Nachbarrecht: Keine grenzüberschreitende Wärmedämmung für Neubauten
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So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall zweier Nachbarn. Deren Reihenhäuser grenzen aneinander. Die Giebelwände der Gebäude decken sich aber nicht vollständig. In dem vorstehenden Bereich der Giebelwand brachte der eine Nachbar Dämmmaterial an, das 7 cm in das Grundstück des anderen Nachbarn hineinragt. Nun soll darauf zusätzlich noch Putz aufgebracht werden. Die Nachbarn streiten darüber, ob dies geduldet werden muss.
Die Richter am BGH haben keine Duldungspflicht gesehen. Die im Nachbarschaftsgesetz vorgesehene Duldungspflicht greife im vorliegenden Fall nicht. Der Gesetzgeber wollte Grundstückseigentümern nicht generell gestatten, eine Wärmedämmung grenzüberschreitend, also im Wege des Überbaus, anzubringen. Er verfolgte vielmehr das Ziel, energetische Sanierungen von Altbauten zu erleichtern. Diese wurden bei Gebäuden, die auf der Grundstücksgrenze stehen, häufig dadurch erschwert, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärmeverbundsystem entstehenden Überbau verweigerte oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Dem sollte durch die Einführung einer Duldungspflicht begegnet werden. Anders als für den Altbaubestand hat der Gesetzgeber für die Wärmedämmung von Neubauten kein Regelungsbedürfnis gesehen. Er hat im Gegenteil ausgeführt, dass die Duldungsverpflichtung nur bei Bestandsbauten und nicht bei Neubauten gelte, weil den Wärmeschutzanforderungen durch eine entsprechende Planung Rechnung getragen werden könne. Für Neubauten bleibt es somit bei dem Grundsatz, dass sie so zu planen sind, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet. Das habe der Nachbar beim Bau seines Hauses nicht beachtet. Er könne daher nicht verlangen, dass der Nachbar den Überbau dulde.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 02.06.2017 (V ZR 196/16) folgendes entschieden:
Die Duldungspflicht nach § 16a Abs. 1 NachbG Bln gilt nicht für eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand, mit der der benachbarte Grundstückseigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung erfüllt.
Es bleibt offen, ob § 16a Abs. 1 NachbG Bln verfassungsgemäß ist.
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 6. Juli 2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Mitglieder der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beklagte sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in B. Das Grundstück des Beklagten ist mit einem Reihenendhaus bebaut, das an der Grenze zum Grundstück der Wohnungseigentümer steht. An dieses Gebäude hatte ein Bauträger 2004/2005 das heute den Wohnungseigentümern gehörende Mehrfamilienhaus angebaut. Die Giebelwände decken sich nicht vollständig, vielmehr steht die des Mehrfamilienhauses entlang der Grundstücksgrenze um 1,61 m vor. In diesem Bereich der Giebelwand brachte der Bauträger im August 2005 Dämmmaterial an, das 7 cm in das Grundstück des Beklagten hineinragt und unverputzt und nicht gestrichen ist.
Der Errichtung des Mehrfamilienhauses waren Verhandlungen des Bauträgers mit dem Beklagten vorausgegangen, der gegen die Erteilung der Baugenehmigung Widerspruch eingelegt hatte. Nach Änderung der Bauplanung hatten der Bauträger und der Beklagte am 26. Oktober 2004 einen "Nachbarschaftsvertrag" geschlossen, durch den dieser sich verpflichtete, den Widerspruch zurückzunehmen.
Die Wohnungseigentümer möchten auf das Dämmmaterial Putz und Anstrich mit einer Stärke von maximal 0,5 cm anbringen. Sie haben beschlossen, ihre Ansprüche gegen den Beklagten durch die Wohnungseigentümergemeinschaft geltend zu machen. Diese verlangt von dem Beklagten, die Arbeiten sowie spätere Instandhaltungsmaßnahmen an der Wärmeschutzwand unter Meidung eines Ordnungsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung zu dulden. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, will die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht meint, den Wohnungseigentümern stehe ein Anspruch auf Duldung der Herrichtung und Erhaltung der Wärmeschutzwand nicht aus dem "Nachbarschaftsvertrag" zu, da der Bauträger diesen gekündigt habe. Sie hätten auch keinen Duldungsanspruch aus § 1004 BGB i.V.m. § 16a Abs. 1, Abs. 3 Berliner Nachbarrechtsgesetz. Denn die Vorschrift gelte nur für Bestandsbauten, also für Gebäude, bei deren Errichtung eine energetische Ausstattung noch nicht üblich gewesen sei. Dagegen gestatte § 16a NachbG Bln einen Überbau nicht, wenn der Bauherr bereits bei Planung und Bau des Gebäudes eine Wärmedämmung habe einplanen und einen Überbau deshalb habe vermeiden können. So liege es hier. Nach der bei Errichtung des Mehrfamilienhauses geltenden Energieeinsparverordnung 2001 sei eine Dämmung der Außenseiten des Gebäudes von vornherein erforderlich gewesen und habe daher eingeplant werden können. Eine Duldungspflicht des Beklagten ergebe sich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Klage zulässig ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist für die geltend gemachten Duldungsansprüche ausübungs- und prozessführungsbefugt, weil die Ansprüche von den Wohnungseigentümern durch einen Beschluss vergemeinschaftet worden sind. Ob für den auf § 16a Abs. 1 NachbG Bln gestützten Duldungsanspruch eine geborene Ausübungsbefugnis der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft besteht, kann offen bleiben.
Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht einen Anspruch der Wohnungseigentümer auf Duldung der Fertigstellung der Wärmedämmung aus § 16a Abs. 1 u. 3 NachbG Bln.
Es ist bereits fraglich, ob § 16a NachbG Bln verfassungsgemäß ist. Bedenken bestehen zunächst hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin. Für das bürgerliche Recht besteht die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes ; für eine Gesetzgebung der Länder ist daher nur Raum, solange und soweit der Bund die Materie nicht erschöpfend geregelt hat. Ob sich insbesondere aus Art. 124 EGBGB ergibt, dass die Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines Überbaus in § 912 BGB erschöpfend geregelt worden sind, ist streitig. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage offengelassen. In materieller Hinsicht ist zweifelhaft, ob der Berliner Landesgesetzgeber die grundrechtlich geschützten Interessen des von dem Überbau betroffenen Nachbarn ausreichend berücksichtigt hat; Einschränkungen der Duldungspflicht, wie sie etwa § 7c NRG BW, § 23a NachbG NRW oder § 10a NachbG HE enthalten, sind in § 16a NachBG Bln nämlich nicht aufgenommen worden. Ob § 16a Abs. 1 NachbG Bln formell und materiell verfassungsgemäß ist, kann allerdings offen bleiben, weil hier schon die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind.
Nach § 16a Abs. 1 NachbG Bln hat der Eigentümer eines Grundstücks die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden, "wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht". Hieran fehlt es. Bei dem Mehrfamilienhaus der Wohnungseigentümer handelt es sich nicht um ein bestehendes Gebäude im Sinne dieser Vorschrift.
Das Mehrfamilienhaus ist zwar in den Jahren 2004/2005 und damit vor Inkrafttreten der Vorschrift des § 16a NachbG Bln am 31. Dezember 2009 errichtet worden. Darauf kommt es entgegen der Ansicht der Revision aber nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Wärmedämmung als nachträgliche Sanierungsmaßnahme darstellt. Die Duldungspflicht nach § 16a Abs. 1 NachbG Bln gilt nicht für eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand, mit der der benachbarte Grundstückseigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung erfüllt.
Diese Einschränkung findet zwar im Wortlaut von § 16a NachbG Bln keinen ausdrücklichen Niederschlag. Sie ergibt sich aber aus der gebotenen Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck. Der Landesgesetzgeber wollte Grundstückseigentümern nicht generell gestatten, eine Wärmedämmung grenzüberschreitend, also im Wege des Überbaus, anzubringen. Er verfolgte vielmehr das Ziel, energetische Sanierungen von Altbauten zu erleichtern. Diese wurden bei Gebäuden, die auf der Grundstücksgrenze stehen, häufig dadurch erschwert, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärmeverbundsystem entstehenden Überbau verweigerte oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Dem sollte durch die Einführung einer Duldungspflicht begegnet werden.
Anders als für den Altbaubestand hat der Landesgesetzgeber für die Wärmedämmung von Neubauten kein Regelungsbedürfnis gesehen. Er hat im Gegenteil ausgeführt, dass die Duldungsverpflichtung nur bei Bestandsbauten und nicht bei Neubauten gilt, weil den Wärmeschutzanforderungen durch eine entsprechende Planung Rechnung getragen werden kann. Für Neubauten bleibt es somit bei dem Grundsatz, dass sie so zu planen sind, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet.
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Mehrfamilienhaus der Wohnungseigentümer nicht um ein bestehendes Gebäude im Sinne des § 16a Abs. 1 NachbG Bln. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Bauträger das Gebäude in den Jahren 2004/2005 und damit nach Inkrafttreten der EnEV 2001 vom 16. November 2001 errichtet. Diese galt für Vorhaben, für die vor Inkrafttreten der Verordnung der Bauantrag gestellt oder die Bauanzeige erstattet worden war, und damit auch für das Mehrfamilienhaus der Wohnungseigentümer. Die in der EnEV 2001 enthaltenen Wärmeschutzanforderungen konnte und musste der Bauträger bei Errichtung des Gebäudes beachten. Wollte er - wie hier - die Anforderungen der EnEV 2001 durch Anbringung einer Außendämmung erfüllen, musste er das Gebäude so planen und erstellen, dass sich das Dämmmaterial in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet. Das hat er nicht getan, sondern das ungedämmte Mehrfamilienhaus unmittelbar an die Grenze zum Grundstück des Beklagten gebaut. Die Wärmedämmung der Grenzwand stellt sich somit nicht als nachträgliche Sanierung, sondern als erstmalige Erfüllung der Anforderungen der bei Errichtung des Gebäudes geltenden Energieeinsparverordnung. Für diese gilt die Duldungspflicht des Nachbarn nach § 16a Abs. 1 NachbG Bln nicht.
Nicht zu beanstanden ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass ein Duldungsanspruch der Wohnungseigentümer nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abgeleitet werden kann.
Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben nach ständiger Rechtsprechung des Senats insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Zwar ist auch auf sie der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben anzuwenden. Daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst werden. Eine daraus folgende selbständige Verpflichtung ist aber mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden. Das Rechtsinstitut darf insbesondere nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren.
Ein Ausnahmefall, in dem eine Unterlassungsverpflichtung aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abgeleitet werden könnte, wird durch das Interesse des Gebäudeeigentümers und der Allgemeinheit an einer Wärmedämmung nicht begründet. Das würde zu einer weitgehenden Zulässigkeit einer die Grundstücksgrenze überschreitenden Wärmedämmung führen und die nachbarrechtlichen Vorschriften in ihr Gegenteil verkehren. Das gilt auch dann, wenn die Überbauung, wie hier, nur wenige Zentimeter beträgt.
Das Berufungsgericht verneint im Ergebnis zu Recht auch einen Duldungsanspruch der Wohnungseigentümer aus Gestattung im Zusammenhang mit dem "Nachbarschaftsvertrag" vom 26. Oktober 2004.
Benachbarte Grundstückseigentümer haben allerdings die Möglichkeit, die Folgen eines Überbaus durch Rechtsgeschäft in gewissem Umfang abweichend von § 912 BGB zu bestimmen. Das ergibt sich - unbeschadet der grundsätzlich zwingenden Natur sachenrechtlicher Vorschriften - daraus, dass in § 912 BGB selbst maßgeblich auf den Willen der beiden Nachbarn abgehoben wird, und zwar sowohl in der Person des Überbauers als auch in der des Betroffenen. Der gestattete Überbau ist nicht rechtswidrig. Die Duldungspflicht des Nachbarn folgt aus der Abrede. Wie § 912 BGB beim gutgläubigen Überbau schafft die Zustimmung bei der rechtmäßigen Grenzüberbauung den Rechtsgrund dafür, dass der Nachbar den fremden Gebäudeteil auf seinem Grundstück dulden muss. Die auf dem Willen der Beteiligten beruhende Legitimation begrenzt zugleich deren Umfang und Bestand.
An einer solchen Gestattung des Überbaus durch den Beklagten fehltes jedoch.
Sie ergibt sich nicht aus dem "Nachbarschaftsvertrag" vom 26. Oktober 2004. Der Überbau ist in dem Vertrag nicht genannt. Dass die Vertragsparteien in dessen Vorfeld über die grenzüberschreitende Wärmedämmung gesprochen haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Auf den "Nachbarschaftsvertrag" als solchen stützt sich die Revision auch nicht.
Eine Gestattung des Überbaus liegt auch nicht darin, dass der Beklagte gegenüber der Baubehörde in Erfüllung des "Nachbarschaftsvertrags" vom 26. Oktober 2014 den Widerspruch gegen die dem Bauträger erteilte Baugenehmigung zurückgenommen, dem geänderten Bauvorhaben zugestimmt und erklärt hat, dass ihm die maßgeblichen Pläne ausgehändigt und erläutert worden seien.
Bei den geschilderten Erklärungen des Beklagten im Baugenehmigungsverfahren handelt es sich um eine Nachbarzustimmung. Diese ist eine dem öffentlichen Recht angehörende, der Baubehörde gegenüber abzugebende Willenserklärung, wonach gegen das Bauvorhaben öffentlich-rechtliche Einwendungen nicht erhoben werden. Sie besitzt grundsätzlich keine zivilrechtliche Wirkung, und durch sie gehen bürgerlich-rechtliche Abwehransprüche des Nachbarn nicht verloren. Die Baugenehmigung ergeht vielmehr unbeschadet privater Rechte Dritter. Sie hat keine privatrechtsgestaltende Ausschlusswirkung.
Die Erklärungen des Beklagten können deshalb auch nicht als rechtsgeschäftliche Gestattung des Überbaus gewertet werden. Hierzu bedürfte es anderer Umstände, die - ggf. in der Zusammenschau mit der Nachbarzustimmung - den Schluss zuließen, der Beklagte habe den Überbau auch rechtsgeschäftlich gestatten wollen. Vortrag zu solchen Umständen zeigt die Revision nicht auf. Dass der Überbau aus den Plänen zu dem geänderten Baugenehmigungsantrag ersichtlich gewesen sein soll, ist nicht ausreichend, weil sich daraus noch nicht einmal entnehmen lässt, dass der Beklagte ihn wahrgenommen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Mitglieder der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beklagte sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in B. Das Grundstück des Beklagten ist mit einem Reihenendhaus bebaut, das an der Grenze zum Grundstück der Wohnungseigentümer steht. An dieses Gebäude hatte ein Bauträger 2004/2005 das heute den Wohnungseigentümern gehörende Mehrfamilienhaus angebaut. Die Giebelwände decken sich nicht vollständig, vielmehr steht die des Mehrfamilienhauses entlang der Grundstücksgrenze um 1,61 m vor. In diesem Bereich der Giebelwand brachte der Bauträger im August 2005 Dämmmaterial an, das 7 cm in das Grundstück des Beklagten hineinragt und unverputzt und nicht gestrichen ist.
- 2
- Der Errichtung des Mehrfamilienhauses waren Verhandlungen des Bauträgers mit dem Beklagten vorausgegangen, der gegen die Erteilung der Baugenehmigung Widerspruch eingelegt hatte. Nach Änderung der Bauplanung hatten der Bauträger und der Beklagte am 26. Oktober 2004 einen „Nachbar- schaftsvertrag“ geschlossen, durch den dieser sich verpflichtete, den Wider- spruch zurückzunehmen.
- 3
- Die Wohnungseigentümer möchten auf das Dämmmaterial Putz und Anstrich mit einer Stärke von maximal 0,5 cm anbringen. Sie haben beschlossen, ihre Ansprüche gegen den Beklagten durch die Wohnungseigentümergemeinschaft geltend zu machen. Diese verlangt von dem Beklagten, die Arbeiten sowie spätere Instandhaltungsmaßnahmen an der Wärmeschutzwand unter Meidung eines Ordnungsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung zu dulden. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, will die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht meint, den Wohnungseigentümern stehe ein Anspruch auf Duldung der Herrichtung und Erhaltung der Wärmeschutzwand nicht aus dem „Nachbarschaftsvertrag“ zu, da der Bauträger diesen gekündigt habe. Sie hätten auch keinen Duldungsanspruch aus § 1004 BGB i.V.m. § 16a Abs. 1, Abs. 3 Berliner Nachbarrechtsgesetz (nachfolgend: NachbG Bln). Denn die Vorschrift gelte nur für Bestandsbauten, also für Gebäude, bei deren Errichtung eine energetische Ausstattung noch nicht üblich gewesen sei. Dagegen gestatte § 16a NachbG Bln einen Überbau nicht, wenn der Bauherr bereits bei Planung und Bau des Gebäudes eine Wärmedämmung habe einplanen und einen Überbau deshalb habe vermeiden können. So liege es hier. Nach der bei Errichtung des Mehrfamilienhauses geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) 2001 sei eine Dämmung der Außenseiten des Gebäudes von vornherein erforderlich gewesen und habe daher eingeplant werden können. Eine Duldungspflicht des Beklagten ergebe sich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis.
II.
- 5
- Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Klage zulässig ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist für die geltend gemachten Duldungsansprüche ausübungs- und prozessführungsbefugt, weil die Ansprüche (durch sog. Ansichziehen) von den Wohnungseigentümern durch einen Beschluss vergemeinschaftet worden sind (gekorene Ausübungsbefugnis nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG). Ob für den auf § 16a Abs. 1 NachbG Bln gestützten Duldungsanspruch eine geborene Ausübungsbefugnis der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft besteht (so KG, Beschluss vom 19. August 2014 - 4 W 35/14, juris), kann offen bleiben.
- 7
- 2. Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht einen Anspruch der Wohnungseigentümer auf Duldung der Fertigstellung der Wärmedämmung aus § 16a Abs. 1 u. 3 NachbG Bln.
- 8
- a) Es ist bereits fraglich, ob § 16a NachbG Bln verfassungsgemäß ist. Bedenken bestehen zunächst hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin. Für das bürgerliche Recht besteht die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG); für eine Gesetzgebung der Länder ist daher nur Raum, solange und soweit der Bund die Materie nicht erschöpfend geregelt hat. Ob sich insbesondere aus Art. 124 EGBGB ergibt, dass die Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines Überbaus in § 912 BGB erschöpfend geregelt worden sind, ist streitig (vgl. zum Meinungsstand Staudinger/Karl-Dieter Albrecht, BGB [2012], EGBGB Art. 124 Rn. 8). Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage offengelassen (BVerfGK 11, 420, 431 f. zu § 7b NRG BW). In materieller Hinsicht ist zweifelhaft, ob der Berliner Landesgesetzgeber die grundrechtlich geschützten Interessen des von dem Überbau betroffenen Nachbarn ausreichend berücksichtigt hat; Einschränkungen der Duldungspflicht, wie sie etwa § 7c NRG BW, § 23a NachbG NRW oder § 10a NachbG HE enthalten, sind in § 16a NachBG Bln nämlich nicht aufgenommen worden (vgl. MüKoBGB/Brückner, 7. Aufl., § 912 Rn. 49; sieheauch BVerfGK 11, 420, 430 zu § 7 b NRG BW). Ob § 16a Abs. 1 NachbG Bln formell und materiell verfassungsgemäß ist, kann allerdings offen bleiben, weil hier schon die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind.
- 9
- b) Nach § 16a Abs. 1 NachbG Bln hat der Eigentümer eines Grundstücks die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden , „wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht“. Hieran fehlt es. Bei dem Mehrfamilienhaus der Wohnungseigentümer handelt es sich nicht um ein bestehendes Gebäude im Sinne dieser Vorschrift.
- 10
- aa) Das Mehrfamilienhaus ist zwar in den Jahren 2004/2005 und damit vor Inkrafttreten der Vorschrift des § 16a NachbG Bln am 31. Dezember 2009 (GVBl. Bln 2009, 870) errichtet worden. Darauf kommt es entgegen der Ansicht der Revision aber nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Wärmedämmung als nachträgliche Sanierungsmaßnahme darstellt. Die Duldungspflicht nach § 16a Abs. 1 NachbG Bln gilt nicht für eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand, mit der der benachbarte Grundstückseigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt.
- 11
- bb) Diese Einschränkung findet zwar im Wortlaut von § 16a NachbG Bln keinen ausdrücklichen Niederschlag. Sie ergibt sich aber aus der gebotenen Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck. Der Landesgesetzgeber wollte Grundstückseigentümern nicht generell gestatten, eine Wärmedämmung grenzüberschreitend, also im Wege des Überbaus, anzubringen. Er verfolgte vielmehr das Ziel, energetische Sanierungen von Altbauten zu erleichtern. Diese wurden bei Gebäuden, die auf der Grundstücksgrenze stehen, häufig dadurch erschwert, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärmeverbundsystem entstehenden Überbau verweigerte oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Dem sollte durch die Einführung einer Duldungspflicht begegnet werden (vgl. Antrag der Fraktion der CDU zum Gesetz zur Änderung des Berliner Nachbarrechtsgesetzes [NachbG Bln] vom 1. September 2009, Drucks. 16/2594 S. 2 des Abgeordnetenhaus Berlin; Änderungsvorschlag der Fraktionen der SPD und Die Linke vom 18. November 2009 zum Antrag 16/2594 [Anlage 2 zum Beschlussprotokoll des Ausschusses für Bauen und Wohnen vom 18. November 2009], nachfolgend: Änderungsvorschlag zum Antrag 16/2594).
- 12
- Anders als für den Altbaubestand hat der Landesgesetzgeber für die Wärmedämmung von Neubauten kein Regelungsbedürfnis gesehen. Er hat im Gegenteil ausgeführt, dass die Duldungsverpflichtung nur bei Bestandsbauten und nicht bei Neubauten gilt, weil den Wärmeschutzanforderungen durch eine entsprechende Planung Rechnung getragen werden kann (vgl. Änderungsvorschlag zum Antrag 16/2594). Für Neubauten bleibt es somit bei dem Grundsatz, dass sie so zu planen sind, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet (vgl. Bruns, Nachbarrechtsgesetz BadenWürttemberg , 3. Aufl., § 7c Rn. 5; Schäfer/Schäfer, Niedersächsisches Nachbarrechtsgesetz , 2. Aufl., § 21a Rn. 2; Grziwotz/Saller, Bayerisches Nachbarrecht , 3. Aufl., 2. Teil Rn. 62d; Kirchhof, ZfIR 2012, 777, 780).
- 13
- cc) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Mehrfamilienhaus der Wohnungseigentümer nicht um ein bestehendes Gebäude im Sinne des § 16a Abs. 1 NachbG Bln. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Bauträger das Gebäude in den Jahren 2004/2005 und damit nach Inkrafttreten der EnEV 2001 vom 16. November 2001 (BGBl. I. 3085) errichtet. Diese galt für Vorhaben, für die vor Inkrafttreten der Verordnung der Bauantrag gestellt oder die Bauanzeige erstattet worden war (§ 19 EnEV 2001), und damit auch für das Mehrfamilienhaus der Wohnungseigentümer. Die in der EnEV 2001 enthaltenen Wärmeschutzanforderungen konnte und musste der Bauträger bei Errichtung des Gebäudes beachten. Wollte er - wie hier - die Anforderungen der EnEV 2001 durch Anbringung einer Außendämmung erfüllen, musste er das Gebäude so planen und erstellen, dass sich das Dämmmaterial in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet. Das hat er nicht getan, sondern das ungedämmte Mehrfamilienhaus unmittelbar an die Grenze zum Grundstück des Beklagten gebaut. Die Wärmedämmung der Grenzwand stellt sich somit nicht als nachträgliche Sanierung, sondern als erstmalige Erfüllung der Anforde- rungen der bei Errichtung des Gebäudes geltenden Energieeinsparverordnung. Für diese gilt die Duldungspflicht des Nachbarn nach § 16a Abs. 1 NachbG Bln nicht.
- 14
- 3. Nicht zu beanstanden ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts , dass ein Duldungsanspruch der Wohnungseigentümer nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abgeleitet werden kann.
- 15
- a) Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben nach ständiger Rechtsprechung des Senats insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Zwar ist auch auf sie der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden. Daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst werden. Eine daraus folgende selbständige Verpflichtung ist aber mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen , wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden. Das Rechtsinstitut darf insbesondere nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr Ge- genteil zu verkehren (vgl. Senat, Urteil vom 29. Juni 2012- V ZR 97/11, NJWRR 2012, 1160 Rn. 20 mwN).
- 16
- b) Ein Ausnahmefall, in dem eine Unterlassungsverpflichtung aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abgeleitet werden könnte, wird durch das Interesse des Gebäudeeigentümers und der Allgemeinheit an einer Wärmedämmung nicht begründet. Das würde zu einer weitgehenden Zulässigkeit einer die Grundstücksgrenze überschreitenden Wärmedämmung führen und die nachbarrechtlichen Vorschriften in ihr Gegenteil verkehren (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2010, 620 f.; Staudinger/Roth, BGB [2016], § 912 Rn. 3; Horst, NJW 2010, 122, 124; Nelskamp/Dahmen, BauR 2010, 1129, 1133; a.A. Kirchhof, ZfIR 2012, 777, 780 f.). Das gilt auch dann, wenn die Überbauung, wie hier, nur wenige Zentimeter beträgt.
- 17
- 4. Das Berufungsgericht verneint im Ergebnis zu Recht auch einen Duldungsanspruch der Wohnungseigentümer aus Gestattung im Zusammenhang mit dem „Nachbarschaftsvertrag“ vom 26. Oktober 2004.
- 18
- a) Benachbarte Grundstückseigentümer haben allerdings die Möglichkeit , die Folgen eines Überbaus durch Rechtsgeschäft in gewissem Umfang abweichend von § 912 BGB zu bestimmen. Das ergibt sich - unbeschadet der grundsätzlich zwingenden Natur sachenrechtlicher Vorschriften - daraus, dass in § 912 BGB selbst maßgeblich auf den Willen der beiden Nachbarn abgeho- ben wird, und zwar sowohl in der Person des Überbauers („Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit“) als auch in der des Betroffenen („Widerspruch“). Der gestattete Überbau ist nicht rechtswidrig. Die Duldungspflicht des Nachbarn folgt aus der Abrede (vgl. Senat, Urteil vom 7. November 2014 - V ZR 305/13, NJW-RR 2015, 181 Rn. 17; Urteil vom 21. Januar 1983 - V ZR 154/81, NJW 1983, 1112, 1113; Urteil vom 22. Februar 1974 - V ZR 103/73, BGHZ 62, 141, 145; Urteil vom 18. Dezember 1970 - V ZR 73/68, NJW 1971, 426, 427; Urteil vom 13. Juli 1966 - V ZR 8/64, WM 1966, 1185 f.). Wie § 912 BGB beim gutgläubigen Überbau schafft die Zustimmung bei der rechtmäßigen Grenzüberbauung den Rechtsgrund dafür, dass der Nachbar den fremden Gebäudeteil auf seinem Grundstück dulden muss. Die auf dem Willen der Beteiligten beruhende Legitimation begrenzt zugleich deren Umfang und Bestand (Senat, Urteil vom 16. Januar 2004 - V ZR 243/03, BGHZ 157, 301, 304 mwN).
- 19
- b) An einer solchen Gestattung des Überbaus durch den Beklagten fehlt es jedoch.
- 20
- aa) Sie ergibt sich nicht aus dem „Nachbarschaftsvertrag“ vom 26. Oktober 2004. Der Überbau ist in dem Vertrag nicht genannt. Dass die Vertragsparteien in dessen Vorfeld über die grenzüberschreitende Wärmedämmung ge- sprochen haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Auf den „Nachbarschaftsvertrag“ als solchen stützt sich die Revision auch nicht.
- 21
- bb) Eine Gestattung des Überbaus liegt auch nicht darin, dass der Beklagte gegenüber der Baubehörde in Erfüllung des „Nachbarschaftsvertrags“ vom 26. Oktober 2014 den Widerspruch gegen die dem Bauträger erteilte Baugenehmigung zurückgenommen, dem geänderten Bauvorhaben zugestimmt und erklärt hat, dass ihm die maßgeblichen Pläne ausgehändigt und erläutert worden seien.
- 22
- Bei den geschilderten Erklärungen des Beklagten im Baugenehmigungsverfahren handelt es sich um eine Nachbarzustimmung (vgl. § 70 Abs. 2, § 71 Abs. 2 BauO Bln). Diese ist eine dem öffentlichen Recht angehörende, der Baubehörde gegenüber abzugebende Willenserklärung, wonach gegen das Bauvorhaben öffentlich-rechtliche Einwendungen nicht (mehr) erhoben werden. Sie besitzt grundsätzlich keine zivilrechtliche Wirkung, und durch sie gehen bürgerlich-rechtliche Abwehransprüche des Nachbarn nicht verloren (vgl. BayObLG, NJW-RR 1991, 19, 20 f.; Zabel/Mohr, ZfIR 2010, 561, 563). Die Baugenehmigung ergeht vielmehr unbeschadet privater Rechte Dritter (vgl. § 71 Abs. 4 BauO Bln). Sie hat keine privatrechtsgestaltende Ausschlusswirkung (vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 7 f.).
- 23
- Die Erklärungen des Beklagten können deshalb auch nicht als (konkludente ) rechtsgeschäftliche Gestattung des Überbaus gewertet werden. Hierzu bedürfte es anderer Umstände, die - ggf. in der Zusammenschau mit der Nachbarzustimmung - den Schluss zuließen, der Beklagte habe den Überbau auch rechtsgeschäftlich gestatten wollen. Vortrag zu solchen Umständen zeigt die Revision nicht auf. Dass der Überbau aus den Plänen zu dem geänderten Baugenehmigungsantrag ersichtlich gewesen sein soll, ist nicht ausreichend, weil sich daraus noch nicht einmal entnehmen lässt, dass der Beklagte ihn wahrgenommen hat.
III.
- 24
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Berlin-Köpenick, Entscheidung vom 17.01.2014 - 12 C 94/13 -
LG Berlin, Entscheidung vom 06.07.2016 - 85 S 68/14 -
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.
(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)