Vergabekammer Südbayern Beschluss, 05. Juni 2018 - Z3-3-3194-1-12-04/18

bei uns veröffentlicht am05.06.2018

Gericht

Vergabekammer Südbayern

Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin. Die Beigeladene trägt ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen selbst.

3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von …,00 Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin war notwendig.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin beabsichtigt die Vergabe des Auftrags „Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest in den Jahren 2018, 2019, 2020 und 2021“. Die vorgesehene Vertragslaufzeit geht vom 01.08.2018 bis zum 01.11.2021. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte am 18.01.2018 im Rahmen einer EUweiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines offenen Verfahrens. Als Zuschlagskriterium war einzig der Preis vorgesehen.

Unter I.3) Kommunikation findet sich in der Bekanntmachung folgender Text:

Die Auftragsunterlagen stehen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei zur Verfügung unter: www.muenchen.de/vgst1 Weitere Auskünfte erteilen/erteilt die oben genannten Kontaktstellen Angebote oder Teilnahmeanträge sind einzureichen an die oben genannten Kontaktstellen

Unter III.1.1) Befähigung zur Berufsausübung einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs oder Handelsregister ist Folgendes geregelt:

Auflistung und kurze Beschreibung der Bedingungen:

Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen.

Siehe unter www.muenchen.de/vgst1 (dieser Link gilt auch für die Ziffern III.1.2 und III.1.3 dieser Auftragsbekanntmachung).

Unter den Ziffern III.1.2 Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit und III.1.3 Technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bekanntmachung fand sich folgender Text

Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen

Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde der 05.03.2018, 23:59 Uhr festgelegt.

Die Beigeladene stellte mit E-Mail vom 19.02.2018 folgende Bieterfragen:

„1. Unter Punkt II.2.4 der Auftragsbekanntmachung „Beschreibung der Beschaffung“ steht, „… Der Sanitätsdienst umfasst lediglich die Erstversorgung (Erste Hilfe) und die Versorgung leichter Erkrankungen und Verletzungen selbst wenn für die Sicherstellung des Sanitätsdienstes Ärzte bereitgestellt werden, …“.

Aus diesem Satz schließen wir, dass ärztliche Leistungen nicht im Sanitätsdienst enthalten sind und diese bei Notwendigkeit nach der Gebührenordnung für Ärzte über die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) oder Privatpatienten zusätzlich abgerechnet werden dürfen. Die entsprechenden Abrechnungsvoraussetzungen hierfür muss der Auftragnehmer selbst schaffen. Ist dies so richtig oder darf eine ärztliche Leistung - die auf dem Sanitätsdienst erbracht wird - nicht zusätzlich über die GKV oder Privatpatienten abgerechnet werden?

2. Bei der Erklärung zur Eignung werden unter Punkt D.1 zwei Referenzen mit vergleichbarer Leistung gefordert. Gilt hierfür eine Großveranstaltung in zwei verschiedenen Jahren als eine oder als zwei Referenzen?“

Die Antwort der Antragsgegnerin erfolgte nur an die Beigeladene mit E-Mail vom 20.02.2018:

„…ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, können über die Gebührenordnung für Ärzte über die GKV oder PKV abgerechnet werden. Veranstaltungen in zwei verschiedenen Jahren gelten als zwei verschiedene Referenzen.“

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene gaben jeweils fristgerecht ein Angebot ab. Das Angebot der Beigeladenen war dabei preislich günstiger.

Mit E-Mail vom 08.03.2018 forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene auf, zur Überprüfung des Angebotspreises bis zum 14.03.2018 eine Kalkulation mit Darstellung insbesondere der Kosten für die Einrichtung der Sanitätsstation und der Personalkosten etc. per Mail nachzureichen. Dem kann die Beigeladene mit E-Mail vom 14.03.2018 nach. Mit E-Mail vom 28.03.2018 meldete die Antragsgegnerin weiteren Aufklärungsbedarf in Bezug auf die von der Beigeladenen in ihrer Kalkulation ausgewiesenen Einnahmen für ärztliche Leistungen an. Sie bat um Erläuterung wie die Anzahl der Behandlungen und die Einnahmen hierfür ermittelt wurden. Mit E-Mail ebenfalls vom 28.03.2018 verwies die Beigeladene zunächst auf die Beantwortung ihrer Bieterfrage vom 19.02.2018 und führte aus, dass sie die Anzahl der ärztlichen Versorgungen aus dem Durchschnitt der letzten 11 Jahre ermittelt und in ihrer Kalkulation einen Sicherheitsabschlag von 25% vorgenommen habe. Die Höhe der durchschnittlichen ärztlichen Behandlungskosten habe sie durch ihren leitenden Arzt im Rettungsdienst festgelegt, der selbst zwei Praxen betreibe. Auch hier habe sie in ihrer Kalkulation einen Sicherheitsabschlag von ca. 25% vorgenommen.

Mit Schreiben vom 26.03.2018 wies der Antragsteller die Antragsgegnerin auf einige Themen hin, die im Zuge einer Prüfung und Wertung der Angebote im Sinne eines fairen Wettbewerbs und eines erfolgreichen Oktoberfests aus seiner Sicht Berücksichtigung finden sollten und vor einem eventuellen Zuschlag genau aufgeklärt werden müssten, ggf. durch weitere Aufklärungsfragen. Diese seien die vergleichbaren Referenzen, die Vorbereitung und das Einsatzkonzept, das Organisationspersonal, die Personalgewinnung, Verfügbarkeit, Erfahrung, Ausbildung und Leitung, die Angebotskalkulation hier insbesondere die Auskömmlichkeit des Preises, eine transparente Kalkulation, die Genauigkeit der Kalkulation, Berücksichtigung aller Kostenfaktoren und die Folgen bei einer unzureichender Kalkulation.

Mit Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 16.04.2018 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sein Angebot nicht berücksichtigt werden könne und die Antragsgegnerin beabsichtige, den Zuschlag ab dem 30.04.2018 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Stellungnahme vom 26.03.2018 bei der Wertung berücksichtigt worden sei. Es sei eine umfangreiche Eignungsprüfung und eine gründliche Prüfung der Kostenkalkulationen aller Bieter erfolgt. Auch die Personalverfügbarkeit sei eingehend geprüft worden.

Auf sein Angebot könne der Zuschlag jedoch nicht erteilt werden, weil er nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Das alleinige Zuschlagskriterium sei der Preis gewesen. Sein Angebot habe den zweiten Platz belegt.

Diese Entscheidung rügte der Antragsteller mit Schreiben vom 23.04.2018. Demnach habe er ein auskömmliches Angebot abgegeben, mit dem eine zuverlässig geplante und vorbereitete, reibungslose und professionelle sanitätsdienstliche Betreuung gewährleistet werde. Er habe auf der Grundlage der vorliegenden Informationen begründete Einwendungen und Zweifel gegen die Eignung der Beigeladenen. Daneben sei es aus seiner Sicht ausgeschlossen, dass das Angebot der Beigeladenen bei gleicher Qualität und gleichem Umfang der angebotenen Leistung der sanitätsdienstlichen Betreuung auskömmlich kalkuliert worden sei. Ein günstigeres Angebot als das Angebot der Antragstellerin wäre nur möglich, wenn dieses entweder nicht auskömmlich kalkuliert sei oder wesentliche Positionen nicht in die Kalkulation einbezogen worden seien.

Daneben erhebe er nach mittlerweile erfolgter Prüfung grundsätzliche Einwendungen gegen bestimmte Festlegungen in dem Vergabeverfahren.

Mit Schreiben vom 24.04.2018 nahm die Antragsgegnerin zu den Rügen des Antragstellers Stellung und wies diese zurück.

Weil die vorangegangene Rüge die Antragsgegnerin nicht zur Änderung ihrer Rechtsauffassung bewegte, beantragte der Antragsteller am 27.04.2018 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und weiter:

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die erforderlichen Verfahrensschritte vorzunehmen sowie die Zuschlagswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

2. Der Antragsteller erhält Akteneinsicht In die Vergabeakte und sodann Gelegenheit, den Antrag gegebenenfalls ergänzend zu begründen.

3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsteller wird für notwendig erklärt.

Mit seinem Nachprüfungsantrag wendet sich der Antragsteller gegen die Nichtberücksichtigung seines Angebots und die geplante Zuschlagserteilung an die Beigeladene. Zur Begründung führte er Folgendes aus:

Die benannten Referenzen der Beigeladenen seien nach Ansicht des Antragstellers nicht vergleichbar.

Die Beigeladene betreue bekanntermaßen und nach eigenen Angaben die Messe M… sanitätsdienstlich. Diesen Auftrag habe sie möglicherweise auch als Referenz angegeben. Aus den oben aufgeführten Gründen sei die Vergleichbarkeit dieser Leistung nach Art, Umfang und Komplexität der sanitätsdienstlichen Betreuung nicht gegeben, so dass sie nicht als geeignete Referenz für den Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest herangezogen werden könne. Dies würden bereits die zahlenmäßigen Unterschiede an den Umfang des Sanitätsdienstes belegen. Die Anforderungen werden für öffentliche Veranstaltungen von der zuständigen Branddirektion anhand der zu erwartenden gleichzeitigen Besucherzahlen festgelegt. Diese lege selbst bei großen Messen mit gleichzeitigen Besucherzahlen im Umfang des Oktoberfestes wie z. B. der b… lediglich eine Personalstärke von bis zu ca. 18 Personen für den Sanitätsdienst fest, während der Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest 40-100 Personen erfordere. Die Referenzen müssten vielmehr nicht nur Besucherzahl und Einsatztage wiederspiegeln, sondern auch die tatsächlichen Einsätze.

2017 habe der Antragsteller auf dem Oktoberfest insgesamt 6.843 Patienten zu betreuen gehabt. Die Personalstärke des Antragstellers sei bei insgesamt 2.337 Personen gelegen. An den jeweiligen Festtagen seien je nach Wochentag und anderen Faktoren, die die Besucherzahlen mehr oder minder kurzfristig beeinflussen, unterschiedlich viele Patienten zu betreuen gewesen.

Im Gegensatz dazu habe die Messeveranstaltung b… sieben Veranstaltungstage sowie einen Vor- und Nachlauf von drei Wochen Aufbau und zwei Wochen Abbau, die sanitätsdienstlich zu betreuen gewesen waren. Auch bei der b… gebe es eine abgestufte sanitätsdienstliche Vorhaltung an Personal. An zwei Tagen der sieben Veranstaltungstage seien 18 Sanitätern und drei oder vier Ärzte vorzuhalten gewesen, an den übrigen Tagen lediglich acht oder zehn Sanitäter und ein Arzt oder zwei Ärzte. Über den gesamten Verlauf, d.h. alle Tage inklusive Aufbau, Veranstaltung und Abbau kann dabei von rund 36 Abtransporten von Patienten in Krankenhäuser durch den Rettungsdienst ausgegangen werden. Am ersten Veranstaltungssamstag des Oktoberfests 2017 seien bereits 58 Transporte ins Krankenhaus notwendig gewesen, die Gesamtzahl der Abtransporte betrug 743. Die Veranstaltungen seien folglich den tatsächlichen sanitätsdienstlichen Einsatz betreffend nicht miteinander vergleichbar.

Für den Bereich Sanitätsdienst nenne die Beigeladene auf ihrer Homepage neben der Messe M… I…, M…, Gasteig M…, die Landeshauptstadt M…, die Trabrennbahn D…, den SV H…, den SV D…, die B… Filmstudios, das Z… während der Aufzeichnungen für „Die Anstalt“, das M…-Festzeit, die F… und den Tierpark H… als Veranstalter, die regelmäßig auf den Sanitätsdienst der Beigeladenen vertrauen. Keiner dieser Veranstalter und keine der für diesen durchgeführten Veranstaltungen erreiche nur annähernd Art, Umfang und Komplexität sowie Risiken und Szenarien für den Sanitätsdienst wie das Oktoberfest.

Auch wenn ein Auftraggeber in Vergabeverfahren grundsätzlich nicht verpflichtet sei, alle Referenzen abzufragen und eine ordnungsgemäße Leistungserbringung zu verifizieren, sei dies im vorliegenden Fall für die wesentlichen Referenzen der Beigeladenen unabdingbar. Die Aufklärung müsse erfolgreich sein, bereits eine fehlende Aussage des Referenzauftraggebers führe zur Nichtaufklärbarkeit der Eignung und der Nichtberücksichtigung des betreffenden Angebots.

Eine sachgerechte Aufklärung müsse folgende Punkte zufriedenstellend beantworten:

– Hatte der Bieter nach Art und Umfang vergleichbare Sanitätsleistungen zu erbringen, einschließlich wesentlicher Details wie Blutentnahme, Wundversorgung und anderen Leistungen, die nach ärztlichen Aussagen dem Niveau einer Kliniknotaufnahme entsprechen?

– Hatte es der Bieter mit vergleichbaren Verletzungslagen und vergleichbaren Verletzten, auch bei möglichen Massenanfällen von Verletzungen, zu tun?

– War die Leistung des Bieters erfolgreich und frei von (wesentlichen) Beanstandungen?

– Stand zu jeder Zeit geeignetes Organisations- und Ausführungspersonal zur Verfügung?

– Kam es nicht zu Verhandlungen um Preiserhöhungen, die auf eine unzureichende oder unauskömmliche Kalkulation bei einem mehrjährigen Auftrag hindeuten können?

Sollte eine solche Überprüfung nicht erfolgt sein, die Aufklärung nicht zufriedenstellend oder nicht zufriedenstellend dokumentiert gewesen sein, verletze dies den Antragsteller in seinen Rechten.

Das Angebot des Antragstellers sei auskömmlich, aber aufgrund langjähriger Erfahrung ohne die bei Dienstleistungen am allgemeinen Markt üblichen deutlichen Gewinnzuschläge kalkuliert. Die Kalkulation des Antragstellers sei nicht nur aus diesem Grund besonders günstig, sondern auch deswegen, da der Antragsteller zulässigerweise auf einen festen Stamm von Ehrenamtlichen zurückgreifen könne.

Als Beleg dafür, wie eine auskömmliche Kalkulation zu berechnen sei und dafür, dass keine zufriedenstellende Aufklärung der Kalkulation des Angebots der Beigeladenen möglich gewesen sei, habe der Antragsteller dem Nachprüfungsantrag drei Musterkalkulationen beigefügt.

Die auf langjährigen Erfahrungswerten beruhende Kostenkalkulation des Antragstellers berücksichtige alle Posten und beziehe diese in die Kalkulation ein. Bei sachangemessener Aufklärung des Angebots der Beigeladenen hätten die Posten in der Kalkulation enthalten sein müssen, damit von einer zufriedenstellenden Aufklärung ausgegangen werden könne.

Es sei jedoch sehr fraglich, wie das Angebot die Mindestkalkulation des Antragstellers unterschritten haben könne, ohne dabei unauskömmlich zu sein. Indessen gebe die Beigeladene sogar an, ein Angebot mit ausgewiesener Gewinnmarge abgegeben zu haben.

Vergütungsanteile, die von Dritten aus Anlass des Sanitätsdienstes und durch Steuerung von Drittleistungen erlangt werden könnten, seien nicht zugelassen und könnten daher nicht einberechnet werden.

Teil der vorliegenden Vergabe seien ärztliche Leistungen, die im Rahmen des Sanitätsdienstes zu erbringen seien. Von den Bietern sei gefordert, dass alle Leistungen, also auch diese Leistungen, gegenüber dem Auftraggeber zu bepreisen und abzurechnen seien.

Die Beigeladene habe gegenüber der Presse und im Internet gegenüber der Öffentlichkeit geäußert, dass alle Leistungen im Angebot bepreist seien. Dies schließe es aus, dass ärztliche Leistungen nochmals gesondert abgerechnet worden und solche Leistungen daher nicht transparent eingepreist, sondern querfinanziert würden.

Sollte eine solche gesonderte Abrechnung von ärztlichen Leistungen gegenüber Dritten neben der Abrechnung gegenüber der Antragsgegnerin zulässig sein, wäre ein entsprechender Hinweis an die Bieter zu geben und das Verfahren zurückzuversetzen. Ein solcher Hinweis sei in dem bisherigen Verfahren nicht ergangen. Ein derartiger Hinweis müsse zudem erläutern, inwiefern hier neben einem Dienstleistungsanteil eine Dienstleistungskonzession erteilt werden solle. Nach den vorliegenden Vergabeunterlagen handele es sich um eine reine Dienstleistungsvergabe. Schließlich wären hierzu die rechtlichen Grundlagen zu nennen, aus denen sich eine Kompetenz der Antragsgegnerin für eine solche Konzession ergeben, da hierfür grundsätzlich die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB), der Zulassungsausschuss für Ärzte, zuständig sein dürfte und auch im Übrigen nicht die Antragsgegnerin.

In den Vergabeunterlagen sei eine klare Abgrenzung des Sanitätsdienstes auf dem Oktoberfest gegenüber dem Rettungs- und Notarztdienst sowie dem Krankentransport vorgenommen (vgl. Sachverhalt oben sowie Ziff. 5 der Leistungsbeschreibung). Es wäre daher nicht zulässig, dass der Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest bei Erforderlichkeit eines Krankentransports unter Umgehung der Integrierten Leitstelle direkt bei der privaten Leitstelle der Beigeladenen anrufe, die dort einen Krankentransport bestelle und dieser sodann entsprechend erbracht und abgerechnet werde. Dies wäre bereits deshalb nicht zulässig, da dies nicht der Teil der ausgeschriebenen Leistung sei. Dies wäre weiter nicht zulässig, da es nach der Leistungsbeschreibung ausdrücklich verboten sei, mit der Folge, dass ein Angebot, dass solche Leistungen ausdrücklich oder in anderer Weise erkennbar vorsehe oder diese einkalkuliert habe, wegen Änderung der Vergabeunterlagen auszuschließen wäre. Dies würde schließlich einer auskömmlichen Kalkulation entgegenstehen, da eine Querfinanzierung, unabhängig von der Unzulässigkeit einer solchen Mischkalkulation, vertraglich nicht umsetzbar wäre und daher zu einem Fehlbetrag führen würde.

Sollte die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gekommen sein, dass das Angebot der Beigeladenen nicht kostendeckend sei, hätte sie dieses Angebot ausschließen müssen.

Auf die Frage, ob unauskömmliche Angebote allgemein zulässig seien, komme es dabei nicht an. Die Beigeladene habe ausdrücklich erklärt, ein auskömmliches Angebot eingereicht zu haben.

Dabei sei weiter zu berücksichtigen, dass bei unzureichender Kalkulation das Risiko eines weiter vergrößerten Fehlbetrags für eine große, stark besuchte und öffentlichkeitswirksame Veranstaltung wie das Oktoberfest ein größeres Risiko darstelle als bei kleineren Veranstaltungen und dieses Risiko hier nicht hingenommen werden könne.

Schließlich belege eine unzureichende Kalkulation eine grundsätzlich fehlende Eignung, die sich nicht allgemein auf sanitätsdienstliche Betreuung erstrecken müsse, die aber die Fähigkeit zur Planung, Vorbereitung, Organisation und jederzeit zuverlässige Durchführung des vorliegenden Auftrages ausschließe. Ein Bieter, der deutlich günstiger kalkuliert habe als die Mindestkalkulation, die dem Angebot des Antragstellers zu Grunde liege, könne offensichtlich den Umfang der ausgeschriebenen Leistung nicht richtig einschätzen.

Für die sichere und zufriedenstellende Durchführung des Auftrags genüge nicht, dass ein Bieter allgemein Erfahrung mit der Organisation und Durchführung von großen Veranstaltungen habe.

Da für den Antragsteller nicht erkennbar sei, dass die Beigeladene über geeignete Referenzen verfüge, gehe sie davon aus, dass auch das hierfür zur Verfügung stehende Personal nicht vorhanden sei.

Sollte es sich schließlich um Personal handeln, das in anderen Aufträgen der Beigeladenen eingebunden sei, so würde es an der erforderlichen vollständigen Verfügbarkeit fehlen. Damit sei davon auszugehen, dass die Eignung im Hinblick auf persönliche Erfahrung des Organisationspersonals bei der Beigeladenen nicht gegeben sei.

Der Antragsteller müsse davon ausgehen, dass die Verfügbarkeit des für das Oktoberfest erforderlichen ausführenden Personals im Angebot der Beigeladenen nicht sichergestellt sei. Die Eignung für einen solchen Auftrag erfordere es weiterhin, dass wie beim Organisationspersonal das erforderliche ausführende Personal tatsächlich zuverlässig verfügbar sei. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt müsse eine hinreichende Anzahl an verfügbarem Personal mit der erforderlichen Qualifikation als Sanitätshelfer zur Verfügung stehen.

Nach Presseberichten berufe sich die Beigeladene darauf, dass sie über … Mitarbeiter verfüge. Diese Angabe sei zunächst von der Vergabestelle zu prüfen.

Allerdings müssten die Mitarbeiter verfügbar sein. Sollte die Beigeladene in laufende Vertragsverhältnisse eingebunden sein, was eine wichtige Voraussetzung für die wirtschaftliche/finanzielle Eignung des Unternehmens sei, dann sei davon auszugehen, dass diese Mitarbeiter in ihren Tätigkeiten gebunden seien und nicht für den Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest zur Verfügung stehen.

Nach öffentlich verfügbaren Informationen betreibe die Beigeladene im Wesentlichen Rettungsdienst, Krankentransport sowie Mobility Services. Für diese Leistungen bestünden laufende Verträge. Es wäre daher im Einzelnen zu belegen, welche Mitarbeiter mit der erforderlichen Qualifikation tatsächlich verfügbar seien.

Hinsichtlich der Verfügbarkeit stehe jedoch nach eigenen Angaben der Beigeladenen das maßgebliche Personal derzeit noch nicht zur Verfügung, da das Unternehmen „schnell Personalakquise betreiben will“.

Selbst wenn die Beigeladene derzeit auf einen Pool von … Mitarbeitern zugreifen könne, werde aus den referenzierten Leistungen ersichtlich, dass dieses Personal vornehmlich nicht mit dem der Ausschreibung vergleichbaren Tätigkeiten befasst sei.

Im Übrigen werde der Antragsteller in seinen Rechten verletzt, da die Leistung Blutentnahme nicht für die Antragsgegnerin erfolge, sondern auf Anforderung der Polizei oder für die Staatsanwaltschaft, die offenkundig aus eigenen Ressourcen kein Personal für diese Aufgabe stellen. Laut der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots würden jedoch Leistungen ausschließlich „im Namen“ der Antragsgegnerin vergeben. Dies sei für den genannten Leistungsanteil unzutreffend und intransparent.

Darüber hinaus sei mit der Blutentnahme eine Leistung ohne Sachzusammenhang zum eigentlichen Auftragsgegenstand in die Leistungsbeschreibung einbezogen. Die Antragsgegnerin hätte erwägen müssen, die Leistung der Blutentnahme ggf. als eigenständige Leistung für den Freistaat Bayern auszuschreiben und jedenfalls transparent machen müssen, dass die Leistung nicht für sie als Auftraggeber selbst durchzuführen sei.

Gleiches gelte für die Haftfähigkeitsprüfungen (ggf. richtigerweise Gewahrsamsfähigkeitsprüfungen) auf Anforderung der Polizeiwiesnwache (Ziff. 3 Abs. 12 der Leistungsbeschreibung). Diese ärztliche Tätigkeit für die Polizei stelle ein Gutachten dar und könne nicht von der Antragsgegnerin beauftragt werden. Auftraggeber dieser Leistung sei die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft, die Vergütung erfolge nach der Strafprozessordnung. Die Antragsgegnerin schreibe hier eine Leistung aus, die nicht in ihrer Zuständigkeit stehe.

Der Antragsteller halte auch die vollständige Information aller Bieter zu Bieterfragen für fraglich. Unterschiedliche Kalkulationen können darauf beruhen, dass nicht allen Bietern alle Informationen zur Verfügung gestanden hätten. Der Antragsteller sei in seinen Rechten verletzt, wenn nicht alle Bieterfragen sowie die Antworten beziehungsweise Erläuterungen der Vergabestelle hierzu gleichzeitig an alle Bieter übermittelt worden seien.

Der beabsichtigte Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen verletze außerdem den Antragsteller in seinen Rechten auf ein transparentes und faires Verfahren, das die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit wahre, indem das erforderliche Einsatzkonzept sowie das erforderliche Personalkonzept nicht gewertet würden. Ein reiner Preiswettbewerb sei hier nicht geeignet, die Wirtschaftlichkeit der Angebote im Sinne der §§ 127 GWB, 58 VgV im Vergleich zu bewerten. Die Bewertung der Einsatzkonzepte sei Voraussetzung dafür, dass eine Gleichbehandlung der Bieter stattfinde. Finde keine Wertung der Einsatzkonzepte statt, seien die Angebote nicht vergleichbar. Die Bieter könnten mangels vergleichbarer Angebote nicht gleich behandelt werden.

Konzepte für die Personalgewinnung, -ausbildung und -führung würden im Rahmen der Bewertung der Leistung nicht gewertet. Daher stelle sich zunächst die grundsätzliche Frage, wie die Angebote hier verglichen werden könnten.

Des Weiteren entspreche die Ausschreibung für den Sanitätsdienst für die Jahre 2018 bis 2021 nicht dem Standard, den der Antragsteller in der Vergangenheit erbracht habe und der erforderlich sei und den er in seinem Angebot sachangemessen kalkuliert habe. Die Angebote seien daher nicht vergleichbar.

Die Vergabekammer informierte die Antragsgegnerin über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 27.04.2018. Diese legte die Vergabeunterlagen vor.

Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über die Beiladungen und den Umfang der Akteneinsicht sowie ggf. über die Verfahrenseinstellung nach einer Rücknahme oder anderweitigen Erledigung auf den Vorsitzenden und die hauptamtlichen Beisitzerin übertragen.

Mit Schreiben vom 30.04.2018 übersandte der Antragsteller ergänzend ein Kurzgutachten der … Beratende Ingenieure …, das belege, dass die Leistung, wie diese in den Vergabeunterlagen beschrieben worden sei, nicht qualitativ der Leistung entspreche, die der Antragsteller in den letzten Jahren erbracht habe und die objektiv für den Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest erforderlich und angemessen sei. Der Antragsteller habe davon ausgehen dürfen, wonach die Leistung wieder die gleiche sein würde, wie in den vergangenen Jahren.

Sollte die Leistungsbeschreibung so zu verstehen sein, dass die Leistung, wie in den letzten Jahren zu erbringen sei, so sei die Leistungsbeschreibung nicht eindeutig, da die bisherige Leistung darin eben nicht beschrieben sei. Würde die Antragsgegnerin eine Leistung wünschen, wie diese aus den Vergabeunterlagen laut dem Kurzgutachten zu entnehmen sei, wonach deutliche Abstriche in der Vorbereitung und Durchführung des Sanitätsdienstes vorgesehen seien, so sei dies von der Antragsgegnerin in den Vergabeunterlagen ausdrücklich klar zu machen gewesen.

Die ausgeschriebene Leistung entspreche nicht der Leistung, die für eine vollumfängliche sanitätsdienstliche Betreuung des Oktoberfests erforderlich sei. Sie gewährleiste keine sachgerechte Leistungserbringung. Insbesondere seien eine Einsatzkonzeption, Einweisungsunterlagen, ein MANV-Konzept, ein Konzeptionskonzept und Anforderungen an die Führungsorganisation nicht Inhalt der Leistungsbeschreibung. Außerdem sei die Leistungsbeschreibung nicht sachgerecht hinsichtlich der Vorgaben zum Personal.

Als Folge liege eine Diskriminierung des Antragstellers vor und eine Wettbewerbsverzerrung, da die Antragsgegnerin davon ausgehen müsse, dass der Antragsteller eine Leistung, wie die bisherige Leistung kalkuliere. Der Antragsteller sei durch die nicht sachgerecht ausgeschriebene Leistung gegenüber Konkurrenten im Ergebnis benachteiligt. Die Kalkulation der Bieter erfolge nach Einschätzung der Antragstellerin damit auf unterschiedlichen Grundlagen, sodass kein wirksamer Wettbewerb gesichert sei.

Mit Beschluss vom 02.05.2018 wurde der Bieter, dessen Interessen im streitgegenständlichen Vergabeverfahren von der Entscheidung der Vergabekammer in erheblicher Weise berührt sein könnten, beigeladen.

Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 03.05.2018 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 04.06.2018 um 10.00 Uhr geladen.

Mit Beschluss vom 09.05.2018 und ergänzenden Beschluss vom 11.05.2018 wurde der Umfang der Akteneinsicht für den Antragsteller festgelegt und ihm entsprechend Akteneinsicht gewährt.

Mit Verfügung vom 11.05.2018 wurde die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 29.06.2018 verlängert.

Mit Antragserwiderung vom 11.05.2018 nahm die Antragsgegnerin zum Nachprüfungsantrag des Antragstellers vom 27.04.2018 - ergänzt mit Schriftsatz des Antragstellers vom 30.04.2018 - Stellung und beantragte,

  • 1.den Nachprüfungsantrag des Antragstellers vom 27.04.2018 zurückzuweisen,

  • 2.der Antragsgegnerin zu gestatten, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen vom 02.03.2018 gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 GWB nach zwei Wochen ab der Entscheidung der Vergabekammer über diesen Antrag zu erteilen,

  • 3.hilfsweise zu oben 2. der Antragsgegnerin zu gestatten, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen vom 02.03.2018 anteilig für die Leistungen für das Oktoberfest im Jahr 2018 gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 GWB nach zwei Wochen ab der Entscheidung der Vergabekammer über diesen Antrag zu erteilen,

  • 4.dem Antragsteller die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen aufzuerlegen,

  • 5.die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag des Antragstellers sei insoweit unzulässig, als er solche Punkte angreife, die bereits aus den Vergabeunterlagen heraus ersichtlich waren, vorher jedoch nicht gerügt worden seien.

Da zudem die von dem Antragsteller behaupteten materiellen Vergaberechtsverstöße nicht vorlägen, sei der Antrag auch unbegründet.

Der Antragsteller werde in seinen vergaberechtlichen Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB nicht verletzt.

Im Durchschnitt der letzten elf Jahre sollen … ärztlich erbrachte Versorgungen auf dem Oktoberfest und in der Oktoberfestwache erbracht worden sein, wie sich aus den der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) vorliegenden Zahlen ergebe. Die Möglichkeit der Abrechnung von ärztlichen Leistungen an sich, sei in den einschlägigen Rechtsgrundlagen, wie etwa der GOÄ geregelt. Da nur Sanitätsdienstleistungen ausgeschrieben seien, habe die Antragsgegnerin selbstverständlich von einer entsprechenden ausdrücklichen oder gar abweichenden Regelung abgesehen. Auch habe es keine Änderung der Leistungsbeschreibung in Ziffer 1 Abs. 2 und 5 Abs. 2 gegenüber vorangegangenen Ausschreibungen gegeben.

Bereits im Zuge der Ausschreibung aus dem Jahr 2011 sei folgende Bieterfrage gestellt worden:

„Ist es dem Auftragnehmer möglich medizinische Leistungen gegenüber Dritten, zusätzlich zur Angebotssumme, in Rechnung zu stellen (z.B. Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern KVB).“

Daraufhin sei geantwortet worden:

„Gemäß Ziffer 1 Abs. 1 der Leistungsbeschreibung überträgt die Landeshauptstadt M… dem Auftragnehmer für die Dauer des Oktoberfestes die sanitätsdienstliche Betreuung der Veranstaltung. In Art. 2 Abs. 16 BayRDG ist die Aufgabe der sanitätsdienstlichen Betreuung von Veranstaltungen ausdrücklich geregelt, um insbesondere eine klare Abgrenzung zu den Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes zu erreichen. Ob der Auftragnehmer zur Abrechnung von Leistungen im Rahmen des Sanitätsdienstes gegenüber Dritten, wie der KVB, berechtigt ist, muss vom Auftragnehmer eigenverantwortlich beurteilt und mit den entsprechenden Stellen abgeklärt werden.“

In der Kalkulation für die Jahre 2015 – 2017 habe der Antragsteller jeweils Einnahmen aus den Abrechnungen mit der KVB etc. ausgewiesen. Der Antragsteller habe in seiner Kalkulation „KST  Sanitätsdienst Theresienwiese Mehrjahresbetrachtung“ für 2018 unter Kostenart 4830000 „Son.Erstattungen (Entgelte), satz. Aufga“ Einnahmen angesetzt (Seite 182 der Vergabedokumentation), im Angebot aber als Vergütung für 2018 weniger ausgewiesen. Es sei deshalb naheliegend, dass er das Delta für ärztliche Leistungen angesetzt habe.

Das damalige Angebot des Antragstellers vom 25.03.2015 habe im Anschreiben folgende Passage enthalten:

„Darüber hinaus besteht ein erhebliches finanzielles Risiko bei der Abrechnung ärztlicher Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB), den Berufsgenossenschaften sowie den Privatpatienten. Die Erträge sind abhängig von der Patientenzahl und der Art der durchgeführten Maßnahmen und unterliegen somit Schwankungen, weiterhin kommt es erfahrungsgemäß zu gewissen Zahlungsausfällen.“

In Bezug auf das „Kurzgutachten wurde angemerkt, dass die Vergabeunterlagen und die darin enthaltenen Anforderungen – sowohl an die Eignung, als auch an die Leistung - den Anforderungen und Bedürfnissen der Antragsgegnerin an den nachgefragten Sanitätsdienst entsprächen.

Sämtliche vom Antragsteller gerügten Punkte, die die Ausgestaltung der Vergabeunterlagen, insbesondere die aufgestellten Anforderungen an die Eignung und die Leistung betreffen, seien nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert. Dies betreffe insbesondere die vorgebrachten Punkte

– fehlende Wertung eines Einsatzkonzeptes sowie eines Personalkonzeptes

– die Ausschreibung entspreche nicht dem Stand, den der Antragsteller in der Vergangenheit erbracht habe und der erforderlich sei

– keine eindeutige und abschließende Leistungsbeschreibung

– keine sachgerechte und der objektiv erforderlichen Leistung entsprechende Leistungsbeschreibung

– Diskriminierung des Antragstellers und Wettbewerbsverzerrung als Folge der nicht sachgerechten Leistungsbeschreibung.

Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet.

Die Beigeladene sei geeignet, da sie insbesondere auch mit den von ihr benannten Referenzen die von der Antragsgegnerin aufgestellten Anforderungen erfüllt habe. Wie aus der Vergabedokumentation zu entnehmen sei, habe die Antragsgegnerin die Eignung sämtlicher Bieter überprüft.

Auch sei das Angebot der Beigeladenen auskömmlich. Die Kalkulation der Beigeladenen sei auf Plausibilität hin geprüft worden. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Angebot der Beigeladenen unauskömmlich sei und eine Leistungserbringung infrage stünde. Im Übrigen stehe es einem Bieter im Rahmen seiner Kalkulationsfreiheit frei, erwartete Vorteile und Gewinne, die sich bei bestimmten Positionen des Leistungsverzeichnisses ergeben, in anderen Positionen zu verrechnen. Hierin sei auch keine unzulässige Mischkalkulation zu sehen. Solange ein Bieter auch tatsächlich die Leistungen sowie angeboten abrechnen wolle, sei eine Mischkalkulation nicht verboten, sondern unterliege der unternehmerischen Freiheit des Bieter, auch hinsichtlich der Berücksichtigung von Risikoauf- und/oder –abschlägen. Das Angebot der Beigeladenen sei auskömmlich.

Zudem wurde noch ausgeführt, dass schon kein Unterkostenangebot vorliege. Dazu wurde auf die Vergabedokumentation verwiesen.

Auch habe die Beigeladene die Leistungsanforderungen bezüglich des Personals erfüllt. Aufgrund der vorgelegten Referenzen, der eigenen Kenntnisse der Antragsgegnerin von der Beigeladenen sowie aufgrund der Einschätzung der Branddirektion M… beständen keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit und Vertragstreue der Beigeladenen.

Wegen der zwingenden Notwendigkeit der Sicherstellung des Sanitätsdienstes bis spätestens 13.06.2018, sei bei der Interessensabwägung dem Antrag auf vorzeitige Zuschlagserteilung gemäß § 169 Abs. 2 GWB zu gestatten.

Mit Schreiben vom 14.05.2018 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Beigeladenen seine Mandatierung mit und beantragte Akteneinsicht für die Beigeladene.

Daraufhin wurde der Umfang der Akteneinsicht für die Beigeladene mit Beschluss vom 16.05.2018 festgelegt und ihr entsprechend Akteneinsicht gewährt.

Auf Anfrage der Vergabekammer teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16.05.2017 noch mit, dass der Antragsteller die Beantwortung der Bieteranfrage (E-Mail vom 20.02.2018 an die Beigeladene), wonach ärztliche Leistungen nicht im Sanitätsdienst enthalten seien und die ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, über die GOÄ über die GKV oder PKV abgerechnet werden können, nicht erhalten habe und auch nicht darüber auf andere Weise über den Inhalt in Kenntnis gesetzt wurde. Der Antragsteller habe aber aus einem früheren Verfahren und auch aus der tatsächlichen Praxis der Leistungserbringung heraus positive Kenntnis, dass die fraglichen Leistungen gegenüber den entsprechenden Leistungsträgern abgerechnet werden können. Dies mache eine explizite Mitteilung bereits entbehrlich. Zudem würden gesetzliche Grundlagen für die Abrechnung von ärztlichen Leistungen existieren, welche der Antragsteller kennen müsse.

Die insoweiten Regelungen und Vorgaben der Antragsgegnerin hätten sich in der streitgegenständlichen im Vergleich mit den vorangegangenen Vergabeverfahren nicht geändert. Auch habe der Antragsteller diesen Umstand für sein aktuelles Angebot kalkulatorisch berücksichtigt.

In den Kostenkalkulationen für die Jahre 2011 bis 2017 habe der Antragsteller die Einnahmen aus diesen Abrechnungen mit Dritten in der Kalkulation des Angebotspreises berücksichtigt. Im laufenden Verfahren habe der Antragsteller mit E-Mail vom 26.03.2018 eine Kalkulation nachgereicht, die aus einer Tabelle „Mehrjahresbetrachtung“ für die Jahre 2014 – 2018 und einer Tabelle „Grundkalkulation für die Jahre 2018 bis 2021“ bestanden habe. Aus der Mehrjahresbetrachtung gehe hervor, dass unter der Kostenart 4830000 die Einnahmen aus den Abrechnungen mit Dritten in den Jahren 2014 – 2017 nicht nur einkalkuliert, sondern auch tatsächlich abgerechnet worden seien. Aus der Tabelle gehe auch hervor, dass für das Jahr 2018 ebenfalls die Einnahmen aus diesen Abrechnungen eingeplant worden seien. Aus der Tabelle Grundkalkulation ergebe sich weiter, dass die Einnahmen aus den Abrechnungen mit Dritten, im Gegensatz zu den letzten Jahren, vermeintlich nicht mehr bei der Kalkulation des Angebotspreises berücksichtigt worden sei, obwohl der Antragsteller diese Einnahmen in der Mehrjahresbetrachtung als Einnahmen berücksichtigt habe. Mit E-Mail vom 29.03.2018 sei seitens der Antragsgegnerin bei dem Antragsteller nachgefragt worden, um welche Erstattungen es sich bei der Kostenart 4830000 handle. Daraufhin habe dieser telefonisch mitgeteilt, dass es sich dabei um Einnahmen aus der Vergütung und den Abrechnungen mit Dritten handle. Mit E-Mail vom 04.04.2018 habe der Antragsteller die Antragsgegnerin nochmals gebeten, nur die Grundkalkulation zu betrachten. Der Antragsteller habe im laufenden Verfahren die Einnahmen aus den Abrechnungen mit Dritten zwar nicht in der Kalkulation des Angebotspreises berücksichtigt, die Einnahmen aber trotzdem intern einkalkuliert.

Daraufhin beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 22.05.2018 nunmehr:

1. Das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen, die Vorgaben zur Auftragsvergabe unter Berücksichtigung der Entscheidung der Vergabekammer klarzustellen und die neu eingereichten Angebote unter Beachtung der klargestellten Vorgaben neu zu werten;

2. hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, die erforderlichen Verfahrensschritte vorzunehmen sowie die Zuschlagswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen (Antrag zu 1 des Nachprüfungsantrags vom 27.04.2018)

3. den Antrag der Antragsgegnerin, dieser zu gestatten, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen vom 02.03.2018 gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 GWB nach zwei Wochen ab der Entscheidung der Vergabekammer über diesen Antrag zu erteilen, zurückzuweisen;

4. den hilfsweise gestellten Antrag der Antragsgegnerin, dieser zu gestatten, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen vom 2. März 2018 anteilig für die Leistungen für das Oktoberfest im Jahr 2018 gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 GWB nach zwei Wochen ab der Entscheidung der Vergabekammer über diesen Antrag zu erteilen, zurückzuweisen;

5. dem Antragsteller Akteneinsicht in die internen Stadtratsbeschlüsse zu gewähren;

6. zu erklären, dass die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsteller notwendig war, die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin hingegen nicht;

7. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Antragsteller führte aus, dass sich herausgestellt habe, dass die Bieterfrage und deren Beantwortung zur Abrechnung ärztlicher Leistungen unstreitig nicht dem Antragsteller, sondern nur der Beigeladenen vergaberechtswidrig zur Verfügung gestellt worden sei. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und der Transparenz. Als Folge davon seien den Bietern unterschiedliche Vorgaben zur Abrechnung ärztlicher Leistungen vorgelegen. Dies habe wiederum zur Folge, dass keine vergleichbaren Angebote vorgelegen hätten.

Auch sei nach Ziffer VI.3 der Bekanntmachung ausgeführt worden, dass sämtliche zu dem Ausschreibungsverfahren veröffentlichten Konkretisierungen/Änderungen der Leistungsbeschreibung im Internet veröffentlicht werden und Bestandteil der Vergabeunterlagen werden. Überdies habe die Antragsgegnerin sogar die explizite Erkundigung des Antragstellers nach weiteren Bieterfragen verneint, so dass sich die Frage der Diskriminierung des Antragstellers stelle. Der Antragsteller habe 2011 bereits angefragt, ob ärztliche Leistungen anrechenbar seien. Dies zeige, dass dies den Bietern unklar sei. Es sei Aufgabe des Auftraggebers, eindeutige und vollständige Vergabeunterlagen und insbesondere Kalkulationsgrundlagen zur Verfügung zu stellen, so dass im Wettbewerb vergleichbare Angebote zu erwarten seien. Die Beigeladene und der Antragsteller hätten bei der Kalkulation der Angebote von unterschiedlichen Voraussetzungen für die Abrechnung der ärztlichen Leistungen ausgehen müssen. Der Antragsteller habe die Information gehabt, dass der Auftragnehmer eigenverantwortlich beurteilen müsse, ob er zur Abrechnung dieser Leistungen berechtigt sei. Dagegen habe die Beigeladene nun aufgrund der Bieterfrage die Antwort bekommen, dass diese ärztlichen Leistungen über die Gebührenordnung für Ärzte über GKV oder PKV abgerechnet werden können. Damit liege keine einheitliche Kalkulationsgrundlage vor. Die Frage der Beigeladenen und die Antwort der Antragsgegnerin seien auch relevant für die Angebotserstellung. Hätte der Antragsteller diese Informationen auch erhalten, hätte er seine Entscheidung, diese Einnahmen nicht in seine Kalkulation mit einzubeziehen, überdacht und seine Entscheidung, ärztliche Leistungen nicht abzurechnen, nochmals überprüft.

Der von der Antragsgegnerin behauptete Wissensvorsprung des Antragstellers habe dagegen nicht bestanden. Die Antragsgegnerin habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Antragsteller die Bieterfrage nicht benötige.

Der Antragsteller erläuterte noch, dass die Mappe „Mehrjahresbetrachtung“ in der mit E-Mail vom 26.03.2018 übersandten Excel-Datei nicht Grundlage seiner Kalkulation gewesen sei und er dies auch der Antragsgegnerin mitgeteilt habe.

Aus Ziffer 19 des Vergabevermerks ergebe sich, dass von der Beigeladenen eine Kostenkalkulation angefordert und überprüft worden sei. Es sei festgestellt worden, dass sich der niedrige Preis der Beigeladenen daraus ergebe, dass die Beigeladene die Einnahmen aus den ärztlichen Leistungen, die über die Erstversorgung hinausgehen, bei ihrer Kalkulation berücksichtigt habe. Der Antragsteller habe diese Einnahmen dagegen nicht berücksichtigt. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin (Vormerkung vom 09.04.2018) würden seitens des Antragstellers keine ärztlichen Leistungen abgerechnet und seien deshalb weder als Einnahmen in der Angebotskalkulation berücksichtigt noch intern einkalkuliert worden.

Es bestünden Unklarheiten hinsichtlich der Abrechnung der ärztlichen Leistungen. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene gingen hinsichtlich der Abrechenbarkeit ärztlicher Leistungen gegenüber Dritten von anderen Voraussetzungen zur Abrechnung dieser Leistung wie der Antragsteller aus. Der Antragsteller sei der Ansicht, dass eine Abgrenzung zwischen der Erstversorgung und Folgeversorgung nicht möglich sei und deshalb Einnahmen aus der Abrechnung ärztlicher Leistungen gegenüber Dritten nicht einkalkuliert werden könnten. Daneben sei aus Erfahrung des Antragstellers mit erheblichen Kürzungen aufgrund sachlich-rechnerischer Überprüfungen durch die KVB und anderweitige Forderungsausfälle zu erwarten. Die Leistungsbeschreibung könne nur so zu verstehen sein, dass die sanitätsdienstliche Leistungserbringung auch die Folgebehandlung umfasse, wenngleich der Auftragnehmer nicht zu einer weitergehenden Versorgung verpflichtet sein solle.

Auch hätte die Antragsgegnerin erkennen müssen, dass der Antragsteller und die Beigeladene von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen mussten. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass der Antragsteller in den vergangenen Jahren die Abrechnung ärztlicher Leistungen mit Dritten in die Kalkulation mit einbezogen hatte. Das Vergabeverfahren sei deshalb in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen.

Selbst wenn man davor ausgehen würde, dass die Antragsgegnerin keine Klarheit über die Vorgaben und Voraussetzungen für die zusätzliche Abrechnung ärztlicher Leistungen gegenüber Dritten schaffen müsste, so dürfe die Antragsgegnerin spätestens bei der Prüfung der Auskömmlichkeit eines Unterkostenangebots dies nicht unberücksichtigt lassen. Ausweislich der Auskunft der Stabstelle Recht der Antragsgegnerin vom 29.03.2018 sehe es die Antragsgegnerin als unerheblich an, ob und inwieweit es der Beigeladenen tatsächlich möglich ist, Einnahmen in der kalkulierten Größenordnung zu generieren. Die Antragsgegnerin habe zumindest aufzuklären, ob die Kalkulation nicht von vornherein unrealistisch sei.

Die Antragsgegnerin gehe davon aus, dass der Antragsteller für jede ärztliche Behandlung …,00 € erhalten könne. Unabhängig davon, dass eine Abrechnung ärztlicher Leistungen vor dem Hintergrund der kaum vorzunehmenden Abgrenzung problematisch sei, seien die Zahlen nicht stimmig. Ein realistischer Mittelwert für die Abrechnung ärztlicher Leistungen liege lediglich bei knapp … € pro Versorgung.

Es könne zwar sein, dass eine Subventionierung des Preises durch anderweitige Einnahmen nicht per se vergaberechtswidrig sei, jedoch könne die Antragsgegnerin dem Auftragnehmer entgegen der Ausführungen der Stabsstelle Recht der Antragsgegnerin vom 29.03.2018 schon mangels Zuständigkeit nicht gestatten, ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, gegenüber Dritten abzurechnen.

Der Antragsteller äußerte sich außerdem zu seiner Kalkulation und zur Eignung der Beigeladenen.

Ferner sei die Kalkulation des Angebots der Beigeladenen unzureichend und sei daher auszuschließen. Dies wurde noch näher ausgeführt. Eine Prognose hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen über den gesamten Auftragszeitraum sei nicht getroffen worden.

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin in deren Schriftsatz vom 01.05.2018 keine Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB eingetreten sei, da er zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe keine Vergabeverstöße erkannt habe. Erst nachdem ihm bekannt geworden sei, dass ein weiterer Bieter ein Angebot abgegeben habe, sei ihm bewusst geworden, dass er beim Erstellen des Angebots in den Vergabeunterlagen auch „zwischen den Zeilen gelesen habe“ und aufgrund der jahrelangen Zusammenarbeit davon ausgegangen sei, dass die Antragsgegnerin die gleiche Leistung ausgeschrieben habe, wie in den vergangenen Jahren. Der Antragsteller verfüge im Übrigen im Hinblick auf die Anforderungen des Vergaberechts über kein Spezialwissen.

Der Antragsteller vertritt zudem die Auffassung, wonach zum Teil die vorgebrachten Rechtsverletzungen Verstöße betreffen, die über den Verstoß von Vergaberechtsvorschriften hinausgingen. § 160 Abs. 3 GWB fordere aber nur Rügen im Fall von Verstößen gegen Vergabevorschriften und seien so von der Rügeobliegenheit nicht erfasst. Insbesondere die Abrechnung ärztlicher Leistungen betreffe Rechtsvorschriften, die nicht dem Vergaberecht unterfielen. Im Übrigen gingen Missverständnisse und Unklarheiten der Vergabeunterlagen zu Lasten des Auftraggebers.

Der Antrag der Antragsgegnerin zur Gestattung des vorzeitigen Zuschlags an die Beigeladene gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 GWB wie auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Gestattung des vorzeitigen Zuschlags anteilig für die Leistungen für das Oktoberfest im Jahre 2018 an die Beigeladene sei zurückzuweisen. Eine vorzeitige Gestattung dürfe nur in besonderen Ausnahmefällen gewährt werden. Eine Interimsvergabe sei als mildere Mittel vor einer endgültigen Vergabe zu favorisieren. Eine Vorabentscheidung sei daher unzulässig, wenn eine Interimslösung in Betracht komme. Dies komme vorliegend in Betracht, da der Antragsteller bereit und in der Lage sei einen Interimsauftrag auszuführen. Mit der Leistungserbringung des Sanitätsdienstes im Wege eines Interimsauftrags könnte die Sicherheit für Leben, Leib und Gesundheit der Besucher des Oktoberfests sichergestellt werden. Andere Gründe für ein überwiegendes Interesse der Antragsgegnerin habe diese nicht genannt. Eine vorzeitige Gestattung der Zuschlagsteilung sei daher nicht erforderlich. Auch der zeitliche Aspekt der vorzeitigen Zuschlagsgestattung sei kein Argument für die vorzeitige Zuschlagsgestattung.

Des Weiteren komme auch dann, wenn das Vergabeverfahren an erheblichen Mängeln leide, eine Vorabgestattung des Zuschlags nicht in Betracht. Ferner sei unsubstantiiert von Antragsgegnerin dargestellt worden, warum der Zuschlag auf die Gesamtvergabe gestattet werden solle.

Ferner beantragte der Antragsteller Akteneinsicht in die internen Stadtratsbeschlüsse, falls die Antragsgegnerin nicht substantiiert ausführe, welche wichtigen Gründe nach § 165 Abs. 2 GWB genau vorliegen und sie diese Gründe einzeln benenne.

Zudem führte der Antragsteller aus, dass die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin nicht notwendig sei, da diese eine große Anzahl an Juristen und eine umfangreiche Vergaberechtsorganisation mit mehreren Vergabestellen habe. Auch beschäftige sie Juristen, die Co-Autoren von Vergaberechtskommentaren seien und öffentliche Seminare zu vergaberechtlichen Themen halten würden.

Mit Schreiben vom 23.05.2018 übersandte der Antragsteller zu seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 22.05.2018 ein Schreiben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) und teilte mit, dass sich aus diesem Schreiben ergebe, dass nicht wie von der Antragsgegnerin angenommene im Durchschnitt der letzten elf Jahre … Behandlungen durch die Antragstellerin abgerechnet wurden.

Mit Schreiben vom 29.05.2018 äußerte sich die Antragsgegnerin zu der Antwort auf die Bieterfrage vom 20.02.2018, dass diesbezüglich kein Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz vorliege und insbesondere der Antragsteller nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt sei. Zudem führe eine von dem Antragsteller anders als die Beigeladene vorgenommene Kalkulation nicht zu nicht mehr miteinander vergleichbaren Angeboten, da die Beigeladene die identischen Leistungen angeboten habe, wie der Antragsteller. Die Beigeladene habe lediglich in Teilen anders kalkuliert, was ihre unternehmerische Entscheidung sei.

In dem Telefonat zwischen dem Geschäftsführer des Antragstellers und der Antragsgegnerin vom 20.03.2018 habe dieser nur nach etwaigen weiteren Konkretisierungen der Vergabeunterlagen gefragt und nicht nach eingegangenen Bieterfragen. Ihm sei darauf bestätigt worden, dass sämtliche Konkretisierungen der Vergabeunterlagen veröffentlich worden seien. Die Frage wäre zudem nach vergaberechtlicher Sicht, vor Ablauf der Angebotsfrist zu stellen gewesen. Insbesondere habe die Antragsgegnerin vollständige Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt auf deren Basis eine Kalkulation der nachgefragten Angebotspreise möglich war. Es stelle sich die Frage, wenn der Antragsteller andeuten wolle, die Vergabeunterlagen der Antragsgegnerin seien nicht geeignet ein Angebot hinreichend zu kalkulieren, wieso er dann im streitgegenständlichen Vergabeverfahren keine entsprechenden Fragen gestellt habe. Da einschlägige – allgemein zugängliche - Rechtsgrundlagen zu der Abrechnung von ärztlichen Leistungen existierten, obliege es der Antragsgegnerin auch nicht, dies in ihren Vergabeunterlagen für die Beschaffung von Sanitätsleistungen zu regeln.

Weiter äußerte sich die Antragsgegnerin unter anderem noch zum Schriftsatz des Antragstellers vom 22.05.2018. Sie führte noch aus, dass der Antragsteller entgegen seinen Äußerungen und wie auch sein Organigramm offenbare, über eine große Organisation verfüge und rechtliches Wissen in arzt-, medizin- oder vergaberechtlichen Fragen haben müsse. Auch liege es nahe, dass der Antragsteller aufgrund seiner großen Organisation über vergaberechtliche Kenntnisse verfüge, was unter anderem sein 16-seitiges Rügeschreiben zeige.

Aus der subjektiven Sicht der Antragsgegnerin erscheine es wenig überzeugend, dass die Antragstellerin die Umsätze aus der Abrechnung ärztlicher Leistungen aus den letzten Jahren für ihre Kalkulation nicht mehr mit einbezogen habe.

Da die Antragsgegnerin nicht davon ausgehe, dass der Antragsteller in der Vergangenheit Leistungen doppelt – also sowohl im Rahmen des Sanitätsdiensts, als auch als ärztliche Leistung – abgerechnet habe, müsse eine Abgrenzung der Leistung wohl doch möglich sein. Die Ausführungen des Antragstellers bezüglich der Beurteilung der Voraussetzungen für die Abrechnung ärztlicher Leistungen seien insoweit wenig überzeugend.

Ferner habe die Antragsgegnerin objektiv betrachtet mit ihrer Antwort auf die Bieterfrage der Beigeladenen, wenn überhaupt, dann nur eines getan, nämlich einen etwaigen auf die Erfahrungen der vergangenen Jahre zurückzuführenden „gefühlten“ Wissensvorsprung des Antragstellers gegenüber der Beigeladenen ausgeglichen oder vielmehr deren ohnehin schon richtige Annahme nur bestätigt.

Im Hinblick auf die Ausführungen des Antragstellers zur – „Berücksichtigung der Voraussetzungen für die Abrechnung ärztlicher Leistungen maßgeblich für Angebotsaufklärung“ und „Kalkulation der Antragsgegnerin zur Abrechnung von ärztlichen Leistungen ist nicht realistisch“ (Ziffer A. II. 4 und 5 des Schriftsatzes des Antragstellers) führte die Antragsgegnerin aus, dass sie ihrer Pflicht zur Prüfung der Angebote auch in Ansehung von § 60 VgV nachgekommen sei, wie die Vergabedokumentation belege. Insbesondere wäre eine Berücksichtigung der zusätzlichen Abrechnung ärztlicher Leistungen gegenüber Dritten kalkulatorisch nicht zu beanstanden.

Auch betonte die Antragsgegnerin nochmals, dass das Angebot der Beigeladenen nicht wegen Unauskömmlichkeit aus dem Verfahren auszuschließen sei und aus Sicht der Antragsgegnerin auch nicht ungewöhnlich niedrig im objektiven Sinne sei. Die Antragsgegnerin habe weder hinsichtlich der Auskömmlichkeit des Angebots, noch hinsichtlich der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen über die Vertragslaufzeit Bedenken.

Zur vorzeitigen Gestattung des Zuschlags teilte die Antragsgegnerin noch mit, dass dieser aufgrund der notwendigen Vorbereitungszeit der Beigeladenen für die Erbringung der Sanitätsdienstleistungen ab Zuschlag bis Beginn des Oktoberfestes nötig sei. Sollte die Vergabekammer bis zum 13.06.2018 keine Entscheidung mindestens hinsichtlich des Leistungsjahres 2018 getroffen haben, sehe sich die Antragsgegnerin gezwungen, diese Leistungen tatsächlich im Wege einer Interimsvergabe zu beschaffen, dies aber in jedem Fall im Wege eines wettbewerblichen Verfahrens und nicht im Wege einer Direktvergabe an den Antragsteller, wie dieser vorgeschlagen habe. Der vorgenannte Termin ergebe sich im Übrigen aus den Abhängigkeiten:

– Mögliche Beschwerdefrist nach einer Entscheidung

– Abgleich mit Ende der Angebotsbindefrist

– Notwendige Vorbereitungszeit bis Leistungsbeginn für einen Auftragnehmer, der nicht schon Bestandsauftragnehmer sei. (Da diese Bindefrist von allen Bietern mit Angebotsabgabe akzeptiert wurde, gehe die Antragsgegnerin davon aus, dass ein Zuschlag bis zu diesem Termin noch für jeden potentiellen Auftragnehmer ausreichend Zeit ließe, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen.).

Das Bedürfnis des Zuschlages auf die Gesamtvergabe ergebe sich daraus, dass die kalkulierten Preise der Bieter für die Vertragsjahre auf der Annahme beruhten, dass man den Auftrag für mehrere Jahre erhalte. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass zum Beispiel Investitionskosten etc. in den Angebotspreisen über die Gesamtlaufzeit verteilt worden seien. Bekäme ein Bieter den Auftrag auf der preislichen Basis seines eingereichten Angebotes nur für ein Jahr und bliebe es dann nur bei einem Jahr, so könnte sich dies unangemessen negativ auf den betreffenden Auftragnehmer auswirken. Im Übrigen sei vorliegend auch nur ein einheitlicher Vertrag ausgeschrieben worden, über den einheitlich entschieden werden sollte.

Die Akteneinsicht in die internen Stadtratsbeschlüsse seien den übrigen Beteiligten zu versagen, da nach Art. 57 Abs. 3 BayGO gefasste Beschlüsse in nichtöffentlicher Sitzung der Öffentlichkeit erst bekanntzugeben seien, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen seien, was der Kommune obliege, nicht aber der Vergabekammer. Auch wurde noch auf Art. 52 Abs. 2 S. 2 BayGO verwiesen. Auch sei für die Entscheidungsfindung aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes im Nachprüfungsverfahren zur Wahrung der Rechte des Antragstellers dies nicht notwendig.

Die mündliche Verhandlung fand am 04.06.2018 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. In Bezug auf die Einzelheiten wird auf die Niederschrift verwiesen. Die Antragsgegnerin nahm die Anträge nach § 169 Abs. 2 Satz 1 GWB zurück.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die aus-getauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.

Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i.S.d. § 103 Abs. 1, 4 GWB. Die Antragsgegnerin ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 221.000 Euro erheblich.

Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 - 109 GWB liegt nicht vor.

1. Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig.

Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

Der Antragsteller hat sein Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass er mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Der Antragsteller hat eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB geltend gemacht. Er trägt vor, dass die mehrere Vorgaben in den Vergabeunterlagen unzureichend seien, die Beigeladene nicht geeignet sei, die Antragsgegnerin mangels Weitergabe der Information aus der E-Mail vom 20.02.2018 gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen hätte und das Angebot der Beigeladenen mangels Auskömmlichkeit ausgeschlossen werden müsste.

Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, dass die festgelegten Eignungskriterien unzureichend seien, das Einsatzkonzept und Personalkonzept neben dem Preis hätten gewertet werden müssen, die Ausschreibung nicht dem Stand entspreche, den der Antragsteller in der Vergangenheit erbracht habe und der zur sachgerechten Erbringung des Sanitätsdienstes erforderlich sei, keine eindeutige und abschließende Leistungsbeschreibung sowie keine sachgerechte und der objektiv erforderlichen Leistung entsprechende Leistungsbeschreibung vorliege und es als Folge der nicht sachgerechten Leistungsbeschreibung zu einer Diskriminierung des Antragstellers und Wettbewerbsverzerrung gekommen sei, ist der Vortrag, gemäß § 160 Abs. 3 S.1 Nr.2 und Nr.3 GWB präkludiert. Die Kritikpunkte des Antragstellers waren allesamt in tatsächlicher Hinsicht aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen erkennbar. Sie betreffen insbesondere sachlich-inhaltliche Fragen und damit die Kernkompetenz des insoweit besonders fachkundigen Antragstellers und keine vergaberechtlichen Spezialfragen, die selbst für einen Marktteilnehmer, der regelmäßig an EUweiten Vergabeverfahren teilnimmt, nicht erkennbar wären. Bei solchen branchenspezifischen Fachthemen ist bei Marktteilnehmern, die in dieser Branche tätig sind, eine entsprechende Rechtskenntnis zu erwarten (VK Südbayern, Beschluss vom 19.04.2018, Z3-3-3194-1-61-12/17), so dass der Antragsteller die Fragen spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe hätte rügen können und müssen.

Eine inhaltliche Befassung der Vergabekammer mit diesen Fragen, sowie dem vom Antragsteller am 30.04.2018 übersandten Kurzgutachten der … Beratende Ingenieure …, das belegen soll, dass die Leistung, wie diese in den Vergabeunterlagen beschrieben worden sei, nicht qualitativ der Leistung entspreche, die der Antragsteller in den letzten Jahren erbracht habe und die objektiv für den Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest erforderlich und angemessen sei, ist daher weder zulässig noch geboten.

Ansonsten steht der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags keine Rügepräklusion, insbesondere nicht nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 oder Nr.4 GWB entgegen.

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Es liegen zwar Verstöße gegen vergaberechtliche Vorschriften vor, der Antragsteller ist hierdurch aber nicht in seinen Rechten gem. § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

Dies betrifft insbesondere die Prüfung der Eignung der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin, wo nicht die Gefahr besteht, dass der Zuschlag unzulässigerweise an ein ungeeignetes Unternehmen erteilt wird.

Indem die Antragsgegnerin die per E-Mail vom 20.02.2018 an die Beigeladene erteilte Information, wonach „ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, über die GOA über die GKV oder PKV abgerechnet werden können“, nicht auch dem Antragsteller erteilt hat, hat sie gegen den Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz nach § 97 Abs. 1 und 2 GWB verstoßen. Dieser Vergabeverstoß hat sich jedoch nicht ursächlich auf die Auftragschancen des Antragstellers ausgewirkt.

Schließlich sind der Antragsgegnerin bei der Prüfung des Angebots der Beigeladenen wegen eines ungewöhnlich niedrigen Preises keine Beurteilungs- und Ermessensfehler unterlaufen, die den Antragsteller in seinen Rechten gem. § 97 Abs. 6 GWB verletzen.

Im Einzelnen:

2.1 Die Antragsgegnerin hat eine umfassende Eignungsprüfung vorgenommen und diese dokumentiert. Die Vergabekammer kann keine offensichtlichen Beurteilungs- und Ermessensfehler erkennen, die zu einer Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten führen.

Allerdings hat die Antragsgegnerin in Ziff.III.1.1) der Bekanntmachung lediglich „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ und einen Link angegeben. Dieser Link führte auf eine Internetseite, die mehrere Ausschreibungen der Antragsgegnerin enthielt. Der Bieter musste vorliegend also erst eine Ausschreibung auswählen um dann innerhalb der Unterlagen dieser Ausschreibung zu den entsprechenden Vergabeunterlagen zu gelangen. Damit hat die Antragsgegnerin gegen § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV verstoßen und die Eignungskriterien nicht wirksam bekannt gemacht.

Nach § 122 Abs. 4 S. 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Nach § 48 Abs. 1 VgV ist in der Auftragsbekanntmachung neben den Eignungskriterien ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre Eignung gemäß den §§ 43 bis 47 und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben.

Nach § 41 Abs. 1 VgV gibt der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können.

Trotz des Wortlautes in § 122 Abs. 4 S. 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV, der eine Angabe sowohl der Eignungskriterien als auch der Unterlagen, mit denen die Eignung zu belegen ist, in der Bekanntmachung fordert, hat die Rechtsprechung eine Verlinkung in der Bekanntmachung auf die Auftragsunterlagen, welche die Eignungskriterien enthalten, in bestimmten Fällen für ausreichend erachtet, um diese wirksam bekanntzumachen. Dies kann nach Auffassung der VK Südbayern auch dann gelten, wenn die Verlinkung nicht direkt unter den Eignungsanforderungen in Ziffer III des Bekanntmachungsformulars steht (zu einem solchen Fall bereits zur früheren Rechtslage OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2011, Verg 60/11), sondern lediglich aus der ohnehin nach § 41 Abs. 1 VgV erforderlichen Verlinkung auf die (vollständigen) Vergabeunterlagen besteht (VK Südbayern, Beschluss vom 15.09.2017, Z3-3-3194-1-30-06/17). Die Einzelheiten hierzu sind allerdings noch nicht abschließend geklärt.

Aufgrund der gem. § 41 Abs. 1 VgV gebotenen direkten Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen und der Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, die Eignungskriterien einschließlich der Unterlagen, mit denen die Eignung zu belegen ist, anzugeben (und nicht des Bieters, sie zu suchen!), ist eine solche Verlinkung jedenfalls nur dann ausreichend, wenn sie in einem direkten Link auf das konkrete Vergabeverfahren besteht (VK Südbayern, Beschluss vom 02.01.2018, Z3-3-3194-1-47-08/17 und Beschluss vom 20.04.2018, Z3-3-3194-1-59-12/17, so auch VK Nordbayern, Beschluss vom 15.02.2018, RMF-SG21-3194-3-1 und Beschluss vom 09.04.2018, RMF-SG21-3194-3-5). Bereits dies war im vorliegenden Fall nicht gewährleistet, da der Link auf eine Seite mit mehreren Vergabeverfahren ging.

Es kann daher hier offen bleiben, ob aufgrund des klaren Wortlauts der §§ 122 Abs. 4 S. 2 GWB und 48 Abs. 1 VgV die Verlinkung direkt und unmittelbar (also ohne einen weiteren „Klick“) auf die Dokumente mit den Eignungskriterien und den entsprechen Unterlagen zum Nachweis der Eignung gehen muss („Direktlink“, so wohl VK Nordbayern a.a.O.) oder ob es genügen kann, dass die entsprechenden Angaben unschwer in den Vergabeunterlagen des konkreten Vergabeverfahrens ersichtlich sind (so – möglicherweise zu weitgehend – VK Südbayern, Beschluss vom 15.09.2017, Z3-3-3194-1-30-06/17). Der Sinn und Zweck der Angabe in der Auftragsbekanntmachung besteht nämlich darin, dass jedes Unternehmen auf einen Blick erkennen kann, ob es als potentiell geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommt oder ob es sich eine Befassung mit den Vergabeunterlagen von vornherein ersparen kann (VK Nordbayern, Beschluss vom 15.02.2018, RMF-SG21-3194-3-1). Diese Funktion haben die Vergabeunterlagen nicht. Vielmehr enthalten Vergabeunterlagen detaillierte und umfangreiche Angaben für das (bereits) interessierte Unternehmen. § 41 Abs. 1 VgV und § 48 Abs. 1 VgV dienen damit unterschiedlichen Zwecken.

Sind – wie hier – aufgrund eines Bekanntmachungsdefizits keine oder praktisch keine Mindestanforderungen an die Eignung wirksam erhoben sind, leidet das Vergabeverfahren an einem schwerwiegenden Mangel (VK Südbayern, Beschluss vom 05.12.2013, Z3-3-3194-1-38-10/13 und Beschluss vom 20.04.2018, Z3-3-3194-1-59-12/17). Nach § 122 Abs. 1 GWB werden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen worden sind. § 122 Abs. 1 GWB enthält damit eine Pflicht zur Eignungsprüfung. Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass öffentliche Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden dürfen. Ohne dass der Auftraggeber die Eignung der Bieter festgestellt hat, darf er den Zuschlag nicht erteilen (Opitz, in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, § 122 GWB, Rn.15).

Dennoch hält es die Vergabekammer nicht für erforderlich, dass aufgrund dieses Verstoßes gegen das Vergaberecht das Verfahren zurückversetzt oder aufgehoben wird und bei fortbestehender Beschaffungsabsicht erneut bekannt gemacht wird.

Die Antragsgegnerin hat nämlich – auch wenn ihr dazu die Grundlage fehlte – eine Prüfung der Eignung der Beigeladenen vorgenommen, aufgrund derer nicht die Gefahr besteht, dass ein – nach den von der Antragsgegnerin beabsichtigten Eignungskriterien – ungeeignetes Unternehmen den Zuschlag erhält. Es geht im vorliegenden Verfahren nicht um den Ausschluss eines Angebots mangels Erfüllung der Eignungskriterien. Vielmehr hat die Antragsgegnerin eine Eignungsprüfung anhand der – nicht wirksam bekanntgemachten - in den Vergabeunterlagen enthaltenen Vorgaben („Eigenerklärung zur Eignung“) vorgenommen. Von diesen ist sie nicht abgerückt, hat diese weder verschärft noch erleichtert. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin eigene Recherchen angestellt. Die Antragsgegnerin hat eine umfassende Eignungsprüfung vorgenommen und diese dokumentiert. Eine Bejahung der Eignung der Beigeladenen war ihr insoweit möglich, lediglich ein Ausschluss eines Bieter wegen Nichterfüllung der von der Antragsgegnerin beabsichtigten Eignungskriterien wäre an der unzureichenden Bekanntgabe gescheitert.

Es käme hier – anders als beim drohenden Zuschlag auf das Angebot eines ungeeigneten Bieters - bloßem Formalismus gleich, wenn man dieses Vergabeverfahren zurückversetzen und wiederholen würde, denn die Beigeladene konnte und hat die gemäß der „Eigenerklärung zur Eignung“ geforderten Referenzen vorgelegt und bezüglich des Antragstellers konnte eine Referenz und ohne Vorlage der Referenz der für die Auftraggeberin erbrachte Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest seit dem Jahr 1885 berücksichtigt werden.

2.2 Die Antragsgegnerin hat die per E-Mail vom 20.02.2018 an die Beigeladene erteilte Information, wonach „ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, über die Gebührenordnung für Ärzte über die GKV oder PKV abgerechnet werden können“, nicht auch dem Antragsteller erteilt. Dadurch hat sie gegen den Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz nach § 97 Abs. 1 und 2 GWB verstoßen.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung erfordert, dass ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich jede zusätzliche sachdienliche Auskunft, die er einem anfragenden Bieter gibt, auch allen anderen Bietern erteilt, mithin allseitig informiert und nicht nur individuell. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass der öffentliche Auftraggeber gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter verstößt. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um eine zusätzliche Auskunft handelt. Der Begriff der zusätzlichen Auskunft ist dabei weit auszulegen (VK Sachsen, Beschluss vom 24.08.2016 - 1/SVK/017-16). Sachdienlich sind Auskünfte, wenn sie objektiv mit der Sache zu tun haben und Missverständnisse ausräumen oder Verständnisfragen zu den Vergabeunterlagen beantworten (Schwabe, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 12, Rn.147). Die Vergabekammer Sachsen führt in ihrem Beschluss vom 24.08.2016 (a.a.O) aus, dass ein öffentlicher Auftraggeber allenfalls im Einzelfall eine Bieterfrage individuell beantworten könne, wenn sie offensichtlich ein individuelles Missverständnis des Bieters betrifft und die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzen oder die Identität des Bieters preisgeben würde. Der dortigen Entscheidung lag zugrunde, dass die Antragsgegnerin vorgetragen habe, dass ein fachkundiger Bieter die arbeitsrechtlichen Vorgaben zur Kalkulation des Angebots hätte kennen müssen und die durch die Antworten gegebenen Informationen für diese insoweit nicht relevant wären. Dem entgegnete die Vergabekammer Sachsen, dass dies nicht der o. g. Maßstab zur Prüfung sei, ob Bieterfragen und deren Beantwortung bekannt gemacht werden müssen, denn diese seien, soweit sie auch für die übrigen Bewerber von Bedeutung sein können, allen anderen bekannt zu machen.

Ähnlich ist der Sachverhalt hier gelagert. Vorliegend ergeben sich die Abrechnungsvoraussetzungen aus der GOÄ und mithin aus einer gesetzlichen Verordnung, die unabhängig vom Wirken der Antragsgegnerin gilt. Ungeachtet dessen, ob die Frage der Beigeladenen auf einem individuellen Missverständnis beruhte oder die Antwort der Antragsgegnerin eine zusätzliche und sachdienliche Auskunft ist, hätte die Antragsgegnerin die identische Information dem Antragsteller erteilen müssen. Die Bewertung, ob es sich um eine zusätzliche oder sachdienliche Auskunft handelt, muss im Sinne der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz des Vergabeverfahrens letztlich dem Bieter vorbehalten bleiben. Sofern es sich nicht um eine bloße Wiedergabe der Vergabeunterlagen handelt, sind nach Auffassung der Vergabekammer sämtliche Antworten auf Bieterfragen allen Bietern zur Verfügung zu stellen, soweit nicht die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzen oder die Identität des Bieters preisgeben würde. Da die Antragsgegnerin die o.g. Information dem Antragsteller nicht erteilt hat, hat sie gegen den Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz nach § 97 Abs. 1 und 2 GWB verstoßen.

Dieser Vergabeverstoß hat sich im vorliegenden Einzelfall jedoch nicht ursächlich auf die Auftragschancen des Antragstellers ausgewirkt.

Die Feststellung einer mindestens nicht ausschließbaren Beeinträchtigung der Auftragschancen des Antragstellers ist neben einer Rechtsverletzung für den Erfolg des Nachprüfungsantrags unerlässlich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.4.2010 - VII-Verg 60/09). Das Erfordernis einer dahingehenden Feststellung folgt nicht nur aus der gebotenen Übertragung der Anforderungen an die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB auf die Ebene der Begründetheit des Nachprüfungsantrags, sondern zudem auch aus § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB. Danach treffen die Vergabenachprüfungsinstanzen die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung (des Antragstellers) zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Droht wegen einer Rechtsverletzung kein Schaden, mithin keine Beeinträchtigung der Aussichten auf den Erhalt des Auftrags, sind die Vergabenachprüfungsinstanzen nicht berechtigt, in das Vergabeverfahren einzugreifen. Dafür spricht auch ein richtlinienkonformes Verständnis der EUrechtlichen Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren. So kann nach Art. 2 d Abs. 1 Buchst. b von Art. 1 der die Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG ändernden Richtlinie 2007/66/EG (i. V. mit deren Erwägungsgrund 18) der Antragsteller Rechtsschutz gegen die Wirksamkeit eines unter Verstoß gegen Vergabevorschriften geschlossenen Vertrages nur erlangen, falls der Rechtsverstoß seine Aussichten auf die Erteilung des Zuschlags beeinträchtigt hat (oder anders ausgedrückt: dem Antragsteller tatsächlich ein Schaden entstanden oder ein solcher wahrscheinlich, zumindest aber nicht ausschließbar zu erwarten ist). Die genannte Richtlinienvorschrift betrifft zwar die von den Mitgliedstaaten gegen die Wirksamkeit unter Verstoß gegen Vergabevorschriften geschlossener Verträge vorzusehenden Rechtsbehelfe. Doch ist die Anforderung, dass durch den festgestellten Rechtsverstoß tatsächlich und kausal die Auftragschancen des Antragstellers beeinträchtigt worden sein müssen, bei wertender Betrachtung auf vergaberechtliche Streitfälle der vorliegenden Art zu übertragen. Fehlt es an einer solchen Beeinträchtigung, besteht für die Vergabenachprüfungsinstanzen auch kein rechtfertigender Grund, das Vergabeverfahren anzuhalten und auf diese Weise den vom Gesetz angestrebten möglichst raschen Abschluss des Beschaffungsvorhabens zu verzögern (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.06.2010, Verg 10/10).

Auch das OLG München stellt in seiner Entscheidung vom 19.03.2009 (Verg 2/09) darauf ab, dass Vergabeverstöße nur dann unerheblich sein könnten, wenn eine Kausalität für die Wertung des Angebotes des Antragstellers oder für die Nichterteilung des Zuschlags an den Antragsteller ausgeschlossen wäre.

Vorliegend ist nicht anzunehmen, dass der Antragsteller bei Kenntnis der Information, wonach „ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, über die GOÄ über die GKV oder PKV abgerechnet werden können“, günstiger kalkuliert hätte und mithin ein Angebot zu einem geringeren Preis abgegeben hätte und damit den Zuschlag erhalten hätte.

Zwar trägt der Antragsteller vor, dass er, hätte er die Information, dass ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, über die GOÄ über die GKV oder PKV abgerechnet werden sollen, ebenfalls erhalten, seine Entscheidung, diese Kosten nicht in seine Kalkulation mit einzubeziehen überdacht und seine Entscheidung, ärztliche Leistungen nicht abzurechnen, nochmals überprüft hätte.

Dieser Vortrag ist aber nicht glaubhaft. Der Antragsteller, der bislang den Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest erbracht hat, kennt die Abrechnungsmodalitäten, die bei der Erbringung des Sanitätsdienstes auf dem Oktoberfest gelten. Zum einen aufgrund seiner Erfahrung in der Praxis und zum anderen aufgrund der von ihm in der Ausschreibung aus dem Jahr 2011 gestellten Bieterfrage

„Ist es dem Auftragnehmer möglich medizinische Leistungen gegenüber Dritten, zusätzlich zur Angebotssumme, in Rechnung zu stellen (z.B. Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern KVB)?“

und der hierauf seinerzeit gegebenen Antwort

„In Art. 2 Abs. 16 BayRDG ist die Aufgabe der sanitätsdienstlichen Betreuung von Veranstaltungen ausdrücklich geregelt, um insbesondere eine klare Abgrenzung zu den Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes zu erreichen. Ob der Auftragnehmer zur Abrechnung von Leistungen im Rahmen des Sanitätsdienstes gegenüber Dritten, wie der KVB, berechtigt ist, muss vom Auftragnehmer eigenverantwortlich beurteilt und mit den entsprechenden Stellen abgeklärt werden.“

Es ist unstreitig, dass der Antragsteller in der Vergangenheit Leistungen im Rahmen des Sanitätsdienstes gegenüber Dritten abgerechnet hat. Sowohl die genaue Anzahl der Abrechnungen als auch deren Höhe ist nicht bekannt, da die Verfahrensbeteiligten hier unterschiedliche Aussagen trafen und Vermutungen angestellt haben. Da im Durchschnitt der letzten elf Jahre … ärztliche Versorgungen in den Servicezentren des B… erbracht wurden, ist davon auszugehen, dass auch eine entsprechende Anzahl an Abrechnungen gegenüber Dritten erfolgte. Das mit Schriftsatz vom 23.05.2018 von dem Antragsteller vorgelegte Schreiben der KVB gibt nur Auskunft über die bei der KVB eingereichten Abrechnungen. Das Schreiben enthält aber keine Aussagen zu den gegenüber Privatzahlern und der Berufsgenossenschaften (BG)erfolgten Abrechnungen. Einzig dem Antragsteller wäre es möglich gewesen konkrete Zahlen zu benennen und diese zu belegen. Da er dies nicht getan hat, ist von jährlich durchschnittlich … ärztlichen Versorgungen im Rahmen des Sanitätsdienstes auf dem Oktoberfest auszugehen. Gleiches gilt für die tatsächlichen Auszahlungen Dritter und mithin der Einnahmen. Aus der Kalkulation des Antragstellers für die Jahre 2015 – 2017 (Anlage AG 04) sind jeweils Einnahmen aus den Abrechnungen mit der KVB, Privatzahlern und BG in einer bestimmten Höhe ausgewiesen. Vergleicht man die angebotenen Preise des Antragstellers für die Jahre 2015 bis 2017 (gemäß Vermerk der Antragsgegnerin vom 09.04.2018) mit seinen Einnahmen – die sich aus dem Angebotspreis und den Zahlungen der GKV, von Privatpersonen und der BG zusammensetzen – in diesen Jahren gemäß der Mehrjahresbetrachtung, so lassen sich durchschnittliche jährliche Einnahmen aus den Abrechnungen mit Dritten errechnen. Der durchschnittliche Betrag dieser jährlichen Einnahmen aus den Abrechnungen mit Dritten kann als realistisch unterstellt werden. Es ist kaum vorstellbar, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt seiner Angebotskalkulation aufgrund dessen, dass er die Voraussetzungen zur Abrechnung ärztlicher Leistungen im Einzelfall kaum beurteilen könne, da eine saubere Trennung von sanitätsdienstlicher und ärztlicher Leistungserbringung sich als nahezu unmöglich erwiesen habe, sich dazu entschlossen habe, tatsächlich von der Abrechnung ärztlicher Leistungen abzusehen und mithin auf Einnahmen in erheblicher Höhe jährlich zu verzichten. Es mag zutreffend sein, dass die Abgrenzung von sanitätsdienstlicher Leistung, die von der Antragsgegnerin vergütet wird, und ärztlicher Leistung, die von Dritten vergütet wird, schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist. Tatsache ist aber, dass Dritte ungeachtet der schwierigen Trennung dieser Leistungen diese nach der EBM oder GOÄ vergüten und entsprechende Auszahlungen vornehmen. Folglich kann es nicht darauf ankommen, ob der Antragsteller die Voraussetzungen zur Abrechnung ärztlicher Leistungen im Einzelfall beurteilen kann. Vielmehr genügt es für die Möglichkeit der Abrechnung gegenüber Dritten, dass eine ärztliche Leistung erbracht wurde, also eine Leistung die ein Arzt vorgenommen hat, unabhängig davon, ob diese Leistung nach dem BayRDG unter den Rettungsdienst oder den Sanitätsdienst zu subsumieren ist. Es ist nach Ansicht der Vergabekammer deshalb offensichtlich, dass der Vortrag des Antragstellers nur vorgeschoben ist, um das Vergabeverfahren zu Fall zu bringen und eine erneute Chance zur Angebotsabgabe zu bekommen.

Es ist auch unzutreffend, dass der Antragsteller und die Beigeladene zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe unterschiedliche Informationen gehabt hätten und folglich nicht auf dem gleichen Kenntnisstand gewesen wären. Der Antragsteller trug vor, dass die Beigeladene die Information bekommen hätte, dass ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, nach der GOÄ über die GKV oder PKV abgerechnet werden können, wohingegen er lediglich im Rahmen der Ausschreibung im Jahr 2011 die Information erhalten hätte, dass der Auftragnehmer eigenverantwortlich beurteilen müsse, ob er zur Abrechnung berechtigt sei. Der Antragsteller übersieht dabei jedoch, dass die Beigeladene bereits davon ausging, dass „die entsprechenden Abrechnungsvoraussetzungen hierfür […] der AN selbst schaffen“ müsse. Auch wenn der Erklärungsgehalt der Aussage „der Auftragnehmer muss eigenverantwortlich beurteilen, ob er zur Abrechnung berechtigt ist“ hinter der Annahme „der Auftragnehmer muss die entsprechenden Abrechnungsvoraussetzungen selbst schaffen“ und der Antwort „ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, können über die Gebührenordnung für Ärzte über die GKV oder PKV abgerechnet werden“ zurückbleibt, so hatte der Antragsteller aufgrund der Tatsache, dass er in den vergangenen Jahren ärztliche Leistungen, die er in der Sanitätsstation erbracht hat, gegenüber Dritten (KVB, Privatzahler, BG) abgerechnet hat, exakt denselben Kenntnisstand wie die Beigeladene.

Es sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass die Antragsgegnerin dennoch die Information, die sie der Beigeladenen erteilt hat, ebenfalls dem Antragsteller hätte erteilen müssen. Es steht jedoch zur Überzeugung der Vergabekammer fest, dass der Antragsteller wusste, dass er ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, über die Gebührenordnung für Ärzte über die GKV oder PKV abrechnen kann. Schließlich gab es diesbezüglich auch keine Änderungen der Vergabeunterlagen. Angesichts dessen, dass der Antragsteller gegenüber der Beigeladenen bezüglich der Möglichkeit, der Voraussetzungen und dem Prozedere der Abrechnung von ärztlichen Leistungen gegenüber Dritten einen Erfahrungs- und Wissensvorsprung hat, ist auch diesbezüglich der Vortrag des Antragstellers eindeutig vorgeschoben, um das Vergabeverfahren zu Fall zu bringen und eine erneute Chance zur Angebotsabgabe zu bekommen.

Nach alledem steht für die Vergabekammer fest, dass der Antragsteller bei Kenntnis der Beantwortung der Bieterfrage durch die Antragsgegnerin, wonach „ärztliche Leistungen, die in der Sanitätsstation erbracht werden, über die Gebührenordnung für Ärzte über die GKV oder PKV abgerechnet werden“ können, nicht anders, insbesondere nicht günstiger kalkuliert hätte und mithin ein Angebot zu einem geringeren Preis abgegeben hätte und damit den Zuschlag erhalten hätte. Der Vergaberechtsverstoß der Antragsgegnerin war mithin nicht kausal dafür, dass nicht auf das Angebot des Antragstellers, sondern auf das der Beigeladenen der Zuschlag erteilt werden soll. Folglich bleibt der Vergaberechtsverstoß ohne Konsequenz (siehe auch VK Südbayern, Beschluss vom 16.10.2014, Z3-3-3194-1-43-09/14).

2.3 Der Antragsgegnerin sind schließlich bei der Prüfung des Angebots der Beigeladenen wegen eines ungewöhnlich niedrigen Preises nach § 60 VgV keine Beurteilungs- und Ermessensfehler unterlaufen, die zu einer Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB führen. Die Antragsgegnerin stellte zudem – lediglich hilfsweise – Überlegungen für den Fall an, dass man das Angebot der Beigeladenen als nicht kostendeckend betrachten würde. Sie legte nachvollziehbar dar, dass sie keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Leistungserbringung der Beigeladenen habe und nicht erwarte, dass die Beigeladene in finanzielle Schwierigkeiten geraten werde. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Wiederholung der Preisprüfung war daher nicht auszusprechen.

Nach § 60 Abs. 1 VgV verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Indizien für ein ungewöhnlich niedriges Angebot können hierbei sowohl der preisliche Abstand zu einer Kostenermittlung des Auftraggebers als auch der preisliche Abstand zu den nächstgünstigen Angeboten sein.

Nachdem der Angebotspreis der Beigeladenen (ebenso wie der des Antragstellers) erheblich unter der - möglicherweise wenig validen - Kostenermittlung der Antragsgegnerin, aber auch um mehr als 20% unter dem Angebotspreis des Antragstellers lag, war vorliegend die Preisaufklärung durch die Antragsgegnerin geboten (BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017, Verg 33/17).

Dieser Verpflichtung ist die Antragsgegnerin mit ihren E-Mail-Schreiben vom 08.03.2018 und 28.03.2018, in denen sie sich die Kalkulation der Beigeladenen vorlegen und die Grundlagen der Annahmen der Beigeladenen zu den einkalkulierten Einnahmen aus ärztlichen Versorgungen durch Kostenerstattung Dritter erläutern ließ, nachgekommen. Die Beigeladene hat durch rechtzeitige Vorlage der geforderten Unterlagen und Auskünfte ihrer insoweit bestehenden Mitwirkungspflicht genügt.

Wie sich aus den Aktenvermerken der Antragsgegnerin vom 29.03.2018 und 09.04.2018 (Blatt 202 bis 205 der Vergabeakte) ergibt, die dem Antragsteller wegen der darin enthaltenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen nur teilweise geschwärzt im Wege der Akteneinsicht zugänglich gemacht werden konnten, hat sich die Antragsgegnerin in sachgerechter Weise mit den vorgelegten Unterlagen auseinandergesetzt.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Beigeladenen nach erfolgter Prüfung nicht gem. § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV auszuschließen, ist nicht zu beanstanden. Dagegen spräche viel dafür, dass eine anderweitige Entscheidung der Antragsgegnerin die Beigeladene in ihren Rechten verletzt hätte.

§ 60 Abs. 3 VgV setzt Art. 69 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU um und ist daher im Licht der Richtlinie auszulegen. Nach dem maßgeblichen und besser verständlichen Wortlaut der Richtlinie kann der Auftraggeber ein Angebot nur dann ablehnen, wenn die beigebrachten Nachweise das niedrige Niveau des vorgeschlagenen Preises oder der vorgeschlagenen Kosten unter Berücksichtigung der in Art. 69 Abs. 2 genannten Faktoren nicht zufriedenstellend erklären. Der Auftraggeber hat hierzu eine Prognoseentscheidung auf der Grundlage des Angebots und der hierzu von dem Bieter erteilten Auskünfte zu treffen, ob der Bieter in der Lage sein wird, seine Leistungen auftragsgerecht zu erbringen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.03.2013, 11 Verg 7/12; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.08.2014, 15 Verg 7/14). Von einer nicht zufriedenstellenden Erklärung kann vorliegend allerdings nicht die Rede sein, so dass die Prognoseentscheidung der Antragsgegnerin nachvollziehbar ist.

Die Antragsgegnerin hat auf der Basis der von der Beigeladenen angeforderten und vom Antragsteller ebenfalls vorgelegten Kalkulation wesentliche Kostenfaktoren verglichen. Sie hat dabei zutreffend festgestellt, dass sich die Personal- und Sachkosten von Antragsteller und Beigeladener in vergleichbarem Rahmen bewegen, wobei der Antragsteller etwas niedrigere Kosten aufweist. Die Beigeladene hat lediglich eine sehr geringe Gewinnspanne kalkuliert, während der Antragsteller eine im Vergleich wesentliche höhere, aber immer noch niedrige, Gewinnspanne in seine Kalkulation einbezogen hat.

Zentraler Unterschied zwischen der Kalkulation des Antragstellers und der Beigeladenen ist, dass die Beigeladene Einnahmen für ärztliche Leistungen, die zusätzlich über die GKV und die PKV abgerechnet werden können, preismindernd einkalkuliert hat, während die Antragstellerin dies nicht getan hat. Die Vergabeunterlagen enthalten keine zwingende Kalkulationsvorgabe, die einem preismindernden Einkalkulieren solcher Einnahmen entgegenstehen würde. Die Antragsgegnerin hat zudem geprüft, dass die Beigeladene ihre erwarteten Einnahmen für ärztliche Leistungen, die zusätzlich über die GKV und die PKV abgerechnet werden können, realistisch ermittelt hat. Sie hat dabei in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Beigeladene sowohl bei der Anzahl der zu erwartenden Fälle als auch bei der durchschnittlichen Höhe der Vergütung Sicherheitsabschläge vorgenommen hat, die einen tatsächlichen Eintritt der kalkulierten Zahlen als sehr wahrscheinlich erscheinen lassen.

Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin vergewissert, dass selbst im – völlig irrealen - Falle eines völligen Ausbleibens von Einnahmen aus ärztlichen Folgebehandlungen die Beigeladene aufgrund ihrer Umsatz- und Gewinnzahlen aller Voraussicht nach in der Lage wäre, den Auftrag dennoch durchzuführen, auch wenn ihre Kalkulation dann nicht mehr auskömmlich wäre. In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin berücksichtigt, dass die Beigeladene sich des unternehmerischen Risikos ihrer Kalkulation bewusst ist und einen eventuellen Verlust durch den Imagegewinn für das Unternehmen sowie für die Mitarbeitermotivation durch den Auftrag als Werbungskosten verbuchen würde. Diese Aussage der Beigeladenen erscheint aufgrund des tatsächlich sehr prestigeträchtigen Auftrags, der für die Beigeladene eine fast einzigartige Referenz für die Durchführung von Sanitätsdiensten auf Großveranstaltungen bedeuten würde, durchaus glaubhaft. Die diesbezügliche Annahme der Antragsgegnerin ist jedenfalls nicht beurteilungsfehlerhaft.

Selbst wenn man aufgrund eines Zurückbleibens der Einnahmen aus ärztlichen Folgebehandlungen hinter den - durchaus vorsichtig kalkulierten – Annahmen der Beigeladenen von einem nicht auskömmlichen Angebot ausgehen würde, stellt dies die Vertretbarkeit der Prognoseentscheidung der Antragsgegnerin nicht in Frage. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet, nur auskömmliche Angebote zu berücksichtigen, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bieter aufgrund des niedrigen Angebots den Auftrag nicht ordnungsgemäß und zuverlässig ausführen kann oder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten wird (BGH, Beschluss vom 31.08.1994, 2 StR 256/94; OLG München, Beschluss vom 21.05.2010, Verg 2/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.05.2011, VII-Verg 45/11). Nicht kostendeckende Angebote (sog. Unterkostenangebote) führen keinesfalls zu einem Per-se-Ausschluss (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.04.2014, Verg 41/13). Auch ein nicht auskömmliches Angebot ist regelmäßig zu bezuschlagen, wenn der betreffende Bieter mit der Preisgestaltung wettbewerbskonforme Ziele verfolgt und im Rahmen der durchzuführenden Prognose angenommen werden kann, dass der Bieter den Auftrag über die gesamte Vertragslaufzeit ordnungsgemäß ausführen kann (BGH, Urteil vom 11.07.2001, 1 StR 586/00; OLG Dresden, Beschluss vom 06.06.2002, WVerg 5/02). Das Bestreben der Beigeladenen, einen der prestigeträchtigsten und öffentlichkeitswirksamsten Aufträge im Bereich des Sanitätsdienstes überhaupt zu gewinnen und einen Auftrag zu übernehmen, der seit weit über 100 Jahren von einem Konkurrenten durchgeführt wurde, ist dabei jedenfalls als wettbewerbskonformes Ziel anzusehen. Dies hat auch die Antragsgegnerin zutreffend angenommen, so dass ihre diesbezügliche Prognoseentscheidung nicht zu beanstanden ist.

2.4 Keine weitergehende Akteneinsicht

Die vom Antragsteller beantragte Einsicht in die in nicht öffentlicher Sitzung gefassten Stadtratsbeschlüsse, ist nicht zu gewähren. Die Vergabekammer teilt zwar keineswegs die Auffassung der Antragsgegnerin, dass Art. 52 Abs. 2 und 3 BayGO stets einer Akteneinsicht in nicht öffentliche Beschlüsse eines kommunalen Beschlussgremiums entgegenstehen, die Teil der Vergabedokumentation sind. Vielmehr ist hier ebenso wie bei der Frage der Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen anderer Bieter eine Abwägungsentscheidung zwischen den Geheimhaltungsinteressen der Kommune und dem Recht des Antragstellers auf ein faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz zu treffen (BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16).

Ebenso wie bei der Akteneinsicht in unternehmensbezogene Geheimnisse kommt entsprechend § 72 Abs. 2 Satz 4 GWB eine Akteneinsicht in nichtöffentliche Beschlüsse eines kommunalen Beschlussgremiums nur dann und insoweit in Betracht, als deren Kenntnis entscheidungserheblich ist und andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht bestehen (vgl. BGH a.a.O.).

Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Für die Durchsetzung der nicht präkludierten Rügepunkte bedurfte der Antragsteller keiner Akteneinsicht in die nicht öffentlich gefassten Stadtratsbeschlüsse, da sich dort keine relevanten Informationen zur Eignungsprüfung, zur Beantwortung der Bieterfrage vom 19.02.2018 und zur Preisprüfung des Angebots der Beigeladenen befinden.

3. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend der Antragsteller.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die wird Gebühr im vorliegenden Fall auf …,00 Euro festgesetzt.

Von dem Antragsteller wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.

Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte ist die Antragsgegnerin hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Hierüber hinaus war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters notwendig, um die erforderliche „Waffengleichheit“ gegenüber der anwaltlich vertretenen Antragstellerin herzustellen.

Über die Aufwendungen der Beigeladenen muss die Vergabekammer von Amts wegen entscheiden. Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen folgt aus § 182 Abs. 4 S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Die bisherige Rechtsprechung der Vergabesenate hat den Beigeladenen kostenrechtlich nämlich nur dann wie einen Antragsteller oder Antragsgegner behandelt, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung im Verfahren auch nutzt, indem er sich an dem Verfahren beteiligt (BGH, Beschluss vom 26.09.2006, Az.: X ZB 14/06). Dafür muss eine den Beitritt eines Streithelfers vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-) Ziel ein Beigeladener in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008, Az.: 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen des Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.02.2010, Az.: 1 VK 76/10). Eine eigene Antragstellung ist nicht Voraussetzung für eine aktive Beteiligung des Beigeladenen mit der Folge, dass auch ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt werden können. Auch ohne Antragstellung kann sich das Rechtsschutzziel eines Beteiligten aus den eingereichten Schriftsätzen eindeutig ergeben (OLG Rostock, Beschluss vom 21.07.2017, 17 Verg 2/17).

Die Beigeladene hat zwar in der mündlichen Verhandlung – allerdings erst nachdem die Vergabekammer eine vorläufige Rechtsauffassung hat verlauten lassen – noch Anträge auf Antragsabweisung gestellt, sie hat sich allerdings ansonsten, abgesehen von einem Antrag auf Akteneinsicht und minimalem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung nicht aktiv am Verfahren beteiligt. Hierdurch hat sie das gegenständliche Verfahren nicht wesentlich gefördert.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 97 Grundsätze der Vergabe


(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 107 Allgemeine Ausnahmen


(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen 1. zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,2. für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem u

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 160 Einleitung, Antrag


(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein. (2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 dur

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 182 Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer


(1) Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 99 Öffentliche Auftraggeber


Öffentliche Auftraggeber sind 1. Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,2. andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewe

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 98 Auftraggeber


Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 124 Fakultative Ausschlussgründe


(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn1.das Unternehmen bei der Ausfüh

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 106 Schwellenwerte


(1) Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreit

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 103 Öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen und Wettbewerbe


(1) Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 123 Zwingende Ausschlussgründe


(1) Öffentliche Auftraggeber schließen ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme aus, wenn sie Kenntnis davon haben, dass eine Person, deren Verhalten nach Absatz 3 dem Unternehmen zuzurechnen ist, rechtskräftig verur

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 134 Informations- und Wartepflicht


(1) Öffentliche Auftraggeber haben die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über d

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 127 Zuschlag


(1) Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage dafür ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 156 Vergabekammern


(1) Die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Vergabe von Konzessionen nehmen die Vergabekammern des Bundes für die dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen, die Vergabekammern der Länder für die diesen zuzurechn

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 122 Eignung


(1) Öffentliche Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind. (2) Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 168 Entscheidung der Vergabekammer


(1) Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist an die Anträge ni

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 155 Grundsatz


Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionen der Nachprüfung durch die Vergabekammern.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 167 Beschleunigung


(1) Die Vergabekammer trifft und begründet ihre Entscheidung schriftlich innerhalb einer Frist von fünf Wochen ab Eingang des Antrags. Bei besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten kann der Vorsitzende im Ausnahmefall die Frist durch

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 165 Akteneinsicht


(1) Die Beteiligten können die Akten bei der Vergabekammer einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge oder Abschriften erteilen lassen. (2) Die Vergabekammer hat die Einsicht in die Unterlagen zu versagen,

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 60 Ungewöhnlich niedrige Angebote


(1) Erscheinen der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung. (2) Der öffentliche Auftraggeber prüft die Zusammensetzung de

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 169 Aussetzung des Vergabeverfahrens


(1) Informiert die Vergabekammer den Auftraggeber in Textform über den Antrag auf Nachprüfung, darf dieser vor einer Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist nach § 172 Absatz 1 den Zuschlag nicht erteilen. (2) Die Vergab

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 72 Geltung von Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung


Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten entsprechend1.die Vorschriften der §§ 169 bis 201 des Gerichtsverfassungsgesetzes über Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung sowie über den Rechtsschutz bei überlangen Ger

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 48 Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen


(1) In der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung ist neben den Eignungskriterien ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 41 Bereitstellung der Vergabeunterlagen


(1) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werde

Referenzen - Urteile

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Vergabekammer Südbayern Beschluss, 05. Juni 2018 - Z3-3-3194-1-12-04/18 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Vergabekammer Südbayern Beschluss, 05. Juni 2018 - Z3-3-3194-1-12-04/18 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 21. Juli 2017 - 17 Verg 2/17

bei uns veröffentlicht am 21.07.2017

Tenor 1. Die sofortige Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 13.06.2017 - 1 VK 2/17 - wird zurückgewiesen. 2. Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendun

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Jan. 2017 - X ZB 10/16

bei uns veröffentlicht am 31.01.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 10/16 vom 31. Januar 2017 in dem Vergabenachprüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja Notärztliche Dienstleistungen VgV § 60; VOB/A § 16d Abs. 1 Nrn. 1 und 2; § 16d EU Abs. 1 Nrn. 1

Referenzen

(1) Öffentliche Auftraggeber haben die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren. Dies gilt auch für Bewerber, denen keine Information über die Ablehnung ihrer Bewerbung zur Verfügung gestellt wurde, bevor die Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter ergangen ist.

(2) Ein Vertrag darf erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information nach Absatz 1 geschlossen werden. Wird die Information auf elektronischem Weg oder per Fax versendet, verkürzt sich die Frist auf zehn Kalendertage. Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber; auf den Tag des Zugangs beim betroffenen Bieter und Bewerber kommt es nicht an.

(3) Die Informationspflicht entfällt in Fällen, in denen das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb wegen besonderer Dringlichkeit gerechtfertigt ist. Im Fall verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer Aufträge können öffentliche Auftraggeber beschließen, bestimmte Informationen über die Zuschlagserteilung oder den Abschluss einer Rahmenvereinbarung nicht mitzuteilen, soweit die Offenlegung den Gesetzesvollzug behindert, dem öffentlichen Interesse, insbesondere Verteidigungs- oder Sicherheitsinteressen, zuwiderläuft, berechtigte geschäftliche Interessen von Unternehmen schädigt oder den lauteren Wettbewerb zwischen ihnen beeinträchtigen könnte.

(1) Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage dafür ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.

(2) Verbindliche Vorschriften zur Preisgestaltung sind bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zu beachten.

(3) Die Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Diese Verbindung ist auch dann anzunehmen, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht, auch wenn sich diese Faktoren nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken.

(4) Die Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Lassen öffentliche Auftraggeber Nebenangebote zu, legen sie die Zuschlagskriterien so fest, dass sie sowohl auf Hauptangebote als auch auf Nebenangebote anwendbar sind.

(5) Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung müssen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden.

(1) Die Vergabekammer trifft und begründet ihre Entscheidung schriftlich innerhalb einer Frist von fünf Wochen ab Eingang des Antrags. Bei besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten kann der Vorsitzende im Ausnahmefall die Frist durch Mitteilung an die Beteiligten um den erforderlichen Zeitraum verlängern. Dieser Zeitraum soll nicht länger als zwei Wochen dauern. Er begründet diese Verfügung schriftlich.

(2) Die Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, wie es einem auf Förderung und raschen Abschluss des Verfahrens bedachten Vorgehen entspricht. Den Beteiligten können Fristen gesetzt werden, nach deren Ablauf weiterer Vortrag unbeachtet bleiben kann.

(1) Informiert die Vergabekammer den Auftraggeber in Textform über den Antrag auf Nachprüfung, darf dieser vor einer Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist nach § 172 Absatz 1 den Zuschlag nicht erteilen.

(2) Die Vergabekammer kann dem Auftraggeber auf seinen Antrag oder auf Antrag des Unternehmens, das nach § 134 vom Auftraggeber als das Unternehmen benannt ist, das den Zuschlag erhalten soll, gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Bei der Abwägung ist das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers zu berücksichtigen; bei verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen im Sinne des § 104 sind zusätzlich besondere Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen. Die besonderen Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen überwiegen in der Regel, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession im unmittelbaren Zusammenhang steht mit

1.
einer Krise,
2.
einem mandatierten Einsatz der Bundeswehr,
3.
einer einsatzgleichen Verpflichtung der Bundeswehr oder
4.
einer Bündnisverpflichtung.
Die Vergabekammer berücksichtigt dabei auch die allgemeinen Aussichten des Antragstellers im Vergabeverfahren, den Auftrag oder die Konzession zu erhalten. Die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags müssen nicht in jedem Fall Gegenstand der Abwägung sein. Das Beschwerdegericht kann auf Antrag das Verbot des Zuschlags nach Absatz 1 wiederherstellen; § 168 Absatz 2 Satz 1 bleibt unberührt. Wenn die Vergabekammer den Zuschlag nicht gestattet, kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Auftraggebers unter den Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 den sofortigen Zuschlag gestatten. Für das Verfahren vor dem Beschwerdegericht gilt § 176 Absatz 2 Satz 1 und 2 und Absatz 3 entsprechend. Eine sofortige Beschwerde nach § 171 Absatz 1 ist gegen Entscheidungen der Vergabekammer nach diesem Absatz nicht zulässig.

(3) Sind Rechte des Antragstellers aus § 97 Absatz 6 im Vergabeverfahren auf andere Weise als durch den drohenden Zuschlag gefährdet, kann die Kammer auf besonderen Antrag mit weiteren vorläufigen Maßnahmen in das Vergabeverfahren eingreifen. Sie legt dabei den Beurteilungsmaßstab des Absatzes 2 Satz 1 zugrunde. Diese Entscheidung ist nicht selbständig anfechtbar. Die Vergabekammer kann die von ihr getroffenen weiteren vorläufigen Maßnahmen nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder durchsetzen; die Maßnahmen sind sofort vollziehbar. § 86a Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Macht der Auftraggeber das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 117 Nummer 1 bis 3 oder § 150 Nummer 1 oder 6 geltend, entfällt das Verbot des Zuschlags nach Absatz 1 fünf Werktage nach Zustellung eines entsprechenden Schriftsatzes an den Antragsteller; die Zustellung ist durch die Vergabekammer unverzüglich nach Eingang des Schriftsatzes vorzunehmen. Auf Antrag kann das Beschwerdegericht das Verbot des Zuschlags wiederherstellen. § 176 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 sowie Absatz 3 und 4 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Informiert die Vergabekammer den Auftraggeber in Textform über den Antrag auf Nachprüfung, darf dieser vor einer Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist nach § 172 Absatz 1 den Zuschlag nicht erteilen.

(2) Die Vergabekammer kann dem Auftraggeber auf seinen Antrag oder auf Antrag des Unternehmens, das nach § 134 vom Auftraggeber als das Unternehmen benannt ist, das den Zuschlag erhalten soll, gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Bei der Abwägung ist das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers zu berücksichtigen; bei verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen im Sinne des § 104 sind zusätzlich besondere Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen. Die besonderen Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen überwiegen in der Regel, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession im unmittelbaren Zusammenhang steht mit

1.
einer Krise,
2.
einem mandatierten Einsatz der Bundeswehr,
3.
einer einsatzgleichen Verpflichtung der Bundeswehr oder
4.
einer Bündnisverpflichtung.
Die Vergabekammer berücksichtigt dabei auch die allgemeinen Aussichten des Antragstellers im Vergabeverfahren, den Auftrag oder die Konzession zu erhalten. Die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags müssen nicht in jedem Fall Gegenstand der Abwägung sein. Das Beschwerdegericht kann auf Antrag das Verbot des Zuschlags nach Absatz 1 wiederherstellen; § 168 Absatz 2 Satz 1 bleibt unberührt. Wenn die Vergabekammer den Zuschlag nicht gestattet, kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Auftraggebers unter den Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 den sofortigen Zuschlag gestatten. Für das Verfahren vor dem Beschwerdegericht gilt § 176 Absatz 2 Satz 1 und 2 und Absatz 3 entsprechend. Eine sofortige Beschwerde nach § 171 Absatz 1 ist gegen Entscheidungen der Vergabekammer nach diesem Absatz nicht zulässig.

(3) Sind Rechte des Antragstellers aus § 97 Absatz 6 im Vergabeverfahren auf andere Weise als durch den drohenden Zuschlag gefährdet, kann die Kammer auf besonderen Antrag mit weiteren vorläufigen Maßnahmen in das Vergabeverfahren eingreifen. Sie legt dabei den Beurteilungsmaßstab des Absatzes 2 Satz 1 zugrunde. Diese Entscheidung ist nicht selbständig anfechtbar. Die Vergabekammer kann die von ihr getroffenen weiteren vorläufigen Maßnahmen nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder durchsetzen; die Maßnahmen sind sofort vollziehbar. § 86a Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Macht der Auftraggeber das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 117 Nummer 1 bis 3 oder § 150 Nummer 1 oder 6 geltend, entfällt das Verbot des Zuschlags nach Absatz 1 fünf Werktage nach Zustellung eines entsprechenden Schriftsatzes an den Antragsteller; die Zustellung ist durch die Vergabekammer unverzüglich nach Eingang des Schriftsatzes vorzunehmen. Auf Antrag kann das Beschwerdegericht das Verbot des Zuschlags wiederherstellen. § 176 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 sowie Absatz 3 und 4 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Informiert die Vergabekammer den Auftraggeber in Textform über den Antrag auf Nachprüfung, darf dieser vor einer Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist nach § 172 Absatz 1 den Zuschlag nicht erteilen.

(2) Die Vergabekammer kann dem Auftraggeber auf seinen Antrag oder auf Antrag des Unternehmens, das nach § 134 vom Auftraggeber als das Unternehmen benannt ist, das den Zuschlag erhalten soll, gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Bei der Abwägung ist das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers zu berücksichtigen; bei verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen im Sinne des § 104 sind zusätzlich besondere Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen. Die besonderen Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen überwiegen in der Regel, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession im unmittelbaren Zusammenhang steht mit

1.
einer Krise,
2.
einem mandatierten Einsatz der Bundeswehr,
3.
einer einsatzgleichen Verpflichtung der Bundeswehr oder
4.
einer Bündnisverpflichtung.
Die Vergabekammer berücksichtigt dabei auch die allgemeinen Aussichten des Antragstellers im Vergabeverfahren, den Auftrag oder die Konzession zu erhalten. Die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags müssen nicht in jedem Fall Gegenstand der Abwägung sein. Das Beschwerdegericht kann auf Antrag das Verbot des Zuschlags nach Absatz 1 wiederherstellen; § 168 Absatz 2 Satz 1 bleibt unberührt. Wenn die Vergabekammer den Zuschlag nicht gestattet, kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Auftraggebers unter den Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 den sofortigen Zuschlag gestatten. Für das Verfahren vor dem Beschwerdegericht gilt § 176 Absatz 2 Satz 1 und 2 und Absatz 3 entsprechend. Eine sofortige Beschwerde nach § 171 Absatz 1 ist gegen Entscheidungen der Vergabekammer nach diesem Absatz nicht zulässig.

(3) Sind Rechte des Antragstellers aus § 97 Absatz 6 im Vergabeverfahren auf andere Weise als durch den drohenden Zuschlag gefährdet, kann die Kammer auf besonderen Antrag mit weiteren vorläufigen Maßnahmen in das Vergabeverfahren eingreifen. Sie legt dabei den Beurteilungsmaßstab des Absatzes 2 Satz 1 zugrunde. Diese Entscheidung ist nicht selbständig anfechtbar. Die Vergabekammer kann die von ihr getroffenen weiteren vorläufigen Maßnahmen nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder durchsetzen; die Maßnahmen sind sofort vollziehbar. § 86a Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Macht der Auftraggeber das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 117 Nummer 1 bis 3 oder § 150 Nummer 1 oder 6 geltend, entfällt das Verbot des Zuschlags nach Absatz 1 fünf Werktage nach Zustellung eines entsprechenden Schriftsatzes an den Antragsteller; die Zustellung ist durch die Vergabekammer unverzüglich nach Eingang des Schriftsatzes vorzunehmen. Auf Antrag kann das Beschwerdegericht das Verbot des Zuschlags wiederherstellen. § 176 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 sowie Absatz 3 und 4 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Beteiligten können die Akten bei der Vergabekammer einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge oder Abschriften erteilen lassen.

(2) Die Vergabekammer hat die Einsicht in die Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist.

(3) Jeder Beteiligte hat mit Übersendung seiner Akten oder Stellungnahmen auf die in Absatz 2 genannten Geheimnisse hinzuweisen und diese in den Unterlagen entsprechend kenntlich zu machen. Erfolgt dies nicht, kann die Vergabekammer von seiner Zustimmung auf Einsicht ausgehen.

(4) Die Versagung der Akteneinsicht kann nur im Zusammenhang mit der sofortigen Beschwerde in der Hauptsache angegriffen werden.

(1) Erscheinen der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung.

(2) Der öffentliche Auftraggeber prüft die Zusammensetzung des Angebots und berücksichtigt die übermittelten Unterlagen. Die Prüfung kann insbesondere betreffen:

1.
die Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens einer Lieferleistung oder der Erbringung der Dienstleistung,
2.
die gewählten technischen Lösungen oder die außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die das Unternehmen bei der Lieferung der Waren oder bei der Erbringung der Dienstleistung verfügt,
3.
die Besonderheiten der angebotenen Liefer- oder Dienstleistung,
4.
die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 128 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere der für das Unternehmen geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften, oder
5.
die etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an das Unternehmen.

(3) Kann der öffentliche Auftraggeber nach der Prüfung gemäß den Absätzen 1 und 2 die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen. Der öffentliche Auftraggeber lehnt das Angebot ab, wenn er festgestellt hat, dass der Preis oder die Kosten des Angebots ungewöhnlich niedrig sind, weil Verpflichtungen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 nicht eingehalten werden.

(4) Stellt der öffentliche Auftraggeber fest, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, weil der Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so lehnt der öffentliche Auftraggeber das Angebot ab, wenn der Bieter nicht fristgemäß nachweisen kann, dass die staatliche Beihilfe rechtmäßig gewährt wurde. Der öffentliche Auftraggeber teilt die Ablehnung der Europäischen Kommission mit.

(1) Informiert die Vergabekammer den Auftraggeber in Textform über den Antrag auf Nachprüfung, darf dieser vor einer Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist nach § 172 Absatz 1 den Zuschlag nicht erteilen.

(2) Die Vergabekammer kann dem Auftraggeber auf seinen Antrag oder auf Antrag des Unternehmens, das nach § 134 vom Auftraggeber als das Unternehmen benannt ist, das den Zuschlag erhalten soll, gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Bei der Abwägung ist das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers zu berücksichtigen; bei verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen im Sinne des § 104 sind zusätzlich besondere Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen. Die besonderen Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen überwiegen in der Regel, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession im unmittelbaren Zusammenhang steht mit

1.
einer Krise,
2.
einem mandatierten Einsatz der Bundeswehr,
3.
einer einsatzgleichen Verpflichtung der Bundeswehr oder
4.
einer Bündnisverpflichtung.
Die Vergabekammer berücksichtigt dabei auch die allgemeinen Aussichten des Antragstellers im Vergabeverfahren, den Auftrag oder die Konzession zu erhalten. Die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags müssen nicht in jedem Fall Gegenstand der Abwägung sein. Das Beschwerdegericht kann auf Antrag das Verbot des Zuschlags nach Absatz 1 wiederherstellen; § 168 Absatz 2 Satz 1 bleibt unberührt. Wenn die Vergabekammer den Zuschlag nicht gestattet, kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Auftraggebers unter den Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 den sofortigen Zuschlag gestatten. Für das Verfahren vor dem Beschwerdegericht gilt § 176 Absatz 2 Satz 1 und 2 und Absatz 3 entsprechend. Eine sofortige Beschwerde nach § 171 Absatz 1 ist gegen Entscheidungen der Vergabekammer nach diesem Absatz nicht zulässig.

(3) Sind Rechte des Antragstellers aus § 97 Absatz 6 im Vergabeverfahren auf andere Weise als durch den drohenden Zuschlag gefährdet, kann die Kammer auf besonderen Antrag mit weiteren vorläufigen Maßnahmen in das Vergabeverfahren eingreifen. Sie legt dabei den Beurteilungsmaßstab des Absatzes 2 Satz 1 zugrunde. Diese Entscheidung ist nicht selbständig anfechtbar. Die Vergabekammer kann die von ihr getroffenen weiteren vorläufigen Maßnahmen nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder durchsetzen; die Maßnahmen sind sofort vollziehbar. § 86a Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Macht der Auftraggeber das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 117 Nummer 1 bis 3 oder § 150 Nummer 1 oder 6 geltend, entfällt das Verbot des Zuschlags nach Absatz 1 fünf Werktage nach Zustellung eines entsprechenden Schriftsatzes an den Antragsteller; die Zustellung ist durch die Vergabekammer unverzüglich nach Eingang des Schriftsatzes vorzunehmen. Auf Antrag kann das Beschwerdegericht das Verbot des Zuschlags wiederherstellen. § 176 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 sowie Absatz 3 und 4 ist entsprechend anzuwenden.

Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionen der Nachprüfung durch die Vergabekammern.

(1) Die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Vergabe von Konzessionen nehmen die Vergabekammern des Bundes für die dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen, die Vergabekammern der Länder für die diesen zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen wahr.

(2) Rechte aus § 97 Absatz 6 sowie sonstige Ansprüche gegen Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, können nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden.

(3) Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Befugnisse der Kartellbehörden zur Verfolgung von Verstößen insbesondere gegen die §§ 19 und 20 bleiben unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

(2) Lieferaufträge sind Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Mietverhältnisse oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen. Die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen.

(3) Bauaufträge sind Verträge über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung

1.
von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der Tätigkeiten, die in Anhang II der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65) und Anhang I der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243) genannt sind, oder
2.
eines Bauwerkes für den öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll.
Ein Bauauftrag liegt auch vor, wenn ein Dritter eine Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber genannten Erfordernissen erbringt, die Bauleistung dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt und dieser einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat.

(4) Als Dienstleistungsaufträge gelten die Verträge über die Erbringung von Leistungen, die nicht unter die Absätze 2 und 3 fallen.

(5) Rahmenvereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen, die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis. Für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, dieselben Vorschriften wie für die Vergabe entsprechender öffentlicher Aufträge.

(6) Wettbewerbe sind Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollen.

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

(1) Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreitet. § 114 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Der jeweilige Schwellenwert ergibt sich

1.
für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von öffentlichen Auftraggebern vergeben werden, aus Artikel 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der jeweils geltenden Fassung; der sich hieraus für zentrale Regierungsbehörden ergebende Schwellenwert ist von allen obersten Bundesbehörden sowie allen oberen Bundesbehörden und vergleichbaren Bundeseinrichtungen anzuwenden,
2.
für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von Sektorenauftraggebern zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben werden, aus Artikel 15 der Richtlinie 2014/25/EU in der jeweils geltenden Fassung,
3.
für verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge aus Artikel 8 der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. L 216 vom 20.8.2009, S. 76) in der jeweils geltenden Fassung,
4.
für Konzessionen aus Artikel 8 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt die geltenden Schwellenwerte unverzüglich, nachdem sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Öffentliche Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.

(2) Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich Folgendes betreffen:

1.
Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung,
2.
wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit,
3.
technische und berufliche Leistungsfähigkeit.

(3) Der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 kann ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifizierungssystemen erbracht werden.

(4) Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen.

(1) In der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung ist neben den Eignungskriterien ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre Eignung gemäß den §§ 43 bis 47 und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben.

(2) Der öffentliche Auftraggeber fordert grundsätzlich die Vorlage von Eigenerklärungen an. Wenn der öffentliche Auftraggeber Bescheinigungen und sonstige Nachweise anfordert, verlangt er in der Regel solche, die vom Online-Dokumentenarchiv e-Certis abgedeckt sind.

(3) Als vorläufigen Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen akzeptiert der öffentliche Auftraggeber die Vorlage einer Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung nach § 50.

(4) Als ausreichenden Beleg dafür, dass die in § 123 Absatz 1 bis 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Ausschlussgründe auf den Bewerber oder Bieter nicht zutreffen, erkennt der öffentliche Auftraggeber einen Auszug aus einem einschlägigen Register, insbesondere ein Führungszeugnis aus dem Bundeszentralregister oder, in Ermangelung eines solchen, eine gleichwertige Bescheinigung einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters an.

(5) Als ausreichenden Beleg dafür, dass die in § 123 Absatz 4 und § 124 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Ausschlussgründe auf den Bewerber oder Bieter nicht zutreffen, erkennt der öffentliche Auftraggeber eine von der zuständigen Behörde des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters ausgestellte Bescheinigung an.

(6) Werden Urkunden oder Bescheinigungen nach den Absätzen 4 und 5 von dem Herkunftsland oder dem Niederlassungsstaat des Bewerbers oder Bieters nicht ausgestellt oder werden darin nicht alle Ausschlussgründe nach § 123 Absatz 1 bis 4 sowie § 124 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erwähnt, so können sie durch eine Versicherung an Eides statt ersetzt werden. In den Staaten, in denen es keine Versicherung an Eides statt gibt, darf die Versicherung an Eides statt durch eine förmliche Erklärung ersetzt werden, die ein Vertreter des betreffenden Unternehmens vor einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, einem Notar oder einer dazu bevollmächtigten Berufs- oder Handelsorganisation des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters abgibt.

(7) Der öffentliche Auftraggeber kann Bewerber oder Bieter auffordern, die erhaltenen Unterlagen zu erläutern.

(8) Sofern der Bewerber oder Bieter in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist oder über eine Zertifizierung verfügt, die jeweils den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU entsprechen, werden die im amtlichen Verzeichnis oder dem Zertifizierungssystem niedergelegten Unterlagen und Angaben vom öffentlichen Auftraggeber nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen (Eignungsvermutung). Ein den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU entsprechendes amtliches Verzeichnis kann auch durch Industrie- und Handelskammern eingerichtet werden. Die Industrie- und Handelskammern bedienen sich bei der Führung des amtlichen Verzeichnisses einer gemeinsamen verzeichnisführenden Stelle. Der öffentliche Auftraggeber kann mit Blick auf die Entrichtung von Steuern, Abgaben oder Sozialversicherungsbeiträgen die gesonderte Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung verlangen.

(1) Öffentliche Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.

(2) Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich Folgendes betreffen:

1.
Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung,
2.
wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit,
3.
technische und berufliche Leistungsfähigkeit.

(3) Der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 kann ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifizierungssystemen erbracht werden.

(4) Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen.

(1) In der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung ist neben den Eignungskriterien ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre Eignung gemäß den §§ 43 bis 47 und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben.

(2) Der öffentliche Auftraggeber fordert grundsätzlich die Vorlage von Eigenerklärungen an. Wenn der öffentliche Auftraggeber Bescheinigungen und sonstige Nachweise anfordert, verlangt er in der Regel solche, die vom Online-Dokumentenarchiv e-Certis abgedeckt sind.

(3) Als vorläufigen Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen akzeptiert der öffentliche Auftraggeber die Vorlage einer Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung nach § 50.

(4) Als ausreichenden Beleg dafür, dass die in § 123 Absatz 1 bis 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Ausschlussgründe auf den Bewerber oder Bieter nicht zutreffen, erkennt der öffentliche Auftraggeber einen Auszug aus einem einschlägigen Register, insbesondere ein Führungszeugnis aus dem Bundeszentralregister oder, in Ermangelung eines solchen, eine gleichwertige Bescheinigung einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters an.

(5) Als ausreichenden Beleg dafür, dass die in § 123 Absatz 4 und § 124 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Ausschlussgründe auf den Bewerber oder Bieter nicht zutreffen, erkennt der öffentliche Auftraggeber eine von der zuständigen Behörde des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters ausgestellte Bescheinigung an.

(6) Werden Urkunden oder Bescheinigungen nach den Absätzen 4 und 5 von dem Herkunftsland oder dem Niederlassungsstaat des Bewerbers oder Bieters nicht ausgestellt oder werden darin nicht alle Ausschlussgründe nach § 123 Absatz 1 bis 4 sowie § 124 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erwähnt, so können sie durch eine Versicherung an Eides statt ersetzt werden. In den Staaten, in denen es keine Versicherung an Eides statt gibt, darf die Versicherung an Eides statt durch eine förmliche Erklärung ersetzt werden, die ein Vertreter des betreffenden Unternehmens vor einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, einem Notar oder einer dazu bevollmächtigten Berufs- oder Handelsorganisation des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters abgibt.

(7) Der öffentliche Auftraggeber kann Bewerber oder Bieter auffordern, die erhaltenen Unterlagen zu erläutern.

(8) Sofern der Bewerber oder Bieter in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist oder über eine Zertifizierung verfügt, die jeweils den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU entsprechen, werden die im amtlichen Verzeichnis oder dem Zertifizierungssystem niedergelegten Unterlagen und Angaben vom öffentlichen Auftraggeber nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen (Eignungsvermutung). Ein den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU entsprechendes amtliches Verzeichnis kann auch durch Industrie- und Handelskammern eingerichtet werden. Die Industrie- und Handelskammern bedienen sich bei der Führung des amtlichen Verzeichnisses einer gemeinsamen verzeichnisführenden Stelle. Der öffentliche Auftraggeber kann mit Blick auf die Entrichtung von Steuern, Abgaben oder Sozialversicherungsbeiträgen die gesonderte Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung verlangen.

(1) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können.

(2) Der öffentliche Auftraggeber kann die Vergabeunterlagen auf einem anderen geeigneten Weg übermitteln, wenn die erforderlichen elektronischen Mittel zum Abruf der Vergabeunterlagen

1.
aufgrund der besonderen Art der Auftragsvergabe nicht mit allgemein verfügbaren oder verbreiteten Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sind,
2.
Dateiformate zur Beschreibung der Angebote verwenden, die nicht mit allgemein verfügbaren oder verbreiteten Programmen verarbeitet werden können oder die durch andere als kostenlose und allgemein verfügbare Lizenzen geschützt sind, oder
3.
die Verwendung von Bürogeräten voraussetzen, die dem öffentlichen Auftraggeber nicht allgemein zur Verfügung stehen.
Die Angebotsfrist wird in diesen Fällen um fünf Tage verlängert, sofern nicht ein Fall hinreichend begründeter Dringlichkeit gemäß § 15 Absatz 3, § 16 Absatz 7 oder § 17 Absatz 8 vorliegt.

(3) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung an, welche Maßnahmen er zum Schutz der Vertraulichkeit von Informationen anwendet und wie auf die Vergabeunterlagen zugegriffen werden kann. Die Angebotsfrist wird in diesen Fällen um fünf Tage verlängert, es sei denn, die Maßnahme zum Schutz der Vertraulichkeit besteht ausschließlich in der Abgabe einer Verschwiegenheitserklärung oder es liegt ein Fall hinreichend begründeter Dringlichkeit gemäß § 15 Absatz 3, § 16 Absatz 7 oder § 17 Absatz 8 vor.

(1) Öffentliche Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.

(2) Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich Folgendes betreffen:

1.
Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung,
2.
wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit,
3.
technische und berufliche Leistungsfähigkeit.

(3) Der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 kann ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifizierungssystemen erbracht werden.

(4) Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen.

(1) In der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung ist neben den Eignungskriterien ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre Eignung gemäß den §§ 43 bis 47 und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben.

(2) Der öffentliche Auftraggeber fordert grundsätzlich die Vorlage von Eigenerklärungen an. Wenn der öffentliche Auftraggeber Bescheinigungen und sonstige Nachweise anfordert, verlangt er in der Regel solche, die vom Online-Dokumentenarchiv e-Certis abgedeckt sind.

(3) Als vorläufigen Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen akzeptiert der öffentliche Auftraggeber die Vorlage einer Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung nach § 50.

(4) Als ausreichenden Beleg dafür, dass die in § 123 Absatz 1 bis 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Ausschlussgründe auf den Bewerber oder Bieter nicht zutreffen, erkennt der öffentliche Auftraggeber einen Auszug aus einem einschlägigen Register, insbesondere ein Führungszeugnis aus dem Bundeszentralregister oder, in Ermangelung eines solchen, eine gleichwertige Bescheinigung einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters an.

(5) Als ausreichenden Beleg dafür, dass die in § 123 Absatz 4 und § 124 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Ausschlussgründe auf den Bewerber oder Bieter nicht zutreffen, erkennt der öffentliche Auftraggeber eine von der zuständigen Behörde des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters ausgestellte Bescheinigung an.

(6) Werden Urkunden oder Bescheinigungen nach den Absätzen 4 und 5 von dem Herkunftsland oder dem Niederlassungsstaat des Bewerbers oder Bieters nicht ausgestellt oder werden darin nicht alle Ausschlussgründe nach § 123 Absatz 1 bis 4 sowie § 124 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erwähnt, so können sie durch eine Versicherung an Eides statt ersetzt werden. In den Staaten, in denen es keine Versicherung an Eides statt gibt, darf die Versicherung an Eides statt durch eine förmliche Erklärung ersetzt werden, die ein Vertreter des betreffenden Unternehmens vor einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, einem Notar oder einer dazu bevollmächtigten Berufs- oder Handelsorganisation des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters abgibt.

(7) Der öffentliche Auftraggeber kann Bewerber oder Bieter auffordern, die erhaltenen Unterlagen zu erläutern.

(8) Sofern der Bewerber oder Bieter in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist oder über eine Zertifizierung verfügt, die jeweils den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU entsprechen, werden die im amtlichen Verzeichnis oder dem Zertifizierungssystem niedergelegten Unterlagen und Angaben vom öffentlichen Auftraggeber nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen (Eignungsvermutung). Ein den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU entsprechendes amtliches Verzeichnis kann auch durch Industrie- und Handelskammern eingerichtet werden. Die Industrie- und Handelskammern bedienen sich bei der Führung des amtlichen Verzeichnisses einer gemeinsamen verzeichnisführenden Stelle. Der öffentliche Auftraggeber kann mit Blick auf die Entrichtung von Steuern, Abgaben oder Sozialversicherungsbeiträgen die gesonderte Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung verlangen.

(1) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können.

(2) Der öffentliche Auftraggeber kann die Vergabeunterlagen auf einem anderen geeigneten Weg übermitteln, wenn die erforderlichen elektronischen Mittel zum Abruf der Vergabeunterlagen

1.
aufgrund der besonderen Art der Auftragsvergabe nicht mit allgemein verfügbaren oder verbreiteten Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sind,
2.
Dateiformate zur Beschreibung der Angebote verwenden, die nicht mit allgemein verfügbaren oder verbreiteten Programmen verarbeitet werden können oder die durch andere als kostenlose und allgemein verfügbare Lizenzen geschützt sind, oder
3.
die Verwendung von Bürogeräten voraussetzen, die dem öffentlichen Auftraggeber nicht allgemein zur Verfügung stehen.
Die Angebotsfrist wird in diesen Fällen um fünf Tage verlängert, sofern nicht ein Fall hinreichend begründeter Dringlichkeit gemäß § 15 Absatz 3, § 16 Absatz 7 oder § 17 Absatz 8 vorliegt.

(3) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung an, welche Maßnahmen er zum Schutz der Vertraulichkeit von Informationen anwendet und wie auf die Vergabeunterlagen zugegriffen werden kann. Die Angebotsfrist wird in diesen Fällen um fünf Tage verlängert, es sei denn, die Maßnahme zum Schutz der Vertraulichkeit besteht ausschließlich in der Abgabe einer Verschwiegenheitserklärung oder es liegt ein Fall hinreichend begründeter Dringlichkeit gemäß § 15 Absatz 3, § 16 Absatz 7 oder § 17 Absatz 8 vor.

(1) Öffentliche Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.

(2) Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich Folgendes betreffen:

1.
Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung,
2.
wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit,
3.
technische und berufliche Leistungsfähigkeit.

(3) Der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 kann ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifizierungssystemen erbracht werden.

(4) Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen.

(1) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können.

(2) Der öffentliche Auftraggeber kann die Vergabeunterlagen auf einem anderen geeigneten Weg übermitteln, wenn die erforderlichen elektronischen Mittel zum Abruf der Vergabeunterlagen

1.
aufgrund der besonderen Art der Auftragsvergabe nicht mit allgemein verfügbaren oder verbreiteten Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sind,
2.
Dateiformate zur Beschreibung der Angebote verwenden, die nicht mit allgemein verfügbaren oder verbreiteten Programmen verarbeitet werden können oder die durch andere als kostenlose und allgemein verfügbare Lizenzen geschützt sind, oder
3.
die Verwendung von Bürogeräten voraussetzen, die dem öffentlichen Auftraggeber nicht allgemein zur Verfügung stehen.
Die Angebotsfrist wird in diesen Fällen um fünf Tage verlängert, sofern nicht ein Fall hinreichend begründeter Dringlichkeit gemäß § 15 Absatz 3, § 16 Absatz 7 oder § 17 Absatz 8 vorliegt.

(3) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung an, welche Maßnahmen er zum Schutz der Vertraulichkeit von Informationen anwendet und wie auf die Vergabeunterlagen zugegriffen werden kann. Die Angebotsfrist wird in diesen Fällen um fünf Tage verlängert, es sei denn, die Maßnahme zum Schutz der Vertraulichkeit besteht ausschließlich in der Abgabe einer Verschwiegenheitserklärung oder es liegt ein Fall hinreichend begründeter Dringlichkeit gemäß § 15 Absatz 3, § 16 Absatz 7 oder § 17 Absatz 8 vor.

(1) In der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung ist neben den Eignungskriterien ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre Eignung gemäß den §§ 43 bis 47 und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben.

(2) Der öffentliche Auftraggeber fordert grundsätzlich die Vorlage von Eigenerklärungen an. Wenn der öffentliche Auftraggeber Bescheinigungen und sonstige Nachweise anfordert, verlangt er in der Regel solche, die vom Online-Dokumentenarchiv e-Certis abgedeckt sind.

(3) Als vorläufigen Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen akzeptiert der öffentliche Auftraggeber die Vorlage einer Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung nach § 50.

(4) Als ausreichenden Beleg dafür, dass die in § 123 Absatz 1 bis 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Ausschlussgründe auf den Bewerber oder Bieter nicht zutreffen, erkennt der öffentliche Auftraggeber einen Auszug aus einem einschlägigen Register, insbesondere ein Führungszeugnis aus dem Bundeszentralregister oder, in Ermangelung eines solchen, eine gleichwertige Bescheinigung einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters an.

(5) Als ausreichenden Beleg dafür, dass die in § 123 Absatz 4 und § 124 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Ausschlussgründe auf den Bewerber oder Bieter nicht zutreffen, erkennt der öffentliche Auftraggeber eine von der zuständigen Behörde des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters ausgestellte Bescheinigung an.

(6) Werden Urkunden oder Bescheinigungen nach den Absätzen 4 und 5 von dem Herkunftsland oder dem Niederlassungsstaat des Bewerbers oder Bieters nicht ausgestellt oder werden darin nicht alle Ausschlussgründe nach § 123 Absatz 1 bis 4 sowie § 124 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erwähnt, so können sie durch eine Versicherung an Eides statt ersetzt werden. In den Staaten, in denen es keine Versicherung an Eides statt gibt, darf die Versicherung an Eides statt durch eine förmliche Erklärung ersetzt werden, die ein Vertreter des betreffenden Unternehmens vor einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, einem Notar oder einer dazu bevollmächtigten Berufs- oder Handelsorganisation des Herkunftslands oder des Niederlassungsstaats des Bewerbers oder Bieters abgibt.

(7) Der öffentliche Auftraggeber kann Bewerber oder Bieter auffordern, die erhaltenen Unterlagen zu erläutern.

(8) Sofern der Bewerber oder Bieter in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist oder über eine Zertifizierung verfügt, die jeweils den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU entsprechen, werden die im amtlichen Verzeichnis oder dem Zertifizierungssystem niedergelegten Unterlagen und Angaben vom öffentlichen Auftraggeber nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen (Eignungsvermutung). Ein den Anforderungen des Artikels 64 der Richtlinie 2014/24/EU entsprechendes amtliches Verzeichnis kann auch durch Industrie- und Handelskammern eingerichtet werden. Die Industrie- und Handelskammern bedienen sich bei der Führung des amtlichen Verzeichnisses einer gemeinsamen verzeichnisführenden Stelle. Der öffentliche Auftraggeber kann mit Blick auf die Entrichtung von Steuern, Abgaben oder Sozialversicherungsbeiträgen die gesonderte Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung verlangen.

(1) Öffentliche Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.

(2) Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich Folgendes betreffen:

1.
Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung,
2.
wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit,
3.
technische und berufliche Leistungsfähigkeit.

(3) Der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 kann ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifizierungssystemen erbracht werden.

(4) Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen.

(1) Öffentliche Auftraggeber schließen ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme aus, wenn sie Kenntnis davon haben, dass eine Person, deren Verhalten nach Absatz 3 dem Unternehmen zuzurechnen ist, rechtskräftig verurteilt oder gegen das Unternehmen eine Geldbuße nach § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten rechtskräftig festgesetzt worden ist wegen einer Straftat nach:

1.
§ 129 des Strafgesetzbuchs (Bildung krimineller Vereinigungen), § 129a des Strafgesetzbuchs (Bildung terroristischer Vereinigungen) oder § 129b des Strafgesetzbuchs (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland),
2.
§ 89c des Strafgesetzbuchs (Terrorismusfinanzierung) oder wegen der Teilnahme an einer solchen Tat oder wegen der Bereitstellung oder Sammlung finanzieller Mittel in Kenntnis dessen, dass diese finanziellen Mittel ganz oder teilweise dazu verwendet werden oder verwendet werden sollen, eine Tat nach § 89a Absatz 2 Nummer 2 des Strafgesetzbuchs zu begehen,
3.
§ 261 des Strafgesetzbuchs (Geldwäsche),
4.
§ 263 des Strafgesetzbuchs (Betrug), soweit sich die Straftat gegen den Haushalt der Europäischen Union oder gegen Haushalte richtet, die von der Europäischen Union oder in ihrem Auftrag verwaltet werden,
5.
§ 264 des Strafgesetzbuchs (Subventionsbetrug), soweit sich die Straftat gegen den Haushalt der Europäischen Union oder gegen Haushalte richtet, die von der Europäischen Union oder in ihrem Auftrag verwaltet werden,
6.
§ 299 des Strafgesetzbuchs (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr), §§ 299a und 299b des Strafgesetzbuchs (Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen),
7.
§ 108e des Strafgesetzbuchs (Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern),
8.
den §§ 333 und 334 des Strafgesetzbuchs (Vorteilsgewährung und Bestechung), jeweils auch in Verbindung mit § 335a des Strafgesetzbuchs (Ausländische und internationale Bedienstete),
9.
Artikel 2 § 2 des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung (Bestechung ausländischer Abgeordneter im Zusammenhang mit internationalem Geschäftsverkehr) oder
10.
den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b bis 233a des Strafgesetzbuches (Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsarbeit, Ausbeutung der Arbeitskraft, Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung).

(2) Einer Verurteilung oder der Festsetzung einer Geldbuße im Sinne des Absatzes 1 stehen eine Verurteilung oder die Festsetzung einer Geldbuße nach den vergleichbaren Vorschriften anderer Staaten gleich.

(3) Das Verhalten einer rechtskräftig verurteilten Person ist einem Unternehmen zuzurechnen, wenn diese Person als für die Leitung des Unternehmens Verantwortlicher gehandelt hat; dazu gehört auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung.

(4) Öffentliche Auftraggeber schließen ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren aus, wenn

1.
das Unternehmen seinen Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern, Abgaben oder Beiträgen zur Sozialversicherung nicht nachgekommen ist und dies durch eine rechtskräftige Gerichts- oder bestandskräftige Verwaltungsentscheidung festgestellt wurde oder
2.
die öffentlichen Auftraggeber auf sonstige geeignete Weise die Verletzung einer Verpflichtung nach Nummer 1 nachweisen können.
Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn das Unternehmen seinen Verpflichtungen dadurch nachgekommen ist, dass es die Zahlung vorgenommen oder sich zur Zahlung der Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich Zinsen, Säumnis- und Strafzuschlägen verpflichtet hat.

(5) Von einem Ausschluss nach Absatz 1 kann abgesehen werden, wenn dies aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist. Von einem Ausschluss nach Absatz 4 Satz 1 kann abgesehen werden, wenn dies aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist oder ein Ausschluss offensichtlich unverhältnismäßig wäre. § 125 bleibt unberührt.

(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn

1.
das Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat,
2.
das Unternehmen zahlungsunfähig ist, über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares Verfahren beantragt oder eröffnet worden ist, die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, sich das Unternehmen im Verfahren der Liquidation befindet oder seine Tätigkeit eingestellt hat,
3.
das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird; § 123 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden,
4.
der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken,
5.
ein Interessenkonflikt bei der Durchführung des Vergabeverfahrens besteht, der die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit einer für den öffentlichen Auftraggeber tätigen Person bei der Durchführung des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte und der durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam beseitigt werden kann,
6.
eine Wettbewerbsverzerrung daraus resultiert, dass das Unternehmen bereits in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens einbezogen war, und diese Wettbewerbsverzerrung nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden kann,
7.
das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat,
8.
das Unternehmen in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen oder Auskünfte zurückgehalten hat oder nicht in der Lage ist, die erforderlichen Nachweise zu übermitteln, oder
9.
das Unternehmen
a)
versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen,
b)
versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die es unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte, oder
c)
fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln.

(2) § 21 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, § 98c des Aufenthaltsgesetzes, § 19 des Mindestlohngesetzes, § 21 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 22 des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2959) bleiben unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.

(2) Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich Folgendes betreffen:

1.
Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung,
2.
wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit,
3.
technische und berufliche Leistungsfähigkeit.

(3) Der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 kann ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifizierungssystemen erbracht werden.

(4) Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.

(2) Ein wirksam erteilter Zuschlag kann nicht aufgehoben werden. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. § 167 Absatz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(3) Die Entscheidung der Vergabekammer ergeht durch Verwaltungsakt. Die Vollstreckung richtet sich, auch gegen einen Hoheitsträger, nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder. Die Höhe des Zwangsgeldes beträgt mindestens 1 000 Euro und höchstens 10 Millionen Euro. § 61 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(1) Erscheinen der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung.

(2) Der öffentliche Auftraggeber prüft die Zusammensetzung des Angebots und berücksichtigt die übermittelten Unterlagen. Die Prüfung kann insbesondere betreffen:

1.
die Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens einer Lieferleistung oder der Erbringung der Dienstleistung,
2.
die gewählten technischen Lösungen oder die außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die das Unternehmen bei der Lieferung der Waren oder bei der Erbringung der Dienstleistung verfügt,
3.
die Besonderheiten der angebotenen Liefer- oder Dienstleistung,
4.
die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 128 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere der für das Unternehmen geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften, oder
5.
die etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an das Unternehmen.

(3) Kann der öffentliche Auftraggeber nach der Prüfung gemäß den Absätzen 1 und 2 die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen. Der öffentliche Auftraggeber lehnt das Angebot ab, wenn er festgestellt hat, dass der Preis oder die Kosten des Angebots ungewöhnlich niedrig sind, weil Verpflichtungen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 nicht eingehalten werden.

(4) Stellt der öffentliche Auftraggeber fest, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, weil der Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so lehnt der öffentliche Auftraggeber das Angebot ab, wenn der Bieter nicht fristgemäß nachweisen kann, dass die staatliche Beihilfe rechtmäßig gewährt wurde. Der öffentliche Auftraggeber teilt die Ablehnung der Europäischen Kommission mit.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Erscheinen der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung.

(2) Der öffentliche Auftraggeber prüft die Zusammensetzung des Angebots und berücksichtigt die übermittelten Unterlagen. Die Prüfung kann insbesondere betreffen:

1.
die Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens einer Lieferleistung oder der Erbringung der Dienstleistung,
2.
die gewählten technischen Lösungen oder die außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die das Unternehmen bei der Lieferung der Waren oder bei der Erbringung der Dienstleistung verfügt,
3.
die Besonderheiten der angebotenen Liefer- oder Dienstleistung,
4.
die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 128 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere der für das Unternehmen geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften, oder
5.
die etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an das Unternehmen.

(3) Kann der öffentliche Auftraggeber nach der Prüfung gemäß den Absätzen 1 und 2 die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen. Der öffentliche Auftraggeber lehnt das Angebot ab, wenn er festgestellt hat, dass der Preis oder die Kosten des Angebots ungewöhnlich niedrig sind, weil Verpflichtungen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 nicht eingehalten werden.

(4) Stellt der öffentliche Auftraggeber fest, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, weil der Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so lehnt der öffentliche Auftraggeber das Angebot ab, wenn der Bieter nicht fristgemäß nachweisen kann, dass die staatliche Beihilfe rechtmäßig gewährt wurde. Der öffentliche Auftraggeber teilt die Ablehnung der Europäischen Kommission mit.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 10/16
vom
31. Januar 2017
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Notärztliche Dienstleistungen
VgV § 60; VOB/A § 16d Abs. 1 Nrn. 1 und 2; § 16d EU Abs. 1 Nrn. 1 und 2; VOL/A
2009 § 16 Abs. 6; GWB § 71 Abs. 1, §§ 72, 165

a) Erscheint ein Angebotspreis aufgrund des signifikanten Abstands zum nächstgünstigen
Gebot oder ähnlicher Anhaltspunkte, wie etwa der augenfälligen Abweichung
von preislichen Erfahrungswerten aus anderen Beschaffungsvorgängen
, ungewöhnlich niedrig, können die Mitbewerber verlangen, dass die Vergabestelle
in die vorgesehene nähere Prüfung der Preisbildung eintritt.

b) Wird für bereits vorliegende oder von der Vergabestelle zur Aufklärung des Preises
nachgeforderte Informationen Schutz als Geschäftsgeheimnis begehrt, entscheidet
die Vergabekammer zunächst in einem Zwischenverfahren über deren
Offenlegung. Für die Entscheidung, ob das Geheimhaltungs- oder das Offenlegungsinteresse
überwiegt, ist eine Abwägung der beiderseitigen geschützten Interessen
vorzunehmen.

c) Die Vergabekammer darf bei der Sachentscheidung Umstände berücksichtigen,
deren Offenlegung sie mit Rücksicht auf ein Geheimhaltungsinteresse abgelehnt
hat, das nach Abwägung aller Umstände das Interesse der Beteiligten auf rechtliches
Gehör auch unter Beachtung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz
überwiegt.
BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 - X ZB 10/16 - Kammergericht Berlin
ECLI:DE:BGH:2017:310117BXZB10.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Januar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning und Dr. Bacher sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Berlin vom 6. August 2015 (VK B 1 17/15) aufgehoben. Die Vergabekammer wird verpflichtet, erneut über die Sache und über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.

Gründe:


1
A. Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf eine von der Berliner Feuerwehr als Vergabestelle durchgeführte beschränkte Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb, die schwerpunktmäßig die Gestellung von Notärzten für das in 17 Versorgungsgebiete (Gebietslose) unterteilte Land Berlin für drei Jahre mit der Option der einmaligen Verlängerung um zwei weitere Jahre zum Gegenstand hatte. Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Angebot für ein Versorgungsgebiet zu einem jährlichen Preis von €. Nachdem die Vergabestelle sie darüber informiert hatte, dass der Zuschlag auf das Angebot einer Mitbewerberin zu einem jährlichen Angebotspreis von € erteilt werden soll, beantragte die Antragstellerin Vergabenachprüfung und machte unter anderem geltend, jenes Angebot sei ungewöhnlich niedrig im Sinne von § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A 2009 und hätte deshalb ausgeschlossen werden müssen.
2
Die Vergabekammer hat den hierauf gestützten Nachprüfungsantrag mit der Begründung für unzulässig erachtet, § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 entfalte im Streitfall keine drittbieterschützende Wirkung, so dass sich die Antragstellerin insoweit nicht auf eine Rechtsverletzung im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB berufen könne. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Nach3 dem die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels entfallen war, erteilte die Vergabestelle den Zuschlag entsprechend ihrem Informationsschreiben. Daraufhin hat die Antragstellerin ihr primäres Rechtsschutzbegehren für erledigt erklärt und beantragt festzustellen, dass sie durch den Antragsgegner in ihren Rechten verletzt ist. Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. Das Kammergericht möchte die sofortige Beschwerde zurückweisen,
4
sieht sich daran aber durch einen Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts gehindert, demzufolge § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A aF, dessen Regelungsgehalt sich im Wesentlichen mit dem von § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 deckt, auch dem Schutz aller anderen Bieter dient, die bei einem echten Wettbewerb ihre Preise aufgrund einer ordnungsgemäßen Kalkulation berechnet haben. Der nächstgünstigste Bieter habe deshalb ein Recht, diesen Vergabeverstoß in einem Nachprüfungsverfahren zu unterbinden (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. Oktober 2003 - 1 Verg 2/03, NZBau 2004, 117, 118).
5
B. Die Vorlage ist zulässig.
6
I. Die Voraussetzungen des § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB liegen nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn das vorlegende Oberlandesgericht seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts tragenden Rechtssatz unvereinbar wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014 - X ZB 15/13, BGHZ 199, 327 Rn. 10 - Stadtbahnprogramm Gera). Zu Recht hat der vorlegende Vergabesenat die Divergenz nicht dadurch
7
ausgeräumt gesehen, dass die Entscheidung, von der er abweichen möchte, älteren Datums ist und sich zudem zeitlich danach unter anderen Vergabesenaten eine anderslautende Auffassung zu der Streitfrage herausgebildet hat (vgl. dazu etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. September 2008 - Verg 50/08, juris Rn. 37 zu § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A aF), der er sich anschließen möchte. Der Senat weist außerdem darauf hin, dass es für das Bestehen einer
8
Divergenz nicht darauf ankommt, ob der andere Vergabesenat seine abweichende Auffassung begründet hat (vgl. insoweit OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016 - Verg 37/14, juris Rn. 47), sondern nur darauf, dass erkennbar ein abweichender Rechtssatz angewendet wurde. Die Voraussetzungen für eine Divergenzvorlage können schließlich auch vorliegen, wenn ein Vergabesenat von der Ansicht eines anderen Vergabesenats abweichen will, die dieser (lediglich) in einem Verfahren nach § 173 Abs. 1 Satz 3 oder § 176 GWB gefasst hat. Das Gesetz sieht zwar im Interesse der möglichst beschleunigten Vergabe öffentlicher Aufträge eine Divergenzvorlage in einem dieser Eilverfahren selbst nicht vor. Es ist mit Blick auf das Ziel einer bundeseinheitlichen Rechtsprechung in Vergabesachen aber zu bedenken, dass die Vergabesenate , wenn es nur noch um die Anwendung des Rechts auf einen feststehenden Sachverhalt geht, mitunter bereits im Eilverfahren - namentlich im Verfahren nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB - die rechtlichen Streitfragen erschöpfend beantworten , von denen der endgültige Ausgang des Beschwerdeverfahrens abhängt und es dann gegebenenfalls nicht mehr zu einer Entscheidung in der Hauptsache kommt. Dem Gewicht, das den in den Eilverfahren ergehenden Entscheidungen deshalb zukommt, würde es nicht gerecht, wenn sie generell bei der Prüfung auf eine bestehende Divergenz unberücksichtigt blieben.
9
II. Die Divergenz ergibt sich im Streitfall daraus, dass die Antragstellerin als mit einer Preisdifferenz von über 30 % zweitbeste Bieterin auf der Grundlage der Rechtsprechung des Saarländischen Oberlandesgerichts zur Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen stellen könnte, ob der Zuschlag insoweit zu einem unangemessen niedrigen Preis ergangen ist, der vorlegende Vergabesenat demgegenüber meint, die Antragstellerin könne sich nicht auf § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 stützen, weil dieser Vorschrift im Streitfall keine bieterschützende Wirkung zukomme. Er sieht sich dabei in Einklang mit der Rechtsprechung anderer Vergabesenate, die der § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 entsprechenden Regelung in § 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOL/A 2009 bieterschützende Wirkung nur dann beimessen, wenn das ungewöhnlich günstig erscheinende Angebot Ausdruck wettbewerbswidriger Praktiken ist, denen der Auftraggeber keinen Vorschub leisten dürfe. Diese Voraussetzungen erfüllten Angebote nur, wenn der unangemessen niedrige Preis als Mittel zur zielgerichteten Verdrängung anderer Bieter nicht lediglich aus dem laufenden Vergabeverfahren, sondern vom Markt insgesamt eingesetzt werde oder zumindest die Gefahr einer entsprechenden Entwicklung bestehe, oder wenn die niedrige Preisgestaltung den Auftragnehmer voraussichtlich in so erhebliche Schwierigkeiten bringen werde, dass er den Auftrag nicht zu Ende ausführen könne, sondern die Ausführung abbrechen müsse (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - Verg 17/12, VergabeR 2013, 243, 248; Beschluss vom 9. Mai 2011 - Verg 45/11, VergabeR 2011, 884 f.; OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2010 - Verg 2/10, VergabeR 2010, 992, 1008; vgl. auch Thüringer OLG, Beschluss vom 5. Juni 2009 - 9 Verg 5/09, VergabeR 2009, 809, 812 ff.). Der vorlegende Senat sieht im Streitfall diese zusätzlich gefordertenVoraussetzungen für den Zugang zum Nachprüfungsverfahren nicht dargelegt und möchte die geltend gemachte Verletzung der Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB deshalb verneinen.
10
C. Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Verpflichtung der Vergabekammer zu neuer Entscheidung.
11
I. Der Nachprüfungsantrag ist entgegen der Ansicht der Vergabekammer zulässig.
12
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Zulässigkeit eines auf § 160 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB gestützten Nachprüfungsantrags erforderlich, dass ein Unternehmen mit Interesse am Auftrag eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB schlüssig aufzeigt (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 - X ZB 7/04, BGHZ 159, 186, 191 f.).
13
2. Soll der Zuschlag nach der Vorinformation (§ 134 Abs. 1 GWB) auf ein Angebot mit einem Preis erteilt werden, den der Antragsteller für unangemessen niedrig hält, gehört es in Anbetracht der einschlägigen Regelungen in § 60 VgV, §§ 16d, 16d EU VOB/A oder hier in § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 zur Schlüssigkeit, genügt insoweit aber auch, dass die Unangemessenheit des Preises indizierende Umstände dargelegt werden. Regelmäßig wird es sich dabei , wie auch hier, um die Höhe des beanstandeten Preises und den Abstand zum eigenen bzw. zum nächstgünstigen Angebot handeln.
14
a) In der Rechtsprechung der Vergabesenate sind insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten. Unterschiedliche Einschätzungen bestehen diesbezüglich nur darüber, ob diese Aufgreifschwelle immer erst bei einem Preisabstand von 20 % zum nächsthöheren Angebot erreicht ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2012 - Verg 61/11, ZfBR 2012, 613) oder schon in einem Bereich über 10 % einsetzen kann (vgl. Ziekow/Völlink/Vavra, Vergaberecht, 2. Aufl., § 16 VOB/A Rn. 46 unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. September 2009 - 15 Verg 3/09, VergabeR 2010, 96).
15
b) Ob eine Schwelle von 20 % als unverrückbare Untergrenze anzusehen ist oder ob besondere Umstände im Einzelfall Aufklärungsbedarf auch bei geringeren Abständen indizieren können, kann fraglich sein, bedarf im Streitfall aber keiner abschließenden Beurteilung, weil hier der Preisabstand von über 30 % zum Angebot der Antragstellerin jedenfalls hinreicht, um den Auftraggeber zu einer Angemessenheitsprüfung zu veranlassen. Im Übrigen kann sich die Frage der Unangemessenheit eines Preises nicht nur aufgrund des signifikanten Abstandes zum nächstgünstigen Gebot im selben Vergabeverfahren stellen, sondern gleichermaßen etwa bei augenfälliger Abweichung von in vergleichbaren Vergabeverfahren oder sonst erfahrungsgemäß verlangten Preisen (vgl. OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2010 - Verg 2/10, VergabeR 2010, 992, 1008; OLG Karlsruhe VergabeR 2010, 96).
16
c) Darüber hinaus obliegt dem Antragsteller darzulegen, ob er die vorgesehene Vergabe zu dem fraglichen Preis gerügt, wie sich der Auftraggeber dazu gegebenenfalls vorprozessual gestellt hat und inwieweit dies die eigenen Bedenken nicht ausräumt.
17
d) Weitergehende Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung können in Fällen der vorliegenden Art für den Zugang zum Nachprüfungsverfahren nicht gestellt werden.
18
Dazu, ob der ungewöhnlich niedrige Preis zur Marktverdrängung von Konkurrenten verlangt wird oder ob die Gefahr besteht, dass der Auftrag infolge dieser Preisbildung nicht ordnungsgemäß ausgeführt werden kann, wird der Antragsteller bei Einreichung des Nachprüfungsantrags regelmäßig schon deshalb nichts Konkretes vortragen können, weil dies Einblicke in die Sphäre jenes Unternehmens voraussetzt, über die er üblicherweise nicht verfügen wird und für die er schon in Anbetracht des engen Fristenrahmens für vergaberechtliche Beanstandungen (§ 160 Abs. 3 GWB) auch kaum rechtzeitig hinreichende Indizien zusammentragen kann. Deshalb überspannt es die Anforderungen an den Zugang zum vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, vom Antragsteller hierzu substanziierten Vortrag zu verlangen. Das Gleiche gilt in Bezug auf den Gesichtspunkt der Gefahr der Verdrängung seines Unternehmens vom Markt (kritisch zu den zusätzlichen Anforderungen an die Darlegung eines Vergaberechtsverstoßes in der Rechtsprechung der Vergabesenate auch Dicks in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 60 Rn. 38).
19
II. Der angefochtene Beschluss kann hiernach mit der von der Vergabekammer gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Er stellt sich beim gegebenen Sach- und Streitstand auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.
20
1. Nach § 60 Abs. 1, 2 VgV hat der öffentliche Auftraggeber, wenn Preis oder Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen, vom Bieter Aufklärung zu verlangen. Entsprechendes sehen § 16d Abs. 1 und § 16d EU Abs. 1 VOB/A sowie § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 vor. Auf die Einhaltung dieser Bestimmungen über das Vergabeverfahren hat jeder Bieter nach § 97 Abs. 6 GWB Anspruch.
21
a) Die Regelungen über den möglichen Ausschluss von ungewöhnlich niedrigen Angeboten und die damit korrespondierende Prüfungspflicht basieren auf dem Erfahrungswissen, dass niedrige Preise für die öffentlichen Belange von einem bestimmten Niveau an nicht mehr von Nutzen sein, sondern diese umgekehrt sogar gefährden können, weil sie das gesteigerte Risiko einer nicht einwandfreien Ausführung von Bauleistungen einschließlich eines Ausfalls bei der Gewährleistung oder der nicht einwandfreien Lieferung bzw. Erbringung der nachgefragten Dienstleistung und damit einer im Ergebnis unwirtschaftlichen Beschaffung bergen. Geschützt wird dementsprechend in erster Linie das haushaltsrechtlich begründete Interesse des Auftraggebers und der Öffentlichkeit an der jeweils wirtschaftlichsten Beschaffung.
22
b) Geschützt wird darüber hinaus vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 29. März 2012 - C-599/10, VergabeR 2012, 584) das Interesse des betreffenden Anbieters am Auftrag insofern, als er, dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs vergleichbar, verlangen kann, dass sein Angebot nicht ohne den Versuch der vorherigen Aufklärung der aufgekommenen Fragen und Ausräumung entstandener Bedenken aus der Wertung genommen wird.
23
c) Auf die Beachtung der Vorgaben in § 60 Abs. 3 VgV sowie § 16d Abs. 1 und § 16d EU Abs. 1 VOB/A 2016 sowie § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 können sich grundsätzlich aber auch die anderen Teilnehmer am Vergabeverfahren berufen. Soll ein nach den Vorgaben der Vergabeverordnung oder der Vergabe - und Vertragsordnung für Bauleistungen an sich wegen seines zu niedrigen Preises auszuschließendes Angebot den Zuschlag erhalten, geht es in der Sache um eine Auftragserteilung unter Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 GWB) konkretisierende Regelungen. Dies betrifft in vergleichbarer Weise unmittelbar die Position der übrigen Bewerber im Wettbewerb wie etwa die Bejahung der zunächst zweifelhaft erscheinenden Eignung (zutreffend Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, 2. Aufl., VOB/A § 16 Rn. 268; für bieterschützende Wirkung auch Dicks in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 60 Rn. 38; vgl. auch Ziekow/Völlink/Vavra, Vergaberecht, 2. Aufl., § 16 VOB/A Rn. 46).
24
d) Dies gilt grundsätzlich auch für den hier allgemein betroffenen Bereich der sozialen und besonderen Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU, zu denen Dienstleistungen der Feuerwehr und Rettungsdienste (CPV-Code 75252000-7) prinzipiell zählen. Die Bestimmungen der Vergabeverordnung beziehen sich grundsätzlich auch hierauf (vgl. § 130 Abs. 1 GWB; § 64 VgV), gegebenenfalls vorbehaltlich der Regelung in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Nach der Übergangsregelung in § 186 Abs. 2 GWB sind im Streitfall zwar noch die Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A 2009 anzuwenden; der Regelungsgehalt von § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 entspricht aber in wesentlichen Teilen § 60 VgV.
25
2. Der Anspruch ist im Falle möglicherweise unangemessen niedriger Angebotspreise darauf gerichtet, dass der Auftraggeber die nach § 16d Abs. 1, § 16d EU Abs. 1 VOB/A, § 60 VgV oder § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 vorgesehene Prüfung vornimmt (ebenso: Opitz aaO § 16 VOB/A Rn. 268).
26
a) Nach § 60 Abs. 2 VgV hat der öffentliche Auftraggeber, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen, die Zusammensetzung des Angebots zu überprüfen. Diese Prüfung kann insbesondere die Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens einer Lieferleistung oder der Erbringung der Dienstleistung , die gewählten technischen Lösungen oder die außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die das Unternehmen bei der Lieferung der Waren oder Erbringung der Dienstleistung verfügt, die Besonderheiten der besonderen Lieferoder Dienstleistung sowie die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 128 Abs. 1 GWB oder die Gewährung einer staatlichen Beihilfe betreffen.
27
b) Bei der Vergabe von Bauleistungen im Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen prüft der Auftraggeber die Angemessenheit des Preises - abgesehen von einem möglichen Zusammenhang mit der Nichterfüllung umwelt- oder sozial- und arbeitsrechtlicher Anforderungen (§ 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016) - anhand der üblicherweise im Zusammenhang mit der Angebotseinreichung vorliegenden oder angeforderten Unterlagen über die Preisermittlung des betreffenden Bieters. Reicht dies nicht aus, um die Angemessenheit befriedigend beurteilen zu können, gibt der Auftraggeber dem Bieter weitere Gelegenheit zur Aufklärung über die Bildung seiner Preise oder Kosten für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen und prüft zur Beurteilung der Angemessenheit die betreffende Zusammensetzung unter Berücksichtigung der gelieferten Nachweise. Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen enthält hierzu zwar keine weiteren detaillierten Angaben. Es können jedenfalls aber die Angaben verlangt werden, die Art. 69 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU - für alle Arten von Leistungen - vorsieht (so auch Dicks in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, 3. Aufl., § 16 EG Rn. 257). Dazu gehören Angaben zur Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens , der Erbringung der Dienstleistung oder des Bauverfahrens, zu den gewählten technischen Lösungen oder allen gegebenenfalls außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die der Bieter bei der Lieferung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistung sowie bei der Durchführung der Bauleistungen verfügt, und sonst zur Eigenart der angebotenen Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen.
28
3. Kann der öffentliche Auftraggeber die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten mit der Prüfung nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen (§ 60 Abs. 3 VgV).
29
a) Die Berechtigung des Auftraggebers, den Zuschlag auf solche Angebote abzulehnen, trägt dem Anliegen des Vergabewettbewerbs Rechnung, die wirtschaftlichste Beschaffung zu realisieren. Unangemessen niedrige Angebotspreise bergen insoweit gesteigerte Risiken (oben Rn. 21), die sich in vielfältiger Weise verwirklichen können. Dies gilt etwa für die in der Rechtsprechung der Vergabesenate angeführte Möglichkeit, dass der Auftragnehmer infolge der zu geringen Vergütung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und den Auftrag deshalb nicht vollständig ausführen kann. Der Schutz der öffentlichen Interessen setzt aber nicht erst bei derart gravierenden Gefährdungen ein. Öffentliche Interessen sind in schützenswerter Weise auch dadurch gefährdet, dass der betreffende Anbieter in Anbetracht des zu niedrigen Preises versuchen könnte, sich des Auftrags so unaufwändig wie möglich und insoweit auch nicht vertragsgerecht zu entledigen, durch möglichst viele Nachträge Kompensation zu erhalten oder die Ressourcen seines Unternehmens auf besser bezahlte Aufträge zu verlagern, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet. Dies gilt ungeachtet des Hinweises im Vorlagebeschluss, es sei einem Bieter grundsätzlich unbenommen, zu einem Preis zu bieten, der ihm lediglich einen Deckungsbeitrag zu seinen Fixkosten verspricht (Unterkostenangebote, vgl. etwa OLG München , Beschluss vom 21. Mai 2010 - Verg 2/10, VergabeR 2010, 992, 1008). Dass ein solches Angebot nicht von vornherein unzulässig ist, ändert nichts an den hiermit verbundenen Gefahren.
30
b) Ob oder inwieweit sich die vorstehend aufgezeigten oder andere Risiken für eine auftragsgerechte Ausführung bei Auftragserteilung verwirklichen , kann im Zeitpunkt der Vergabeentscheidung kaum je hinreichend sicher vorausgesagt werden. Vor diesem Hintergrund trifft § 60 Abs. 3 VgV Vorkehr dagegen, dass der Auftraggeber ein vermeintlich sehr günstiges Angebot annehmen muss, das tatsächlich aber mit erheblichen potenziellen Verlustrisiken behaftet ist, und ordnet an, dass Angebote wegen eines ungewöhnlich niedrigen Preises bereits dann ausgeschlossen werden können, wenn sich die geringe Höhe nicht zufriedenstellend aufklären lässt.
31
c) Dem Auftraggeber ist hierbei ein rechtlich gebundenes Ermessen eingeräumt. Die Verwendung des Verbs "dürfen" in § 60 Abs. 3 VgV ist nicht so zu verstehen, dass es im Belieben des Auftraggebers stünde, den Auftrag trotz weiterbestehender Ungereimtheiten doch an den betreffenden Bieter zu vergeben. Die Ablehnung des Zuschlags ist vielmehr grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann. Bei der Beurteilung der Anforderungen an eine zufriedenstellende Aufklärung berücksichtigt der Auftraggeber Art und Umfang der im konkreten Fall drohenden Gefahren für eine wettbewerbskonforme Auftragserledigung.
32
d) Diese in § 60 Abs. 3 VgV ausdrücklich vorgesehene Regelung geht auf Art. 69 Abs. 3 Satz 2 RL 2014/24/EU zurück und gilt gleichermaßen für die Vergabe von Bauleistungen.
33
4. Ob die Vergabestelle die Preisbildung des günstigsten Angebots entsprechend aufgeklärt hat, kann nicht nachvollzogen werden.
34
III. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss der Vergabekammer keinen Bestand haben und ist nach § 178 Satz 1 GWB aufzuheben. Der Senat macht entsprechend § 178 Satz 2 GWB von der Möglichkeit Gebrauch , die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung über den Feststellungsantrag zu entscheiden. Im Regelfall, auf den die gesetzliche Regelung zugeschnitten ist, ent35 scheidet, wenn sich das primäre Rechtsschutzbegehren während des Beschwerdeverfahrens in der Hauptsache erledigt, zwar das Beschwerdegericht über einen solchen Antrag (§ 178 Satz 3 GWB). Der Streitfall weist jedoch Besonderheiten auf, die eine erstinstanzliche Entscheidung über das Feststellungsbegehren angezeigt erscheinen lassen. Die Vergabekammer hat sich ungeachtet der von ihr ausgesprochenen
36
Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags bereits mit dem Ergebnis der nachträglichen Prüfung der Angemessenheit des von der Ausschreibungsgewinnerin verlangten Preises durch die Vergabestelle befasst und dieses Ergebnis - allerdings unter Verletzung der Mitwirkungsrechte der Antragstellerin - für vergaberechtskonform zustande gekommen erachtet. Dieser Streitstoff wäre bereits für das Primärrechtsschutzbegehren der Antragstellerin entscheidungserheblich gewesen. Im Interesse der Verfahrensökonomie und um insoweit eine Prüfung in zwei Instanzen zu gewährleisten, ist deshalb der Vergabekammer die erneute Prüfung zu übertragen.
37
IV. Bei der erneuten Entscheidung wird die Vergabekammer zu beachten haben, dass bei der Nachprüfung der Angemessenheit eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises Geheimhaltungsinteressen des betreffenden Bieters berührt sein können.
38
1. Die Bieter werden die Kalkulation ihrer Angebote und die mit der Preisermittlung zusammenhängenden Daten und Inhalte vielfach als ihre Geschäftsgeheimnisse betrachten.
39
a) Zu den Geschäftsgeheimnissen gehören alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind, an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat, in Bezug auf die sein Geheimhaltungswille bekundet worden oder erkennbar ist und von denen sich ein größerer Personenkreis nur unter Schwierigkeiten Kenntnis verschaffen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03, BVerfGE 115, 205 Rn. 87; BGH, Beschluss vom 16. November 2009 - X ZB 37/08, BGHZ 183, 153 Rn. 17 - Lichtbogenschnürung; Urteil vom 7. November 2002 - I ZR 64/00, GRUR 353, 356 m.w.N. - Präzisionsmessgeräte ; vgl. auch Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen [Geschäftsgeheimnisse] vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. Nr. L 157 vom 15. Juni 2015 S. 1).
40
b) Auch Betriebsgeheimnisse, zu denen die Fabrikationsgeheimnisse zählen (vgl. BR-Drucks. 441/04 S. 114 zu Nr. 43 und S. 124 zu Nr. 62), können von der Angemessenheitsprüfung berührt sein, etwa wenn es darum geht, ob besonders wirtschaftliche Fertigungsverfahren den niedrigen Preis erklären könnten (oben Rn. 27).
41
c) Die vorstehend genannten tatbestandlichen Voraussetzungen müssen für alle Informationen, für die Geheimnisschutz beansprucht wird, erfüllt sein (vgl. auch Art. 2 Nr. 1 RL (EU) 2016/943).
42
d) Wird ein Nachprüfungsantrag mit dem Ziel der Überprüfung eines dem Antragsteller ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebotspreises gestellt , gehören die mit diesem Angebot eingereichten oder vom Auftraggeber gegebenenfalls zur Aufklärung des niedrigen Preises nachgeforderten Unterlagen zu den Vergabeakten. Darin können Informationen enthalten sein, die der betreffende Bieter als seine Geschäftsgeheimnisse ansieht.
43
2. Beantragt der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren Akteneinsicht auch in solche Unterlagen, ist zunächst in einem Zwischenverfahren über deren Offenlegung oder Geheimhaltung zu entscheiden (§ 165 Abs. 2 GWB).
44
a) Dieses Zwischenverfahren hat die Vergabekammer unter sinngemäßer Heranziehung der Bestimmungen über die Akteneinsicht im Kartellbeschwerdeverfahren (§ 72 GWB) durchzuführen, auch wenn § 175 Abs. 2 GWB die entsprechende Anwendung von § 72 GWB nur auf das Beschwerdeverfahren bezieht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Dezember 2007 - VII Verg 40/07, VergabeR 2008, 281; OLG Naumburg, Beschluss vom 1. Juni 2011 - 2 Verg 3/11, VergabeR 2012, 250). An dem Verfahren sind bei die Preisermittlung eines Angebots betreffenden Geschäftsgeheimnissen grundsätzlich nur der jeweilige Bieter und das die Einsicht begehrende Unternehmen, regelmäßig also der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren oder gegebenenfalls ein beigeladenes Unternehmen, beteiligt; der Auftraggeber kann nur dann ein Beteiligter sein, wenn eigene Geheimschutzbereiche berührt sind.
45
b) Aus in der Natur der Sache liegenden Gründen handelt es sich bei dem Zwischenverfahren um die Gewährung von Akteneinsicht in Geschäftsoder Betriebsgeheimnisse um ein sogenanntes In-camera-Verfahren. Für den Streit um die Geheimhaltung von Aktenbestandteilen dürfen die Informationen, um deren Geheimhaltung es geht, dem außenstehenden Beteiligten nicht zugänglich gemacht werden.
46
3. Für die Prüfung, ob die Einsicht in bestimmte Unterlagen nach § 165 Abs. 2 GWB zu versagen ist, gilt Folgendes:
47
a) Akteneinsicht in unternehmensbezogene Geheimnisse kommt nur dann und insoweit in Betracht, als deren Kenntnis entscheidungserheblich ist und andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht bestehen (vgl. § 72 Abs. 2 Satz 4 GWB).
48
b) Auch wenn bestimmte Informationen und Daten ihrer Qualität nach als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse anzuerkennen sind, folgt daraus nicht, dass sie unter allen Umständen von der Akteneinsicht eines anderen Beteiligten ausgeschlossen wären. Dies ergibt sich bereits aus der entsprechenden Anwendung von § 72 Abs. 2 S. 4 GWB. Übertragen auf die Vergabenachprüfung folgt daraus, dass sich der Geheimhaltungsvorrang vielmehr als Ergebnis einer Abwägung mit den entgegenstehenden Offenlegungsinteressen ergeben muss.
49
c) Bei dieser Abwägung sind zugunsten des Inhabers unternehmensbezogener Geheimnisse die mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Nachteile zu berücksichtigen, die er im zukünftigen Wettbewerb durch die Offenlegung der fraglichen Informationen erleiden könnte. Er hat deshalb im Streit um die Akteneinsicht plausibel - wenn auch ohne inhaltliche Preisgabe seiner Geheimnisse - aufzuzeigen, inwieweit die Kenntnis des Gegners von den fraglichen Informationen seine Stellung im zukünftigen Wettbewerb außerhalb des konkreten Nachprüfungsverfahrens beeinträchtigen könnte (vgl. BGHZ 183, 153 Rn. 37, 38 - Lichtbogenschnürung). Zugunsten des Akteneinsicht begehrenden Beteiligten ist zu berücksich50 tigen, dass es ihm regelmäßig erst die Kenntnis dieser Informationen ermöglicht , durch detailliertes und von der eigenen Sachkunde getragenes Vorbringen etwa zu der Preisbildung beim ungewöhnlich günstigen Angebot zum richtigen Ausgang des Nachprüfungsverfahrens und damit mittelbar auch zu einer vergaberechtskonformen Zuschlagserteilung beizutragen.
51
4. Gelangt die Vergabekammer zu dem Ergebnis, dass bestimmte Informationen, für die Schutz als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis beansprucht wird, offenzulegen sind, fasst sie im Zwischenverfahren einen Beschluss darüber.
52
a) In der Rechtsprechung der Vergabesenate ist zu Recht anerkannt, dass diese Entscheidung rechtsmittelfähig ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Dezember 2007 - VII Verg 40/07, VergabeR 2008, 281; ebenso z. B. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Dezember 2014 - 11 Verg 8/14, NZBau 2015, 514 und OLG München, Beschluss vom 28. April 2016 - Verg 3/16, VergabeR 2016, 679). Daraus folgt, dass aus dem Beschluss der Vergabekammer die geschützten Informationen selbst nicht in einer Weise hervorgehen dürfen, bei der der Geheimnischarakter verloren geht. Außerdem darf Akteneinsicht nicht vor Eintritt der Bestandskraft dieses Beschlusses gewährt werden.
53
b) Soweit die Vergabekammer Akteneinsicht wegen vorrangigen Geheimnisschutzes verweigert, gilt § 165 Abs. 4 GWB; diese Entscheidung kann nur im Zusammenhang mit der sofortigen Beschwerde in der Hauptsache angegriffen werden.
54
c) Regelmäßig wird die Offenlegung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen nur entweder angeordnet oder verneint werden können. Eine vermittelnde Lösung, wie sie etwa im Zusammenhang mit nach § 140c Abs. 1, 3 PatG angeordneten Besichtigungen zum Schutz vertraulicher Informationen dahin getroffen werden kann, dass nur die Verfahrensbevollmächtigten des Schutzrechtsinhabers der Besichtigung beiwohnen dürfen oder nur sie unter Verschwiegenheitspflicht gegenüber ihrem Mandanten Einsicht in ein darüber erstelltes Sachverständigengutachten erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2009 - X ZB 37/08, BGHZ 183, 153 Rn. 17 - Lichtbogenschnürung ; vgl. auch Art. 9 RL (EU) 2016/943), wäre nicht zielführend. Während es bei Anordnungen nach § 140c PatG darum geht, dass etwa eine Besichtigung nicht für anderweitige Einblicke in schützenswerte Bereiche des mutmaßlichen Verletzers außerhalb der vermuteten Schutzrechtsverletzung instrumentalisiert wird, sind in Fällen der vorliegenden Art die geschützten Daten und Informationen selbst Untersuchungsgegenstand, zu dem prinzipiell Vortrag gehalten werden muss, was naturgemäß nicht an der Partei vorbei geschehen kann.
55
d) Unbeschadet des vorstehend Ausgeführten prüft die Vergabekammer allerdings regelmäßig, auch wenn das Geheimhaltungsinteresse überwiegt , ob und inwieweit die übrigen Verfahrensbeteiligten über die von der Akteneinsicht auszunehmenden Inhalte ohne Preisgabe des Geheimnisses zumindest in allgemeiner oder anonymisierter Form unterrichtet werden können (vgl. insoweit auch OLG Naumburg, VergabeR 2012, 250 ff.).
56
5. Die Vergabekammer darf bei der Sachentscheidung Umstände berücksichtigen, deren Offenlegung sie mit Rücksicht auf ein Geheimhaltungsinteresse abgelehnt hat, das nach Abwägung aller Umstände das Interesse der Beteiligten auf rechtliches Gehör auch unter Beachtung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz überwiegt.
57
a) Im Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist nicht ausdrücklich geregelt, auf welcher Tatsachengrundlage die Entscheidung der Vergabekammer oder des Vergabesenats ergeht, wenn dem Geheimnisschutz Vorrang eingeräumt wird, ob mithin die fraglichen Daten bei der Entscheidung unberücksichtigt bleiben müssen oder verwertet werden dürfen. Nach § 175 Abs. 2 GWB ist allerdings die entsprechende Anwendung der die Akteneinsicht und den Inhalt der Beschwerdeentscheidung betreffenden Regelungen in § 71 Abs. 1 und 6 und § 72 GWB vorgesehen.
58
b) Der Konflikt um die Akteneinsicht betrifft bei allen Beteiligten widerstreitende Schutzgüter von Verfassungsrang. Die Offenlegung von Geschäftsoder Betriebsgeheimnissen berührt die Berufsausübung und das Eigentumsrecht (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) des Betroffenen; demgegenüber betrifft das Interesse des Kontrahenten an der Kenntnis der fraglichen Daten und Informationen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), der grundsätzlich gebietet, dass die Beteiligten sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen äußern konnten (vgl. § 108 Abs. 2 VwGO). Wären die Nachprüfungsinstanzen in solchen Fällen gehalten, die Tatsachen, zu denen der Antragsteller sich wegen des als vorrangig erachteten Geheimnisschutzes nicht äußern konnte, bei ihrer Entscheidung unberücksichtigt zu lassen, liefe dies bei kollidierenden grundrechtlich geschützten Positionen (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 GG) auf eine Beweislastentscheidung ohne angemessenen Ausgleich zwischen den berührten Rechten hinaus (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03, BVerfGE 115, 205 ff. mit abweichender Meinung des Richters Gaier aaO Rn. 144 ff.).
59
c) Bei dieser Sachlage ist zum verfassungskonformen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Rechtsgütern § 71 Abs. 1 Satz 3 GWB sinngemäß anzuwenden.
60
aa) Danach darf das Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren von dem Grundsatz, dass die Beschwerdeentscheidung nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten, abgewichen werden, soweit Beigeladenen aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, Akteneinsicht nicht gewährt und der Akteninhalt aus diesen Gründen auch nicht vorgetragen worden ist. Diese Regelung beruht auf dem gesetzlichen Grundgedanken , dass es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit im Interesse eines Beteiligten sachgerecht sein kann, den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Konflikt mit anderen Rechtsgütern von Verfassungsrang in der Weise modifiziert zurücktreten zu lassen, dass ihm bestimmte schutzwürdige Informationen vorenthalten werden können, das Gericht sie aber gleichwohl verwerten darf, was sich zu seinen Gunsten auswirken kann. Würden etwa dem Antragsteller im Nachprüfungsverfahren die Einsicht in unternehmensbezogene Geheimnisse eines Mitbewerbers vorenthalten und der Grundsatz des rechtlichen Gehörs i. S. der Regelungen in § 71 Abs. 1 Satz 2 GWB oder § 108 Abs. 2 VwGO in der Weise angewendet, dass die Vergabekammer oder der Vergabesenat die geheimen Tatsachen, die dem Antragsteller vorenthalten wurden, bei der Entscheidung nicht berücksichtigen darf, erginge insoweit in jedem Fall eine Beweislastentscheidung zum Nachteil des Antragstellers. Dürfen die Vergabekammer und der Vergabesenat die fraglichen Geheimnisse dagegen berücksichtigen, kann eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers ergehen, wenn dies der Sachlage entspricht. Geht es etwa um die Frage, ob sich ein besonders günstiger Angebotspreis eines Mitbewerbers im Nachprüfungsverfahren plausibel durch effiziente Herstellungsmöglichkeiten erklären lässt, für die der betreffende Bieter zu Recht Schutz als Betriebsgeheimnis beansprucht, und verneint die Vergabekammer die Vorzugswürdigkeit ohne Gewährung von Akteneinsicht, ist den Belangen des Antragstellers Genüge getan, auch wenn er sich nicht äußern konnte. Unvermeidbare "Nachteile" entstehen für ihn bei dieser Handhabung nur in den Fällen, in denen die Nachprüfungsinstanzen zu einer für ihn negativen Entscheidung gelangen, auf die er wegen der vorenthaltenen Akteneinsicht keinen Einfluss nehmen konnte.
61
bb) Allerdings sieht § 71 Abs. 1 Satz 4 GWB eine Entscheidung unter Einschränkung des rechtlichen Gehörs von solchen Beigeladenen nicht vor, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Vergleichbar kann es sich im Nachprüfungsverfahren verhalten, etwa dann, wenn der Antragsteller den Ausschluss des Angebots eines Mitbewerbers begehrt oder umgekehrt und dafür wechselseitig unternehmensbezogene Geheimnisse eine Rolle spielen. Der Senat hält indes dafür, dass die nach § 175 Abs. 2 GWB vorgesehene entsprechende Anwendung von § 71 Abs. 1 und § 72 GWB zu einer insoweit einheitlichen Behandlung der Beteiligten entsprechend § 71 Abs. 1 Satz 3 GWB berechtigt.
62
(1) Diese unterscheidende Beurteilung findet ihre Rechtfertigung darin, dass Bestand oder Aufhebung einer Verfügung der Kartellbehörde aus in der Natur der Sache liegenden Gründen strukturelle oder sonst dauerhafte Auswirkungen auf das Marktgeschehen haben und sich auch auf das Unternehmen notwendig Beigeladener nachhaltig auswirken kann, wohingegen es in der Vergabenachprüfung stets um die Entscheidung eines einzelnen Vergabeverfahrens geht. Je nach Auftragsvolumen kann zwar auch der Ausgang eines einzelnen solchen Verfahrens für ein Unternehmen von nicht unerheblichem Gewicht sein; bei der insoweit gebotenen generalisierenden Betrachtung kann auf solche besonderen Konstellationen jedoch nicht ausschlaggebend abgestellt werden.
63
(2) Hinzu kommt, dass es bei der Geheimhaltung unternehmensbezogener Geheimnisse vielfach um die Angebotspreise betreffende Daten gehen wird und der Gegenstand des Geheimhaltungsinteresses somit typischerweise ein Ähnlicher ist wie bei der Entgeltregulierung im Telekommunikationssektor. Für diesen Bereich ermöglichen § 138 Abs. 2 und 3 TKG in der durch das Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen vom 3. Mai 2012 (BGBl. I S. 958) erhaltenen Fassung die Verwertung von Geschäftsgeheimnissen auch dann, wenn sich einzelne Beteiligte dazu nicht äußern konnten (vgl. dazu etwa Gurlit in: Säcker, Komm. zum TKG, 3. Aufl., § 138 Rn. 16 ff.). Das Gericht der Hauptsache entscheidet auf Antrag eines Beteiligten, der ein Geheimhaltungsinteresse an vorgelegten Unterlagen geltend macht, in einem Incamera -Zwischenverfahren durch Beschluss darüber, inwieweit die §§ 100 und 108 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 VwGO auf die Entscheidung in der Hauptsache anzuwenden sind, und darf die Informationen bei seiner Entscheidung auch dann verwerten, wenn es dafür ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse anerkennt. Es trägt dem Geheimnisschutz in den schriftlichen Urteilsgründen dadurch Rechnung, dass die für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) nicht angegeben werden und das Urteil entgegen § 108 Abs. 2 VwGO insoweit auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen die Beteiligten sich nicht äußern konnten. Die Mitglieder des Gerichts sind darüber hinaus auch persönlich zur Geheimhaltung verpflichtet.
64
(3) Dass für diesen Bereich mit vergleichbarer Interessenlage der Beteiligten ein besonderes Verfahren geschaffen wurde, um einen befriedigenden Ausgleich zwischen den berührten Interessen und Grundrechtspositionen auch unter Hauptbeteiligten des gerichtlichen Verfahrens zu ermöglichen, stützt die vom Senat befürwortete entsprechende Anwendung von § 71 Abs. 1 Satz 3 GWB auch gegenüber einem notwendig Beigeladenen oder dem Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens.
65
6. Im neu eröffneten Nachprüfungsverfahren wird zunächst in dem geschilderten Zwischenverfahren nach den vorstehend dargelegten Grundsät- zen zu klären sein, ob gegebenenfalls von dem für die noch streitigen Beanstandungen der Antragstellerin relevanten Inhalt der Vergabeakten im Geheimhaltungsinteresse der Ausschreibungsgewinnerin bestimmte konkrete Inhalte von der Akteneinsicht auszunehmen sind. Die Vergabestelle hat zwar infolge der Beanstandungen der Antragstelle66 rin den Preis der günstigsten Bieterin nachträglich auf seine Angemessenheit hin untersucht und der Vergabekammer dazu bestimmte Informationen übermittelt. Die Vergabekammer hat diese Mitteilungen auch bei ihrer Entscheidung verwertet und dahin gewürdigt, die von der Vergabestelle vorgelegten Erläuterungen der Ausschreibungsgewinnerin und der Prüfvermerk gäben die Kalkulation des Angebots schlüssig wieder, seien sachlich nachvollziehbar und enthielten keine Anhaltspunkte für Beurteilungsfehler bei der nachträglichen Prüfung. Die Vergabekammer hat der Antragstellerin jedoch schon wegen der von ihr angenommenen Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags keine Akteneinsicht gewährt. Sollte die Vergabekammer die Akteneinsicht beschränken, muss sie
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zwar keinen gesonderten Beschluss darüber fassen (arg. aus § 165 Abs. 4 GWB). Ihr instanzbeendender Beschluss muss dann aber erkennen lassen, dass sie in der gebotenen Weise vorgegangen ist und vom Betroffenen (hier: der Ausschreibungsgewinnerin) geltend gemachte Geheimhaltungsinteressen gegen das Offenlegungsinteresse des Antragstellers abgewogen hat.
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Es muss ferner erkennbar sein, nach welchen Parametern und Kriterien die Vergabestelle kontrolliert hat, ob das beste Angebot nach § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 ausgeschlossen werden muss, und weshalb dies der Überprüfung durch die Vergabekammer standgehalten hat. Es liegt zwar auf der Hand, dass die schriftliche Begründung dafür, warum Akteneinsicht wegen überwiegender Geheimhaltungsinteressen verweigert wird, nicht selbst Quelle entsprechend konkreter Informationen sein darf (oben Rn. 45, 52). Regelmäßig wird aber eine abstrakte Erläuterung der vorgenommenen Prüfung und der dabei angesetzten Parameter ohne Aufdeckung des Geschäftsgeheimnisses möglich sein. Meier-Beck Gröning Bacher Richterin am Bundesgerichtshof Schuster kann infolge Urlaubsabwesenheit nicht unterschreiben. Meier-Beck Kober-Dehm
Vorinstanz:
Kammergericht Berlin, Entscheidung vom 27.05.2016 - Verg 12/15 -

(1) Erscheinen der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung.

(2) Der öffentliche Auftraggeber prüft die Zusammensetzung des Angebots und berücksichtigt die übermittelten Unterlagen. Die Prüfung kann insbesondere betreffen:

1.
die Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens einer Lieferleistung oder der Erbringung der Dienstleistung,
2.
die gewählten technischen Lösungen oder die außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die das Unternehmen bei der Lieferung der Waren oder bei der Erbringung der Dienstleistung verfügt,
3.
die Besonderheiten der angebotenen Liefer- oder Dienstleistung,
4.
die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 128 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere der für das Unternehmen geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften, oder
5.
die etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an das Unternehmen.

(3) Kann der öffentliche Auftraggeber nach der Prüfung gemäß den Absätzen 1 und 2 die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen. Der öffentliche Auftraggeber lehnt das Angebot ab, wenn er festgestellt hat, dass der Preis oder die Kosten des Angebots ungewöhnlich niedrig sind, weil Verpflichtungen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 nicht eingehalten werden.

(4) Stellt der öffentliche Auftraggeber fest, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, weil der Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so lehnt der öffentliche Auftraggeber das Angebot ab, wenn der Bieter nicht fristgemäß nachweisen kann, dass die staatliche Beihilfe rechtmäßig gewährt wurde. Der öffentliche Auftraggeber teilt die Ablehnung der Europäischen Kommission mit.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 10/16
vom
31. Januar 2017
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Notärztliche Dienstleistungen
VgV § 60; VOB/A § 16d Abs. 1 Nrn. 1 und 2; § 16d EU Abs. 1 Nrn. 1 und 2; VOL/A
2009 § 16 Abs. 6; GWB § 71 Abs. 1, §§ 72, 165

a) Erscheint ein Angebotspreis aufgrund des signifikanten Abstands zum nächstgünstigen
Gebot oder ähnlicher Anhaltspunkte, wie etwa der augenfälligen Abweichung
von preislichen Erfahrungswerten aus anderen Beschaffungsvorgängen
, ungewöhnlich niedrig, können die Mitbewerber verlangen, dass die Vergabestelle
in die vorgesehene nähere Prüfung der Preisbildung eintritt.

b) Wird für bereits vorliegende oder von der Vergabestelle zur Aufklärung des Preises
nachgeforderte Informationen Schutz als Geschäftsgeheimnis begehrt, entscheidet
die Vergabekammer zunächst in einem Zwischenverfahren über deren
Offenlegung. Für die Entscheidung, ob das Geheimhaltungs- oder das Offenlegungsinteresse
überwiegt, ist eine Abwägung der beiderseitigen geschützten Interessen
vorzunehmen.

c) Die Vergabekammer darf bei der Sachentscheidung Umstände berücksichtigen,
deren Offenlegung sie mit Rücksicht auf ein Geheimhaltungsinteresse abgelehnt
hat, das nach Abwägung aller Umstände das Interesse der Beteiligten auf rechtliches
Gehör auch unter Beachtung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz
überwiegt.
BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 - X ZB 10/16 - Kammergericht Berlin
ECLI:DE:BGH:2017:310117BXZB10.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Januar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning und Dr. Bacher sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Berlin vom 6. August 2015 (VK B 1 17/15) aufgehoben. Die Vergabekammer wird verpflichtet, erneut über die Sache und über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.

Gründe:


1
A. Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf eine von der Berliner Feuerwehr als Vergabestelle durchgeführte beschränkte Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb, die schwerpunktmäßig die Gestellung von Notärzten für das in 17 Versorgungsgebiete (Gebietslose) unterteilte Land Berlin für drei Jahre mit der Option der einmaligen Verlängerung um zwei weitere Jahre zum Gegenstand hatte. Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Angebot für ein Versorgungsgebiet zu einem jährlichen Preis von €. Nachdem die Vergabestelle sie darüber informiert hatte, dass der Zuschlag auf das Angebot einer Mitbewerberin zu einem jährlichen Angebotspreis von € erteilt werden soll, beantragte die Antragstellerin Vergabenachprüfung und machte unter anderem geltend, jenes Angebot sei ungewöhnlich niedrig im Sinne von § 16 Abs. 6 Satz 1 VOL/A 2009 und hätte deshalb ausgeschlossen werden müssen.
2
Die Vergabekammer hat den hierauf gestützten Nachprüfungsantrag mit der Begründung für unzulässig erachtet, § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 entfalte im Streitfall keine drittbieterschützende Wirkung, so dass sich die Antragstellerin insoweit nicht auf eine Rechtsverletzung im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB berufen könne. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Nach3 dem die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels entfallen war, erteilte die Vergabestelle den Zuschlag entsprechend ihrem Informationsschreiben. Daraufhin hat die Antragstellerin ihr primäres Rechtsschutzbegehren für erledigt erklärt und beantragt festzustellen, dass sie durch den Antragsgegner in ihren Rechten verletzt ist. Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. Das Kammergericht möchte die sofortige Beschwerde zurückweisen,
4
sieht sich daran aber durch einen Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts gehindert, demzufolge § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A aF, dessen Regelungsgehalt sich im Wesentlichen mit dem von § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 deckt, auch dem Schutz aller anderen Bieter dient, die bei einem echten Wettbewerb ihre Preise aufgrund einer ordnungsgemäßen Kalkulation berechnet haben. Der nächstgünstigste Bieter habe deshalb ein Recht, diesen Vergabeverstoß in einem Nachprüfungsverfahren zu unterbinden (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. Oktober 2003 - 1 Verg 2/03, NZBau 2004, 117, 118).
5
B. Die Vorlage ist zulässig.
6
I. Die Voraussetzungen des § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB liegen nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn das vorlegende Oberlandesgericht seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts tragenden Rechtssatz unvereinbar wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014 - X ZB 15/13, BGHZ 199, 327 Rn. 10 - Stadtbahnprogramm Gera). Zu Recht hat der vorlegende Vergabesenat die Divergenz nicht dadurch
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ausgeräumt gesehen, dass die Entscheidung, von der er abweichen möchte, älteren Datums ist und sich zudem zeitlich danach unter anderen Vergabesenaten eine anderslautende Auffassung zu der Streitfrage herausgebildet hat (vgl. dazu etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. September 2008 - Verg 50/08, juris Rn. 37 zu § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A aF), der er sich anschließen möchte. Der Senat weist außerdem darauf hin, dass es für das Bestehen einer
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Divergenz nicht darauf ankommt, ob der andere Vergabesenat seine abweichende Auffassung begründet hat (vgl. insoweit OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016 - Verg 37/14, juris Rn. 47), sondern nur darauf, dass erkennbar ein abweichender Rechtssatz angewendet wurde. Die Voraussetzungen für eine Divergenzvorlage können schließlich auch vorliegen, wenn ein Vergabesenat von der Ansicht eines anderen Vergabesenats abweichen will, die dieser (lediglich) in einem Verfahren nach § 173 Abs. 1 Satz 3 oder § 176 GWB gefasst hat. Das Gesetz sieht zwar im Interesse der möglichst beschleunigten Vergabe öffentlicher Aufträge eine Divergenzvorlage in einem dieser Eilverfahren selbst nicht vor. Es ist mit Blick auf das Ziel einer bundeseinheitlichen Rechtsprechung in Vergabesachen aber zu bedenken, dass die Vergabesenate , wenn es nur noch um die Anwendung des Rechts auf einen feststehenden Sachverhalt geht, mitunter bereits im Eilverfahren - namentlich im Verfahren nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB - die rechtlichen Streitfragen erschöpfend beantworten , von denen der endgültige Ausgang des Beschwerdeverfahrens abhängt und es dann gegebenenfalls nicht mehr zu einer Entscheidung in der Hauptsache kommt. Dem Gewicht, das den in den Eilverfahren ergehenden Entscheidungen deshalb zukommt, würde es nicht gerecht, wenn sie generell bei der Prüfung auf eine bestehende Divergenz unberücksichtigt blieben.
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II. Die Divergenz ergibt sich im Streitfall daraus, dass die Antragstellerin als mit einer Preisdifferenz von über 30 % zweitbeste Bieterin auf der Grundlage der Rechtsprechung des Saarländischen Oberlandesgerichts zur Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen stellen könnte, ob der Zuschlag insoweit zu einem unangemessen niedrigen Preis ergangen ist, der vorlegende Vergabesenat demgegenüber meint, die Antragstellerin könne sich nicht auf § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 stützen, weil dieser Vorschrift im Streitfall keine bieterschützende Wirkung zukomme. Er sieht sich dabei in Einklang mit der Rechtsprechung anderer Vergabesenate, die der § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 entsprechenden Regelung in § 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOL/A 2009 bieterschützende Wirkung nur dann beimessen, wenn das ungewöhnlich günstig erscheinende Angebot Ausdruck wettbewerbswidriger Praktiken ist, denen der Auftraggeber keinen Vorschub leisten dürfe. Diese Voraussetzungen erfüllten Angebote nur, wenn der unangemessen niedrige Preis als Mittel zur zielgerichteten Verdrängung anderer Bieter nicht lediglich aus dem laufenden Vergabeverfahren, sondern vom Markt insgesamt eingesetzt werde oder zumindest die Gefahr einer entsprechenden Entwicklung bestehe, oder wenn die niedrige Preisgestaltung den Auftragnehmer voraussichtlich in so erhebliche Schwierigkeiten bringen werde, dass er den Auftrag nicht zu Ende ausführen könne, sondern die Ausführung abbrechen müsse (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - Verg 17/12, VergabeR 2013, 243, 248; Beschluss vom 9. Mai 2011 - Verg 45/11, VergabeR 2011, 884 f.; OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2010 - Verg 2/10, VergabeR 2010, 992, 1008; vgl. auch Thüringer OLG, Beschluss vom 5. Juni 2009 - 9 Verg 5/09, VergabeR 2009, 809, 812 ff.). Der vorlegende Senat sieht im Streitfall diese zusätzlich gefordertenVoraussetzungen für den Zugang zum Nachprüfungsverfahren nicht dargelegt und möchte die geltend gemachte Verletzung der Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB deshalb verneinen.
10
C. Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Verpflichtung der Vergabekammer zu neuer Entscheidung.
11
I. Der Nachprüfungsantrag ist entgegen der Ansicht der Vergabekammer zulässig.
12
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Zulässigkeit eines auf § 160 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB gestützten Nachprüfungsantrags erforderlich, dass ein Unternehmen mit Interesse am Auftrag eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB schlüssig aufzeigt (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 - X ZB 7/04, BGHZ 159, 186, 191 f.).
13
2. Soll der Zuschlag nach der Vorinformation (§ 134 Abs. 1 GWB) auf ein Angebot mit einem Preis erteilt werden, den der Antragsteller für unangemessen niedrig hält, gehört es in Anbetracht der einschlägigen Regelungen in § 60 VgV, §§ 16d, 16d EU VOB/A oder hier in § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 zur Schlüssigkeit, genügt insoweit aber auch, dass die Unangemessenheit des Preises indizierende Umstände dargelegt werden. Regelmäßig wird es sich dabei , wie auch hier, um die Höhe des beanstandeten Preises und den Abstand zum eigenen bzw. zum nächstgünstigen Angebot handeln.
14
a) In der Rechtsprechung der Vergabesenate sind insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten. Unterschiedliche Einschätzungen bestehen diesbezüglich nur darüber, ob diese Aufgreifschwelle immer erst bei einem Preisabstand von 20 % zum nächsthöheren Angebot erreicht ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2012 - Verg 61/11, ZfBR 2012, 613) oder schon in einem Bereich über 10 % einsetzen kann (vgl. Ziekow/Völlink/Vavra, Vergaberecht, 2. Aufl., § 16 VOB/A Rn. 46 unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. September 2009 - 15 Verg 3/09, VergabeR 2010, 96).
15
b) Ob eine Schwelle von 20 % als unverrückbare Untergrenze anzusehen ist oder ob besondere Umstände im Einzelfall Aufklärungsbedarf auch bei geringeren Abständen indizieren können, kann fraglich sein, bedarf im Streitfall aber keiner abschließenden Beurteilung, weil hier der Preisabstand von über 30 % zum Angebot der Antragstellerin jedenfalls hinreicht, um den Auftraggeber zu einer Angemessenheitsprüfung zu veranlassen. Im Übrigen kann sich die Frage der Unangemessenheit eines Preises nicht nur aufgrund des signifikanten Abstandes zum nächstgünstigen Gebot im selben Vergabeverfahren stellen, sondern gleichermaßen etwa bei augenfälliger Abweichung von in vergleichbaren Vergabeverfahren oder sonst erfahrungsgemäß verlangten Preisen (vgl. OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2010 - Verg 2/10, VergabeR 2010, 992, 1008; OLG Karlsruhe VergabeR 2010, 96).
16
c) Darüber hinaus obliegt dem Antragsteller darzulegen, ob er die vorgesehene Vergabe zu dem fraglichen Preis gerügt, wie sich der Auftraggeber dazu gegebenenfalls vorprozessual gestellt hat und inwieweit dies die eigenen Bedenken nicht ausräumt.
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d) Weitergehende Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung können in Fällen der vorliegenden Art für den Zugang zum Nachprüfungsverfahren nicht gestellt werden.
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Dazu, ob der ungewöhnlich niedrige Preis zur Marktverdrängung von Konkurrenten verlangt wird oder ob die Gefahr besteht, dass der Auftrag infolge dieser Preisbildung nicht ordnungsgemäß ausgeführt werden kann, wird der Antragsteller bei Einreichung des Nachprüfungsantrags regelmäßig schon deshalb nichts Konkretes vortragen können, weil dies Einblicke in die Sphäre jenes Unternehmens voraussetzt, über die er üblicherweise nicht verfügen wird und für die er schon in Anbetracht des engen Fristenrahmens für vergaberechtliche Beanstandungen (§ 160 Abs. 3 GWB) auch kaum rechtzeitig hinreichende Indizien zusammentragen kann. Deshalb überspannt es die Anforderungen an den Zugang zum vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, vom Antragsteller hierzu substanziierten Vortrag zu verlangen. Das Gleiche gilt in Bezug auf den Gesichtspunkt der Gefahr der Verdrängung seines Unternehmens vom Markt (kritisch zu den zusätzlichen Anforderungen an die Darlegung eines Vergaberechtsverstoßes in der Rechtsprechung der Vergabesenate auch Dicks in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 60 Rn. 38).
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II. Der angefochtene Beschluss kann hiernach mit der von der Vergabekammer gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Er stellt sich beim gegebenen Sach- und Streitstand auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.
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1. Nach § 60 Abs. 1, 2 VgV hat der öffentliche Auftraggeber, wenn Preis oder Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen, vom Bieter Aufklärung zu verlangen. Entsprechendes sehen § 16d Abs. 1 und § 16d EU Abs. 1 VOB/A sowie § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 vor. Auf die Einhaltung dieser Bestimmungen über das Vergabeverfahren hat jeder Bieter nach § 97 Abs. 6 GWB Anspruch.
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a) Die Regelungen über den möglichen Ausschluss von ungewöhnlich niedrigen Angeboten und die damit korrespondierende Prüfungspflicht basieren auf dem Erfahrungswissen, dass niedrige Preise für die öffentlichen Belange von einem bestimmten Niveau an nicht mehr von Nutzen sein, sondern diese umgekehrt sogar gefährden können, weil sie das gesteigerte Risiko einer nicht einwandfreien Ausführung von Bauleistungen einschließlich eines Ausfalls bei der Gewährleistung oder der nicht einwandfreien Lieferung bzw. Erbringung der nachgefragten Dienstleistung und damit einer im Ergebnis unwirtschaftlichen Beschaffung bergen. Geschützt wird dementsprechend in erster Linie das haushaltsrechtlich begründete Interesse des Auftraggebers und der Öffentlichkeit an der jeweils wirtschaftlichsten Beschaffung.
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b) Geschützt wird darüber hinaus vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 29. März 2012 - C-599/10, VergabeR 2012, 584) das Interesse des betreffenden Anbieters am Auftrag insofern, als er, dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs vergleichbar, verlangen kann, dass sein Angebot nicht ohne den Versuch der vorherigen Aufklärung der aufgekommenen Fragen und Ausräumung entstandener Bedenken aus der Wertung genommen wird.
23
c) Auf die Beachtung der Vorgaben in § 60 Abs. 3 VgV sowie § 16d Abs. 1 und § 16d EU Abs. 1 VOB/A 2016 sowie § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 können sich grundsätzlich aber auch die anderen Teilnehmer am Vergabeverfahren berufen. Soll ein nach den Vorgaben der Vergabeverordnung oder der Vergabe - und Vertragsordnung für Bauleistungen an sich wegen seines zu niedrigen Preises auszuschließendes Angebot den Zuschlag erhalten, geht es in der Sache um eine Auftragserteilung unter Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 GWB) konkretisierende Regelungen. Dies betrifft in vergleichbarer Weise unmittelbar die Position der übrigen Bewerber im Wettbewerb wie etwa die Bejahung der zunächst zweifelhaft erscheinenden Eignung (zutreffend Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, 2. Aufl., VOB/A § 16 Rn. 268; für bieterschützende Wirkung auch Dicks in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 60 Rn. 38; vgl. auch Ziekow/Völlink/Vavra, Vergaberecht, 2. Aufl., § 16 VOB/A Rn. 46).
24
d) Dies gilt grundsätzlich auch für den hier allgemein betroffenen Bereich der sozialen und besonderen Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU, zu denen Dienstleistungen der Feuerwehr und Rettungsdienste (CPV-Code 75252000-7) prinzipiell zählen. Die Bestimmungen der Vergabeverordnung beziehen sich grundsätzlich auch hierauf (vgl. § 130 Abs. 1 GWB; § 64 VgV), gegebenenfalls vorbehaltlich der Regelung in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Nach der Übergangsregelung in § 186 Abs. 2 GWB sind im Streitfall zwar noch die Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A 2009 anzuwenden; der Regelungsgehalt von § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 entspricht aber in wesentlichen Teilen § 60 VgV.
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2. Der Anspruch ist im Falle möglicherweise unangemessen niedriger Angebotspreise darauf gerichtet, dass der Auftraggeber die nach § 16d Abs. 1, § 16d EU Abs. 1 VOB/A, § 60 VgV oder § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 vorgesehene Prüfung vornimmt (ebenso: Opitz aaO § 16 VOB/A Rn. 268).
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a) Nach § 60 Abs. 2 VgV hat der öffentliche Auftraggeber, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen, die Zusammensetzung des Angebots zu überprüfen. Diese Prüfung kann insbesondere die Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens einer Lieferleistung oder der Erbringung der Dienstleistung , die gewählten technischen Lösungen oder die außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die das Unternehmen bei der Lieferung der Waren oder Erbringung der Dienstleistung verfügt, die Besonderheiten der besonderen Lieferoder Dienstleistung sowie die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 128 Abs. 1 GWB oder die Gewährung einer staatlichen Beihilfe betreffen.
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b) Bei der Vergabe von Bauleistungen im Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen prüft der Auftraggeber die Angemessenheit des Preises - abgesehen von einem möglichen Zusammenhang mit der Nichterfüllung umwelt- oder sozial- und arbeitsrechtlicher Anforderungen (§ 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016) - anhand der üblicherweise im Zusammenhang mit der Angebotseinreichung vorliegenden oder angeforderten Unterlagen über die Preisermittlung des betreffenden Bieters. Reicht dies nicht aus, um die Angemessenheit befriedigend beurteilen zu können, gibt der Auftraggeber dem Bieter weitere Gelegenheit zur Aufklärung über die Bildung seiner Preise oder Kosten für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen und prüft zur Beurteilung der Angemessenheit die betreffende Zusammensetzung unter Berücksichtigung der gelieferten Nachweise. Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen enthält hierzu zwar keine weiteren detaillierten Angaben. Es können jedenfalls aber die Angaben verlangt werden, die Art. 69 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU - für alle Arten von Leistungen - vorsieht (so auch Dicks in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, 3. Aufl., § 16 EG Rn. 257). Dazu gehören Angaben zur Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens , der Erbringung der Dienstleistung oder des Bauverfahrens, zu den gewählten technischen Lösungen oder allen gegebenenfalls außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die der Bieter bei der Lieferung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistung sowie bei der Durchführung der Bauleistungen verfügt, und sonst zur Eigenart der angebotenen Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen.
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3. Kann der öffentliche Auftraggeber die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten mit der Prüfung nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen (§ 60 Abs. 3 VgV).
29
a) Die Berechtigung des Auftraggebers, den Zuschlag auf solche Angebote abzulehnen, trägt dem Anliegen des Vergabewettbewerbs Rechnung, die wirtschaftlichste Beschaffung zu realisieren. Unangemessen niedrige Angebotspreise bergen insoweit gesteigerte Risiken (oben Rn. 21), die sich in vielfältiger Weise verwirklichen können. Dies gilt etwa für die in der Rechtsprechung der Vergabesenate angeführte Möglichkeit, dass der Auftragnehmer infolge der zu geringen Vergütung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und den Auftrag deshalb nicht vollständig ausführen kann. Der Schutz der öffentlichen Interessen setzt aber nicht erst bei derart gravierenden Gefährdungen ein. Öffentliche Interessen sind in schützenswerter Weise auch dadurch gefährdet, dass der betreffende Anbieter in Anbetracht des zu niedrigen Preises versuchen könnte, sich des Auftrags so unaufwändig wie möglich und insoweit auch nicht vertragsgerecht zu entledigen, durch möglichst viele Nachträge Kompensation zu erhalten oder die Ressourcen seines Unternehmens auf besser bezahlte Aufträge zu verlagern, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet. Dies gilt ungeachtet des Hinweises im Vorlagebeschluss, es sei einem Bieter grundsätzlich unbenommen, zu einem Preis zu bieten, der ihm lediglich einen Deckungsbeitrag zu seinen Fixkosten verspricht (Unterkostenangebote, vgl. etwa OLG München , Beschluss vom 21. Mai 2010 - Verg 2/10, VergabeR 2010, 992, 1008). Dass ein solches Angebot nicht von vornherein unzulässig ist, ändert nichts an den hiermit verbundenen Gefahren.
30
b) Ob oder inwieweit sich die vorstehend aufgezeigten oder andere Risiken für eine auftragsgerechte Ausführung bei Auftragserteilung verwirklichen , kann im Zeitpunkt der Vergabeentscheidung kaum je hinreichend sicher vorausgesagt werden. Vor diesem Hintergrund trifft § 60 Abs. 3 VgV Vorkehr dagegen, dass der Auftraggeber ein vermeintlich sehr günstiges Angebot annehmen muss, das tatsächlich aber mit erheblichen potenziellen Verlustrisiken behaftet ist, und ordnet an, dass Angebote wegen eines ungewöhnlich niedrigen Preises bereits dann ausgeschlossen werden können, wenn sich die geringe Höhe nicht zufriedenstellend aufklären lässt.
31
c) Dem Auftraggeber ist hierbei ein rechtlich gebundenes Ermessen eingeräumt. Die Verwendung des Verbs "dürfen" in § 60 Abs. 3 VgV ist nicht so zu verstehen, dass es im Belieben des Auftraggebers stünde, den Auftrag trotz weiterbestehender Ungereimtheiten doch an den betreffenden Bieter zu vergeben. Die Ablehnung des Zuschlags ist vielmehr grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann. Bei der Beurteilung der Anforderungen an eine zufriedenstellende Aufklärung berücksichtigt der Auftraggeber Art und Umfang der im konkreten Fall drohenden Gefahren für eine wettbewerbskonforme Auftragserledigung.
32
d) Diese in § 60 Abs. 3 VgV ausdrücklich vorgesehene Regelung geht auf Art. 69 Abs. 3 Satz 2 RL 2014/24/EU zurück und gilt gleichermaßen für die Vergabe von Bauleistungen.
33
4. Ob die Vergabestelle die Preisbildung des günstigsten Angebots entsprechend aufgeklärt hat, kann nicht nachvollzogen werden.
34
III. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss der Vergabekammer keinen Bestand haben und ist nach § 178 Satz 1 GWB aufzuheben. Der Senat macht entsprechend § 178 Satz 2 GWB von der Möglichkeit Gebrauch , die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung über den Feststellungsantrag zu entscheiden. Im Regelfall, auf den die gesetzliche Regelung zugeschnitten ist, ent35 scheidet, wenn sich das primäre Rechtsschutzbegehren während des Beschwerdeverfahrens in der Hauptsache erledigt, zwar das Beschwerdegericht über einen solchen Antrag (§ 178 Satz 3 GWB). Der Streitfall weist jedoch Besonderheiten auf, die eine erstinstanzliche Entscheidung über das Feststellungsbegehren angezeigt erscheinen lassen. Die Vergabekammer hat sich ungeachtet der von ihr ausgesprochenen
36
Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags bereits mit dem Ergebnis der nachträglichen Prüfung der Angemessenheit des von der Ausschreibungsgewinnerin verlangten Preises durch die Vergabestelle befasst und dieses Ergebnis - allerdings unter Verletzung der Mitwirkungsrechte der Antragstellerin - für vergaberechtskonform zustande gekommen erachtet. Dieser Streitstoff wäre bereits für das Primärrechtsschutzbegehren der Antragstellerin entscheidungserheblich gewesen. Im Interesse der Verfahrensökonomie und um insoweit eine Prüfung in zwei Instanzen zu gewährleisten, ist deshalb der Vergabekammer die erneute Prüfung zu übertragen.
37
IV. Bei der erneuten Entscheidung wird die Vergabekammer zu beachten haben, dass bei der Nachprüfung der Angemessenheit eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises Geheimhaltungsinteressen des betreffenden Bieters berührt sein können.
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1. Die Bieter werden die Kalkulation ihrer Angebote und die mit der Preisermittlung zusammenhängenden Daten und Inhalte vielfach als ihre Geschäftsgeheimnisse betrachten.
39
a) Zu den Geschäftsgeheimnissen gehören alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind, an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat, in Bezug auf die sein Geheimhaltungswille bekundet worden oder erkennbar ist und von denen sich ein größerer Personenkreis nur unter Schwierigkeiten Kenntnis verschaffen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03, BVerfGE 115, 205 Rn. 87; BGH, Beschluss vom 16. November 2009 - X ZB 37/08, BGHZ 183, 153 Rn. 17 - Lichtbogenschnürung; Urteil vom 7. November 2002 - I ZR 64/00, GRUR 353, 356 m.w.N. - Präzisionsmessgeräte ; vgl. auch Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen [Geschäftsgeheimnisse] vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. Nr. L 157 vom 15. Juni 2015 S. 1).
40
b) Auch Betriebsgeheimnisse, zu denen die Fabrikationsgeheimnisse zählen (vgl. BR-Drucks. 441/04 S. 114 zu Nr. 43 und S. 124 zu Nr. 62), können von der Angemessenheitsprüfung berührt sein, etwa wenn es darum geht, ob besonders wirtschaftliche Fertigungsverfahren den niedrigen Preis erklären könnten (oben Rn. 27).
41
c) Die vorstehend genannten tatbestandlichen Voraussetzungen müssen für alle Informationen, für die Geheimnisschutz beansprucht wird, erfüllt sein (vgl. auch Art. 2 Nr. 1 RL (EU) 2016/943).
42
d) Wird ein Nachprüfungsantrag mit dem Ziel der Überprüfung eines dem Antragsteller ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebotspreises gestellt , gehören die mit diesem Angebot eingereichten oder vom Auftraggeber gegebenenfalls zur Aufklärung des niedrigen Preises nachgeforderten Unterlagen zu den Vergabeakten. Darin können Informationen enthalten sein, die der betreffende Bieter als seine Geschäftsgeheimnisse ansieht.
43
2. Beantragt der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren Akteneinsicht auch in solche Unterlagen, ist zunächst in einem Zwischenverfahren über deren Offenlegung oder Geheimhaltung zu entscheiden (§ 165 Abs. 2 GWB).
44
a) Dieses Zwischenverfahren hat die Vergabekammer unter sinngemäßer Heranziehung der Bestimmungen über die Akteneinsicht im Kartellbeschwerdeverfahren (§ 72 GWB) durchzuführen, auch wenn § 175 Abs. 2 GWB die entsprechende Anwendung von § 72 GWB nur auf das Beschwerdeverfahren bezieht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Dezember 2007 - VII Verg 40/07, VergabeR 2008, 281; OLG Naumburg, Beschluss vom 1. Juni 2011 - 2 Verg 3/11, VergabeR 2012, 250). An dem Verfahren sind bei die Preisermittlung eines Angebots betreffenden Geschäftsgeheimnissen grundsätzlich nur der jeweilige Bieter und das die Einsicht begehrende Unternehmen, regelmäßig also der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren oder gegebenenfalls ein beigeladenes Unternehmen, beteiligt; der Auftraggeber kann nur dann ein Beteiligter sein, wenn eigene Geheimschutzbereiche berührt sind.
45
b) Aus in der Natur der Sache liegenden Gründen handelt es sich bei dem Zwischenverfahren um die Gewährung von Akteneinsicht in Geschäftsoder Betriebsgeheimnisse um ein sogenanntes In-camera-Verfahren. Für den Streit um die Geheimhaltung von Aktenbestandteilen dürfen die Informationen, um deren Geheimhaltung es geht, dem außenstehenden Beteiligten nicht zugänglich gemacht werden.
46
3. Für die Prüfung, ob die Einsicht in bestimmte Unterlagen nach § 165 Abs. 2 GWB zu versagen ist, gilt Folgendes:
47
a) Akteneinsicht in unternehmensbezogene Geheimnisse kommt nur dann und insoweit in Betracht, als deren Kenntnis entscheidungserheblich ist und andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht bestehen (vgl. § 72 Abs. 2 Satz 4 GWB).
48
b) Auch wenn bestimmte Informationen und Daten ihrer Qualität nach als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse anzuerkennen sind, folgt daraus nicht, dass sie unter allen Umständen von der Akteneinsicht eines anderen Beteiligten ausgeschlossen wären. Dies ergibt sich bereits aus der entsprechenden Anwendung von § 72 Abs. 2 S. 4 GWB. Übertragen auf die Vergabenachprüfung folgt daraus, dass sich der Geheimhaltungsvorrang vielmehr als Ergebnis einer Abwägung mit den entgegenstehenden Offenlegungsinteressen ergeben muss.
49
c) Bei dieser Abwägung sind zugunsten des Inhabers unternehmensbezogener Geheimnisse die mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Nachteile zu berücksichtigen, die er im zukünftigen Wettbewerb durch die Offenlegung der fraglichen Informationen erleiden könnte. Er hat deshalb im Streit um die Akteneinsicht plausibel - wenn auch ohne inhaltliche Preisgabe seiner Geheimnisse - aufzuzeigen, inwieweit die Kenntnis des Gegners von den fraglichen Informationen seine Stellung im zukünftigen Wettbewerb außerhalb des konkreten Nachprüfungsverfahrens beeinträchtigen könnte (vgl. BGHZ 183, 153 Rn. 37, 38 - Lichtbogenschnürung). Zugunsten des Akteneinsicht begehrenden Beteiligten ist zu berücksich50 tigen, dass es ihm regelmäßig erst die Kenntnis dieser Informationen ermöglicht , durch detailliertes und von der eigenen Sachkunde getragenes Vorbringen etwa zu der Preisbildung beim ungewöhnlich günstigen Angebot zum richtigen Ausgang des Nachprüfungsverfahrens und damit mittelbar auch zu einer vergaberechtskonformen Zuschlagserteilung beizutragen.
51
4. Gelangt die Vergabekammer zu dem Ergebnis, dass bestimmte Informationen, für die Schutz als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis beansprucht wird, offenzulegen sind, fasst sie im Zwischenverfahren einen Beschluss darüber.
52
a) In der Rechtsprechung der Vergabesenate ist zu Recht anerkannt, dass diese Entscheidung rechtsmittelfähig ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Dezember 2007 - VII Verg 40/07, VergabeR 2008, 281; ebenso z. B. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Dezember 2014 - 11 Verg 8/14, NZBau 2015, 514 und OLG München, Beschluss vom 28. April 2016 - Verg 3/16, VergabeR 2016, 679). Daraus folgt, dass aus dem Beschluss der Vergabekammer die geschützten Informationen selbst nicht in einer Weise hervorgehen dürfen, bei der der Geheimnischarakter verloren geht. Außerdem darf Akteneinsicht nicht vor Eintritt der Bestandskraft dieses Beschlusses gewährt werden.
53
b) Soweit die Vergabekammer Akteneinsicht wegen vorrangigen Geheimnisschutzes verweigert, gilt § 165 Abs. 4 GWB; diese Entscheidung kann nur im Zusammenhang mit der sofortigen Beschwerde in der Hauptsache angegriffen werden.
54
c) Regelmäßig wird die Offenlegung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen nur entweder angeordnet oder verneint werden können. Eine vermittelnde Lösung, wie sie etwa im Zusammenhang mit nach § 140c Abs. 1, 3 PatG angeordneten Besichtigungen zum Schutz vertraulicher Informationen dahin getroffen werden kann, dass nur die Verfahrensbevollmächtigten des Schutzrechtsinhabers der Besichtigung beiwohnen dürfen oder nur sie unter Verschwiegenheitspflicht gegenüber ihrem Mandanten Einsicht in ein darüber erstelltes Sachverständigengutachten erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2009 - X ZB 37/08, BGHZ 183, 153 Rn. 17 - Lichtbogenschnürung ; vgl. auch Art. 9 RL (EU) 2016/943), wäre nicht zielführend. Während es bei Anordnungen nach § 140c PatG darum geht, dass etwa eine Besichtigung nicht für anderweitige Einblicke in schützenswerte Bereiche des mutmaßlichen Verletzers außerhalb der vermuteten Schutzrechtsverletzung instrumentalisiert wird, sind in Fällen der vorliegenden Art die geschützten Daten und Informationen selbst Untersuchungsgegenstand, zu dem prinzipiell Vortrag gehalten werden muss, was naturgemäß nicht an der Partei vorbei geschehen kann.
55
d) Unbeschadet des vorstehend Ausgeführten prüft die Vergabekammer allerdings regelmäßig, auch wenn das Geheimhaltungsinteresse überwiegt , ob und inwieweit die übrigen Verfahrensbeteiligten über die von der Akteneinsicht auszunehmenden Inhalte ohne Preisgabe des Geheimnisses zumindest in allgemeiner oder anonymisierter Form unterrichtet werden können (vgl. insoweit auch OLG Naumburg, VergabeR 2012, 250 ff.).
56
5. Die Vergabekammer darf bei der Sachentscheidung Umstände berücksichtigen, deren Offenlegung sie mit Rücksicht auf ein Geheimhaltungsinteresse abgelehnt hat, das nach Abwägung aller Umstände das Interesse der Beteiligten auf rechtliches Gehör auch unter Beachtung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz überwiegt.
57
a) Im Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist nicht ausdrücklich geregelt, auf welcher Tatsachengrundlage die Entscheidung der Vergabekammer oder des Vergabesenats ergeht, wenn dem Geheimnisschutz Vorrang eingeräumt wird, ob mithin die fraglichen Daten bei der Entscheidung unberücksichtigt bleiben müssen oder verwertet werden dürfen. Nach § 175 Abs. 2 GWB ist allerdings die entsprechende Anwendung der die Akteneinsicht und den Inhalt der Beschwerdeentscheidung betreffenden Regelungen in § 71 Abs. 1 und 6 und § 72 GWB vorgesehen.
58
b) Der Konflikt um die Akteneinsicht betrifft bei allen Beteiligten widerstreitende Schutzgüter von Verfassungsrang. Die Offenlegung von Geschäftsoder Betriebsgeheimnissen berührt die Berufsausübung und das Eigentumsrecht (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) des Betroffenen; demgegenüber betrifft das Interesse des Kontrahenten an der Kenntnis der fraglichen Daten und Informationen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), der grundsätzlich gebietet, dass die Beteiligten sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen äußern konnten (vgl. § 108 Abs. 2 VwGO). Wären die Nachprüfungsinstanzen in solchen Fällen gehalten, die Tatsachen, zu denen der Antragsteller sich wegen des als vorrangig erachteten Geheimnisschutzes nicht äußern konnte, bei ihrer Entscheidung unberücksichtigt zu lassen, liefe dies bei kollidierenden grundrechtlich geschützten Positionen (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 GG) auf eine Beweislastentscheidung ohne angemessenen Ausgleich zwischen den berührten Rechten hinaus (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03, BVerfGE 115, 205 ff. mit abweichender Meinung des Richters Gaier aaO Rn. 144 ff.).
59
c) Bei dieser Sachlage ist zum verfassungskonformen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Rechtsgütern § 71 Abs. 1 Satz 3 GWB sinngemäß anzuwenden.
60
aa) Danach darf das Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren von dem Grundsatz, dass die Beschwerdeentscheidung nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten, abgewichen werden, soweit Beigeladenen aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, Akteneinsicht nicht gewährt und der Akteninhalt aus diesen Gründen auch nicht vorgetragen worden ist. Diese Regelung beruht auf dem gesetzlichen Grundgedanken , dass es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit im Interesse eines Beteiligten sachgerecht sein kann, den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Konflikt mit anderen Rechtsgütern von Verfassungsrang in der Weise modifiziert zurücktreten zu lassen, dass ihm bestimmte schutzwürdige Informationen vorenthalten werden können, das Gericht sie aber gleichwohl verwerten darf, was sich zu seinen Gunsten auswirken kann. Würden etwa dem Antragsteller im Nachprüfungsverfahren die Einsicht in unternehmensbezogene Geheimnisse eines Mitbewerbers vorenthalten und der Grundsatz des rechtlichen Gehörs i. S. der Regelungen in § 71 Abs. 1 Satz 2 GWB oder § 108 Abs. 2 VwGO in der Weise angewendet, dass die Vergabekammer oder der Vergabesenat die geheimen Tatsachen, die dem Antragsteller vorenthalten wurden, bei der Entscheidung nicht berücksichtigen darf, erginge insoweit in jedem Fall eine Beweislastentscheidung zum Nachteil des Antragstellers. Dürfen die Vergabekammer und der Vergabesenat die fraglichen Geheimnisse dagegen berücksichtigen, kann eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers ergehen, wenn dies der Sachlage entspricht. Geht es etwa um die Frage, ob sich ein besonders günstiger Angebotspreis eines Mitbewerbers im Nachprüfungsverfahren plausibel durch effiziente Herstellungsmöglichkeiten erklären lässt, für die der betreffende Bieter zu Recht Schutz als Betriebsgeheimnis beansprucht, und verneint die Vergabekammer die Vorzugswürdigkeit ohne Gewährung von Akteneinsicht, ist den Belangen des Antragstellers Genüge getan, auch wenn er sich nicht äußern konnte. Unvermeidbare "Nachteile" entstehen für ihn bei dieser Handhabung nur in den Fällen, in denen die Nachprüfungsinstanzen zu einer für ihn negativen Entscheidung gelangen, auf die er wegen der vorenthaltenen Akteneinsicht keinen Einfluss nehmen konnte.
61
bb) Allerdings sieht § 71 Abs. 1 Satz 4 GWB eine Entscheidung unter Einschränkung des rechtlichen Gehörs von solchen Beigeladenen nicht vor, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Vergleichbar kann es sich im Nachprüfungsverfahren verhalten, etwa dann, wenn der Antragsteller den Ausschluss des Angebots eines Mitbewerbers begehrt oder umgekehrt und dafür wechselseitig unternehmensbezogene Geheimnisse eine Rolle spielen. Der Senat hält indes dafür, dass die nach § 175 Abs. 2 GWB vorgesehene entsprechende Anwendung von § 71 Abs. 1 und § 72 GWB zu einer insoweit einheitlichen Behandlung der Beteiligten entsprechend § 71 Abs. 1 Satz 3 GWB berechtigt.
62
(1) Diese unterscheidende Beurteilung findet ihre Rechtfertigung darin, dass Bestand oder Aufhebung einer Verfügung der Kartellbehörde aus in der Natur der Sache liegenden Gründen strukturelle oder sonst dauerhafte Auswirkungen auf das Marktgeschehen haben und sich auch auf das Unternehmen notwendig Beigeladener nachhaltig auswirken kann, wohingegen es in der Vergabenachprüfung stets um die Entscheidung eines einzelnen Vergabeverfahrens geht. Je nach Auftragsvolumen kann zwar auch der Ausgang eines einzelnen solchen Verfahrens für ein Unternehmen von nicht unerheblichem Gewicht sein; bei der insoweit gebotenen generalisierenden Betrachtung kann auf solche besonderen Konstellationen jedoch nicht ausschlaggebend abgestellt werden.
63
(2) Hinzu kommt, dass es bei der Geheimhaltung unternehmensbezogener Geheimnisse vielfach um die Angebotspreise betreffende Daten gehen wird und der Gegenstand des Geheimhaltungsinteresses somit typischerweise ein Ähnlicher ist wie bei der Entgeltregulierung im Telekommunikationssektor. Für diesen Bereich ermöglichen § 138 Abs. 2 und 3 TKG in der durch das Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen vom 3. Mai 2012 (BGBl. I S. 958) erhaltenen Fassung die Verwertung von Geschäftsgeheimnissen auch dann, wenn sich einzelne Beteiligte dazu nicht äußern konnten (vgl. dazu etwa Gurlit in: Säcker, Komm. zum TKG, 3. Aufl., § 138 Rn. 16 ff.). Das Gericht der Hauptsache entscheidet auf Antrag eines Beteiligten, der ein Geheimhaltungsinteresse an vorgelegten Unterlagen geltend macht, in einem Incamera -Zwischenverfahren durch Beschluss darüber, inwieweit die §§ 100 und 108 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 VwGO auf die Entscheidung in der Hauptsache anzuwenden sind, und darf die Informationen bei seiner Entscheidung auch dann verwerten, wenn es dafür ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse anerkennt. Es trägt dem Geheimnisschutz in den schriftlichen Urteilsgründen dadurch Rechnung, dass die für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) nicht angegeben werden und das Urteil entgegen § 108 Abs. 2 VwGO insoweit auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen die Beteiligten sich nicht äußern konnten. Die Mitglieder des Gerichts sind darüber hinaus auch persönlich zur Geheimhaltung verpflichtet.
64
(3) Dass für diesen Bereich mit vergleichbarer Interessenlage der Beteiligten ein besonderes Verfahren geschaffen wurde, um einen befriedigenden Ausgleich zwischen den berührten Interessen und Grundrechtspositionen auch unter Hauptbeteiligten des gerichtlichen Verfahrens zu ermöglichen, stützt die vom Senat befürwortete entsprechende Anwendung von § 71 Abs. 1 Satz 3 GWB auch gegenüber einem notwendig Beigeladenen oder dem Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens.
65
6. Im neu eröffneten Nachprüfungsverfahren wird zunächst in dem geschilderten Zwischenverfahren nach den vorstehend dargelegten Grundsät- zen zu klären sein, ob gegebenenfalls von dem für die noch streitigen Beanstandungen der Antragstellerin relevanten Inhalt der Vergabeakten im Geheimhaltungsinteresse der Ausschreibungsgewinnerin bestimmte konkrete Inhalte von der Akteneinsicht auszunehmen sind. Die Vergabestelle hat zwar infolge der Beanstandungen der Antragstelle66 rin den Preis der günstigsten Bieterin nachträglich auf seine Angemessenheit hin untersucht und der Vergabekammer dazu bestimmte Informationen übermittelt. Die Vergabekammer hat diese Mitteilungen auch bei ihrer Entscheidung verwertet und dahin gewürdigt, die von der Vergabestelle vorgelegten Erläuterungen der Ausschreibungsgewinnerin und der Prüfvermerk gäben die Kalkulation des Angebots schlüssig wieder, seien sachlich nachvollziehbar und enthielten keine Anhaltspunkte für Beurteilungsfehler bei der nachträglichen Prüfung. Die Vergabekammer hat der Antragstellerin jedoch schon wegen der von ihr angenommenen Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags keine Akteneinsicht gewährt. Sollte die Vergabekammer die Akteneinsicht beschränken, muss sie
67
zwar keinen gesonderten Beschluss darüber fassen (arg. aus § 165 Abs. 4 GWB). Ihr instanzbeendender Beschluss muss dann aber erkennen lassen, dass sie in der gebotenen Weise vorgegangen ist und vom Betroffenen (hier: der Ausschreibungsgewinnerin) geltend gemachte Geheimhaltungsinteressen gegen das Offenlegungsinteresse des Antragstellers abgewogen hat.
68
Es muss ferner erkennbar sein, nach welchen Parametern und Kriterien die Vergabestelle kontrolliert hat, ob das beste Angebot nach § 16 Abs. 6 VOL/A 2009 ausgeschlossen werden muss, und weshalb dies der Überprüfung durch die Vergabekammer standgehalten hat. Es liegt zwar auf der Hand, dass die schriftliche Begründung dafür, warum Akteneinsicht wegen überwiegender Geheimhaltungsinteressen verweigert wird, nicht selbst Quelle entsprechend konkreter Informationen sein darf (oben Rn. 45, 52). Regelmäßig wird aber eine abstrakte Erläuterung der vorgenommenen Prüfung und der dabei angesetzten Parameter ohne Aufdeckung des Geschäftsgeheimnisses möglich sein. Meier-Beck Gröning Bacher Richterin am Bundesgerichtshof Schuster kann infolge Urlaubsabwesenheit nicht unterschreiben. Meier-Beck Kober-Dehm
Vorinstanz:
Kammergericht Berlin, Entscheidung vom 27.05.2016 - Verg 12/15 -

Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten entsprechend

1.
die Vorschriften der §§ 169 bis 201 des Gerichtsverfassungsgesetzes über Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung sowie über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren;
2.
die Vorschriften der Zivilprozessordnung über Ausschließung und Ablehnung eines Richters, über Prozessbevollmächtigte und Beistände, über die Zustellung von Amts wegen, über Ladungen, Termine und Fristen, über die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien, über die Verbindung mehrerer Prozesse, über die Erledigung des Zeugen- und Sachverständigenbeweises sowie über die sonstigen Arten des Beweisverfahrens, über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist sowie über den elektronischen Rechtsverkehr.

(1) Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

(2) Die Gebühr beträgt mindestens 2 500 Euro; dieser Betrag kann aus Gründen der Billigkeit bis auf ein Zehntel ermäßigt werden. Die Gebühr soll den Betrag von 50 000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100 000 Euro erhöht werden.

(3) Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die Kosten zu tragen. Mehrere Kostenschuldner haften als Gesamtschuldner. Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden. Hat sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, ist die Hälfte der Gebühr zu entrichten. Die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, erfolgt nach billigem Ermessen. Aus Gründen der Billigkeit kann von der Erhebung von Gebühren ganz oder teilweise abgesehen werden.

(4) Soweit ein Beteiligter im Nachprüfungsverfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Die Aufwendungen der Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Hat sich der Antrag durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, erfolgt die Entscheidung, wer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen anderer Beteiligter zu tragen hat, nach billigem Ermessen; in Bezug auf die Erstattung der Aufwendungen der Beigeladenen gilt im Übrigen Satz 2 entsprechend. § 80 Absatz 1, 2 und 3 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend. Ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht statt.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 13.06.2017 - 1 VK 2/17 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin machte ihre Absicht, Planungsleistungen für das Vorhaben „Sanierung Sport- und Trainingsanlage an der K.“ im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach den §§ 73 ff. VgV zu vergeben, europaweit bekannt. Antragstellerin und Beigeladener wurden zu Vertragsverhandlungen eingeladen. Nach Abschluss der Verhandlungen teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dem Beigeladenen den Zuschlag erteilen zu wollen.

2

Die Antragstellerin hat daraufhin ein Nachprüfungsverfahren mit den Sachanträgen eingeleitet,

3
1. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot des Beigeladenen zu erteilen,
4
2. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist,
5
3. die geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Rechtsverletzungen zu treffen.

6

Sie hat zahlreiche Rügen erhoben, die Fehler und mangelnde Transparenz bei der Wertung der Angebote betrafen.

7

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

8

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

9

Der Beigeladene hat im Nachprüfungsverfahren mit Anwaltsschriftsätzen vom 28.04.2017 (17 Seiten), 02.05.2017 (9 Seiten), 12.05.2017 (8 Seiten) und 23.05.2017 (6 Seiten) insbesondere geltend gemacht, die Antragstellerin sei mit ihren Rügen präkludiert und im Übrigen mit ihrem Angebot auszuschließen, sie sei auch nicht in ihren Rechten verletzt. An der mündlichen Verhandlung hat er teilgenommen. Einen Sachantrag hat er weder schriftsätzlich angekündigt noch gestellt.

10

Mit Beschluss vom 13.06.2017 - 1 VK 2/17 - hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag hinsichtlich einzelner Rügen als unzulässig und im Übrigen als zulässig und teilweise begründet angesehen. Im Ergebnis hat die Vergabekammer ohne Teilzurückweisung angeordnet, für den Fall fortbestehender Beschaffungsabsicht sei das Vergabeverfahren teilweise zu wiederholen. Sie hat folgende Kostenentscheidung getroffen:

11
2. Bei der Antragsgegnerin werden keine Kosten erhoben, bei der Beigeladenen nur in Höhe ihres gesamtschuldnerischen Anteils; eine Ausgleichung findet nicht statt. Antragsgegnerin und Beigeladene tragen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin je zur Hälfte. Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin war notwendig.
12
3. Bei der Beigeladenen wird für die Amtshandlungen der Vergabekammer eine Gebühr in Höhe von 1.287,50 € erhoben.

13

Zur Begründung der Kostenentscheidung hat die Vergabekammer ausgeführt, die Antragstellerin habe im Ergebnis in vollem Umfang obsiegt, auch wenn sie mit einzelnen Rügen nicht durchgedrungen sei. Die Kostentragung des Beigeladenen entspreche der Billigkeit, weil er sich - auch wenn er keinen Antrag gestellt habe - aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt und in einen Interessengegensatz zur Antragstellerin gesetzt habe.

14

Mit sofortiger Beschwerde vom 27.07.2017 wendet sich der Beigeladene gegen die Kostenentscheidung. Er macht geltend, die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen seien vollständig, jedenfalls aber weit überwiegend, zumindest aber zur Hälfte der Antragstellerin aufzuerlegen, weil die überwiegende Zahl der Rügen als unzulässig bzw. unbegründet behandelt worden sei. Die Antragstellerin habe mit der Vielzahl ihrer Angriffe im Ergebnis allein darauf abgezielt, den Zuschlag zugunsten des Beigeladenen zu verhindern, weshalb der Beigeladene schlichtweg gezwungen gewesen sei, sich zu beteiligen (GA 88). Möglicherweise würde sich der Beigeladene bei nur ein oder zwei Rügen nicht beteiligt haben. Der Nachprüfungsantrag zu 1 habe auf einen Ausschluss des Beigeladenen abgezielt, was die Antragstellerin nicht erreicht habe.

15

Darüber hinaus komme eine Kostentragung eines Beigeladenen nur in Betracht, wenn er einen eigenen Antrag gestellt habe. Dies entspreche § 154 Abs. 3 VwGO.

16

Unabhängig davon seien die Auslagen des Beigeladenen ausnahmsweise von der Antragsgegnerin zu tragen, weil dem Nachprüfungsantrag allein aus Gründen stattgegeben worden sei, die in ihrer Sphäre begründet seien.

17

Der Beigeladene beantragt,

18
1. den Beschluss der Vergabekammer vom 13.06.2017 - 1 VK 2/17 - hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 aufzuheben,
19
2. der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen,
20
3. festzustellen, dass für den Beigeladenen die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war,
21
4. hilfsweise die Kosten des Beigeladenen der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

22

Die Antragstellerin beantragt,

23

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

II.

24

1. Die sofortige Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss der Vergabekammer ist zulässig. Insbesondere kann sich ein Beteiligter auf die Anfechtung der Kostenentscheidung der Vergabekammer beschränken (Ulbrich in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 171 Rn. 23; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-VergR, 5. Aufl. 2016, § 171 GWB, Rn. 15; zu § 128 GWB a.F. auch BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - X ZB 5/10 -, Rn. 9, juris).

25

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

26

a) Die Entscheidung, der Beigeladene habe anteilige Gebühren der Vergabekammer von 1.287,50 € zu tragen, hat ihre Grundlage in § 182 Abs. 3 S. 1, S. 2, S. 5 GWB. Sie begegnet keinen Bedenken.

27

Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass die Vergabekammer nicht von einem Teilunterliegen der Antragstellerin ausgegangen ist. Der Nachprüfungsantrag ist bei verständiger Würdigung darauf gerichtet, den Zuschlag zumindest einstweilen zu verhindern und eine ordnungsgemäße Wertung sicherzustellen. Zwar wird damit die Hoffnung verbunden sein, bei rechtmäßiger Durchführung des Verfahrens selbst den Zuschlag zu erhalten. Darauf zielen Anträge und Begründung indes - weil ein dahingehender Anspruch nicht zu erkennen ist - nicht unmittelbar ab. Ihr allein verfahrensgegenständliches Ziel, den status quo zu sichern und die Wertung - diesmal ordnungsgemäß - zu wiederholen, hat die Antragstellerin erreicht. Unbeachtlich ist, dass sie zur Begründung noch weitere Rügen erhoben hat, die auf dasselbe Ergebnis zielten, mit denen sie aber nicht durchgedrungen ist. Maßgeblich ist allein, dass sie ihr Rechtschutzziel erreicht hat.

28

Keinen Bedenken begegnet auch, dass die Vergabekammer davon ausgegangen ist, der Beigeladene sei - gemeinsam mit der Antragsgegnerin - unterlegen. Seine Ausführungen haben auch ohne Antragstellung darauf abgezielt, den Antrag der Antragsgegnerin zu unterstützen und den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Denn er hat ausführlich begründet, weshalb die Rügen der Antragstellerin präkludiert seien, ihr Angebot auszuschließen und sie nicht in ihren Rechten verletzt sei. Mit diesem erkennbaren Rechtschutzziel ist der Beigeladene im Ergebnis nicht durchgedrungen.

29

Die Beteiligung des Beigeladenen an der Kostentragung entspricht unter Berücksichtigung des Obsiegens und Unterliegens billigem Ermessen, weil er sich mit umfangreichen Ausführungen in zahlreichen Schriftsätzen an dem Nachprüfungsverfahren aktiv beteiligt und in einen Interessengegensatz zur Antragstellerin gesetzt hat. Er hat deutlich gemacht, dass er die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags - und in der Folge die Erteilung des Zuschlags an ihn - erreichen möchte. Bei einer solchen aktiven Verfolgung eigener Interessen im Verfahren entspricht es der Billigkeit, dem Beigeladenen im Fall seines Obsiegens einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der eigenen notwendigen Aufwendungen zuzusprechen, ihm andererseits aber auch bei Unterliegen die Kosten aufzuerlegen.

30

Soweit der Beigeladene meint, eine aktive Beteiligung sei nur im Fall der eigenen Antragstellung gegeben (so Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss vom 02. August 2005 - 1 VK 43/05 -, Rn. 80, juris; unergiebig BKartA Bonn, Beschluss vom 13. Juli 2007 - VK 2 - 66/07 -, Rn. 92, juris), folgt der Senat dem nicht. Nach herrschender Meinung genügt auch ohne förmliche Antragstellung, dass sich der Beigeladene schriftsätzlich zu den streitigen Rechtsfragen äußert und die Zulässigkeit und/oder Begründetheit des Nachprüfungsantrags des Antragstellers verneint (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Mai 2012 - VII-Verg 5/12 -, Rn. 8, juris; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-VergR, 5. Aufl. 2016, § 182 GWB, Rn. 30; Thiele in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 182 Rn. 38; Damaske in Müller-Wrede, GWB, § 182 Rn. 66, 100; zu § 128 GWB a.F. Neun in Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch des Vergaberechts, § 45 Rn. 34; Kuß in Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, § 128 GWB Rn. 29; Losch in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 128 GWB Rn. 29; wohl auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 09. Februar 2010 - Verg W 10/09, BeckRS 2010, 3986, beck-online). Hiervon abzuweichen sieht der Senat keinen Anlass. Mit seinen schriftsätzlichen Äußerungen hat der Beigeladene versucht, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Auch ohne Antragstellung ist zu erkennen, welches Rechtschutzziel er verfolgte. Die anwaltliche Aktivität wird in der Regel auch mit Aufwendungen verbunden sein. Diese im Erfolgsfall erstattet verlangen zu können erscheint billig, andererseits geht der Beigeladene mit der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Nachprüfungsantrag auch ein Kostenrisiko ein. Steht er dem Ausgang des Verfahrens neutral gegenüber oder scheut er das Kostenrisiko, bleibt ihm unbenommen, sich an dem Verfahren nur beobachtend zu beteiligen. § 154 Abs. 3 VwGO steht bereits deshalb nicht entgegen, weil die Vorschrift - anders als § 182 GWB - die Antragstellung als zwingende Voraussetzung der Kostenpflicht ausdrücklich normiert.

31

Letztlich geht offenbar auch der Beigeladene selbst davon aus, er habe sich aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Denn er macht geltend, er habe sich herausgefordert gefühlt, und beantragt die Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen. Das setzt aber gerade eine aktive Beteiligung voraus.

32

Der Billigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin neben den erfolgreichen auch unzulässige und unbegründete Rügen erhoben hat und der Beigeladene nun geltend macht, möglicherweise würde er bei Beschränkung auf die begründeten Rügen von Beginn an von einer schriftsätzlichen Stellungnahme abgesehen haben. Die Beurteilung, ob eine aktive Beteiligung erforderlich oder sinnvoll ist, obliegt allein dem Beigeladenen.

33

b) Die Entscheidung zur anteiligen Tragung der notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Nach den vorstehenden Ausführungen begegnet auch diese Ermessensentscheidung der Vergabekammer keinen Bedenken.

34

c) Schließlich bleibt auch der Hilfsantrag des Beigeladenen ohne Erfolg. Grundsätzlich können dem Antragsgegner Aufwendungen eines Beigeladenen nach § 182 Abs. 4 S. 1, S. 2 GWB nur dann auferlegt werden, wenn zwischen beiden ein Verfahrensrechtsverhältnis besteht, der Beigeladene sich also in einen Interessengegensatz zum Antragsgegner gesetzt und obsiegt hat. Das ist hier nicht der Fall.

35

Offen kann bleiben, ob im Einzelfall unabhängig davon in Betracht kommen kann, dem Antragsgegner Aufwendungen des Beigeladenen aufzuerlegen (so anscheinend - ohne Begründung - BKartA Bonn, Beschluss vom 07. Juli 2015 - VK 2 - 49/15 -, Rn. 72, juris). Denn Anlass für eine solche Kostenentscheidung kann nicht bereits sein, dass die zum Erfolg des Nachprüfungsantrags führenden Umstände der Sphäre des Antragsgegners entstammen. Das ist typischerweise der Fall, weil Bieter nur begrenzt Einfluss auf das Vergabeverfahren haben, und würde bei abweichender Beurteilung dazu führen, dass sich Beigeladene regelmäßig ohne Kostenrisiko an Nachprüfungsverfahren beteiligen könnten. Vielmehr wären zumindest besondere Umstände erforderlich, die eine Kostentragung außerhalb eines Verfahrensrechtsverhältnisses als billig erscheinen ließen. Derartige Umstände sind nicht zu erkennen, zumal der Beigeladene die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin verteidigt und sich so an deren Seite gestellt hat.

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3. Der Senat sieht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab, weil die Beschwerde nur eine Nebenentscheidung betrifft (dazu Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, aaO, § 175 Rn. 12).

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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78, 175 Abs. 2 GWB. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens ist nicht nach § 50 Abs. 2 GKG mit 5 % der Bruttoauftragssumme, sondern entsprechend § 3 ZPO nach dem Interesse des Beigeladenen an der Abänderung der Kostenentscheidung der Vergabekammer zu bemessen (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, aaO, § 182 Rn. 54). Das Interesse des Beigeladenen an der erstrebten Abänderung schätzt der Senat bei Gebühren der Vergabekammer von 1.287,50 €, hälftigen Kosten der Bevollmächtigten der Antragstellerin und vollen Kosten der Bevollmächtigten des Beigeladenen auf Grundlage eines vom Auftraggeber in der Ausschreibung geschätzten Nettowerts von 310.000 € auf 5.000 €.