Amtsgericht Pirmasens Beschluss, 06. Jan. 2016 - 1 Ls 4372 Js 13002/13 jug

ECLI:ECLI:DE:AGPIRMA:2016:0106.1LS4372JS13002.13.0A
bei uns veröffentlicht am06.01.2016

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Tenor

1. Die Erinnerung vom 22.10.2015 gegen den Kostenansatz des Amtsgerichts Pirmasens vom 26.08.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Erinnerungsführerin wendet sich gegen den durch das Amtsgericht Pirmasens vorgenommenen Kostenansatz vom 26.08.2015 betreffend ihre Kostenrechnung vom 19.11.2014 (Bl. 705 ff. d.A.). Konkret setzte die Erinnerungsführerin, die durch Beschluss vom 18.02.2014 zur Pflichtverteidigerin bestellt wurde, im Rahmen der vorgenannten Kostennote im Hinblick auf die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Pirmasens die Gebühr Nr. 4110 VV-RVG (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 RVG) an, welche seitens der zuständigen Rechtspflegerin in Abzug gebracht wurde.

2

Die Erinnerungsführerin trägt hierzu vor, dass die Hauptverhandlung vom 17.11.2014 um 09.00 Uhr angesetzt gewesen sei und um 14.13 Uhr geendet habe. Sie sei an jenem Tag pünktlich erschienen und es könne insofern nicht zu ihren Lasten gehen, dass die Hauptverhandlung letztendlich um 09.20 Uhr begonnen habe.

3

Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung vom 17.11.2014 (Bl. 500 ff. d.A.) begann die Sitzung um 09.20 Uhr und endete um 14.13 Uhr.

II.

4

Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.

5

Die Gebühr Nr. 4110 VV-RVG fällt zusätzlich neben der je Hauptverhandlungstag anfallenden Terminsgebühr Nr. 4108 VV-RVG an, wenn der - wie hier - gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt mehr als 5 und bis 8 Stunden an der Hauptverhandlung teilnimmt.

6

Ob und inwieweit bei der Berechnung der Zeit, die ein Rechtsanwalt an „der Hauptverhandlung“ teilnimmt, ein verspäteter Beginn oder die Dauer von Sitzungsunterbrechungen zu berücksichtigen sind, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt und wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt.

7

Aus der amtlichen Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (vgl. BT-Drs. 15/1971) ergibt sich nicht, ob Verspätungen und Pausen bei der Ermittlung der Sitzungsdauer zu berücksichtigen sind. Ziel der Neuregelung war im Hinblick auf die Gebühren Nr. 4108 oder 4109 VV-RVG vielmehr, eine feste Terminsgebühr zu schaffen, „auf deren Höhe die Umstände des Einzelfalls keinen Einfluss haben“ (BT-Drs. 15/1971, S. 224). Deshalb sollte dem gerichtlich bestellten Rechtsanwalt bei „langen Hauptverhandlungen ein fester Zuschlag gewährt werden“, wodurch auch bei diesem der besondere Zeitaufwand für seine anwaltliche Tätigkeit angemessen honoriert werde und er nicht mehr ausschließlich auf die Bewilligung einer Pauschgebühr angewiesen sei (BT-Drs. 15/1971, S. 224).

8

Dazu, was unter der „Dauer der Hauptverhandlung“ zu verstehen ist, verhält sich die Gesetzesbegründung nicht. Vielmehr wird - zumindest inzident - auf die Rechtsprechungen der Oberlandesgerichte Bezug genommen (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 225).

9

In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird das Anfallen der Gebühr Nr. 4110 VV-RVG sowohl im Zusammenhang mit einer Verzögerung im Sinne eines verspäteten - erstmaligen - Beginns der Hauptverhandlung am jeweiligen Terminstag sowie für den Fall der - vorliegend nicht gegenständlichen - Unterbrechung der Sitzung durch Pausen diskutiert.

10

Im hier betreffenden Fall des verspäteten Beginns einer Hauptverhandlung wird von der wohl h.Rspr. vertreten, dass für die Dauer bzw. des Beginns der Hauptverhandlung auf den in der Ladung angeordneten Zeitpunkt und nicht auf den tatsächlichen Aufruf der Sache und somit nicht den tatsächlichen Beginn der Sitzung abzustellen ist, zumindest dann, wenn der Verteidiger pünktlich erschienen ist (vgl. statt vieler z.B. OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.08.2005 - 4 Ws 118/05, zitiert nach juris, Rdnr. 6; Pfälz. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 31.08.2006 - 1 Ws 342/06, zitiert nach juris, Rdnr. 3; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2006 - III-3 (s) RVG 4/06, 3 (s) RVG 4/06, zitiert nach juris, Rdnr. 18; KG Berlin, Beschluss vom 25.05.2007 - 1 Ws 36/07, zitiert nach juris, Rdnr. 4; Pfälz. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23.01.2009 - 1 AR 21/08, zitiert nach juris).

11

Die Gegenmeinung, der sich das erkennende Gericht anschließt, stellt demgegenüber auf den tatsächlichen Beginn des Hauptverhandlungstermins ab, da die - von Nr. 4110 VV-RVG vorausgesetzte - Teilnahme schon nach dem Wortlaut voraussetzt, dass eine Hauptverhandlung tatsächlich stattfindet (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 13.09.2005 - Ws 676/05, zitiert nach juris, Rdnr. 14; OLG Koblenz, Beschluss vom 06.02.2006 - 2 Ws 70/06, zitiert nach juris, Rdnr. 5; Saarl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.02.2006 - 1 Ws 5/06, zitiert nach juris, Rdnr. 4 ff.). Nach § 243 Abs. 1 S. 1 StPO beginnt die Hauptverhandlung (erst) mit dem Aufruf der Sache, sodass folglich eine Teilnahme an dieser erst ab diesem Zeitpunkt möglich ist.

12

Zudem soll durch Nr. 4110 VV-RVG der besondere Zeitaufwand für die anwaltliche Tätigkeit (BT-Drs. 15/1971, S. 224) in der Hauptverhandlung angemessen honoriert werden. Eine Tätigkeit in diesem Sinne kann jedoch erst dann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt an der Hauptverhandlung teilnimmt. Auch unter diesem Aspekt kann daher eine „Wartezeit“ nicht ohne Weiteres mit einer „Tätigkeit“ in diesem Sinne gleichgesetzt werden. Auch wenn ein Verteidiger aufgrund Wartezeit faktisch „in Anspruch“ genommen wird, kann dies nicht mit einer „Tätigkeit“ in diesem Sinne gleichgesetzt werden (so aber möglicherweise OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.08.2005 - 4 Ws 118/05, zitiert nach juris, Rdnr. 7). Zudem würden sich auch in diesem Fall Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben, da es in der Praxis keine Seltenheit ist, dass insbesondere ortsansässige Verteidiger während Wartezeiten sich nochmals in ihre Kanzlei begeben oder auswärtige Verteidiger beispielsweise fernmündlich Anweisungen in die Kanzlei übermitteln oder Mandantengespräche führen. Insofern wären auch hier weitergehende - vom Protokoll nicht vorgesehene und praktisch nicht durchführbare - Feststellungen dazu zu treffen, wie der Verteidiger die Wartezeit verbracht hat (vgl. Saarl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.02.2006 - 1 Ws 5/06, zitiert nach juris, Rdnr. 15). Auch wäre dann beispielsweise bei einer mehrstündigen Verspätung - etwa bei der Vorführung eines Zeugen - fraglich, ob dies dann zu einer mehrstündigen Hauptverhandlung führen kann. Es ist jedenfalls nicht einzusehen, wieso einem Verteidiger, der möglicherweise ortsansässig ist und diese Zeit sinnvoll nutzen kann, der Längenzuschlag nicht gewährt werden soll, einem nicht ortsansässigen - unterstellt, er könnte die Wartezeit nicht sinnvoll nutzen - der Zuschlag jedoch gewährt werden sollte, zumal es in der persönlichen Risikosphäre des Verteidigers liegt, wenn er auswärtige Mandate annimmt.

13

Hinzu kommt, dass der bloße Zeitaufwand eines Verteidigers bereits durch die allgemeine Terminsgebühr abgegolten wird, so dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber mit dem Längenzuschlag der Nr. 4110 VV-RVG etwas qualitativ anderes abgelten wollte als den bloßen Zeitaufwand (zutreffend Saarl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.02.2006 - 1 Ws 5/06, zitiert nach juris, Rdnr. 6).

14

Insofern ist es konsequent und insbesondere auch zur Vermeidung von Unsicherheiten (vgl. etwa Saarl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.02.2006 - 1 Ws 5/06, zitiert nach juris, Rdnr. 11) angezeigt, bei der Frage, ob die 5- bzw. 8-Stundengrenze erreicht ist, grundsätzlich auf deren durch das Hauptverhandlungsprotokoll festgestellten Beginn bzw. Ende abzustellen.

15

Es wird nicht verkannt, dass dies zu Situationen führen kann, die aus Sicht eines Verteidigers „unbillig“ erscheinen, beispielsweise wenn der verspätete Beginn der Sitzung auf Gründen beruht, die nicht in seinen Verantwortungsbereich fallen oder er sich in dieser Zeit noch - fallbezogen - mit seinem Mandanten bespricht. Nichts anderes gilt jedoch in dem Fall, in dem eine (pünktlich beginnende) Hauptverhandlung tatsächlich nur 4:59 Stunden andauert. Im Falle der Besprechung eines Verteidigers mit seinem Mandanten könnte dies gebührenrechtlich zudem zu einer - nicht zu rechtfertigenden - Schlechterstellung der Verteidiger führen, die die Besprechung mit ihrem Mandanten nicht unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung führen, sofern eine solche kurzfristige Besprechung nicht ohnehin als verschuldet angesehen würde, was dann jedoch wieder der Beurteilung des jeweiligen Gerichts obläge und zu Einzelfallentscheidungen führen würde.

16

Im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist es daher aus hiesiger Sicht angezeigt, hinsichtlich des Beginns und des Endes der Hauptverhandlung auf die Daten des Hauptverhandlungsprotokolls abzustellen.

17

In vorliegendem Fall konnte mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang Pausen während einer laufenden Hauptverhandlung bei der Gebührenansetzung zu berücksichtigen sind bzw. außer Betracht zu bleiben haben und ggfls. ab welcher Dauer dies der Fall ist und ob die in der obergerichtliche Rechtsprechung hierzu vertretenen Ansichten praktikabel und der Rechtssicherheit dienlich sind (vgl. zu dieser Problematik etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2006 - III-3 (s) RVG 4/06, 3 (s) RVG 4/06, zitiert nach juris, Rdnr. 19 ff.).

18

Im Hinblick auf die hier vertretene Auffassung konnte auch dahinstehen, ob die „zeitliche Inanspruchnahme“ eines Verteidigers als solche durch Wartezeiten vor Beginn der Hauptverhandlung über die Terminsgebühr hinaus (s.o.) weitergehend auch durch die Abwesenheitsgebühr Nr. 7005 VV-RVG kompensiert wird.

III.

19

Die Zulassung der Beschwerde beruht auf §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 RVG.

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes genannten Personen gehört; im Verfahren nach § 201 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes werden die Gebühren immer nach dem Gegenstandswert berechnet. In Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren (§ 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes) werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Verteidigers wird der Beschluss des Landgerichts - Jugendkammer - H. vom 20. April 2005

a u f g e h o b e n.

2. Die Verfügung des Landgerichts H. vom 11. Januar 2005 wird dahin

a b g e ä n d e r t,

dass die Vergütung des gerichtlich bestellten Verteidigers in Höhe

von 1.316,16 EUR festgesetzt wird. Bereits ausbezahlte Gebühren sind anzurechnen.

3. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 RVG).

Gründe

 
I. Der Beschwerdeführer war im vorliegenden (erstinstanzlichen) Strafverfahren vor der Jugendkammer des Landgerichts H. als bestellter Verteidiger tätig. Die Hauptverhandlung fand am 23. November 2004 in seiner Anwesenheit statt. Am Vormittag dieses Tages begann die auf 9.00 Uhr anberaumte Sitzung um 9.12 Uhr und endete um 12.17 Uhr. Termin zur Fortsetzung wurde bestimmt auf 15.00 Uhr. Tatsächlich nahm die Hauptverhandlung ihren weiteren Verlauf von 15.10 Uhr bis 15.45 Uhr.
Mit Schriftsatz vom 25. November 2004 beantragte Rechtsanwalt W. die Festsetzung seiner Pflichtverteidigervergütung in Höhe von 1.316,16 EUR. Vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts wurde die vom Verteidiger gemäß Nr. 4116 des Vergütungsverzeichnisses (VV; Anlage 1 zum RVG) geltend gemachte Zusatzgebühr in Höhe von 108 EUR abgesetzt. Dagegen hat der Rechtsanwalt Erinnerung eingelegt, der nicht abgeholfen worden ist. Gemäß § 56 RVG hat das Landgericht - Jugendkammer - H. darüber entschieden und die Erinnerung mit Beschluss vom 20. April 2005 zurückgewiesen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage der Anrechenbarkeit von Verhandlungspausen bei den Gebührentatbeständen der Nrn. 4110, 4111, 4116 und 4117 VV hat die Kammer das Rechtsmittel der Beschwerde zugelassen. Deshalb ist die vom Verteidiger innerhalb der zweiwöchigen Frist eingelegte Beschwerde, obwohl es lediglich um die Absetzung eines Betrags von weniger als 200 EUR geht, zulässig (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG).
II. Das Rechtsmittel ist begründet.
Da die Kammer in der Besetzung mit drei Richtern entschieden hat, hat auch der Senat in dieser Besetzung zu befinden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 RVG).
Vorliegend geht es um die Fragen, ob bei der Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung für die Anerkennung einer Zusatzgebühr nach Nrn. 4110, 4111, 4116 und 4117 VV auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der/die Verteidiger/in geladen worden ist oder zu dem mit der Hauptverhandlung ausweislich des Protokolls tatsächlich begonnen wurde, und ob Pausen und längere Unterbrechungen der Hauptverhandlung an ein und demselben Tag in Abzug zu bringen sind.
1. Im Hinblick auf die Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt an, zu dem der/die Verteidiger/in geladen worden ist. Etwas anderes kann nur gelten, wenn allein aus Gründen, die dem/der Verteidiger/in zuzurechnen sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt hat begonnen werden können. Kürzere Pausen sind nicht zu berücksichtigen (ebenso OLG Hamm, Beschluss vom 27. Mai 2005, 2 (s) Sbd. VIII - 54/05; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4110 VV RVG Rdnr. 8 ff.; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., VV 4110, 4111 Rdnr. 1; Riedel/Sußbauer/Schmahl, RVG, 9.Aufl., VV Teil 4 Abschnitt 1, Rdnr. 64).
Gegen diese Auffassung spricht auch nicht die in den Bestimmungen des Vergütungsverzeichnisses verwendete Formulierung: „Der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt nimmt mehr als fünf bis acht Stunden bzw. mehr als acht Stunden an der Hauptverhandlung teil...“ Nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO beginnt die Hauptverhandlung zwar (erst) mit dem Aufruf der Sache, woraus gefolgert werden könnte, dass Wartezeiten vom Zeitpunkt der Ladung bis zum Aufruf der Sache bei der Berechnung, wie lange ein/e Rechtsanwalt/ -anwältin an einer Hauptverhandlung teilgenommen hat, nicht zu berücksichtigen sind. Dem steht jedoch entgegen, dass ausweislich der Gesetzesmaterialien feste Terminsgebühren geschaffen werden sollten, auf deren Höhe die Umstände des Einzelfalls keinen Einfluss haben. Der besondere Zeitaufwand für die anwaltliche Tätigkeit soll angemessen honoriert werden. Insbesondere sollen Rechtsanwälte/innen aufgrund länger dauernder zeitlicher Inanspruchnahme nicht mehr ausschließlich auf die Bewilligung einer Pauschgebühr angewiesen sein. Eine maßgebliche Intention des Gesetzgebers war, durch diese neue Regelung eine Verminderung der Fälle herbeizuführen, in denen Pauschgebühren festgesetzt werden müssen (Begründung im Gesetzentwurf KostRMoG - BT-Drs. 15/1971, S. 224). Dem würde jedoch ein Abzug von Verspätungen und auch von kleineren Verhandlungspausen zuwiderlaufen. Die zeitliche Inanspruchnahme eines/r Rechtsanwalts/ -anwältin ist genau die gleiche, wenn eine Hauptverhandlung, zu der beispielsweise auf 9.00 Uhr geladen worden ist, erst um 10.00 Uhr beginnt und dann bis 14.05 Uhr andauert, wie wenn sie pünktlich begonnen hätte. Würde der/die Rechtsanwalt/ -anwältin in diesem Beispielsfall, trotz einer zeitlichen Inanspruchnahme von mehr als fünf Stunden, keine Zusatzgebühr erhalten, wären Anträge auf Bewilligung von Pauschgebühren quasi „vorprogrammiert“. Deren Erfolg wäre allerdings im Hinblick auf die engen Voraussetzungen von §§ 42, 51 RVG in hohem Maße fraglich.
Darüber hinaus hat sich der Gesetzgeber mit den zeitlichen Grenzen (fünf bzw. acht Stunden) an der bisherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte im Rahmen der Gewährung von Pauschgebühren orientiert (aaO). Denn bislang war die Dauer der Hauptverhandlung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu § 99 BRAGO ein wesentlicher Umstand für die Gewährung einer Pauschgebühr. Soweit ersichtlich, wurden in der bisherigen Rechtsprechung Verspätungen und kürzere Pausen bei der Berechnung der Dauer einer Hauptverhandlung nicht berücksichtigt (vgl. OLG Karlsruhe, ZfSch 1993, 387; Hanseatisches OLG Hamburg, StV 1991, 120 f.; Thüringer OLG, StV 2000, 132 f.).
Derartige Wartezeiten eines/r Rechtsanwalts/ -anwältin werden auch nicht durch die neu geschaffene Verfahrensgebühr abgegolten, und zwar selbst dann nicht, wenn man unterstellt, dass der/die Rechtsanwalt/ -anwältin während solcher Pausen mit anderen Beteiligten das Verfahren fördernde Gespräche führt. Zwar werden von der Verfahrensgebühr tatsächlich Besprechungen mit Verfahrensbeteiligten, (außergerichtliche) Termine und auch die (allgemeine) Vorbereitung der Hauptverhandlung (und vieles mehr) erfasst, aber gerade nicht die Teilnahme an gerichtlichen Terminen.
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Weiter spricht für die Auffassung des Senats die Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 in Teil 4 VV. Auch wenn es dort nicht um die Höhe einer Gebühr, sondern um die Frage, ob eine Gebühr überhaupt ausgelöst wird, geht, kann der darin enthaltene Rechtsgedanke, die Teilnahme an einem Termin, der tatsächlich überhaupt nicht stattgefunden hat, soll dennoch honoriert werden, durchaus herangezogen werden (so auch Burhoff aaO).
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Hieraus ergibt sich, dass auch kürzere Verhandlungspausen bei der Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung nicht in Abzug zu bringen sind.
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Anders mag es sich bei extrem langen Verhandlungspausen verhalten, wenn beispielsweise eine Hauptverhandlung, die um 9.00 Uhr begonnen hat, um 10.00 Uhr unterbrochen und dann erst um 15.00 Uhr fortgesetzt wird. Ab welcher Länge eine Unterbrechung zu berücksichtigen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei wird maßgebend sein, inwieweit der/die Rechtsanwalt/wältin die Pause im Hinblick auf seine/ihre berufliche Tätigkeit hat sinnvoll nützen können. Folglich werden zahlreiche Umstände von Bedeutung sein, wie beispielsweise neben der Länge der Pause auch die Entfernung der Kanzlei zum Gerichtsort, die tatsächliche
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(der/die Rechtsanwalt/ -anwältin muss wählen können, ob er/sie öffentliche Verkehrsmittel oder ein Kraftfahrzeug benutzt) Fahrtzeit, die zurückzulegen ist, und ähnliches. Bei Mittagspausen muss ein ausreichender Zeitraum zur Verköstigung zugebilligt werden, der wiederum von der Dauer der Pause abzuziehen ist.
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2. Im angefochtenen Beschluss hat das Landgericht dem Beschwerdeführer eine Mittagspause von „einer halben bis etwa einer Stunde“ zugebilligt. Dies erscheint recht knapp bemessen. Doch selbst wenn hiervon ausgegangen wird, ist die Zusatzgebühr nach § 4116 VV entstanden, denn bei deren Feststellung ist - wie dargelegt - in der Regel bezüglich des Beginns der Hauptverhandlung die Ladung und nicht der tatsächliche Beginn maßgebend. Vorliegend war der Rechtsanwalt auf 9.00 Uhr geladen. Die Hauptverhandlung wurde um 12.17 Uhr unterbrochen und sollte um 15.00 Uhr fortgesetzt werden. Am Nachmittag war Verhandlungsende um 15.45 Uhr. Daraus ergibt sich eine „reine“ Teilnahme an der Hauptverhandlung von vier Stunden zwei Minuten. Räumt man dem Rechtsanwalt auch nur eine Stunde Mittagspause ein, so ist bereits dann die in Nr. 4116 VV enthaltene Grenze von fünf Stunden überschritten.
15 
Mithin ist dem Rechtsanwalt vorliegend die Zusatzgebühr Nr. 4116 VV  zuzubilligen.

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Tenor

Gemäß § 51 RVG wird dem Antragsteller, Rechtsanwalt W. W., ..., als gerichtlich bestelltem Beistand des Nebenklägers A. S., für den ersten Rechtszug eine Pauschvergütung von 5.814 € bewilligt. Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.

Der Senat schließt sich damit im Wesentlichen dem Vorschlag des Vertreters der Landeskasse vom 15. Dezember 2008 (Bl. 1808 ff. d.A.) an, der grundsätzlich der Sach- und Rechtslage entspricht.

Auch der Senat hält gemäß § 51 Abs. 1 RVG einen Aufschlag von 500 € auf die gesetzlichen Gebühren des Beistandes (VV RVG Nr. 4100, 4104, 4118, 4120, 4122) für angemessen. Diese gesetzlichen Gebühren berechnen sich hier allerdings nur auf insgesamt 5.314 €.

Einerseits ist der Termin vom 17. Oktober 2006 mit insgesamt 5:01 Stunden zu berechnen, so dass die zusätzliche Gebühr nach VV RVG Nr. 4122 zum Ansatz kommt. Nach der Rechtsprechung des Senats bemisst sich die Terminsdauer vom Zeitpunkt des anberaumten Verhandlungsbeginns bis zum Ende der Sitzung. Ein verzögerter Beginn der Verhandlung ist dem gerichtlich bestellten Rechtsanwalt nur dann anzurechnen, wenn er diese Verspätung zu vertreten hat (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2006, 392). Dies war hier offensichtlich nicht der Fall.

Auch unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Gebühr errechnet sich der Gesamtbetrag aber andererseits nur auf die o.a. Summe (Grundgebühr VV Nr. 4100: 132 €; Verfahrensgebühr VV Nr. 4104: 112 €; Verfahrensgebühr VV Nr. 4118: 264 €; Terminsgebühr VV Nr. 4120 für 12 Tage: 4272 €; zusätzliche Gebühr für Hauptverhandlung von mehr als 5 bis zu 8 Stunden Dauer, VV Nr. 4122 für 3 Tage, 5.7., 10.10. und 17.10.2006: 534 €).

Soweit der Antragsteller durch Schriftsatz vom 21. Januar 2009 eine weitere Erhöhung der gesetzlichen Gebühren geltend macht, sind seine Einwendungen gegen die Stellungnahme des Vertreters der Landeskasse im Ergebnis nicht begründet.

Die psychiatrische Begutachtung der Angeklagten war zwar für den Nebenklägervertreter nicht nach Maßgabe von § 400 Abs. 1 StPO vollständig bedeutungslos. Vielmehr wurden die Ergebnisse des Gutachtens ausweislich des ergangenen Urteils auch hinsichtlich der Beweiswürdigung zur inneren Tatseite berücksichtigt (Urteil S. 56, 58, Bl. 1617, 1619 d.A.). Ebenso fand das Gutachten hinsichtlich beider Angeklagter Berücksichtigung, um auch eine Schuldunfähigkeit im Sinne von § 20 StGB auszuschließen (Urteil S. 63 f., Bl. 1624 d.A.).

Allerdings weist der Vertreter der Landeskasse zur Recht darauf hin, dass die vorliegende Strafsache für die Frage einer Pauschgebühr mit anderen Verfahren vor dem Schwurgericht zu vergleichen ist. Grundsätzlich wird durch die Beträge, die der beigeordnete Rechtsanwalt erhält, die anwaltliche Tätigkeit auch in Sachen abgegolten, deren Umfang und Schwierigkeit den Durchschnitt der Fälle übertrifft. Lediglich in besonders umfangreichen oder tatsächlich bzw. rechtlich besonders schwierigen Strafsachen ist dem Pflichtverteidiger auf Antrag eine Pauschvergütung zu bewilligen, durch die eine über das Maß der normalen Inanspruchnahme erheblich hinausgehende Verteidigung entlohnt wird (vgl. OLG Hamm vom 28. Februar 2006 m.w.N. und die bisherige Senatsrechtssprechung zu § 99 BRAGO). Dabei ist auf das jeweilige Niveau des Gerichts abzustellen, vor dem die Sache verhandelt worden ist. Zum gewöhnlichen Zuschnitt eines Schwurgerichtsverfahrens gehört aber auch die Auseinandersetzung mit psychiatrischen und psychologischen Sachverständigengutachten. Besondere Erschwerungen bestanden dabei hier – jedenfalls aus der Sicht des Nebenklägervertreters – nicht.

Ebenso gehört es zum üblichen Bild einer Schwurgerichtssache, dass ein erhöhtes Interesse seitens Medien und Öffentlichkeit besteht. Besondere Umstände, die unter diesem Gesichtspunkt eine Erhöhung rechtfertigen könnten (vgl. OLG Celle StraFo 2005, 219: Teilnahme des Verteidigers an vom Landgericht begleiteten Pressekonferenzen; allerdings nicht für das Gewähren von Interviews außerhalb dieser Pressekonferenzen; OLG Jena, Beschluss vom 10.3.2008, 1 AR (S) 14/07: besonderes Interesse der örtlichen Presse für ein im ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht verhandeltes Verfahren aufgrund der Stellung des Angeklagten als Stadtrat) können im vorliegenden Fall – jedenfalls aus der Sicht des Nebenklägervertreters - nicht festgestellt werden.

Betrachtet man die Dauer der einzelnen hier vom Antragsteller wahrgenommenen Hauptverhandlungstermine und den sich daraus ergebenden Durchschnitt von rund 2:50 Stunden ist auch in der Gesamtschau die Bewertung des Antragstellers nicht gerechtfertigt, er sei an den Verhandlungstagen allgemein an der zusätzlichen Wahrnehmung seines üblichen Geschäftsbetriebs gehindert gewesen.

Tenor

Die Beschwerde wird als unbegründet

v e r w o r f e n.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Der Rechtsanwalt, der dem Angeklagten mit Beschluss vom 23. August 2004 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war, begehrt für seine Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen vom 13., 16. und 20. Juni sowie vom 18. und 21. Juli 2005 die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4122 VV RVG mit der Begründung, es komme insoweit nicht auf den tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung sondern auf den in der Ladung bestimmten Zeitpunkt an, zu dem er jeweils pünktlich erschienen sei. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die zuständige Strafkammer des Landgerichts durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen die Absetzung des Betrages von brutto 1032,40 Euro (5 x 178,00 Euro + 16 % MWSt) als unbegründet verworfen. Gegen den ihm am 13. Dezember 2005 zugestellten Beschluss hat der Rechtsanwalt am 14. Dezember 2005 Beschwerde eingelegt.

Die Beschwerde, über die der Senat im Hinblick auf die bereits ergangene Grundsatzentscheidung vom 7. November 2005 - 1 Ws 166/05 - durch die Einzelrichterin zu entscheiden hatte (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1, 2 RVG), ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Betrag von 200,-- Euro (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG).

In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch aus den im Beschluss des Senats vom 7. November 2005 - 1 Ws 166/2005 - genannten Gründen ohne Erfolg. Dort hatte der Senat Folgendes ausgeführt:

Für die Auffassung, dass es für die Dauer der Teilnahme an der Hauptverhandlung auf deren tatsächlichen Beginn und nicht auf die in der Ladung vorgesehene Terminsstunde ankommt, spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, der auf die Zeit der Teilnahme an der Hauptverhandlung abstellt. Auch Sinn und Zweck der Regelung und ihre systematische Stellung sprechen für diese Auslegung.

Durch das Rechtsanwaltsvergütungsrecht sind die Gebühren des Pflichtverteidigers völlig neu geregelt worden. Der Pflichtverteidiger erhält wie der Wahlverteidiger Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren. Zusätzlich kann er Zuschläge verdienen, wenn sich sein Mandant in Haft befindet oder der Verteidiger an einer Hauptverhandlung mehr als 5 bis 8 Stunden oder mehr als acht Stunden teilgenommen hat.

Wartezeiten und Pausen werden im Rahmen dieser Gesetzessystematik bereits durch die großzügig erhöhte (allgemeine) Terminsgebühr erfasst. So erhält ein Strafverteidiger nach VV Teil 4 Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 2 auch dann die Terminsgebühr, wenn er zu einem Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Wenn aber der bloße Zeitaufwand bereits durch die allgemeine Terminsgebühr abgegolten wird, muss mit dem Längenzuschlag etwas qualitativ anderes abgegolten werden als der bloße Zeitaufwand. Das kann nur die Tätigkeit als Verteidiger in der laufenden Hauptverhandlung sein (ebenso Hartung /Römermann, RVG, 16. A., VV 4101-4113).

An dieser Auslegung des Gebührentatbestandes VV RVG Nr. 4122 sieht sich der Senat auch nicht durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Juni 2005 - 1 AR 22/05 - gehindert, denn diese Entscheidung betraf die Gewährung einer Pauschvergütung nach § 51 RVG; die Ausführungen zum Begriff der Hauptverhandlung in Nr. 4116 VV RVG waren für die Entscheidung ausdrücklich nicht tragend.

Auf den hier in Rede stehenden Gebührentatbestand sind die Ausführungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe wegen der unterschiedlichen Zielsetzung der beiden Regelungen nach Auffassung des Senats nicht übertragbar.

Eine Pauschvergütung ist dem gerichtlich bestellten Rechtsanwalt nämlich in besonders umfangreichen oder besonders schwierigen Strafsachen zu bewilligen. Bei der Ermittlung des im Vergleich zu anderen gleich gelagerten Verfahren besonderen Umfangs einer Strafsache ist u.a. der Zeitaufwand des Rechtsanwalts zu berücksichtigen, der durch die Dauer der Hauptverhandlung ausgelöst wird. Nur in diesem Zusammenhang des § 99 BRAGO hat auch der Senat in der Vergangenheit bei Anwendung des alten Gebührenrechts, das keine Terminsgebühr kannte, für die Dauer der Hauptverhandlung auf die vorgesehene Terminsstunde und nicht erst auf den tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung abgestellt.

Soweit Burhoff unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte zu § 99 BRAGO zu den Längenzuschlägen nach neuem Recht ebenfalls die entgegen gesetzte Auffassung vertritt (vgl. Burhoff/Kindermann/Burhoff, RVG, Rn. 8-10 zu Nr. 4110), übersieht er, dass Wartezeiten und Pausen nach der Neuregelung bereits durch die allgemeine Terminsgebühr abgegolten sind.

Nur die hier vertretene Auffassung, für die Längenzuschläge auf den tatsächlichen und nicht auf den vorgesehenen Beginn der Hauptverhandlung abzustellen, dürfte letztlich auch - nicht nur in Umfangsverfahren mit mehreren Beteiligten wie dem hiesigen - zu praktikablen Ergebnissen führen, da die tatsächliche Dauer der Hauptverhandlung und die Anwesenheit des Rechtsanwalts während der Hauptverhandlung mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten durch das Sitzungsprotokoll nachgewiesen wird. Käme es auf die vorgesehene Terminsstunde an, wären Feststellungen zur Anwesenheit der Verteidiger zu diesem Zeitpunkt und zu den Gründen für den verzögerten Sitzungsbeginn zu treffen, die in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen sind.

An dieser Beurteilung hält der Senat auch angesichts der zwischenzeitlich bekannt gewordenen Entscheidungen anderer Obergerichte fest (KG RVGreport 2006, 33; OLG Stuttgart RVGreport 2006, 32). Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für die auch von Burhoff, RVGreport 2006, 1 vertretene Auffassung, Wartezeiten vor Beginn der Hauptverhandlung seien bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer zugunsten des Rechtsanwalts zu berücksichtigen. Auch aus der amtlichen Begründung ergibt sich dies nicht, denn danach war Ziel der Neuregelung, feste Terminsgebühren zu schaffen, auf deren Höhe die Umstände des Einzelfalls keinen Einfluss haben (vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 224). Besondere Umstände des Einzelfalls können bei dieser Gesetzessystematik nach Auffassung des Senats daher weiterhin nur bei der Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG Berücksichtigung finden.

Für die hier vertretene Auffassung spricht schließlich auch deren Anbindung an die strafprozessualen Regelungen betreffend die Dauer der Hauptverhandlung und deren Protokollierung: Die Hauptverhandlung beginnt nach § 243 Abs. 1 S. 1 StPO mit dem Aufruf der Sache. Nur dieser Zeitpunkt und das Ende des jeweiligen Hauptverhandlungstermins werden eingangs in der Sitzungsniederschrift vermerkt; kürzere Pausen im Verlauf eines Verhandlungstages brauchen nach §§ 272, 273 StPO nicht aufgenommen zu werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. A., § 272 Rn. 3).

Deshalb gehört auch die Einhaltung von Mittagspausen nicht zu den für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen, nur durch die Sitzungsniederschrift nachweisbaren Förmlichkeiten (BGH VRS 32, 143).

Nur diese - und nicht eine auf den Einzelfall abstellende - Handhabung erscheint schließlich auch praktikabel, wie der Blick auf ein derzeit bei dem Landgericht Saarbrücken anhängiges Großverfahren mit mehr als 10 gerichtlich bestellten Rechtsanwälten deutlich macht. Es kann nicht Aufgabe des mit der Sachbearbeitung befassten Gerichts sein, noch vor Aufruf der Sache - beginnend mit der in der Ladung vorgesehenen Terminsstunde bis zum tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung - fortlaufend Feststellungen zum Zeitpunkt des Erscheinens, der jeweiligen Verweildauer und den Möglichkeiten anderweitiger nutzbringender Beschäftigung sämtlicher gerichtlich bestellter Rechtsanwälte zu treffen (vgl. OLG Stuttgart a.a.O. und Burhoff a.a.O. S.), zumal mannigfaltige Gründe für den verspäteten Beginn der Hauptverhandlung denkbar sind.

Für die Längenzuschläge muss folglich der eingangs des Protokolls festgehaltene Beginn und das dort vermerkte Ende der tatsächlichen Dauer der Hauptverhandlung maßgeblich bleiben.

Die Beschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen.

Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 56 II S. 2, 3 RVG).

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Verteidigers wird der Beschluss des Landgerichts - Jugendkammer - H. vom 20. April 2005

a u f g e h o b e n.

2. Die Verfügung des Landgerichts H. vom 11. Januar 2005 wird dahin

a b g e ä n d e r t,

dass die Vergütung des gerichtlich bestellten Verteidigers in Höhe

von 1.316,16 EUR festgesetzt wird. Bereits ausbezahlte Gebühren sind anzurechnen.

3. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 RVG).

Gründe

 
I. Der Beschwerdeführer war im vorliegenden (erstinstanzlichen) Strafverfahren vor der Jugendkammer des Landgerichts H. als bestellter Verteidiger tätig. Die Hauptverhandlung fand am 23. November 2004 in seiner Anwesenheit statt. Am Vormittag dieses Tages begann die auf 9.00 Uhr anberaumte Sitzung um 9.12 Uhr und endete um 12.17 Uhr. Termin zur Fortsetzung wurde bestimmt auf 15.00 Uhr. Tatsächlich nahm die Hauptverhandlung ihren weiteren Verlauf von 15.10 Uhr bis 15.45 Uhr.
Mit Schriftsatz vom 25. November 2004 beantragte Rechtsanwalt W. die Festsetzung seiner Pflichtverteidigervergütung in Höhe von 1.316,16 EUR. Vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts wurde die vom Verteidiger gemäß Nr. 4116 des Vergütungsverzeichnisses (VV; Anlage 1 zum RVG) geltend gemachte Zusatzgebühr in Höhe von 108 EUR abgesetzt. Dagegen hat der Rechtsanwalt Erinnerung eingelegt, der nicht abgeholfen worden ist. Gemäß § 56 RVG hat das Landgericht - Jugendkammer - H. darüber entschieden und die Erinnerung mit Beschluss vom 20. April 2005 zurückgewiesen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage der Anrechenbarkeit von Verhandlungspausen bei den Gebührentatbeständen der Nrn. 4110, 4111, 4116 und 4117 VV hat die Kammer das Rechtsmittel der Beschwerde zugelassen. Deshalb ist die vom Verteidiger innerhalb der zweiwöchigen Frist eingelegte Beschwerde, obwohl es lediglich um die Absetzung eines Betrags von weniger als 200 EUR geht, zulässig (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG).
II. Das Rechtsmittel ist begründet.
Da die Kammer in der Besetzung mit drei Richtern entschieden hat, hat auch der Senat in dieser Besetzung zu befinden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 RVG).
Vorliegend geht es um die Fragen, ob bei der Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung für die Anerkennung einer Zusatzgebühr nach Nrn. 4110, 4111, 4116 und 4117 VV auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der/die Verteidiger/in geladen worden ist oder zu dem mit der Hauptverhandlung ausweislich des Protokolls tatsächlich begonnen wurde, und ob Pausen und längere Unterbrechungen der Hauptverhandlung an ein und demselben Tag in Abzug zu bringen sind.
1. Im Hinblick auf die Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt an, zu dem der/die Verteidiger/in geladen worden ist. Etwas anderes kann nur gelten, wenn allein aus Gründen, die dem/der Verteidiger/in zuzurechnen sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt hat begonnen werden können. Kürzere Pausen sind nicht zu berücksichtigen (ebenso OLG Hamm, Beschluss vom 27. Mai 2005, 2 (s) Sbd. VIII - 54/05; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4110 VV RVG Rdnr. 8 ff.; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., VV 4110, 4111 Rdnr. 1; Riedel/Sußbauer/Schmahl, RVG, 9.Aufl., VV Teil 4 Abschnitt 1, Rdnr. 64).
Gegen diese Auffassung spricht auch nicht die in den Bestimmungen des Vergütungsverzeichnisses verwendete Formulierung: „Der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt nimmt mehr als fünf bis acht Stunden bzw. mehr als acht Stunden an der Hauptverhandlung teil...“ Nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO beginnt die Hauptverhandlung zwar (erst) mit dem Aufruf der Sache, woraus gefolgert werden könnte, dass Wartezeiten vom Zeitpunkt der Ladung bis zum Aufruf der Sache bei der Berechnung, wie lange ein/e Rechtsanwalt/ -anwältin an einer Hauptverhandlung teilgenommen hat, nicht zu berücksichtigen sind. Dem steht jedoch entgegen, dass ausweislich der Gesetzesmaterialien feste Terminsgebühren geschaffen werden sollten, auf deren Höhe die Umstände des Einzelfalls keinen Einfluss haben. Der besondere Zeitaufwand für die anwaltliche Tätigkeit soll angemessen honoriert werden. Insbesondere sollen Rechtsanwälte/innen aufgrund länger dauernder zeitlicher Inanspruchnahme nicht mehr ausschließlich auf die Bewilligung einer Pauschgebühr angewiesen sein. Eine maßgebliche Intention des Gesetzgebers war, durch diese neue Regelung eine Verminderung der Fälle herbeizuführen, in denen Pauschgebühren festgesetzt werden müssen (Begründung im Gesetzentwurf KostRMoG - BT-Drs. 15/1971, S. 224). Dem würde jedoch ein Abzug von Verspätungen und auch von kleineren Verhandlungspausen zuwiderlaufen. Die zeitliche Inanspruchnahme eines/r Rechtsanwalts/ -anwältin ist genau die gleiche, wenn eine Hauptverhandlung, zu der beispielsweise auf 9.00 Uhr geladen worden ist, erst um 10.00 Uhr beginnt und dann bis 14.05 Uhr andauert, wie wenn sie pünktlich begonnen hätte. Würde der/die Rechtsanwalt/ -anwältin in diesem Beispielsfall, trotz einer zeitlichen Inanspruchnahme von mehr als fünf Stunden, keine Zusatzgebühr erhalten, wären Anträge auf Bewilligung von Pauschgebühren quasi „vorprogrammiert“. Deren Erfolg wäre allerdings im Hinblick auf die engen Voraussetzungen von §§ 42, 51 RVG in hohem Maße fraglich.
Darüber hinaus hat sich der Gesetzgeber mit den zeitlichen Grenzen (fünf bzw. acht Stunden) an der bisherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte im Rahmen der Gewährung von Pauschgebühren orientiert (aaO). Denn bislang war die Dauer der Hauptverhandlung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu § 99 BRAGO ein wesentlicher Umstand für die Gewährung einer Pauschgebühr. Soweit ersichtlich, wurden in der bisherigen Rechtsprechung Verspätungen und kürzere Pausen bei der Berechnung der Dauer einer Hauptverhandlung nicht berücksichtigt (vgl. OLG Karlsruhe, ZfSch 1993, 387; Hanseatisches OLG Hamburg, StV 1991, 120 f.; Thüringer OLG, StV 2000, 132 f.).
Derartige Wartezeiten eines/r Rechtsanwalts/ -anwältin werden auch nicht durch die neu geschaffene Verfahrensgebühr abgegolten, und zwar selbst dann nicht, wenn man unterstellt, dass der/die Rechtsanwalt/ -anwältin während solcher Pausen mit anderen Beteiligten das Verfahren fördernde Gespräche führt. Zwar werden von der Verfahrensgebühr tatsächlich Besprechungen mit Verfahrensbeteiligten, (außergerichtliche) Termine und auch die (allgemeine) Vorbereitung der Hauptverhandlung (und vieles mehr) erfasst, aber gerade nicht die Teilnahme an gerichtlichen Terminen.
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Weiter spricht für die Auffassung des Senats die Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 in Teil 4 VV. Auch wenn es dort nicht um die Höhe einer Gebühr, sondern um die Frage, ob eine Gebühr überhaupt ausgelöst wird, geht, kann der darin enthaltene Rechtsgedanke, die Teilnahme an einem Termin, der tatsächlich überhaupt nicht stattgefunden hat, soll dennoch honoriert werden, durchaus herangezogen werden (so auch Burhoff aaO).
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Hieraus ergibt sich, dass auch kürzere Verhandlungspausen bei der Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung nicht in Abzug zu bringen sind.
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Anders mag es sich bei extrem langen Verhandlungspausen verhalten, wenn beispielsweise eine Hauptverhandlung, die um 9.00 Uhr begonnen hat, um 10.00 Uhr unterbrochen und dann erst um 15.00 Uhr fortgesetzt wird. Ab welcher Länge eine Unterbrechung zu berücksichtigen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei wird maßgebend sein, inwieweit der/die Rechtsanwalt/wältin die Pause im Hinblick auf seine/ihre berufliche Tätigkeit hat sinnvoll nützen können. Folglich werden zahlreiche Umstände von Bedeutung sein, wie beispielsweise neben der Länge der Pause auch die Entfernung der Kanzlei zum Gerichtsort, die tatsächliche
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(der/die Rechtsanwalt/ -anwältin muss wählen können, ob er/sie öffentliche Verkehrsmittel oder ein Kraftfahrzeug benutzt) Fahrtzeit, die zurückzulegen ist, und ähnliches. Bei Mittagspausen muss ein ausreichender Zeitraum zur Verköstigung zugebilligt werden, der wiederum von der Dauer der Pause abzuziehen ist.
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2. Im angefochtenen Beschluss hat das Landgericht dem Beschwerdeführer eine Mittagspause von „einer halben bis etwa einer Stunde“ zugebilligt. Dies erscheint recht knapp bemessen. Doch selbst wenn hiervon ausgegangen wird, ist die Zusatzgebühr nach § 4116 VV entstanden, denn bei deren Feststellung ist - wie dargelegt - in der Regel bezüglich des Beginns der Hauptverhandlung die Ladung und nicht der tatsächliche Beginn maßgebend. Vorliegend war der Rechtsanwalt auf 9.00 Uhr geladen. Die Hauptverhandlung wurde um 12.17 Uhr unterbrochen und sollte um 15.00 Uhr fortgesetzt werden. Am Nachmittag war Verhandlungsende um 15.45 Uhr. Daraus ergibt sich eine „reine“ Teilnahme an der Hauptverhandlung von vier Stunden zwei Minuten. Räumt man dem Rechtsanwalt auch nur eine Stunde Mittagspause ein, so ist bereits dann die in Nr. 4116 VV enthaltene Grenze von fünf Stunden überschritten.
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Mithin ist dem Rechtsanwalt vorliegend die Zusatzgebühr Nr. 4116 VV  zuzubilligen.

Tenor

Die Beschwerde wird als unbegründet

v e r w o r f e n.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Der Rechtsanwalt, der dem Angeklagten mit Beschluss vom 23. August 2004 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war, begehrt für seine Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen vom 13., 16. und 20. Juni sowie vom 18. und 21. Juli 2005 die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4122 VV RVG mit der Begründung, es komme insoweit nicht auf den tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung sondern auf den in der Ladung bestimmten Zeitpunkt an, zu dem er jeweils pünktlich erschienen sei. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die zuständige Strafkammer des Landgerichts durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen die Absetzung des Betrages von brutto 1032,40 Euro (5 x 178,00 Euro + 16 % MWSt) als unbegründet verworfen. Gegen den ihm am 13. Dezember 2005 zugestellten Beschluss hat der Rechtsanwalt am 14. Dezember 2005 Beschwerde eingelegt.

Die Beschwerde, über die der Senat im Hinblick auf die bereits ergangene Grundsatzentscheidung vom 7. November 2005 - 1 Ws 166/05 - durch die Einzelrichterin zu entscheiden hatte (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1, 2 RVG), ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Betrag von 200,-- Euro (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG).

In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch aus den im Beschluss des Senats vom 7. November 2005 - 1 Ws 166/2005 - genannten Gründen ohne Erfolg. Dort hatte der Senat Folgendes ausgeführt:

Für die Auffassung, dass es für die Dauer der Teilnahme an der Hauptverhandlung auf deren tatsächlichen Beginn und nicht auf die in der Ladung vorgesehene Terminsstunde ankommt, spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, der auf die Zeit der Teilnahme an der Hauptverhandlung abstellt. Auch Sinn und Zweck der Regelung und ihre systematische Stellung sprechen für diese Auslegung.

Durch das Rechtsanwaltsvergütungsrecht sind die Gebühren des Pflichtverteidigers völlig neu geregelt worden. Der Pflichtverteidiger erhält wie der Wahlverteidiger Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren. Zusätzlich kann er Zuschläge verdienen, wenn sich sein Mandant in Haft befindet oder der Verteidiger an einer Hauptverhandlung mehr als 5 bis 8 Stunden oder mehr als acht Stunden teilgenommen hat.

Wartezeiten und Pausen werden im Rahmen dieser Gesetzessystematik bereits durch die großzügig erhöhte (allgemeine) Terminsgebühr erfasst. So erhält ein Strafverteidiger nach VV Teil 4 Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 2 auch dann die Terminsgebühr, wenn er zu einem Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Wenn aber der bloße Zeitaufwand bereits durch die allgemeine Terminsgebühr abgegolten wird, muss mit dem Längenzuschlag etwas qualitativ anderes abgegolten werden als der bloße Zeitaufwand. Das kann nur die Tätigkeit als Verteidiger in der laufenden Hauptverhandlung sein (ebenso Hartung /Römermann, RVG, 16. A., VV 4101-4113).

An dieser Auslegung des Gebührentatbestandes VV RVG Nr. 4122 sieht sich der Senat auch nicht durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Juni 2005 - 1 AR 22/05 - gehindert, denn diese Entscheidung betraf die Gewährung einer Pauschvergütung nach § 51 RVG; die Ausführungen zum Begriff der Hauptverhandlung in Nr. 4116 VV RVG waren für die Entscheidung ausdrücklich nicht tragend.

Auf den hier in Rede stehenden Gebührentatbestand sind die Ausführungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe wegen der unterschiedlichen Zielsetzung der beiden Regelungen nach Auffassung des Senats nicht übertragbar.

Eine Pauschvergütung ist dem gerichtlich bestellten Rechtsanwalt nämlich in besonders umfangreichen oder besonders schwierigen Strafsachen zu bewilligen. Bei der Ermittlung des im Vergleich zu anderen gleich gelagerten Verfahren besonderen Umfangs einer Strafsache ist u.a. der Zeitaufwand des Rechtsanwalts zu berücksichtigen, der durch die Dauer der Hauptverhandlung ausgelöst wird. Nur in diesem Zusammenhang des § 99 BRAGO hat auch der Senat in der Vergangenheit bei Anwendung des alten Gebührenrechts, das keine Terminsgebühr kannte, für die Dauer der Hauptverhandlung auf die vorgesehene Terminsstunde und nicht erst auf den tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung abgestellt.

Soweit Burhoff unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte zu § 99 BRAGO zu den Längenzuschlägen nach neuem Recht ebenfalls die entgegen gesetzte Auffassung vertritt (vgl. Burhoff/Kindermann/Burhoff, RVG, Rn. 8-10 zu Nr. 4110), übersieht er, dass Wartezeiten und Pausen nach der Neuregelung bereits durch die allgemeine Terminsgebühr abgegolten sind.

Nur die hier vertretene Auffassung, für die Längenzuschläge auf den tatsächlichen und nicht auf den vorgesehenen Beginn der Hauptverhandlung abzustellen, dürfte letztlich auch - nicht nur in Umfangsverfahren mit mehreren Beteiligten wie dem hiesigen - zu praktikablen Ergebnissen führen, da die tatsächliche Dauer der Hauptverhandlung und die Anwesenheit des Rechtsanwalts während der Hauptverhandlung mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten durch das Sitzungsprotokoll nachgewiesen wird. Käme es auf die vorgesehene Terminsstunde an, wären Feststellungen zur Anwesenheit der Verteidiger zu diesem Zeitpunkt und zu den Gründen für den verzögerten Sitzungsbeginn zu treffen, die in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen sind.

An dieser Beurteilung hält der Senat auch angesichts der zwischenzeitlich bekannt gewordenen Entscheidungen anderer Obergerichte fest (KG RVGreport 2006, 33; OLG Stuttgart RVGreport 2006, 32). Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für die auch von Burhoff, RVGreport 2006, 1 vertretene Auffassung, Wartezeiten vor Beginn der Hauptverhandlung seien bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer zugunsten des Rechtsanwalts zu berücksichtigen. Auch aus der amtlichen Begründung ergibt sich dies nicht, denn danach war Ziel der Neuregelung, feste Terminsgebühren zu schaffen, auf deren Höhe die Umstände des Einzelfalls keinen Einfluss haben (vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 224). Besondere Umstände des Einzelfalls können bei dieser Gesetzessystematik nach Auffassung des Senats daher weiterhin nur bei der Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG Berücksichtigung finden.

Für die hier vertretene Auffassung spricht schließlich auch deren Anbindung an die strafprozessualen Regelungen betreffend die Dauer der Hauptverhandlung und deren Protokollierung: Die Hauptverhandlung beginnt nach § 243 Abs. 1 S. 1 StPO mit dem Aufruf der Sache. Nur dieser Zeitpunkt und das Ende des jeweiligen Hauptverhandlungstermins werden eingangs in der Sitzungsniederschrift vermerkt; kürzere Pausen im Verlauf eines Verhandlungstages brauchen nach §§ 272, 273 StPO nicht aufgenommen zu werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. A., § 272 Rn. 3).

Deshalb gehört auch die Einhaltung von Mittagspausen nicht zu den für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen, nur durch die Sitzungsniederschrift nachweisbaren Förmlichkeiten (BGH VRS 32, 143).

Nur diese - und nicht eine auf den Einzelfall abstellende - Handhabung erscheint schließlich auch praktikabel, wie der Blick auf ein derzeit bei dem Landgericht Saarbrücken anhängiges Großverfahren mit mehr als 10 gerichtlich bestellten Rechtsanwälten deutlich macht. Es kann nicht Aufgabe des mit der Sachbearbeitung befassten Gerichts sein, noch vor Aufruf der Sache - beginnend mit der in der Ladung vorgesehenen Terminsstunde bis zum tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung - fortlaufend Feststellungen zum Zeitpunkt des Erscheinens, der jeweiligen Verweildauer und den Möglichkeiten anderweitiger nutzbringender Beschäftigung sämtlicher gerichtlich bestellter Rechtsanwälte zu treffen (vgl. OLG Stuttgart a.a.O. und Burhoff a.a.O. S.), zumal mannigfaltige Gründe für den verspäteten Beginn der Hauptverhandlung denkbar sind.

Für die Längenzuschläge muss folglich der eingangs des Protokolls festgehaltene Beginn und das dort vermerkte Ende der tatsächlichen Dauer der Hauptverhandlung maßgeblich bleiben.

Die Beschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen.

Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 56 II S. 2, 3 RVG).

(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.