiträume, die im Ergebnis zu einer Addition der Minderungsbeträge führen, geschaffen, ohne dass es eines ersten Bescheides über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung bedarf (vgl dazu Begründung des Gesetzentwurfs: BT-Drucks 17/3404 S 112 zu § 32; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 32 RdNr 11; Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 32 RdNr 30; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 32 RdNr 46).

42

6. Aufgrund der Abfolge der den Meldeversäumnissen zugrunde liegenden sieben Meldeaufforderungen nach § 59 SGB II, § 309 SGB III innerhalb von acht Wochen sind die Bescheide vom 14.12.2011, 15.12.2011, 2.1.2012 und 3.1.2012 rechtswidrig, die auf der vierten und den weiteren Meldeaufforderungen und den Meldeversäumnissen am 21.11.2011, 25.11.2011, 7.12.2011 und 12.12.2011 beruhen.

43

Die Rechtswidrigkeit der genannten Bescheide folgt nicht aus der "Einladungsdichte" als solche (dazu a), sondern aus der als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu prüfenden (vgl dazu 5. a) und vorliegend fehlerhaften Ermessensausübung des Beklagten in der Abfolge und Ausgestaltung der Meldeaufforderungen (dazu b).

44

a) Die "Einladungsdichte" selbst von nahezu einer Meldeaufforderung pro Woche ist nicht zu beanstanden, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, weil es Gründe für einen solchen engmaschigen Kontakt zwischen der leistungsberechtigten Person und dem Jobcenter geben kann und eine Meldeaufforderung ferner - die meldepflichtige Person begünstigend - zu einem Anspruch auf Übernahme der Reisekosten (vgl § 59 SGB II, § 309 Abs 4 SGB III) und zu Unfallversicherungsschutz auf dem Weg zum und vom Jobcenter (§ 2 Abs 1 Nr 14a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung) führt.

45

b) Die Abfolge von siebenmal derselben Meldeaufforderung mit denselben Zwecken in nahezu wöchentlichem Abstand an die Klägerin verstößt jedoch gegen die vor einer Meldeaufforderung notwendige Ermessensausübung wegen einer Ermessensunterschreitung, weil relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt worden sind (zu den Voraussetzungen für die gerichtliche Überprüfung von Ermessen vgl 5. a) bb).

46

Zumindest nach der dritten gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins hätte der Beklagte nicht in der bisherigen Weise fortfahren dürfen. Vielmehr hätte er aufgrund der vom Gesetzgeber selbst im Rahmen des § 31a SGB II eingefügten Abstufungen zwischen den Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses mit einer Minderung um 10 vH und den Rechtsfolgen bei einer Pflichtverletzung mit einer Minderung um 30 vH sowie der Erbringung ergänzender Sachleistungen bei einer Minderung um mehr als 30 vH seine bisherige Ermessensausübung überprüfen müssen. Neben dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen qualitativen Schwelle hätte dabei insbesondere in die Erwägungen eingestellt und deutlich gemacht werden müssen, dass sich der Beklagte trotz der festgestellten sieben gleichen Meldeaufforderungen mit denselben Zwecken innerhalb von acht Wochen nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

47

Denn der Zweck der Meldeaufforderungen muss entsprechend dem Grundgedanken des "Förderns und Forderns" im SGB II und nach § 1 Abs 2 SGB II sein, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Trotz der Überschrift "Sanktionen" vor §§ 31 bis 32 SGB II ist es nicht Ziel der Meldeaufforderungen, durch eine hohe Anzahl von Meldeversäumnissen den Anspruch der Meldepflichtigen auf Alg II zu mindern oder gar zu beseitigen. Denn es handelt sich nach dem Wortlaut und der Konzeption der §§ 31 bis 32 SGB II bei ihnen nicht um Strafvorschriften, nach denen aufgrund eines bestimmten schuldhaften Verhaltens bestimmte Strafen "verhängt" werden, sondern um die gesetzlichen Folgen von Obliegenheitsverletzungen, weil die Durchsetzung zB einer Meldeaufforderung nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden darf.

48

Neben den in den Meldeaufforderungen genannten Zwecken "Ihr Bewerberangebot bzw Ihre berufliche Situation" drängten sich vor diesem Hintergrund angesichts des Verhaltens der Klägerin und insbesondere der Vorgeschichte mit den Zweifeln an ihrer Erwerbsfähigkeit und den früheren Meldeversäumnissen als weitere Zwecke die Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auf (vgl § 309 Abs 2 Nr 4, 5 SGB III). Der Beklagte hätte auch von weiteren Meldeaufforderungen Abstand nehmen und die Klägerin zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung auffordern können (vgl § 32 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB II).

49

In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in den Meldeaufforderungen ist von einer Ermessensunterschreitung des Beklagten auszugehen. Das LSG hat keine Ermessenserwägung des Beklagten in den angeführten Bescheiden oder den zugrunde liegenden Meldeaufforderungen, die der vorliegenden besonderen Situation Rechnung tragen, oder andere spezifische Gründe seitens des Beklagten festgestellt, die für eine wörtliche Wiederholung der bisherigen Meldeaufforderungen und gegen eine Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte sprachen. Den festgestellten Tatsachen im Übrigen sind ebenfalls keine dahingehenden Ermessenerwägungen des Beklagten oder andere Gründe zu entnehmen.

50

7. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin nach §§ 32, 31a Abs 3, § 31b SGB II bestehen nicht. Obwohl der Senat sich der mit einer Minderung des Alg II-Anspruchs einhergehenden Auswirkungen, bei einer Minderung um 10 vH waren es damals 33,70 Euro pro Monat, bewusst ist, kann er sich die notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Regelungen nicht bilden (vgl zu den Voraussetzungen einer Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG nur zB Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 4.6.2012 - 2 BvL 9/08 ua - BVerfGE 131, 88 RdNr 90 f mwN).

51

a) Das durch Art 1 Abs 1 GG begründete und nach dem Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG auf Konkretisierung durch den Gesetzgeber angelegte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verpflichtet den Staat dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen zur Verfügung stehen, wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 134). Das bedingt jedoch nicht, dass diese Mittel voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten (ebenso zur Berücksichtigung von Einkommen BVerfG Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 33 = BVerfGK 17, 375 RdNr 13; Berlit, Sanktionen im SGB II - nur problematisch oder verfassungswidrig?, info also 2013, 195, 200 ff; Lauterbach, Verfassungsrechtliche Probleme der Sanktionen im Grundsicherungsrecht, ZFSH/SGB 2011, 584 ff). Bei der Konkretisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Gesetzgeber vielmehr ein Gestaltungsspielraum zugewiesen, innerhalb dessen er die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat (BVerfG Urteil vom 9.2.2010, aaO, RdNr 138 ff).

52

Dass der Gesetzgeber dabei von Verfassungs wegen schlechterdings gehindert wäre, die Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II an (Mitwirkungs-)Obliegenheiten zu knüpfen und bei deren Verletzung leistungsrechtliche Minderungen vorzusehen, vermag der Senat nicht zu erkennen (so aber Neskovic/Erdem, Zur Verfassungswidrigkeit von Sanktionen bei Hartz IV, SGb 2012, 134 ff; ähnlich Drohsel, Sanktionen nach dem SGB II und das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, NZS 2014, 96 ff; wie hier dagegen etwa: Berlit, Sanktionen im SGB II - nur problematisch oder verfassungswidrig?, info also 2013, 195 ff; ders in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 31 RdNr 13 f; Burkiczak, Zur Verfassungswidrigkeit von Sanktionen bei Hartz IV, SGb 2012, 324 ff; Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 31 RdNr 7; Lauterbach, Verfassungsrechtliche Probleme der Sanktionen im Grundsicherungsrecht, ZFSH/SGB 2011, 584 ff; ders in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, K § 31 SGB II RdNr 2; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, 2. Aufl, Stand: März 2015, § 31 RdNr 39; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Sanktionen im Arbeitsförderungsrecht: BVerfG Beschluss vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - BVerfGE 74, 203 = SozR 4100 § 120 Nr 2). Zudem ist zu bedenken, dass es sich bei den sog "Sanktionen" grundrechtsdogmatisch nicht um einen Eingriff, sondern um eine abgesenkte Form der Leistungsgewährung handelt (vgl Berlit, info also 2013, 195 ff; Burkiczak, SGb 2012, 324 ff).

53

Eine andere Auslegung würde mittels des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums die Grundsicherung für Arbeitsuchende in Richtung auf ein bedingungsloses Grundeinkommen weiterentwickeln (vgl dazu zB Eicker-Wolf, Money for nothing? - Das bedingungslose Grundeinkommen, SF 2013, 172 ff; Opielka, Grundeinkommensversicherung, SF 2004, 114 ff); eine solche Entscheidung muss jedoch dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

54

Hat der Gesetzgeber von einer solchen Wertung abgesehen, darf er sich bei der Ausgestaltung der Leistungen nach dem SGB II vor diesem Hintergrund von der Erwartung leiten lassen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen (vgl § 2 Abs 2 Satz 1 SGB II) und demzufolge die zum Lebensunterhalt notwendigen Mittel womöglich ua durch zumutbare Erwerbsarbeit selbst erwirtschaften (ebenso Berlit, info also 2013, 195, 201 ff). Soweit der Gesetzgeber als Folge dessen negative Konsequenzen an die fehlende Bereitschaft knüpft, mit den für die Leistungsgewährung zuständigen Stellen (auch nur) in Gespräche über Möglichkeiten zur Überwindung von Erwerbslosigkeit einzutreten, ist ihm das verfassungsrechtlich jedenfalls solange nicht verwehrt, wie sichergestellt ist, dass den Betroffenen die auch in dieser Lage unerlässlichen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (vgl Schmidt-De Caluwe in Estelmann, SGB II, Stand: Dezember 2014, § 31 RdNr 15).

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b) Dass diese Grenze nicht eingehalten ist, vermag der Senat jedenfalls vorliegend nicht zu erkennen.

56

Überschreitet die Minderung infolge mehrerer Meldeversäumnisse den Wert von 30 vH, hat das Jobcenter gemäß § 32 Abs 2 Satz 2 iVm § 31a Abs 3 Satz 1 SGB II nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob und inwieweit in angemessenem Umfang Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind(vgl dazu Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 31a RdNr 36 ff; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 31a RdNr 40 ff). Soweit auf dieser Grundlage Sachleistungen erbracht werden, genügt das den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedenfalls grundsätzlich (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), ohne dass über Voraussetzungen und etwaige Grenzen eines solchen Ausgleichs im Einzelnen hier abschließend zu entscheiden wäre.

57

Erreicht die Minderung diesen Wert nicht, ist ausgehend von den in die Ermittlung des Regelbedarfs gemäß § 5 Regelbedarfsermittlungsgesetz eingeflossenen Abteilungen der Verbrauchsausgaben zu beachten, dass nicht dem physischen Existenzminimum, sondern der sozialen Teilhabe zuzuordnen sind etwa die Abteilungen 7(Verkehr mit 22,78 Euro), 8 (Nachrichtenübermittlung mit 31,96 Euro), 9 (Freizeit usw mit 39,96 Euro) und 11 (Beherbergung ua 7,16 Euro). Zudem beziehen sich die Abteilungen 3 (Bekleidung, Schuhe mit 30,40 Euro) oder 5 (Innenausstattung usw mit 27,41 Euro) auf Bedarfe, die aktuell nicht jeden Monat anfallen, sondern von der sog Anschaffungsrücklage nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II umfasst sind(vgl Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 12 RdNr 34; Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 12 RdNr 73). Die im Regelbedarf enthaltenen Beträge für soziokulturelle Bedarfe sind zwar - obwohl dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Grundrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, soweit es um Art und Umfang der Möglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 152; BVerfG Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 RdNr 67) - keine freiverfügbare Ausgleichsmasse (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 11 BvR 1691/13 - NJW 2014, 3425, RdNr 117 f). Deshalb mag nicht auszuschließen sein, dass sich der Verweis auf Einsparungen in diesem Bereich in besonders gelagerten Fällen als verfassungsrechtlich bedenklich erweist. Eine solche Lage ist indes zumindest hier nicht erkennbar.

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Dabei ist zunächst zu beachten, dass wegen Deckungslücken im Bereich einmaliger, nicht dauerhafter bzw laufender Bedarfe die Erbringung von Leistungen als Darlehen nach § 24 Abs 1 SGB II in Betracht kommt(vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 23 zur Vorläuferbestimmung; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R - RdNr 17). Soweit darüber hinaus weitere, von Verfassungs wegen nicht hinnehmbare Deckungslücken bestünden, müsste das nicht notwendig die Minderungsbestimmung des § 32 Abs 1 Satz 1 SGB II selbst betreffen. Zu fragen wäre aufgrund der gesetzlichen Konzeption von Minderungsregel und Ausgleichsmechanismus nach § 31a Abs 3 Satz 1 SGB II vielmehr zuerst, ob der uneingeschränkte Ausschluss von Sachleistungen bei Minderungsbeträgen von bis zu 30 vH des Regelbedarfs ohne Ausnahme bei besonderen Härtefällen verfassungsrechtlich unbedenklich ist(vgl BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 34 f). Zu einer solchen Prüfung besteht indes hier kein Anlass, weil weder erkennbar noch von der Klägerin im Rahmen einer Rüge vorgetragen worden ist, dass sie sich erfolglos um die Gewährung von Sachleistungen bemüht habe.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.07.2015 - S 16 AS 305/15 - wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Eintritts einer Minderung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.09.2015 in Höhe von 30 v. H.

Am 25.02.2015 schlossen der Beklagte und der Kläger, der zuletzt aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 27.05.2015 für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.06.2016 Alg II bezieht, eine Eingliederungsvereinbarung (EGV) ab, laut der er für 20 Stunden pro Woche in der Zeit vom 02.03.2015 bis 01.06.2015 an einer Arbeitsgelegenheit gemäß § 16 d SGB II in der Einsatzstelle Sozialkaufhaus M. S. O. (Träger der Maßnahme: Gesellschaft zur beruflichen Förderung A. mbH -im Folgenden: GbF-) teilnehme und hierfür 1,50 € pro Stunde erhalte. Näheres ergebe sich aus dem Zuweisungsschreiben vom selben Tag. In der Rechtsfolgenbelehrung - insbesondere im Zuweisungsschreiben - war er darauf hingewiesen worden, dass er die Arbeit aufnehmen und fortführen müsse, da ansonsten eine wiederholte Pflichtverletzung vorliege und eine Minderung des Alg II um 60 v. H. erfolge, soweit kein wichtiger Grund vorliege. Eine wiederholte Pflichtverletzung liege auch vor, wenn er die Aufnahme der Arbeitsgelegenheit durch negatives Bewerbungsverhalten vereitle oder nach der Aufnahme der Arbeitsgelegenheit abbreche. Der Kläger nahm die Arbeitsgelegenheit auf. Mit Schreiben vom 07.03.2015 kündigte der Kläger die EGV gegenüber dem Beklagten, da er eine solche nicht zu unterschreiben brauche. Mit Schreiben vom 25.03.2015 mahnte die GbF den Kläger wegen Aufstellens unwahrer Behauptungen und Aufwiegelung anderer Arbeitnehmer ab und beendete die Maßnahme nach Rücksprache mit dem Beklagten zum 08.04.2015 (Schreiben vom 09.04.2015), da eine Verhaltensänderung des Klägers nicht erfolgt sei.

Nach Anhörung stellte der Beklagte mit Bescheid vom 29.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 den Eintritt einer Minderung um 30 v. H. (108,00 € monatlich) für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.09.2015 fest. Der Kläger habe sich nicht maßnahmenkonform verhalten. Ein Widerruf bzw. eine Kündigung der EGV sei nicht wirksam erfolgt. Die Tätigkeit bei der GbF sei zumutbar gewesen. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten sei nicht ersichtlich. Über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die EGV sei er belehrt worden. Eine (teilweise) Aufhebung der Leistungsbewilligung durch den Beklagten ist nicht erfolgt.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 29.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 begehrt. Sanktionen gegen Alg II-Empfänger seien verfassungswidrig, insbesondere wenn diese - wie er - psychisch krank seien. Er sei zu unzumutbaren Tätigkeiten eingesetzt worden. Außerdem habe er einen wichtigen Grund gehabt, denn er habe auf seine Kinder aufpassen und diese erziehen und versorgen müssen.

Mit Urteil vom 28.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Trotz ordnungsgemäßer Rechtsfolgenbelehrung habe der Kläger seine Pflicht nicht erfüllt. Die EGV habe nicht wirksam widerrufen werden können. Ein Kündigungsrecht bestehe mangels nachträglicher wesentlicher Änderung der Verhältnisse auch nicht. Die Tätigkeit bei der GbF sei zumutbar gewesen und der Kläger habe den Maßnahmenabbruch durch sein Verhalten veranlasst. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Berufung sei wegen der Bedeutung der Sache und wegen eines Verfahrensfehlers des SG zuzulassen. Die Richterin am SG habe ihn nicht angehört. Verträge könnten gekündigt werden. Er sei über die Rechtsfolgen durch den Beklagten nicht belehrt worden. Auch die Kündigung durch die GbF sei unwirksam. Sanktionen seien rechtswidrig (vgl. SG Gotha). Die Tätigkeit sei unzumutbar gewesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, die Berufung ist nicht zulässig. Die Zulässigkeit der Berufung scheitert daran, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 € nicht übersteigt, denn streitig sind letztlich nur Leistungen in Höhe von 108,00 € monatlich für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.09.2015. Zwar handelt es sich bei dem Bescheid vom 29.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 lediglich um die Feststellung einer (erstmaligen) Pflichtverletzung sowie des Umfangs und des Beginns der Minderung gemäß § 31 b SGB II; vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 19/14 R- veröffentl. in juris), somit um einen Feststellungsbescheid, der jedoch gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf eine Geldleistung gerichtet ist. Dies ist nämlich auch dann der Fall, wenn man der Auffassung des Senats folgt, dass zusätzlich zu der Feststellung des Eintritts der Minderung eine (teilweise) Aufhebung der Leistungsbewilligung erfolgen muss (vgl. u. a. Beschluss des Senats vom 17.06.2013 - L 11 AS 306/13 B ER -, Beschluss vom 28.08.2014 - L 11 AS 546/14 NZB -; Knickrehm/Hahn, SGB II, 3.Aufl., § 31 b Rdnr. 5ff. sowie fachliche Weisungen der BA zu §§ 31, 31 a, 31 b SGB II i. d. F. vom 22.04.2014, Rz. 31.28; BSG, Urteil vom 29.04.2015 a. a. O.), denn auch dann führt dieser Feststellungsbescheid letztendlich zu einer (Änderung der) Geldleistung (vgl. Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 144 Rdnr. 10 a), wenn auch hierzu ein (teilweiser) Aufhebungsbescheid bei bereits erfolgter Leistungsbewilligung erforderlich ist. Somit bedarf die Berufung der Zulassung. Eine solche ist durch das SG nicht erfolgt.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer a. a. O. § 144 RdNr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).

Eine grundsätzliche Bedeutung des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht zu erkennen, nachdem das BSG im Urteil vom 29.04.2015 a. a. O. die Rechtsfrage, ob neben dem Feststellungsbescheid auch eine (teilweise) Aufhebung eines bereits erlassenen Bewilligungsbescheides erforderlich ist, dahingehend geklärt hat, dass eine (teilweise) Aufhebung zusätzlich zu erfolgen hat. Ebenso ist das BSG in dieser Entscheidung von der Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen ausgegangen, so dass dem Vorlagebeschluss des SG Gotha vom 26.05.2015 - S 15 AS 5157/14 - keine entscheidende Bedeutung beizumessen ist. Das durch Artikel 1 Abs. 2 Grundgesetz (GG) begründete und nach dem Sozialstaatsgebot des Artikel 20 Abs. 1 GG auf Konkretisierung durch den Gesetzgeber angelegte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verpflichtet den Staat dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen zur Verfügung stehen, wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen, noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann. Das bedingt jedoch nicht, dass diese Mittel voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten. Bei der Konkretisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Gesetzgeber vielmehr ein Gestaltungsspielraum zugewiesen, innerhalb dessen er die zu erbringenden Leistungen an den jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dass der Gesetzgeber dabei von Verfassung wegen schlechterdings gehindert wäre, die Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II an (Mitwirkungs-)Obliegenheiten zu knüpfen und bei deren Verletzung leistungsrechtliche Minderungen vorzusehen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Zudem ist zu bedenken, dass es sich bei den sogenannten "Sanktionen" grundrechtsdogmatisch nicht um einen Eingriff, sondern um eine abgesenkte Form der Leistungsgewährung handelt (so BSG a. a. O. m. w. N.).

Eine Abweichung des SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung ist auch nicht zu erkennen. Dabei ist nicht zu prüfen, ob das SG das materielle Recht zutreffend angewandt hat, also u. a. ob der Beklagte den Kläger zutreffend über die Rechtsfolgen eines Abbruchs der Maßnahme durch die GbF (nicht durch den Kläger selbst) und über eine erstmalige Pflichtverletzung (vorliegend bezog sich die Rechtsfolgenbelehrung auf eine wiederholte Pflichtverletzung; vgl. dazu Urteil des Senats vom 06.02.2014 - L 11 AS 535/12 -) belehrt worden ist; vielmehr ist lediglich zu prüfen, ob das SG in Abweichung der Rechtsprechung der Obergerichte einen Rechtssatz aufgestellt hat, der von deren Rechtsprechung abweicht. Dies ist hier nicht zu erkennen.

Der Kläger macht zudem einen Verfahrensfehler des SG geltend. Er sei in der mündlichen Verhandlung nicht angehört worden. Ein solcher Verfahrensfehler liegt jedenfalls tatsächlich nicht vor, denn der Kläger hat seine Äußerungen bereits in umfangreichen Schriftsätzen dargelegt und in der mündlichen Verhandlung sind Ausführungen seinerseits zu Protokoll genommen worden.

Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit.

(2) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten auf Grund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung gehört je ein ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Sind für Angelegenheiten einzelner Zweige der Sozialversicherung eigene Kammern gebildet, so sollen die ehrenamtlichen Richter dieser Kammern an dem jeweiligen Versicherungszweig beteiligt sein.

(3) In den Kammern für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. In Angelegenheiten der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten wirken als ehrenamtliche Richter nur Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. Als Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten gelten auch bei diesen oder in medizinischen Versorgungszentren angestellte Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die Mitglied der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung sind.

(4) In den Kammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten, der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und der Versicherten mit; dabei sollen Hinterbliebene von Versorgungsberechtigten in angemessener Zahl beteiligt werden.

(5) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes wirken ehrenamtliche Richter aus den Vorschlagslisten der Kreise und der kreisfreien Städte mit.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung gilt stets als begründet, wenn der Richter dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehört, deren Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden.

(4) (weggefallen)

Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.