Amtsgericht München Endurteil, 07. Sept. 2017 - 231 C 4507/17

bei uns veröffentlicht am07.09.2017
nachgehend
Landgericht München I, 20 S 14891/17, 19.03.2018

Gericht

Amtsgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer Norm der Vereinssatzung des Beklagten.

Der Beklagte ist ein im Register des Amtsgerichts München unter der Nr. VR 4… eingetragener Verein. Mitglied im Beklagten kann werden, wer die Befähigung zum Lehramt am Gymnasium hat oder wer an Schulen unterrichtet oder erzieherisch wirkt, die zur Hochschulreife führen, Hochschullehrer ist oder Anwärter für das Lehramt am Gymnasium ist bzw. sich in einem einschlägigen Fachstudium darauf vorbereitet.

Aufgabe des Beklagten ist die Vertretung und Förderung der beruflichen und wirtschaftlichen Belange seiner Mitglieder, der Behandlung aller Angelegenheiten, die den Berufsstand der Philologen betreffen und die Einflussnahme auf die Gestaltung des Bildungswesens unter besonderer Berücksichtigung des Gymnasiums. Im Jahr 2017 hat der Beklagte etwa xx…. Mitglieder. Hiervon befanden sich zum Stichtag 09.06.2017 x…. Mitglieder im Ruhestand. Von diesen hatten x…. Mitglieder ein Lebensalter von 65 Jahren oder älter erreicht.

Nach § 13 der Satzung des Beklagten sind die Beschlussorgane des Verbandes die Hauptversammlung und der Hauptvorstand. Nach § 14 der Satzung des Beklagten ist die Hauptversammlung, abgesehen von den Fällen, in denen in der Satzung des Beklagten oder im Gesetz eine Mitwirkung sämtlicher Mitglieder vorgesehen ist, das oberste Verbandsorgan. Sie besteht aus den Delegierten, den Mitgliedern des Bildungsbeirats, den Entsandten der Seniorenvertretung, den Entsandten der rjv, den Entsandten der Studierendenvertretung und den Mitgliedern des Hauptvorstands.

§ 14 Abs. 2 der Satzung des Beklagten lautet:

„Stimmberechtigte Mitglieder der Hauptversammlung sind die Delegierten.“

§ 10 Abs. 1 der Satzung des Beklagten lautet:

„Für je 100 Verbandsmitglieder eines jeden Bezirksverbandes wird in geheimer und direkter Wahl auf die Dauer von vier Jahren eine Delegierte oder ein Delegierter und deren/dessen Stellvertreter/in von den jeweiligen Mitgliedern eines Wahlkreises gewählt.“

§ 7 Abs. 7 der Satzung des Beklagten lautet:

„Eine Kandidatur für Verbandsfunktionen in den Bezirken und im Vorstand ist nur Kolleginnen und Kollegen möglich, die sich nicht im Ruhestand befinden. Ausgenommen von dieser Regelung sind der Referent für Ruhestandsfragen, Pensionisten und Hinterbliebene, die Seniorenvertreter der Bezirke, die Schatzmeister und die Kassenprüfer.“

Ziffer III. der Geschäftsordnung des Beklagten betrifft die Aufgaben der Delegierten. Ziffer III. lautet auszugsweise:

„Hauptaufgabe der Delegierten ist es, in der Hauptversammlung die Interessen der Mitglieder ihres Wahlkreises zu vertreten und die Richtlinien der Verbandsarbeit zu bestimmen. In ihrem Wahlkreis halten sie Fühlung mit den Obleuten und Mitgliedern. Sie berufen mindestens einmal im Jahr eine Versammlung der Mitglieder ihres Wahlkreises ein und führen darin den Vorsitz. Solche Versammlungen sollten hauptsächlich der Beratung der Anträge vor bzw. der Information über die Beschlüsse nach der Hauptversammlung dienen. Sie vertreten die Wünsche und Anregungen der Mitglieder ihres Wahlkreises gegenüber den zuständigen Verbandsorganen. In der Bezirksversammlung haben Sie Sitz und Stimme. Darüber hinaus unterstützen Sie in Absprache mit dem Bezirksvorsitzenden die gesamte Verbandsarbeit in ihrem Bezirk. […] Wenn Delegierte aus dem Verband austreten oder wegen Versetzung nicht mehr im Bereich ihres Wahlkreises verbleiben, verlieren sie ihr Amt. Sie können es auch aus dringenden persönlichen Gründen zur Verfügung stellen.“

Der Kläger zu 1) ist seit 01.07.1977 Mitglied des Beklagten. Er war dort von 2004 bis 2013 stellvertretender Vorsitzender. Seit 01.08.2014 ist der Kläger zu 1) im Ruhestand. Der Kläger zu 2) ist seit September 1978 Mitglied des Beklagten und befindet sich seit 31.07.2016 im Ruhestand. Er bekleidete im Beklagten von 2013 bis zum 31.07.2017 das Amt eines Delegierten.

Der Ausschluss von im Ruhestand befindlichen Mitgliedern des Beklagten von der Kandidatur für Verbandsfunktionen in § 7 Abs. 7 der Satzung des Beklagten wurde durch Mehrheitsbeschluss auf der Hauptversammlung 2010 eingeführt. Ein vom Vorstand des Beklagten auf der Hauptversammlung 2015 eingebrachter Vorschlag zur Änderung der Norm dahingehend, dass Mitglieder im Ruhestand berechtigt sind, als Delegierte zu kandidieren, wurde durch einen Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung 2015 abgelehnt.

Die Kläger sind der Auffassung, die Satzungsbestimmungen, die Ruheständlern eine Kandidatur für Verbandsfunktionen, spezielle als Delegierte, verbietet, sei nichtig wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG. Der überragende Teil der sich im Ruhestand befindlichen Mitglieder sei über 65 Jahre alt. Es sei daher von einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters auszugehen. Auch Bestimmungen in Verbandssatzungen seien an den Normen des AGG zu messen und bei Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nichtig. Eine sachliche Rechtfertigung bestünde nicht. Die derzeitige Norm des § 7 Abs. 7 der Satzung des Beklagten ermögliche zudem keine repräsentative Vertretung der Gruppe der Ruheständler, vielmehr würden bestimmte Mitgliedergruppen durch die Norm aus dem Willensbildungsprozess des Verbandes hinausgedrängt. Die Norm verstoße daher auch gegen den vereinsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, da die Zusammensetzung der Delegierten die Verhältnisse der einzelnen Mitgliedergruppen untereinander zahlenmäßig nicht angemessen wiedergebe.

Mit Schriftsatz vom 30.05.2017 haben die Kläger die Klage unter vollständigem Entfall des ursprünglich gestellten Antrags umgestellt.

Die Kläger beantragen zuletzt,

Es wird festgestellt,

  • 1.dass § 7 Abs. 7 der Satzung des Beklagten insoweit nichtig ist, als er eine Kandidatur für Verbandsfunktionen in den Bezirken und im Vorstand nur Mitgliedern ermöglicht, die sich nicht im Ruhestand befinden

  • 2.dass die Kläger zu 1 und 2 als Ruheständler berechtigt sind, bei allen verbandsinternen Wahlen des Beklagten als in der Hauptversammlung stimmberechtigte Delegierte zu kandidieren.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Der Beklagte ist der Auffassung, eine eventuell vorliegende Diskriminierung wegen des Alters sei jedenfalls aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Zu den Aufgaben der Delegierten gehöre es, Mitgliederversammlungen zu veranstalten, alte und neue Kollegen in der Schule anzusprechen, mit Aktiven im Gespräch zu sein und deshalb Zugang zu Lehrerzimmern zu haben. Bei Mitgliedern im Ruhestand sei das in der Regel nicht mehr gegeben. Sie könnten den zur Erfüllung der Verbandsziele notwendigen Kontakt zu den Mitgliedern nur sehr eingeschränkt leisten. Für die Mitgliederbindung sei es zudem entscheidend, dass die Mitglieder im aktiven Dienst in den Delegierten Ansprechpartner sehen, die ihre täglichen Probleme aus eigener aktueller Erfahrung kennen. Ferner korrespondiere mit dem fehlenden passiven Wahlrecht von Mitgliedern, die nicht mehr im aktiven Dienst stünden, eine reduzierte Beitragspflicht. Überdies solle durch die angegriffene Satzungsnorm auch verhindert werden, dass es zu Nachteilen bei der Nachwuchsförderung komme. Diese sei ein großes Interesse des Beklagten. Würden Mitglieder im Ruhestand wieder für die Kandidatur als Delegierter zugelassen, stünde zu befürchten, dass diese Delegierten über lange Zeit hinweg Delegiertenposten „blockierten“ und auf diese Weise die Nachwuchsgewinnung für Verbandsfunktionen behindert würde. Dies sei einer der Gründe gewesen, weshalb im Jahr 2007 zunächst die Wahlordnung dahingehend geändert wurde, dass Mitglieder im Ruhestand von Verbandsfunktionen ausgeschlossen seien und schließlich die streitgegenständliche Regelung durch Mehrheitsbeschluss auf der außerordentlichen Hauptversammlung im Jahr 2010 in die Satzung eingefügt wurde. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte als Aufgabe die Vertretung der bildungs- und berufspolitischen Interessen der Mitglieder nach außen habe. Die Glaubwürdigkeit der Verbandspositionen würde darunter leiden, wenn Mitglieder, die nicht mehr im aktiven Dienst sind und nicht aus eigenem Erleben die aktuell zu beeinflussenden Auswirkungen der Bildungspolitik und der gesellschaftlichen Entwicklung in der Schülerpopulation beurteilen könnten, diese Positionen maßgeblich bestimmten. Ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung sei nicht gegeben, da die Mitglieder im Ruhestand das uneingeschränkte aktive Wahlrecht besäßen und somit in gleichem Maße wie auch alle übrigen Mitglieder direkten Einfluss auf die Bestimmung der Delegierten nehmen könnten. Eine Ungleichbehandlung der Mitgliedergruppen liege nicht vor. Der Satzungsgeber des Beklagten habe sich zulässigerweise entschieden, für eine Gruppenbildung an regionale und nicht an persönliche Merkmale anzuknüpfen. Eine Gruppe der „Mitglieder im Ruhestand“, die ungleich behandelt werden könnte, bestehe daher schon nicht. In jedem Falle sei über die gewählten Seniorenvertreter in den Bezirken eine hinreichende Beteiligung der Mitglieder im Ruhestand sichergestellt.

Die Parteien haben am 07.06.2017 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Als Termin, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, wurde der 26.07.2017 bestimmt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.06.2017 Bezug genommen.

Gründe

Die geänderte Klage ist nur zum Teil zulässig. Soweit sie zulässig ist, hat sie in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.

Die Klage ist nur teilweise zulässig.

1. Die Klageänderung ist zulässig. Die Zulässigkeit ergibt sich jedenfalls aus § 267 ZPO. Der Beklagte hat sich rügelos zur geänderten Klage eingelassen.

2. Die geänderte Klage ist in Ziffer des Klageantrags zulässig. Hinsichtlich der Ziffer des Klageantrags ist sie unzulässig.

a) In Ziffer ist die Klage zulässig.

Die Kläger haben ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf die Wirksamkeit der von ihnen angegriffenen Satzungsnorm (Klageantrag Ziff. 1). Darauf, zu welchem Zeitpunkt die entsprechende Satzungsnorm erneut angewandt werden wird, kommt es für das Bestehen eines Feststellungsinteresses nicht an. Die erforderliche Gegenwärtigkeit ist hier bereits durch die generelle Betroffenheit der Kläger als Mitglieder des Beklagten gegeben (vgl. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 256 Rn. 6, 8). Es liegt jedoch auch eine konkrete Betroffenheit vor. Es können jederzeit Nachwahlen erforderlich werden, so dass die in Streit stehende Norm nicht erst bei der nächsten regulären Delegiertenwahl im Jahr 2021, sondern jederzeit wieder zur Anwendung gelangen könnte.

b) Im Hinblick auf Ziffer ist die Klage unzulässig.

Es fehlt ein dahingehendes Feststellungsinteresse. Dem Rechtsschutzbedürfnis der Kläger ist mit Ziffer der Klage hinreichend Genüge getan. Die Kläger haben nicht dargetan, weshalb ein Interesse daran bestehen soll, neben der Feststellung der Unwirksamkeit der angegriffenen Satzungsnorm zusätzlich die Feststellung ihrer konkreten Berechtigung zur Kandidatur als stimmberechtigte Delegierte der Hauptversammlung bei allen verbandsinternen Wahlen des Beklagten zu erreichen. Nach dem klägerischen Vortrag müssen diese nur wegen dem in § 7 Abs. 7 der Satzung enthaltenen Ausschluss für Mitglieder im Ruhestand befürchten, vom Beklagten nicht zur Kandidatur für Verbandsfunktionen zugelassen zu werden. Ist die angegriffene Satzungsnorm jedoch unwirksam, stehen ihrer eventuellen Kandidatur auf Basis ihres Vortrags keine anderen Gründe entgegen. Hinzu kommt, dass die Berechtigung des Klägers zu 1) und des Klägers zu 2) unbedingt und für jeden Fall einer verbandsinternen Wahl in der gesamten Zukunft festgestellt werden soll. Das Gericht kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt weder darüber befinden, ob für alle zukünftigen Wahl tatsächlich alle Voraussetzungen für die Berechtigung zur Kandidatur vorliegen, beispielhaft sei insoweit nur die Fortdauer der Mitgliedschaft im Beklagten genannt, noch haben die Kläger ein dahingehendes Feststellungsinteresse dartun können.

II.

Im zulässigen Teil ist die Klage nicht begründet.

§ 7 Abs. 7 der Satzung des Beklagten ist nicht insoweit nichtig, als er eine Kandidatur für Verbandsfunktionen in den Bezirken und im Vorstand nur Mitgliedern ermöglicht, die sich nicht im Ruhestand befinden.

1. Der mit der Norm verbundene Entzug des passiven Wahlrechts für Verbandsfunktionen für Mitglieder im Ruhestand verstößt nicht gegen §§ 18, 7 Abs. 1 i.V.m. 1 AGG.

a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 AGG beim Beklagten erfüllt sind, es sich also um eine Vereinigung handelt, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören und bei der ein grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht. Die Vorschriften des 2. Abschnitts des AGG finden daher auf die Satzung des Beklagten Anwendung.

b) Eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG liegt nicht vor. Die streitbefangene Norm knüpft an den Ruhestand eines Mitglieds an und nicht an dessen Alter. Beim Ruhestand handelt es sich jedoch nicht um ein pönalisiertes Merkmal im Sinn des § 1 AGG.

c) Es liegt eine mittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG vor. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich zum Stichtag 9.6.2017 x…. Mitglieder des Beklagten im Ruhestand befanden, und von diesen x…. Mitglieder, also 94%, ein Lebensalter von 65 Jahren oder älter erreicht hatten. Die dem Anschein nach neutrale Anknüpfung an den Ruhestand benachteiligt daher Personen, die diese Altersgrenze überschritten haben, gegenüber anderen Personen in besonderer Weise wegen ihres Alters (vgl. Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. 2017, AGG § 3 Rn. 3).

d) Es fehlt vorliegend jedoch an einer verbotenen Benachteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG. Die Klageseite konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass die durch § 7 Abs. 7 der Satzung des Beklagten hervorgerufene mittelbare Diskriminierung wegen des Alters vorliegend nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

1) Für diesen Umstand ist die Klageseite darlegungs- und beweisbelastet, da es sich beim Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes um ein negatives Tatbestandsmerkmal einer mittelbaren Diskriminierung nach § 3 Abs. 2 AGG handelt (Palandt/Ellenberger, aaO, Rn. 4; BT-Drucks. 16/1780, S. 35).

2) Die Anforderungen an eine sachliche Rechtfertigung dürfen nicht allzu hoch angesetzt werden, insbesondere müssen grundsätzlich nicht die höheren Anforderungen des § 8 AGG eingehalten werden, da diese Vorschrift nur die Rechtfertigung schwerwiegenderer, unmittelbarer Diskriminierungen betrifft (MüKoBGB/Thüsing, 7. Aufl. 2015, AGG § 3 Rn. 39).

Eine sachliche Rechtfertigung liegt vor, wenn die betreffende Vorschrift ein rechtmäßiges Ziel verfolgt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (BeckOKBGB/Fuchs, 43. Edition, Stand 15.06.2017, AGG § 3 Rn. 8).

Legitimes Ziel

i) Der Beklagte verfolgt hier mit der Beschränkung des passiven Wahlrechts für Mitglieder im Ruhestand legitime Ziele.

Der Begriff des legitimen Ziels im Sinne des AGG ist vom Gesetzgeber nicht hinreichend konkretisiert. Übereinstimmend lässt sich der Kommentarliteratur aber entnehmen, dass ein legitimes Ziel nicht auf Allgemeininteressen gerichtet sein muss, sondern auch individuelle Interessen zu einer Rechtfertigung führen können. Insgesamt ist dabei von einem großzügigen Ansatz auszugehen. Klare Grenze bleibt lediglich, dass nicht auf verdecktem Wege eine unmittelbare Diskriminierung herbeigeführt werden darf (Schrader/Schubert, in: Däubler/Bertzbach, AGG Handkommentar, 3. Aufl. 2013, § 3 Rn. 54; MüKoBGB/Thüsing, aaO, AGG § 10 Rn. 12.)

Grundsätzlich müssen die für die Diskriminierung angeführten Gründe billigenswert sein, mithin auf nachvollziehbaren, vernünftigen Entscheidungen beruhen (BAG, Urteil vom 28.01.2010, Az. 2 AZR 764/08; Bauer/Krieger, AGG-Kommentar, 4. Auflage 2015, § 3 Rn. 33; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG-Kommentar, 4. Auflage 2013, § 18 Rn. 69; Schrader/Schubert, in: Däubler/Bertzbach aaO, § 3 Rn. 58.)

Wie der Beklagte ausführt, verfolgt er durch die Vorschrift zum einen den Zweck, zu gewährleisten, dass die gewählten Delegierten den zur Erledigung ihrer Aufgaben notwendigen Kontakt zur Basis haben, indem sie mit aktiven Lehrern im Gespräch sind und Zugang zu den Lehrerzimmern haben. Ferner sollen die Delegierten für Mitglieder und Außenstehende Ansprechpartner auf Augenhöhe sein und die anfallenden Probleme aus eigener und vor allem aktueller Erfahrung kennen. Darüber hinaus nennt die Beklagte das Ziel der Nachwuchsförderung, dass dadurch erreicht werden soll, dass durch die neue Regelung eine langjährige Blockade von Delegiertenposten durch Ruheständler vermieden wird. Als weiteres Ziel wird angeführt, dass die Delegierten auf die Gestaltung des Bildungswesens Einfluss nehmen sollen und die Glaubwürdigkeit der Beklagten in der Öffentlichkeit bei aktuellen bildungspolitischen Fragen nicht dadurch gemindert werden soll, dass Beklagteninteressen von Mitgliedern im Ruhestand, die selbst gar nicht mehr in das schulische Tagesgeschehen involviert sind, nach außen vertreten werden.

All diese Erwägungen seitens der Beklagten beruhen auf nachvollziehbaren und vernünftigen Gründen, so dass nach dem oben genannten Maßstab von legitimen Zielen auszugehen ist.

Erforderlichkeit

ii) Die Maßnahme ist erforderlich. Es besteht kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung der genannten Ziele.

Ausreichender Vortrag der dafür darlegungs- und beweisbelasteten Klageseite, dass vorliegend zur Erreichung jedes der legitimen Ziele ein milderes Mittel bestehen würde, ist nicht erfolgt.

Die Klageseite bringt insoweit lediglich vor, dass sie als Regelung für vorzugswürdig hält, dass die Mitglieder im Ruhestand eigene Delegierte wählen, welche in der Hauptversammlung stimmberechtigt sind. Der Klageseite ist zuzugeben, dass durch eine derartige Regelung, legt man sie dahingehend aus, dass die bisherige Delegiertenanzahl durch die von den Mitgliedern im Ruhestand zu wählenden Delegierten nicht verringert wird, erreicht würde, dass es nicht zur dauerhaften Inanspruchnahme („Blockade“) der „herkömmlichen“ Delegiertenposten durch Mitglieder im Ruhestand kommt. Alle übrigen der oben genannten Ziele werden durch eine derartige Regelung hingegen nicht verwirklicht. Weder ist auf diese Weise sichergestellt, dass die Delegierten den engen, täglichen Kontakt zur Basis haben, noch ist sichergestellt, dass diese die anfallenden Probleme aus aktueller eigener Erfahrung kennen oder dass sie nach außen Positionen vertreten, mit denen sie im schulischen Tagesgeschehen selber befasst sind. Etwas anderes ergibt sich nicht durch das Abstellen auf Aushilfskräfte. Zum einen gilt, dass nur ein geringer Anteil von Mitgliedern im Ruhestand tatsächlich in der behaupteten Weise als Aushilfskraft tätig sein dürfte. Konkrete Zahlen tragen die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger jedenfalls nicht vor. In jedem Fall dürfte das entsprechende Deputat derart gering sein, dass die verfolgten Zwecke, nämlich die ungezwungene und permanenter Ansprechbarkeit im Schulalltag, gerade nicht erfüllt sein würde. Hinzu kommt, dass fraglich ist, ob der Vorschlag der Klageseite gleich geeignet wäre. Ihm könnte entgegenstehen, dass sich der Beklagte legitimerweise dazu entschieden hat, eine Abbildung der unterschiedlichen Mitgliedergruppen nicht in Abhängigkeit von deren Alter, sondern von deren regionalen Zuordnung vorzunehmen. Eine Regelung, wie sie die Klageseite vorschlägt, würde diesem Prinzip widersprechen und daher im aktuellen Satzungsgefüge des Beklagten einen bedenklichen Fremdkörper bilden.

Im Übrigen wendet sich die Klageseite ohne Erfolg gegen die Geeignetheit der Regelung des Beklagten.

Soweit die Klageseite an der geltenden Regelung bemängelt, dass der enge Kontakt zu den Mitgliedern auch für Ruheständler möglich ist, ist darauf zu verweisen, dass es sich hierbei nicht um eine gleichwertige Art von Kontakt handelt. Dem Beklagten geht es gerade darum, dass der Kontakt ungezwungen im alltäglichen beruflichen Bereich erfolgen kann, wo sich Kollegen im Lehrerzimmer zumindest einmal oder gleich mehrmals über den Tag verteilt auch ohne konkrete Verabredung begegnen und ins Gespräch kommen können. Ein Mitglied im Ruhestand könnte diese Art von Kontakt gerade nicht leisten.

Soweit die Kläger geltend machen, zahlreiche Delegiertenbezirke würden nicht nur aus einer, sondern aus mehreren Dienststellen bestehen, weshalb in diesen Bezirken bereits kein enger schulischer Kontakt erfolgen könne, verfängt dies nicht. Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger tragen schon nicht konkret vor, wie häufig eine derartige Einteilung tatsächlich der Fall ist. In jedem Fall gilt aber, dass es zur Erreichung des avisierten legitimen Ziels bereits genügt, wenn der Kontakt zum Delegierten zumindest an seiner Dienststelle in der von dem Beklagten gewünschten intensiven und ungezwungenen Weise erfolgen kann. Bei im Ruhestand befindlichen Delegierten wäre dies hingegen an keiner Dienststelle der Fall. Sie müssten in jedem Fall mit den aktiven Lehrkräften Termine vereinbaren und wären nicht in der Lage, verteilt über den Tag der Mehrzahl ihrer Kollegen spontan und ungezwungen zu begegnen.

Soweit die Klageseite an der geltenden Regelung bemängelt, dass auch Mitglieder im Ruhestand im digitalen Zeitalter viele Möglichkeiten hätten, sich aktuelle Informationen zu beschaffen und zudem weiterhin über ihre aktiven Kollegen oder ihre Angehörige Eindrücke und Informationen direkt aus dem Schulalltag erhalten könnten, verfängt dies nicht. Notwendigerweise bleiben diese Eindrücke und Informationen rein mittelbarer Natur und ersetzen gerade nicht die von dem Beklagten gewünschten persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen aus erster Hand, die aus dem eigenen Berufsalltag gewonnen wurden. Insbesondere was den Einsatz von neuen Medien, neue Prüfungsformate oder die Auswirkungen der sozialen Netzwerke auf den Schulalltag angeht, dürfte das persönliche Erleben dieser Auswirkungen unumgänglich sein.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Regelung des Beklagten als zur Zweckerreichung geeignet. Andere mildere Mittel, die die genannten legitimen Ziele verwirklichen könnten, sind auch nach eingehender Prüfung und Überlegung durch das Gericht nicht ersichtlich.

Angemessenheit

iii) Die Regelung des Beklagten begegnet im Hinblick auf ihre Angemessenheit keinen Bedenken.

Insoweit ist zu prüfen, ob die benachteiligende Behandlung verhältnismäßig ist, mithin die erstrebten Ziele stärker wiegen als die mit der Behandlung einhergehende Beeinträchtigung. Es ist eine Gesamtabwägung der sich gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen.

Vorliegend ist neben den bereits genannten Interessen zu berücksichtigen, dass das Verbot der Altersdiskriminierung grundrechtlichen Schutz nach Art. 21 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta genießt. Zu berücksichtigen ist daneben jedoch auch die Vereinsautonomie, welche gemäß Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz bzw. Art. 12 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta ebenfalls unter besonderem grundrechtlichen Schutz steht.

Die zu treffende Gesamtabwägung geht zu Gunsten des Beklagten aus. Die Kläger konnten nicht dartun, dass vorliegend die – durchaus anerkennenswerten – Interessen der Mitglieder im Ruhestand die Interessen der aktiven Mitglieder überwiegen würden.

Es ist insoweit vom Gericht maßgebend die Vereinsautonomie mitzuberücksichtigen gewesen, also das Recht des Vereins, sich in freier Selbstbestimmung eine eigene innere Ordnung zu geben und die Vereinsangelegenheiten eigenverantwortlich regeln (BeckOKBGB/Schöpflin, aaO, § 21 Rn. 55).

Die Satzung eines Vereins muss dabei nicht stets eine „demokratische“ Willensbildung der Mitglieder ermöglichen. Die Vereinsautonomie kann gerade auch in der Weise ausgeübt werden, dass das Selbstverwaltungsrecht des Vereins satzungsmäßig beschränkt wird; eine solche Beschränkung stellt die Ausübung von Autonomie dar und es bedeutete eine Beschneidung dieser Autonomie, wenn solche Regelungen durch das Gericht für unzulässig erklärt würden (Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 20. Auflage 2016, Erster Teil. III. Die Vereinssatzung Rn. 39 f.).

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall: Die Mitgliedschaftsrechte, wozu auch das passive Wahlrecht gehört, können durch die Satzung umgestaltet werden (Palandt/Ellenberger, aaO, § 38 Rn. 1a). Aufgrund der Vereinsautonomie kann die Satzung sogar die Mitgliedschaft selbst von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen, etwa der Erfüllung bestimmter persönlicher Eigenschaften durch den Bewerber, wie z.B. ein bestimmtes Alter (BeckOK BGB/Schöpflin, aaO, § 38 Rn. 7). Die Satzung kann ferner vorsehen, dass die Mitgliedschaft mit dem Verlust der von der Satzung verlangten persönlichen Eigenschaften erlischt, wobei auch hier an das Erreichen eines bestimmten Alters angeknüpft werden darf (Jauernig/Mansel, BGB, 16, Aufl. 2015, § 38 Rn. 4; BayObLGZ 1979, 351; Palandt/Ellenberger, aaO, § 38 Rn. 5, BeckOKBGB/Schöpflin, § 38 Rn. 16). Nach § 10 S. 3 Nr. 5 AGG kann die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung an das Erreichen eines bestimmten Alters geknüpft werden. Diese Regelung wird überwiegend dahingehend verstanden, dass ermöglicht werden soll, jüngeren Arbeitnehmern eine Beschäftigungschance zu geben (Palandt/Weidenkaff, aaO, § 10 Rn. 3; Bauer/Kläger, AGG, 4. Auflage 2015, § 10 Rn. 39; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 10 Rn. 79). Wenn aber sogar die Beendigung der Mitgliedschaft an das Erreichen einer Altersgrenze geknüpft werden kann, dann ist erst recht der satzungsmäßige Ausschluss vom passiven Wahlrecht von Mitgliedern, die eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben, zulässig, ebenso wie das weniger intensiv an das Alter anknüpfende Abstellen auf den Eintritt des betreffenden Mitglieds in den Ruhestand. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit der entsprechenden Norm, wie hier, der Zweck verfolgt wird, eine Nachwuchsgewinnung und die Repräsentation durch im Berufsleben Aktive sicherzustellen.

Unter Anwendung dieses Maßstabs überwiegen vorliegend die Interessen des Beklagten an der Verwirklichung der angestrebten legitimen Ziele die Interessen der Kläger an einer Wählbarkeit für Verbandsfunktionen. Die weiterhin bestehenden Einflussnahmemöglichkeiten der Kläger sind angemessen. Die Beteiligung innerhalb des Beklagten durch eine Kandidatur für Verbandsfunktionen ist zwar ein wichtiges Mittel der Partizipation an und bei der Willensbildung des Beklagten. Zugleich kann auf diese Weise die jeweilige Persönlichkeit mit ihrem Erfahrungsschatz und ihren Fähigkeiten an der Verwirklichung der Vereinsziele mitwirken und den Vereinszweck fördern. Es handelt sich hierbei aber nicht um das einzige Mittel der Mitwirkung. Das aktive Wahlrecht, welches hier nicht inmitten steht, bildet in der Demokratie allgemein und so auch innerhalb eines pluralistischen Großvereins wie dem Beklagten, das weit entscheidendere Mittel zur Realisierung einer tatsächlichen Partizipationsgelegenheit für jedes Mitglied hinsichtlich der es betreffenden Entscheidungen (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2008, Az. 3 AZR 409/06). Mit der Einräumung des aktiven Wahlrechts wird damit auch den Klägern eine Einflussnahme auf die sie betreffenden Entscheidungen ermöglicht. Dass diese mittelbarer Natur ist, da die Kläger nicht selbst als Delegierte bei der Entscheidungsfindung beteiligt sind, schmälert die tatsächliche Einflussnahme zwar, erscheint jedoch angesichts der unbestrittenen Aufgabe der Delegierten, die Interessen ihrer Wähler zu vertreten, in einem Großverein wie dem Beklagten, dem es nicht möglich ist, eine Versammlung aller Mitglieder einzuberufen, als ein angemessener Ausgleich. Berücksichtigt man, dass die Kläger aufgrund ihres Ruhestands nur noch in geringem Maße von den gefällten Entscheidungen, die das aktive Schulleben zum Inhalt haben, wie etwa die Aufstellung der Lehrpläne oder der Ausgestaltung und Struktur des Gymnasiums im Allgemeinen, betroffen sind, ist auch der faktische Umfang dieser Einflussnahmemöglichkeit im vorliegenden Einzelfall nicht zu beanstanden. Die Kläger sind von künftigen Entwicklungen unabweisbar nicht mehr so intensiv betroffen wie ihre aktiven Kollegen. Der Zweck des Beklagten besteht gerade nicht nur aus der Mitwirkung in der „fundamentalen Bildungspolitik“, wie es die Klägerseite formuliert. Zu seinen Zielen gehört auch die Sicherstellung guter Arbeitsbedingungen für die einzelnen Lehrkräfte vor Ort. Entscheidet sich der Beklagte deshalb dafür, die jedenfalls insoweit unabweisbar unterschiedliche Betroffenheit durch Abstufungen bei der Mitwirkung an der Entscheidungsfindung des Vereins umzusetzen, begegnet das im hier geschehenen Rahmen keinen Bedenken. Es gilt das Prinzip der Mehrheitsherrschaft über die Satzung (Schöpflin, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, § 34 Rn. 27; Reuter, in: MüKoBGB, aaO, § 34 Rn. 20). Die Interessen des Beklagten überwiegen hierbei das klägerische Interesse an einer uneingeschränkten Wählbarkeit.

§ 7 Abs. 7 der Satzung greift aus diesem Grund nicht in unangemessener Weise in die Rechte der Kläger ein.

§ 7 Abs. 7 der Satzung des Beklagten verstößt daher nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach dem AGG und ist mithin aus diesem Grund nicht nichtig.

2. Die Norm ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam.

a) Gleichbehandlung bedeutet nicht, dass alle Mitglieder die gleichen Rechte und Pflichten haben müssen. Das Vereinswesen dient auch dazu, spezielle Interessen zu artikulieren und zu bündeln und muss nicht immer politisch korrekt organisiert sein (Schöpflin, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, § 34 Rn. 28). Aufgrund des mitgliedschaftlichen Anspruchs auf Gleichbehandlung kann jedes Mitglied von dem Verein nur verlangen, dass es nicht sachwidrig schlechter gestellt wird, als andere Mitglieder (BeckOK BGB/Schöpflin, aaO, § 38 Rn. 21 f.).

b) Die Bestimmung des konkreten Differenzierungsgrundes liegt aber in der Autonomie des Vereines. Es kann sich um einen aus dem Vereinszweck ergebenden oder einen sonstigen sachlichen Grund handeln (Schöpflin, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 2016, § 34 Rn. 32). Der Differenzierungsgrund muss insoweit nur einer Willkürkontrolle genügen, darf also nicht sachwidrig sein (Otto, in: Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrechts, 11. Aufl. 2016, IX. Die Vereinsmitglieder, Rn. 204; Schöpflin, ebenda). Die Prüfung ob ein sachlicher Grund vorliegt, muss aus Sicht des Vereinszwecks vorgenommen werden (Staudinger/Günter Weick, BGB, Neubearbeitung 2005, § 35 Rn. 13; Otto, in: Stöber/Otto, aaO, Rn. 205). Ist aus dieser Perspektive ein sachlich gerechtfertigter Grund gegeben, kann der Verein die Rechtsstellung der Mitglieder unterschiedlich ausgestalten und dabei auch in die Rechte von vorher eingetretenen Mitglieder eingreifen (BGHZ 55, 381; Palandt/Ellenberger, aaO, § 35 Rn. 3).

c) Hier ist ausgehend vom Vereinszweck vom Vorliegen eines rechtfertigenden sachlichen Grundes zum Ausschluss der Mitglieder im Ruhestand vom passiven Wahlrecht auszugehen. Der Beklagte verfolgt mit der streitbefangenen Satzungsregelung mehrere legitime Zwecke, welche nicht alle durch gleich wirksame mildere Mittel erreicht werden können und die sich auch bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung im Einzelfall wegen der maßgebenden Bedeutung der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Vereinsautonomie als angemessen erweisen. Wegen der spezialgesetzlichen Regelungen des AGG muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ein Gleichlauf mit den dort vorgesehenen Rechtfertigungsgründen, insbesondere also mit dem Vorliegen eines sachlichen Grundes, hergestellt werden (so im Ergebnis auch Schöpflin, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, § 34 Rn. 28). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf die vorstehenden Ausführungen zur Rechtfertigung der mittelbaren Ungleichbehandlung wegen des Alters nach dem AGG Bezug genommen. Diese gelten im vorstehenden Rahmen ebenso.

d) Im Hinblick auf die Abbildung der Vereinsgruppen in der Delegiertenversammlung hat sich der Beklagte für eine Abbildung nach regionalen Gesichtspunkten entschieden. Dies ist vor dem Hintergrund der insoweit geltenden Vereinsautonomie nicht zu beanstanden. Zwar wäre auch ein Schlüssel möglich, der an das Lebensalter anknüpft. Ein Zwang zur Abbildung der einzelnen Gruppen nach deren Alter besteht nicht.

e) Die Mitglieder des Beklagten im Ruhestand werden auch nicht in unzulässiger Weise von der Mitbestimmung im Verein ausgeschlossen. Die Grenzen der satzungsmäßigen Gestaltungsfreiheit eines Vereins sind überschritten, wenn die Geschicke des Vereins in jeder Hinsicht praktisch ausschließlich von bestimmten Mitgliedern gestaltet werden, auf deren Bestellung die übrigen Mitglieder keinen Einfluss haben und wenn auch sonst irgendeine nennenswerte Mitwirkung bei der Willensbildung des Vereins über die Mitgliederversammlung bzw. Delegiertenversammlung von vornherein ausgeschlossen ist (OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 1994 – Az. 20 W 20/94).

Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Mitglieder im Ruhestand haben das volle aktive Wahlrecht und können wie alle anderen Mitglieder auch Delegierte wählen, die die von ihnen für richtig befundenen Ansichten vertreten und die sich für die von ihnen favorisierten Themen einsetzen. Es kann vor diesem Hintergrund nicht ernsthaft angenommen werden, dass ihnen keine nennenswerten Mitbestimmungsmöglichkeiten mehr verblieben.

3. Sonstige Unwirksamkeitsgründe bezüglich der streitbefangenen Norm waren weder ersichtlich noch vorgetragen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO analog. § 708 Nr. 11 ZPO ist entsprechend anzuwenden bei Streitigkeiten nicht vermögensrechtlicher Art (Herget in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 708 Rn. 13; Götz, in: MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 708 Rn. 20). So lag es hier.

IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 5 ZPO, 48 Abs. 2 S. 1 GKG. Bei einem Streit um den Ausschluss aus einem Verein liegt der Streitwert bei 2.000 € (OLG Koblenz, Beschluss vom 09. Juni 1989 – Az. 5 W 374/89). Das Klägerinteresse betreffend die Feststellung der Nichtigkeit einer Satzungsnorm bzw. der Berechtigung zur Kandidatur war daher mit ein Streitwert von 1.000 € zutreffend abgebildet.

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Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 10 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters


Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 5 Mehrere Ansprüche


Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 8 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen


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Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er, ohne der Änderung zu widersprechen, sich in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen hat.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 28. Jan. 2010 - 2 AZR 764/08

bei uns veröffentlicht am 28.01.2010

Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juli 2008 - 16 Sa 544/08 - aufgehoben.

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Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er, ohne der Änderung zu widersprechen, sich in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen hat.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juli 2008 - 16 Sa 544/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 30. Oktober 2007 - 3 Ca 749/07 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer von der Insolvenzschuldnerin (im Folgenden: Schuldnerin) ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die Kündigung den Kläger wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt.

2

Der 1948 in Spanien geborene und dort aufgewachsene Kläger trat 1978 in die Dienste der Schuldnerin. Diese betrieb bis zur - am 1. August 2009 erfolgten - Insolvenzeröffnung ein Unternehmen der Automobilzulieferer-Industrie mit etwa 300 Arbeitnehmern. Bei der Schuldnerin besteht ein Betriebsrat.

3

Der Kläger arbeitete in der Spritzgussabteilung. Pro Schicht waren dort etwa 20 bis 30 Werker und ein Einrichter an mehreren Maschinen tätig. Zu den Hauptaufgaben des Klägers zählten das Überwachen der automatischen Behälterfüllung, das Einpacken von Teilen sowie die Produktionskontrolle, jeweils nach mündlichen und schriftlichen Anweisungen. Er sollte ggf. Fehler und Störungen an den Produktionsanlagen und an den Produkten erkennen und melden. In einer am 30. Oktober 2001 erstellten und vom Kläger unterschriebenen Stellenbeschreibung war unter „Anforderungen an den Stelleninhaber“ auch die Kenntnis der deutschen Sprache in Wort und Schrift aufgeführt.

4

Die von ihm verlangten Prüfungen nahm der Kläger nur nach Augenschein, unspezifisch und nicht nach Maßgabe des von der Schuldnerin vorgegebenen Prüfplans vor. Die Fehlercheckliste füllte er unvollständig aus. Zu der an sich vorgesehenen sog. messenden Prüfung war er nicht in der Lage. Sie wurde von einer dritten Person erledigt.

5

Im September 2003 besuchte der Kläger auf Kosten der Schuldnerin während der Arbeitszeit einen Deutschkurs. Einen ihm aufgrund seines geringen Kenntnisstandes und der Einschätzung des Lehrers empfohlenen Folgekurs lehnte er ab. Im Juli 2004 forderte die Schuldnerin ihn auf, an einem als Firmenseminar angebotenen Deutschkurs im Hause teilzunehmen. Dem kam der Kläger nicht nach. Eine Praxisveranstaltung zur Werkerselbstprüfung - worunter die Prüfung der Arbeitsergebnisse durch die Arbeiter selbst verstanden wird - schloss der Kläger mit dem Gesamtergebnis „ungenügend“ ab. Bei mehreren sog. internen Audits wurde festgestellt, dass der Kläger nicht in der Lage war, Arbeits- und Prüfanweisungen zu lesen und zu verstehen, da ihm die geforderten Deutschkenntnisse fehlten. Im September 2005 ermahnte die Schuldnerin ihn und forderte ihn auf, seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Im Februar 2006 machte ihn die Schuldnerin darauf aufmerksam, er müsse mit einer betriebsbedingten Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen, wenn er die nötigen Sprachkenntnisse nicht nachweisen könne. Ein Audit kam im April 2007 zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht in der Lage sei, die vom Kunden geforderten Vorgaben und Spezifikationen einzuhalten. Am 18. Mai 2007 kündigte die Schuldnerin das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrats zum 31. Dezember 2007.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, er habe seit 29 Jahren seine Arbeit beanstandungsfrei ausgeübt. Die Qualitätsnormen erforderten nicht notwendig deutsche Sprachkenntnisse in Wort und Schrift. Die wesentlichen Arbeitsabläufe seien gleichgelagert, auch die auftauchenden Fehler seien in gleichgelagerte Kategorien einzuteilen. An seinem Arbeitsplatz könnten Vorgaben auch unter Zuhilfenahme mündlicher Erklärungen umgesetzt werden, die keinen großen Zeitaufwand erforderten.

7

Der Kläger hat beantragt

        

1.   

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 18. Mai 2007 nicht zum 31. Dezember 2007 aufgelöst wird, sondern fortbesteht;

        

2.   

den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Maschinenbediener in der Abteilung Spritzguss in Vollzeit weiterzubeschäftigen.

8

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und vorgetragen, die Schuldnerin sei seit 2004 - unstreitig - nach den Qualitätsnormen ISO 9001 und ISO/TS 16949 zertifiziert. Aufgrund der voranschreitenden Entwicklung in der Autozulieferer-Industrie müssten die Arbeitnehmer die Herstellung unterschiedlicher Produkte beherrschen. Allein im Arbeitsbereich des Klägers (Spritzguss) setze sie ca. 40 unterschiedliche Maschinen mit etwa 1.500 aktiven Einzelteilen ein. Deshalb müssten die Arbeitnehmer schriftliche Arbeits- und Prüfanweisungen nicht nur lesen, sondern auch verstehen können. Ohne Lektüre der sich stetig ändernden prozessbegleitenden Dokumente könne der Kläger seine Arbeit nicht ausführen. Nach dem Hauptaudit, aufgrund dessen die Zertifizierung für den gesamten Betrieb vergeben worden sei, fänden in regelmäßigen Abständen sog. Rezertifizierungsaudits statt. Würden Mängel festgestellt, müsse sie einen Maßnahmeplan vorlegen, durch den innerhalb von 90 Tagen die Normabweichung abgestellt werde. Mängel in den Produktionsverfahren könnten zum Auftragsverlust oder dazu führen, dass Neuaufträge nicht mehr erteilt würden. Freie Arbeitsplätze, auf denen der Kläger mit seinen Sprachkenntnissen eingesetzt werden könnte, seien nicht vorhanden.

9

Das Arbeitsgericht hat nach Beweiserhebung über die Behauptung des Beklagten, die Fähigkeit, schriftliche in Deutsch abgefasste Arbeitsanweisungen und Dokumente lesen zu können, sei notwendig, die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers nach den Klageanträgen erkannt. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufgelöst.

11

I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. KSchG).

12

1. Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer nicht (mehr) die erforderliche Eignung oder Fähigkeit besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die Erreichung des Vertragszwecks muss durch den in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Umstand nicht nur vorübergehend zumindest teilweise unmöglich sein (Senat 18. September 2008 - 2 AZR 976/06 - Rn. 22, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 23; 18. Januar 2007 - 2 AZR 731/05 - Rn. 15, BAGE 121, 32).

13

2. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die ausreichende Kenntnis der deutschen Schriftsprache war eine wesentliche Anforderung an die persönliche Eignung des Klägers für die von ihm zu verrichtende Arbeit. Dieses Verlangen der Schuldnerin stellt keine mittelbare Diskriminierung aus ethnischen Gründen iSd. § 3 AGG dar. Der Kläger erfüllte die genannte Anforderung nicht. Mit einer Behebung dieses Mangels war nicht zu rechnen. Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestand nicht.

14

a) Nach den Feststellungen im Tatbestand des Berufungsurteils gehört zu den Hauptaufgaben des Klägers die Ausführung der ihm übertragenen Arbeiten gemäß mündlicher und schriftlicher Anweisung. Unstreitig ist der Kläger nicht in der Lage, in deutscher Sprache abgefasste Anweisungen zu lesen und zu verstehen. Ihm fehlt damit eine persönliche Fähigkeit zur Erfüllung jedenfalls eines wesentlichen Teils seiner vertraglichen Pflichten.

15

b) Die von der Schuldnerin gestellte Anforderung, nach schriftlichen, in deutscher Sprache abgefassten Arbeitsanweisungen zu arbeiten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ob sie auf einer vertraglichen Vereinbarung - wie es möglicherweise die Stellenbeschreibung vom 30. Oktober 2001 ist - beruhte oder auf der Ausübung des Direktionsrechts, kann offenbleiben. Weder als Vereinbarung über eine an die Fähigkeiten des Klägers gestellte Anforderung noch als Ausübung des vertraglichen Weisungsrechts (§ 106 GewO) verstößt sie gegen das Verbot der Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft (§ 3 Abs. 2, § 1 AGG).

16

aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 1 AGG liegt nicht vor. Die Anforderung, die deutsche Schriftsprache in dem verlangten Umfang zu beherrschen, knüpft nicht an eines der in § 1 AGG genannten Merkmale an. Die deutsche Schriftsprache kann unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Ethnie beherrscht werden, gleichgültig, wie man den Begriff der Ethnie im Einzelnen abgrenzt.

17

bb) Es liegt auch keine mittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG vor. Ob der Kläger, allein weil er in Spanien geboren und dort zur Schule gegangen ist, das Diskriminierungsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer „Ethnie“ erfüllt - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - kann dahinstehen. Selbst wenn dies so wäre und selbst wenn, was angenommen werden mag, die Anforderung deutscher Schriftsprachkenntnisse spanische Arbeitnehmer - im Vergleich zu deutschen Arbeitnehmern - iSd. § 3 Abs. 2 Satz 1 AGG in besonderer Weise benachteiligen kann(vgl. Bissels/Lützeler BB 2009, 833; aA offenbar Hunold Anmerkung zur Entscheidung des LAG Hamm vom 17. Juli 2008 NZA-RR 2009, 13, 17; vgl. auch ArbG Berlin 29. September 2007 - 14 Ca 10356/07 - AuR 2008, 112; dazu kritisch: Maier AuR 2008, 112; Tolmein jurisPR-ArbR 4/2008 Anm. 3; Greßlin BB 2008, 115; vgl. auch ArbG Berlin 11. Februar 2009 - 55 Ca 16952/08 - NZA-RR 2010, 16), so war doch die Anforderung hier durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und waren auch die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

18

(1) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass im Streitfall ein rechtmäßiges Ziel iSd. § 3 Abs. 2 AGG vorlag.

19

(a) Rechtmäßige Ziele iSd. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht ihrerseits diskriminierenden(vgl. EuGH 31. März 1981 - C-96/80 - [J.P. Jenkins] Rn. 11, Slg. 1981, 911) und auch sonst legalen Ziele sein. Dazu gehören auch privatautonom bestimmte Ziele des Arbeitgebers, zB betriebliche Notwendigkeiten und Anforderungen an persönliche Fähigkeiten des Arbeitnehmers (vgl. Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 74 f.; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 32 f.; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 3 AGG Rn. 8, 9; BeckOK R/G/K/U/Roloff AGG § 3 Rn. 20; Lingemann/Müller BB 2007, 2006; Hunold Anmerkung zur Entscheidung des LAG Hamm vom 17. Juli 2008 NZA-RR 2009, 13, 17; Herbert/Oberrath DB 2009, 2434). Das Ziel ist im Wortlaut des Gesetzes nicht weiter eingeschränkt als durch die Bestimmung, dass es rechtmäßig sein muss. In der Gesetzesbegründung findet sich lediglich der Hinweis, es müsse ein sachlicher Grund gegeben sein (BR-Drucks. 329/06 vom 18. Mai 2006 S. 34). Damit ist auf die bis dahin bestehende Rechtslage zu § 611a BGB verwiesen, nach der jedes rechtmäßige, seinerseits nicht diskriminierende Ziel ausreichend war.

20

(b) Das von der Schuldnerin mit der Forderung ausreichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache verfolgte Ziel bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Erfüllung der Norm ISO/TS 16949. Aus dieser Norm ergibt sich die berufliche Anforderung der Kenntnis der deutschen Schriftsprache für die von der Schuldnerin im Spritzguss beschäftigten Werker. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Erfüllung dieser Norm deshalb von Bedeutung ist, weil andernfalls keine Aufträge mehr akquiriert werden können. Damit liegt ein Ziel vor, das nicht diskriminierend und auch sonst rechtmäßig ist.

21

(c) Sieht man als Ziel des Verlangens nach deutscher Schriftsprache iSd. § 3 Abs. 2 AGG nicht die Erfüllung der ISO-Norm als solche, sondern - unabhängig von deren Vorgaben - die möglichst optimale Erledigung der anfallenden Arbeit, so ist auch dieses Ziel rechtmäßig. Der Arbeitgeber hat ein durch Art. 12 GG geschütztes Recht, seiner unternehmerischen Tätigkeit so nachzugehen, dass er damit am Markt bestehen kann. Er darf auch die sich daraus ergebenden beruflichen Anforderungen an seine Mitarbeiter stellen. Wenn er dabei aus nicht willkürlichen Erwägungen schriftliche Arbeitsanweisungen gibt und Schriftkenntnisse voraussetzende Prüftätigkeiten seiner Arbeiter vorsieht, ist das nicht zu beanstanden. Es ist nicht Sinn der Diskriminierungsverbote, dem Arbeitgeber eine Arbeitsorganisation vorzuschreiben, die nach seiner Vorstellung zu schlechten Arbeitsergebnissen führt. Die Diskriminierungsverbote sollen vielmehr das wirtschaftliche Geschehen von sachlich nicht gerechtfertigten und vernunftgebundene Entscheidungen hemmenden, zB auf Vorurteilen beruhenden Erwägungen der Marktteilnehmer freihalten und auf diese Weise gerade im Gegenteil die Dynamik rationaler, sachbezogener, rechtmäßiger Erwägungen erhöhen (vgl. von Hoff SAE 2009, 293).

22

(2) Das Mittel zur Erreichung dieses legitimen Ziels - die Forderung ausreichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache - war entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erforderlich iSd. § 3 Abs. 2 AGG. Erforderlich ist ein Mittel zur Erreichung eines Ziels, wenn das Ziel ohne das Mittel nicht erreicht werden kann. So liegt es hier. Die Schuldnerin konnte die Erfüllung der Norm ISO/TS 16949 nicht nachweisen bzw. ihr unternehmerisches Ziel nicht erreichen, wenn die als Werker beschäftigten Arbeitnehmer die schriftlichen Arbeitsanweisungen und Prüfaufträge nicht lesen und verstehen und deshalb ihre Aufgaben nicht wie vorgesehen erfüllen können. Wenn das Landesarbeitsgericht demgegenüber meint, der Kläger habe in den vergangenen 29 Jahren seine „Fähigkeit“ unter Beweis gestellt und die meisten Fehler müssten ihm auch ohne genaue schriftliche Prüfanweisung sofort auffallen, dann misst es die „Erforderlichkeit“ des Mittels - nämlich der Anforderung, die deutsche Sprache zu beherrschen - nicht, wie nach § 3 Abs. 2 AGG geboten, an dem vom Arbeitgeber verfolgten Ziel, sondern an eigenen Vorstellungen von den Fähigkeiten, die ein Arbeitnehmer haben muss, um in etwa seinen Aufgaben gerecht zu werden. Außerdem darf der Arbeitgeber sowohl im Interesse seiner Wettbewerbsfähigkeit als auch in dem der Produktqualität und -sicherheit anstreben, nicht nur „die meisten“, sondern alle Fehler zu vermeiden. Dass dies - die vollständige Vermeidung von Fehlern - regelmäßig nicht gelingt, heißt nicht, dass es gar nicht erst beabsichtigt werden darf. Zu Unrecht würde dem Arbeitgeber sonst angesonnen, aus Gründen des Diskriminierungsschutzes Qualitätseinbußen bei seinen Produkten in Kauf zu nehmen und damit von der Verfolgung seiner rechtmäßigen Ziele abzusehen. Das steht mit den Vorgaben des Gesetzes nicht im Einklang.

23

(3) Das Mittel zur Erreichung des Ziels ist auch angemessen. Ein weniger belastendes Mittel ist nicht ersichtlich. Die Vorstellung, die Tätigkeit des Klägers müsse im Interesse der Diskriminierungsfreiheit gewissermaßen aufgespalten werden in solche Bestandteile, die er ohne deutsche Sprachkenntnisse erledigen kann, und solche, bei denen er Deutsch lesen können muss, ist nicht richtig, macht aber besonders deutlich, dass die Forderung von Deutschkenntnissen unumgänglich ist: Wäre es anders, so müsste der Schuldnerin nicht - wie es das Landesarbeitsgericht aber tut - zugemutet werden, - offenbar zweisprachiges - Personal für die Übersetzung und mündliche Erläuterung von Arbeitsanweisungen vorzuhalten und weitere Kräfte für an sich von ihm zu erbringende Teiltätigkeiten (Messen) einzusetzen. Das Gesetz verlangt vom Arbeitgeber derart weitgehende organisatorische Umgestaltungen nicht.

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cc) § 3 Abs. 2 AGG verstößt in der hier zugrunde gelegten Auslegung nicht gegen Unionsrecht.

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(1) Auch der Europäische Gerichtshof misst die Rechtfertigung mittelbarer Diskriminierungen daran, ob die unterschiedliche Behandlung auf Gründen beruht, die ihrerseits nicht diskriminierend sind. So hat er bei der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung persönliche Leistungsfähigkeit und Arbeitsqualität ausdrücklich als zulässige Unterscheidungsmerkmale anerkannt (26. Juni 2001 - C-381/99 - Rn. 72, Slg. 2001, I-4961).

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(2) Zwar ist nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 5. März 2009 (- C-388/07 - [Age Concern England] EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9) und vom 18. Juni 2009 (- C-88/08 - [Hütter] EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 11) fraglich geworden, ob nur noch Maßnahmen und Regelungen zur Förderung des Allgemeinwohls iSd. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der RL 2000/78/EG als Rechtfertigungsgründe für unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters herangezogen werden können. Im Streitfall kommt es auf die in diesem Zusammenhang erörterten Fragen jedoch nicht an. Zum einen steht hier keine Altersdiskriminierung, sondern eine Benachteiligung aufgrund ethnischer Herkunft in Rede, so dass nicht Art. 6 der RL 2000/78/EG betroffen ist, sondern Art. 2 und Art. 4 der RL 2000/43/EG. Zu letzterer verhalten sich die genannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs nicht. Zum anderen betrifft Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG allein unmittelbare - nicht aber mittelbare - Diskriminierungen, worauf der Europäische Gerichtshof ausdrücklich hingewiesen hat(5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 62, aaO; vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 40, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Für sachliche Rechtfertigungen hat der Europäische Gerichtshof bei der Prüfung mittelbarer Diskriminierungen als entscheidend angesehen, dass die Rechtfertigungen nicht auf ihrerseits diskriminierenden Gründen beruhen dürfen. Er hat weiter ausgeführt, dass die betreffenden Maßnahmen jedenfalls durch solche Ziele gerechtfertigt werden, die auch unmittelbare Benachteiligungen rechtfertigen (5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 65 f., aaO). Da § 8 AGG in Übereinstimmung mit Art. 4 der hier einschlägigen RL 2000/43/EG wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen als Rechtfertigungsgrund für unmittelbare Diskriminierungen nennt, kann kein Zweifel bestehen, dass die hier in Betracht kommende Rechtfertigung dem Unionsrecht genügt.

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dd) Die Forderung von Kenntnissen der deutschen Schriftsprache verstößt auch nicht gegen Art. 39 Abs. 2 EGV. Nach dieser Vorschrift ist die auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer unzulässig. Für den Zugang zu Beschäftigungsverhältnissen sieht jedoch Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO 1612/68(Freizügigkeitsverordnung) vor, dass eine Ausnahme für Bedingungen gilt, welche die in Anbetracht der Besonderheit der zu vergebenden Stelle erforderlichen Sprachkenntnisse betreffen.

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c) Nach den Umständen des vorliegenden Falls war mit einer zukünftigen Behebung der durch die fehlenden Sprachkenntnisse des Klägers eingetretenen Vertragsstörung nicht zu rechnen. Einer „Abmahnung“ bedurfte es nicht. Bei personenbedingten Kündigungen sind „Abmahnungen“ jedenfalls dann entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer keine Bereitschaft zeigt, an der an sich möglichen Behebung des personenbedingten Leistungshindernisses mitzuwirken (vgl. Senat 18. September 2008 - 2 AZR 976/06 - Rn. 33, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 23). Der Kläger wusste seit 2001, dass die Schuldnerin Kenntnisse der deutschen Schriftsprache von ihm erwartete. Sie hat danach mehrere Versuche unternommen, ihm die nötigen Kenntnisse zu verschaffen. Sie hat ihn in den Jahren 2004, 2005 und 2006 darauf hingewiesen, dass er seine Sprachkenntnisse verbessern müsse. Sprachkurse wurden ihm immer wieder angeboten. Der Kläger ist darauf nicht eingegangen. Er kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, die Kurse seien nicht geeignet gewesen, seine Sprachmängel zu beseitigen. Er bezieht sich dazu auf einen Bericht der Firma M vom 23. April 2007. Aus diesem sind Anzeichen für Qualitätsmängel der angebotenen Sprachkurse nicht erkennbar.

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d) Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten auf freien Arbeitsplätzen bestanden nicht. Der Kläger hat insoweit allgemein auf den „Bereich Nacharbeit“ und den Versand verwiesen. Der Beklagte hat erwidert, auf diesen Arbeitsplätzen seien die Anforderungen an die deutsche Sprache eher höher als im bisherigen Arbeitsbereich des Klägers.

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3. Die abschließende Interessenabwägung führt zu keinem dem Kläger günstigen Ergebnis. Zu seinem Vorteil fallen sein fortgeschrittenes Lebensalter und die lange Beschäftigungszeit ins Gewicht. Diesem Umstand hat die Schuldnerin aber bereits dadurch Rechnung getragen, dass sie ihm mehrere Jahre Zeit zur Anpassung gegeben hat. Wenn der Kläger, ohne dass er irgendwelche Gründe hierfür genannt hätte, alle diese Angebote ausschlug, kann er nicht verlangen, dass die Schuldnerin ihren betrieblichen Ablauf letztlich allein deshalb entgegen ihren rechtmäßigen Interessen organisiert, weil er auf einem vertragswidrigen, wenn auch möglicherweise menschlich verständlichen Standpunkt verharrt.

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II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zur Last.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Röder    

        

    Niebler    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.