Vergabekammer Südbayern Beschluss, 13. Feb. 2018 - Z3-3-3194-1-53-11/17

bei uns veröffentlicht am13.02.2018

Gericht

Vergabekammer Südbayern

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Aufhebung der Ausschreibung in ihren Rechten verletzt ist.

2. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

3. Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.

4. Für das Verfahren wird eine Gebühr von … Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.

5. Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen ihre Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung jeweils selbst.

Gründe

I.

Der Antragsgegner beabsichtigt im Rahmen des Neubaus der M… der T… Fakultät die Vergabe der Rohbauarbeiten. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines offenen Verfahrens. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (FB 211) vom 08.09.2017 hatte der Antraggegner u.a. vorgeschrieben, dass das Formblatt 235 „Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen“ mit dem Angebot einzureichen ist.

Die Antragstellerin gab innerhalb der Angebotsfrist am 07.09.2017 ein Angebot ab. Dieses war das preisgünstigste der insgesamt drei abgegebenen Angebote, die allesamt deutlich über der Kostenermittlung des Auftraggebers lagen.

Mit Schreiben vom 12.09.2017 forderte das vom Auftraggeber beauftragte Büro von der Antragstellerin u.a. die Aufgliederung der Einheitspreise (Formblatt 223), die Benennung vorgesehener Unterauftragnehmer, anderer Unternehmer für die Oz./Pos. Titel 2 bis 9, Titel 10,Titel 15 und Titel 18 sowie die Vorlage des FB 236 Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen für diese Oz./Pos. Die Anforderung dieser Unterlagen hatte sich der Antragsgegner bereits in der Aufforderung zur Angebotsabgabe FB 211 vorbehalten.

Die Antragstellerin hatte bereits mit ihrem Angebot das Formblatt 235 „Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen“ eingereicht, aber noch keine konkreten Firmen als Nachunternehmer benannt. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin mit Schreiben des beauftragten Büros W..+W.. vom 12.09.2017 unter Punkt 2.10 aufgefordert, die vorgesehenen Unterauftragnehmer für die im Formblatt 235 genannten Oz./Pos. zu benennen sowie unter Punkt 2.11 für diese benannten Unterauftragnehmer jeweils Verpflichtungserklärungen nach dem Formblatt 236 vorzulegen. Frist für die Vorlage der Erklärungen war der 18.09.2017. Mit E-Mail vom 18.9.2017 reichte die Antragstellerin das Formblatt 235 mit Nennung der Nachunternehmer ein. Bei der Benennung der Unterauftragnehmer wurde den Unternehmen ein „z.Bsp.“ vorangestellt. Weiterhin erfolgten für die Titel 2, 3, 5 und 6 bis 9 pro Titel Nennungen von zwei unterschiedlichen Unterauftragnehmern. Verpflichtungserklärungen wurden zu jedem Titel für ein Unternehmen vorgelegt, nicht aber für beide Unternehmen, soweit in den Titeln 2, 3, 5 und 6 bis 9 zwei Unternehmen benannt wurden. Ein Unternehmen das eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, wird im Formblatt 235 nicht genannt.

Die Antragstellerin hat mit E-Mail vom 18.09.2017 sowohl die Aufgliederung der Einheitspreise im Formblatt 223, als auch eine Aufstellung der Nachunternehmer an den Antragsgegner übersandt. Im Formblatt 223, Aufgliederung der Einheitspreise, hat sie bei Nachunternehmerleistungen die Kosten bei der jeweiligen Position in die zweite Spalte von rechts „Sonstige“ eingetragen. Eine weitere Aufgliederung hat sie nicht vorgenommen. Daraufhin wurde sie mit Schreiben des beauftragten Büros vom 22.09.2017 aufgefordert, das FB 223 vorzulegen, mit einer Aufteilung der Nachunternehmerkosten auf die Spalten 6 bis 8. Dies hat die Antragstellerin am nächsten Werktag, 25.09.2017, erledigt.

Mit Schreiben vom 10.10.2017 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass er das Verfahren wegen grundlegender Änderung der Vergabeunterlagen aufgehoben hat, insbesondere aufgrund vor Ort angetroffener Bodenverhältnisse. Auf die Rüge der Antragstellerin vom 12.10.2017 hin, hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.10.2017 die auf diese Begründung gestützte Aufhebung zurückgenommen.

Mit demselben Schreiben vom 23.10.2017 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass er nun aber das Verfahren gemäߧ 17 EU Abs. 1 Nr. 3. VOB/A aufgehoben hat, da die Ausschreibung im Hinblick auf alle eingegangenen Angebote zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Ergebnis geführt hat Die Antragstellerin hat mit zweiten Rügeschreiben vom 27.10.2017 gerügt, dass die Aufhebung unbegründet sei. Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 07.11.2017 mitgeteilt, dass er der Rüge nicht abhelfen werde.

Weil die vorangegangene Rüge den Antragsgegner nicht zur Änderung seiner Rechtsauffassung bewegte, beantragte die Antragstellerin am 22.11.2017 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und weiter:

1. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Vergabeverfahren fortzusetzen und dabei das Angebot der Antragstellerin vom 07.09.2017 zu berücksichtigen.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin.

3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Die Antragstellerin sei durch die Aufhebung in Ihren Rechten verletzt, da sie ein zulässiges Angebot abgegeben habe und nach bisherigem Sachstand mehr als eine Chance auf den Zuschlag habe, da sie das preisgünstigste Angebot abgegeben habe.

Der Antragsgegner stütze den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin u.a. darauf dass diese nicht innerhalb der von dem Antragsgegner gesetzten Frist von sechs Tagen -also bis zum 18.09.2017 - eine vollständige Aufgliederung der Einheitspreise vorgelegt habe. Der Ausschluss sei jedoch unbegründet.

Nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A müsse die Frist „angemessen“ sein. Sechs Tage seien zu kurz, was die Aufgliederung der Nachunternehmerleistungen betreffe. Im vorliegenden Fall habe die Antragstellerin knapp zehn Firmen auffordern müssen, ihre Kalkulation offenzulegen. Für die Nachunternehmer seien weniger als sechs Tage geblieben, weil innerhalb der von dem Antragsgegner gesetzten Frist auch noch die Antragstellerin tätig werden musste (Herantreten an die Nachunternehmer, Verarbeiten der von den Nachunternehmern gelieferten Ergebnisse). Der Antragsgegner habe eine Aufgliederung aller Einheitspreise gefordert, also von 960 Positionen. Hier seien manuelle Eintragungen und Rechenvorgänge nötig. Beim Ansatz von ca. fünf Minuten pro Position ergeben sich 80 Arbeitsstunden. Die Antragstellerin habe die Aufgliederung daher nicht in den geforderten sechs Tagen erbringen können. Dafür spreche auch, dass das für den Antragsgegner tätige Büro mit Schreiben vom 22.09.2017 die Ergänzung erbeten habe. Erst später habe der Antragsgegner die Ansicht vertreten, die Aufteilung der Nachunternehmerkosten auf die Spalten 6 bis 8 hätte bereits bis zum 18.09.2017 erfolgen müssen.

Darüber hinaus sei für die Antragstellerin nicht erkennbar gewesen, dass der Antragsgegner auch bei den Nachunternehmerleistungen eine Aufteilung auf Lohn/Material/Geräte wünschte. Baukalkulationsprogramme seien fast ausschließlich so aufgebaut und eingerichtet, dass die Preise für die Subunternehmerleistungen in der Spalte „Sonstiges“ ausgedruckt werden. Diese Aufgliederung sei gängige Praxis und vom Antragsgegner bisher nie beanstandet worden. Dies habe auch im vorliegenden Verfahren bei der Antragstellerin zu der Überzeugung führen dürfen, dass eine weitere Aufgliederung der Nachunternehmerleistungen nicht notwendig sei. Der Hinweis in der Fußnote sei versteckt und nicht klar. Die Fußziffer 2 stehe nicht nur bei den Spalten für Lohn, Material und Geräte, sondern auch bei „Sonstige“. Die Antragstellerin habe davon ausgehen dürfen, dass eine Eintragung bei „Sonstige“ ausreichend sei, wie es auch in der Vergangenheit bei anderen Vergaben von dem Antragsgegner akzeptiert worden war.

Im Schreiben vom 07.11.2017 habe der Antragsgegner behauptet, die Art der Aufgliederung ergäbe sich auch aus Ziff. 4. des FB 212. Dies treffe nicht zu. Die Bedingung laute:

„Unterlagen zum Angebot

Der Bieter hat auf Verlangen der Vergabestelle die Urkalkulation und/oder die von ihr benannten Formblätter mit Angaben zur Preisermittlung sowie die Aufgliederung wichtiger Einheitspreise ausgefüllt, zu dem von der Vergabestelle bestimmten Zeitpunkt vorzulegen. Dies gilt auch für Nachunternehmerleistungen.“

Die Regelung lasse nicht erkennen, wie die Kosten der Nachunternehmerleistung in das Formblatt einzutragen seien.

Auch sei die Antragstellerin der Aufforderung ein Verzeichnis der vorgesehenen Nachunternehmerleistungen (FB 235) und Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer (FB 236) vorzulegen vollständig nachgekommen. Unstreitig habe sie ordnungsgemäße Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer für alle Gewerke vorgelegt. Der Zusatz „Z.Bsp.“ im Verzeichnis schränke die Aussagekraft nicht ein. So könnten sich bis zur Ausführung der Nachunternehmerleistungen die Umstände ändern, beispielsweise eine Insolvenz des Nachunternehmers oder seine Weigerung, die Leistungen auszuführen, obwohl der sich dazu verpflichtet habe. Mehr habe die Antragstellerin mit dem Zusatz nicht zum Ausdruck bringen wollen. Selbst wenn es sich um eine unzulässige Einschränkung handeln würde, werde diese kompensiert durch die Vorlage der Verpflichtungserklärungen der entsprechenden Nachunternehmer. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners im Schreiben vom 07.11.2017 ergebe sich aus den vorgelegten Verpflichtungserklärungen, dass die Antragstellerin die Firmen, die die Verpflichtungserklärungen abgegeben haben, im Auftragsfalle als Nachunternehmer mit den genannten Gewerken beauftragen wolle.

Die Vergabekammer informierte den Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 22.11.2017. Dieser legte die Vergabeunterlagen vor.

Mit Antragserwiderung vom 06.12.2017 nahm der Antragsgegner Stellung. Demnach sei der Ausschluss gerechtfertigt, da die Antragstellerin die geforderte Aufgliederung der Einheitspreise nicht rechtzeitig vollständig vorgenommen habe und weil sie die geforderte Erklärung über die von ihr vorgesehenen Nachunternehmer nicht eindeutig vorgenommen habe.

Diese von der Antragstellerin mit E-Mail vom 18.09.2017 übersandte Erklärung sei unvollständig gewesen, da die Vergabestelle ausdrücklich eine Aufgliederung der Einheitspreise in die Preisbestandteile auch für Nachunternehmerleistungen verlangt habe. Diese Verpflichtung zur Aufgliederung der Einheitspreise auch für Nachunternehmerleistungen ergebe sich zunächst direkt aus dem Formblatt 223, da hier in der Fußnote 2, welche sich ausdrücklich auf die Eintragungen in den Spalten 5-9 beziehe, stehe:

„Ist bei allen Teilleistungen anzugeben, unabhängig davon ob sie der Auftragnehmer oder ein Nachunternehmer erbringen wird.“

Da die Fußnote ausdrücklich bei den betreffenden Spalten bezeichnet sei und diese auch am unteren Rand des Formblatts 223 abgedruckt sei, könne von einem „versteckten Hinweis“ nicht gesprochen werden. Sollte die Antragstellerin die Fußnote 2 nicht zur Kenntnis genommen haben, so könne dies nicht der Vergabestelle zur Last gelegt werden. Weiterhin ergebe sich die Pflicht der Antragstellerin zur Aufgliederung auch der Nachunternehmerpreise noch aus den der Vergabe zugrundeliegenden Teilnahmebedingungen, Formblatt 212 EU. Hier sei in Ziffer 4 geregelt:

„4 Unterlagen zum Angebot

Der Bieter hat auf Verlangen der Vergabestelle die Urkalkulation und/oder die von ihr benannten Formblätter mit Angaben zur Preisermittlung sowie die Aufgliederung wichtiger Einheitspreise ausgefüllt zu dem von der Vergabestelle bestimmten Zeitpunkt vorzulegen. Dies gilt auch für Leistungen von Unterauftragnehmern.“

Hiermit sei für einen verständigen Bieter ebenfalls eindeutig erkennbar, dass eine Aufgliederung sämtlicher Einheitspreise in die vorgesehenen Preisbestandteile verlangt werde.

Soweit die Antragstellerin eine angeblich nicht ausreichende Frist für die Vorlage der Aufgliederung der Einheitspreise rüge, sei diese Rüge gem. § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB unzulässig. Eine als zu kurz erkannte Frist hätte innerhalb von 10 Kalendertagen gerügt werden müssen. Hier sei die Rüge aber erst viel später erfolgt.

Schließlich sei die Frist auch angemessen im Sinne des § 16 EU Nr. 4 VOB/A. Die Vergabestelle habe sich in den Vergabeunterlagen eine entsprechende Aufgliederung der Einheitspreise inklusive der Nachunternehmerpreise ausdrücklich vorbehalten. Ein von der Antragstellerin vorgesehener Nachunternehmereinsatz könne somit nicht dazu führen, dass die gesetzte Frist unangemessen kurz sei, denn wenn sich die Antragstellerin Nachunternehmer bedienen wolle, müsse sie auch die Risiken übernehmen, die sich hieraus ergeben, insbesondere, dass die Nachunternehmer die entsprechenden Kalkulationsgrundlagen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig liefern.

An dem Ergebnis, dass die Antragstellerin die angeforderte Aufgliederung der Einheitspreise nicht fristgerecht vorgelegt habe, ändere sich auch nichts im Hinblick auf die Bitte um Ergänzung der Angaben durch das von der Vergabestelle beauftragte Büro vom 22.09.2017. Der Ausschlussgrund des § 16 EU Nr. 4 VOB/A sei zwingend und während des gesamten Vergabeverfahrens zu beachten.

Die Antragstellerin habe die von der Vergabestelle angeforderte Erklärung über die vorgesehenen Nachunternehmer auch nicht eindeutig eingereicht. Mit E-Mail vom 18.09.2017 habe die Antragstellerin ein Formblatt 235 eingereicht, auf dem Unterauftragnehmer benannt waren, jedoch erfolgte die Benennung nur beispielhaft und nicht eindeutig, wie sich aus dem vorangestellten „z.Bsp.“ ergebe. Weiterhin seien teilweise pro Titel mehrere Nennungen von Unterauftragnehmern erfolgt. Aus dieser Formulierung sei für die Vergabestelle nicht erkennbar, welcher konkrete Nachunternehmer für die bezeichneten Titel vorgesehen sei. Diese Unklarheit werde auch nicht durch die Vorlage der Verpflichtungserklärungen nach dem Formblatt 236 beseitigt. Der Erklärungsinhalt der Verpflichtungserklärungen bestehe nur darin, dass der Unterauftragnehmer erkläre, im Auftragsfalle seine Kapazitäten dem Bieter zur Verfügung zu stellen.

Schließlich sei noch festzuhalten, dass eine Verpflichtungserklärungen eines Unterauftragnehmern vorgelegt worden sei, der im Formblatt 235 nicht aufgeführt werde, T… GmbH für Abdichtungsarbeiten. Die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer G… GmbH und M… würden keine Angaben für den geplanten Leistungsbereich enthalten.

Letztlich sei auch die Aufhebung der Vergabe nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A gerechtfertigt gewesen, da kein wirtschaftlich akzeptables Angebot eingegangen sei. Das Angebot der Antragstellerin sei rechtmäßig ausgeschlossen worden. Die durch die Vergabestelle vor Beginn des Vergabeverfahrens erstellte Kostenschätzung belief sich auf 5.084.857,17 Euro (netto). Im Vergabeverfahren seien insgesamt 3 Angebote eingegangen. Das niedrigste nicht ausgeschlossene Angebot belaufe sich auf 7.362.671,45 Euro (netto) und liege damit 45% über der Kostenschätzung. In der Rechtsprechung wird ab einem Abstand von 20% ein Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und dem Angebot angenommen.

Die Antragstellerin entgegnete mit Schreiben vom 07.12.2017, dass die Ziff. 4. der Teilnahmebedingungen nur davon spreche, dass die Formblätter ausgefüllt vorzulegen seien, auch hinsichtlich der Leistungen der Unterauftragnehmer. Wie die Formblätter auszufüllen seien, stehe dort nicht. Die Fußnote 2 auf dem Formblatt 223 sei zum einen versteckt, zum anderen nicht eindeutig. In der Tabelle werde die Ziffer bei allen vier Spalten, auch bei „Sonstige“ angegeben. Die Antragstellerin habe nicht erkennen können, dass es der Wille des Antragsgegners sei, dass er die Einheitspreise der Nachunternehmer nicht nur bei „Sonstige“, sondern auch bei den drei vorhergehenden Spalten eintrage.

Der Nachprüfungsantrag sei auch nicht wegen fehlender Rüge nach § 160 Abs. 2 S. 1 Nr. 1. GWB unzulässig. Innerhalb der Rügefrist habe das von der Vergabestelle beauftragte Büro mit Schreiben vom 22.09.2017 die Antragstellerin aufgefordert, das Formblatt 223 vollständig auszufüllen. Die Antragstellerin habe davon ausgehen dürfen und sei auch davon ausgegangen, dass ihr noch Gelegenheit gegeben werde, die geforderten Angaben nachzutragen. Es habe keine Veranlassung zu einer Rüge mehr bestanden, da jetzt der Antragstellerin eine ausreichende Zeit zur Verfügung gestanden habe, das Formblatt 223 vollständig auszufüllen. Der Vergabeverstoß sei damit beseitigt gewesen.

Es bleibe auch dabei, dass die ursprüngliche Frist von sechs Tagen zu detaillierten Aufgliederung der Nachunternehmerpreise zu kurz gewesen sei. Der Antragsgegner lege ein falsches Verständnis des Vergabeverfahrens an den Tag, wenn er von „Risiken“ des Nachunternehmereinsatzes spreche. In den Vergabevorschriften sei es als gleichwertig anerkannt, dass der Bieter Teile der Leistung durch Dritte erbringen lasse. Der Bieter übernehme insoweit Risiken, als er beispielsweise für Fehler des Nachunternehmers einzustehen habe wie für eigene. Er übernehme aber nicht die Verantwortung dafür, dass es bei einem Nachunternehmereinsatz länger dauere, Anfragen der Vergabestelle zu beantworten. Vorliegend gehe es nicht um schuldhafte Verzögerungen, sondern der Bestimmung des angemessenen Zeitrahmens, innerhalb dem einer Anfrage der Vergabestelle nachzukommen sei, ohne dass der Bieter vorher Vorbereitungsmaßnahmen, z.B. Anforderung der aufgegliederten Einheitspreise beim Nachunternehmer, ergreifen müsse. Die Antragstellerin sei nicht verpflichtet gewesen, vor Abgabe ihres Angebots die Nachunternehmer bereits aufzufordern, sich für eine Aufgliederung der Einheitspreise bereit zu halten.

Des Weiteren sei auch die Benennung der Nachunternehmer eindeutig gewesen. Aus dem Verzeichnis und den Verpflichtungserklärungen ergab sich mit ausreichender Deutlichkeit für den Antragsgegner, welche Nachunternehmer die Antragstellerin für welches Gewerk einsetzen wolle. Der Zusatz „z.Bsp.“ im Verzeichnis sei daher unbeachtlich. Der Antragstellerin sei es nicht verwehrt, für einzelne Gewerke mehr als einen Nachunternehmer einzusetzen. Die Mehrfachnennung bei den Titeln 2, 3, 5 und 6 - 9 sei zulässig.

Die Antragstellerin habe überobligatorisch auch eine Verpflichtungserklärung der Herstellerfirma T… vorgelegt, die im Auftrag des Nachunternehmers für die Abdichtungsarbeiten das Material liefere. Es sei unschädlich, dass die Antragstellerin die Erklärung des Herstellers zusätzlich vorgelegt habe, obwohl die Antragsgegnerin dies nicht gefordert hatte.

Bei Durchsicht der Unterlagen habe die Antragstellerin aber festgestellt, dass sie die Verpflichtungserklärung der Firma G. nicht vorgelegt habe. Dies hole aber mit diesem Schreiben nach. Es sei unerheblich, dass in der Erklärung der Firma G. genauso wie in der Erklärung der Firma M… das Gewerk nicht angegeben sei. Für welches Gewerk die Antragstellerin den Einsatz vorsehe, ergebe sich aus dem Verzeichnis. Die Bindungswirkung der Verpflichtungserklärung der einzelnen Nachunternehmer werde durch die fehlende Angebe des Gewerks nicht beeinträchtigt.

Der Antragsgegner nahm zu diesen Ausführungen mit Schreiben vom 14.12.2017 Stellung. So ergebe sich entgegen des Vorbringens der Antragstellerin aus den Vergabeunterlagen, insbesondere auch aus der Aufforderung der Vergabestelle vom 12.09.2017, dass die Kosten der Nachunternehmer auch auf die Spalten „Zeitansatz in Stunden, Löhne, Stoffe, Geräte und Sonstiges“ aufzugliedern seien.

Das Nachforderungsschreiben vom 12.09.2017 habe eine Frist zur Aufgliederung der Einheitspreise von 6 Kalendertagen gesetzt. Weiterhin sei für den Fall, dass die geforderten Angaben nicht innerhalb dieser Frist vorgelegt werden, angekündigt worden, dass das Angebot ausgeschlossen werde, § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A. Damit sei für die Antragstellerin klar gewesen, dass eine weitere Nachforderung nicht erfolgen werde. An der zwingenden Rechtsfolge des Ausschlusses des Angebots nach § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A könne auch die erneute Nachforderung des von der Vergabestelle beauftragten Architekten nichts ändern.

Die von der Vergabestelle gesetzte Frist von 6 Kalendertagen sei hier auch angemessen gewesen. Die Vergabestelle habe alle Bieter gleich zu behandeln; der Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein wesentlicher Grundsatz des Vergabeverfahrens. Aus diesem Grund würden bei den Vergaben Bieter, die sich Unterauftragnehmern bedienen, gegenüber Bietern, die dies nicht tun, gleich behandelt. Die Entscheidung, Unterauftragnehmer einzusetzen, bleibe dem einzelnen Bieter überlassen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin übernehme der Bieter Verantwortung für die Koordination mit seinen Unterauftragnehmern bereits im Vergabeverfahren, da ihn als Bieter die Pflichten aus dem Vergaberecht treffen.

Letztlich sei die Erklärung, die die Antragstellerin bezüglich der Unterauftragnehmer abgegeben habe, nicht eindeutig. Es sei unklar, für welche Leistungsbereiche die Unterauftragnehmer eingesetzt werden sollen. Hierzu ergebe sich noch nicht einmal unter Berücksichtigung der Verpflichtungserklärungen etwas Anderes. Zudem sei es nicht unzulässig, für mehrere Titel verschiedene Unterauftragnehmer anzugeben. Es sei aber notwendig, eindeutig klarzustellen, welche Leistungen von welchem Unterauftragnehmer erfüllt werden.

Die Antragstellerin teilte hierzu mit Schreiben vom 18.12.2017 mit, dass der Gleichheitsgrundsatz es nicht gebiete, für alle die kurze Frist zu setzen, die bei Bietern ausreichend wäre, die ausnahmsweise alle Leistungen im eigenen Haus erbringen. Der Antragsgegner müsse bei der Bemessung der Fristen auf den durchschnittlichen Fall abstellen, nämlich dass der Bieter Nachunternehmer einsetze. Außerdem gebe es keine Vorschrift, nach der es unzulässig wäre, mehr als einen Nachunternehmer für in Gewerk anzugeben, wenn der Nachunternehmereinsatz grundsätzlich zulässig sei.

Der Antragsgegner teilte mit Schreiben vom 17.01.2018 mit, dass für die vor der Bekanntmachung durchgeführte Kostenschätzung folgende Unterlagen übersandt würden:

– Kostenberechnung, Einzelkostennachweis nach Gewerken und Kostengruppen (Stand HU-Bau vom Nov 2015

- Umschlüsselung der Kostenberechnung in Vergabeeinheiten (diese Kostenberechnung enthält für jede Kosteneinheit einen 10% Sicherheitspuffer)

– Kurztext bepreistes LV des Büro W. vor Bekanntmachung Stand 28.06.2017

Im streitgegenständlichen Vergabeverfahren seien zwei Aufhebungen durchgeführt worden. Zunächst eine Aufhebung nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A erfolgt, die auch auf der Vergabeplattform angelegt worden sei. Nach Rüge der Antragstellerin und erneuter Prüfung und Wertung sei ihr mit Schreiben vom 23.10.2017 mitgeteilt worden, dass die Vergabe gem. § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A aufgehoben werde.

Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden und die hauptamtlichen Beisitzer übertragen.

Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 10.01.2018 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 29.01.2018 um 10.00 Uhr geladen.

Die mündliche Verhandlung fand am 29.01.2018 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert.

Die Antragstellerin hielt ihre Anträge vom 22.11.2017 aufrecht und beantragte zudem die Feststellung, dass die Antragstellerin durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt ist.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die aus-getauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und teilweise begründet.

1. Zuständigkeit und Zulässigkeit

1.1 Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.

Gegenstand der Vergabe ist ein Bauauftrag i.S.d. § 103 Abs. 3 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgebliche Schwellenwert in Höhe von 5.225.000 Euro für den Gesamtauftrag.

Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 - 109 GWB liegt nicht vor.

1.2 Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1.2.1 Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbes. durch den Ausschluss ihres Angebots wegen „fehlender Unterlagen und Änderung der Vergabeunterlagen“ geltend gemacht.

1.2.2 Feststellungsinteresse

Soweit die Antragstellerin hilfsweise beantragt hat, festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und sie hierdurch in ihren Bieterrechten verletzt wurde, hat sie ein entsprechendes Feststellungsinteresse.

Der Feststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt nach allgemeiner Auffassung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus (z.B. OLG München, B. v. 19.07.2012 - Az.: Verg 8/12; OLG Düsseldorf, B. v. 19.06.2013 - Az.: VII-Verg 55/12; B. v. 08.06.2011 - Az.: VII-Verg 2/11; OLG Frankfurt, B. v. 06.03.2013 - Az.: 11 Verg 7/12; OLG Koblenz, B. v. 04.02.2009 - Az.: 1 Verg 4/08). Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen prozessualen Grundsätzen, nach denen die Inanspruchnahme eines Gerichts bzw. der Vergabekammer nicht zulässig ist, wenn kein berechtigtes Interesse vorliegt. Zur Bestimmung eines solchen Feststellungsinteresses kann auf die Grundsätze anderer Verfahrensordnungen, insbesondere zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach der Verwaltungsgerichtsordnung zurückgegriffen werden (VK Hessen, B. v. 31.7.2002 - Az.: 69 d VK - 14/2002; VK Schleswig-Holstein, B. v. 25.01.2012 - Az.: VK-SH 24/11).

Hat ein Unternehmen mit dem Ziel der Erlangung primären Vergaberechtsschutzes die Aufhebung des ausgeschriebenen Vergabeverfahrens zum Gegenstand einer Nachprüfung gemacht, ist die Vergabekammer bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses des Unternehmens auf dessen Antrag auch zur Feststellung der durch die Aufhebung eingetretenen Rechtsverletzung befugt, wenn sich herausstellt, dass trotz des Vergabeverstoßes aufgrund des dem Auftraggeber zustehenden Entscheidungsspielraums eine auf die Fortsetzung des aufgehobenen Vergabeverfahrens gerichtete Anordnung nicht ergehen kann (OLG Düsseldorf, B. v. 23.03.2005 - Az.: VII - Verg 76/04; B. v. 08.03.2005 - Az.: VII - Verg 40/04).

Ein solches Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falls anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition der Antragstellerin in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern. Ein solches Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn die Feststellung zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs dient und ein solcher Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint (OLG München, B. v. 19.07.2012 - Az.: Verg 8/12; OLG Celle, B. v. 04.03.2010 - Az.: 13 Verg 1/10; OLG Düsseldorf, B. v. 30.04.2014 - Az.: VII-Verg 35/13; OLG Frankfurt, B. v. 06.03.2013 - Az.: 11 Verg 7/12; OLG Koblenz, B. v. 04.02.2009 - Az.: 1 Verg 4/08).

Im vorliegenden Fall erscheint es keineswegs als ausgeschlossen, dass die Antragstellerin aufgrund der Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens Schadensersatzansprüche gegen den Antragsgegner geltend machen kann.

Jedenfalls könnte der Antragstellerin aufgrund der von ihr behaupteten rechtswidrigen Aufhebung des Vergabeverfahrens der Ersatz des Vertrauensschadens zustehen. Für diesen genügt das Bestehen einer „echten Zuschlagschance“ im Sinn von § 126 S. 1 GWB (OLG Celle, B. v. 30.10.2014 - Az.: 13 Verg 8/14; OLG Düsseldorf, B. v. 19.06.2013 - Az.: VII-Verg 55/12). Eine solche ist vorliegend keinesfalls ausgeschlossen, was bereits für die Annahme des Feststellungsinteresses ausreicht.

Zudem kann im Falle einer schuldhaft rechtswidrigen Aufhebung eines Vergabeverfahrens der Antragstellerin sogar unabhängig von ihren Zuschlagschancen ein Anspruch auf Ersatz ihres Vertrauensschadens gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 und 241 Abs. 2 BGB erwachsen (Vergabekammer Südbayern, B. v. 22.05.2015 - Az.: Z3-3-3194-1-63-12/14; OLG Naumburg, Urteil v. 27.11.2014 – Az.: 2 U 152/13).

1.2.3 Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entgegen, da die Antragstellerin sowohl auf die Aufhebung als auch den Ausschluss des Angebotes mit ihrem Rügeschreiben vom 27.10.2017 rechtzeitig reagierte. Der Antragsgegner hat der Rüge mit Schreiben vom 07.11.2017 nicht abgeholfen.

1.2.4 Der vorliegende Nachprüfungsantrag vom 22.11.2017 erfüllt auch die Anforderungen an die Formvorschrift des § 161 GWB.

2. Begründetheit des Nachprüfungsantrages

Der Nachprüfungsantrag ist hinsichtlich des Feststellungsantrags begründet

2.1 Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist wirksam.

Die im Hauptantrag beantragte Aufhebung der mit Schreiben vom 23.10.2017 mitgeteilten Aufhebungsentscheidung des Antragsgegners und die Verpflichtung, das Verfahren wieder aufzunehmen und fortzuführen, kann von der Vergabekammer nicht ausgesprochen werden, da der Antragsgegner aus Gründen des allgemeinen Vertragsrechts nicht dazu gezwungen ist, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag für eine Baumaßnahme zu erteilen, die er so nicht mehr verwirklichen will. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Antragsgegner nach den maßgeblichen Vergabevorschriften keinen Grund zur rechtmäßigen Aufhebung der Ausschreibung hat (OLG München, Beschluss vom 28.08.2012 - Az. Verg 11/12).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Bieter die Aufhebung des Vergabeverfahrens, von engen Ausnahmen abgesehen, nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in den einschlägigen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen (§ 17 Abs. 1, § 17 EG Abs. 1 VOB/A; § 17 Abs. 1, § 20 EG Abs. 1 VOL/A) aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb von vornherein rechtmäßig ist. Aus den genannten Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen folgt nicht im Gegenschluss, dass ein öffentlicher Auftraggeber gezwungen wäre, ein Vergabeverfahren mit der Zuschlagserteilung abzuschließen, wenn keiner der zur Aufhebung berechtigenden Tatbestände erfüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 5.11.2002 - X ZR 232/00). Vielmehr bleibt es der Vergabestelle grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt. Dies folgt daraus, dass die Bieter zwar einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 7 GWB), aber nicht darauf, dass er den Auftrag auch erteilt und demgemäß die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit der Erteilung des Zuschlags abschließt (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2002 – Az.: X ZR 232/00).

Ein solcher sachlicher Grund für die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens liegt bereits darin, dass der Antragsgegner das Vorhaben nicht unverändert fortführen will. Zwar besteht der grundsätzliche Beschaffungsbedarf für Rohbauarbeiten für den Neubau der M.. der T.. Fakultät weiter, jedoch beabsichtigt der Antragsgegner Änderungen am Leistungsverzeichnis, die nicht völlig untergeordnet sind. Insbesondere sind nach den Ausführungen des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung Änderungen an der ausgeschriebenen Gründung des Bauwerks vorgesehen, mit denen auf die aufgefundenen Bodenverhältnisse reagiert werden soll. Auch wenn diese Änderungen möglicherweise nicht den Umfang erreichen, bei dem eine Aufhebung nach § 17 EU Nr. 2 VOB/A gerechtfertigt wäre (ungeachtet der Frage, ob die Änderungen nicht in die Risikosphäre des Auftraggebers fallen), stellen sie doch einen sachlichen Grund da, der die Aufhebung nicht als willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt. Die Vergabestelle will den Auftrag zeitnah erneut vergeben, aber nicht unter manipulativen Umständen, sondern in einem offenen, auch der Antragstellerin erneut eröffneten Wettbewerb. Dafür, dass sich der Antragsgegner nach Abschluss dieses Nachprüfungsverfahrens anders verhalten wird, gibt es keine Anhaltspunkte.

2.2 Die Aufhebung des Nachprüfungsverfahrens war rechtswidrig Während eine von den Vergabe- und Vertragsordnungen gedeckte und somit rechtmäßige Aufhebung zur Folge hat, dass die Aufhebung keine Schadensersatzansprüche wegen eines fehlerhaften Vergabeverfahrens begründet, kann der Bieter im Falle einer nicht unter die einschlägigen Tatbestände fallenden Aufhebung auf die Feststellung antragen, dass er durch das Verfahren in seinen Rechten verletzt ist (§ 168 Abs. 2 Satz 2 GWB).

Die Aufhebung mit der Begründung, dass kein wirtschaftlich akzeptables Angebot eingegangen ist, ist im vorliegenden Fall allerdings nicht vergaberechtskonform erfolgt. Die erforderliche Ermessensentscheidung über die Aufhebung unter Heranziehung aller maßgeblichen Aspekte ist vorliegend nicht rechtskonform erfolgt bzw. zumindest nicht dokumentiert. Zudem ist der Antragsgegner bei seiner Aufhebungsentscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Angebot der Antragstellerin, das knapp 20% über die Kostenermittlung auf Auftraggebers lag, ausgeschlossen werden könne.

a) Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin war rechtswidrig.

aa) Das Angebot der Antragstellerin war nicht gem. § 16 EU Nr. 4 VOB/A wegen des am 18.09.2017 übermittelten, unzureichend ausgefüllten Formblatts 223 „Aufgliederung der Einheitspreise“ auszuschließen.

Gem. § 16 EU Nr. 4 VOB/A sind Angebote auszuschließen, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorgelegt hat.

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (FB 211) hatte sich der Antraggegner vorbehalten, das Formblatt 223 „Aufgliederung der Einheitspreise“ auf gesondertes Verlangen ausgefüllt einreichen zu lassen. Mit Schreiben vom 12.09.2017 hatte das Büro W..+W.. das Formblatt 223 mit Fristsetzung zur Einreichung bis zum 18.09.2017 bei der Antragstellerin angefordert.

Das am 18.09.2017 rechtzeitig vorgelegte Formblatt 223 war unzureichend ausgefüllt. Die Antragstellerin hat darin in Bezug auf die Nachunternehmerleistungen die Kosten bei der jeweiligen Position in die zweite Spalte von rechts „Sonstige“ eingetragen. Die geforderte Aufgliederung der Nachunternehmerleistungen in Zeitansatz in Stunden, Löhne, Stoffe, Geräte und Sonstiges hat die Antragstellerin nicht vorgenommen. Dies entspricht nicht den Vorgaben zur Ausfüllung dieses Formblatts. Anders als die Antragstellerin vorträgt, war das Formblatt durch die Fußnote 2) auch aus sich heraus verständlich. Diese Fußnote, die sich auf die Spalten 5-9 bezieht, besagt ausdrücklich, dass bei allen Teilleistungen die Einheitspreise auch hinsichtlich dieser Spalten anzugeben sind, unabhängig davon, ob sie der Auftragnehmer oder ein Nachunternehmer erbringen wird.

Allerdings war bereits die 6-Tage-Frist nach Auffassung der Vergabekammer nicht angemessen i.S.d. § 16 EU Nr. 4 VOB/A. Wie § 15 EU Abs. 2 VOB/A zur Aufklärung sieht § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A vor, dass dem Bieter zur Beibringung von vorbehaltenen Erklärungen und Nachweisen (Unterlagen) eine angemessene Frist gesetzt wird. Ebenso wie bei § 15 Abs. 2 VOB/A reicht für das Anfordern von vorbehaltenen Unterlagen gemäß § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 in der Regel eine Frist von sechs Tagen in Anlehnung an § 16a EU Satz 2 VOB/A nicht aus. § 16a EU Satz 2 VOB/A bezieht sich auf bereits in den Vergabeunterlagen geforderte Unterlagen, die dem Angebot schon bei der Abgabe beizufügen waren. Folglich muss ein Bieter über diese Unterlagen schon bei Angebotsabgabe verfügen. Demgegenüber kann ein Bieter bei darüber hinausgehenden Unterlagen i.S.d. § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A abwarten, ob er überhaupt zu deren Vorlage aufgefordert wird, was i.d.R. vom Rang Platz des Angebots abhängt. Erst dann muss er solche Unterlagen „besorgen“ und vorlegen. Sechs Tage sind dann nicht ausreichend, wenn solche Unterlagen gegebenenfalls noch zu beschaffen sind (VK Nordbayern, Beschluss vom 27. 06. 2013, 21.VK-3194-28/13).

Welche Frist angemessen ist, muss eine Vergabestelle immer anhand der Umstände im Einzelfall ermitteln (VK Münster, Beschluss vom 21. 07. 2011, VK 9/11). Dies ist vorliegend unterblieben. Der Antragsgegner bzw. das von ihm beauftragte Büro W..+W.. haben in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sie sich bzgl. der Angemessenheit der Frist überhaupt keine Gedanken gemacht haben, da sie von einer zwingenden Frist von 6 Kalendertagen - wie bei § 16a EU S. 2 VOB/A – ausgegangen sind. Sie haben daher auch nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin im vorliegenden Fall mehrere Firmen hat auffordern müssen, ihrerseits ihre Kalkulation offenzulegen. Für die Nachunternehmer blieben dabei weniger als sechs Tage, weil innerhalb der von dem Antragsgegner gesetzten Frist auch noch die Antragstellerin tätig werden musste (Herantreten an die Nachunternehmer, Verarbeiten der von den Nachunternehmern gelieferten Ergebnisse). Der Antragsgegner hat zudem eine Aufgliederung aller Einheitspreise gefordert, also von 960 Positionen, was nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin zu erheblichem Aufwand führt. Dagegen spricht auch nicht entscheidend, dass die Antragstellerin in der Lage war das Formblatt – allerdings ohne die geforderte Aufteilung hinsichtlich der Nachunternehmer - innerhalb der gesetzten Frist per E-Mail beim Antragsgegner einzureichen und nach der Aufforderung in der E-Mail des Büro W..+W.. vom 22.09.2017 (Freitag, 13.15 Uhr) die Einheitspreisaufteilung auf die geforderten, bisher nicht ausgefüllten, Spalten innerhalb eines Arbeitstages (E-Mail vom 25.09.2017, 11.04 Uhr) übermitteln konnte.

In der vorliegenden atypischen Konstellation ist die nicht angemessene Fristsetzung auch zu berücksichtigen, obwohl die Antragstellerin diese nicht innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gegenüber der Vergabestelle gerügt hat. Die Annahme einer Rügeverpflichtung nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB scheidet hier aus, da das für den Antragsgegner handelnde Büro von sich aus während der noch laufenden Rügefrist die Frist zur vollständigen Abgabe des Formblattes 223 verlängert hat. In einem solchen Fall ist die - ansonsten erforderliche - Rüge entbehrlich, da es ein Auftraggeber sonst in der Hand hätte, nach Ablauf einer zuvor gesetzten Frist, einfach Fristen zu verlängern, um den Anschein einer Fristverlängerung zu erwecken, um sich dann später, nach Ablauf der 10-tägigen Rügefrist, auf den Ausschlussgrund von § 16 EU Nr. 4 VOB/A zu stützen. Dieser Ausschlusstatbestand des § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A ist daher nicht erfüllt, da der Antragsteller auf die E-Mail vom 22.09.2017 hin das Formblatt rechtzeitig und vollständig ausgefüllt eingereicht hat.

Hinzu kommt, dass vorliegend sehr zweifelhaft ist, ob wegen des zunächst unzureichend ausgefüllten eingereichten Formblatts 223 überhaupt ein Ausschluss hätte erfolgen dürfen, da der Antragsgegner im vorliegenden Fall überhaupt keine Preisprüfung vorgenommen hat und das Formblatt beim weiteren Vorgehen überhaupt keine Rolle gespielt hat.

Eintragungen im Formblatt 223 sind nach der Rechtsprechung (OLG Koblenz, Beschluss vom 19.01.2015, Verg 6/14) keine Preisangaben im Sinne des § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, so dass § 16 EU Nr. 3 VOB/A nicht einschlägig ist. Sie werden nicht Vertragsbestandteil, weil im Vertrag nur die (Einheits-)Preise, nicht aber deren einzelne Elemente oder die Art ihres Zustandekommens vereinbart werden. Die Angaben in den Formblättern sind vielmehr ein Instrument zur Preisprüfung nach § 16d EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A. Sie haben somit ausschließlich den Zweck, dem Auftraggeber zu ermöglichen, auffällig erscheinende Angebotspreise auf Angemessenheit einer ersten Prüfung zu unterziehen und, falls erforderlich, eine gezielte Aufklärung vorzunehmen. Demgegenüber ist für die Berechnung von Nachträgen (oder einer Mehrvergütung wegen verzögerter Vergabe) die Urkalkulation als bis zum Bedarfsfall geheim zu haltende Preisermittlung von Bedeutung; das Formblatt 223 wird mit Abschluss der Angebotswertung bedeutungslos. Jedenfalls dann, wenn wie hier die Preisblätter nicht bereits (vorsorglich) mit dem Angebot vorzulegen sind, darf der Auftraggeber diese nicht allein deshalb anfordern, weil er sich dies vorbehalten hat oder dies in einem Vergabehandbuch oder einer Dienstanweisung so geschrieben steht (OLG Koblenz, a.a.O.). Vielmehr braucht er dafür einen Grund im Sinne des § 16d EG Abs. 1 VOB/A, bzw. zumindest eines Aufklärungsbedarfs, was hier aber sehr zweifelhaft ist.

Das Angebot der Antragstellerin lag knapp 20% über der Kostenermittlung des Auftraggebers und wurde vom Auftraggeber nach seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung weder als unangemessen hoch noch als ungewöhnlich niedrig angesehen. Die Angebotsaufklärung nach § 16d EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A betrifft nach dem Wortlaut und nach richtlinienkonformer Auslegung im Lichte des Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU nur ungewöhnlich niedrige Angebote. Ob ein vergleichbares Aufklärungsinteresse auf der Rechtsgrundlage des § 15 EU Abs. 1 VOB/A bestehen kann, wenn ein ungewöhnlich hohes Angebot vorliegt, kann hier offen bleiben, da schlichtweg keine Preisprüfung erfolgt ist. In der mündlichen Verhandlung erklärten die W..+W.. Architekten, dass das Formblatt 223 auf Plausibilität geprüft wurde und mit anderen Angeboten verglichen worden sei. Eine weitere Prüfung sei nicht erfolgt. Der Antragsgegner erläuterte, dass aufgrund der Aufhebungsentscheidung keine weitere Prüfung des angeforderten Formblattes mehr erfolgt sei.

Da das Formblatt 223 vorliegend nicht für eine Preisprüfung erforderlich war, kann der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nicht mit der anfänglich unzureichenden Ausfüllung des Formblatts begründet werden.

bb) Das Angebot der Antragstellerin war auch nicht - jedenfalls nicht ohne vorherige Aufklärung – wegen der Eintragungen im Formblatt 235 „Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen“ auszuschließen.

Ein Ausschluss nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A scheidet von vorneherein aus, da die Formblätter 235 und 236 rechtzeitig ausgefüllt vorgelegt und lediglich inhaltliche Unklarheiten aufwiesen.

Das Angebot der Antragstellerin ist aber auch nicht – jedenfalls nicht ohne vorherige Aufklärung – wegen der inhaltliche Unklarheiten wegen der „zBsp.“-Angaben und den Mehrfachnennungen auszuschließen.

Angebote mit inhaltlichen Unklarheiten sind zunächst als Willenserklärungen gem. § 133, 157 BGB auszulegen und falls die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, aufzuklären. Bereits nach einer Aufklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont einer verständigen Vergabestelle liegt hier nahe, dass die Antragstellerin dasjenige der im Formblatt 235 mit „zBsp.“ genannten Unternehmen als Nachunternehmer benennen will, für das sie eine Verpflichtungserklärung auf dem Formblatt 236 vorgelegt hat, das gilt insbesondere für die Positionen, zu denen die Antragstellerin mit „zBsp.“ nur ein Unternehmen genannt hat.

Soweit wegen der Mehrfachnennungen und den „zBsp.“-Angaben noch Unklarheiten über die Identität, der tatsächlich vorgesehenen Nachunternehmer verbleiben, hätte das Angebot der Antragstellerin vor einem Ausschluss aufgeklärt werden müssen.

Nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A darf sich der Auftraggeber bis zur Auftragserteilung bei einem Bieterunternehmen jederzeit Aufklärung über die Eignung, insbesondere die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst sowie über die geplante Art der Durchführung verschaffen. Freilich sind in offenen und nicht offenen Verfahren Verhandlungen über das Angebot unstatthaft (wegen des sog. Nachverhandlungsverbots, § 15 EU Abs. 3 VOB) - womit das innerhalb der Angebotsabgabefrist eingereichte Angebot gemeint ist, das nicht abgeändert werden darf. Gemäß der Intention der VOB/A-EU, Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden, darf der öffentliche Auftraggeber Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel wegen widersprüchlicher Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich „ausschlusswürdig“ sind, nicht ohne Weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne das von einem Ausschluss bedrohte Bieterunternehmen zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015, Verg 35/15).

Soweit die Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung erklären sollte, dass sie die im Formblatt 235 mit „zBsp.“ genannten Nachunternehmer; von denen sie auch eine Verpflichtungserklärung auf dem Formblatt 236 vorgelegt hat, im Auftragsfalle tatsächlich beauftragen wird, wäre ihr Angebot als wertbar anzusehen.

Die Antragstellerin hat zudem den Hintergrund der unklaren Angaben nachvollziehbar erläutert. In der mündlichen Verhandlung teilte die Antragstellerin auf die Frage, was Hintergrund für die „zum Beispiel-Angaben“ in Bezug auf die Nachunternehmer gewesen sei, mit, dass immer Unklarheiten bestünden, ob der vorgesehene Nachunternehmer auch tatsächlich eingesetzt werden könne. Die Verpflichtungserklärungen hätten erst von den Nachunternehmern angefordert werden müssen. Die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer, die zuerst übersandt worden wären, seien an den Auftraggeber weitergeleitet worden. Diese Begründung ist plausibel, realitätsnah und nicht zu beanstanden.

Da zu jeder Oz./Pos. auch von einem der benannten Unternehmen eine Verpflichtungserklärung abgegeben wurde, fehlten auch keine Unterlagen, was zum Ausschluss nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A führen würde.

Die irrtümliche Abgabe einer Verpflichtungserklärung auf dem Formblatt 236 für einen im Formblatt 235 nicht als Nachunternehmer genannten Lieferanten ist unschädlich, soweit die Antragstellerin das genannte Unternehmen nachträglich nicht doch als Unterauftragnehmer einsetzen möchte (was eine unzulässige Änderung des Angebots darstellen würde). Auch diese Unklarheit hätte vor einem Ausschluss des Angebots der Antragstellerin aufgeklärt werden müssen.

cc) Die Aufhebung der Ausschreibung nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A stellt sich schon deshalb als rechtswidrig dar, weil der Auftraggeber davon ausgegangen ist, dass das Angebot der Antragstellerin auszuschließen wäre. Der Auftraggeber ist daher bei der zu treffenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Interessenabwägung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001, X ZR 150/99) über die Aufhebung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, da er meinte, nur wertbare Angebote zu haben, die zu 45% und mehr über seiner Kostenermittlung lagen. Der Auftraggeber hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er von einer Aufhebung möglicherweise Abstand genommen hätte, wenn er das Angebot der Antragstellerin als wertbar angesehen hätte.

Die Aufhebungsentscheidung ist allerdings auch aus anderen Gründen nicht von den Aufhebungsgründen der VOB/A EU gedeckt.

Gem. § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A kann die Aufhebung eines Vergabeverfahrens auch aus „anderen schwerwiegenden Gründen“ erfolgen. Es kann einen schwerwiegenden Grund zur Aufhebung darstellen, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen. Wann ein vertretbar geschätzter Auftragswert so „deutlich“ überschritten ist, dass eine sanktionslose Aufhebung der Ausschreibung nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A gerechtfertigt ist, lässt sich nicht durch allgemeinverbindliche Werte nach Höhe oder Prozentsätzen festlegen. Vielmehr ist eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001, X ZR 150/99).

Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung weit jenseits einer vertretbaren Schätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in solchen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt sein müssen, dass andererseits das Institut der Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instrument zur Korrektur der in öffentlichen Ausschreibungen bzw. offenen Verfahren erzielten Submissionsergebnisse geraten darf. (BGH, Urteil vom 8. September 1998 X ZR 99/96, BGHZ 139, 280).

Da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, sind an die Prüfung, ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, besonders strenge Anforderungen zu stellen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2006, VII-Verg 54/06; OLG München, Beschluss vom 27.01.2006, Verg 1/06; BayObLG, 17.02.2005, Verg 27/04). Die Gründe müssen so schwer wiegen, dass die übrigen Teilnehmer vom Ausschreibenden nicht länger erwarten können, an den Inhalt der Ausschreibung gebunden zu sein. Sie müssen in ihren Auswirkungen auf das Vergabeverfahren den Konstellationen entsprechen, die von § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 und 2 VOB/A erfasst werden und sind rein objektiv zu bestimmen. Die Beurteilung der Auswirkungen auf das Vergabeverfahren hat auch eine Interessenabwägung anhand der maßgeblichen Interessen im Einzelfall und unter Berücksichtigung des Stadiums des Vergabeverfahrens einzuschließen (Herrmann in Ziekow/Völlink § 17 VOB/A Rn. 10).

Die 2. Aufhebung der Ausschreibung wurde lediglich damit begründet, dass „das Angebot des Erstbieters Firma Zechbau gem. § 16 EU Nr. 4 VOB/A auszuschließen ist und die Aufhebung gem. § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A erfolgt, da kein wirtschaftlich akzeptables Angebot eingegangen ist.“ Weitere Gründe für die Aufhebung sind in der Vergabeakte nicht dokumentiert. Dies genügt nicht für die vom BGH geforderte Vornahme einer Interessenabwägung die alle Umstände des Einzelfalls mit einbezieht.

Die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenermittlung der Vergabestelle muss aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheinen und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen (BGH, Urteil vom 20.11.2012, Az. X ZR 108/10; Urteil vom 08.09.1998, Az. X ZR 99/96). Für die Schätzung muss die Vergabestelle oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte Fachmann Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.

Die Gegenstände der Schätzung und der ausgeschriebenen Maßnahme müssen deckungsgleich sein. Maßgeblich dafür sind im Ausgangspunkt die Positionen des Leistungsverzeichnisses, das der konkret durchgeführten Ausschreibung zugrunde liegt. Das Ergebnis der Schätzung ist verwertbar, soweit sie mit diesem Leistungsverzeichnis übereinstimmt. Es ist gegebenenfalls anzupassen, soweit die der Schätzung zugrunde gelegten Preise oder Preisbemessungsfaktoren im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens nicht mehr aktuell waren und sich nicht unerheblich verändert hatten.

Ohne dass dies hier abschließend entschieden werden muss oder nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand entschieden werden könnte, spricht viel dafür, dass die Kostenermittlung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Der Antragsgegner hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Kostenschätzung aus dem November 2016 stamme und das bepreiste Leistungsverzeichnis vom 28.06.2017 sei. Bei einigen Positionen sei ein 10%iger Zuschlag erfolgt z. B. beim Stahlpreis. Es darf sehr bezweifelt werden, ob angesichts der Preisentwicklung im Bausektor im Jahr 2017 ein solches Vorgehen zu einer realistischen Kostenermittlung führt. In diesem Zusammenhang ist auf § 1 EU VOB/A i.V.m. § 3 Abs. 3 VgV hinzuweisen, wonach maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswerts der Tag ist, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet wird oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet wird.

Hinzu kommt noch, dass in der Vergabedokumentation (§ 20 EU VOB/A i.V.m. § 8 VgV) nichts zur Herkunft der Preise aus der Kostenermittlung enthalten ist, die der Vergabekammer mit Schreiben vom 17.01.2018 vorgelegt wurde. Lediglich auf Anfrage in er mündlichen Verhandlung teilte der Antragsgegner mit, dass die Preisermittlung teilweise aus Richtpreisangeboten von 2016 bei wichtigen Positionen stamme und teilweise aus Erfahrungswerten des beauftragten Büros aus anderen Vorhaben. Dies genügt im Streitfall nicht den Anforderungen an die Dokumentation einer vertretbaren Auftragswertermittlung (vgl. dazu Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 22.08.2017, Z3-3-3194-1-16-04/17).

dd) Die Antragstellerin wurde daher durch die nicht von den Aufhebungsgründen des § 17 EG VOB/A gedeckte Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt und hat ein Interesse an der Feststellung dieser Rechtswidrigkeit.

4. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1, 5 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies sind hier sowohl der Antragsgegner als auch die Antragstellerin, da letztgenannte mit ihrem Hauptantrag nicht durchgedrungen ist.

Der Antragsgegner und die Antragstellerin unterliegen je zur Hälfte. In dieser Höhe hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann. Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die Gebühr wird vorliegend auf …,00 € festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.

Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S.2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr.2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen aller Beteiligter beruht auf § 182 Abs. 4 GWB.

Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.1 und 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S.3, Abs. 3 S.2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung auf Seiten der Antragstellerin war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte war die Antragstellerin hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Vergabekammer Südbayern Beschluss, 13. Feb. 2018 - Z3-3-3194-1-53-11/17

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 97 Grundsätze der Vergabe


(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 107 Allgemeine Ausnahmen


(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen 1. zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,2. für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem u

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 160 Einleitung, Antrag


(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein. (2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 dur

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 182 Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer


(1) Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 99 Öffentliche Auftraggeber


Öffentliche Auftraggeber sind 1. Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,2. andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewe

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 98 Auftraggeber


Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 3 Schätzung des Auftragswerts


(1) Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Zudem sind etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen. Sieht der öffentliche Auftraggeber Prämie

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 106 Schwellenwerte


(1) Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreit

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 103 Öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen und Wettbewerbe


(1) Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 114 Monitoring und Vergabestatistik


(1) Die obersten Bundesbehörden und die Länder erstatten in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über die Anwendung der Vorschriften dieses Teils und der aufgrund des § 113 erlassenen Rechtsverordnun

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 156 Vergabekammern


(1) Die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Vergabe von Konzessionen nehmen die Vergabekammern des Bundes für die dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen, die Vergabekammern der Länder für die diesen zuzurechn

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 168 Entscheidung der Vergabekammer


(1) Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist an die Anträge ni

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 155 Grundsatz


Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionen der Nachprüfung durch die Vergabekammern.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 126 Zulässiger Zeitraum für Ausschlüsse


Wenn ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 ergriffen hat, darf es 1. bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 123 höchstens fünf Jahre ab dem Tag der rechtskräft

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 8 Dokumentation und Vergabevermerk


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Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 04. Feb. 2009 - 1 Verg 4/08

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Tenor 1. Das Nachprüfungsverfahren und damit auch die gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 10. November 2008 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin haben sich durch Erteilung des Zuschlags erledigt. 2.

Referenzen

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionen der Nachprüfung durch die Vergabekammern.

(1) Die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Vergabe von Konzessionen nehmen die Vergabekammern des Bundes für die dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen, die Vergabekammern der Länder für die diesen zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen wahr.

(2) Rechte aus § 97 Absatz 6 sowie sonstige Ansprüche gegen Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, können nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden.

(3) Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Befugnisse der Kartellbehörden zur Verfolgung von Verstößen insbesondere gegen die §§ 19 und 20 bleiben unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

(2) Lieferaufträge sind Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Mietverhältnisse oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen. Die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen.

(3) Bauaufträge sind Verträge über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung

1.
von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der Tätigkeiten, die in Anhang II der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65) und Anhang I der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243) genannt sind, oder
2.
eines Bauwerkes für den öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll.
Ein Bauauftrag liegt auch vor, wenn ein Dritter eine Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber genannten Erfordernissen erbringt, die Bauleistung dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt und dieser einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat.

(4) Als Dienstleistungsaufträge gelten die Verträge über die Erbringung von Leistungen, die nicht unter die Absätze 2 und 3 fallen.

(5) Rahmenvereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen, die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis. Für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, dieselben Vorschriften wie für die Vergabe entsprechender öffentlicher Aufträge.

(6) Wettbewerbe sind Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollen.

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

(1) Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreitet. § 114 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Der jeweilige Schwellenwert ergibt sich

1.
für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von öffentlichen Auftraggebern vergeben werden, aus Artikel 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der jeweils geltenden Fassung; der sich hieraus für zentrale Regierungsbehörden ergebende Schwellenwert ist von allen obersten Bundesbehörden sowie allen oberen Bundesbehörden und vergleichbaren Bundeseinrichtungen anzuwenden,
2.
für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von Sektorenauftraggebern zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben werden, aus Artikel 15 der Richtlinie 2014/25/EU in der jeweils geltenden Fassung,
3.
für verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge aus Artikel 8 der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. L 216 vom 20.8.2009, S. 76) in der jeweils geltenden Fassung,
4.
für Konzessionen aus Artikel 8 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt die geltenden Schwellenwerte unverzüglich, nachdem sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Die obersten Bundesbehörden und die Länder erstatten in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über die Anwendung der Vorschriften dieses Teils und der aufgrund des § 113 erlassenen Rechtsverordnungen bis zum 15. Februar 2017 und danach auf Anforderung schriftlich Bericht. Zu berichten ist regelmäßig über die jeweils letzten drei Kalenderjahre, die der Anforderung vorausgegangen sind.

(2) Das Statistische Bundesamt erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eine Vergabestatistik. Zu diesem Zweck übermitteln Auftraggeber im Sinne des § 98 an das Statistische Bundesamt Daten zu öffentlichen Aufträgen im Sinne des § 103 Absatz 1 unabhängig von deren geschätzten Auftragswert und zu Konzessionen im Sinne des § 105. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der Vergabestatistik sowie der Datenübermittlung durch die meldende Stelle einschließlich des technischen Ablaufs, des Umfangs der zu übermittelnden Daten, der Wertgrenzen für die Erhebung sowie den Zeitpunkt des Inkrafttretens und der Anwendung der entsprechenden Verpflichtungen zu regeln.


Tenor

1. Das Nachprüfungsverfahren und damit auch die gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 10. November 2008 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin haben sich durch Erteilung des Zuschlags erledigt.

2. Die Fortsetzungsfeststellungsantrag der Antragstellerin wird als unzulässig verworfen.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Senat und die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen.

4. Der Gegenstandswert wird auf 218.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Die Vergabestelle (Antragsgegnerin) hatte in 3 Lose aufgegliederte Tiefbauarbeiten mit einem von ihr mit rund 4,6 Mio. € angesetzten Gesamtauftragswert in Anwendung der Basisparagraphen der VOB/A national ausgeschrieben.

2

Die Antragsstellerin erfuhr durch die Öffentliche Ausschreibung von der Vergabeabsicht, forderte die Verdingungsunterlagen an, die ihr auch übersandt wurden, und gab fristgerecht ein Angebot mit einer Angebotssumme von ca. 4, 36 Mio. € ab, das von der Vergabestelle wegen des Fehlens geforderter Unterlagen und unvollständiger Angaben zu mehreren Leistungspositionen aus der Wertung genommen werden musste.

3

2. Der Angebotsausschluss wurde von der Antragstellerin nicht beanstandet. Mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 2. Oktober 2008 strebte sie vielmehr eine Aufhebung der Ausschreibung und eine EU-weite Neuausschreibung im Offenen Verfahren an: Der Auftragswert sei von der Vergabestelle falsch geschätzt worden, tatsächlich liege er über dem Schwellenwert von 5,15 Mio. €. Außerdem seien bei den in den Losen 1 und 3 ausgeschriebenen Leistungen die Grenzwerte des § 2 Nr. 7 VgV deutlich überschritten worden. Diese Norm sei hier anwendbar, weil diese Teilleistungen in einem untrennbaren sachlichen und funktionalen Zusammenhang mit einem Großbauvorhaben (Hochwasserschutz) mit einem Auftragswert in zweistelliger Millionenhöhe stünden. Wegen der fehlerhaften Wahl der Verfahrensart müsse die Ausschreibung aufgehoben und ihr damit die Chance gegeben werden, in einem neuen Verfahren ein zuschlagsfähiges Angebot abzugeben.

4

3. Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag als unzulässig mit der Begründung, die Antragstellerin sei ihrer Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 GWB) nicht nachgekommen.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde ein, die sie mit einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsmittels (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB) verband.

II.

6

Mit Beschluss vom 8. Dezember 2008 hat der Senat den Eilantrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:

7

„1. Der Eilantrag ist abzulehnen, weil die sofortige Beschwerde aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Die Anfechtung vor dem Senat ist zwar ungeachtet der Frage des Auftragswerts zulässig, weil sie sich gegen eine Entscheidung der Vergabekammer richtet (§ 116 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Satz 1 GWB). In der Sache hat das Rechtsmittel wahrscheinlich aber keine Aussicht auf Erfolg: Entweder ist der Nachprüfungsantrag schon wegen Unterschreitung des Schwellenwerts und damit wegen Unanwendbarkeit des 4. Teils des GWB (§ 100 Abs. 1 GWB) unzulässig oder die Unzulässigkeit ergibt sich aus der fehlenden Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB). Auf eine (wahrscheinliche) Rügepräklusion (§ 107 Abs. 3 GWB) kommt es nicht mehr an.

8

2. Mit Blick auf die Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB) ist es für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags erforderlich, dass der Antragsteller schlüssig darlegt, dass und welche vergaberechtliche Vorschrift verletzt worden sein soll und dass er ohne diese Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf diesen Vergaberechtsverstoß zurückzuführen ist. Daran fehlt es hier.

9

3. Die Weigerung einer Vergabestelle, eine Ausschreibung aufzuheben, kann allein noch keine Verletzung subjektiver Rechte eines Bieters begründen, weil es keinen isolierten Aufhebungsanspruch und auch keinen generellen Anspruch auf eine „zweite Chance“ gibt. Die Vergabestelle ist vielmehr dann, aber auch nur dann zugunsten eines Bieters zur Aufhebung verpflichtet, wenn diese Maßnahme zur Beseitigung einer Rechtsverletzung und Abwendung eines durch diese Rechtsverletzung dem Bieter drohenden Schadens als ultima ratio geboten ist. Ob ein öffentlicher Auftraggeber, der die Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung missachtet, im eigenen Interesse – etwa zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen oder eines Vertragsverletzungsverfahrens – gehalten ist, die Ausschreibung aufzuheben, ist hier unerheblich.

10

4. Die Antragstellerin hat weder in der Begründung des Nachprüfungsantrags noch in der Beschwerdeschrift einen (potentiell) schadensträchtigen Vergaberechtsverstoß zu ihrem Nachteil dargelegt, der die Aufhebung der Ausschreibung geböte. Die bloße Behauptung, der fragliche Auftrag hätte EU-weit ausgeschrieben werden müssen, reichte selbst dann nicht aus, wenn sie zuträfe.

11

a) Die Bekanntmachung der Vergabeabsicht ist kein Selbstzweck. Sie stellt vielmehr die Publizität sicher und gewährleistet, dass potentielle Auftragnehmer von der bevorstehenden Auftragsvergabe erfahren und ihr Interesse bekunden können. Außerdem wird durch die Bekanntmachung sichergestellt, dass alle Interessenten die gleichen Informationen erhalten.

12

b) Ab einer durch Schwellenwerte definierten Größenordnung werden die Binnenmarktrelevanz eines Auftrages und damit ein grenzüberschreitendes Interesse an der Auftragsvergabe unwiderlegbar vermutet. Deshalb ist die Bekanntmachung der Vergabeabsicht grenzüberschreitend so zu gestalten, dass jedes in einem der Mitgliedsstaaten der EU ansässige Unternehmen davon Kenntnis erlangen kann. Dies ist bei einer „europaweiten Ausschreibung“ durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (§ 17a Nr. 2 Abs. 2 VOB/A) gewährleistet.

13

c) Ein Verstoß gegen die Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung verletzt aber nicht ohne weiteres auf eine (potentiell) schadenskausale Weise die Rechte eines (in- oder ausländischen) Bieters, der nicht nur durch eine andere Form der Veröffentlichung über die Vergabeabsicht informiert und deshalb die Lage versetzt wird, durch Anforderung der Verdingungsunterlagen sein Interesse an der Auftragsvergabe zu bekunden, sondern auch ein Angebot abgibt.

14

aa) Dass der Antragstellerin durch die Nichtanwendung des § 17a VOB/A Informationen entgangen sein könnten, die geeignet gewesen wären, ihre Wettbewerbsposition zu verbessern oder gar die Fehler zu vermeiden, die Ursache für den Ausschluss ihres Angebots gewesen waren, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

15

bb) Es ist auch nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Wahl der Öffentlichen Ausschreibung anstelle eines Offenen Verfahrens mit europaweiter Bekanntmachung und damit die Nichtanwendung der bei einer Schwellenwertvergabe zu beachtenden sonstigen Vorschriften des 2. Abschnitts der VOB/A („a-Paragraphen“) die Chancen der Antragstellerin nachteilig beeinflusst haben könnte oder (mit-)ursächlich für den Ausschluss ihres Angebots gewesen wäre (siehe dazu auch OLG Düsseldorf v. 16.02.2006 - VII-Verg 6/06 - juris; Thür. OLG v. 08.05.2008 - 9 Verg 2/08 - IBR 2008, 605).“

III.

16

1. Die Vergabestelle hat inzwischen der Beigeladenen den Auftrag erteilt.

17

2. Die Antragstellerin beantragt nunmehr festzustellen, dass sie durch die Antragsgegnerin in ihren Rechten verletzt wurde (§§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Sätze 3 u. 4 GWB):

18

a) Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtsverletzung in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Insbesondere diene die beantragte Feststellung der Vorbereitung eines Schadenersatzprozesses gegen die Antragsgegnerin, so dass schon aus diesem Grunde nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung gegeben sei.

19

b) Die vom Senat vorgenommene Differenzierung danach, ob es sich um Informationsüberlassung aufgrund nationalrechtlicher Verpflichtung oder EU-rechtlicher Vorgabe handele, sei nicht möglich und widerspreche im Kern dem Willen des Gesetzgebers. Dieser habe nämlich bewusst davon abgesehen, den Primärrechtsschutz auf Verstöße gegen solche Vorgaben des Vergaberechts zu begrenzen, die auf die europäischen Vergaberichtlinien zurückzuführen sind. Dem Senat sei zuzugestehen, dass eine Verletzung subjektiver Bieterrechte unter anderem dann vorliegen könne, wenn dem Bieter Informationen vorenthalten worden sind. Die Frage der Informationsüberlassung sei jedoch nicht die einzig in Betracht kommende Rechtsverletzung. Vielmehr stelle auch die Wahl der zutreffenden Vergabeart ein subjektives Bieterrecht dar. Dieses Recht sei unabhängig davon verletzt worden, ob der Antragstellerin Informationen vorenthalten wurden oder nicht.

20

c) Tatsächlich seien der Antragstellerin auch Informationen vorenthalten worden, nämlich

21

- dass die streitgegenständliche Baumaßnahme in funktionalem Zusammenhang mit einer bereits EU-weit ausgeschriebenen Hochwasserschutzmaßnahme stehe;

22

- dass den Bietern die Rechtsschutzmöglichkeiten nach dem 4. Teil des GWB mit dem Recht zur Anrufung von Vergabeprüfstellen, Vergabekammern und gegebenenfalls Vergabesenat zustehen.

23

Durch diese Unterlassung sei sie ebenfalls in ihren Rechten verletzt worden. Sie könne nicht nachzuvollziehen, wie der Senat zu der Ansicht gelangt sei, dazu sei nichts vorgetragen worden. Vielmehr habe sie umfangreich und unter Beweisantritt vorgetragen, dass die vorgenannten Informationen in der streitgegenständlichen Vergabebekanntmachung und den streitgegenständlichen Ausschreibungsunterlagen gerade nicht enthalten waren, und zwar deswegen, weil sich die Antragsgegnerin und die SGD Nord darauf verständigt hätten, die Maßnahme entgegen besseren Wissens nur national auszuschreiben. Diese Behauptung stelle sozusagen den Kern ihres gesamten Vortrags dar.

24

d) Zudem ergebe sich eine Rechtsverletzung nach § 97 Abs. 7 GWB auch daraus, dass der Zuschlag aus einem „anderen Grund“ (BGH v. 26..09.2006 - X ZB 14/06) unzulässig gewesen sei. Dieser „andere Grund“ sei hier, dass die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 c VOB/A wegen des schwerwiegenden Verstoßes gegen das Gebot der EU-weiten Ausschreibung hätte aufgehoben werden müssen.

25

e) Im Übrigen sei der zwischenzeitlich abgeschlossene Vertrag gemäß § 138 GWB nichtig, weil die SGD Nord und die Antragsgegnerin zur Umgehung des Schwellenwertes kollusiv zusammengewirkt hätten. Da dies zu ihrem Nachteil geschehen sei, sei sie auch antragsbefugt.

IV.

26

Der Feststellungsantrag ist zwar statthaft, jedoch wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig.

27

1. Das Nachprüfungsverfahren i.e.S. hat sich durch Zuschlagserteilung erledigt (§ 114 Abs. 2 GWB). Eine Nichtigkeit des zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossenen Vertrages ist nicht gegeben (zu den hier offensichtlich zu verneinenden Voraussetzungen des § 138 BGB siehe Wendtland in: BeckOK BGB § 138, Rn. 20 f.). Im Übrigen könnte die Nichtigkeit mit dem von der Antragstellerin jetzt gestellten (Fortsetzungs-)Feststellungsantrag überhaupt nicht geltend gemacht werden, weil dessen Statthaftigkeit einen wirksamen Zuschlag voraussetzt.

28

2. Ungeschriebene, weil selbstverständliche Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag nach §§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Sätze 3 u. 4 GWB ist ein Feststellungsinteresse, dass vom Antragsteller darzulegen ist (OLG Düsseldorf v. 02.03.2005 - VII-Verg 70/04). Praktisch kommen die Vorbereitung eines Schadensersatzanspruches und Wiederholungsgefahr in Betracht.

29

a) In der Regel genügt es, dass der Antragsteller vorträgt, er beabsichtige, Schadensersatzansprüche gegen den Auftraggeber geltend zu machen. Allerdings ist ein Feststellungsinteresse zu verneinen, wenn eine entsprechende Klage aussichtslos wäre (VK Sachsen v. 17.01.2007 - 1/SVK / 002 – 05 - veris m.w.N.). Das ist hier der Fall.

30

(1) Bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB – gleichgültig ob auf positives oder negatives Interesse gerichtet – könnte die Antragstellerin bei Beachtung des § 138 Abs. 1 ZPO noch nicht einmal behaupten, geschweige denn schlüssig darlegen, sie hätte mit ihrem nicht wertungsfähigen Angebot eine reelle Chance gehabt, wenn die Vergabestelle das Offene Verfahren statt der Öffentlichen Ausschreibung gewählt hätte. § 25 Nr. 1 VOB/A findet in beide Verfahrensarten Anwendung; ihr Angebot hätte also auf jeden Fall ausgeschlossen werden müssen (siehe auch BGH v. 07.06.2005 - X ZR 19/02 - juris: Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines durch die Ausschreibung begründeten vorvertraglichen schutzwürdigen Vertrauensverhältnisses kommen nicht in Betracht, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen war.“ )

31

(2) Es spricht auch nichts dafür, dass die Antragstellerin gänzlich von der Bewerbung um den Auftrag Abstand genommen – und sich damit die Angebotskosten erspart – hätte, wenn sie vor Angebotsangabe von der Notwendigkeit einer EU-weiten Ausschreibung ausgegangen wäre. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war ihr die Wahl der Verfahrensart durch die Vergabestelle solange völlig gleichgültig, wie sie die Chance sah, den Zuschlag zu erhalten.

32

(3) Ob sie in einem neuen, mit einer EU-weiten Ausschreibung eingeleiteten Verfahren mit möglichen ausländischen Konkurrenten den Zuschlag erhalten hätte, ist völlig ungewiss, sodass ein Schadensersatz auch insoweit ausscheidet (BGH v. 01.08.2006 - X ZR 115/04 - juris Rn. 17).

33

(4) Ein Schadensersatzanspruch nach § 126 GWB setzt voraus, dass in einem vergaberechtskonformen Verfahren eine echte Chance auf den Zuschlag bestanden hätte. Dies ist nur der Fall, wenn das Angebot besonders qualifizierte Aussichten auf die Zuschlagserteilung gehabt hätte; es genügt nicht, dass das Angebot in die engere Wahl gelangt wäre (BGH v. 27.11.2007 - X ZR 18/07). Auch diese Voraussetzung liegt bei einem Bieter, der aus eigenem Verschulden ein mangelhaftes Angebot abgehen hat, offensichtlich nicht vor, und zwar völlig unabhängig davon, ob national oder EU-weit ausgeschrieben wurde.

34

b) Auf eine Wiederholungsgefahr hat sich die Antragstellerin nicht berufen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Vergabestelle in absehbarer Zeit weitere Aufträge ausschreiben könnte, bei denen es zu der von der Antragstellerin vermuteten rechtswidrigen Umgehung der a-Paragraphen der VOB/A kommen könnte.

35

c) Zu einem Feststellungsinteresse aus sonstigen Gründen fehlt jeglicher Vortrag der Antragstellerin.

V.

36

Dem Erfolg des Feststellungsantrags steht auch entgegen, dass der ursprüngliche Nachprüfungsantrag unzulässig gewesen war (OLG Koblenz v. 06.09.2006 - 1 Verg 6/06 - juris). Insoweit kann auf den oben auszugsweise zitierten Beschluss vom 8. Dezember 2008 Bezug genommen werden. Ergänzend ist anzumerken:

37

1. Das Nachprüfungsverfahren dient nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle und der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der objektiven Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens an sich. Sein einziger Zweck ist es, einem am Auftrag interessierten Unternehmen die Möglichkeit zu geben, den Auftraggeber zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen, das notwendig ist, um einen wegen eines Fehlers des Auftraggebers dem Antragsteller entstandenen oder drohenden Schaden zu beseitigen bzw. zu verhindern.

38

2. Dementsprechend steht in § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB unmissverständlich, der Antragsteller habe dazulegen (also nicht nur zu behaupten), „dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht “.Der grundsätzliche Anspruch eines Bieters auf ein fehlerfreies Vergabeverfahren wird in seiner Durchsetzbarkeit im Nachprüfungsverfahren also kraft Gesetzes auf (potentiell) schadenskausale Vergaberechtsverstöße begrenzt. Zur Darlegung der Antragsbefugnis ist deshalb ein Sachvortrag erforderlich, aus dem sich schlüssig und nachvollziehbar ergibt, dass gerade durch den gerügten Vergaberechtsverstoß die Aussichten des Antragstellers auf eine Berücksichtigung seiner Bewerbung oder die Erteilung des Zuschlags beeinträchtigt worden sein könnten (siehe zu einem vergleichbaren Fall OLG Düsseldorf v. 16.02.2006 - VII-Verg 6/06 - juris; VK Schleswig-Holstein v. 28.01.2009 - VK-SH 18/08 - juris m.w.N.).

39

3. An einem den Anforderungen des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB genügenden Vortrag fehlt es im vorliegenden Verfahren nach wie vor gänzlich. Die Antragstellerin rügt(e) zwar die Wahl der Verfahrensart „Öffentliche Ausschreibung“ statt des nach ihrer Auffassung notwendigen Offenen Verfahrens. Es ist aber nicht ersichtlich und schon gar nicht vorgetragen, dass dieser – für die Zulässigkeitsprüfung als gegeben unterstellte – Vergaberechtsverstoß irgendeine nachteilige Folge für sie gehabt haben könnte. Ihr gesamtes Vorbringen geht völlig an der Sache vorbei.

40

a) Eine ordnungsgemäße Ausschreibung beginnt mit der Bekanntmachung, deren vom Auftragswert unabhängiger Inhalt (siehe dazu Lausen in jurisPK-VergR, 2. Aufl. 2008, § 17a VOB/A Rn. 41) in § 17 VOB/A geregelt ist. § 17a Nr. 2 VOB/A schreibt für Schwellenwertvergaben zwar die Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vor. Wieso sich die Aussichten der Antragstellerin auf Erteilung des Zuschlags aber dadurch verschlechtert haben könnten, dass sie die Bekanntmachung „nur“ in einem der in § 17 Nr. 1 Abs. 1, 17a Nr. 2 Abs. 5 VOB/A genannten inländischen Publikationsorganen nachlesen konnte und potentielle ausländische Konkurrenten überhaupt nichts von der Vergabeabsicht erfuhren, ist unerfindlich.

41

b) Soweit § 17a Nr. 3 VOB/A für EU-weite Ausschreibungen zusätzliche Informationen in der Bekanntmachung verlangt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass deren Fehlen irgendwie nachteilig für die Antragstellerin oder gar ursächlich für ihr Unvermögen, ein wertungsfähiges Angebot abzugeben, gewesen sein könnte. Gleiches gilt auch für alle anderen a-Paragraphen, die bei Durchführung eines Offenen Verfahrens anzuwenden sind.

42

c) Die Auffassung der Antragstellerin, die Wahl der falschen Vergabeart sei (hier) ein „anderer“, der Zuschlagserteilung an jeden anderen Bieter entgegenstehender Grund i.S.d. BGH-Entscheidung vom 26. September 2006 (X ZB 14/06 - juris), teilt der Senat nicht. Gemeint ist dort ein anderer bieterbezogener Grund. Die entsprechende Passage der Entscheidungsgründe (juris Rn. 52) befasst sich mit dem Gebot der Gleichbehandlung aller Bieter, das es nicht zulässt, das Angebot eines Bieters auszuschließen und den Auftrag einem anderen Bieter zu erteilen, der ebenfalls ein nicht wertungsfähiges Angebot eingereicht hat oder aus einen anderen Grund – wie Unzuverlässigkeit oder Mitwirkung an einer Submissionsabsprache – nicht „zuschlagswürdig“ ist.

43

d) Die von der Antragstellerin in der Begründung ihres Feststellungsantrags als fehlend gerügten Informationen haben mit den Erfolgsausichten ihres Angebots nicht das Geringste zu tun, sondern betreffen den Rechtsschutz, vom dem sie auch ohne diese Informationen offensichtlich Gebrauch macht.

44

4. Die Weigerung der Vergabestelle, die Ausschreibung aufzuheben, ist kein selbständiger Vergabeverstoß, der zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden könnte. Aus dem Blickwinkel des Bieterschutzes ist die Aufhebung vielmehr eine Rechtsfolge, die als ultima ratio in Betracht kommt, wenn dies zur Beseitigung oder Abwendung eines wegen einer Rechtsverletzung dem Bieter entstandenen oder drohenden Schadens unerlässlich ist. Dies ist hier nicht der Fall.

VI.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 50 Abs. 2 GKG.

Wenn ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 ergriffen hat, darf es

1.
bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 123 höchstens fünf Jahre ab dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden,
2.
bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 124 höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22. November 2013 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 61,20 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 2. September 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Gründe

A.

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten mit ihrer seit dem 01.09.2012 rechtshängigen Klage Schadenersatz in Form entgangenen Gewinns wegen einer vermeintlich rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung eines öffentlichen Bauauftrags, hilfsweise Ersatz des negativen Interesses.

2

Im Rahmen des Bauvorhabens „…

3

4

“ mit einem Netto-Auftragswert über fünf Millionen Euro schrieb ein Eigenbetrieb des Beklagten für den Baubereich 4 das Gewerk Tischlerarbeiten (Fenster, Türen, zugehörige Artikel - Sanierung und Austausch) aus; die Ausschreibung wurde EU-weit im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 23.03.2012 (… ) bekannt gemacht. Der Beklagte schätzte den Brutto-Auftragswert nach eigenen - von der Klägerin bestrittenen - Angaben auf 138.248,73 €. Die Ausschreibung erfolgte im Offenen Verfahren, als alleiniges Zuschlagskriterium war der niedrigste Angebotspreis vorgesehen. Nebenangebote wurden nicht zugelassen. Die Angebotsfrist lief bis zum 25.04.2012, 13:00 Uhr; die Bieter sollten sich an ihre Angebote bis zum 06.06.2012 binden.

5

Die Klägerin gab am 24.04.2012 insgesamt zwei Angebote auf elektronischem Wege, jeweils mit elektronischer Signatur, ab, und zwar um 09:11 Uhr ein Angebot mit einer Angebotsendsumme in Höhe von 268.201,96 € (künftig: Angebot 1) und um 11:02 Uhr ein weiteres Angebot mit einer Angebotsendsumme in Höhe von 268.580,38 € (künftig: Angebot 2). Beide Angebote wiesen weitgehend identische Preisangaben in den einzelnen Leistungspositionen auf, lediglich in zwei Positionen, deren Gegenstand jeweils die Überarbeitung historischer, einflügliger Innentüren war (Pos. 1.1.30 „… mit drei Kassetten“, Pos. 1.1.50 „… mit sechs Kassetten“), wurden die Einheitspreise gewechselt, was - wegen der unterschiedlichen Mengengerüste (Pos. 1.1.30 „3 St.“, Pos. 1.1.50 „6 St.“) - zu der Preisdifferenz in Höhe von 378,42 € führte. Beide Angebote enthielten in dem jeweiligen Angebotsschreiben auf Formblatt 213 des VHB Bund (Stand: Mai 2010) die Erklärung, dass die Klägerin alle Leistungen im eigenen Betrieb ausführe, soweit sie nicht auf Formblatt 235 - Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen - abweichende Angaben mache. Das Formblatt 235 lag beiden Angeboten jeweils unausgefüllt bei. Bei beiden Angeboten fehlten u.a. die geforderten Eigen- und Fremderklärungen über Referenzleistungen der Klägerin; Eignungserklärungen oder -nachweise für bzw. Verpflichtungserklärungen von Nachunternehmern lagen nicht bei. Die Klägerin reichte für beide Angebote das geforderte Formblatt 221 (Preisermittlung Zuschlagskalkulation) ein, welches für das Angebot 1 keine Eintragung zu Nachunternehmerleistungen enthielt, während für das Angebot 2 unter Ziffer 2 auch relative (prozentuale) Zuschläge auf Nachunternehmerleistungen angegeben waren und unter Ziffer 3, dort Kostenfaktor 3.5, kalkulierte Nachunternehmerleistungen im Wert von 97.775,50 € angegeben waren.

6

Bei Eröffnung der Angebote lagen Hauptangebote von drei Bietern vor. Der Beklagte nahm von der Klägerin lediglich das Angebot 2 in das Submissionsprotokoll auf. Dieses Angebot war das preisgünstigste, die weiteren Angebote überstiegen den Angebotspreis der Klägerin um ca. 1,26 % bzw. um ca. 2,99 %. Der Beklagte teilte der Klägerin das Submissionsergebnis mit, forderte sie zur Vorlage fehlender Erklärungen, insbesondere des Formblatts 223 (Aufgliederung der Einheitspreise) auf und lud sie, anders als die anderen beiden Bieter, zu einem Aufklärungsgespräch ein. Das Aufklärungsgespräch fand am 15.05.2012 statt. Hierin teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass für sämtliche Tischlerarbeiten an historischen Türen ein hierauf spezialisierter Nachunternehmer eingesetzt werde, die M.  GmbH & Co. KG. Die Klägerin wurde aufgefordert, ihr Angebot bis zum 16.05.2012 zu vervollständigen, insbesondere um ein vollständig ausgefülltes Formblatt 223 sowie um Referenzen für vergleichbare Leistungen und um ein zutreffend ausgefülltes Formblatt 235. Dem kam die Klägerin innerhalb der hierfür gesetzten Frist nach. Der Beklagte forderte zugleich auch einen weiteren Bieter zur Nachreichung von Eigenerklärungen auf.

7

Mit Schreiben vom 21.05.2012 teilte der Beklagte allen drei Bietern, darunter der Klägerin, mit, dass er das Vergabeverfahren aufgehoben habe, weil die Angebotssummen sämtlicher Angebote weit über den veranschlagten Haushaltsmitteln lägen. Er kündigte eine Neuausschreibung der Leistungen an. Der Rüge der Klägerin vom 25.05.2012 wegen der vermeintlichen Rechtswidrigkeit der Aufhebung der Ausschreibung half der Beklagte mit Schriftsatz vom 05.06.2012 nicht ab. Darin gab der Beklagte an, dass die Angebotssummen jeweils etwa 100 % über dem Haushaltsansatz für diese Leistungen lägen und damit anders, als in anderen Gewerken, erheblich von seiner vorherigen Kostenschätzung abwichen. Die Angebotssummen der eingegangenen Angebote lägen zwar nah beieinander, die Kostenansätze für einzelne Leistungspositionen wichen jedoch z.T. nicht nachvollziehbar erheblich von-einander ab.

8

Die Klägerin leitete ein Nachprüfungsverfahren ein. Die Nachprüfungsanträge der Klägerin wurden von der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 30.07.2012 (GA Bd. I Bl. 36 ff.) als unzulässig verworfen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde nahm die Klägerin nach den Hinweisen des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Naumburg in der Sitzung am 28.11.2012 zurück (vgl. BeiA 2 Verg 6/12, Bl. 121 f.).

9

Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Beklagte die Leistungen unterteilt in vier Teillose am 16.10.2012 im elektronischen Vergabeportal für Deutschland „Vergabe 24“ erneut ausgeschrieben und in diesen Verfahren auch Zuschläge erteilt habe.

10

Mit ihrem Hauptantrag hat die Klägerin den Ersatz des positiven Interesses zu einem Betrag von 27.111,47 € begehrt und hierzu die Auffassung vertreten, dass die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig erfolgt sei. Sie hat behauptet, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der Zuschlag auf ihr Angebot 2 habe erteilt werden müssen. Bei der Berechnung des entgangenen Gewinns hat sie eine Gewinnmarge von 15 % auf Materialkosten i.H.v. 104.938,08 €, von 3 % auf eigene Lohnkosten i.H.v. 22.986,22 € und von 15 % auf Nachunternehmerleistungen i.H.v. 97.773,50 € zugrunde gelegt, was ihren Angaben im Formblatt 221 zu Angebot 2 entspricht.

11

Hilfsweise hat die Klägerin den Ersatz des negativen Interesses zu einem Betrag von 1.621,00 € geltend gemacht. Die Forderung hat sie aus Lohnkosten für 16 Stunden á 55,00 € für die Angebotserstellung und 8 Stunden á 85,00 € für die Wahrnehmung des Aufklärungsgesprächs (einschließlich Vorbereitung, Fahrt und Nachbereitung) sowie aus Fahrkosten in Höhe von 61,20 € (2x 102 km x 0,30 €/km) ermittelt.

12

Der Beklagte hat sich für die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Ausschreibung darauf berufen, dass die Ausschreibung zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Ergebnis geführt habe; die Angebotspreise seien keine Marktpreise gewesen. Hilfsweise hat sie die Auffassung vertreten, dass das Angebot der Klägerin bei ordnungsgemäßem Verlauf des Verfahrens auszuschließen gewesen wäre. Ein Ausschluss sei wegen der vorsätzlich unzutreffenden Angaben der Klägerin im Angebot zum Nachunternehmereinsatz zwingend vorzunehmen gewesen. Zudem habe die Klägerin ein vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot abgegeben.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

14

Das Landgericht hat mit seinem am 22.11.2013 verkündeten Urteil dem Hauptantrag der Klägerin im vollen Umfang, der ca. 10 % der Bruttoangebotssumme entspricht, stattgegeben und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig erfolgt sei. Hierüber habe das Zivilgericht eigenständig zu befinden, weil die Entscheidung der Vergabekammer über die Unzulässigkeit der Nachprüfungsanträge keine Feststellung über die Rechtswidrigkeit der Aufhebung beinhalte, welche nach § 124 Abs. 1 GWB Bindungswirkung entfalten könne. Der Beklagte habe nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Angebotspreise der drei Bieter unangemessen hoch gewesen seien; hierzu hätte er insbesondere Einzelheiten zu seiner Kostenschätzung vortragen müssen. Hierfür genüge es nicht, dass die Angebotspreise nicht den Vorstellungen des Auftraggebers entsprächen, es komme darauf an, ob der Beklagte den Wert der ausgeschriebenen Leistungen zutreffend ermittelt habe. Ein Ausschluss des Angebots 2 der Klägerin sei nicht geboten gewesen. Unrichtige Angaben zum Nachunternehmereinsatz habe die Klägerin nicht gemacht, vielmehr habe sie im Aufklärungsgespräch eindeutige Angaben zur Art und zum Umfang des Nachunternehmereinsatzes gemacht. Auch der Umstand, dass die Klägerin unstreitig zwei Angebote eingereicht habe, führe nicht zum Ausschluss. Es sei in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, ob es unzulässig sei, mehrere Angebote parallel abzugeben.

15

Der Beklagte hat gegen das ihm am 28.11.2013 zugestellte Urteil mit einem am 17.12.2013 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung mit einem am 28.12.2013 eingegangenen Schriftsatz auch begründet.

16

Der Beklagte meint, dass die bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer nach § 124 Abs. 1 GWB Bindungswirkung für das Zivilgericht entfalte und daher vom Vorliegen eines Ausschlussgrundes für das Angebot 2 der Klägerin auszugehen sei. Daher sei ihr Angebot 2 auch dann, wenn man von einer rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung ausgehe, jedenfalls nicht zuschlagsfähig gewesen. Das Angebot sei zwingend auszuschließen gewesen, weil die Klägerin ein vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot - zwei technisch gleiche Hauptangebote mit unterschiedlichen Preisen - eingereicht habe. Es sei weiter auszuschließen gewesen, weil die Klägerin im elektronisch eingereichten Angebot bedingt vorsätzlich falsche Angaben zum beabsichtigten Nachunternehmereinsatz gemacht habe, indem sie angegeben habe, alle Leistungen im eigenen Betrieb auszuführen, und erst im Aufklärungsgespräch auf Vorhalt eingeräumt habe, eine Nachunternehmerin einzusetzen. Hiermit habe die Klägerin versucht, der Bindung an den konkret zu benennenden Nachunternehmer zu entgehen. Im Übrigen sei die Aufhebung aber auch rechtmäßig gewesen; insoweit wiederholt der Beklagte im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug, wonach seine Kostenschätzungen - die HU-Bau von Dezember 2010 und die AFU-Bau vom Januar 2012 - von einem renommierten Architektenbüro erarbeitet und „in mehreren Instanzen“ geprüft worden seien, und tritt für die Richtigkeit der Kostenschätzung Beweis durch das Zeugnis des für ihn tätig gewesenen Architekten an.

17

Der Beklagte beantragt,

18

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

19

die Klage abzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist insbesondere darauf, dass hier durch den Eingang von zwei Hauptangeboten eine konkrete Manipulationsgefahr nicht entstanden sei, weil die Angebote finanziell gleichwertig gewesen seien. Ihr selbst bzw. ihrem Geschäftsführer sei auch gar nicht bewusst gewesen, dass die Klägerin zwei Angebote eingereicht habe. Der Beklagte habe ebenfalls lediglich das Angebot 2 geprüft und gewertet. Eine allenfalls abstrakte Manipulationsgefahr rechtfertige den Ausschluss des Angebots 2 nicht. Von vorsätzlich falschen Angaben im Vergabeverfahren sei nicht auszugehen, weil die Klägerin auf Nachfrage im Aufklärungsgespräch sofort klargestellt habe, dass sie alle Tischlerarbeiten, bei denen Auflagen des Denkmalschutzes existierten, von einer hierauf spezialisierten Nachunternehmerin durchführen lassen wolle. Das Aufklärungsgespräch habe gerade die Funktion, solche Nachfragen und Klarstellungen zu ermöglichen. Zeitlich sei auf das gesamte Vergabeverfahren abzustellen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass sie den Hilfsantrag der Klage auch im Berufungsverfahren aufrechterhalte.

23

Der Senat hat am 21.05.2014 mündlich zur Sache verhandelt. Er hat u.a. darauf hingewiesen, dass nach dem bisherigen Sachstand davon auszugehen sei, dass die Klägerin zwei Hauptangebote abgegeben habe, was in der hier vorliegenden Konstellation unzulässig gewesen sein dürfte; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tag Bezug genommen. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.05.2014 hat die Klägerin daraufhin vorgetragen, dass das Angebot 2 lediglich eine Korrektur des Angebots 1 beinhaltet habe und dieses habe ersetzen sollen. Ihr Kalkulator O. habe nach Versendung des Angebots 1 die Vertauschung der Einheitspreise in den beiden o.g. Leistungspositionen entdeckt, habe aber das Angebot 1 nicht mehr „zurückholen“ können. Er habe bei der Vergabestelle angerufen und sei von dieser darauf verwiesen worden, dass er zur Korrektur ein neues vollständiges Angebot „nachsenden“ solle. Die Klägerin hat weiter behauptet, dass die Mitarbeiterin H. des Beklagten im Aufklärungsgespräch deutlich zu erkennen gegeben habe, dass ihr bewusst sei, dass das Angebot 2 das Angebot 1 ersetzen solle.

24

Der Senat hat die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und am 15.10.2014 fortgesetzt. Die Klägerin hat im Termin erklärt, dass sie ihren Kalkulator O. bewusst nicht als Zeugen für ihren Sachvortrag zur Kommunikation zwischen den Prozessparteien am Tag des Ablaufs der Angebotsfrist (24.04.2012) benannt habe, weil dieser über das Geschehen keine Aufzeichnungen angefertigt und nunmehr keine genauen Erinnerungen an die Details der Angebotsabgabe mehr habe. Sie meint, dass nach der Durchführung des Aufklärungsgesprächs ein „Rückzug“ der Klägerin auf das Angebot 1 nicht mehr in Betracht gekommen wäre, weshalb eine Manipulationsgefahr ausgeschlossen gewesen sei. Der Beklagte hat angegeben, dass seine Mitarbeiterin H. in einer dienstlichen Äußerung angegeben habe, dass sie erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens durch die von der Klägerin angegriffene Aufhebung in die Sachbearbeitung einbezogen worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 15.10.2014 Bezug genommen.

B.

25

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache ganz überwiegenden Erfolg. Lediglich der Hilfsantrag der Klägerin ist geringfügig begründet.

26

I. Für die Entscheidung über das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten sind ausschließlich die Zivilgerichte zuständig. Die Zivilgerichte sind dabei hier nicht nach § 124 Abs. 1 GWB durch die vorangegangene, inzwischen bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer im Vergabenachprüfungsverfahren gebunden, denn die Vergabekammer hat einen Verstoß des Beklagten gegen Vergabevorschriften gerade nicht festgestellt. Ihre Entscheidung war sowohl nach ihrem Entscheidungsausspruch als auch nach den die Entscheidung tragenden Gründen allein darauf gerichtet, dass der Nachprüfungsantrag der hiesigen Klägerin in der Hauptsache mangels Zugang zum Nachprüfungsverfahren nach wirksamer Beendigung des Vergabeverfahrens und hinsichtlich des Hilfsantrags mangels Feststellungsinteresses insgesamt unzulässig gewesen sei.

27

II. Auf das am 20.03.2012 durch Absendung der Vergabebekanntmachung begonnene Vergabeverfahren sind neben dem GWB 2009 und der VgV 2011 die Vorschriften der VOB/A 2009 anzuwenden, weil der 2. Abschnitt der VOB/A 2012 nach §§ 6, 23 VgV erst am 19.07.2012 in Kraft getreten ist.

28

III. Der Hauptantrag der Klägerin, welcher einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses der Klägerin wegen der vermeintlich rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung zum Gegenstand hat, ist unbegründet.

29

1. Allerdings hat das Landgericht zu Recht festgestellt, dass der Beklagte die Ausschreibung rechtswidrig aufgehoben und insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung i.S. von §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB begangen hat. Nach dem vorliegenden Prozessstoff ist davon auszugehen, dass der Beklagte seinen Pflichten aus den - auch dem Schutz der Bieter im Sinn von § 97 Abs. 7 GWB dienenden - Vorschriften der §§ 2 Abs. 5 und 17 Abs. 1 VOB/A nicht genügt hat.

30

a) Nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A darf eine Ausschreibung nur dann aufgehoben werden, wenn „andere schwerwiegende Gründe“ bestehen, also solche Gründe, die in ihrer Bedeutung denjenigen Gründen vergleichbar sind, welche in Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ausdrücklich aufgeführt werden. Ein solcher schwerwiegender Grund kann zwar auch darin liegen, dass ausreichende Haushaltsmittel für den Auftrag nicht zur Verfügung stehen. Hierfür genügt jedoch die objektive Überschreitung der Ansätze der eigenen Kostenschätzung und Kostenplanung allein nicht. Denn nach § 2 Abs. 5 VOB/A darf ein Auftraggeber Bauleistungen nur ausschreiben, wenn er berechtigt davon ausgehen darf, dass er die Leistungen auch bezahlen kann. Dies erfordert regelmäßig, so auch hier, eine pflichtgemäße Ermittlung der voraussichtlichen Kosten und bei einem öffentlichen Auftraggeber eine Prüfung, dass ihm die erforderlichen Haushaltsmittel hierfür zur Verfügung stehen. In der bloßen Überschreitung des Kostenansatzes kann daher auch ein Anzeichen für eine fehlerhafte ursprüngliche Kostenschätzung liegen. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Regelung des § 17 VOB/A nach ihrem Sinn und Zweck und nach dem systematischen Zusammenhang mit § 2 Abs. 5 VOB/A dahin auszulegen ist, dass eine sanktionslose Aufhebung einer Ausschreibung nur in Betracht kommt, wenn der schwerwiegende Aufhebungsgrund erst nach Beginn der Ausschreibung eingetreten ist oder dem Ausschreibenden zuvor jedenfalls nicht bekannt sein konnte (vgl. Urteil v. 08.09.1998, X ZR 48/97, BGHZ 139, 259; Urteil v. 05.11.2002, X ZR 232/00 „Ziegelverblendung“, VergabeR 2003, 163, und Urteil v. 09.06.2011, X ZR 143/10 „Rettungsdienstleistungen II“, BGHZ 190, 89). Das schließt es aus, dass der Auftraggeber die Aufhebung der Ausschreibung erfolgreich auf eine Kostenschätzung und die Überschreitung der darin ermittelten Kostenansätze stützen kann, wenn seine Kostenschätzung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist (vgl. auch OLG München, Beschluss v. 07.03.2013, Verg 36/12 „Schülerbeförderung“, VergabeR 2013, 928; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26.06.2013, VII-Verg 2/13, VergabeR 2014, 244). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

31

b) Im vorliegenden Rechtsstreit ist der Beklagte nicht nur beweisfällig dafür geblieben, dass die von ihm vor Beginn des Vergabeverfahrens angestellte Kostenschätzung einen Bruttoauftragswert in Höhe von (nur) 138.248,73 € ergeben habe, was ihm angesichts des erheblichen Bestreitens durch die Klägerin oblegen hätte. Er hat auch nicht erheblich bestritten, dass seine Kostenschätzung pflichtwidrig erfolgt sei, weshalb dieser von der Klägerin behauptete Umstand für die zu treffende Entscheidung als unstreitig zu behandeln ist. Denn die letztgenannte Behauptung der Klägerin ist nicht ins Blaue hinein erfolgt. Die Angebotsendsummen der drei Angebote liegen nahe beieinander - die Angebotsspreizung beträgt ca. drei Prozent - und weichen damit ca. 95 % bis 98 % vom Betrag der Kostenschätzung ab. Die Kostenschätzung des Beklagten beruhte auf einer Haushaltsunterlage (HU-Bau), welche vom Dezember 2010 stammte, was es zumindest nachvollziehbar erscheinen lässt, dass diese Kostenschätzung nicht das zum Zeitpunkt des Beginns des Vergabeverfahrens im März 2012 aktuelle Markt- und Preisniveau widerspiegelte und die festgestellte erhebliche Abweichung zwischen dem so ermittelten Betrag und den Angebotsendsummen hierauf beruhte (vgl. nur Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 17.05.2011, Verg W 16/10, VergabeR 2012, 124). Der Beklagte hat es in erster Instanz trotz eines entsprechenden Hinweises des Landgerichts mit Verfügung vom 03.03.2013 (GA Bd. II Bl. 100) und auch im Berufungsverfahren versäumt, Einzelheiten zu seiner Kostenschätzung vorzutragen, was ihm im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast oblegen hätte. Der bloße Verweis auf den ausführenden Architekten vermag einen solchen substantiierten Vortrag nicht zu ersetzen. Der Beklagte hat im vorvertraglichen Verhältnis zu den Bietern auch für etwaige Fehler des Architekten nach § 278 BGB einzustehen. Allein die - als wahr unterstellte - Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Architekten im Allgemeinen lässt nicht ohne weiteres den Schluss auf eine nachvollziehbare und vertretbare Kostenschätzung im vorliegenden Fall und insbesondere auf eine - notwendige - Anpassung der aus dem Dezember 2010 stammenden ursprünglichen Kostenschätzung auf die für März 2012 zu prognostizierenden Marktverhältnisse zu. Der (Gegen-)Beweisantritt des Beklagten ist auf eine prozessual unzulässige Ausforschung des Sachverhalts durch das Gericht gerichtet und war deswegen unbeachtet zu lassen. Soweit sich der Beklagte darauf berufen hat, dass ihm ein vereinzelter Vortrag zu seiner eigenen Kostenschätzung wegen des erforderlichen Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nicht zumutbar sei, vermag der Senat diese Einwendung nicht nachzuvollziehen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, woraus sich für eine inzwischen bereits vollzogene und abgeschlossene Baumaßnahme ein Geheimhaltungsinteresse für die bis zur Einleitung des ersten Vergabeverfahrens gültige Kostenschätzung ergeben könnte. Jedenfalls ist hier bei der anzustellenden Abwägung zwischen dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin und dem Geheimhaltungsinteresse des Beklagten von einem Überwiegen des erstgenannten Interesses auszugehen.

32

2. Die schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten in Form einer Aufhebung der Ausschreibung ohne einen Aufhebungsgrund i.S. von § 17 Abs. 1 VOB/A ist für den mit dem Hauptantrag geltend gemachten Schaden - das positive Interesse der Klägerin an einer Zuschlagserteilung auf ihr Angebot 2 - nicht ursächlich gewesen, weil das Angebot 2 der Klägerin auszuschließen gewesen wäre.

33

a) Dem durch eine rechtswidrige Aufhebung geschädigten Vermögen kann der entgangene Gewinn nur dann zugerechnet werden, wenn derselbe Auftrag bzw. ein oder mehrere Aufträge über die im Wesentlichen identischen Leistungen tatsächlich vergeben wird bzw. werden und es bei einem fiktiven rechtmäßigen Verlauf des aufgehobenen Vergabeverfahrens der Anspruchsteller gewesen wäre, der den Auftrag hätte erhalten müssen (vgl. BGH, Urteil v. 15.01.2013, X ZR 155/10 „Parkhaussanierung“, VergabeR 2013, 434; Urteil v. 20.11. 2012, X ZR 108/10 „Friedhofserweiterung“, VergabeR 2013, 208 m.w.N.; vgl. Scharen in: Willenbruch/Wieddekind, Kompaktkomm. Vergaberecht, 3. Aufl. 2014, 14. Los, § 126 GWB Rn. 56).

34

b) Von einer tatsächlichen Beauftragung Dritter durch den Beklagten mit den Leistungen, welche Gegenstand des aufgehobenen Vergabeverfahrens waren, ist hier mangels eines Bestreitens der entsprechenden Behauptung der Klägerin durch den Beklagten auszugehen. Das Landgericht hat diesen Umstand zutreffend als unstreitigen Vortrag behandelt.

35

c) Der Senat ist insbesondere aufgrund der Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin im Termin vom 21.05.2014 davon überzeugt, dass die Klägerin im Vergabeverfahren nicht vorsätzlich unwahre Angaben zur beabsichtigten Leistungsausführung gemacht hat, so dass ein Ausschluss wegen hierauf beruhender Zweifel an der Zuverlässigkeit nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Allerdings enthielt bei objektiver Betrachtung auch das zum Ablauf der Angebotsfrist vorliegende und danach dem Nachverhandlungs- und Änderungsverbot unterliegende Angebot 2 der Klägerin die Angabe, dass alle angebotenen Leistungen vollständig im eigenen Betrieb ausgeführt werden sollen. Ein Hinweis auf Nachunternehmer ergibt sich weder aus dem hierfür vorgesehenen Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen (Formblatt 235 EG) noch aus der Vorlage von Eignungsnachweisen der Nachunternehmer. Dem gegenüber sind für die Auslegung des Angebots die Erläuterungen zur Preisermittlung (Formblatt 221) nicht maßgeblich, zumal sie auch nicht erkennen lassen, für welche Teilleistungen u.U. Nachunternehmer zum Einsatz kommen sollen. Diese Angabe der Klägerin im Angebot 2 war objektiv unwahr, denn die Klägerin beabsichtigte nach ihren eigenen Angaben und insbesondere auch nach ihren Ausführungen im Aufklärungsgespräch vom 15.05.2012 von Anfang an, eine Nachunternehmerin für besonders anspruchsvolle Tischlerarbeiten einzusetzen. Ihr musste auch bewusst sein bzw. sie hätte aus der Gesamtschau der Vergabeunterlagen ohne weiteres erkennen können, dass es dem Beklagten auf eine wahrheitsgemäße Information über einen Nachunternehmereinsatz und über die Eignung des Nachunternehmers für die ihm übertragenen Aufgaben ankam. Anders als die Vergabekammer, deren Bewertung das Zivilgericht nicht bindet, weil sie keinen Eingang in eine bestandskräftige Feststellung eines Vergabeverstoßes der Beklagten gefunden hat, vermag der Senat insoweit aber einen Vorsatz der Klägerin nicht festzustellen. Die objektiv fehlerhafte Ausfüllung von Formularen und die Unvollständigkeit der Angebotsunterlagen allein rechtfertigt hier diesen Rückschluss nicht. Gegen ein vorsätzliches Verhalten sprechen neben den - zu den Erklärungen der vollständigen Eigenausführung im Widerspruch stehenden - Erläuterungen zur Preisermittlung insbesondere der Umstand, dass die Klägerin im Aufklärungsgespräch auf entsprechende Nachfrage des Beklagten die beabsichtigte Einschaltung einer bestimmten Nachunternehmerin sofort eingeräumt und hinsichtlich der hiervon betroffenen Teilleistungen konkretisiert hat, und der weitere Umstand, dass sie zur unverzüglichen Nachreichung der erforderlichen Verpflichtungserklärung der Nachunternehmerin in der Lage war. Dem Verlauf des Vergabeverfahrens bis zur Aufhebung lässt sich schließlich entnehmen, dass der Beklagte nach der Offenbarung des beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes durch die Klägerin deren ursprüngliche Angaben im elektronischen Angebot 2 nicht als vorsätzlich falsche Angabe bewertet hatte.

36

d) Gleichwohl hätte auch bei einem ordnungsgemäßen Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag jedenfalls nicht auf das Angebot 2 der Klägerin erteilt werden dürfen. Die Angebote der Klägerin wären als vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot auszuschließen gewesen.

37

aa) Die Vergabekammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass jeder Bieter in einem Vergabeverfahren grundsätzlich nur ein Hauptangebot abgeben darf und dass mehrere gleichzeitig vorliegende Hauptangebote eines Bieters grundsätzlich unzulässig sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Bieters an der Abgabe zweier (oder mehrerer) Hauptangebote nicht vorliegt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.03. 2011, VII-Verg 52/10 „Verblendmauerwerk“, VergabeR 2011, 598; Beschluss v. 01.10.2012, VII-Verg 34/12; OLG München, Beschluss v. 06.12.2012, Verg 25/12 „Uhrenanlage“, VergabeR 2013, 492; Beschluss v. 29.10.2013, Verg 11/13 „Mensateria“, VergabeR 2014, 436). Die Regelungen zum Vergabeverfahren gehen davon aus, dass jeder Bieter nur ein Hauptangebot abgibt und daneben nur Angebote mit abweichenden technischen Spezifikationen, d.h. technisch unterschiedliche Hauptangebote (vgl. §§ 13 Abs. 2, 16 Abs. 7 VOB/A) oder Nebenangebote (vgl. §§ 13 Abs. 3, 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. e) und f), 16a Abs. 3 VOB/A) in Betracht kommen; bei gleichzeitiger Abgabe mehrerer technisch gleicher Angebote wird vermutet, dass der Bieter sich davon ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile gegenüber den Mitbewerbern verspricht (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/ Rusam, Handkomm. VOB, zuletzt 11. Aufl. 2008, § 25 VOB/A Rn. 149b). Die Berücksichtigung mehrerer Hauptangebote eines Bieters ist geeignet, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter im Vergabeverfahren zu verstoßen, weil der Bieter hierdurch seine Chancen auf Zuschlagserteilung u.U. erhöht. Zudem könnte die gleichzeitige Abgabe mehrerer Hauptangebote dem jeweiligen Bieter je nach dem Submissionsergebnis Gelegenheit zur Manipulation des Ausschreibungsergebnisses geben (vgl. auch Leinemann/Kirch VergabeNews 2008, 134). Die Gefahr einer Manipulation durch einen Bieter hat sich im Anwendungsbereich der VOB/A objektiv dadurch erhöht, dass der Auftraggeber bei unvollständigen Angeboten zur Nachforderung der fehlenden Erklärungen und Nachweise verpflichtet ist und es der Bieter durch die Erfüllung der Nachforderung bzw. durch deren Nichterfüllung in der Hand hat, ob er an jedes seiner Angebote gebunden bleibt oder nicht. Bei der Auslegung vergaberechtlicher Vorschriften ist zu berücksichtigen, dass Manipulationsmöglichkeiten sowohl der Bieter als auch des Auftraggebers möglichst ausgeschlossen sein sollen. Schließlich ist bei einer gleichzeitigen Abgabe mehrerer Angebote auch möglich, dass der Bieter sich nachträglich darauf beruft, dass in Wirklichkeit nur ein Angebot abgegeben worden sei und eines der vorliegenden Angebote durch das andere habe ersetzt werden sollen. Diese - auch hier von der Klägerin in Anspruch genommene - Konstellation ist vergleichbar mit einem Angebot mit zweifelhaften Änderungen des Bieters an seinen eigenen Eintragungen innerhalb dieses Angebots, die nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) i.V.m. 13 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 VOB/A zwingend zum Angebotsausschluss führen.

38

bb) Beim Beklagten sind insgesamt zwei Angebote der Klägerin innerhalb der Angebotsfrist eingegangen. Beide Angebote sind ihrem Charakter nach Hauptangebote, d.h. sie wurden auf der Grundlage des Amtsvorschlags ohne inhaltliche Abweichungen im Leistungsprogramm oder in den Vertragsbedingungen erstellt. Sie unterscheiden sich in ihrem Angebotsinhalt lediglich geringfügig hinsichtlich der Preise in zwei Leistungspositionen und - in Folge dessen - geringfügig im Angebotsendpreis. Die Angebote der Klägerin unterscheiden sich jedoch weiter hinsichtlich der beabsichtigten Ausführung und damit auch hinsichtlich ihrer Preisermittlungsgrundlagen: Das Angebot 1 fußt nach seinem objektiven Erklärungswert auf einer 100 %-igen Eigenleistung der Klägerin, dem Angebot 2 liegt tatsächlich eine umfangreiche Einbeziehung einer Nachunternehmerin für die höher qualifizierten Teilleistungen des Auftrags zugrunde. Während es bei isolierter Betrachtung des erst genannten Umstandes noch nahe liegen könnte, dass das Angebot 2 eine Korrektur des Angebots 1 im Hinblick auf eine Vertauschung der Einheitspreise für die zwei Leistungspositionen sein soll, trifft das auf den zuletzt genannten Umstand nicht ohne weiteres zu. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Klägerin von dieser unterschiedlichen Angebotsgestaltung wettbewerbliche Vorteile versprochen hat. So konnte das Angebot 1 aus Sicht der Klägerin ggf. bereits im Vergabeverfahren Bedeutung erlangen, wenn der Beklagte den vorgesehenen Nachunternehmer nicht für geeignet hielt. In der Vertragsdurchführung konnte eine Unklarheit über die Preisermittlungsgrundlagen des bezuschlagten Angebots im Fall von abändernden Anordnungen des Beklagten i.S. von § 1 VOB/B Bedeutung erlangen bzw. bei sonstigen Fällen, in denen nach § 2 Abs. 5 bzw. Abs. 6 VOB/B eine Preisanpassung unter Berücksichtigung der bisherigen Preisermittlungsgrundlagen in Betracht gekommen wäre. Soweit die Klägerin sich darauf berufen hat, dass ihr diese Möglichkeit jedenfalls im Ergebnis des Aufklärungsgesprächs vom 15.05.2012 genommen gewesen sei, kann offen bleiben, ob dies zutrifft. Denn schon allein im Hinblick darauf, dass der Klägerin wegen der gleichzeitigen Einreichung von zwei Hauptangeboten jedenfalls noch nach dem Ablauf der Angebotsfrist und damit nach dem Eintritt der Unveränderbarkeit der abgegebenen Angebote für alle Bieter exklusiv eine Möglichkeit eröffnet war, eines ihrer beiden - jeweils unvollständigen - Angebote in einem Zustand zu belassen, der zum Angebotsausschluss führte, und das andere Angebot zu vervollständigen, ggf. auch in Reaktion auf den Verlauf des Aufklärungsgesprächs, bestand die Chance eines Wettbewerbsvorteils der Klägerin und - damit korrespondierend - die Gefahr einer Benachteiligung aller anderen Bieter.

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cc) Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin geltend gemacht hat, dass das Angebot 2 statt des Angebots 1 und nicht selbständig neben diesem eingereicht worden sei. Maßgeblich ist im Vergabeverfahren insoweit die objektivierte Sicht der Vergabestelle. Der Beklagte hatte keine sichere Grundlage dafür, dass Angebot 1 nicht zu berücksichtigen und allein das Angebot 2 als eingereicht anzusehen sei. Beide Angebote lagen ihm vor und waren innerhalb der Angebotsfrist eingegangen. Das Angebot 2 enthielt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der wirkliche Wille der Klägerin darauf gerichtet gewesen sein könnte, mit dem Angebot 2 das Angebot 1 zu ersetzen. Dem Wortlaut des Angebots 2 war ein solcher Hinweis nicht zu entnehmen, obwohl es ohne weiteres möglich gewesen wäre, dies zum Beispiel in dem individuell von der Klägerin formulierten Anschreiben zum Ausdruck zu bringen. Im Übrigen wäre es jedenfalls möglich gewesen, sich außerhalb des Systems der eVergabe mit einer entsprechenden eindeutigen Äußerung an den Beklagten zu wenden, zum Beispiel per eMail; entsprechende Kontaktdaten waren in der Vergabebekanntmachung veröffentlicht worden. Auch hiervon hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Für eine telefonische Kontaktaufnahme und Verständigung zwischen den Prozessparteien am 24.04.2012, welche der Beklagte bestritten hat, ist die Klägerin beweisfällig geblieben. Soweit die Klägerin schließlich darauf verwiesen hat, dass der Beklagte im Submissionstermin in Kenntnis der Einreichung von zwei elektronischen Hauptangeboten durch die Klägerin nur das Angebot 2 in das Submissionsprotokoll eingetragen und im Rahmen des Aufklärungsgesprächs nur über das Angebot 2 gesprochen hat, liegt hierin kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte von der Ersetzung des Angebots 1 ausgegangen ist und ausgehen durfte. Zu diesem Zeitpunkt war der Wertungsvorgang noch nicht abgeschlossen, insbesondere hatte der Beklagte noch keine Veranlassung, über die Zuschlagsfähigkeit des Angebots 1 der Klägerin eine endgültige Entscheidung zu treffen. Es war nicht absehbar, wie der Beklagte bei einer entsprechenden Intervention der Klägerin, auch ihr Angebot 1 in die Wertung mit einzubeziehen, reagiert hätte.

40

IV. Der Hilfsantrag der Klägerin, welcher auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet ist, ist ganz überwiegend unbegründet.

41

1. Ein Anspruch auf Schadenersatz nach § 126 GWB ist schon dem Grunde nach nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin nach dem Vorausgeführten keine „echte Chance auf den Zuschlag“ hatte.

42

2. Allerdings hat die Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz ihres negativen Interesses im Hinblick auf die rechtswidrige Aufhebung der Ausschreibung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 und 241 Abs. 2 BGB. Denn hätte der Beklagte eine ordnungsgemäße Kostenschätzung vorgenommen, wozu er auch zum Schutze der potenziellen Bieter verpflichtet war, und hätte diese - wie hier zu unterstellen ist - zu dem Ergebnis geführt, dass mit Kosten in der Größenordnung der im Submissionstermin protokollierten Angebotsendsummen zu rechnen sei, so hätte er entweder für eine entsprechende Bereitstellung von Haushaltsmitteln Sorge getragen oder auf die Ausschreibung des Auftrags in dieser Form verzichtet. In beiden Fällen wäre es nicht zu einer kostenträchtigen Teilnahme der Bieter am Vergabeverfahren gekommen. Auch die Klägerin hätte ihre mit der Angebotserstellung, -erläuterung und -aufklärung verbundenen Aufwendungen erspart. Diese hypothetische Betrachtung rechtfertigt es, nicht nur dem Bestbieter, d.h. dem Bieter, der bei einem ordnungsgemäßen Verlauf des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen, einen Anspruch auf den Ersatz des negativen Interesses zuzusprechen, sondern allen teilnehmenden Bietern (vgl. auch Scharen, a.a.O., Rn. 55). Jedenfalls hätte der Beklagte die Entstehung von Aufwendungen der Klägerin für die Durchführung des Aufklärungsgesprächs am 15.05.2012 vermeiden können, wenn er entweder auf den Umstand der erheblichen Überschreitung seiner eigenen Kostenschätzung und seines Haushaltsansatzes unmittelbar nach dem Submissionstermin reagiert hätte oder wenn er den o.g. Ausschlussgrund für das Angebot 2 der Klägerin bereits vor der Einladung der Klägerin zum Aufklärungsgespräch erkannt und deswegen auf eine Aufklärung verzichtet hätte.

43

3. Der Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten beschränkt sich in der Höhe jedoch auf einen Betrag von 61,20 €.

44

a) Soweit die Klägerin als Schadenspositionen Personalkosten für die Angebotserstellung und Angebotserläuterung geltend macht, sind diese Kosten nicht als erstattungsfähig anzusehen. Die Personalkosten für eigene fest angestellte Mitarbeiter wären ihr auch dann entstanden, wenn sie nicht an der vorliegenden Ausschreibung teilgenommen hätte. Die Klägerin hat auch nicht etwa dargelegt, dass sie wegen der Teilnahme an der vorliegenden Ausschreibung andere Erwerbsmöglichkeiten nicht habe wahrnehmen können.

45

b) Als erstattungsfähig sind danach lediglich die Fahrkosten, die für die Wahrnehmung des Aufklärungsgesprächs notwendig waren, anzusehen (vgl. auch OLG Naumburg, Urteil v. 01.08.2013, 2 U 151/12 „ergänzende Rettungsdienstleistungen“, VergabeR 2014, 85). Das sind 61,20 € (vgl. GA Bd. I Bl. 57).

C.

46

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen beruht auf §§ 92 Abs. 1 und Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO.

47

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

48

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der Antrag ist schriftlich bei der Vergabekammer einzureichen und unverzüglich zu begründen. Er soll ein bestimmtes Begehren enthalten. Ein Antragsteller ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat einen Empfangsbevollmächtigten im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu benennen.

(2) Die Begründung muss die Bezeichnung des Antragsgegners, eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten sowie darlegen, dass die Rüge gegenüber dem Auftraggeber erfolgt ist; sie soll, soweit bekannt, die sonstigen Beteiligten benennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 232/00 Verkündet am:
5. November 2002
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
VOB/A § 26 Nr. 1, BGB § 276 a.F. Fa
Bei Geltung der VOB/A ist der Ausschreibende auch dann, wenn kein Aufhebungsgrund
nach § 26 Nr. 1 besteht, nicht schlechthin gezwungen, einen der
Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen.
BGH, Urt. v. 5. November 2002 - X ZR 232/00 - OLG Düsseldorf
LG Mönchengladbach
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen sowie die Richterin Mühlens und den
Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Streithelfers des Beklagten wird das am 7. November 2000 verkündete Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Dezember 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittel einschließlich der durch die Streithilfe entstandenen Kosten zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte schrieb auf der Grundlage der VOB/A die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten für die Errichtung eines Wohnheims öffentlich aus. Die Ausschreibung sah vor, daß das Gebäude mit einer Ziegelsteinverblendung zu ver-
sehen sei. Die Klägerin beteiligte sich an der Ausschreibung und gab das im Gesamtbetrag preisgünstigste Angebot (über 550 943,85 DM) ab.
Aufgrund der abgegebenen Angebote kam der Beklagte zu dem Schluß, daß bei Ausführung wie geplant und ausgeschrieben die zuvor erstellte Kostenschätzung um 30 % überschritten werde und bei einer solchen Überschreitung die vorgesehene teilweise Finanzierung des Bauvorhabens durch öffentliche Mittel nicht mehr möglich sei. Der Architekt des Beklagten, der diesem im Revisionsrechtszug als Streithelfer beigetreten ist, teilte der Klägerin deshalb mit, nach Einsichtnahme in die Angebote sei vom Landschaftsverband R. in Verbindung mit dem Beklagten die Entscheidung getroffen worden, entgegen der Ausschreibung keine Ziegelsteinverblendung zu wählen, sondern ein Wärmedämm -Verbundsystem anbringen zu lassen. Eine dies berücksichtigende Auswertung der vorliegenden Angebote habe ergeben, daß die Klägerin nicht mehr der günstigste Bieter sei. Ohne erneute Ausschreibung erhielt sodann ein anderer Bieter den Auftrag, das Bauwerk in der abgeänderten Form zu errichten.
Die Klägerin hat den ihr angeblich entgangenen Gewinn errechnet und diesen nebst der Gebühr für eine Besprechung mit ihrem Anwalt eingeklagt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das von der Klägerin angerufene Oberlandesgericht hat dieses Urteil abgeändert und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Gegen dieses Grundurteil wendet sich nunmehr der Streithelfer des Beklagten mit der Revision und dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist diesem Begehren entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision des Streithelfers des Beklagten hat in der Sache Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe sich gegenüber den Unternehmen, die sich an seiner Ausschreibung beteiligt hätten, verpflichtet , die Regeln der VOB/A einzuhalten. Diese Feststellung, welche das Berufungsgericht aufgrund tatrichterlicher Würdigung von dem Beklagten abgegebener Erklärungen getroffen hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
Rechtsfehlerfrei und ebenfalls unbeanstandet durch die Revision hat das Berufungsgericht ferner festgestellt, daß die Klägerin das nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A annehmbarste Angebot aller Bieter abgegeben hat.
2. Nach Meinung des Berufungsgerichts hätte dies zur Erteilung des Auftrags auf dieses Angebot hin führen müssen. Die Möglichkeit der Aufhebung der Ausschreibung, auf die sich der Beklagte zur Rechtfertigung seiner Vergabe eines Auftrags an einen anderen Bieter berufen habe, habe nämlich nicht bestanden.
Das bekämpft die Revision mit Erfolg.

a) Das Berufungsgericht hat nach seinen Feststellungen zur Geltung der VOB/A im Ausgangspunkt zutreffend geprüft, ob die Behauptungen des Beklagten einen Grund darlegen, die Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 b oder c VOB/A aufzuheben. Der Vortrag des Beklagten geht dahin, die abgegebenen
Angebote hätten nicht nur (mindestens) 30 % über der Kostenschätzung des von ihm eingeschalteten Architekten, sondern auch deutlich über dem Höchstbetrag gelegen, der für die gewünschte und eingeplante Förderung der Baumaßnahme durch öffentliche Mittel einzuhalten gewesen sei. Zur Erlangung der öffentlichen Mittel habe deshalb eine preiswertere Bauausführung gewählt werden müssen, die der dann beauftragte Bieter am kostengünstigsten angeboten habe.
Das Berufungsgericht hat diese Darlegung nicht ausreichen lassen, weil die erstellte Kostenschätzung offensichtlich falsch gewesen sei. Selbst der von der Klägerin angebotene Preis habe deutlich über den geschätzten Kosten gelegen. Die Schätzung des Architekten, für dessen Verhalten der Beklagte entsprechend § 278 BGB einzustehen habe, sei unzuverlässig gewesen; nach dem eigenen Vortrag des Beklagten seien auf der Grundlage der Kubatur des Baukörpers lediglich Erfahrungswerte für einen Quadratmeter (richtig: Kubikmeter )-Preis und die Kosten der Betriebstechnik in Ansatz gebracht worden. Richtigerweise hätte vor der Ausschreibung eine genauere Kostenberechnung angestellt werden müssen, wie sie nach DIN 276 zu den Grundleistungen der Leistungsphase 3 gemäß § 15 Abs. 2 HOAI gehöre.
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

b) Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß die Unternehmen, die sich an einer Ausschreibung beteiligen, für die der Ausschreibende die Einhaltung der Regeln der VOB/A zugesagt hat, erwarten können , daß der Ausschreibende sich im Hinblick darauf bereits im Vorfeld der Ausschreibung entsprechend verhalten hat. (vgl. Sen.Urt. v. 12.6.2001 - X ZR 150/99, BB 2001, 1449 ff.). Der Bieter darf deshalb davon ausgehen, daß nur Leistungen ausgeschrieben sind, von denen der Ausschreibende bei
pflichtgemäßer Ermittlung ihrer voraussichtlichen Kosten annehmen kann, sie mit den hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln auch bezahlen zu können. Bei dem gebotenen strengen Maßstab, der insoweit anzulegen ist (BGHZ 139, 259, 263), ist demgemäß eine Aufhebung der Ausschreibung regelmäßig dann nicht nach § 26 Nr. 1 b oder c VOB/A gerechtfertigt, wenn die fehlende Finanzierung bei einer mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführten Ermittlung des Kostenbedarfs bereits vor der Ausschreibung dem Ausschreibenden hätte bekannt sein müssen (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3641, insoweit nicht vollständig in BGHZ 139, 280 ff. abgedr.).

c) Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß Umstände, welche die Beantwortung der Frage der ausreichenden Finanzierung entscheidend beeinflussen , im vorhinein nicht feststehen; wie der Senat in der soeben genannten Entscheidung näher ausgeführt hat, muß sich der eine Ausschreibung ins Auge fassende Auftraggeber vielmehr aufgrund einer Prognose entscheiden, die aus nachträglicher Sicht unvollkommen sein kann. Es ist deshalb schon im Ansatz verfehlt, daß das Berufungsgericht der durchgeführten Kostenschätzung entgegengehalten hat, selbst das günstigste Bieterangebot habe deutlich über der Kostenschätzung gelegen, und schon aus dieser - erst nachträglich offenbar gewordenen - Differenz abgeleitet hat, die von dem Beklagten entsprechend § 278 BGB zu vertretende Kostenschätzung des Streithelfers sei offensichtlich falsch gewesen.

d) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht ferner, daß nach der Rechtsprechung des Senats nur unter besonderen Voraussetzungen eine Kostenschätzung ausreiche. Eine Prognose ist notwendigerweise Schätzung. Eine genaue Kostenberechnung kann aus dem genannten Grund im vorhinein nicht erfolgen. Möglich ist nur eine zeitnahe Aufstellung, die alle bereits bei ihrer Ausarbeitung erkennbaren Daten in einer der Materie angemessenen und me-
thodisch vertretbaren Weise unter Berücksichtigung vorhersehbarer Kostenentwicklungen berücksichtigt (Senat, aaO).
Ob eine solche Kostenermittlung gegeben ist, ist daher eine Frage des Einzelfalls. Das verbietet, eine Regel etwa dahin aufzustellen, daß Berechnungen , die ein Auftraggeber von seinem Architekten verlangen kann, zu fordern seien. Wenn - wie der Beklagte geltend gemacht hat - entsprechende Erfahrungswerte existieren, kann es vielmehr durchaus ausreichen, die voraussichtlichen Kosten für die Errichtung eines Gebäudes auf der Grundlage seines Kubikmetervolumens zu errechnen und - pauschalierte - Beträge für Erschließung , Gerät, Außenanlagen und Baunebenkosten hinzuzusetzen. Daß eine solchermaßen beschaffene Kostenschätzung, wie sie der Streithelfer der Beklagten gemäß Anlage BB 1 (GA 163 ff.) vorgenommen hat, keine unter den gegebenen Umständen des Falls dem Beklagten mögliche und zumutbare, vertretbare Prognose der voraussichtlich aufzubringenden Kosten darstellte, wird mithin von den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen.
3. Einer weiteren tatrichterlichen Aufklärung bedarf es deshalb jedoch nicht. Die Klage ist nämlich unabhängig davon unbegründet, ob der Beklagte - wie schon jetzt ohne Beanstandung durch die Revisionserwiderung und ohne sonst ersichtlichen Rechtsfehler vom Berufungsgericht angenommen worden und damit der revisionsrechtlichen Überprüfung zu Grunde zu legen ist - zwar finanziell nicht in der Lage war, selbst den günstigsten Angebotspreis der Klägerin für die ausgeschriebene Leistung zu bezahlen, dem Beklagten aber gleichwohl kein zur Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 VOB/A berechtigender Grund zur Seite stand. Maßgeblich hierfür ist die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der später tatsächlich ausgesprochene Auftrag nicht auf ein der Ausschreibung entsprechendes Angebot, sondern auf der Grundlage eines inhaltlich geänderten Angebots deutlich geringeren Kostenumfangs erteilt
worden ist. Diese Feststellung führt dazu, daß der mit der Klage geltend gemachte Anspruch der Klägerin, so gestellt zu werden, wie sie bei Erteilung des ausgeschriebenen Auftrags an sie gestanden hätte (sog. positives Interesse), nicht besteht.

a) In ständiger Rechtsprechung hat der Senat herausgearbeitet, daß trotz Geltung der VOB/A der Ausschreibende auch dann, wenn kein Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 VOB/A besteht, nicht gezwungen werden kann, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen. Es kann viele Gründe geben, die - unabhängig davon, ob sie die Voraussetzungen des § 26 Nr. 1 VOB/A erfüllen - den Ausschreibenden hindern, eine einmal in die Wege geleitete Ausschreibung ordnungsgemäß mit der Erteilung des Zuschlags an einen Bieter zu beenden (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3643). Hierzu kann sich ein Ausschreibender insbesondere dann veranlaßt sehen , wenn ein Zuschlag auf ein abgegebenes Angebot seine finanziellen Möglichkeiten übersteigt. Die Möglichkeit, bei einem sachlichen Grund eine Ausschreibung vorzeitig zu beenden, ist notwendige Folge davon, daß es ein Zweck des Vergaberechts ist, der öffentlichen Hand eine die Bindung der ihr anvertrauten Mittel und das Gebot sparsamer Wirtschaftsführung beachtende Beschaffung zu angemessenen Preisen zu ermöglichen und die Situation der öffentlichen Hand in dieser Hinsicht durch eine Erweiterung des Bewerberkreises und damit der Entscheidungsgrundlage zu verbessern. Damit wäre die Annahme , es müsse in jedem Fall eines eingeleiteten Vergabeverfahrens ein Zuschlag erteilt werden, schlechthin unvereinbar. Auch der Bieter, der im Rahmen einer geschehenen Ausschreibung das annehmbarste Angebot abgegeben hat, hat deshalb nicht von vornherein Anlaß, darauf zu vertrauen, daß ihm der ausgeschriebene Auftrag erteilt wird und er sein positives Interesse hieran realisieren kann. Regelmäßig kann vielmehr ein sachlich gerechtfertigter Vertrauenstatbestand , der zu einem Ersatz entgangenen Gewinns einschließenden An-
spruch führen kann, erst dann gegeben sein, wenn der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich - wenn auch unter Verstoß gegen die VOB/A - erteilt wurde. Erst durch die Erteilung des Auftrags erweist es sich als berechtigt, auf die eine Realisierung von Gewinn einschließende Durchführung der ausgeschriebenen Maßnahme vertraut zu haben. Unterbleibt die Vergabe des Auftrags, kommt hingegen regelmäßig nur eine Entschädigung im Hinblick auf Vertrauen in Betracht , nicht im Ergebnis nutzlose Aufwendungen für die Erstellung des Angebots und die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren tätigen zu müssen (BGHZ 139, 259 ff.). Ein derartiger auf das negative Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch ist jedoch nicht Streitgegenstand der vorliegenden Klage.

b) Der vorliegende Sachverhalt gehört zu den Fällen, in denen der Ausschreibende jedenfalls einen sachlichen Grund geltend machen kann, die begonnene Ausschreibung nicht fortzusetzen, und es deshalb zu einer Erteilung des ausgeschriebenen Auftrags nicht kommt. Wie in den Fällen, in denen die Ausschreibung unberechtigterweise aufgehoben und der Auftraggeber erst nach einer erneuten Ausschreibung einen Auftrag erteilt (vgl. hierzu Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3644), könnte der nach dem Vorgesagten maßgebliche Rückschluß, daß der annehmbarste Bieter berechtigterweise darauf vertrauen durfte, den Auftrag zu erhalten, gleichwohl dann gezogen werden, wenn der später tatsächlich erteilte Auftrag bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise das gleiche Vorhaben und den gleichen Auftragsgegenstand betrifft. Bestehen insoweit erhebliche Unterschiede, kommt ein solcher Schluß hingegen regelmäßig nicht in Betracht. Die Unterschiede stehen dann dafür, daß der ausgeschriebene Auftrag nicht zur Ausführung gelangt ist. Ein Anspruch , der den Ersatz entgangenen Gewinns einschließt, kann deshalb in diesen Fällen regelmäßig nur dann bestehen, wenn der sich übergangen fühlende Bieter auf Besonderheiten verweisen kann, die den Auftraggeber hätten veranlassen müssen, ihm - auch - den geänderten Auftrag zu erteilen.


c) Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Auftrag, der von dem Beklagten dem Drittbieter dann ohne erneute Ausschreibung erteilt worden ist, nicht den gleichen Gegenstand betraf wie der ausgeschriebene Auftrag. Während die ausgeschriebenen Arbeiten der Herstellung eines Gebäudes in Verblendmauerwerk dienen sollten, beinhaltete der erteilte Auftrag die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten für ein mit einem Wärmedämmputz versehenes Gebäude. Die Änderung betraf damit eine wesentliche technische Beschaffenheit des Gebäudes ebenso wie sein äußeres Erscheinungsbild. Sie bedeutete auch aus wirtschaftlicher Sicht eine grundlegende Abweichung. Das wird nicht zuletzt durch die von dem Beklagten erzielte Kosteneinsparung belegt. Da der Beklagte sich entschieden hatte, die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten als Einheit von einem Bieter durchführen zu lassen, erweist es sich mithin als unberechtigt, wenn die Klägerin darauf vertraut haben sollte, gleichwohl als Folge ihres Angebots, das die Schaffung von Verblendmauerwerk vorsah, einen Auftrag für die Errichtung eines Gebäudes mit Wärmedämmputz zu erhalten. Besonderheiten, welche den Beklagten dennoch hätten veranlassen müssen, der Klägerin den eingeschränkten Auftrag zu erteilen, sind nicht festgestellt; Rügen sind insoweit nicht erhoben.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 232/00 Verkündet am:
5. November 2002
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
VOB/A § 26 Nr. 1, BGB § 276 a.F. Fa
Bei Geltung der VOB/A ist der Ausschreibende auch dann, wenn kein Aufhebungsgrund
nach § 26 Nr. 1 besteht, nicht schlechthin gezwungen, einen der
Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen.
BGH, Urt. v. 5. November 2002 - X ZR 232/00 - OLG Düsseldorf
LG Mönchengladbach
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen sowie die Richterin Mühlens und den
Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Streithelfers des Beklagten wird das am 7. November 2000 verkündete Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Dezember 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittel einschließlich der durch die Streithilfe entstandenen Kosten zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte schrieb auf der Grundlage der VOB/A die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten für die Errichtung eines Wohnheims öffentlich aus. Die Ausschreibung sah vor, daß das Gebäude mit einer Ziegelsteinverblendung zu ver-
sehen sei. Die Klägerin beteiligte sich an der Ausschreibung und gab das im Gesamtbetrag preisgünstigste Angebot (über 550 943,85 DM) ab.
Aufgrund der abgegebenen Angebote kam der Beklagte zu dem Schluß, daß bei Ausführung wie geplant und ausgeschrieben die zuvor erstellte Kostenschätzung um 30 % überschritten werde und bei einer solchen Überschreitung die vorgesehene teilweise Finanzierung des Bauvorhabens durch öffentliche Mittel nicht mehr möglich sei. Der Architekt des Beklagten, der diesem im Revisionsrechtszug als Streithelfer beigetreten ist, teilte der Klägerin deshalb mit, nach Einsichtnahme in die Angebote sei vom Landschaftsverband R. in Verbindung mit dem Beklagten die Entscheidung getroffen worden, entgegen der Ausschreibung keine Ziegelsteinverblendung zu wählen, sondern ein Wärmedämm -Verbundsystem anbringen zu lassen. Eine dies berücksichtigende Auswertung der vorliegenden Angebote habe ergeben, daß die Klägerin nicht mehr der günstigste Bieter sei. Ohne erneute Ausschreibung erhielt sodann ein anderer Bieter den Auftrag, das Bauwerk in der abgeänderten Form zu errichten.
Die Klägerin hat den ihr angeblich entgangenen Gewinn errechnet und diesen nebst der Gebühr für eine Besprechung mit ihrem Anwalt eingeklagt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das von der Klägerin angerufene Oberlandesgericht hat dieses Urteil abgeändert und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Gegen dieses Grundurteil wendet sich nunmehr der Streithelfer des Beklagten mit der Revision und dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist diesem Begehren entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision des Streithelfers des Beklagten hat in der Sache Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe sich gegenüber den Unternehmen, die sich an seiner Ausschreibung beteiligt hätten, verpflichtet , die Regeln der VOB/A einzuhalten. Diese Feststellung, welche das Berufungsgericht aufgrund tatrichterlicher Würdigung von dem Beklagten abgegebener Erklärungen getroffen hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
Rechtsfehlerfrei und ebenfalls unbeanstandet durch die Revision hat das Berufungsgericht ferner festgestellt, daß die Klägerin das nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A annehmbarste Angebot aller Bieter abgegeben hat.
2. Nach Meinung des Berufungsgerichts hätte dies zur Erteilung des Auftrags auf dieses Angebot hin führen müssen. Die Möglichkeit der Aufhebung der Ausschreibung, auf die sich der Beklagte zur Rechtfertigung seiner Vergabe eines Auftrags an einen anderen Bieter berufen habe, habe nämlich nicht bestanden.
Das bekämpft die Revision mit Erfolg.

a) Das Berufungsgericht hat nach seinen Feststellungen zur Geltung der VOB/A im Ausgangspunkt zutreffend geprüft, ob die Behauptungen des Beklagten einen Grund darlegen, die Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 b oder c VOB/A aufzuheben. Der Vortrag des Beklagten geht dahin, die abgegebenen
Angebote hätten nicht nur (mindestens) 30 % über der Kostenschätzung des von ihm eingeschalteten Architekten, sondern auch deutlich über dem Höchstbetrag gelegen, der für die gewünschte und eingeplante Förderung der Baumaßnahme durch öffentliche Mittel einzuhalten gewesen sei. Zur Erlangung der öffentlichen Mittel habe deshalb eine preiswertere Bauausführung gewählt werden müssen, die der dann beauftragte Bieter am kostengünstigsten angeboten habe.
Das Berufungsgericht hat diese Darlegung nicht ausreichen lassen, weil die erstellte Kostenschätzung offensichtlich falsch gewesen sei. Selbst der von der Klägerin angebotene Preis habe deutlich über den geschätzten Kosten gelegen. Die Schätzung des Architekten, für dessen Verhalten der Beklagte entsprechend § 278 BGB einzustehen habe, sei unzuverlässig gewesen; nach dem eigenen Vortrag des Beklagten seien auf der Grundlage der Kubatur des Baukörpers lediglich Erfahrungswerte für einen Quadratmeter (richtig: Kubikmeter )-Preis und die Kosten der Betriebstechnik in Ansatz gebracht worden. Richtigerweise hätte vor der Ausschreibung eine genauere Kostenberechnung angestellt werden müssen, wie sie nach DIN 276 zu den Grundleistungen der Leistungsphase 3 gemäß § 15 Abs. 2 HOAI gehöre.
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

b) Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß die Unternehmen, die sich an einer Ausschreibung beteiligen, für die der Ausschreibende die Einhaltung der Regeln der VOB/A zugesagt hat, erwarten können , daß der Ausschreibende sich im Hinblick darauf bereits im Vorfeld der Ausschreibung entsprechend verhalten hat. (vgl. Sen.Urt. v. 12.6.2001 - X ZR 150/99, BB 2001, 1449 ff.). Der Bieter darf deshalb davon ausgehen, daß nur Leistungen ausgeschrieben sind, von denen der Ausschreibende bei
pflichtgemäßer Ermittlung ihrer voraussichtlichen Kosten annehmen kann, sie mit den hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln auch bezahlen zu können. Bei dem gebotenen strengen Maßstab, der insoweit anzulegen ist (BGHZ 139, 259, 263), ist demgemäß eine Aufhebung der Ausschreibung regelmäßig dann nicht nach § 26 Nr. 1 b oder c VOB/A gerechtfertigt, wenn die fehlende Finanzierung bei einer mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführten Ermittlung des Kostenbedarfs bereits vor der Ausschreibung dem Ausschreibenden hätte bekannt sein müssen (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3641, insoweit nicht vollständig in BGHZ 139, 280 ff. abgedr.).

c) Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß Umstände, welche die Beantwortung der Frage der ausreichenden Finanzierung entscheidend beeinflussen , im vorhinein nicht feststehen; wie der Senat in der soeben genannten Entscheidung näher ausgeführt hat, muß sich der eine Ausschreibung ins Auge fassende Auftraggeber vielmehr aufgrund einer Prognose entscheiden, die aus nachträglicher Sicht unvollkommen sein kann. Es ist deshalb schon im Ansatz verfehlt, daß das Berufungsgericht der durchgeführten Kostenschätzung entgegengehalten hat, selbst das günstigste Bieterangebot habe deutlich über der Kostenschätzung gelegen, und schon aus dieser - erst nachträglich offenbar gewordenen - Differenz abgeleitet hat, die von dem Beklagten entsprechend § 278 BGB zu vertretende Kostenschätzung des Streithelfers sei offensichtlich falsch gewesen.

d) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht ferner, daß nach der Rechtsprechung des Senats nur unter besonderen Voraussetzungen eine Kostenschätzung ausreiche. Eine Prognose ist notwendigerweise Schätzung. Eine genaue Kostenberechnung kann aus dem genannten Grund im vorhinein nicht erfolgen. Möglich ist nur eine zeitnahe Aufstellung, die alle bereits bei ihrer Ausarbeitung erkennbaren Daten in einer der Materie angemessenen und me-
thodisch vertretbaren Weise unter Berücksichtigung vorhersehbarer Kostenentwicklungen berücksichtigt (Senat, aaO).
Ob eine solche Kostenermittlung gegeben ist, ist daher eine Frage des Einzelfalls. Das verbietet, eine Regel etwa dahin aufzustellen, daß Berechnungen , die ein Auftraggeber von seinem Architekten verlangen kann, zu fordern seien. Wenn - wie der Beklagte geltend gemacht hat - entsprechende Erfahrungswerte existieren, kann es vielmehr durchaus ausreichen, die voraussichtlichen Kosten für die Errichtung eines Gebäudes auf der Grundlage seines Kubikmetervolumens zu errechnen und - pauschalierte - Beträge für Erschließung , Gerät, Außenanlagen und Baunebenkosten hinzuzusetzen. Daß eine solchermaßen beschaffene Kostenschätzung, wie sie der Streithelfer der Beklagten gemäß Anlage BB 1 (GA 163 ff.) vorgenommen hat, keine unter den gegebenen Umständen des Falls dem Beklagten mögliche und zumutbare, vertretbare Prognose der voraussichtlich aufzubringenden Kosten darstellte, wird mithin von den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen.
3. Einer weiteren tatrichterlichen Aufklärung bedarf es deshalb jedoch nicht. Die Klage ist nämlich unabhängig davon unbegründet, ob der Beklagte - wie schon jetzt ohne Beanstandung durch die Revisionserwiderung und ohne sonst ersichtlichen Rechtsfehler vom Berufungsgericht angenommen worden und damit der revisionsrechtlichen Überprüfung zu Grunde zu legen ist - zwar finanziell nicht in der Lage war, selbst den günstigsten Angebotspreis der Klägerin für die ausgeschriebene Leistung zu bezahlen, dem Beklagten aber gleichwohl kein zur Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 VOB/A berechtigender Grund zur Seite stand. Maßgeblich hierfür ist die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der später tatsächlich ausgesprochene Auftrag nicht auf ein der Ausschreibung entsprechendes Angebot, sondern auf der Grundlage eines inhaltlich geänderten Angebots deutlich geringeren Kostenumfangs erteilt
worden ist. Diese Feststellung führt dazu, daß der mit der Klage geltend gemachte Anspruch der Klägerin, so gestellt zu werden, wie sie bei Erteilung des ausgeschriebenen Auftrags an sie gestanden hätte (sog. positives Interesse), nicht besteht.

a) In ständiger Rechtsprechung hat der Senat herausgearbeitet, daß trotz Geltung der VOB/A der Ausschreibende auch dann, wenn kein Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 VOB/A besteht, nicht gezwungen werden kann, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen. Es kann viele Gründe geben, die - unabhängig davon, ob sie die Voraussetzungen des § 26 Nr. 1 VOB/A erfüllen - den Ausschreibenden hindern, eine einmal in die Wege geleitete Ausschreibung ordnungsgemäß mit der Erteilung des Zuschlags an einen Bieter zu beenden (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3643). Hierzu kann sich ein Ausschreibender insbesondere dann veranlaßt sehen , wenn ein Zuschlag auf ein abgegebenes Angebot seine finanziellen Möglichkeiten übersteigt. Die Möglichkeit, bei einem sachlichen Grund eine Ausschreibung vorzeitig zu beenden, ist notwendige Folge davon, daß es ein Zweck des Vergaberechts ist, der öffentlichen Hand eine die Bindung der ihr anvertrauten Mittel und das Gebot sparsamer Wirtschaftsführung beachtende Beschaffung zu angemessenen Preisen zu ermöglichen und die Situation der öffentlichen Hand in dieser Hinsicht durch eine Erweiterung des Bewerberkreises und damit der Entscheidungsgrundlage zu verbessern. Damit wäre die Annahme , es müsse in jedem Fall eines eingeleiteten Vergabeverfahrens ein Zuschlag erteilt werden, schlechthin unvereinbar. Auch der Bieter, der im Rahmen einer geschehenen Ausschreibung das annehmbarste Angebot abgegeben hat, hat deshalb nicht von vornherein Anlaß, darauf zu vertrauen, daß ihm der ausgeschriebene Auftrag erteilt wird und er sein positives Interesse hieran realisieren kann. Regelmäßig kann vielmehr ein sachlich gerechtfertigter Vertrauenstatbestand , der zu einem Ersatz entgangenen Gewinns einschließenden An-
spruch führen kann, erst dann gegeben sein, wenn der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich - wenn auch unter Verstoß gegen die VOB/A - erteilt wurde. Erst durch die Erteilung des Auftrags erweist es sich als berechtigt, auf die eine Realisierung von Gewinn einschließende Durchführung der ausgeschriebenen Maßnahme vertraut zu haben. Unterbleibt die Vergabe des Auftrags, kommt hingegen regelmäßig nur eine Entschädigung im Hinblick auf Vertrauen in Betracht , nicht im Ergebnis nutzlose Aufwendungen für die Erstellung des Angebots und die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren tätigen zu müssen (BGHZ 139, 259 ff.). Ein derartiger auf das negative Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch ist jedoch nicht Streitgegenstand der vorliegenden Klage.

b) Der vorliegende Sachverhalt gehört zu den Fällen, in denen der Ausschreibende jedenfalls einen sachlichen Grund geltend machen kann, die begonnene Ausschreibung nicht fortzusetzen, und es deshalb zu einer Erteilung des ausgeschriebenen Auftrags nicht kommt. Wie in den Fällen, in denen die Ausschreibung unberechtigterweise aufgehoben und der Auftraggeber erst nach einer erneuten Ausschreibung einen Auftrag erteilt (vgl. hierzu Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3644), könnte der nach dem Vorgesagten maßgebliche Rückschluß, daß der annehmbarste Bieter berechtigterweise darauf vertrauen durfte, den Auftrag zu erhalten, gleichwohl dann gezogen werden, wenn der später tatsächlich erteilte Auftrag bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise das gleiche Vorhaben und den gleichen Auftragsgegenstand betrifft. Bestehen insoweit erhebliche Unterschiede, kommt ein solcher Schluß hingegen regelmäßig nicht in Betracht. Die Unterschiede stehen dann dafür, daß der ausgeschriebene Auftrag nicht zur Ausführung gelangt ist. Ein Anspruch , der den Ersatz entgangenen Gewinns einschließt, kann deshalb in diesen Fällen regelmäßig nur dann bestehen, wenn der sich übergangen fühlende Bieter auf Besonderheiten verweisen kann, die den Auftraggeber hätten veranlassen müssen, ihm - auch - den geänderten Auftrag zu erteilen.


c) Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Auftrag, der von dem Beklagten dem Drittbieter dann ohne erneute Ausschreibung erteilt worden ist, nicht den gleichen Gegenstand betraf wie der ausgeschriebene Auftrag. Während die ausgeschriebenen Arbeiten der Herstellung eines Gebäudes in Verblendmauerwerk dienen sollten, beinhaltete der erteilte Auftrag die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten für ein mit einem Wärmedämmputz versehenes Gebäude. Die Änderung betraf damit eine wesentliche technische Beschaffenheit des Gebäudes ebenso wie sein äußeres Erscheinungsbild. Sie bedeutete auch aus wirtschaftlicher Sicht eine grundlegende Abweichung. Das wird nicht zuletzt durch die von dem Beklagten erzielte Kosteneinsparung belegt. Da der Beklagte sich entschieden hatte, die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten als Einheit von einem Bieter durchführen zu lassen, erweist es sich mithin als unberechtigt, wenn die Klägerin darauf vertraut haben sollte, gleichwohl als Folge ihres Angebots, das die Schaffung von Verblendmauerwerk vorsah, einen Auftrag für die Errichtung eines Gebäudes mit Wärmedämmputz zu erhalten. Besonderheiten, welche den Beklagten dennoch hätten veranlassen müssen, der Klägerin den eingeschränkten Auftrag zu erteilen, sind nicht festgestellt; Rügen sind insoweit nicht erhoben.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

(1) Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.

(2) Ein wirksam erteilter Zuschlag kann nicht aufgehoben werden. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. § 167 Absatz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(3) Die Entscheidung der Vergabekammer ergeht durch Verwaltungsakt. Die Vollstreckung richtet sich, auch gegen einen Hoheitsträger, nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder. Die Höhe des Zwangsgeldes beträgt mindestens 1 000 Euro und höchstens 10 Millionen Euro. § 61 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 150/99 Verkündet am:
12. Juni 2001
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
VOL/A
VOB/A
Die an der Vergabe öffentlicher Aufträge interessierten Bieter dürfen grundsätzlich
darauf vertrauen, daß der öffentliche Auftraggeber das Verfahren über
die Vergabe seiner Aufträge ordnungsgemäß und unter Beachtung der für ihn
geltenden Bedingungen einleitet und durchführt; eine Verletzung dieses Vertrauens
kann zu einer Haftung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei
Vertragsschluß führen.
VOL/A § 26
VOB/A § 26
An den schwerwiegenden Grund, der eine Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens
ermöglicht, sind strenge Maßstäbe anzulegen. Er ist ohne weiteres
nicht schon deshalb gegeben, weil der Ausschreibende bei der Einleitung oder
der Durchführung des Verfahrens fehlerhaft gehandelt hat.
BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99 - Hanseatisches Oberlandesgericht
Hamburg
LG Hamburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter
Dr. Melullis, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 22. Juli 1999 verkündete Urteil des 13. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen worden ist.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz mit der Begründung , ihr sei ein Auftrag zur Verschrottung von U-Bahnwaggons rechtswidrig vorenthalten worden.
Die Klägerin, die sich nach ihren Angaben mit der Verwertung von Rohstoffen befaßt, war in den Jahren 1993 und 1995 von der Beklagten mit der Verschrottung von Schienenfahrzeugen beauftragt worden. Unter Bezugnahme auf diese Geschäftsbeziehung bot ihr die Beklagte mit Schreiben vom 13. März 1996 weitere insgesamt 81 U-Bahn-Waggons zunächst zum Kauf an, wobei zugleich die Möglichkeit einer Verschrottung für den Fall angedeutet wurde, daß ein Verkauf nicht möglich sein sollte. Für die Abgabe von Angeboten wurde in dem Schreiben eine Frist bis zum 22. April 1996 gesetzt. Bis zu diesem Termin ging bei der Beklagten ein Angebot der Klägerin zur Verschrottung der Waggons ein, für die von der Beklagten eine Zuzahlung verlangt wurde. Weitere Offerten hatte die Beklagte nach Angaben der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt nicht erhalten.
Einige Wochen nach diesem Termin erteilte die Beklagte der Klägerin zunächst einen Teilauftrag über die Verschrottung von vier Diesellokomotiven; eine Entscheidung über den die U-Bahn-Waggons betreffenden Auftrag behielt die Beklagte sich demgegenüber vor. Nach dem Vorbringen der Klägerin stand die Beklagte zu diesem Zeitpunkt in Verhandlungen über einen möglichen Verkauf dieser Waggons nach Argentinien. Mit Rücksicht auf diese Bemühungen habe sie die Klägerin zunächst im Juli 1996 um die Verlängerung der Bindungsfrist für deren Gebot bis zum 15. August 1996 gebeten. Die Klägerin hat dem nach ihren Angaben nach einigem Zögern zugestimmt und in diesem Zusammenhang ihr Gebot für die Verschrottung von insgesamt 120 U-Bahn-
Waggons, um die es mittlerweile gegangen sei, auf einen Preis von 16.500,-- DM je Waggon reduziert. Nachdem sich einige Zeit darauf die Verkaufsverhandlungen der Beklagten mit dem argentinischen Abnehmer zerschlagen hatten, machte ein dritter Anbieter noch vor dem 31. Juli 1996 der Beklagten ein Angebot zur Verschrottung der Waggons zu einem Preis von 11.000,-- DM je Waggon. Dieses Angebot nahm die Beklagte in der Folge an.
Die Klägerin meint, bei rechtmäßigem und ordnungsgemäßem Vorgehen hätte sie den Zuschlag für die Verschrottung erhalten müssen. Sie hat daher die Beklagte auf Ersatz ihres entgangenen Gewinns in Anspruch genommen, den sie für die gesamte Zahl von 120 U-Bahn-Waggons mit insgesamt 928.067,35 DM beziffert hat. Nachdem außergerichtliche Bemühungen der Parteien gescheitert waren, hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen in Anspruch genommen. Dieser Klage hat das Landgericht dem Grunde nach stattgegeben, sie zur Höhe jedoch insoweit abgewiesen , als die Klägerin entgangenen Gewinn für die Verschrottung von mehr als 89 U-Bahn-Waggons begehrt hat. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen; auf das Rechtsmittel der Beklagten hat es die erstinstanzliche Entscheidung auch im übrigen abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:



Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung, mit der die Klägerin allein die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne ihr Ersatzbegehren auf die Nichteinhaltung einer Zusage über die Vergabe des Auftrages schon deshalb nicht mit Erfolg stützen, weil sie eine solche Zusage nicht habe nachweisen können.
Eine Verletzung der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge habe im vorliegenden Fall einen derartigen Anspruch ebenfalls nicht begründen können, weil die Beklagte hinsichtlich des hier in Frage stehenden Auftrages an diese Vorschriften nicht gebunden gewesen sei. Das Schreiben der Beklagten , auf das die Klägerin ihrerseits die Annahme eines Auftrages zur Verschrottung der Wagen angeboten habe, stelle lediglich eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten und zum Abschluß eines Vertrages dar, bei dem es sich - trotz des mißverständlichen Ausdrucks "Verkauf" - um einen Werkvertrag über die Verschrottung der Wagen habe handeln sollen. Dieser Aufforderung habe die Klägerin nicht entnehmen können, daß sich die Beklagte bei Vergabe und Abwicklung des Auftrages an die Regeln der VOL/A habe binden wollen. Für deren Geltung gebe der Text der Aufforderung nichts her. Der von der Klägerin zur Begründung ihres gegenteiligen Standpunktes angeführte Beschluß des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, nach dem bei öffentlichen Aufträgen grundsätzlich die Geltung der jeweils maßgeblichen Verdingungsordnung vereinbart werden solle, könne für die Auslegung des Schreibens der
Beklagten nicht herangezogen werden, da er zum einen nicht amtlich bekannt gemacht worden und zum anderen so allgemein gehalten und damit unpräzise sei, daß er keine geeignete Auslegungsgrundlage bilde. Zudem habe die Klägerin nicht einmal geltend gemacht, daß ihr dieser Beschluß vor der Vergabe des Auftrages bekannt geworden sei. Ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, daß die Beklagte als wesentlich von der Freien und Hansestadt Hamburg beeinflußte Kapitalgesellschaft Aufträge stets im Wege einer an die VOL gebundenen Ausschreibung vergeben müsse, bestehe nicht. Ebensowenig ergebe sich eine solche Bindung aus gesetzlichen Vorschriften. Die Regelung des § 57 a Abs. 1 HGrG betreffe ebenso wie die aufgrund dieser Vorschrift erlassene Vergabeverordnung das hier vorliegende Geschäft nicht, da der angestrebte Vertrag weder einen Liefer- noch einen Bauvertrag darstelle und die genannten Vorschriften des Vergaberechts auf solche Verträge beschränkt seien. Die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 könne nicht zur Anwendung kommen, da die Beklagte als juristische Person des Privatrechts nicht in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie falle. Die Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 richte sich zwar auch an von der öffentlichen Hand kontrollierte Privatunternehmen wie die Beklagte und erfasse ihrem Gegenstand nach neben Bau- und Lieferverträgen auch Dienstleistungsaufträge ; sie betreffe in diesem Kontext jedoch nicht das hier vorliegende Verschrottungsgeschäft. Im übrigen seien die Richtlinien, soweit ihre Anwendung in Betracht gezogen werden kann, zum Zeitpunkt der Aufforderung und der Auftragserteilung nicht in nationales Recht umgesetzt gewesen.
2. Diese Würdigung hält den Angriffen der Revision nicht vollen Umfanges stand.

a) Im rechtlichen Ansatz ist das Berufungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß insbesondere bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in deren Vorfeld ein Vertrauensverhältnis entstehen und dessen Verletzung Ersatzpflichten des öffentlichen Auftraggebers auslösen kann (Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, st. Rspr.). Diese können den entgangenen Gewinn eines nicht zum Zuge gekommenen Anbieters einschließen, insbesondere dann, wenn er ein berechtigtes und schutzwürdiges Vertrauen darauf hatte entwickeln können, den Auftrag zu erhalten, insbesondere dann, wenn ihm bei rechtmäßigem Vorgehen des Ausschreibenden der Auftrag hätte erteilt werden müssen (vgl. Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 48/97, MDR 1998, 1408 = NJW 1998, 3636).
Gegenstand des in diesem Zusammenhang zugunsten der möglichen Auftragnehmer geschützten Vertrauens ist insbesondere die Einhaltung der Regelungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge. Auf dieser Grundlage geschützt wird jedoch nur das Vertrauen in die Einhaltung solcher Regelungen, die der öffentliche Auftraggeber im jeweiligen Einzelfall zu beachten verpflichtet ist. Daß er sich darüber hinaus Bindungen unterwirft, für die es an einer rechtlichen Grundlage fehlt, kann der Bewerber um einen solchen Auftrag nicht ohne weiteres erwarten; ein hierauf gerichtetes Vertrauen wäre daher regelmäßig nicht schutzwürdig.

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht daher weiter angenommen, daß die Klägerin auf eine Vergabe des Auftrages zur Verschrottung der Fahrzeuge unter Beachtung der Vorschriften über Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge nur dann hätte vertrauen können und dürfen, wenn die Beklagte zu einer solchen Ausschreibung und Einhaltung dieser Regelungen verpflichtet
war. Die daran anschließende Würdigung des Berufungsgerichts, daß eine solche Pflicht nicht bestanden habe, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.
aa) Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, die Geltung der Verdingungsordnung sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Zu diesem Ergebnis ist das Berufungsgericht im Wege einer Auslegung der Erklärungen der Beteiligten, insbesondere der der Beklagten gelangt, die der revisionsgerichtlichen Überprüfung standhält. Diese ist, da die Würdigung und Auslegung von Willenserklärungen in erster Linie Aufgabe des Tatrichters ist, auf die Feststellung von Rechtsfehlern beschränkt. Solche werden von der Revision nicht aufgezeigt.
Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst darauf hingewiesen, daß der Inhalt des Aufforderungsschreibens der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte für einen auf die Geltung der Verdingungsordnung gerichteten Willen erkennen läßt. In diesem Schreiben (Anl. K 1) hat die Beklagte vielmehr im einzelnen die Bedingungen festgelegt, unter denen sie zur Abgabe der Waggons und zur Erteilung eines Auftrages über deren Verschrottung bereit war, und in diesem Zusammenhang ergänzend auf ihre Geschäftsbedingungen über den Verkauf von in ihrem Eigentum stehenden Gegenständen Bezug genommen. Die daran anschließende Würdigung des Berufungsgerichts, daß daneben für eine zumindest hilfsweise Geltung der VOL kein Raum mehr sei, ist jedenfalls vertretbar und muß im Revisionsverfahren hingenommen werden.
bb) Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, daß diese Beurteilung durch den Beschluß des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg nicht berührt werde, nach dem die von dem Bundesland abhängigen oder von
ihm kontrollierten privatrechtlichen Unternehmen Aufträge nur unter Einschluß der jeweiligen Verdingungsordnung zu erteilen hätten, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß dieser Beschluß das von der Klägerin entwickelte Vertrauen nur dann hätte beeinflussen können, wenn er ihr in den maßgeblichen Zeiträumen bekannt gewesen wäre. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf das Vorhandensein eines bestimmten Umstandes setzt voraus, daß dieser demjenigen , der das Vertrauen entwickelt, auch bekannt ist. Eine solche Kenntnis hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung des Vorbringens der Parteien verneint. Die Revision zeigt nicht auf, daß und welche Rechtsfehler ihm bei dieser Gelegenheit unterlaufen sind.
cc) Zu Recht hat es das Berufungsgericht schließlich auch abgelehnt, daraus Ansprüche zugunsten der Klägerin herzuleiten, daß diese sich auf Bitten der Beklagten mit einer Verlängerung der Bindungsfrist für ihr Gebot einverstanden erklärt hat. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, den Auftrag in der Folge zu erhalten, konnte die Klägerin hieraus um so weniger herleiten, als die Beklagte mit ihrer Bitte gerade zum Ausdruck gebracht hatte, den Auftrag - noch - nicht zu vergeben.

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Beklagte nicht bereits unmittelbar aufgrund des Beschlusses des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg als zur Durchführung einer Ausschreibung und zur Einhaltung der Bindungen aus der Verdingungsordnung für Leistungen verpflichtet angesehen. Insoweit kann mit dem Berufungsgericht offengelassen werden, ob der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg als Organ des Mehrheitsaktionärs der Beklagten für den Vorstand im internen Verhältnis dieser Beteiligten verbindli-
che Weisungen aussprechen kann. Eine unmittelbare Auswirkung käme einer solchen Weisung auch dann nicht zu. Als Aktiengesellschaft ist die Beklagte eine eigenständige und selbständige rechtsfähige juristische Person des Privatrechts. Im Außenverhältnis wird sie durch ihre Organe vertreten, zu denen der Mehrheitsgesellschafter und dessen Organe nicht gehören.
Im Verhältnis zur Klägerin wäre die Beklagte an den Beschluß des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg nur dann gebunden, wenn dieser nicht allein das interne Verhältnis zwischen ihren Organen und ihren Anteilsinhabern beträfe, sondern eine außerhalb dieses Verhältnisses ergangene allgemeine Regelung zum Gegenstand hätte, die Verbindlichkeit beanspruchen kann. Dazu müßte ihm Gesetzeskraft zukommen, die das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei schon im Hinblick auf die mangelnde Bekanntmachung des Beschlusses des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg verneint hat. Hier kommt weiter hinzu, daß es insoweit nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch an einer Verordnungsermächtigung fehlt, die der der Exekutive zuzurechnende Senat der Freien und Hansestadt Hamburg für einen mit Gesetzeskraft ausgestatteten Beschluß benötigt.

d) Im Ergebnis zu Recht beanstandet die Revision jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei auch aufgrund der Regelungen in den Richtlinien des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Vergabe öffentlicher Aufträge nicht zur Ausschreibung der Verschrottung der U-Bahn-Waggons verpflichtet gewesen. Dabei kann dahinstehen , ob - wie das Berufungsgericht meint - für das vorliegende Verfahren davon ausgegangen werden kann, daß die Richtlinie 92/50/EWG des Rates über die Koordinierung des Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsauf-
träge vom 18. Juni 1992 (ABl. EG Nr. L 209 v. 24.06.1992 S. 1) auf die Beklagte als Unternehmen des Privatrechts nicht anzuwenden ist, und auch von einer solchen mangelnden Anwendbarkeit insbesondere ohne Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgegangen werden kann. Einer solchen Vorabentscheidung bedurfte es jedenfalls vor einer Verneinung der Anwendbarkeit der Regelungen aus der Richtlinie 93/38/EWG zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor vom 14. Juni 1993 (ABl. EG Nr. L 199 v. 09.08.1993 S. 84).
Insoweit ist das Berufungsgericht zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen , daß diese Richtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 1 lit. a auch auf die Beklagte als öffentliches Unternehmen im Sinne der Regelung anzuwenden ist und als solche auch die Verschrottung von U-Bahn-Waggons erfassen kann. Das Berufungsgericht hat die Anwendbarkeit dieser Richtlinie in erster Linie deshalb verneint, weil die Verschrottung der alten Waggons nicht unter den Katalog des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie falle, auf den ihre Geltung für Unternehmen des Privatrechts nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie beschränkt sei. Diese Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift denkbar; sie ist jedoch nicht zwingend. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß die Verschrottung der Waggons lediglich das spiegelbildliche Gegenstück zur Beschaffung der für den Betrieb des Verkehrsnetzes erforderlichen Einrichtungen darstelle, die - obwohl ebenfalls in Art. 2 Abs. 2 lit. c der Richtlinie nicht ausdrücklich erwähnt - nach Sinn und Zweck der Regelung in den Katalog der ausschreibungspflichtigen Geschäfte einbezogen werden muß. Die vom Berufungsgericht angeführte Erwägung, daß die Verwertung ausgemusterter Fahrzeuge auch auf andere Weise als durch Verschrottung erfolgen könne, zwingt nicht
zu dem von ihm vollzogenen Schluß. Auch der Erwerb von Neufahrzeugen kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, wie Kauf, Miete, Leasing und Selbstbau in eigenen Werkstätten, ohne daß deswegen davon ausgegangen werden kann, daß er schlechthin einer Verpflichtung zur Ausschreibung entzogen wäre.
Die danach mit Blick auf die nicht eindeutige Rechtslage nach dem europäischen Gemeinschaftsrecht gebotene Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist auch nicht aufgrund der Hilfserwägung des Berufungsgerichts entbehrlich, die Beklagte sei, auch wenn das Gemeinschaftsrecht die förmliche Ausschreibung des Verschrottungsauftrages verlange, zu deren Durchführung nicht verpflichtet gewesen, weil der nationale Gesetzgeber die entsprechenden Richtlinien nicht bis zur Erteilung des Auftrages in nationales Recht umgesetzt habe.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften sind die nationalen Gerichte gehalten, auch vor einer solchen Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in Vorschriften des nationalen Rechts - gleich, ob sie vor oder nach der Richtlinie ergangen sind - bei ihrer Auslegung jedenfalls dann, wenn die Richtlinie unbedingt und hinreichend bestimmt ist (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 14.07.1994 - Rs C-91/92, NJW 1994, 2473 = EuZW 1994, 498), sich soweit wie möglich an Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten , so daß das mit dieser verfolgte Ziel in größtmöglichem Umfang erreicht wird (vgl. EuGH, Urt. v. 27.06.2000 - verbundene Rechtssachen Rs C-240/98 bis C-244/98, EuZW 2000, 506; s.a. EuGH, Urt. v. 13.11.1990 - Rs C-106/81, Slg. 1990, S. I-4135 u. Urt. v. 17.09.1997 - Rs C-54/96, NJW 1997, 3365). Das gilt auch für die Anwendung von Vorschriften im Verhältnis
privater Rechtsteilnehmer untereinander (EuGH, Urt. v. 27.06.2000 u. 14.07.1994, aaO; vgl. a. Henze, FS z. 50jährigen Bestehen des Bundesgerichtshofes , S. 144; Markus Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl., 1996, S. 19 f., jeweils m.w.N.). Daß in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Richtlinien aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht nicht fristgerecht in nationale Vorschriften umgesetzt worden sind, auch Ersatzansprüche der Betroffenen gegen den aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts säumigen Mitgliedstaat bestehen können, führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Diese Grundsätze sind auch im Zusammenhang mit der Dienstleistungs- und der Sektorenrichtlinie heranzuziehen, die beide eine unbedingte und hinreichend genau bestimmte Verpflichtung zur Ausschreibung insbesondere auch für Dienstleistungsaufträge Privater zum Gegenstand haben. In Anwendung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Grundsätze ist danach, soweit die Regelungen aus den Richtlinien auch Verträge wie den hier vorliegenden betreffen, die in den Verdingungsordnungen eröffnete Möglichkeit einer Ausschreibung und die daran anschließende Durchführung des Vergabeverfahrens als bindende Verpflichtung zu verstehen mit der Folge, daß ihre Verletzung Ersatzpflichten zugunsten der betroffenen Bieter auslösen kann.
3. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kommt die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften jedoch derzeit deshalb nicht in Betracht, weil die weiteren Voraussetzungen eines an die Verletzung einer Verpflichtung zur Ausschreibung anknüpfenden Ersatzanspruchs mit dem von der Klägerin verfolgten Ziel nicht hinreichend geklärt sind.
Auf die Frage, wie die Regelungen in der Sektoren- und der Dienstleistungsrichtlinie zu verstehen sind, kommt es nicht an, wenn Ersatzansprüche der Klägerin aus anderen Gründen ausscheiden sollten. Das ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht abschließend zu beurteilen.
Das nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats durch die Ausschreibung begründete Vertrauensverhältnis zwischen dem Ausschreibenden und den am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen, in dessen Rahmen die Verletzung eines berechtigten und schutzwürdigen Vertrauens Ersatzansprüche zugunsten des Betroffenen auslösen kann (vgl. etwa Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 109/96, NJW 1998, 3644 = MDR 1998, 1407; X ZR 85/97, NJW 1998, 3634 = DB 1998, 2365; X ZR 48/97, NJW 1998, 3636 = MDR 1998, 1408 u. X ZR 99/96, NJW 1998, 3640), betrifft nicht allein die Einhaltung der Vorschriften und Regeln über die Vergabe innerhalb des durch die Ausschreibung eingeleiteten Verfahrens; jedenfalls die an der Vergabe öffentlicher Aufträge interessierten Bieter dürfen grundsätzlich auch darauf vertrauen, daß der öffentliche Auftraggeber das Verfahren über die Vergabe selbst ordnungsgemäß einleitet und insbesondere die dafür auf seiner Seite geltenden Bindungen beachtet hat. Eine von ihm zu vertretende Verletzung dieser Regeln kann ebenfalls zu Ersatzansprüchen nach den Regeln über das Verschulden bei Vertragsschluß führen.
Die Schutzwürdigkeit des dieser Haftung zugrundeliegenden Vertrauens ergibt sich aus der - auch verfassungsrechtlich bestimmten - Bindung der öffentlichen Verwaltung an Gesetz und Recht, die aus der Sicht ihrer Vertragspartner auch bei privatrechtlichen Geschäften der öffentlichen Hand und der von ihr getragenen Unternehmen die Erwartung rechtfertigt, daß von diesen die
für sie geltenden Regeln und Vorschriften beachtet und eingehalten werden. Bei diesem Ansatz entfällt die Schutzwürdigkeit eines solchen Vertrauens jedoch dann, wenn der Geschäftspartner der öffentlichen Hand vor seiner jeweiligen Entscheidung über den Vertragsschluß oder dessen Vorbereitung erkannt hat oder ohne weiteres hätte erkennen müssen und k önnen, daß sein Vertragspartner von den für ihn geltenden Regeln abweicht oder abgewichen ist. Wer erkannt hat oder bereits bei Anwendung geringer Sorgfalt ohne weiteres hätte erkennen müssen, daß die andere Seite sich an das geltende Recht nicht hält, kann nicht damit gehört werden, er habe ein mit Recht und Gesetz übereinstimmendes Verhalten der Gegenseite erwartet. Schutzwürdig ist ein solches Vertrauen nur dort, wo nach dem gegebenen Sachverhalt die Erwartung auf Einhaltung dieser Regeln berechtigt erscheint.
Ob nach diesen Grundsätzen im vorliegenden Fall eine Haftung der Beklagten in Betracht kommt, ist nach dem festgestellten Sachverhalt nicht abschließend zu beurteilen. Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, daß die mangels einer Klärung dieser Frage durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften als rechtlich notwendig zu unterstellende Ausschreibung stattgefunden hat. Deren Durchführung hat das Berufungsgericht im Tatbestand seiner Entscheidung festgestellt. Diese Feststellung wird gestützt von dem Inhalt des an die Klägerin gerichteten Aufforderungsschreibens , auf dessen zweiter Seite die Bedingungen einer Ausschreibung ausdrücklich aufgeführt werden. Auch die Klägerin hat in ihrer Klage darauf hingewiesen, daß bis zum Ablauf der von der Beklagten in ihrer Aufforderung gesetzten Frist keine weiteren Gebote eingegangen seien, ohne daß die Beklagte dem entgegengetreten ist. Auch das deutet auf eine zumindest beschränkte Ausschreibung durch die Beklagte hin. Soweit das Berufungsgericht
im weiteren Gang des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe das Vorliegen einer Ausschreibung verneint, scheint das die rechtliche Wertung einer Geltung der VOL/A zu betreffen.
Hat eine Ausschreibung stattgefunden, leidet sie nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtlich allein daran, daß die Beklagte ihre Absicht, die Wagen zu verkaufen oder zu verschrotten, vor der Einleitung des Verfahrens nicht allgemein bekannt gemacht, und damit der auch im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung bestehenden Notwendigkeit nicht Rechnung getragen hat, anderen die Teilnahme an dem Verfahren zu ermöglichen. Darin liegt ein Verstoß gegen die die Beklagte vor Beginn der Ausschreibung treffenden Verpflichtungen, der eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo auslösen kann und in deren Rahmen eine Haftung auch auf den entgangenen Gewinn auslösen kann, wenn die Klägerin berechtigterweise auf die Erteilung des Zuschlags hätte vertrauen können und dürfen. Insoweit ist nach dem festgestellten Sachverhalt indessen nicht abschließend zu beurteilen, ob und in welchem Umfang ein solches Vertrauen der Klägerin sowohl auf die Einhaltung der Regeln als auch die Erteilung des Zuschlages schutzwürdig ist, insbesondere ob ihr bekannt oder unbekannt war, daß die Regelungen über die notwendige Bekanntmachung der Absicht einer beschränkten Ausschreibung von der Beklagten nicht eingehalten worden sind. Für eine solche Kenntnis könnte sprechen, daß der Klägerin von der Beklagten in der Vergangenheit bereits entsprechende Aufträge erteilt worden sind, wobei die Beklagte nach ihrer Darstellung im wesentlichen in gleicher Weise vorgegangen sein soll.
Demgegenüber würde es an dem für die Begründung der Haftung erforderlichen schutzwürdigen Vertrauen auf seiten der Klägerin fehlen, wenn für diese erkennbar eine Ausschreibung nicht stattgefunden hat oder ihr bekannt war, daß die Beklagte für sie geltende Regeln eines Ausschreibungsverfahrens nicht eingehalten hat.
4. Soweit die weitere Prüfung durch das Berufungsgericht zu dem Ergebnis führen sollte, daß die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten zumindest dem Grunde nach gegeben sind, entfällt diese nicht notwendig aus dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung, daß eine Haftung der Beklagten schon deshalb nicht in Betracht komme, weil sie wegen des Fehlers im Vorfeld der Ausschreibung jedenfalls berechtigt gewesen sei, die eingeleitete Ausschreibung aufzuheben und ein neues Verfahren einzuleiten.
War die Beklagte, was in diesem Zusammenhang für das Revisionsverfahren zunächst zu unterstellen ist, gemeinschaftsrechtlich zur Durchführung einer Ausschreibung verpflichtet, kann sie sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg auf die der Ausschreibung beigefügten Bedingungen berufen, nach denen sie jederzeit von einer Vergabe des Auftrages hat absehen können. Ihre Bestimmung wäre schon wegen der Verletzung der aus dem Gemeinschaftsrecht fließenden Verpflichtungen jedenfalls nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam, der auch im Verhältnis der Parteien Anwendung findet (§ 24 AGBG). Gestützt werden könnte eine solche Aufhebung allenfalls auf den Rechtsgedanken des § 26 Abs. 1 VOL/A, der - von den hier nicht vorliegenden Fällen der §§ 26 Abs. 1 lit. a und b abgesehen - eine solche Aufhebung an das Vorliegen schwerwiegender Gründe knüpft (§ 26 Abs. 1 lit. c VOL/A). Zu deren Annahme
genügt nicht, daß der Ausschreibende im Verlauf des Verfahrens rechtlich oder tatsächlich fehlerhaft gehandelt hat. Bei der Prüfung des schwerwiegenden Grundes im Sinne der Vorschrift sind vielmehr strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. für die inhaltsgleiche Regelung in der VOB/A Rusam in Heiermann /Riedl/Rusam, VOB, 9. Aufl., § 26 VOB/A Rdn. 8 m.w.N.). Dafür kann ein Fehler des Ausschreibenden schon deshalb nicht ohne weiteres genügen, weil er es anderenfalls in der Hand hätte, nach seiner freien Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Eine solche Folge wäre mit Sinn und Zweck des Ausschreibungsverfahrens, das - insbesondere auch im Hinblick auf die Vorgaben des Rechts der Europäischen Gemeinschaften - zu einer größeren Klarheit und Überprüfbarkeit von Vergabeentscheidungen der öffentlichen Hände führen sollte, nicht zu vereinbaren. Berücksichtigungsfähig sind daher grundsätzlich nur solche Mängel, die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrages selbst ausschließen, wie etwa das Fehlen der Bereitstellung der öffentlichen Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber (vgl. dazu Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 48/97, NJW 1998, 3636 = MDR 1998, 1408; X ZR 99/96, NJW 1998, 3640). Im einzelnen bedarf es für die Feststellung eines schwerwiegenden Grundes einer Interessenabwägung, für die maßgeblich die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls sind. Danach kann ein rechtlicher Fehler des Vergabeverfahrens zu einem schwerwiegenden Mangel in diesem Sinne führen, wenn er einerseits von so großem Gewicht ist, daß eine Bindung des öffentlichen Auftraggebers mit Gesetz und Recht nicht zu vereinbaren wäre und andererseits von dem an den öffentlichen Ausschreibungsverfahren teilnehmenden Unternehmen, insbesondere auch mit Blick auf die Schwere dieses Fehlers, erwartet werden kann, daß sie auf diese rechtlichen und tatsächlichen
Bindungen des Ausschreibenden Rücksicht nehmen. Auch für diese Würdigung reichen die bisher getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht aus.
Angesichts der damit verbleibenden tatsächlichen Unsicherheiten kommt nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand die Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht in Betracht. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das je
nach dem Ergebnis seiner Aufklärung auch die Möglichkeit einer eigenen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu prüfen haben wird.
Rogge Melullis Scharen
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 108/10 Verkündet am:
20. November 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Friedhofserweiterung
BGB §§ 133 E, 157 A; VOB/A § 26 Nr. 1 Buchst. c aF, § 17 Abs. 1 Nr. 3 nF

a) Der Erklärungswert der vom öffentlichen Auftraggeber vorformulierten Vergabeunterlagen
ist gemäß den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden, auf
den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter abstellenden Grundsätzen
zu ermitteln.

b) Der gestellten Vergabebedingung einer "rechtsverbindlichen" Unterzeichnung des
Angebots kommt lediglich der Erklärungsgehalt zu, dass der Unterzeichner bei
Angebotsabgabe über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt haben muss.

c) Wann die Aufhebung einer Ausschreibung wegen "deutlicher" Überschreitung des
vertretbar geschätzten Auftragswerts rechtmäßig ist, ist aufgrund einer umfassenden
Interessenabwägung zu entscheiden, bei der insbesondere zu berücksichtigen
ist, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich
überhöhten Preisbildung zugewiesen werden, die Aufhebung andererseits
aber auch kein Instrument zur Korrektur der in Ausschreibungen erzielten Submissionsergebnisse
sein darf (Weiterführung von BGH, Urteil vom 8. September 1998
- X ZR 48/97, BGHZ 139, 259 und Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, VergabeR
2001, 293).
BGH, Urteil vom 20. November 2012 - X ZR 108/10 - OLG München
LG Ingolstadt
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, den Richter
Gröning und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 5. Juli 2010 verkündete Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin beteiligte sich an der öffentlichen Ausschreibung der beklagten Gemeinde für eine Friedhofserweiterung mit Neubau der Friedhofsmauer und Aussegnungshalle. Die von der Beklagten gestellten Vordrucke für das Angebotsschreiben wiesen ein Feld für eine "rechtsverbindliche Unterschrift" und einen Stempel des Bieters auf und enthielten daneben den Hinweis: "Wird das Angebotsschreiben nicht an dieser Stelle rechtsverbindlich unterschrieben, gilt das Angebot als nicht abgegeben."
2
Die Klägerin gab ein Angebot ab, das unter Berücksichtigung eines Preisnachlasses mit einer Angebotssumme von 261.368,78 € abschloss. Es war von einer Angestellten ohne einen Vertretungszusatz unterzeichnet und mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen.
3
Das Angebot der Klägerin war, nachdem die Beklagte ein verspätet abgegebenes Angebot eines Wettbewerbers aus der Wertung nehmen musste, das preisgünstigste Angebot. Mit der Begründung, die Finanzierung sei nicht gesichert, hob die Beklagte das Vergabeverfahren auf und ging bei identischem Leistungsverzeichnis zur beschränkten Ausschreibung über, ohne die Klägerin daran zu beteiligen. Den Zuschlag erhielt ein Bewerber mit einem Angebotspreis von 242.000 €.
4
Die Klägerin hat Teilklage auf Erstattung ihres positiven Interesses in Höhe von 5.001 € erhoben, die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und widerklagend die Feststellung begehrt, dass der Klägerin auch kein weiterer Schadensersatz zusteht. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat angenommen, dass der Klägerin zwar kein Anspruch auf Erstattung des positiven Interesses zustehe, wohl aber ein solcher auf Ersatz des negativen Interesses aufgrund der Nichtbeteiligung an der zweiten Ausschreibung. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin die Klage insgesamt abgewiesen und nach dem Widerklageantrag erkannt.
5
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf das positive Interesse und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung sinngemäß im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin setze die Abgabe eines formal wirksamen Angebots voraus. Daran fehle es vor dem Hintergrund des von der Beklagten aufgestellten Erfordernisses einer rechtswirksamen Unterschrift. Dieses stelle klar, dass das Angebot wirksam zu sein habe und so gefasst sein müsse, dass es nur noch angenommen zu werden brauche , um den Auftraggeber von Ungewissheiten und Verzögerungen freizustellen , die mit der Unterzeichnung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht verbunden sein könnten. Es sei zu respektieren, wenn der Auftraggeber sich den daraus möglicherweise erwachsenden Schwierigkeiten nicht stellen wolle und deshalb über ein lediglich "unterschriebenes" Angebot hinaus die Rechtsverbindlichkeit der Angebotserklärung fordere. Für die Klägerin habe demgegenüber die Angestellte ohne Geschäftsführerin oder Prokuristin zu sein und ohne Vertretungskennzeichen gehandelt. Dass sie als Sekretärin mit der Bearbeitung von Ausschreibungsunterlagen betraut gewesen und nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme intern auch zur Unterschriftsleistung ermächtigt gewesen sei, genüge den Vorgaben der Beklagten nicht. Dieser sei nicht zuzumuten, erst durch weitere Nachforschungen zu klären, ob Vertretungsmacht vorgelegen habe.
7
II. Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin hatte ein wirksames Angebot abgegeben.
8
1. Das Berufungsgericht hat Inhalt und Bedeutung der Unterschriftsklausel nicht rechtsfehlerfrei ermittelt.
9
a) Mit der Unterschriftsklausel hat die Beklagte als Vergabestelle eine vorformulierte Vergabebedingung gestellt. Welcher Erklärungswert dem Inhalt von Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung des Umstands zu ermitteln, dass die Vergabeunterlagen von der Vergabestelle vorformuliert sind (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung). Maßgeblich für das Verständnis ist dabei der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; BGH, VergabeR 2008, 782 Rn. 10; BGH, Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10, VergabeR 2012, 724 Rn. 10 - Straßenausbau).
10
b) Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht geprüft hat, wie das Erfordernis einer "rechtsverbindlichen Unterschrift" aus Sicht der potenziellen Bieter zu verstehen war. Es scheint die Klausel dahin zu verstehen, dass sie nicht nur eine wirksame, den Bieter rechtlich bindende Unterzeichnung des Angebots verlangt, sondern dass auch nachgewiesen oder zumindest erkennbar sein muss, dass der Unterzeichner über gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt. Denn seine Feststellung, dass die Unterzeichnerin des von der Klägerin abgegebenen Angebots "intern zur Unterschrift berechtigt" gewesen sei, kann nicht anders verstanden werden, als dass die Unterzeichnerin des Angebots die Klägerin kraft ihr erteilter Vollmacht vertreten konnte. Seine Annahme, dass dies den Vorgaben der ausschreibenden Stelle nicht genüge, begründet das Berufungsgericht jedoch nur mit der Erwägung, es sei der Beklagten nicht zuzumuten, die Vertretungsberechtigung des Unterzeichners erst durch weitere Nachforschungen zu klären. Entscheidend ist jedoch nicht, was der Beklagten zuzumuten ist, sondern welche Erklärungen die Bieter den Vergabeunterlagen als ihnen abverlangt entnehmen konnten.
11
2. Da weitere Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind, kann der Senat die Auslegung der Unterschriftsklausel selbst vornehmen (vgl. BGH, VergabeR 2012, 724 Rn. 10 - Straßenausbau). Nach den maßgeblichen Verständnismöglichkeiten der mit der Ausschreibung angesprochenen Bieterkreise ist ihr der Erklärungsgehalt beizulegen, dass der Unterzeichner bei Angebotsabgabe über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt haben muss (in diesem Sinne bereits OLG Naumburg, NZBau 2008, 789, 791; ebenso Beck'scher VOB/A-Komm./Prieß § 21 Rn. 6 ff.). Der Gesichtspunkt einer interessengerechten Auslegung rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis.
12
Soweit das Berufungsgericht das Risiko vollmachtloser Vertretung bei Handeln einer Person, deren Vertretungsmacht nicht dem Inhalt des Handelsregisters entspreche und die sich auch nicht durch eine Vollmachtsurkunde legitimiere , für den öffentlichen Auftraggeber anspricht, ist schon fraglich, inwieweit die etwaige Erhebung dieses Einwands eines Bieters, der den Vertrag nicht erfüllen will, bei wirklichkeitsnaher Betrachtung erfolgversprechend und wahrscheinlich wäre. Jedenfalls wäre es mit dem Gebot der klaren und eindeutigen Abfassung von Vergabeunterlagen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung; BGH, VergabeR 2012, 724 Rn. 9) unvereinbar, der Klausel aufgrund der Hinzufügung des Attributs "rechtsverbindlich" (unterschrieben) nach dem Empfängerhorizont den Erklärungsgehalt beizulegen, mit dem Angebot müsse die Bevollmächtigung des Unterzeichners dokumentiert werden, wenn nicht die gesetzlichen Vertreter oder Prokuristen des bietenden Unternehmens unterschrieben haben (dagegen auch Prieß, aaO Rn. 12).
13
Der mit der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2004 (VergabeR 2005, 222) entschiedene Fall wies die Besonderheit auf, dass sich die Vertretungsbefugnis des Bieters, eines städtischen Eigenbetriebs, aus einer gesetzlichen Vorschrift, der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen, ergab und das Angebot nicht von der danach vertretungsberechtigten Person unterschrieben war. Für die Schlussfolgerung, dass das Angebot eines Formkaufmanns (§ 6 HGB) nur dann im Sinne der Unterschriftsklausel "rechtsverbindlich" unterschrieben ist, wenn es die Unterschrift des gesetzlichen Vertreters oder eines Prokuristen aufweist, oder ein Dritter seiner Unterschrift zumindest einen Vertretungszusatz hinzugefügt hat, bietet die Entscheidung dieses Falles keine Grundlage. Das Gesetz sieht bei Formkaufleuten eine "rechtswirksame", nicht aus dem Handelsregister ersichtliche Vertretung durch andere Personen als die gesetzlichen Vertreter und Prokuristen vor (§ 54 Abs. 1 HGB) und unterscheidet generell zwischen dem Bestehen von Vertretungsmacht und deren Nachweis. Der vom Berufungsgericht erwähnte Vertretungszusatz ist nicht konstitutiv für die Wirksamkeit der Erklärung einer zur Vertretung bevollmächtigten Person, sondern allenfalls für die Frage von Bedeutung, ob ihr Vertretungswille hinreichend hervortritt. Im Streitfall war der Wille, für die Klägerin zu handeln, nach den Umständen (Firmenstempel im Unterschriftsfeld einer die Klägerin als Bieterin benennenden Urkunde) offensichtlich (§ 164 Abs. 1 BGB).
III. Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben und die Sache zur Prü14 fung der weiteren Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
15
IV. Für die erneute Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
16
Ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch eines Bieters setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass dem Bieter bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen und dass der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag vergeben worden ist (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 48/97, BGHZ 139, 259; Urteil vom 26. Januar 2010 - X ZR 86/08, VergabeR 2010, 855 Rn. 16 - Abfallentsorgung I). Die letztere Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Danach kann die Klägerin ihr positives Interesse erstattet verlangen, wenn die Beklagte das erste Vergabeverfahren nicht vergaberechtskonform hätte aufheben dürfen, weil die Voraussetzungen aus § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A aF nicht vorlagen.
17
1. Ob es sich so verhält, wird nach Lage des Falles in erster Linie davon abhängen, ob die Differenz zwischen den geschätzten Kosten einerseits und den Angebotspreisen der ersten Ausschreibung andererseits eine Aufhebung nach § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A 2006 gestatteten.
18
a) Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kann es einen schwerwiegenden Grund zur Aufhebung darstellen, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280).
19
b) Für die Schätzung muss die Vergabestelle oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte Fachmann Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.
20
Die Gegenstände der Schätzung und der ausgeschriebenen Maßnahme müssen deckungsgleich sein. Maßgeblich dafür sind im Ausgangspunkt die Positionen des Leistungsverzeichnisses, das der konkret durchgeführten Ausschreibung zugrunde liegt. Das Ergebnis der Schätzung ist verwertbar, soweit sie mit diesem Leistungsverzeichnis übereinstimmt. Es ist gegebenenfalls anzupassen , soweit die der Schätzung zugrunde gelegten Preise oder Preisbe- messungsfaktoren im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens nicht mehr aktuell waren und sich nicht unerheblich verändert hatten.
21
c) Wann ein vertretbar geschätzter Auftragswert so "deutlich" überschritten ist, dass eine sanktionslose Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A aF/§ 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nF gerechtfertigt ist, lässt sich nicht durch allgemeinverbindliche Werte nach Höhe oder Prozentsätzen festlegen. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, VergabeR 2001, 293, 298). Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung weit jenseits einer vertretbaren Schätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in solchen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt sein müssen, dass andererseits das Institut der Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instrument zur Korrektur der in öffentlichen Ausschreibungen bzw. offenen Verfahren erzielten Submissionsergebnisse geraten darf. Außerdem ist zu berücksichtigen , dass § 26 Nr. 1 VOB/A aF (§ 17 Abs. 1 VOB/A nF) nach Sinn und Zweck der Regelung eng auszulegen ist (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 48/97, BGHZ 139, 259, 263) und dass auch mit angemessener Sorgfalt durchgeführte Schätzungen nur Prognoseentscheidungen sind, von denen die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Das Ausschreibungsergebnis muss deshalb in der Regel ganz beträchtlich über dem Schätzungsergebnis liegen, um die Aufhebung zu rechtfertigen.
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Dass der Auftrag nach der beschränkten Ausschreibung zu einer Auftragssumme von 242.000 € vergeben werden konnte, ist für die Frage, ob das wertungsfähige Submissionsergebnis der ersten Ausschreibung deutlich über- teuert war, nur von eingeschränktem Erkenntniswert. Denn dabei ist zu bedenken , dass das Submissionsergebnis der vorangegangenen öffentlichen Ausschreibung nach Maßgabe von § 22 VOB/A aF, § 14 VOB/A nF publik geworden ist und dass dies die Preisbildung im zweiten Vergabeverfahren beeinflussen konnte. Nach den Mechanismen des Marktes wird für einen Bieter, der das Ergebnis der ersten Ausschreibung kennt, die Annahme naheliegen, diesen Preis unterbieten zu müssen, um eine realistische Chance auf den Zuschlag zu haben, auch wenn das Angebot mit dem geringsten Preis (rd. 244.000 €) letztlich nicht gewertet werden durfte. Dass die Baumaßnahme zum Preis von 242.000 € durchgeführt wurde, rechtfertigt unter diesen Voraussetzungen nicht die Annahme, dass dieser Preis der Marktpreis (vgl. OLG Karlsruhe, VergabeR 2010, 96, 100) war.
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d) Erweist sich der geschätzte Auftragswert schon im Ausgangspunkt als nicht vertretbar, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Aufhebung auf die Differenz zwischen dem angemessenen Wert und dem wertungsfähigen Submissionsergebnis an.
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2. Soweit die Beklagte die Aufhebungsentscheidung mit der nicht gewährleisteten Sicherung der Finanzierung begründet hat, bemerkt der Senat, dass eine Aufhebung der Ausschreibung regelmäßig dann nicht vergaberechtskonform ist, wenn die fehlende Finanzierung auf Fehler des Auftraggebers bei der Ermittlung des Finanzierungsbedarfs und der daran anschließenden Einwerbung der benötigten Mittel zurückzuführen ist (BGHZ 139, 280, 286). Zur Vermeidung irregulärer Vergabeentscheidungen kann dem Auftraggeber darüber hinaus auch nicht gestattet sein, nach Gutdünken eine bestimmte Auftragssumme nachträglich für allein noch finanzierbar zu erklären. Im Streitfall hat die Beklagte nach ihrem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vorbringen den günstigsten Angebotspreis aus der beschränkten Ausschreibung als letztlich finanzierbar bezeichnet. Dies reicht nicht aus, um den Anspruch auf entgangenen Gewinn eines Bieters mit einem höheren, aber den vertretbar geschätzten Auftragswert nicht deutlich übersteigenden Preis erfolgreich infrage zu stellen.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens
Gröning Schuster
Vorinstanzen:
LG Ingolstadt, Entscheidung vom 04.11.2009 - 52 O 1231/08 -
OLG München, Entscheidung vom 05.07.2010 - 21 U 5466/09 -

(1) Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Zudem sind etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen. Sieht der öffentliche Auftraggeber Prämien oder Zahlungen an den Bewerber oder Bieter vor, sind auch diese zu berücksichtigen.

(2) Die Wahl der Methode zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts darf nicht in der Absicht erfolgen, die Anwendung der Bestimmungen des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder dieser Verordnung zu umgehen. Eine Auftragsvergabe darf nicht so unterteilt werden, dass sie nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder dieser Verordnung fällt, es sei denn, es liegen objektive Gründe dafür vor, etwa wenn eine eigenständige Organisationseinheit selbstständig für ihre Auftragsvergabe oder bestimmte Kategorien der Auftragsvergabe zuständig ist.

(3) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswerts ist der Tag, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet wird oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet wird.

(4) Der Wert einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems wird auf der Grundlage des geschätzten Gesamtwertes aller Einzelaufträge berechnet, die während der gesamten Laufzeit einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems geplant sind.

(5) Der zu berücksichtigende Wert im Falle einer Innovationspartnerschaft entspricht dem geschätzten Gesamtwert der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, die während sämtlicher Phasen der geplanten Partnerschaft stattfinden sollen, sowie der Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen, die zu entwickeln und am Ende der geplanten Partnerschaft zu beschaffen sind.

(6) Bei der Schätzung des Auftragswerts von Bauleistungen ist neben dem Auftragswert der Bauaufträge der geschätzte Gesamtwert aller Liefer- und Dienstleistungen zu berücksichtigen, die für die Ausführung der Bauleistungen erforderlich sind und vom öffentlichen Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Die Möglichkeit des öffentlichen Auftraggebers, Aufträge für die Planung und die Ausführung von Bauleistungen entweder getrennt oder gemeinsam zu vergeben, bleibt unberührt.

(7) Kann das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen. Erreicht oder überschreitet der geschätzte Gesamtwert den maßgeblichen Schwellenwert, gilt diese Verordnung für die Vergabe jedes Loses.

(8) Kann ein Vorhaben zum Zweck des Erwerbs gleichartiger Lieferungen zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen.

(9) Der öffentliche Auftraggeber kann bei der Vergabe einzelner Lose von Absatz 7 Satz 3 sowie Absatz 8 abweichen, wenn der geschätzte Nettowert des betreffenden Loses bei Liefer- und Dienstleistungen unter 80 000 Euro und bei Bauleistungen unter 1 Million Euro liegt und die Summe der Nettowerte dieser Lose 20 Prozent des Gesamtwertes aller Lose nicht übersteigt.

(10) Bei regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen oder Daueraufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen sowie bei Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums verlängert werden sollen, ist der Auftragswert zu schätzen

1.
auf der Grundlage des tatsächlichen Gesamtwerts entsprechender aufeinanderfolgender Aufträge aus dem vorangegangenen Haushaltsjahr oder Geschäftsjahr; dabei sind voraussichtliche Änderungen bei Mengen oder Kosten möglichst zu berücksichtigen, die während der zwölf Monate zu erwarten sind, die auf den ursprünglichen Auftrag folgen, oder
2.
auf der Grundlage des geschätzten Gesamtwerts aufeinanderfolgender Aufträge, die während der auf die erste Lieferung folgenden zwölf Monate oder während des auf die erste Lieferung folgenden Haushaltsjahres oder Geschäftsjahres, wenn dieses länger als zwölf Monate ist, vergeben werden.

(11) Bei Aufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, ist Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert

1.
bei zeitlich begrenzten Aufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten der Gesamtwert für die Laufzeit dieser Aufträge, und
2.
bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit oder mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten der 48-fache Monatswert.

(12) Bei einem Planungswettbewerb nach § 69, der zu einem Dienstleistungsauftrag führen soll, ist der Wert des Dienstleistungsauftrags zu schätzen zuzüglich etwaiger Preisgelder und Zahlungen an die Teilnehmer. Bei allen übrigen Planungswettbewerben entspricht der Auftragswert der Summe der Preisgelder und Zahlungen an die Teilnehmer einschließlich des Werts des Dienstleistungsauftrags, der vergeben werden könnte, soweit der öffentliche Auftraggeber diese Vergabe in der Wettbewerbsbekanntmachung des Planungswettbewerbs nicht ausschließt.

(1) Der öffentliche Auftraggeber dokumentiert das Vergabeverfahren von Beginn an fortlaufend in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit dies für die Begründung von Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens erforderlich ist. Dazu gehört zum Beispiel die Dokumentation der Kommunikation mit Unternehmen und interner Beratungen, der Vorbereitung der Auftragsbekanntmachung und der Vergabeunterlagen, der Öffnung der Angebote, Teilnahmeanträge und Interessensbestätigungen, der Verhandlungen und der Dialoge mit den teilnehmenden Unternehmen sowie der Gründe für Auswahlentscheidungen und den Zuschlag.

(2) Der öffentliche Auftraggeber fertigt über jedes Vergabeverfahren einen Vermerk in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs an. Dieser Vergabevermerk umfasst mindestens Folgendes:

1.
den Namen und die Anschrift des öffentlichen Auftraggebers sowie Gegenstand und Wert des Auftrags, der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems,
2.
die Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Auswahl,
3.
die nicht berücksichtigten Angebote und Teilnahmeanträge sowie die Namen der nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Nichtberücksichtigung,
4.
die Gründe für die Ablehnung von Angeboten, die für ungewöhnlich niedrig befunden wurden,
5.
den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe für die Auswahl seines Angebots sowie, falls bekannt, den Anteil am Auftrag oder an der Rahmenvereinbarung, den der Zuschlagsempfänger an Dritte weiterzugeben beabsichtigt, und gegebenenfalls, soweit zu jenem Zeitpunkt bekannt, die Namen der Unterauftragnehmer des Hauptauftragnehmers,
6.
bei Verhandlungsverfahren und wettbewerblichen Dialogen die in § 14 Absatz 3 genannten Umstände, die die Anwendung dieser Verfahren rechtfertigen,
7.
bei Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb die in § 14 Absatz 4 genannten Umstände, die die Anwendung dieses Verfahrens rechtfertigen,
8.
gegebenenfalls die Gründe, aus denen der öffentliche Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags, den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die Einrichtung eines dynamischen Beschaffungssystems verzichtet hat,
9.
gegebenenfalls die Gründe, aus denen andere als elektronische Mittel für die Einreichung der Angebote verwendet wurden,
10.
gegebenenfalls Angaben zu aufgedeckten Interessenkonflikten und getroffenen Abhilfemaßnahmen,
11.
gegebenenfalls die Gründe, aufgrund derer mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben wurden, und
12.
gegebenenfalls die Gründe für die Nichtangabe der Gewichtung von Zuschlagskriterien.

(3) Der Vergabevermerk ist nicht erforderlich für Aufträge auf der Grundlage von Rahmenvereinbarungen, sofern diese gemäß § 21 Absatz 3 oder gemäß § 21 Absatz 4 Nummer 1 geschlossen wurden. Soweit die Vergabebekanntmachung die geforderten Informationen enthält, kann sich der öffentliche Auftraggeber auf diese beziehen.

(4) Die Dokumentation, der Vergabevermerk sowie die Angebote, die Teilnahmeanträge, die Interessensbekundungen, die Interessensbestätigungen und ihre Anlagen sind bis zum Ende der Laufzeit des Vertrags oder der Rahmenvereinbarung aufzubewahren, mindestens jedoch für drei Jahre ab dem Tag des Zuschlags. Gleiches gilt für Kopien aller abgeschlossenen Verträge, die mindestens den folgenden Auftragswert haben:

1.
1 Million Euro im Falle von Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen,
2.
10 Millionen Euro im Falle von Bauaufträgen.

(5) Der Vergabevermerk oder dessen Hauptelemente sowie die abgeschlossenen Verträge sind der Europäischen Kommission sowie den zuständigen Aufsichts-oder Prüfbehörden auf deren Anforderung hin zu übermitteln.

(6) § 5 bleibt unberührt.

(1) Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

(2) Die Gebühr beträgt mindestens 2 500 Euro; dieser Betrag kann aus Gründen der Billigkeit bis auf ein Zehntel ermäßigt werden. Die Gebühr soll den Betrag von 50 000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100 000 Euro erhöht werden.

(3) Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die Kosten zu tragen. Mehrere Kostenschuldner haften als Gesamtschuldner. Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden. Hat sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, ist die Hälfte der Gebühr zu entrichten. Die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, erfolgt nach billigem Ermessen. Aus Gründen der Billigkeit kann von der Erhebung von Gebühren ganz oder teilweise abgesehen werden.

(4) Soweit ein Beteiligter im Nachprüfungsverfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Die Aufwendungen der Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Hat sich der Antrag durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, erfolgt die Entscheidung, wer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen anderer Beteiligter zu tragen hat, nach billigem Ermessen; in Bezug auf die Erstattung der Aufwendungen der Beigeladenen gilt im Übrigen Satz 2 entsprechend. § 80 Absatz 1, 2 und 3 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend. Ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht statt.