Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Sept. 2014 - 8 AZR 733/13

bei uns veröffentlicht am18.09.2014

Tenor

1. Die Revisionen der Klägerin und des Beklagten zu 2. als ihres Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Mai 2013 - 5 Sa 72/12 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin, die der Nebenintervention hat der Nebenintervenient zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und in diesem Zusammenhang insbesondere darüber, ob das ursprünglich zwischen dem Beklagten zu 2. und der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis ab Ende September 2011 auf den Beklagten zu 1. übergegangen ist.

2

Die Klägerin war seit 1994 bei dem Beklagten zu 2. in der bis zum 30. September 2011 von ihm betriebenen Tankstelle auf dem Gelände des Überseehafens (Tankstelle ÜH1) mit 40 Wochenstunden zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 1.600,00 Euro als Mitarbeiterin im Tankstellen-Shop beschäftigt.

3

Diese Tankstelle war 1994 von dem Mineralölunternehmen T GmbH (T) auf dem von der Hafenentwicklungsgesellschaft gepachteten Grundstück O-Straße 13 errichtet und an den Beklagten zu 2. verpachtet worden. Eine Hauptverkehrsachse von den Überseefähren zur Autobahn läuft in der Nähe vorbei. Bis Herbst 2011 war sie - mit Ausnahme einer Automatentankstelle „A“ mit geringem Umsatz - die einzige Tankstelle auf dem Gelände des Überseehafens. Der Beklagte zu 2. verkaufte in seinem Tankstellenbetrieb Kraft- und Schmierstoffe im Namen und auf Rechnung der T und erhielt dafür eine Provision von den Umsätzen. Zuletzt vermittelte er für T einen Jahresumsatz von 17.507.000,00 Euro. Der Tankstelle angeschlossen waren ein in eigener Regie des Beklagten zu 2. betriebener Shop mit Reiseutensilien, Lebensmitteln und einem Imbiss. Insgesamt beschäftigte er acht Arbeitnehmer/innen in Vollzeit und acht Aushilfskräfte. Mit einigen umsatzstarken Stammkunden aus dem Hafenbereich hatte der Beklagte zu 2. sog. Stationsverträge geschlossen, die ein Tanken gegen Rechnung und zu Sonderkonditionen ermöglichten. Zudem konnten Kunden, wie an allen Tankstellen von T, mit sog. „m“-Karten bezahlen; der Zahlungsfluss erfolgte dabei unmittelbar zwischen den jeweiligen Tankkunden und T. Laut einer Stammkundenanalyse (unter Auswertung der Sicherheitsdateien der Kassenjournale für die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2011) hatte die Tankstelle ÜH1 einen Stammkundenanteil von 86 %. Zum 30. September 2011 kündigte T das Pachtverhältnis mit dem Beklagten zu 2., der seit dem 1. Oktober 2011 keine Tankstelle mehr betreibt.

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T baute anschließend die Tankstelle ÜH1 zu einer reinen, von ihr selbst betriebenen Automatentankstelle mit je einer Säule für Diesel und AdBlue um. Dort kann nur noch per Karte (drei im Speditionsgewerbe übliche Karten, darunter „m“) bezahlt werden. Der Beklagte zu 1. führt für T eine Alarm-Überwachung dieser Automatentankstelle durch.

5

Die Hafenentwicklungsgesellschaft hatte vor dem Herbst 2011 ein weiteres Grundstück im Überseehafen an T zur Errichtung einer Tankstelle (Tankstelle ÜH2) verpachtet. Die neu erbaute Tankstelle liegt etwa 800 Meter entfernt von der Tankstelle ÜH1. An ihr laufen zwei Hauptverkehrsadern zur Autobahn vorbei. Der Beklagte zu 1. erhielt den Zuschlag als Pächter und betreibt sie seit Ende September/Anfang Oktober 2011. Das Gebäude, die Organisation und die Verträge sind ähnlich gestaltet wie bei der Tankstelle ÜH1. Nahrungsmittellieferungen werden vom gleichen Tankstellen-Lieferanten bezogen. Von der Tankstelle ÜH1 übernahm der Beklagte zu 1. nur Kochtöpfe. Stationsverträge hat er weder abgeschlossen noch übernommen. Der Beklagte zu 1. ging nicht auf eine Gemeinschaftsbewerbung aller Mitarbeiter der Tankstelle ÜH1 ein. Nach Einzelbewerbungen auf seine Stellenausschreibung stellte er drei bis vier frühere Beschäftigte in Vollzeit und vier bis fünf als Aushilfen mit schlechteren Arbeitsbedingungen ein. Die Klägerin war nicht darunter.

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Mit Schreiben vom 5. September 2011 kündigte der Beklagte zu 2. das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin „für den Fall, dass kein Betriebsübergang vorliegt“ zum 30. September 2011. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 kündigte er erneut - zum nächst zulässigen Termin - und berief sich auf betriebsbedingte Gründe.

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Mit ihrer gegen den früheren Arbeitgeber und gegen den neuen Tankstellenpächter gerichteten Klage, in deren Verfahren der frühere Arbeitgeber - der Beklagte zu 2. - jedenfalls zuletzt auch als Nebenintervenient auf Seiten der Klägerin aufgetreten ist, hat die Klägerin die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis bestehe ab Ende September 2011 nach erfolgtem Betriebsübergang mit dem Beklagten zu 1. fort. Beide Kündigungen des Beklagten zu 2. seien mangels Kündigungsgrundes und wegen Betriebsübergangs unwirksam. Der „Kern der Wertschöpfung“ einer Tankstelle liege im Verkauf von Kraftstoffen auf und für Rechnung des jeweiligen Mineralölkonzerns. Der jeweilige Pächter sei Provisionsempfänger in wirtschaftlicher und rechtlicher Abhängigkeit vom Mineralölkonzern. T habe 2011 lediglich seine alte Tankstelle im Überseehafen - einschließlich der darin befindlichen alten, „abgewirtschafteten“ sächlichen Betriebsmittel - durch eine neue in unmittelbarer Nähe ersetzt und dabei den Pächter gewechselt. Insofern sei die Situation vergleichbar mit der der Übertragung der Alleinvertriebsberechtigung von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Marke, was vom EuGH als ausreichend zur Bejahung eines Betriebsübergangs betrachtet worden sei. Zu dem danach wesentlichen Umstand der Übereinstimmung der Lieferbeziehung zu T kämen weitere einen Betriebsübergang anzeigende Faktoren hinzu: die Übereinstimmung der Ausstattung beider Tankstellen einschließlich der Anzahl der Zapfsäulen, der Bezug von Nahrungsmitteln für Shop und Bistro bei demselben Lieferanten und die gleichbleibenden Kundenbeziehungen. 99 % der Kunden der alten tankten seit Herbst 2011 an der neuen Tankstelle. Das gelte insbesondere für die Stammkunden aus dem Überseehafen und für die zentrale Bedeutung des Fährverkehrs von und nach Skandinavien. Durch die Lage der neuen Tankstelle an einer zweiten Hauptverkehrsachse habe sich die Kundschaft nicht verändert. Die Anzahl der übernommenen Mitarbeiter indiziere hier zwar keinen Betriebsübergang, spreche aber auch nicht dagegen. Die Übernahme der Gesamtbelegschaft sei bewusst vermieden worden.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass mit Wirkung ab dem 26. September 2011 zwischen dem Beklagten zu 1. und der Klägerin ein Arbeitsverhältnis zu den Konditionen des Arbeitsvertrags zwischen dem Beklagten zu 2. und der Klägerin besteht;

        

2.    

den Beklagten zu 1. zu verurteilen, die Klägerin zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags mit dem Beklagten zu 2. weiterzubeschäftigen;

        

3.    

festzustellen, dass die mit Schreiben vom 5. September 2011 ausgesprochene Kündigung des Beklagten zu 2. unwirksam ist.

9

Der Beklagte zu 2. hat als Nebenintervenient auf der Seite der Klägerin ihren ersten Klageantrag unterstützt. Ein Betriebsübergang zum Beklagten zu 1. liege vor. Hätte die Mineralölgesellschaft die Tankstelle unter Beibehaltung des Standortes abgerissen und neu aufgebaut, läge bei Pächterwechsel ohne Frage ein Betriebsübergang vor. Es habe im Wege der Ersetzung alter durch neue ein Übergang der wesentlichen Betriebsmittel - Erdtanks, Tanksäulen, Leitungen, flüssigkeitsdichte Fahrbahn, Preismast, Kassenhäuschen mit Shop, Wassereimer, Reinigungsschwämme, Papier- und Handtuchspender - von der alten auf die neue Tankstelle stattgefunden. Die Standortverlagerung von 800 Metern stehe dem nicht entgegen. Aus einer Kundenbefragung - angefertigt auf Beweisbeschluss des Landgerichts Hamburg für ein Klageverfahren zum Handelsvertreterausgleichsanspruch zwischen dem Beklagten zu 2. und T - ergebe sich, dass die Stammkunden der alten zur neuen Tankstelle gewechselt seien. Es komme nicht darauf an, ob am neuen Standort neue Kunden hinzugekommen seien. Die nur eingeschränkte Personalübernahme spreche nicht gegen einen erfolgten Betriebsübergang; der Beklagte zu 1. habe durch das Angebot wesentlich schlechterer Arbeitsbedingungen einen weiteren Personalwechsel verhindert.

10

Der Beklagte zu 1. hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nicht vorliegen. Die Pacht funktionsgleicher Gegenstände von einer Mineralölgesellschaft reiche dafür nicht aus. Kundenbeziehungen seien nicht übergegangen. Ein wesentlicher Teil der Kundschaft der alten sei nicht zur neuen Tankstelle gewechselt. So nutzten einige bisherige gewerbliche Kunden der Tankstelle ÜH1 nun die dort verbliebene Automatentankstelle. Das vom Beklagten zu 2. zur Akte gereichte Gutachten (Kundenbefragung) sei nicht repräsentativ. Daraus gehe zudem eine weit geringere Stammkundenübereinstimmung hervor als die, die der Beklagte zu 2. behaupte.

11

Das Arbeitsgericht ist nicht von einem Betriebsübergang ausgegangen und hat festgestellt, dass die Kündigung vom 5. September 2011 das Arbeitsverhältnis erst zum 31. März 2012 beendet hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerin und des Beklagten zu 2. zurückgewiesen. Dem tritt die Klägerin mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision entgegen, unterstützt vom Beklagten zu 2. als Nebenintervenienten.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist unbegründet.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Betriebsübergang von dem Beklagten zu 2. auf den Beklagten zu 1. sei nicht erfolgt. Wesentliche Gesichtspunkte der Wertschöpfung einer Tankstelle seien - zusammengenommen - Ort und Inventar der Tankstelle, der Kundenstamm und die Arbeitnehmer. Diese Aspekte sprächen hier nicht für einen Betriebsübergang. Weder materielle Betriebsmittel noch eine wesentliche Zahl von Arbeitnehmern seien übernommen worden, der Kundenkreis sei nicht im Wesentlichen gleich. Die für einen Betriebsübergang sprechenden Umstände - gleiche Lieferanten, gleiche Branche, vergleichbare Organisation und von T mutmaßlich geplante zeitliche Nähe der Schließung der alten und der Eröffnung der neuen Tankstelle - reichten nicht aus.

14

Diese Entscheidung stehe mit dem Urteil Merckx und Neuhuys des EuGH (7. März 1996 - C-171/94 - Slg. 1996, I-1253) im Einklang. Die Sachverhalte seien unterschiedlich. Im damaligen Fall sei ein Übergang der Ford-Autohäuser im Großraum Brüssel auf Standorte in anderen Gemeinden bei Übernahme von 14 von 64 Arbeitnehmern als Betriebsübergang angesehen worden. Jedoch seien im Fall Merckx und Neuhuys Exklusivvertriebsrechte für ein bestimmtes Gebiet übertragen worden, während vorliegend eine Änderung von einer Tankstelle mit T-Alleinvertrieb im Hafengebiet zu einer Tankstelle erfolgt sei, die mit einer T-Automatentankstelle konkurrieren müsse. Auch liege bei Personenkraftwagen eine stärkere Markenbindung vor als bei Treibstoff. Der Prozentsatz der Wissensträger unter den Arbeitnehmern sei bei Autohäusern außerdem erheblich höher als bei Tankstellen. Demgegenüber fielen bestehende Ähnlichkeiten der Fallgestaltungen - Entzug der Vertriebsberechtigung bei gleichzeitiger Vergabe einer ähnlichen Vertriebsberechtigung, ohne dass Übernahme von Arbeitnehmern, Betriebsmitteln und Ort klar für einen Betriebsübergang sprächen - nicht wesentlich ins Gewicht.

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B. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, sodass die Revision zurückzuweisen ist.

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I. Die Nebenintervention des Beklagten zu 2. erfüllt die Voraussetzungen von §§ 66, 70 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG. Dabei muss die Erklärung des Beitritts (§ 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO) nicht wörtlich und ausdrücklich erfolgen (BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 10/07 - Rn. 30 mwN; vgl. BGH 16. Januar 1997 - I ZR 208/94 - zu II 1 der Gründe; 10. März 1994 - IX ZR 152/93 - zu II 2 der Gründe). Es genügt eine dem Sinne nach eindeutige Äußerung, aus der sich die aktive Beteiligung am Prozess auf einer bestimmten Seite ergibt (vgl. BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 10/07 - Rn. 30 mwN). Unerheblich ist, dass das Landesarbeitsgericht die Nebenintervention nicht als solche erkannt hat. Die gebotene Auslegung der Prozesserklärungen - hier die der Antragstellung und -begründung des Beklagten zu 2. - in ihrer Wirkung insbesondere auf die Prozessbeteiligten (zu diesem Maßstab vgl. BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 10/07 - Rn. 30 mwN) kann grundsätzlich auch noch in einer späteren Instanz erfolgen (vgl. BGH 10. März 1994 - IX ZR 152/93 - zu II 2 der Gründe). Vorliegend haben zudem sowohl der Beklagte zu 2. als auch die Klägerin und der Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat diese Auslegung der erfolgten Prozesserklärungen des Beklagten zu 2. als zutreffend und mit ihrer Wahrnehmung übereinstimmend bestätigt. Als Nebenintervenient der Klägerin ist der Beklagte zu 2. zur Revisionseinlegung befugt (ua. BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 10/07 - Rn. 27 mwN).

17

II. Die Revisionen der Klägerin und ihres Nebenintervenienten sind nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht ist von den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung zum Betriebsübergang ausgegangen und hat sie zutreffend auf den Streitfall angewendet.

18

1. Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB und im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt(vgl. EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 40 mwN; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 39 mwN). Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 31 f. mwN). Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (näher EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 40 ff. mwN). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. ua. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 23. Mai 2013 - 8 AZR 207/12 - Rn. 22; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 39). Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 49, Slg. 2011, I-7491; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 41). Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 36, aaO; BAG 23. September 2010 - 8 AZR 567/09 - Rn. 30). Kommt es im Wesentlichen auf die Betriebsmittel wie etwa das Inventar an, dann kann ein Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (vgl. EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Abler ua.] Rn. 37, Slg. 2003, I-14023; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 42). Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln übertragen worden ist (EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Abler ua.] Rn. 41 mwN, aaO; BAG 11. Dezember 1997 - 8 AZR 426/94 - zu B I der Gründe, BAGE 87, 296). Der Begriff „durch Rechtsgeschäft“ des § 613a BGB ist wie der Begriff „durch vertragliche Übertragung“ in Art. 1 Abs. 1a der Richtlinie 2001/23/EG(dazu ua. EuGH 7. März 1996 - C-171/94 - [Merckx und Neuhuys] Rn. 28, Slg. 1996, I-1253; 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 63, aaO) weit auszulegen, um dem Zweck der Richtlinie - dem Schutz der Arbeitnehmer bei einer Übertragung ihres Unternehmens - gerecht zu werden. So ist es nicht erforderlich, dass zwischen Veräußerer und Erwerber unmittelbar vertragliche Beziehungen bestehen; die Übertragung kann auch unter Einschaltung eines Dritten, wie zB des Eigentümers oder des Verpächters, erfolgen (ua. EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Abler ua.] Rn. 39 mwN, aaO).

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Die Bewertung der maßgeblichen Tatsachen ist nach Unionsrecht Sache der nationalen Gerichte (vgl. ua. EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237) und im deutschen Arbeitsrecht Sache der Tatsacheninstanzen, die dabei einen Beurteilungsspielraum haben (vgl. ua. BAG 18. August 2011 - 8 AZR 312/10 - Rn. 21, BAGE 139, 52).

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2. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler einen Betriebsübergang iSv. § 613a BGB auf den Beklagten zu 1. verneint.

21

a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten zu 2. bis zum 30. September 2011 betriebene Tankstelle ÜH1 eine abtrennbare wirtschaftliche Einheit mit eigener Identität war. Dies sehen die Parteien im Übrigen nicht anders. Es handelt sich bei dieser Tankstelle, die über eine eigene Leitung (den Beklagten zu 2. als Pächter) verfügte, um eine hinreichend strukturierte und selbständige Gesamtheit von Personen (neben dem Beklagten zu 2. acht Arbeitnehmer/innen in Vollzeit und acht Aushilfskräfte) und Sachen (ua. die übliche Tankstellenausstattung mit Erdtanks, acht Zapfsäulen, spezieller Fahrbahn, Überdachung, Preismast, Shop mit Tankstellenkasse) zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck. Dieser Zweck war insbesondere der Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen - im Namen und auf Rechnung der T - sowie der in eigener Regie betriebene Verkauf diverser weiterer Artikel bis hin zu Lebensmitteln und zubereiteten Mahlzeiten im Bistro. Wesentliche Lieferantenbeziehungen bestanden zu T - gleichzeitig Verpächter der Tankstelle - und, in Bezug auf Nahrungsmittel für Shop und Bistro, zu einem bestimmten Tankstellen-Lieferanten. Laut einer Stammkundenanalyse hatte die Tankstelle einen Stammkundenanteil von 86 %, davon hatten einige umsatzstarke Stammkunden aus dem Bereich des Überseehafens sog. Stationsverträge mit dem Beklagten zu 2. geschlossen, die ein Tanken auf Rechnung und zu Sonderkonditionen ermöglichten.

22

b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, nach der diese bis Ende September 2011 bestehende wirtschaftliche Einheit nicht unter Wahrung ihrer Identität vom Beklagten zu 1. fortgeführt wird, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

aa) Für die Feststellung eines Betriebsübergangs im Hinblick auf das gesetzliche Tatbestandsmerkmal „durch Rechtsgeschäft“ kann grundsätzlich die vertragliche Beziehung eines bisherigen und eines zukünftigen Tankstellenpächters zu T ausreichen.

24

bb) Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Gesamtbewertung der maßgeblichen Tatsachen fehlerfrei die Art des betroffenen Tankstellenbetriebs berücksichtigt und geschlossen, dass hier nicht ausreichend Teilaspekte für einen Betriebsübergang sprechen.

25

(1) Die Art des Betriebs und die Produktions- oder Betriebsmethoden unterscheiden sich nicht bei den beiden 800 Meter voneinander entfernt gelegenen Tankstellen ÜH1 und ÜH2. Darin liegt jedoch kein besonders für einen Betriebsübergang sprechender Umstand einer Betriebsidentität, da Tankstellen - insbesondere, wenn sie wie hier zur selben Mineralölgesellschaft gehören - regelmäßig eine gleiche oder ähnliche Struktur aufweisen.

26

(2) Angesichts der besonderen Anlagen, die für den Betrieb einer Tankstelle erforderlich sind (ua. spezielle Erdtanks, Zapfsäulen, Fahrbahn, Überdachung), hat das Landesarbeitsgericht zutreffend deren Nichtübernahme durch den Beklagten zu 1. als einen wesentlichen Gesichtspunkt angesehen, der gegen einen Betriebsübergang spricht.

27

Dies wird nicht durch das von der Klägerin und dem Beklagten zu 2. vorgebrachte Argument entkräftet, wonach in einem hypothetischen Fall des Pächterwechsels unter Beibehaltung des Tankstellenstandortes trotz Umbau - mit Abriss und Neuaufbau der Tankstelle - ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB gegeben wäre. Ob ein Betriebsübergang vorliegt, ist regelmäßig eine Frage der Gesamtbewertung der Umstände. Sprechen in dem angeführten hypothetischen Fall andere Umstände - wie die Beibehaltung des Betriebszwecks am selben Standort - als Teilaspekte für einen Betriebsübergang, kann einer Ersetzung (Nichtübernahme) von Betriebsmitteln, die in die Jahre gekommen sind, eine andere Bedeutung in der Gesamtbewertung zukommen als vorliegend.

28

(3) Ebenso zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Übernahme eines Teils der Belegschaft hier nicht für einen Betriebsübergang spricht. Es ist weder behauptet worden noch ersichtlich, dass es sich insofern um Arbeitnehmer mit einer besonderen, speziellen Qualifikation handelt. Also könnte nur eine etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft ein für die Annahme eines Betriebsübergangs sprechender Teilaspekt der vorzunehmenden Gesamtbewertung sein. Eine Übernahme der Hauptbelegschaft ist jedoch nicht erfolgt. Von acht Arbeitnehmer/innen in Vollzeit sind nur drei bis vier zum Beklagten zu 1. gewechselt, also die Hälfte oder weniger. Das stellt nicht die „Hauptbelegschaft“ dar. Ein anderes Bild ergibt sich nicht durch Berücksichtigung des Wechsels von Aushilfskräften. Ohne dass hier eine Auseinandersetzung mit deren Stundenaufkommen und Bedeutung für den Betrieb erforderlich wäre, ist eine Übernahme von vier bis fünf von acht kein Umstand, der die Übernahme der Hauptbelegschaft anzeigen könnte.

29

Soweit die Klägerin und der Beklagte zu 2. hervorheben, ein Teil der Belegschaft sei durch das Angebot schlechterer Arbeitsbedingungen davon abgehalten worden, für den Beklagten zu 1. zu arbeiten, ergibt sich daraus nichts anderes. Nur wenn ausreichend Umstände in der vorzunehmenden Gesamtbewertung für einen Betriebsübergang sprechen, könnten nicht übernommene Beschäftigte, die der wirtschaftlichen Einheit angehören, die vom neuen Inhaber unter Wahrung ihrer Identität fortgeführt wird, sich mit Erfolg auf § 613a BGB berufen.

30

(4) Auch eine Übernahme von Kundschaft spricht hier nicht als Teilaspekt einer Gesamtbewertung für einen Betriebsübergang. Die sog. Stationsverträge, die der Beklagte zu 2. mit Stammkunden aus dem Hafenbereich geschlossen hatte, hat der Beklagte zu 1. nicht übernommen und auch nicht mit denselben Kunden in Fortsetzung neu abgeschlossen. Auch Kundenbeziehungen in Gestalt einer exklusiven Vertriebsberechtigung für ein bestimmtes Gebiet wie im Fall Merckx und Neuhuys (EuGH 7. März 1996 - C-171/94 - Slg. 1996, I-1253 zu Autohäusern mit Ausrichtung auf einen bestimmten Autohersteller) liegen hier nicht vor. Bei Treibstoff fehlt es an einer vergleichbaren Markenbindung wie bei Automarken. Selbst wenn eine solche unterstellt würde, sind im Bereich des Überseehafens mittlerweile zwei Tankstellen von T vertreten, nämlich die vom Beklagten zu 1. betriebene Tankstelle ÜH2 und - als Konkurrenz, wenn auch im Umfang reduziert - die auf Automatenbetrieb umgestellte Tankstelle ÜH1.

31

Fehlen nach allem gewichtige, die Identität der wirtschaftlichen Einheit der Tankstelle ÜH1 betreffende und mit der Tankstelle ÜH2 weitergeführte Teilaspekte, die einen Betriebsübergang anzeigen könnten, und fehlt es zudem an einer besonderen, eine Ortsveränderung überstehenden „Markenbindung“, macht vorliegend der isolierte Umstand einer eventuell hohen Übereinstimmung von Tankkunden, an deren Weg die alte Tankstelle lag und die neue womöglich liegt, keinen mit Durchschlagskraft für einen Betriebsübergang sprechenden Umstand aus.

32

(5) Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2. und Nebenintervenienten auf Seiten der Klägerin besteht kein Anlass für ein Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH. Der Rechtsprechung des EuGH, die der Senat ebenso wie das Landesarbeitsgericht herangezogen hat, sind die zur Entscheidung über die Subsumtionsfragen notwenigen Vorgaben zum Verständnis von § 613a BGB in Ansehung der Richtlinie 2001/23/EG und ggf. der Vorgängerregelungen zu entnehmen.

33

cc) Weitere, den Tankstellenbetrieb zuvor und hernach prägende Aspekte hat weder die Klägerin noch ihr Nebenintervenient hervorgehoben. Eine besondere Prägung des Betriebs durch den Tankstellen-Shop und/oder den Imbiss sind nicht vorgetragen worden. Im Gegenteil hat die Klägerin geäußert, der „Kern der Wertschöpfung“ liege vorliegend im Verkauf von Kraftstoffen auf und für Rechnung des jeweiligen Mineralölkonzerns.

34

III. Da kein Betriebsübergang vorliegt, hat die Kündigung vom 5. September 2011 des Beklagten zu 2., dessen Tankstellenbetrieb stillgelegt ist, das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Dies haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt. Die Formulierung „für den Fall, dass kein Betriebsübergang vorliegt“ ist als vorsorgliche Kündigung oder auch als Ausdruck einer Rechtsbedingung (zusammenfassend ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 620 BGB Rn. 22 mwN) unproblematisch. Das Arbeitsgericht ist bei seiner Entscheidung von der nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BGB zutreffenden Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats ausgegangen.

35

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Burr    

        

    Bloesinger    

                 

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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 14. Mai 2013 - 5 Sa 72/12

bei uns veröffentlicht am 14.05.2013

Tenor 1. Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten zu 2 gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 27.03.2012 – 2 Ca 1442/11 – werden zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 73 Prozent und der Bek
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Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 30. Aug. 2016 - 14 Sa 274/16

bei uns veröffentlicht am 30.08.2016

Tenor 1.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 17.03.2016 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2.Die Revision wird zugelassen. 1T A T B E S T A N D : 2Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darübe

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Tenor

1. Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten zu 2 gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 27.03.2012 – 2 Ca 1442/11 – werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 73 Prozent und der Beklagte zu 2 zu 27 Prozent.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um das Vorliegen eines Betriebsübergangs von einer Tankstelle des Beklagten zu 2 auf eine in der Nähe liegende Tankstelle des Beklagten zu 1 sowie um die Wirksamkeit einer vom Beklagten zu 2 ausgesprochenen Kündigung.

2

Die 1967 geborene Klägerin war vom 27.09.1994 bis 30.09.2011 in der in dieser Zeit vom Beklagten zu 2 betriebenen Tankstelle bei 40 Wochenstunden zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 1.600,00 Euro als Mitarbeiterin im Tankstellen-Shop beschäftigt.

3

Im Folgenden werden zunächst die alte Tankstelle und dann die neue Tankstelle beschrieben.

4

Der Beklagte zu 2 betrieb als Pächter die H.-Tankstelle mit Imbissbetrieb in der O.-Straße in A-Stadt. Verpächter war das Mineralölunternehmen D. T. GmbH (T.), die das Grundstück wiederum von der Hafenentwicklungsgesellschaft gepachtet hatte und darauf 1994 eine Tankstelle errichtet hatte. Die Tankstelle war die einzige Tankstelle auf dem Gelände des Überseehafens. Eine Hauptverkehrsachse von den Überseefähren zur Autobahn läuft in der Nähe der Tankstelle vorbei. In der Nähe der Tankstelle befand und befindet sich eine Automatentankstelle „A.“ mit geringem Umsatz. Wegen einer Skizze der Örtlichkeiten wird auf die Anlagen K1, Blatt 42 der Akte, und B 1-1, Blatt 88 f. der Akte, verwiesen. Wegen der Verteilung der Tankstellen in A-Stadt wird auf die Anlage B 2, Blatt 300 der Akte, verwiesen. Der Beklagte zu 2 verkaufte Kraft- und Schmierstoffe im Namen und auf Rechnung der T. und erhielt eine Provision von den Umsätzen. Ein Shop mit Reiseutensilien, Lebensmitteln und einem Imbiss betrieb der Beklagte zu 2 im eigenen Namen und erhielt selber die Erlöse. Der Beklagte zu 2 hatte mit verschiedenen umsatzstarken Stammkunden aus dem Hafenbereich sogenannte Stationsverträge zu Sonderkonditionen geschlossen, die ein Tanken gegen Rechnung ermöglichten. Wegen der ersten 20 Kunden und deren Umsätzen 2010 wird auf Bl. 68 der Akte verwiesen. Es ist zwischen den Parteien teilweise im Streit, inwieweit diese Kunden ebenfalls „my Card“-Karten haben. Mit „my card“ kann an allen Tankstellen von T. bezahlt werden; der Zahlungsfluss erfolgt unmittelbar zwischen T. und den jeweiligen Tankkunden. Es ist eine Stammkundenanalyse unter Auswertung der Sicherheitsdateien der Kassenjournale für die Zeit vom 01.10.2010 bis 30.09.2011 gefertigt worden. Danach weist die Tankstelle einen Stammkundenanteil von 86 Prozent auf. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Blatt 108 – 125 der Akte verwiesen. Zuletzt hatte der Beklagte zu 2 einen Jahresumsatz von 17.507.000 Euro. Bei dem Beklagten zu 2 waren zuletzt acht Vollzeitarbeitnehmer und acht Aushilfskräfte beschäftigt.

5

T. kündigte das Pachtverhältnis mit dem Beklagten zu 2 zum 30.09.2011. Der Beklagte zu 2 betrieb seit dem 01.10.2011 keine Tankstelle mehr.

6

T. baute nach der Kündigung die Tankstelle um in eine verkleinerte, reine Automatentankstelle ohne Imbiss und betrieb diese nach der umbaubedingten Schließungsphase selber. Es existiert nur noch je eine Automatensäule für Diesel sowie für Ad-Blue. Es kann nur noch per Karte bezahlt werden, wobei drei Karten akzeptiert werden, die im Speditionsgewerbe üblich sind, darunter das „my card“-System.

7

Die H.gesellschaft schrieb (im Vorfeld der Kündigung der Tankstelle des Beklagten zu 2) ein Grundstück mit der Anschrift „A-Straße“ auf dem Gelände des Überseehafens zur Errichtung einer Tankstelle aus. „A-Straße“ liegt etwa 800 Meter entfernt von der alten Tankstelle. Es laufen zwei Hauptverkehrsadern dort vorbei, die Hauptverkehrsader vom Fährhafen zur Autobahn und eine Hauptverkehrsader vom Tunnel unter der W. zur Autobahn. T. erhielt den Zuschlag, verpflichtete sich zum Weiterbetrieb der alten Tankstelle und errichtete dort eine neue H.-Tankstelle. Als Pächter erhielt der Beklagte zu 1 den Zuschlag und betrieb dort seit Anfang Oktober 2011 eine Tankstelle. Er übernahm von der alten Tankstelle nur Kochtöpfe (Blatt 178). Der Bau, die Organisation und die Verträge sind ähnlich gestaltet wie bei der alte Tankstelle an der O.-Straße. Eine Ausnahme bilden die Stationsverträge, die der Beklagte zu 1 weder abschloss noch übernahm. Der Beklagte zu 1 erhält die Nahrungsmittellieferung vom gleichen Lieferanten wie der Beklagte zu 2; einem der gängigsten Lieferanten für Tankstellen. Der Beklagte zu 1 führt für T. eine Alarm-Überwachung der Automatentankstelle durch. Auf der Automatentankstelle wird durch ein Schild für die Tankstelle des Beklagten zu 1 geworben (Blatt 70 f.). Der Beklagte zu 2 hatte anlässlich der Schließung seine Stammkunden auf die neue Tankstele hingewiesen (Blatt 101, 65 – 67). In der Nähe der neuen Tankstelle siedelte sich ein Ladengeschäft an, das Kunden lockt.

8

Der Beklagte zu 2 stellte nach Ausschreibung mit schlechteren Arbeitsbedingungen als der Beklagte zu 2 von den bisherigen Mitarbeitern drei bis vier in Vollzeit und vier bis fünf als Aushilfen ein (Blatt 173, 352). Auf eine Gemeinschaftsbewerbung aller Mitarbeiter der alten Tankstelle ging der Beklagte zu 1 nach juristischer Beratung nicht ein (Blatt 340). Er bat um Einzelbewerbung (Blatt 99). Die Klägerin und andere Mitarbeiter, die sich bewarben, wurden nicht eingestellt.

9

Mit Schreiben vom 09.08.2011 wies der Beklagte zu 2 die Klägerin darauf hin, dass aus seiner Sicht ein Betriebsübergang vom Beklagten zu 2 auf den Beklagten zu 1 zum 01.10.2011 vorliege. Mit Schreiben vom 05.09.2011 kündigte der Beklagte zu 2 das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin für den Fall, dass kein Betriebsübergang vorliege. Zu späterer Zeit erklärte der Beklagte zu 2, dass eine Kündigung zum 30.09.2011 gewollt sei. Gegen die Kündigung wehrt die Klägerin sich mit am 26.09.2011 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage und begehrt Feststellung des Übergangs eines Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten zu 1. Mit Schreiben vom 18.10.2011 kündigte der Beklagte zu 2 die Klägerin erneut, und zwar aus betriebsbedingten Gründen zum nächst zulässigen Termin. Diese Kündigung greift die Klägerin mit am 07.11.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz an.

10

Der Beklagte zu 2 hat unter dem 01.12.2011 angekündigt, den Kündigungsschutzantrag zu 3. vom 26.09.2011 abzuweisen und gemäß den klägerischen Anträgen vom 26.09.2011 auf einen Betriebsübergang und auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten zu 1 zu erkennen (Blatt 44 der Akte).

11

Die Klägerin hat beantragt:

1.

12

Es wird festgestellt, dass mit Wirkung ab dem 26.09.2011 ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Beklagten zu 1 und der Klägerin zu den Konditionen des Arbeitsvertrages zwischen dem Beklagten zu 2 und der Klägerin zustande gekommen ist.

2.

13

Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, die Klägerin zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages mit dem Beklagten zu 2 weiterzubeschäftigen. Diese sind ein Stundensatz von 9,10 Euro, eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 1.000,00 Euro, 44,00 Euro Sachleistung pro Monat, 5-Tage-Woche, 40-Stunden-Woche und Tätigkeit als Tankstellenmitarbeiterin.

3.

14

Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben vom 05.09.2011 ausgesprochene Kündigung des Beklagten unwirksam ist.

4.

15

Es wird festgestellt, dass auch die mit Schreiben vom 18.10.2011 ausgesprochene Kündigung des Beklagten zu 2 unwirksam ist.

16

Die Beklagten haben, teilweise abweichend von den angekündigten Anträgen (Blatt 44 der Akte), Klagabweisung beantragt.

17

Wegen der am 27.03.2012 verkündeten Entscheidung des Arbeitsgerichts wird auf Blatt 170 – 183 der Akte verwiesen. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Kündigung vom 05.09.2011 das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zu 2 erst zum 31.03.2012 beendete und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es liege kein Betriebsübergang vor. Die alte Tankstelle sei nicht vollständig aufgelöst worden, sondern in geänderter Form weiterbetrieben worden. Die neue Tankstelle sei eine völlig neue wirtschaftliche Einheit. Der Wechsel der Kunden begründe keinen Betriebsübergang.

18

Gegen das allen drei Parteien am 10.04.2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte zu 2 mit am 02.04.2012 bei Gericht eingegangenem Schreiben Berufung eingelegt und diese mit am 07.05.2012 bei Gericht eingegangenem Schreiben begründet. Die Klägerin wehrt sich gegen das Urteil mit am 09.05.2012 bei Gericht eingegangener Berufungsschrift nebst Begründung. Diese Berufung ist zum vorliegenden Verfahren verbunden worden.

19

Es ist am 22.04.2013 ein sechsseitiges Gutachten zu Kundenbefragungen bei der neuen Tankstelle vom 12.04.2013 bis 18.04.2013 zur Akte gereicht worden, welches im Ergebnis dazu kommt, dass an der neuen Tankstelle 84 Prozent der Kunden Stammkunden sind und von diesen Stammkunden 65 Prozent früher auch bei der O.-Tankstelle getankt haben. Das Gutachten beruht auf Befragung von 323 Tankpersonen. Im Erfassungszeitraum kam es zu 7338 Tankungen (Blatt 332). Der im Gutachten mitgeteilte Inhalt der Befragungen ist zwischen den Parteien nicht im Streit; die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind teilweise im Streit. Wegen der näheren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 314 – 319 der Akte verwiesen.

20

Die Klägerin behauptet, 99 Prozent der Kunden der alten Tankstelle tankten bei der neuen Tankstelle. Das könne durch Sachverständigengutachten bewiesen werden (Blatt 341 f.). An der neuen Tankstelle würden praktisch keine Kunden tanken, die die Hauptverkehrsachse W.-Tunnel zur Autobahn befahren. Sie trägt vor, die Abfahrt sei nach Bemerken der Schilder praktisch nicht mehr möglich.

21

Der Beklagte zu 2 hält es hingegen für möglich, dass durch die neue Lage neue Kunden gewonnen wurden (Blatt 352). Er behauptet und folgert aus dem Gutachten vom 19.04.2013, alle Stammkunden der alten Tankstelle seien zur neuen Tankstelle gefolgt (Blatt 349 f.).

22

Die Klägerin und der Beklagte zu 2 gehen davon aus, es sei zu einem Betriebsübergang auf die Beklagte 1 gekommen. Auf den Nichtübergang materieller Betriebsmittel komme es nicht an, weil die alte Tankstelle abgewirtschaftet gewesen sei und bei beiden Tankstellen die Inhaber nur Pächter gewesen seien. Auf die eingeschränkte Personalübernahme komme es nicht an, weil der Beklagte zu 1 die Übernahme durch schlechtere Arbeitsbedingungen und die Nichtbearbeitung der Sammelbewerbung torpediert habe. Hätte der Beklagte zu 2 den Zuschlag erhalten, wären alle Arbeitnehmer übernommen worden. Auf eine mögliche Gewinnung neuer Kunden durch den neuen Standort und auf die Abwanderung alter Kunden an die Automatentankstelle komme es nicht an. Entscheidend sei, dass praktisch 100 Prozent der alten Kunden oder Stammkunden auch bei der neuen Tankstelle tanken.

23

Die Klägerin geht ergänzend davon aus, die Kündigungen des Beklagten zu 2 seien mangels Kündigungsgrund und wegen Betriebsübergangs unwirksam.

24

Der Beklagte zu 2 schlägt ein Vorabentscheidungsverfahren zum Europäischen Gerichtshof vor zu der Frage, ob ein Betriebsübergang auch in einer Situation vorliegen könne, in der ein Unternehmer einen ersten Handelsvertreter mit dem Vertrieb seiner Mineralölprodukte beauftragt hatte, diesen ersten Handelsvertretungsvertrag kündigt und einen neuen Vertrag über dieselbe Leistung mit einem zweiten Handelsvertreter abschließt, wenn diese Handelsvertretungsleistungen an einer neuen Tankstelle, unweit von dem Ort der ersten Tankstelle, zu erbringen sind (Blatt 107 der Akte).

25

Der Beklagte zu 2 beantragt (Blatt 359, 206 der Akte),

26

in Abänderung des angefochtenen Urteils der zweiten Kammer des Arbeitsgerichts Rostock vom 27.03.2012 – 2 Ca 1442/11 – nach den diesseitigen Anträgen erster Instanz vom 01.12.2011 zu erkennen und einen Betriebsübergang auf den Beklagten zu 1 festzustellen und zu entscheiden, dass das Arbeitsverhältnis, das bis 30.09.2011 zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2 bestand, nunmehr mit dem Beklagten zu 1, A., besteht.

27

Die Revision wird zugelassen.

28

Die Klägerin beantragt (Blatt 359, 224, 240 der Akte):

I.

29

Die Berufung des Beklagten zu 2 zurückzuweisen hinsichtlich des Antrages, die Kündigungsschutzklage auch zweitinstanzlich zurückzuweisen;

II.

30

Das am 27.03.2012 verkündete Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock, Az.: 2 Ca 1442/11, aufzuheben und nach den bereits in der ersten Instanz gestellten Anträgen wie folgt zu entscheiden:

31

1. Es wird festgestellt, dass mit Wirkung ab dem 26.09.2011 ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Beklagten zu 1 und der Klägerin zu den Konditionen des Arbeitsvertrages zwischen dem Beklagten zu 2 und der Klägerin zu Stande gekommen ist.

32

2. Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, die Klägerin zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages mit dem Beklagten zu 2 weiterzubeschäftigen. Diese sind ein Stundensatz von 9,10 Euro, eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 1.000,00 Euro, 44,00 Euro Sachleistung pro Monat, 5-Tage-Woche, 40-Stunden-Woche und Tätigkeit als Tankstellenmitarbeiterin.

33

3. Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben vom 05.09.2011 ausgesprochene Kündigung des Beklagten zu 2 unwirksam ist.

III.

34

Die Revision wird zugelassen.

35

Der Beklagte zu 1 beantragt (Blatt 359, 205, 238 der Akte),

36

die Berufungen des Beklagten zu 2 und der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

37

Der Beklagte zu 1 schließt es nicht aus, dass seine Umsätze geringer sind als die Umsätze des Beklagten zu 2 waren. Er behauptet, es würden maximal 50 Prozent der Kunden der Alttankstelle ausschließlich bei der Tankstelle des Beklagten zu 1 tanken (Bl. 299). Der Beklagte zu 1 habe im Wesentlichen eine neue Kundschaft.

38

Er ist der Auffassung, es sei nicht zu einem Betriebsübergang gekommen. Das Gutachten vom 19.04.2013 habe unter anderem wegen zu geringer Stichproben keinen Beweiswert (Blatt 332 – 335). Zwischen ihm und dem Beklagten zu 2 bestehe kein Prozessrechtsverhältnis (Blatt 298).

39

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Protokolle und, soweit es den erstinstanzlichen Vortrag angeht, auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichtes Rostock vom 27.03.2012 – 2 Ca 1442/11 – verwiesen.

40

Wegen erteilter gerichtlicher Hinweise wird insbesondere auf die Schreiben vom 26.03.2013 und 02.05.2013, Blatt 303, 322 – 324 der Akte, verwiesen.

Entscheidungsgründe

41

Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten zu 2 haben keinen Erfolg. Es kam nicht zu einem Betriebsübergang nach § 613 a BGB vom Beklagten zu 2 auf den Beklagten zu 1. Das hat das Arbeitsgericht richtig festgestellt. Es stimmt darin mit mehreren anderen Entscheidungen verschiedener Kammern des Arbeitsgerichts Rostock überein (Blatt 246). Einem Betriebsübergang steht insbesondere entgegen, dass keine materiellen Betriebsmittel und keine wesentliche Zahl von Arbeitnehmern übernommen wurden. Der Kundenkreis ist nicht im Wesentlichen gleich. Im Einzelnen gilt Folgendes.

I.

42

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingereichte und begründete Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Klaganträge sind zulässig, wobei der Antrag zu 2 als reiner Beschäftigungsantrag ausgelegt wird, nicht als Antrag auf Feststellung der Arbeitsbedingungen. Der Kündigungsschutzantrag ist im erstinstanzlich erkannten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet. Die übrigen Anträge sind unbegründet. Es kam nicht zu einem Betriebsübergang von dem Beklagten zu 2 auf den Beklagten zu 1 zum 26.09.2011 oder 30.09.2011. Das wird im Folgenden noch näher ausgeführt (V.).

II.

43

Die Anträge des Beklagten zu 2 werden so ausgelegt, dass in Abänderung des angefochtenen Urteils die erstinstanzlich gestellten Anträge des Beklagten zu 2 zur Wirkung kommen sollen. Es soll also erkannt werden in Abänderung des angefochtenen Urteils auf Klagabweisung hinsichtlich der Kündigungsschutzanträge bzw. Klagabweisung für Zeiten nach dem 30.09.2011. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 2 zusammen mit seiner Berufung neue Anträge in den Prozess einführen wollte.

III.

44

Die so ausgelegten Anträge sind zulässig. Die Berufung wurde fristgerecht eingereicht und begründet.

IV.

45

Die Berufung des Beklagten zu 2 ist aber unbegründet. Der (zulässige) Klagabweisungsantrag hinsichtlich der nicht bereits abgewiesenen Teile der Kündigungsschutzklage hat keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete nicht durch Betriebsübergang zum Ablauf des 30.09.2011 (näher V.). Damit beendete die Kündigung vom 05.09.2011 das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2 mit dem Ablauf der Kündigungsfrist, nämlich mit dem 31.03.2012. Der Beklagte zu 2 wehrt sich nicht gegen die Berechnung der Kündigungsfrist.

V.

46

Es kam nicht zu einem Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB zum 26.09.2011 oder 30.09.2011 vom Beklagten zu 2 auf den Beklagten zu 1.

1.

47

Das gesetzliche Merkmal „rechtsgeschäftlich“ steht einem Betriebsübergang nicht entgegen. Die Übertragung der neuen Tankstelle erfolgte durch Vertrag mit T.. T. veranlasste das Ende des Vertrags mit dem Beklagten zu 2.

2.

48

Ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht richtet sich nach der seit 2007 im Kern einheitlichen Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Europäischem Gerichtshof nach folgenden Maßstäben (vgl. Preis in Erf. Kommentar, 13. A. 2013, § 613 a BGB, Rz. 5 – 41; Koch in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 14. A. 2011, § 117, Rz. 9 – 25; EuGH vom 11.03.1997 – C-13/95 „Süzen“, in juris veröffentlicht; BAG vom 13.12.2007 – 8 AZR 937/06, juris-Rz. 12 – 15; BAG vom 26.05.2011 – 8 AZR 37/10 -, juris-Rz. 32): Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang liegt vor, wenn eine abgrenzbare wirtschaftliche Einheit übergeht. Als Teilaspekte der Gesamtwürdigung kommt es an (1.) auf den Übergang der materiellen Betriebsmittel, (2.) der immateriellen Betriebsmittel, (3.) auf den Übergang der Hauptbelegschaft, (4.) auf den Übergang der Kundschaft, (5.) auf den Gegenstand der betrieblichen Tätigkeit, (6.) auf den Grad der Ähnlichkeit der Organisation und verrichteten Tätigkeiten vor und nach Übergang und (7.) auf die Dauer einer Unterbrechung. Die Kriterien sind nicht abschließend. Es können weitere Gesichtspunkte hinzutreten. (8.) Es kommt auf den Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Zusammenhangs an. Wenn der Kern der Wertschöpfung aus materiellen Betriebsmitteln herrührt, so ist der Übergang der materiellen Betriebsmittel von besonderer Bedeutung. Wenn der Kern der Wertschöpfung die menschliche Arbeitskraft ist, ist der Übergang der Belegschaft von besonderer Bedeutung. Es sind auch Betriebe denkbar, bei denen sowohl die menschliche Arbeitskraft wie auch die materiellen Betriebsmittel von Bedeutung sind. Nicht ausreichend ist eine Auftrags- oder Funktionsnachfolge.

3.

49

Die vom Beklagten zu 2 bis 30.09.2011 betriebene Tankstelle stellt einen Betrieb dar, eine abgrenzbare wirtschaftliche Einheit. Es kam unstreitig nicht zu einem Betriebsübergang auf die an gleicher Stelle danach betriebene Automatentankstelle. Diese ist von der Art und Weise des Betriebes völlig anders als die bisherige Tankstelle.

4.

50

Vom Beklagten zu 1 ab 26.09.2011 betriebene Tankstelle stellt demgegenüber einen Betrieb oder eine wirtschaftliche Einheit mit gleichem betrieblichen Gegenstand dar, die in ähnlicher Art und Weise betrieben wird. Die Ähnlichkeit der betrieblichen Methoden und Strukturen steht einem Betriebsübergang nicht entgegen. Die Kosten der Unterbrechungsdauer bzw. Überschneidung des Betriebs steht einem Betriebsübergang ebenfalls nicht entgegen.

5.

51

Es spricht gegen einen Betriebsübergang, dass fast keine materiellen Betriebsmittel übernommen wurden.

52

Gepachtete Tankstellen und deren Gegenstände sind grundsätzlich materielle Betriebsmittel im Sinne von § 613a BGB. Als materielle Betriebsmittel gelten auch gepachtete Gegenstände oder Grundstücke. Das früher verlangte Merkmal der „eigenwirtschaftlichen Nutzung“ wurde von der Rechtsprechung aufgegeben (Preis, a. a. O., § 613a BGB, Rz. 20).

6.

53

Es spricht gegen einen Betriebübergang, dass der wesentliche Teil der Belegschaft nicht übernommen wurde. Es hängt von der Struktur eines Betriebes ab, welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden muss, um die Rechtsfolge des § 613 a BGB auszulösen. Bei einem Betrieb mit Arbeitnehmern mit geringem Qualifikationsgrad muss eine hohe Zahl von ihnen weiterbeschäftigt werden; ein Anteil vom 75 Prozent reicht nicht (Preis a. a. O., § 613 a BGB, Rz. 26 m. w. N.; Koch, a. a. O., § 117 Rz. 22). Bei Tankstellen werden Arbeitnehmer mit geringem Qualifikationsgrad beschäftigt. Danach reicht der Prozentsatz der vorliegend übernommenen Arbeitnehmer nicht aus. Er liegt unter der Hälfte der Arbeitnehmer.

7.

54

Der Anteil der übernommenen Kunden reicht nicht aus, um einen Betriebsübergang zu begründen.

a)

55

Bei Dienstleistungsbetrieben, deren Umsatz von der örtlichen Lage der Einheit abhängt, spricht ein Ortswechsel, der sich nicht nur unwesentlich auf die Zusammensetzung des Kundenstamms auswirkt, regelmäßig gegen ein Betriebsübergang (Koch, a. a. O., §117, Rz. 24 am Ende unter Hinweis auf BAG vom 02.12.1999 – 8 AZR 796/98 -, juris-Rz. 27 – 29). Ein hoher Bestandteil von Laufkunden spricht gegen die Bedeutung des Kundenstamms für einen Betriebsübergang (Koch, a. a. O., §117; Rz. 23 unter Hinweis auf BAG vom 22.01.1998 – 8 AZR 243/95 -, juris-Rz. 31 f.;). Bei Einzelhandelsbetrieben sind Lieferanten- und Kundenbeziehungen häufig wesentliches Substrat der Wertschöpfungskette. Die Beibehaltung der Lieferanten- und Kundenbeziehungen und des Ortes des Betriebes zusammengenommen sprechen für einen Betriebsübergang. Ein Betriebsübergang liegt vor, bei Weiterführung derselben organisatorischen Einheit an ganz anderer Stelle, es sei denn, es handelt sich um Spezialgeschäfte oder am Ort konkurrenzlose Betriebe, weil der Kunde in der Regel an die Lage des Geschäftes gewöhnt ist (BAG vom 02.12.1999 – 8 AZR 796/98 -, juris-Rz. 27 – 29). 20 Prozent neuer Kunden oder neuen Umsatzes sind ein nicht unwesentlicher Teil des Kundenstammes, insbesondere wenn die Stammkunden auch zu Käufen bei anderen Unternehmen neigen.

b)

56

Nach diesen Maßstäben liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Betriebsübergang vor.

57

Tankstellen sind keine Spezialgeschäfte. Bei ihnen ist der Ort von wesentlicher Bedeutung für die Kundenbindung. Tankkunden, selbst Stammkunden, sind normalerweise bereit, auch an anderen Tankstellen zu tanken, sofern deren Ort bequem erreichbar ist. Tankstellenstammkunden liegen damit typischerweise zwischen Laufkunden und festen Kunden. Daher gilt: Lediglich bei unbedeutender Ortsveränderung und gleicher Marke besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kundenstamm der gleiche ist.

58

Vorliegend ist die Ortsveränderung bedeutend. Der Ortswechsel wirkt sich wesentlich auf die Zusammensetzung des Kundenstamms aus.

59

Die vom Beklagten zu 1 betriebene Tankstelle befindet sich zwar in der gleichen Gegend wie die vormals vom Beklagten zu 2 betriebene Tankstelle. 800 Meter Distanz sind für Autofahrer (anders als für Fußgänger) nicht sehr weit, sofern die Tankstelle auf dem Weg liegt, der sowieso gefahren wird.

60

Die Ortsveränderung ist allerdings aus zwei Gründen bedeutend.

61

Zum einen befindet sich in der Nähe der neuen Tankstelle eine zweite Hauptverkehrsader. Daher ist damit zu rechnen, dass von dieser zweiten Hauptverkehrsader Kunden gewonnen werden können, die zur Tankstelle des Beklagten zu 2 nicht gefahren wären. Es ist anzunehmen, dass potentielle Stammkunden nach mehrmaligem Vorbeifahren an der Tankstelle des Beklagten zu 1 diese auch wahrnehmen können, auch wenn die Beschilderung bei erstmaliger Vorbeifahrt zu spät sichtbar ist.

62

Zum zweiten ist damit zu rechnen, dass zumindest ein Teil der Kunden der alten Tankstelle nunmehr an der Automatentankstelle am alten Ort tankt. Die Kundenströme der alten Tankstelle verteilen sich also auf die Tankstelle des Beklagten zu 1, die Automatentankstelle und in geringerem Umfang auch auf weitere Tankstellen. Die Verteilung auf weitere Tankstellen erfolgt mutmaßlich nur in geringerem Umfang, weil die Tankstelle in der O.-Straße und die Tankstelle „Zum S.“ praktisch die einzigen Tankstellen im Hafengebiet sind. Dabei ist nicht auszuschließen, dass beinahe alle Kunden, die nunmehr auch bei der Automatentankstelle tanken, einen Teil ihrer Tankvorgänge bei der Tankstelle des Beklagten zu 1 durchführen. Ebenfalls nicht auszuschließen, geradezu wahrscheinlich ist, dass beinahe alle Kunden, die vormals regelmäßig bei der Tankstelle des Beklagten zu 2 tankten, nunmehr einen Teil ihrer Tankvorgänge bei der Tankstelle des Beklagten zu 1 durchführen.

63

Es gibt keine Erkenntnisse, dass alle Kunden, die vormals fast ausschließlich bei der Tankstelle des Beklagten zu 2 tankten, nunmehr fast ausschließlich bei der Tankstelle des Beklagten zu 1 tanken. Dagegen spricht, dass der Beklagte zu 1 tankstellenbezogene Verträge nicht übernahm. Die „my card“-Karten erlauben ein Tanken auch an anderen H.-Tankstellen.

64

Grund dieser Umstände erscheint bei der neuen Tankstelle ein Anteil von 70 Prozent des Umsatzes oder der Kunden der alten Tankstelle oder einschließlich der Kunden, die bei der alten Tankstelle getankt hätten, wahrscheinlich. Ein Anteil, der bei 80 Prozent oder höher liegt, erscheint unwahrscheinlich.

c)

65

Das Gutachten vom 19.04.2013 führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Auf Grund des Gutachtens erscheint es als sehr unwahrscheinlich, dass der Ortswechsel nicht zu einer wesentlichen Veränderung des Kundenstammes führte, nämlich hinsichtlich mehr als 20 Prozent der Kunden der neuen Tankstelle.

66

Das Gutachten ist im Prozess zu beachten. Es wurde rechtzeitig von der Klägerin und dem Beklagten zu 2 in den Prozess eingeführt. Die Einführung erfolgte unmittelbar nach Fertigstellung des Gutachtens. Vorher waren diese Informationen nicht zumutbar erlangbar.

67

Bedenken gegen die Methode der Gutachtenfertigung bestehen nicht. Das Gutachten legt den Stammkundenbegriff der zivilrechtlichen Rechtsprechung zum Handelsvertreterrecht zu Grunde, wonach Stammkunde derjenige ist, der in einem überschaubaren Zeitraum mehr als einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abschloss oder voraussichtlich abschließen wird (BGH vom 06.08.1997 – VIII ZR 150/96 -, juris-Rz. 25 f.). Im Gutachten wird als Stammkunde bewertet, wer mindestens 4 x im Jahr an derselben Tankstelle tankt. Nach dem Gutachten liegt der Anteil der Stammkunden an der neuen Tankstelle, die auch bei der alten Tankstelle getankt haben, bei 75 Prozent. Bei den Kunden insgesamt liegt der Anteil bei 56 Prozent. Bei wertender Betrachtungsweise erscheine eine Überschneidung zwischen den Tankkunden der beiden Stationen von weniger als 80 Prozent der Fall zu sein (viertletzter Satz des Gutachtens).

68

Damit ergeben sich im Umkehrschluss mehr als 20 Prozent Tankkunden der neuen Tankstelle, die nicht der alten Tankstelle zuzuordnen sind.

69

Auf die vom Beklagten zu 1 aufgezeigten Verbesserungsmöglichkeiten bei der Gutachten-erstellung (Blatt 332 – 334) kommt es für den Ausgang des Rechtsstreits nicht an. Die Klägerin und der Beklagte zu 2 als die beweispflichtigen Personen halten das Gutachten für ausreichend.

d)

70

Ganz ausgeschlossen werden kann ein abweichender Sachverhalt trotz des Gutachtens nicht, weil mit etwa 1 ½ Jahren nach Schließung der Tankstelle des Beklagten zu 2 ein erheblicher Zeitraum verging (vgl. BGH vom 06.08.1997 – VIII ZR 150/96 -, juris-Rz. 54). Die Schätzung durch das Gericht ist naturgemäß ebenfalls mit Unsicherheiten verbunden. Die Unsicherheit geht zu Lasten der beweispflichtigen Partei, also derjenigen, die sich auf einen Betriebsübergang beruft.

8.

71

Die Lieferantenbeziehungen, die bei beiden Tankstellen vergleichbar sind, treten gegenüber den Kundenbeziehungen in den Hintergrund, insbesondere da im Hafenbereich nunmehr zwei Tankstellen mit Benzin beliefert werden. Das gleiche gilt für Imbisskunden. Bei den Imbisskunden, die zum Teil zu Fuß kamen, liegt der Anteil der nicht übernommenen Kunden erheblich höher im Vergleich zu den Tankkunden.

9.

72

Die Kammer lässt offen, ob der Schwerpunkt der Wertschöpfung eher bei den materiellen Betriebsmitteln, dem Tankstellengrundstück, liegt oder, wie bei einem Dienstleistungsbetrieb üblich, bei Arbeitnehmern und Kundenstamm, oder ob Beides Schwerpunkt ist. Darauf kommt es nicht an, weil die materiellen Betriebsmittel nicht übernommen wurden und weder die übernommenen Arbeitnehmer noch der übernommene Kundenstamm für einen Betriebsübergang sprechen.

73

Die hinsichtlich des übernommenen Kundenstammes bestehenden Unsicherheiten gehen im Verhältnis von Klägerin zu Beklagtem zu 1 zu Lasten der Klägerin und im Verhältnis von Klägerin zu Beklagtem zu 2 zu Lasten des Beklagten zu 2. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Klägerin für den Fall, dass gegenüber dem Beklagten zu 1 nicht auf einen Betriebsübergang erkannt wird, gegenüber dem Beklagten zu 2 das Fehlen eines Betriebsüberganges geltend machen möchte.

74

Die für einen Betriebsübergang sprechenden Umstände, nämlich gleiche Lieferanten, gleiche Branche, vergleichbare Organisation und von T. mutmaßlich geplante zeitliche Nähe von Schließung der alten und Eröffnung der neuen Tankstelle reichen nicht aus, einen Betriebsübergang zu begründen. Die Gesichtspunkte materielle Betriebsmittel, Arbeitnehmer und Kundenstamm sind wichtiger. Kundenstamm, Arbeitnehmer, Ort und Inventar der Tankstelle sind jedenfalls zusammengenommen die wesentlichen Substrate der Wertschöpfung bei einer Tankstelle.

VI.

75

Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif.

1.

76

Die Sache ist nicht dem EuGH vorzulegen.

a)

77

Der nicht hinreichend auf Umstände des Einzelfalles eingehende Formulierungsvorschlag des Beklagten zu 2 steht dem nicht entgegen. Weitere Einzelheiten zum Umfang der übernommene Kunden und Arbeitnehmer und zu neuer Konkurrenz durch eine Automatentankstelle könnten hinzugefügt werden.

b)

78

Die Sache ist dem EuGH nicht vorzulegen, weil von der Rechtsprechung des EuGH nicht abgewichen wird (näher c) und weil nach den Kriterien, die EuGH und BAG im Kern übereinstimmend anwenden, das Ergebnis eindeutig ist.

c)

79

Der vorliegende Fall ist anders zu bewerten als der vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Fall Merckx, Neuhuys (EuGH vom 07.03.1996 – C-171/94 -, in juris veröffentlicht, insbesondere Gründe Punkte 7, 13, 21). Dort wurde ein Übergang der Ford-Autohäuser im Großraum Brüssel auf Standorte in anderen Gemeinden bei Übernahme von 14 von 64 Arbeitnehmern als Betriebsübergang angesehen. Die Unterschiede sind: Bei Autos liegt eine stärkere Markenbindung vor als bei Treibstoff. Bei Autohäusern liegt der Prozentsatz der Wissensträger unter den Arbeitnehmern erheblich höher als bei Tankstellen. Es wurden in B. Exklusivvertriebsrechte für ein bestimmtes Gebiet übertragen, während in A-Stadt von vormals einer Tankstelle mit Alleinvertrieb im Hafen gewechselt wurde zu nachher einer Tankstelle, die mit einer Automatentankstelle konkurrieren musste. Die Fallgestaltungen enthalten mehr Unterschiede als Ähnlichkeiten. Die Ähnlichkeiten liegen im Entzug der Vertriebsberechtigung bei gleichzeitiger Vergabe einer ähnlichen Vertriebsberechtigung, ohne dass Übernahme von Arbeitnehmern, Betriebsmitteln und Ort klar für einen Betriebübergang sprechen. Entscheidender Unterschied ist, dass in A-Stadt bei der neuen Tankstelle keine Alleinvertriebsberechtigung der Schwerpunkt der Wertgewinnung ist.

2.

80

Es sind keine weitern Beweise zu erheben. Die vorgetragenen Tatschen können ohne Sachverständigen bewertet werden. Erfolg versprechende Beweise werden nicht angeboten.

3.

81

Es sind keine weitern Hinweis zu erteilen. Die Einschätzung des Vorsitzenden, auch zur möglichen Umsatzschätzung ohne Beweisantritt, wurde vorab mitgeteilt. Es könnten zwar, wenn T. die Daten zur Verfügung stellt, mutmaßlich ergänzende Tatsachen zum Umsatz der neuen Tankstelle und der Automatentankstelle in den Prozess eingeführt werden. Hinweise darauf erscheinen nur sinnvoll, wenn neue Tatsachen zu vermuten sind, die zu einer anderen Rechtslage führen. Das ist nicht der Fall. Es ist anzunehmen, dass der dem Gutachten von 2013 zu Grunde liegende Beweisantritt des Beklagten zu 2, es seien 80 Prozent der Stammkunden zur neuen Tankstelle übernommen worden, bereits eine optimistische Schätzung darstellt.

VII.

82

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92, 100 ZPO. Die Zulassung der Berufung erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

(1) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten.

(2) Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, erfolgen.

(1) Der Beitritt des Nebenintervenienten erfolgt durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Prozessgericht und, wenn er mit der Einlegung eines Rechtsmittels verbunden wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Rechtsmittelgericht. Der Schriftsatz ist beiden Parteien zuzustellen und muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Rechtsstreits;
2.
die bestimmte Angabe des Interesses, das der Nebenintervenient hat;
3.
die Erklärung des Beitritts.

(2) Außerdem gelten die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Der Beitritt des Nebenintervenienten erfolgt durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Prozessgericht und, wenn er mit der Einlegung eines Rechtsmittels verbunden wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Rechtsmittelgericht. Der Schriftsatz ist beiden Parteien zuzustellen und muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Rechtsstreits;
2.
die bestimmte Angabe des Interesses, das der Nebenintervenient hat;
3.
die Erklärung des Beitritts.

(2) Außerdem gelten die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.