WEG: Verkehrssicherungspflicht erfordert nur eine gründliche laienhafte Baumkontrolle

originally published: 21/03/2019 13:25, updated: 19/10/2022 17:16
WEG: Verkehrssicherungspflicht erfordert nur eine gründliche laienhafte Baumkontrolle
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Auch von Bäumen können Gefahren ausgehen. Als Eigentümer eines Baumes muss man daher darauf achten, dass niemand zu Schaden kommt. Über die Frage, wie weit diese sogenannte „Verkehrssicherungspflicht“ geht, hatte das Oberlandesgericht  Oldenburg zu entscheiden - BSP Rechtsanwälte - Anwalt für privates Baurecht Berlin

In dem Fall hatte eine Frau ihr Auto unter einer Rotbuche an einer Wohnanlage in Delmenhorst geparkt. Als sie zum Auto zurückkam, war ein Ast heruntergefallen und hatte das Auto beschädigt. Der Sachschaden betrug rund 9.000 EUR.

Die Frau verlangte das Geld von der Hausverwaltung, die von den Eigentümern mit der Unterhaltung der Wohnanlage beauftragt worden war. Sie argumentierte, die Hausverwaltung habe den Baum nicht ausreichend untersucht und überwacht. Ein im Prozess eingeholtes Sachverständigengutachten ergab, dass die Rinde an einer Astgabelung länglich verdickt war. Das sei ein Anzeichen für eine mögliche Instabilität. Die Klägerin war der Auffassung, die Hausverwaltung hätte deswegen fachmännischen Rat einholen müssen.

Die Richter am OLG sahen dies jedoch anders. Sie bestätigten die Klageabweisung aus der ersten Instanz. Zwar müsse der Eigentümer eines Baumes grundsätzlich dafür Sorge tragen, dass von dem Baum keine Gefahr ausgehe. Er müsse daher auch die Bäume auf seinem Grundstück auf Schäden und Erkrankungen und auf ihre Standfestigkeit regelmäßig untersuchen. Dies gelte in erhöhtem Maße, wenn der Baum im Bereich von Verkehrsflächen stehe und damit potenziell andere Personen gefährde.

Von Gemeinden und Städten sei zu erwarten, dass sie die Straßenbäume regelmäßig von qualifiziertem Personal darauf kontrollieren ließen, ob trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder andere Anhaltspunkte dafür vorlägen, die eine nähere Untersuchung der Bäume nahelegten. Für Privatleute seien die Anforderungen aber geringer. Diese müssten nicht laufend, sondern nur in angemessenen zeitlichen Abständen eine äußere Sichtprüfung durchführen. Es könne auch nur eine – gründliche – Sichtprüfung auf für einen Laien erkennbare Probleme verlangt werden, also etwa abgestorbene Teile, Rindenverletzungen oder sichtbarer Pilzbefall. Nur wenn danach Probleme erkannt würden, müsse ein Baumfachmann hinzugezogen werden.

Vorliegend sei die Instabilität der Rotbuche nur für einen Baumfachmann mit forstwirtschaftlichem Wissen, nicht aber für einen Laien erkennbar gewesen. Der Hausverwaltung sei daher kein Vorwurf zu machen. Die Frau müsse daher ihren Schaden selbst tragen, so die Richter. Die Frau hat nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts ihre Berufung zurückgenommen.

Was müssen Sie als privater Eigentümer untersuchen?

-   Von Ihren Bäumen darf keine Gefahr ausgehen.

-   Sie müssen daher die Bäume auf Ihrem Grundstück auf Schäden, Erkrankungen und Standfestigkeit untersuchen.

-   Besonders wichtig ist die Untersuchung, wenn der Baum in einem Bereich steht, in dem Personen potentiell verkehren.

Beispiele für Schadensanzeichen:

-   am Baum gibt es abgestorbene Teile bzw. Äste

-   sichtbarer Pilzbefall des Baumes

-   auffällige Rindenverletzungen

Wie müssen Sie als privater Eigentümer untersuchen?

-   Für die Untersuchung reicht eine äußere Sichtprüfung.

-   Diese muss in angemessenen zeitlichen Abständen geschehen.

-   Eine „laienhafte“ Sichtprüfung ist ausreichend.

-   Wenn Sie Probleme an Ihrem Baum erkennen, müssen Sie einen Baumfachmann hinzuziehen.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Hinweisbeschluss vom 11.05.2017 (12 U 7/17) beschlossen:

I.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

II.

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten: Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Die Klägerin kann keinen Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für die Rotbuche, deren Ast das Auto der Klägerin beschädigte, von der Beklagten verlangen. Es kann dabei dahinstehen, ob die Beklagte tatsächlich selber oder durch Hilfspersonen die betroffene Buche kontrolliert hat. Ein etwaiges Unterlassen wäre nicht kausal, da die Beklagte nach dem für sie geltenden Sorgfaltsmaßstab nicht hätte erkennen müssen, dass der Ast einer weiteren Untersuchung durch einen Baumfachmann bedurfte.

Grundsätzlich obliegt es jedem Eigentümer dafür zu sorgen, dass von auf seinem Grundstück stehenden Bäumen keine Gefahr für andere ausgeht, der Baumbestand vielmehr so angelegt ist, dass er im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch und Windwurf, insbesondere auch gegen Umstürzen aufgrund fehlender Standfestigkeit gesichert ist . Danach hat ein Eigentümer die auf seinem Grundstück vorhandenen Bäume auf Schäden und Erkrankungen und ihre Standfestigkeit hin zu untersuchen.  Dies gilt in erhöhtem Maß, wenn der Baum im Bereich von Verkehrsflächen steht, durch seinen Umsturz oder Abbrechen von Ästen andere Personen oder deren Eigentum in besonderem Maße gefährdet sind. Allerdings stellt jeder Baum an einer Straße oder an einem öffentlichen Parkplatz eine mögliche Gefahr dar - auch bei völlig gesunde Bäume können durch Wind entwurzelt, geknickt oder Teile von ihnen abgebrochen werden; Schneeauflage oder starker Regen können zum Absturz selbst von größeren Ästen führen. Auch ist die Erkrankung oder Vermorschung eines Baums von außen nicht immer erkennbar. Das gebietet aber nicht die Entfernung aller Bäume aus der Nähe von Straßen, Wegen und öffentlichen Parkplätzen oder eine besonders gründliche Untersuchung jedes einzelnen Baums. Der Umfang der notwendigen Überwachung und Sicherung kann nicht an dem gemessen werden, was zur Beseitigung jeder Gefahr erforderlich ist; es ist unmöglich, den Verkehr völlig risikolos zu gestalten. Dieser muss gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten der Natur selbst beruhen, als unvermeidlich hinnehmen. 

Der Sorgfaltsmaßstab für Überwachung der Baumsicherheit wird dabei von der Rechtsprechung in gewissem Maße ausdifferenziert. Für die Kontrolle von Straßenbäumen durch Gemeinden und Städte wird verlangt, dass regelmäßig beobachtet wird, ob trockenes Laub, dürre Äste Beschädigungen oder Forstrisse vorliegen und eine nähere Untersuchung, wenn besondere Umstände - wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau  oder ähnliches - sie angezeigt erscheinen lassen.  Dabei schwankt die Rechtsprechung hinsichtlich der Qualifikation des Kontrollierenden: BGH VersR 2014, 722 legt den „Einsichtigen“ zugrunde, über-wiegend wird eine Sichtkontrolle vom Boden durch einen „fachlich Qualifizierten“ verlangt.
Für Privateigentümer von Grundstücken werden gegenüber den Trägern öffentlicher Verwaltung im Hinblick auf die Häufigkeit und den technischen Aufwand der Unter-suchungen geringere Anforderungen gestellt . Ein Privatmann muss einen Baum nicht laufend, sondern nur in angemessenen zeitlichen Abständen einer äußeren Sichtprüfung unterziehen.  Er darf diese Kontrolle selbst durchführen und sich mit einer – gründlichen – Sichtprüfung auf für einen Laien erkennbare Erkrankungen  begnügen; einen Baumfachmann muss er hierfür nicht hinzuziehen.  Erst wenn der Privatmann bei dieser Sichtprüfung Krankheitsanzeichen oder sonstige Probleme erkennen kann, muss er einen Baumfachmann zur weiteren Aufklärung, Gefahrenkontrolle und weiteren Überwachung hinzuziehen. Dabei wird in der Rechtsprechung nicht zwischen den Eigentümern von kleineren oder größeren Wohn- oder Gebäudeeinheiten differenziert. Dies hält der Senat wegen der fehlenden Erkennbarkeit für den betroffenen Verkehr auch für   richtig. Die Sorgfaltsanforderungen sind hier deshalb nicht erhöht, weil vorliegend ein gewerblicher Wohnungseigentümer seine Verkehrssicherungspflicht auf die Beklagte delegiert hatte.

Im Rahmen der Sichtkontrolle durch den Privateigentümer hat dieser auch den     statischen Aufbau des Baumes zu beachten . Eine Pflicht zur Hinzuziehung eines Fachmannes für Baumsicherheit kann sich aber - wie die Kontrolle auf Totholz etc – nur aus solchen statischen Probleme ergeben, die auch einem Laien erkennbar sind. Das war vorliegend nicht der Fall.

Der Sachverständige hat dazu zwar weder in seinem Gutachten noch in seiner Anhörung vor dem Landgericht Angaben gemacht. Er hat aber, dies ergibt sich aus dem Inhalt seiner Ausführungen eindeutig, seinem Gutachten den Sorgfaltsmaßstab der Erkennbarkeit für einen Baumfachmann zugrunde gelegt. Aus den dort dargelegten Beurteilungskriterien geht klar hervor, dass auch für einen sorgfältigen „Baum-Laien“ das Problem nicht erkennbar war:

Die Rotbuche war in einem normalen Vitalitätszustand. Durch die Sichtkontrolle war nur zu erkennen, dass sich in ca. 5,50 m Höhe eine Astgabel befand, und dass ein verstärktes Rindenwachstum in senkrechter Richtung zwischen den beiden Stämmen zu einer leichten Rindenverdickung geführt hatte. Ein durchschnittlich sorgfältiger Privateigentümer  musste aus diesen Anzeichen keine potentielle Bruchgefahr erkennen. 

Diese Erkenntnis setzt vielmehr, wie sich aus dem Sachverständigengutachten ergibt,  das forstwirtschaftliche Wissen voraus, dass solche länglichen Rindenverdickungen bei Gabelungen als „Ohrenbildung von potentiell instabilen Druckzwieseln“ Anlass für eine nähere Kontrolle und ggf. Sicherung sind. Dabei wäre hier für einen Laien schon nicht mit hinreichender Sicherheit erkennbar gewesen, dass es sich um einen solchen „potentiell instabilen Druckzwiesel“ handelte. Unter „Zwiesel“ ist eine Gabelung von Stamm und Ast oder zweier Stämme zu verstehen. Sofern diese U-förmig erfolgt, ist sie ungefährlich. Stehen beide Teile v-förmig spitz zueinander, kann dies gefährlich sein, muss dies aber nicht.

Durch das Wachstum beider Teile kann jedoch Rinde einwachsen, die das Zusammenwachsen von Ast und Baum behindert; der Baum reagiert hierauf mit Holzaufbau an den Seiten. Dadurch können „Ohren“ entstehen, wenn sich die Rissstruktur entlang der Naht immer wieder von innen öffnet oder anreißt. Eine solche Verbindung ist potentiell instabil  und bedarf der fachmännischen Überprüfung und Überwachung. Sind hingegen die seitlichen Wülste eher breit-rundlich, so ist die Riss-bildung zum Stillstand gekommen und dem Baum die Stabilisierung gelungen. Dabei können sowohl zwischen U- und V-Zwiesel als auch zwischen den verschiedenen Rindenverdickungsformen Übergangsformen vorliegen.

Diese Kenntnisse sind baumfachkundliche Spezialkenntnisse, die von einem Laien nicht erwartet werden können. Für einen Laien sahen die Rotbuche und die konkrete Astgabelung gesund aus. Aus der – leichten – Verdickung der Rinde ohne äußere Verletzungszeichen musste von einem Laien nicht auf eine potentielle Instabilität geschlossen werden. Die potentielle Instabilität der Astgabelung und damit auch das Erfordernis einer Überprüfung und ggf. Sicherung dieses Baumes durch einen Baumfachmann musste von der Beklagten bzw. ihren Hilfspersonen nicht erkannt werden. Eine etwaige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist damit nicht für den Schaden der Klägerin kausal geworden.

 

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
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4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.