Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 06. März 2012 - A 11 S 3177/11

bei uns veröffentlicht am06.03.2012

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2008 - A 11 K 521/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am … 1969 in Kabul geborener lediger und kinderloser afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens vom Volk der Tadschiken, reiste am 20.05.2002 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 23.05.2002 stellte er einen Asylantrag mit der Begründung, seine gesamte Familie sei Opfer des Krieges geworden. Seine Eltern, zwei Schwestern und drei Brüder seien bei einem Bombenangriff auf das Elternhaus ums Leben gekommen. Er sei zu diesem Zeitpunkt zufällig bei den Schwiegereltern seines Bruders gewesen. Als er zurückgekommen sei, habe man drei Tage lang nach den Leichen suchen müssen. Während der 40-tägigen Trauerzeit sei er bei einem Onkel geblieben. Bei diesem Onkel, dem einzigen in Afghanistan verbliebenen Familienangehörigen, habe er aber nicht bleiben können. Er habe große psychische Probleme bekommen; mit seiner Erinnerung habe er nicht mehr in Afghanistan leben können. Er sei dann über Jalalabad zu einem Cousin nach Islamabad gegangen. Dort habe er sich fünf Wochen aufgehalten und sei schließlich mit dem Flugzeug nach Frankfurt/Main geflogen. Eine Tante und ein anderer Cousin lebten seit langem in Heidelberg; zu diesen Familienangehörigen sei er gegangen.
Die Beklagte lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) vom 05.11.2003 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - nicht vorliegen sowie auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben sind und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an. Die hiergegen beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhobene Klage nahm der Kläger nach Hinweis des Gerichts zurück, dass aufgrund des Erlasses des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 29.07.2004 ein hinreichender Abschiebungsschutz gegeben sei (A 10 K 12733/03).
Unter Berufung auf die erforderliche ärztliche Behandlung seiner Depression, die in Afghanistan nicht gewährleistet sei, stellte der Kläger am 02.03.2006 ein Folgeschutzgesuch insbesondere hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes (- AufenthG -). Mit Bescheid vom 27.03.2006 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 05.11.2003 bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG ab. Die vorgelegten Atteste würden keine Änderung der Sachlage nachweisen. In Kabul und anderen großen Städten Afghanistans könnten psychotherapeutische Behandlungen durchgeführt werden. Auch seien in Kabul Antidepressiva im erforderlichen Umfang erhältlich.
Am 11.04.2006 hat der Kläger unter Berufung auf seine Erkrankung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu der Feststellung zu verpflichten, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegt. Seine Erkrankung habe sich durch die Behandlung in Deutschland zunächst gebessert. In Afghanistan erscheine eine adäquate weitere Behandlung ausgeschlossen, was fachärztliche Atteste bestätigten. In der mündlichen Verhandlung hat er am 23.01.2008 ergänzt, dass seine psychische Situation zwischenzeitlich wieder schlechter geworden sei. Der Onkel in Afghanistan sei schon vor eineinhalb Jahren verstorben. In Afghanistan habe und kenne er heute niemanden mehr. Er habe keinerlei Kontakte in seine Heimat.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung des Bundesamtsbescheids vom 27.03.2006 zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verpflichtet. Zur Begründung des Urteils vom 23.01.2008 - A 11 K 521/06 - hat es im Wesentlichen ausgeführt, wegen der in Afghanistan bestehenden unzureichenden Versorgungslage bestehe für den Kläger eine extreme Gefahrenlage. Da er in Afghanistan nicht auf die Hilfe von Familienangehörigen zurückgreifen könne, müsse davon ausgegangen werden, dass er dort über keine hinreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung verfüge. Aufgrund der schwerwiegenden Depression sei seine Leistungsfähigkeit reduziert, was die Möglichkeit schmälere, sich in seiner Heimat eine Lebensgrundlage zu schaffen. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass die im Ausland lebenden Familienangehörigen den Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg hinreichend finanziell unterstützen würden. Bei einer Berücksichtigung dieser Gesamtsituation müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werde.
Mit ihrer vom erkennenden Gerichtshof mit Beschluss vom 03.03.2008 - A 8 S 545/08 - zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, eine extreme Gefahrenlage könne jedenfalls für alleinstehende arbeitsfähige männliche afghanische Rückkehrer nicht angenommen werden. Die Versorgungslage in Kabul sei für diese Personengruppe nicht derart schlecht, dass von der Gefahr schwerster Verletzungen oder dem sicheren Tod ausgegangen werden könne. In der ersten Berufungsverhandlung vom 16.09.2009 hat der Vertreter der Beklagten klargestellt, der angegriffene Bescheid vom 27.03.2006 sei so zu verstehen, dass das Bundesamt das Verfahren in Bezug auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Amts wegen wiederaufgegriffen und zur Sache entschieden habe. Der Kläger führte im Rahmen der informatorischen Anhörung aus, er habe keinerlei Kontakte mehr nach Afghanistan und besitze dort auch kein Land. Auch in Kabul kenne er heute niemanden mehr. In Deutschland arbeite er Teilzeit in einem Restaurant und verdiene im Monat ca. 360 EUR netto. Über Ersparnisse verfüge er nicht.
Mit Urteil vom 16.09.2009 - A 11 S 654/08 - hat der Senat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Aufgrund der katastrophalen Versorgungslage bestehe für den Kläger in Bezug auf Afghanistan ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Mit Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 20.10 - hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Senats vom 16.09.2009 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 sei der unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz im gerichtlichen Verfahren insbesondere aufgrund der Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime angewachsen. Der Senat hätte diesen für die Beteiligten nicht disponiblen Streitgegenstand nicht ungeprüft lassen dürfen. Zudem sei die Entscheidung zur extremen Gefahrenlage im Rahmen des nachrangigen nationalen Abschiebungsschutzes auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt. Das Urteil ging dem Senat am 28.11.2011 zu.
Die Beklagte trägt ergänzend vor, im Falle des Klägers greife kein unionsrechtlicher Abschiebungsschutz. Für eine Feststellung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehle es in Kabul an einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. Auch eine extreme Gefahrenlage gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG könne nicht bejaht werden. Der Kläger könne gegebenenfalls auf die Unterstützung seiner im Ausland lebenden Verwandten zählen. Mittlerweile seien in Afghanistan an 17 verschiedenen Banken Geldüberweisungen möglich.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2008 - A 11 K 521/06 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er ergänzt im Wesentlichen, es herrsche in ganz Afghanistan ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Hervorzuheben seien die zahlreichen Anschläge in Kabul. Bei einer Rückkehr in seine Heimat wäre er den dortigen Risiken schutzlos ausgeliefert. Er sei seit nunmehr fast 10 Jahren nicht mehr in Kabul gewesen, das sich vollständig verändert habe. Auch verfüge er in seiner Heimat über keinen Rückhalt durch Familienangehörige. Deshalb läge nach wie vor eine extreme Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, auch nachdem 2011 ein Jahr der Dürre gewesen sei. Der Kläger sei mit 43 Jahren im heutigen Afghanistan durchaus schon im vorgerückten Alter, d.h. kein junger kräftiger Mann mehr. Schließlich könne die derzeit eingegrenzte psychische Erkrankung wieder aufbrechen.
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Der Senat hat den Kläger in der zweiten Berufungsverhandlung am 06.03.2012 erneut informatorisch angehört. Dabei verwies der Kläger insbesondere auf die schlechte Situation und Perspektive in Kabul und die dortige hohe Arbeitslosigkeit, betonte sein für afghanische Verhältnisse vorgerücktes Alter und die dort fehlenden Unterstützungsmöglichkeiten durch einen Familienverband sowie die zahlreichen Anschläge in Kabul. Im Übrigen habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Abschiebung sogar nach Griechenland für menschenrechtswidrig erachtet, was dann erst recht hinsichtlich Afghanistans gelten müsse.
16 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den Gerichtsakten sowie den Verfahrensakten des Bundesamts. Dem Senat liegen des Weiteren die Akte des Verwaltungsgerichts Karlsruhe in dem Verfahren A 11 K 521/06, die Akten des Bundesverwaltungsgerichts in dem Verfahren 10 C 20.10 sowie die Erkenntnisquellen, die den Beteiligten mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung bzw. in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden sind, vor. Die beigezogenen Akten und Erkenntnisquellen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) der Beklagten hat Erfolg. Der Senat geht nunmehr davon aus, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- Aufenthaltsgesetz -) in der Fassung der Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU vom 19.08.2007 (- 1. Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) sowie das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der EU und zur Anpassung nationaler Rechtvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011 (- 2. Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 26.11.2011, BGBl I 2258) nicht mehr beanspruchen kann. Dem Kläger steht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) weder ein unionsrechtlich begründeter noch ein nationaler Abschiebungsschutz zu.
I.
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Gegenstand des Berufungsverfahrens ist im vorliegenden Übergangsfall zunächst das - angewachsene und für die Beteiligten nicht disponible - Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der sog. Qualifikations-Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; ABlEU Nr. L 304 S. 12; ber. ABlEU vom 05.08.2005 Nr. L 204 S. 24, neugefasst mit Umsetzungsfrist bis 21.12.2013 als Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABlEU vom 20.12.2011 Nr. L 337 S. 9; - QRL -). Nur hilfsweise ist Gegenstand des Berufungsverfahrens der nationale Abschiebungsschutz, d.h. die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 11). Sowohl der (weitergehende) unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG als auch der nationale Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 und 3 AufenthG bilden jeweils einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 11). In dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der erneuten mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) besteht zu Gunsten des Klägers hinsichtlich Afghanistans weder ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG noch nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung.
II.
19 
Unionsrechtlich begründeter Abschiebungsschutz ist im Falle des Klägers derzeit nicht gegeben.
20 
1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG ist nicht erkennbar.
21 
a) Nach dieser Norm darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Unter „Folter“ ist in Anlehnung an die Definition von Art. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (BGBl. 1990 II S. 247, BGBl. 1993 II S. 715) eine Behandlung zu verstehen, die einer Person vorsätzlich schwere Schmerzen oder Leiden körperlicher oder geistig-seelischer Art zufügt, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erzwingen, sie oder einen Dritten zu bestrafen, einzuschüchtern oder zu nötigen oder mit diskriminierender Absicht zu verfolgen. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt nach der insoweit vor allem maßgebenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 lit. b QRL insoweit identischen Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Die Bewertung dieses Minimums ist nach Natur der Sache relativ. Kriterien hierfür sind abzuleiten aus allen Umständen des Einzelfalles, wie etwa der Art der Behandlung oder Bestrafung und dem Zusammenhang, in dem sie erfolgte, der Art und Weise ihrer Vollstreckung, ihrer zeitlichen Dauer, ihrer physischen und geistigen Wirkungen, sowie gegebenenfalls abgestellt auf Geschlecht, Alter bzw. Gesundheitszustand des Opfers. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 34 f., m.w.N.). Im Rahmen der Prüfung, ob eine konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht, ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzulegen, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation kennzeichnet (ausführlich: Senatsurteil vom 06.03.2011 - 11 S 3070/11 - juris; BVerwG, Beschluss vom 10.04.2008 - 10 B 28.08 - juris Rn. 6; Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 - juris Rn. 10 f.).
22 
b) Im Falle des Klägers gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, es bestünde für ihn bei einer Rückkehr nach Kabul mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im dargelegten Sinne die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung. Eine solche konkrete Gefahr lässt sich auch nicht mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.01.2011 (Nr. 30696/09 - ) begründen. Wie sich aus der Urteilsbegründung (insbes. Rn. 261 bis 263) ergibt, wurde im dortigen Fall eine Verletzung von Art. 3 EMRK insbesondere bejaht, weil sich Griechenland nicht an die europarechtlichen Verfahrensregeln und Mindeststandards für Asylbewerber gehalten hat und deshalb menschenrechtswidrige Haft- und Lebensbedingungen bestanden. Der Gerichtshof geht mithin davon aus, dass ein Konventionsstaat Art. 3 EMRK verletzen kann, wenn er die sich selbst gegebenen asylverfahrensrechtlichen Mindeststandards im Einzelfall unterschreitet. Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass solche Standards weltweit gelten müssten und das Fehlen derselben eine Abschiebung etwa nach Kabul sperren könnte. Im Hinblick auf die allgemeinen (unzureichenden) Lebensbedingungen sowie die Versorgungslage (auch in medizinischer Hinsicht) kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK nach der ständigen Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs durch den abschiebenden Staat vielmehr nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden (Nachweise bei Hailbronner, AuslR, 10/2008, § 60 AufenthG, Rn. 119 ff). Solche können jedoch - wie unter III. 2. ausgeführt - derzeit in Bezug auf Kabul nicht festgestellt werden.
23 
2. Ebenso ist kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG erkennbar, wonach ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, wenn ihn dieser Staat wegen einer Straftat sucht und dort aufgrund konkreter und ernsthafter Anhaltspunkte die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht (ausführlich: Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 39 ff., m.w.N.). Hierzu fehlen im Falle des Klägers jegliche Anhaltspunkte.
24 
3. Nach Auffassung des Senats liegt derzeit auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor. Hiernach ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
25 
a) Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 lit. c QRL und ist in diesem Sinne auszulegen (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 14). Nach Art. 15 lit. c QRL gilt als ernsthafter Schaden „eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“.
26 
(1) Bei der Frage, ob ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, sind hiernach die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und insbesondere das Zusatzprotokoll II von 1977 (BGBl 1990 II S. 1637; - ZP II -) zu berücksichtigen. Das ZP II definiert in Art. 1 Nr. 1 den Begriff des nicht internationalen bewaffneten Konflikts wie folgt: „Dieses Protokoll, das den den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 gemeinsamen Art. 3 weiterentwickelt und ergänzt, ohne die bestehenden Voraussetzungen für seine Anwendung zu ändern, findet auf alle bewaffneten Konflikte Anwendung, die von Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vorn 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfasst sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen.“ In seinem Art. 2 grenzt das ZP II sodann von Fällen bloßer "innerer Unruhen und Spannungen" ab, die nicht unter diesen Begriff fallen. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts liegt demnach jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 ZP II erfüllt. Er liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c QRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der völkerrechtliche Begriff des "bewaffneten Konflikts" wurde gewählt, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen von einer bestimmten Größenordnung an in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen. Dennoch setzt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt nicht zwingend einen so hohen Organisationsgrad und eine solche Kontrolle der Konfliktparteien über einen Teil des Staatsgebiets voraus, wie sie für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 erforderlich sind. Ohnehin findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts ihre Grenze jedenfalls dort, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für in Drittstaaten Zuflucht Suchende nach Art. 15 lit. c QRL widerspricht. Weitere Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts können sich aus dem Völkerstrafrecht ergeben, insbesondere aus der Rechtsprechung der Internationalen Strafgerichtshöfe. Hiernach dürfte kriminelle Gewalt bei der Feststellung, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, jedenfalls dann keine Berücksichtigung finden, wenn sie nicht von einer der Konfliktparteien begangen wird (ausführlich: BVerwG, Urteile vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 19 ff. und vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -juris Rn. 23).
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(2) Bezüglich der Frage, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, ist zunächst das gesamte Staatsgebiet in den Blick zu nehmen. Besteht ein bewaffneter Konflikt jedoch nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in Betracht, wenn sich der Konflikt auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in der er zuletzt gelebt hat bzw. in die er typischerweise zurückkehren kann und voraussichtlich auch wird, d.h. auf seinen "tatsächlichen Zielort" bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (EuGH, Urteil vom 17.02.2009, Rs. C-465/07 Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es hingegen nur ausnahmsweise ankommen. In diesem Fall muss der Betreffende stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17).
28 
(3) Konnte ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zumindest im tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat festgestellt werden, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weiter zu fragen, ob ihm dort infolgedessen auch eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt droht. Hierfür sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt bzw. zu der sogenannten Gefahrendichte erforderlich, d.h. (1.) eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und (2.) der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie (3.) eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Hierzu gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Im Übrigen können die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden. In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt auch für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 QRL (ausführlich: BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 32 ff.; vgl. auch Dolk, Asylmagazin 12/2011, 418 ff., m.w.N.).
29 
(4) Bei der Prüfung, ob dem Ausländer zumindest in seiner Herkunftsregion aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben droht, sind gegebenenfalls gefahrerhöhende persönliche Umstände zu berücksichtigen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Liegen hingegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Allerdings kann eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18 ff.).
30 
(5) Schließlich darf für den Ausländer keine Möglichkeit internen Schutzes gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 QRL bestehen. Nach Art. 8 Abs. 1 QRL können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Nach Absatz 2 der Norm berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Nach Absatz 3 der Norm kann Absatz 1 kann auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen. Zur Frage, wann von dem Ausländer „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, verweist das Bundesverwaltungsgericht auf die Begründung zum Regierungsentwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes (BT-Drs. 16/5065 S. 185). Hier wird ausgeführt, dass dies dann der Fall sei, wenn der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet sei. Ausdrücklich offen gelassen wurde, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen. Allerdings spreche einiges dafür, dass die gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftslandes - oberhalb der Schwelle des Existenzminimums - auch den Zumutbarkeitsmaßstab prägen (BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 10 C 11.07 - juris Rn. 32/35). Dem schließt sich der Senat an, denn hierfür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass andernfalls der richtlinienkonforme Ausschluss der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG für die Fälle des Art. 15 lit. c QRL über die an den internen Schutz gestellten Anforderungen unterlaufen würde (Hess. VGH, Urteil vom 25.08.2011 - 8 A 1657/10.A - juris Rn. 91). Nach diesen Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine wirtschaftliche Lebensgrundlage etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, kann keine innerstaatliche Fluchtalternative sein. Bei der Prüfung des internen Schutzes muss mithin insbesondere gefragt werden, ob der Betreffende seine Existenz am Ort der Fluchtalternative auch ohne förmliche Gewährung eines Aufenthaltsrechts und ohne Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen in zumutbarer Weise - etwa im Rahmen eines Familienverbandes - und ohne ein Leben in der Illegalität, das ihn jederzeit der Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung aussetzt, angemessen sichern kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 - juris Rn. 11 f.).
31 
b) Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Senat in seinem Fall nicht erkennen, dass derzeit die dargestellten Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorliegen würden. Der Senat ist vielmehr auf der Grundlage der insoweit weitgehend übereinstimmenden aktuellen Erkenntnisquellen davon überzeugt, dass in der Heimatregion des Klägers, d.h. in Kabul, schon kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von Art. 15 lit. c QRL (mehr) gegeben ist. Die dortige Sicherheitslage wird, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, die sich jedoch primär auf „prominente Ziele“ gerichtet haben, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet. Vor der von dem Kläger zitierten Anschlagsserie hat es offenbar sogar eine praktisch anschlagsfreie Zeit von fast 18 Monaten gegeben (Lagebericht AA vom 10.01.2012, S. 12; Kermani, Die Zeit vom 05.01.2012, 11 f.; Asylmagazin 12/2011, 418). Der Senat vermag deshalb der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Gießen (Urteil vom 20.06.2011 - 2 K 499/11.GI.A - www.asyl.net) nicht zu folgen, die in der Begründung vor allem auf die Konfliktgebiete im Süden bzw. Osten Afghanistans Bezug nimmt, und daher hinsichtlich des Leitsatzes, in ganz Afghanistan herrsche ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, zu wenig regional differenziert. Im dortigen Fall ging es im Übrigen, wenig vergleichbar, um einen alleinstehenden Jugendlichen im Alter von 15 Jahren aus der doch recht anders gelagerten Herkunftsregion Wardak. Bezüglich Kabuls selbst hebt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf fünf Anschläge zwischen Januar und Mai 2011 ab. Insoweit handelt es sich aber um Fälle "innerer Unruhen und Spannungen" im Sinne von Art. 2 des ZP II, die gerade nicht unter den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu subsumieren sind. In Übereinstimmung hiermit hat auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass in Kabul, trotz gegebener Übergriffe, kein bewaffneter Konflikt von solcher Dichte herrscht, dass darauf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angewandt werden könnte. Jedenfalls resultiere hieraus für Rückkehrer keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt (Urteil vom 16.06.2011 - 8 A 2011/10.A - juris). Der Senat kommt zum gegenwärtigen Zeitpunkt und für die Situation des Klägers zu derselben Einschätzung.
III.
32 
Im Falle des Klägers liegt auch der somit hilfsweise zu prüfende nationale Abschiebungsschutz derzeit nicht vor. Zu seinen Gunsten besteht kein Abschiebungsverbot (mehr) hinsichtlich Afghanistans gemäß des einheitlichen Streitgegenstands nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung.
33 
1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (- EMRK -, BGBl 1952 II 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Über diese Norm werden die Schutzregeln der EMRK in innerstaatliches Recht inkorporiert. Sowohl aus Systematik als auch Entstehungsgeschichte folgt jedoch, dass es insoweit nur um zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz geht. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, abgeleitet etwa aus Art. 8 EMRK, ziehen hingegen regelmäßig nur eine Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG nach sich. Bezüglich Art. 3 EMRK ist zudem die weitergehende und „unionsrechtlich aufgeladene“ Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen (vgl. zu § 60 Abs. 5: Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 45 ff., m.w.N.). Ob im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG auch nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG alle Gefährdungen grundsätzlich irrelevant sind, die von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen (so noch BVerwG, Urteil vom 15.04.1997 - 9 C 38.96 - zur Vorgängernorm des § 53 Abs. 4 AuslG, juris Rn. 10), kann vorliegend dahingestellt bleiben. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall des Klägers ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte.
34 
2. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Denn hinsichtlich des Schutzes vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich sperrt und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Aus diesem Normzweck folgt weiter, dass sich die „Allgemeinheit“ der Gefahr nicht danach bestimmt, ob diese sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kann vielmehr auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. Denn soweit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände wie etwa Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Gefährdungen geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1). Für die Personengruppe, der der Kläger angehört, besteht eine solche politische Abschiebestopp-Anordnung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in Baden-Württemberg derzeit nicht (mehr), seit mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.04.2005 (geändert am 01.08.2005, vgl. 21. Fortschreibung vom 23.01.2009, Az.: 4-13-AFG/8) in Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder bezüglich der Rückführung afghanischer Staatsangehöriger entschieden wurde, dass „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 2005 noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben, mit Vorrang zurückzuführen sind“. Im konkreten Einzelfall des Klägers greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auch unter Berücksichtigung von Verfassungsrecht.
35 
a) Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde (st. Rspr. des BVerwG, s. Urteile vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20, vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 und vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG). Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar ist (BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20). Das Vorliegen der Voraussetzungen ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau zu ermitteln (BVerwG, Beschluss vom 23.03.1999 - 9 B 866.98 - juris Rn. 7).
36 
b) Im Fall einer allgemein schlechten Versorgungslage sind Besonderheiten zu berücksichtigen. Denn hieraus resultierende Gefährdungen entspringen keinem zielgerichteten Handeln, sondern treffen die Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus und setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er gegebenenfalls auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - juris Rn. 48 ff.). Um dem Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung zu entsprechen, kann hinsichtlich einer allgemein schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation zudem nur dann angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Mit dem Begriff „alsbald“ ist dabei einerseits kein nur in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 - 9 C 13.97 - juris Rn. 8). Andererseits setzt die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Eine extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (BVerwG, Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 - juris Rn. 15).
37 
c) Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers heute jedenfalls nicht mehr gegeben. In Übereinstimmung mit anderen Obergerichten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188; Hess. VGH, Urteil vom 26.11.2009 - 8 A 1862/07.A - NVwZ-RR 2010, 331) hatte der Senat mit Urteil vom 14.05.2009 - A 11 S 610/08 - (DVBl 2009, 1327) entschieden, dass für Ausländer aus der Personengruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen männlichen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen, aufgrund der katastrophalen Versorgungslage bei einer Abschiebung nach Kabul eine extreme Gefahrensituation im dargelegten Sinne bestehe. Das Bundesverwaltungsgericht hat (auch) diese Entscheidung mit Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 16.10 - (juris) aufgehoben. Insbesondere die Feststellungen zum Vorliegen einer extremen Gefahr im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan verletzten Bundesrecht und würden einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten, denn die Entscheidung sei insbesondere hinsichtlich der festgestellten drohenden Mangelernährung und den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt. Das Bundesverwaltungsgericht betont: „‘Hunger‘ führt nicht zwangsläufig zum Tod, 'gesundheitliche Risiken' führen nicht notwendigerweise zu schwersten Gesundheitsschäden.“ Damit verfehle das Berufungsgericht den Begriff der Extremgefahr (so im Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 23.10 - juris Rn. 24 bzgl. einer Parallelentscheidung des Hess.VGH). Bei der erneuten Befassung mit der Sache sei der Senat gehalten, sich auch mit der gegenteiligen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (insbesondere: Bay.VGH, Urteil vom 03.02.2011 - 13a B 10.30394 - juris) auseinanderzusetzen.
38 
Es sei dahingestellt, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden kann, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen (kritisch: Hess.VGH, Urteil vom 25.08.2011 - 8 A 1657/10.A - juris Rn. 77). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vertritt jedenfalls in dem zum besonderen Studium aufgegebenen Urteil die Auffassung, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen sei, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Zwar sei zweifellos von einer äußerst schlechten Versorgungslage in Afghanistan auszugehen. Im Wege einer Gesamtgefahrenschau sei jedoch nicht anzunehmen, dass dort alsbald der sichere Tod drohe oder schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Bei der Wirtschaftslage bzw. den ökonomischen Rahmenbedingungen würden durchaus positive Tendenzen gesehen. Es sei mit einem realen jährlichen Wirtschaftswachstum zwischen 6 und 8 % zu rechnen. Auch hätten bessere Ernten zu einer Verbesserung der Gesamtversorgungslage geführt. Zwar sei die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich jedoch um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen. Wenn es heiße, dass der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei, bedeute dies andererseits, dass jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten seien. Dies ergebe sich auch aus dem Afghanistan Report 2010 von amnesty international, wonach Tausende von Vertriebenen in Behelfslagern lebten, wo sie nur begrenzten Zugang zu Lebensmitteln und Trinkwasser, Gesundheitsversorgung und Bildung erhalten würden. Eine Mindestversorgung sei damit aber gegeben. Auch sei eine hinreichende zeitliche Nähe („alsbald“) zwischen Rückkehr und lebensbedrohlichem Zustand aufgrund von Mangelernährung, unzureichenden Wohnverhältnissen und schwieriger Arbeitssuche nicht ersichtlich. Insgesamt sei davon auszugehen, dass ein 25-jähriger lediger und gesunder Afghane, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten trage, auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung im Falle einer Abschiebung nach Kabul dort in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren.
39 
Dies entspricht im Wesentlichen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschluss vom 26.10.2010 - 20 A 964/10.A -; Urteil vom 19.06.2008 - 20 A 4676/06.A - beide juris). Das Oberverwaltungsgericht vermochte dem Aspekt, dass positive Feststellungen zu den Modalitäten der Beschaffung des Lebensnotwendigen nicht zu treffen seien, kein entscheidendes Gewicht zu geben vor dem Umstand, dass die zahlreich vorliegenden Berichte für eine extreme Verelendung nichts hergeben würden, obwohl angesichts der hohen Rückkehrerzahlen aus den Nachbarländern und der Binnenfluchtbewegungen nicht davon ausgegangen werden könne, dass es an jeglichem Potential für Vergleichsfälle fehle (Urteil vom 19.06.2008, juris Rn. 80).
40 
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung der zitierten Gerichte nunmehr an, weil auch er eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul - dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel (Lagebericht AA v. 10.01.2012, S. 29 f.) - erkennen kann, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehen.
41 
Dem zentralen Argument des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, dass Fälle extremer Verelendung von Rückkehrern dokumentiert sein müssten, vermag der Senat keine aussagekräftigen Erkenntnisquellen entgegen zu setzen; es lässt sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht widerlegen. Insbesondere sind Erkenntnisquellen, die den Hungertod von Rückkehrern in Kabul dokumentieren, auch dem Senat nicht bekannt (ebenso: UNHCR vom 11.11.2011, 10 f.). Und in der Tat sind seit 2002 vor allem mit Hilfe des UNHCR insgesamt rund vier Millionen Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt, wenn auch davon nur ca. 15.000 aus anderen Ländern als Pakistan und dem Iran (Gietmann, Asylmagazin 12/2011, 413, m.w.N.). Infolgedessen gehört Kabul heute zu den Städten mit dem weltweit stärksten Bevölkerungswachstum. Betrug die Einwohnerzahl 2001 noch rund 1,5 Millionen, wurde sie von der Stadtverwaltung im Juni 2010 auf über 5 Millionen geschätzt. Der Bevölkerungsanteil der Rückkehrer und Binnenvertriebenen wird auf 70 % geschätzt (Yoshimura, Asylmagazin 12/2011, 408, m.w.N.).
42 
Allerdings sind sämtliche Informationen, die der Senat über die Situation in der Stadt finden kann, durchaus ambivalent. Einerseits heißt es, 23 % der Bevölkerung lebten dort unterhalb der Armutsgrenze. Insgesamt seien die Lebenshaltungskosten in Kabul im Laufe der vergangenen Jahre um 30 bis 50 % gestiegen. Bewohner seien auch beim Erwerb zahlreicher, selbst legaler Güter des Alltags gezwungen, Bestechungsgelder zu bezahlen. Die Kriminalität und Gefahr, Opfer von Überfällen zu werden, sei hoch (Landinfo 2011, Part II, 17). Kabul würde einer Stadt im permanenten Ausnahmezustand ähneln (Dr. Danesch vom 07.10.2010, Logar, 3). Nur 55,9 % der Haushalte verfügten über Zugang zu sauberem Wasser. Zahlreiche Brunnen im Stadtgebiet seien aufgrund der steigenden Inanspruchnahme ausgetrocknet bzw. erschöpft (ai vom 29.09.2009, 2). Bezahlbarer Strom liege für ärmere Kabuler Familien außerhalb der finanziellen Möglichkeiten. Die Arbeitslosenrate in Kabul werde auf bis zu 50 % geschätzt. Infolge des Mangels an bezahlbarem Wohnraum würden sich zahllose Menschen gezwungen sehen, in prekären Unterkünften wie Lehmhütten, Zelten oder alten beschädigten Gebäuden zu hausen. Die Bewohner dieser „informellen Siedlungen“ würden außerhalb des sozialen Sicherheitsnetzes leben und ihren Lebensunterhalt durch Betteln, den Verkauf von Müll und andere gering bezahlte Tätigkeiten bestreiten müssen. Über Nacht entstünden neue Armenviertel und Slums, in denen es weder Kanalisation noch Müllentsorgung und kaum sauberes Wasser, Elektrizität oder medizinische Hilfe gebe. Die Zahl derer, die auf der Flucht vor Krieg, Rechtlosigkeit, Willkürherrschaft und Armut in die Städte strömten, vergrößere sich tagtäglich. Besonders dramatisch nehme deshalb gerade in Kabul die Zahl von Obdachlosen und Drogenabhängigen zu. Ohnehin befinde sich Afghanistan auf dem Weg in einen Drogenstaat. 2011 sei erneut ein Dürrejahr gewesen und vor allem im Norden, dem friedlichen Teil des Landes, herrsche Hunger. Zusammenfassend sei eine Rückkehr nach Kabul ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen schlicht unzumutbar (vgl. ai vom 20.12.2010; Asylmagazin 12/2011, 408-414, m.w.N.).
43 
Andererseits wird berichtet, gerade in Kabul existiere eine rege Bautätigkeit. In den vergangenen Jahren seien zahlreiche Immobilienprojekte in Angriff genommen worden. In Folge dessen gebe es nunmehr vor allem im Bausektor, wenn auch schlecht bezahlte Tageslohnarbeit. Viele Stadtteile Kabuls würden seit 2009 zwischenzeitlich 24 Stunden am Tag mit Strom versorgt. Seit kurzem boome in einigen Städten wie Kabul und Masar-i-Scharif der Handel. Geschäfte würden über Nacht eröffnet und man habe mittlerweile ein großes, kaum einen Wunsch offenlassendes Warenangebot. Die Lage sei nicht gut, aber sie sei besser geworden. Jedenfalls im Stadtzentrum sei auch die Armut nicht mehr so offensichtlich. Es gebe nicht mehr überall bettelnde Frauen in Burkas und keine Banden von Kindern, die sich an Klebstoff berauschten. Dafür hätten unzählige Kebab-Stände eröffnet. Überhaupt gebe es deutlich zahlreichere Geschäfte als noch vor wenigen Jahren und sogar eine Müllabfuhr sowie ein Mindestmaß an Ordnung bzw. überhaupt wieder so etwas wie ein Stadtleben. Auch die Sicherheitslage in Kabul sei, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, unverändert stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch vor zwei Jahren (vgl. Lagebericht AA vom 10.01.2012; Kermani, Die Zeit vom 05.01.2012, 11 ff; Asylmagazin 12/2011, 408-414, m.w.N.).
44 
Vor diesem Hintergrund kann heute - trotz der ambivalenten Erkenntnisquellen - aufgrund der hohen Hürden des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige eine solche Extremgefahr nicht mehr begründet werden. Anders als noch 2009 sieht auch der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Die Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten „ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten“, trifft heute auch nach Überzeugung des Senats zu. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
45 
Im Falle des Klägers sind schließlich auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten. Der Kläger leidet derzeit unter keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen mehr und ist, wie seine Beschäftigung in einem Restaurant verdeutlicht, arbeitsfähig. Allein aufgrund des für die Verhältnisse in Afghanistan, wo junge Burschen häufig mit 15 Jahren verheiratet werden und ein 20-jähriger Mann meist bereits mehrere Kinder hat (so Dr. Danesch vom 07.10.2010, Paktia, S. 6), in der Tat fortgeschrittenen Alters kann deshalb keine extreme Gefahrenlage erkannt werden. Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es aufgrund der dem Kläger seit längerem und bis heute erteilten Duldungen an einer Schutzlücke für eine verfassungskonforme Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder gar schon dem Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. BVerwG, Urteile vom 12.07.2001 - 1 C 2.01 - BVerwGE 114, 378 und vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 12), kommt es damit nicht an.
III.
46 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylVfG.
IV.
47 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
17 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) der Beklagten hat Erfolg. Der Senat geht nunmehr davon aus, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- Aufenthaltsgesetz -) in der Fassung der Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU vom 19.08.2007 (- 1. Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) sowie das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der EU und zur Anpassung nationaler Rechtvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011 (- 2. Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 26.11.2011, BGBl I 2258) nicht mehr beanspruchen kann. Dem Kläger steht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) weder ein unionsrechtlich begründeter noch ein nationaler Abschiebungsschutz zu.
I.
18 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist im vorliegenden Übergangsfall zunächst das - angewachsene und für die Beteiligten nicht disponible - Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der sog. Qualifikations-Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; ABlEU Nr. L 304 S. 12; ber. ABlEU vom 05.08.2005 Nr. L 204 S. 24, neugefasst mit Umsetzungsfrist bis 21.12.2013 als Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABlEU vom 20.12.2011 Nr. L 337 S. 9; - QRL -). Nur hilfsweise ist Gegenstand des Berufungsverfahrens der nationale Abschiebungsschutz, d.h. die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 11). Sowohl der (weitergehende) unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG als auch der nationale Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 und 3 AufenthG bilden jeweils einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 11). In dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der erneuten mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) besteht zu Gunsten des Klägers hinsichtlich Afghanistans weder ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG noch nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung.
II.
19 
Unionsrechtlich begründeter Abschiebungsschutz ist im Falle des Klägers derzeit nicht gegeben.
20 
1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG ist nicht erkennbar.
21 
a) Nach dieser Norm darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Unter „Folter“ ist in Anlehnung an die Definition von Art. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (BGBl. 1990 II S. 247, BGBl. 1993 II S. 715) eine Behandlung zu verstehen, die einer Person vorsätzlich schwere Schmerzen oder Leiden körperlicher oder geistig-seelischer Art zufügt, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erzwingen, sie oder einen Dritten zu bestrafen, einzuschüchtern oder zu nötigen oder mit diskriminierender Absicht zu verfolgen. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt nach der insoweit vor allem maßgebenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 lit. b QRL insoweit identischen Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Die Bewertung dieses Minimums ist nach Natur der Sache relativ. Kriterien hierfür sind abzuleiten aus allen Umständen des Einzelfalles, wie etwa der Art der Behandlung oder Bestrafung und dem Zusammenhang, in dem sie erfolgte, der Art und Weise ihrer Vollstreckung, ihrer zeitlichen Dauer, ihrer physischen und geistigen Wirkungen, sowie gegebenenfalls abgestellt auf Geschlecht, Alter bzw. Gesundheitszustand des Opfers. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 34 f., m.w.N.). Im Rahmen der Prüfung, ob eine konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht, ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzulegen, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation kennzeichnet (ausführlich: Senatsurteil vom 06.03.2011 - 11 S 3070/11 - juris; BVerwG, Beschluss vom 10.04.2008 - 10 B 28.08 - juris Rn. 6; Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 - juris Rn. 10 f.).
22 
b) Im Falle des Klägers gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, es bestünde für ihn bei einer Rückkehr nach Kabul mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im dargelegten Sinne die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung. Eine solche konkrete Gefahr lässt sich auch nicht mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.01.2011 (Nr. 30696/09 - ) begründen. Wie sich aus der Urteilsbegründung (insbes. Rn. 261 bis 263) ergibt, wurde im dortigen Fall eine Verletzung von Art. 3 EMRK insbesondere bejaht, weil sich Griechenland nicht an die europarechtlichen Verfahrensregeln und Mindeststandards für Asylbewerber gehalten hat und deshalb menschenrechtswidrige Haft- und Lebensbedingungen bestanden. Der Gerichtshof geht mithin davon aus, dass ein Konventionsstaat Art. 3 EMRK verletzen kann, wenn er die sich selbst gegebenen asylverfahrensrechtlichen Mindeststandards im Einzelfall unterschreitet. Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass solche Standards weltweit gelten müssten und das Fehlen derselben eine Abschiebung etwa nach Kabul sperren könnte. Im Hinblick auf die allgemeinen (unzureichenden) Lebensbedingungen sowie die Versorgungslage (auch in medizinischer Hinsicht) kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK nach der ständigen Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs durch den abschiebenden Staat vielmehr nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden (Nachweise bei Hailbronner, AuslR, 10/2008, § 60 AufenthG, Rn. 119 ff). Solche können jedoch - wie unter III. 2. ausgeführt - derzeit in Bezug auf Kabul nicht festgestellt werden.
23 
2. Ebenso ist kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG erkennbar, wonach ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, wenn ihn dieser Staat wegen einer Straftat sucht und dort aufgrund konkreter und ernsthafter Anhaltspunkte die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht (ausführlich: Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 39 ff., m.w.N.). Hierzu fehlen im Falle des Klägers jegliche Anhaltspunkte.
24 
3. Nach Auffassung des Senats liegt derzeit auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor. Hiernach ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
25 
a) Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 lit. c QRL und ist in diesem Sinne auszulegen (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 14). Nach Art. 15 lit. c QRL gilt als ernsthafter Schaden „eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“.
26 
(1) Bei der Frage, ob ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, sind hiernach die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und insbesondere das Zusatzprotokoll II von 1977 (BGBl 1990 II S. 1637; - ZP II -) zu berücksichtigen. Das ZP II definiert in Art. 1 Nr. 1 den Begriff des nicht internationalen bewaffneten Konflikts wie folgt: „Dieses Protokoll, das den den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 gemeinsamen Art. 3 weiterentwickelt und ergänzt, ohne die bestehenden Voraussetzungen für seine Anwendung zu ändern, findet auf alle bewaffneten Konflikte Anwendung, die von Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vorn 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfasst sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen.“ In seinem Art. 2 grenzt das ZP II sodann von Fällen bloßer "innerer Unruhen und Spannungen" ab, die nicht unter diesen Begriff fallen. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts liegt demnach jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 ZP II erfüllt. Er liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c QRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der völkerrechtliche Begriff des "bewaffneten Konflikts" wurde gewählt, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen von einer bestimmten Größenordnung an in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen. Dennoch setzt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt nicht zwingend einen so hohen Organisationsgrad und eine solche Kontrolle der Konfliktparteien über einen Teil des Staatsgebiets voraus, wie sie für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 erforderlich sind. Ohnehin findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts ihre Grenze jedenfalls dort, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für in Drittstaaten Zuflucht Suchende nach Art. 15 lit. c QRL widerspricht. Weitere Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts können sich aus dem Völkerstrafrecht ergeben, insbesondere aus der Rechtsprechung der Internationalen Strafgerichtshöfe. Hiernach dürfte kriminelle Gewalt bei der Feststellung, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, jedenfalls dann keine Berücksichtigung finden, wenn sie nicht von einer der Konfliktparteien begangen wird (ausführlich: BVerwG, Urteile vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 19 ff. und vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -juris Rn. 23).
27 
(2) Bezüglich der Frage, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, ist zunächst das gesamte Staatsgebiet in den Blick zu nehmen. Besteht ein bewaffneter Konflikt jedoch nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in Betracht, wenn sich der Konflikt auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in der er zuletzt gelebt hat bzw. in die er typischerweise zurückkehren kann und voraussichtlich auch wird, d.h. auf seinen "tatsächlichen Zielort" bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (EuGH, Urteil vom 17.02.2009, Rs. C-465/07 Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es hingegen nur ausnahmsweise ankommen. In diesem Fall muss der Betreffende stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17).
28 
(3) Konnte ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zumindest im tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat festgestellt werden, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weiter zu fragen, ob ihm dort infolgedessen auch eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt droht. Hierfür sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt bzw. zu der sogenannten Gefahrendichte erforderlich, d.h. (1.) eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und (2.) der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie (3.) eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Hierzu gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Im Übrigen können die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden. In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt auch für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 QRL (ausführlich: BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 32 ff.; vgl. auch Dolk, Asylmagazin 12/2011, 418 ff., m.w.N.).
29 
(4) Bei der Prüfung, ob dem Ausländer zumindest in seiner Herkunftsregion aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben droht, sind gegebenenfalls gefahrerhöhende persönliche Umstände zu berücksichtigen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Liegen hingegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Allerdings kann eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18 ff.).
30 
(5) Schließlich darf für den Ausländer keine Möglichkeit internen Schutzes gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 QRL bestehen. Nach Art. 8 Abs. 1 QRL können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Nach Absatz 2 der Norm berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Nach Absatz 3 der Norm kann Absatz 1 kann auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen. Zur Frage, wann von dem Ausländer „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, verweist das Bundesverwaltungsgericht auf die Begründung zum Regierungsentwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes (BT-Drs. 16/5065 S. 185). Hier wird ausgeführt, dass dies dann der Fall sei, wenn der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet sei. Ausdrücklich offen gelassen wurde, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen. Allerdings spreche einiges dafür, dass die gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftslandes - oberhalb der Schwelle des Existenzminimums - auch den Zumutbarkeitsmaßstab prägen (BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 10 C 11.07 - juris Rn. 32/35). Dem schließt sich der Senat an, denn hierfür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass andernfalls der richtlinienkonforme Ausschluss der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG für die Fälle des Art. 15 lit. c QRL über die an den internen Schutz gestellten Anforderungen unterlaufen würde (Hess. VGH, Urteil vom 25.08.2011 - 8 A 1657/10.A - juris Rn. 91). Nach diesen Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine wirtschaftliche Lebensgrundlage etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, kann keine innerstaatliche Fluchtalternative sein. Bei der Prüfung des internen Schutzes muss mithin insbesondere gefragt werden, ob der Betreffende seine Existenz am Ort der Fluchtalternative auch ohne förmliche Gewährung eines Aufenthaltsrechts und ohne Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen in zumutbarer Weise - etwa im Rahmen eines Familienverbandes - und ohne ein Leben in der Illegalität, das ihn jederzeit der Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung aussetzt, angemessen sichern kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 - juris Rn. 11 f.).
31 
b) Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Senat in seinem Fall nicht erkennen, dass derzeit die dargestellten Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorliegen würden. Der Senat ist vielmehr auf der Grundlage der insoweit weitgehend übereinstimmenden aktuellen Erkenntnisquellen davon überzeugt, dass in der Heimatregion des Klägers, d.h. in Kabul, schon kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von Art. 15 lit. c QRL (mehr) gegeben ist. Die dortige Sicherheitslage wird, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, die sich jedoch primär auf „prominente Ziele“ gerichtet haben, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet. Vor der von dem Kläger zitierten Anschlagsserie hat es offenbar sogar eine praktisch anschlagsfreie Zeit von fast 18 Monaten gegeben (Lagebericht AA vom 10.01.2012, S. 12; Kermani, Die Zeit vom 05.01.2012, 11 f.; Asylmagazin 12/2011, 418). Der Senat vermag deshalb der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Gießen (Urteil vom 20.06.2011 - 2 K 499/11.GI.A - www.asyl.net) nicht zu folgen, die in der Begründung vor allem auf die Konfliktgebiete im Süden bzw. Osten Afghanistans Bezug nimmt, und daher hinsichtlich des Leitsatzes, in ganz Afghanistan herrsche ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, zu wenig regional differenziert. Im dortigen Fall ging es im Übrigen, wenig vergleichbar, um einen alleinstehenden Jugendlichen im Alter von 15 Jahren aus der doch recht anders gelagerten Herkunftsregion Wardak. Bezüglich Kabuls selbst hebt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf fünf Anschläge zwischen Januar und Mai 2011 ab. Insoweit handelt es sich aber um Fälle "innerer Unruhen und Spannungen" im Sinne von Art. 2 des ZP II, die gerade nicht unter den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu subsumieren sind. In Übereinstimmung hiermit hat auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass in Kabul, trotz gegebener Übergriffe, kein bewaffneter Konflikt von solcher Dichte herrscht, dass darauf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angewandt werden könnte. Jedenfalls resultiere hieraus für Rückkehrer keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt (Urteil vom 16.06.2011 - 8 A 2011/10.A - juris). Der Senat kommt zum gegenwärtigen Zeitpunkt und für die Situation des Klägers zu derselben Einschätzung.
III.
32 
Im Falle des Klägers liegt auch der somit hilfsweise zu prüfende nationale Abschiebungsschutz derzeit nicht vor. Zu seinen Gunsten besteht kein Abschiebungsverbot (mehr) hinsichtlich Afghanistans gemäß des einheitlichen Streitgegenstands nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung.
33 
1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (- EMRK -, BGBl 1952 II 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Über diese Norm werden die Schutzregeln der EMRK in innerstaatliches Recht inkorporiert. Sowohl aus Systematik als auch Entstehungsgeschichte folgt jedoch, dass es insoweit nur um zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz geht. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, abgeleitet etwa aus Art. 8 EMRK, ziehen hingegen regelmäßig nur eine Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG nach sich. Bezüglich Art. 3 EMRK ist zudem die weitergehende und „unionsrechtlich aufgeladene“ Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen (vgl. zu § 60 Abs. 5: Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 45 ff., m.w.N.). Ob im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG auch nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG alle Gefährdungen grundsätzlich irrelevant sind, die von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen (so noch BVerwG, Urteil vom 15.04.1997 - 9 C 38.96 - zur Vorgängernorm des § 53 Abs. 4 AuslG, juris Rn. 10), kann vorliegend dahingestellt bleiben. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall des Klägers ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte.
34 
2. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Denn hinsichtlich des Schutzes vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich sperrt und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Aus diesem Normzweck folgt weiter, dass sich die „Allgemeinheit“ der Gefahr nicht danach bestimmt, ob diese sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kann vielmehr auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. Denn soweit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände wie etwa Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Gefährdungen geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1). Für die Personengruppe, der der Kläger angehört, besteht eine solche politische Abschiebestopp-Anordnung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in Baden-Württemberg derzeit nicht (mehr), seit mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.04.2005 (geändert am 01.08.2005, vgl. 21. Fortschreibung vom 23.01.2009, Az.: 4-13-AFG/8) in Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder bezüglich der Rückführung afghanischer Staatsangehöriger entschieden wurde, dass „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 2005 noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben, mit Vorrang zurückzuführen sind“. Im konkreten Einzelfall des Klägers greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auch unter Berücksichtigung von Verfassungsrecht.
35 
a) Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde (st. Rspr. des BVerwG, s. Urteile vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20, vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 und vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG). Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar ist (BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20). Das Vorliegen der Voraussetzungen ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau zu ermitteln (BVerwG, Beschluss vom 23.03.1999 - 9 B 866.98 - juris Rn. 7).
36 
b) Im Fall einer allgemein schlechten Versorgungslage sind Besonderheiten zu berücksichtigen. Denn hieraus resultierende Gefährdungen entspringen keinem zielgerichteten Handeln, sondern treffen die Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus und setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er gegebenenfalls auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - juris Rn. 48 ff.). Um dem Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung zu entsprechen, kann hinsichtlich einer allgemein schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation zudem nur dann angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Mit dem Begriff „alsbald“ ist dabei einerseits kein nur in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 - 9 C 13.97 - juris Rn. 8). Andererseits setzt die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Eine extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (BVerwG, Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 - juris Rn. 15).
37 
c) Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers heute jedenfalls nicht mehr gegeben. In Übereinstimmung mit anderen Obergerichten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188; Hess. VGH, Urteil vom 26.11.2009 - 8 A 1862/07.A - NVwZ-RR 2010, 331) hatte der Senat mit Urteil vom 14.05.2009 - A 11 S 610/08 - (DVBl 2009, 1327) entschieden, dass für Ausländer aus der Personengruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen männlichen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen, aufgrund der katastrophalen Versorgungslage bei einer Abschiebung nach Kabul eine extreme Gefahrensituation im dargelegten Sinne bestehe. Das Bundesverwaltungsgericht hat (auch) diese Entscheidung mit Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 16.10 - (juris) aufgehoben. Insbesondere die Feststellungen zum Vorliegen einer extremen Gefahr im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan verletzten Bundesrecht und würden einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten, denn die Entscheidung sei insbesondere hinsichtlich der festgestellten drohenden Mangelernährung und den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt. Das Bundesverwaltungsgericht betont: „‘Hunger‘ führt nicht zwangsläufig zum Tod, 'gesundheitliche Risiken' führen nicht notwendigerweise zu schwersten Gesundheitsschäden.“ Damit verfehle das Berufungsgericht den Begriff der Extremgefahr (so im Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 23.10 - juris Rn. 24 bzgl. einer Parallelentscheidung des Hess.VGH). Bei der erneuten Befassung mit der Sache sei der Senat gehalten, sich auch mit der gegenteiligen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (insbesondere: Bay.VGH, Urteil vom 03.02.2011 - 13a B 10.30394 - juris) auseinanderzusetzen.
38 
Es sei dahingestellt, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden kann, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen (kritisch: Hess.VGH, Urteil vom 25.08.2011 - 8 A 1657/10.A - juris Rn. 77). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vertritt jedenfalls in dem zum besonderen Studium aufgegebenen Urteil die Auffassung, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen sei, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Zwar sei zweifellos von einer äußerst schlechten Versorgungslage in Afghanistan auszugehen. Im Wege einer Gesamtgefahrenschau sei jedoch nicht anzunehmen, dass dort alsbald der sichere Tod drohe oder schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Bei der Wirtschaftslage bzw. den ökonomischen Rahmenbedingungen würden durchaus positive Tendenzen gesehen. Es sei mit einem realen jährlichen Wirtschaftswachstum zwischen 6 und 8 % zu rechnen. Auch hätten bessere Ernten zu einer Verbesserung der Gesamtversorgungslage geführt. Zwar sei die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich jedoch um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen. Wenn es heiße, dass der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei, bedeute dies andererseits, dass jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten seien. Dies ergebe sich auch aus dem Afghanistan Report 2010 von amnesty international, wonach Tausende von Vertriebenen in Behelfslagern lebten, wo sie nur begrenzten Zugang zu Lebensmitteln und Trinkwasser, Gesundheitsversorgung und Bildung erhalten würden. Eine Mindestversorgung sei damit aber gegeben. Auch sei eine hinreichende zeitliche Nähe („alsbald“) zwischen Rückkehr und lebensbedrohlichem Zustand aufgrund von Mangelernährung, unzureichenden Wohnverhältnissen und schwieriger Arbeitssuche nicht ersichtlich. Insgesamt sei davon auszugehen, dass ein 25-jähriger lediger und gesunder Afghane, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten trage, auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung im Falle einer Abschiebung nach Kabul dort in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren.
39 
Dies entspricht im Wesentlichen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschluss vom 26.10.2010 - 20 A 964/10.A -; Urteil vom 19.06.2008 - 20 A 4676/06.A - beide juris). Das Oberverwaltungsgericht vermochte dem Aspekt, dass positive Feststellungen zu den Modalitäten der Beschaffung des Lebensnotwendigen nicht zu treffen seien, kein entscheidendes Gewicht zu geben vor dem Umstand, dass die zahlreich vorliegenden Berichte für eine extreme Verelendung nichts hergeben würden, obwohl angesichts der hohen Rückkehrerzahlen aus den Nachbarländern und der Binnenfluchtbewegungen nicht davon ausgegangen werden könne, dass es an jeglichem Potential für Vergleichsfälle fehle (Urteil vom 19.06.2008, juris Rn. 80).
40 
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung der zitierten Gerichte nunmehr an, weil auch er eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul - dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel (Lagebericht AA v. 10.01.2012, S. 29 f.) - erkennen kann, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehen.
41 
Dem zentralen Argument des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, dass Fälle extremer Verelendung von Rückkehrern dokumentiert sein müssten, vermag der Senat keine aussagekräftigen Erkenntnisquellen entgegen zu setzen; es lässt sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht widerlegen. Insbesondere sind Erkenntnisquellen, die den Hungertod von Rückkehrern in Kabul dokumentieren, auch dem Senat nicht bekannt (ebenso: UNHCR vom 11.11.2011, 10 f.). Und in der Tat sind seit 2002 vor allem mit Hilfe des UNHCR insgesamt rund vier Millionen Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt, wenn auch davon nur ca. 15.000 aus anderen Ländern als Pakistan und dem Iran (Gietmann, Asylmagazin 12/2011, 413, m.w.N.). Infolgedessen gehört Kabul heute zu den Städten mit dem weltweit stärksten Bevölkerungswachstum. Betrug die Einwohnerzahl 2001 noch rund 1,5 Millionen, wurde sie von der Stadtverwaltung im Juni 2010 auf über 5 Millionen geschätzt. Der Bevölkerungsanteil der Rückkehrer und Binnenvertriebenen wird auf 70 % geschätzt (Yoshimura, Asylmagazin 12/2011, 408, m.w.N.).
42 
Allerdings sind sämtliche Informationen, die der Senat über die Situation in der Stadt finden kann, durchaus ambivalent. Einerseits heißt es, 23 % der Bevölkerung lebten dort unterhalb der Armutsgrenze. Insgesamt seien die Lebenshaltungskosten in Kabul im Laufe der vergangenen Jahre um 30 bis 50 % gestiegen. Bewohner seien auch beim Erwerb zahlreicher, selbst legaler Güter des Alltags gezwungen, Bestechungsgelder zu bezahlen. Die Kriminalität und Gefahr, Opfer von Überfällen zu werden, sei hoch (Landinfo 2011, Part II, 17). Kabul würde einer Stadt im permanenten Ausnahmezustand ähneln (Dr. Danesch vom 07.10.2010, Logar, 3). Nur 55,9 % der Haushalte verfügten über Zugang zu sauberem Wasser. Zahlreiche Brunnen im Stadtgebiet seien aufgrund der steigenden Inanspruchnahme ausgetrocknet bzw. erschöpft (ai vom 29.09.2009, 2). Bezahlbarer Strom liege für ärmere Kabuler Familien außerhalb der finanziellen Möglichkeiten. Die Arbeitslosenrate in Kabul werde auf bis zu 50 % geschätzt. Infolge des Mangels an bezahlbarem Wohnraum würden sich zahllose Menschen gezwungen sehen, in prekären Unterkünften wie Lehmhütten, Zelten oder alten beschädigten Gebäuden zu hausen. Die Bewohner dieser „informellen Siedlungen“ würden außerhalb des sozialen Sicherheitsnetzes leben und ihren Lebensunterhalt durch Betteln, den Verkauf von Müll und andere gering bezahlte Tätigkeiten bestreiten müssen. Über Nacht entstünden neue Armenviertel und Slums, in denen es weder Kanalisation noch Müllentsorgung und kaum sauberes Wasser, Elektrizität oder medizinische Hilfe gebe. Die Zahl derer, die auf der Flucht vor Krieg, Rechtlosigkeit, Willkürherrschaft und Armut in die Städte strömten, vergrößere sich tagtäglich. Besonders dramatisch nehme deshalb gerade in Kabul die Zahl von Obdachlosen und Drogenabhängigen zu. Ohnehin befinde sich Afghanistan auf dem Weg in einen Drogenstaat. 2011 sei erneut ein Dürrejahr gewesen und vor allem im Norden, dem friedlichen Teil des Landes, herrsche Hunger. Zusammenfassend sei eine Rückkehr nach Kabul ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen schlicht unzumutbar (vgl. ai vom 20.12.2010; Asylmagazin 12/2011, 408-414, m.w.N.).
43 
Andererseits wird berichtet, gerade in Kabul existiere eine rege Bautätigkeit. In den vergangenen Jahren seien zahlreiche Immobilienprojekte in Angriff genommen worden. In Folge dessen gebe es nunmehr vor allem im Bausektor, wenn auch schlecht bezahlte Tageslohnarbeit. Viele Stadtteile Kabuls würden seit 2009 zwischenzeitlich 24 Stunden am Tag mit Strom versorgt. Seit kurzem boome in einigen Städten wie Kabul und Masar-i-Scharif der Handel. Geschäfte würden über Nacht eröffnet und man habe mittlerweile ein großes, kaum einen Wunsch offenlassendes Warenangebot. Die Lage sei nicht gut, aber sie sei besser geworden. Jedenfalls im Stadtzentrum sei auch die Armut nicht mehr so offensichtlich. Es gebe nicht mehr überall bettelnde Frauen in Burkas und keine Banden von Kindern, die sich an Klebstoff berauschten. Dafür hätten unzählige Kebab-Stände eröffnet. Überhaupt gebe es deutlich zahlreichere Geschäfte als noch vor wenigen Jahren und sogar eine Müllabfuhr sowie ein Mindestmaß an Ordnung bzw. überhaupt wieder so etwas wie ein Stadtleben. Auch die Sicherheitslage in Kabul sei, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, unverändert stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch vor zwei Jahren (vgl. Lagebericht AA vom 10.01.2012; Kermani, Die Zeit vom 05.01.2012, 11 ff; Asylmagazin 12/2011, 408-414, m.w.N.).
44 
Vor diesem Hintergrund kann heute - trotz der ambivalenten Erkenntnisquellen - aufgrund der hohen Hürden des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige eine solche Extremgefahr nicht mehr begründet werden. Anders als noch 2009 sieht auch der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Die Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten „ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten“, trifft heute auch nach Überzeugung des Senats zu. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
45 
Im Falle des Klägers sind schließlich auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten. Der Kläger leidet derzeit unter keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen mehr und ist, wie seine Beschäftigung in einem Restaurant verdeutlicht, arbeitsfähig. Allein aufgrund des für die Verhältnisse in Afghanistan, wo junge Burschen häufig mit 15 Jahren verheiratet werden und ein 20-jähriger Mann meist bereits mehrere Kinder hat (so Dr. Danesch vom 07.10.2010, Paktia, S. 6), in der Tat fortgeschrittenen Alters kann deshalb keine extreme Gefahrenlage erkannt werden. Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es aufgrund der dem Kläger seit längerem und bis heute erteilten Duldungen an einer Schutzlücke für eine verfassungskonforme Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder gar schon dem Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. BVerwG, Urteile vom 12.07.2001 - 1 C 2.01 - BVerwGE 114, 378 und vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 12), kommt es damit nicht an.
III.
46 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylVfG.
IV.
47 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (§ 132 Abs. 2 VwGO).

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 06. März 2012 - A 11 S 3177/11 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 83


Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08

bei uns veröffentlicht am 14.05.2009

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2007 - A 6 K 4738/07 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens.

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 23. Jan. 2008 - A 11 K 521/06

bei uns veröffentlicht am 23.01.2008

Tenor 1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.03.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghani
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2015 - 13a ZB 15.30094

bei uns veröffentlicht am 20.05.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung geg

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Mai 2015 - 13a ZB 15.30075

bei uns veröffentlicht am 26.05.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung geg

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. Juni 2016 - 13a ZB 16.30083

bei uns veröffentlicht am 15.06.2016

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung g

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2015 - 13a ZB 15.30061

bei uns veröffentlicht am 13.04.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung geg

Referenzen

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.03.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein nach eigenen Angaben im Jahre 1969 geborener afghanischer Staatsangehöriger begehrt die Zuerkennung eines Abschiebungsschutzes.
Am 23.05.2002 stellte er seinen ersten Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 28.05.2002 gab er im Wesentlichen an: Sein Vater sei im Krieg 2001 umgekommen. Seine Mutter sei 2001 gestorben. (Auf die Frage, ob er noch weitere Verwandte im Heimatland habe:) Nein. Alle Geschwister seien im Krieg gestorben. Seine ganze Familie sei Opfer des Krieges geworden. Nur ein Onkel lebe noch dort, bei ihm könne er aber nicht leben. Er habe dort raus gewollt. Er habe nicht gegessen bei denen. Sein Cousin, der hier in Heidelberg lebe, habe ihm gesagt, er helfe ihm, aus Afghanistan raus zu kommen. Mit der Erinnerung habe er dort nicht mehr leben können. (Auf Frage, ob alle Familienangehörige während der Bombenangriffe im letzten Jahr ums Leben gekommen seien:) Zwei Schwestern, drei Brüder und die Eltern in ihrem Haus. Er sei bei den Schwiegereltern seines Bruders gewesen und habe die Kinder abholen wollen, weil die Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe. Dann habe er die Kinder für ein paar Tage geholt. An diesem Tag sei es dann passiert. Als er morgens von den Schwiegereltern seines Bruders habe zurückkehren wollen, sei ein Nachbar gekommen und habe berichtet, dass dies passiert sei.
Mit Bescheid vom 05.11.2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab. Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Dem Kläger wurde seine Abschiebung nach Afghanistan angedroht.
Die dagegen gerichtete Klage hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 28.01.2005 (A 10 K 12733/03) zurückgenommen.
Mit dem am 02.03.2006 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) eingegangenen Schreiben vom 27.02.2006 machte der Kläger ein Wiederaufgreifensantrag zu § 60 Abs. 2-7 AufenthG geltend. Zur Begründung legte er ein ärztliches Attest des Dr. med. ... vom 22.02.2006 vor, aus dem hervorgeht, dass der Kläger seit 2003 wegen Depression in hausärztlicher Behandlung und eine regelmäßige medikamentöse Behandlung sowie eine psychiatrische Therapie erforderlich ist. Eine Anhörung fand nicht statt.
Mit Bescheid vom 27.03.2006 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheides vom 05.11.2003 bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1-6 AuslG ab. Der Bescheid wurde dem Kläger am 29.03.2006 zugestellt.
Am 11.04.2006 hat der Kläger Klage erhoben; er beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG gegeben sind.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Seine Krankheit habe sich durch die in Deutschland fortgeschrittenen ärztlichen Behandlungen positiv entwickelt und diese Verbesserung seiner Krankheit könnte eine Veränderung der Sachlage zu seinen Gunsten im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG darstellen. Selbst wenn in Afghanistan Antidepressiva-Tabletten erhältlich seien, müsse in Deutschland bekannt sein, dass eine Heilung solcher psychologischer Krankheiten, wie sie bei ihm gegeben seien, in Afghanistan schwer vorstellbar sei. Des Weiteren legte er ein fachärztliches Attest eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie (...) vom 12.09.2007 und vom 22.01.2008 vor.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Sie ist der Ansicht, die im ärztlichen Attest vom 12.09.2007 aufgeführten Medikamente seien zwar in Kabul nicht erhältlich. Auf die Auskunft der IOM International Organization for Migration vom 02.02.2006 werde verwiesen. Es seien aber verschiedene andere Antidepressiva in Kabul problemlos verfügbar.
13 
Die Verwaltungsrechtssache wurde durch Beschluss vom 13.11.2007 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger angehört worden. Auf die dazu gefertigte Niederschrift wird verwiesen.
14 
Hinsichtlich des übrigen Vorbringens der Beteiligten sowie der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie die dem Kläger mitgeteilten und zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Erkenntnismittel verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).
16 
Nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hat das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Sennekamp, HTK-AuslR/§ 77 AsylVfG Anm. 3 zur Überprüfung der Ermessensentscheidung). Deshalb finden im vorliegenden Verfahren die am 28.08.2007 in Kraft getretenen Neuregelungen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970 ff.) - im Folgenden AufenthG - und die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 unmittelbar geltende Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2004/83/EG) Anwendung (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
17 
Das Bundesamt hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG verneint, soweit dies die Begründung des Folgeantrags unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung vom 22.02.2006 betrifft. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende und ausführliche Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, der es sich anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Ergänzend ist auszuführen: Das Gericht ist nicht befugt, andere als vom Asylbewerber selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2000, DVBl. 2000, 1048 ff. = NVwZ 2000, Beilage Nr. 7, 78 ff.; BVerwG, Urt. v. 30.08.1988, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG a.F. Nr. 8). Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG - wie hier - nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu § 53 Abs. 6 AuslG (§ 60 Abs. 7 AufenthG) zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, II-§ 71 Rdnr. 210 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG für Asylfolgeanträge die Möglichkeit einer solchen Ermessensentscheidung ausschließt; diese Regelungen sind weder unmittelbar noch entsprechend auf erneute Anträge zu § 60 Abs. 2-5 und 7 AufenthG anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 20.10.2004 - 1 C 15/03 -, BverwGE 122, 103 ff. = NVwZ 2005, 462 ff. m.w.N.).
18 
Ausgehend hiervon steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan aufgrund der schlechten Versorgungslage zu.
19 
Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für ihn eine konkrete, individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und dass sie ihm landesweit mit hoher Wahrscheinlichkeit droht (so zu der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, DVBl. 1996, 1257; vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 50; OVG Sachsen, Urt. v. 03.07.2003 - A 1 B 115/00 -, UA S. 28). § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG blieb durch das am 28.08.2007 in Kraft getretene Änderungsgesetz des Aufenthaltsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBI. I S. 1970) unverändert. Betroffen von der Änderung sind die Sätze 2 und 3 des § 60 Abs. 7 AufenthG. Diese lauten wie folgt: Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (S. 2). Gefahren nach S. 1 oder S. 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen gemäß § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen (S. 3).
20 
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfasst wie § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 - auch insoweit der Normstruktur des § 53 Abs. 6 AuslG entsprechend - nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wurden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG 2004 berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG 2004). Eine solchermaßen all-gemeine Gefahr unterfiel § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 grundsätzlich selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen droht; denn nach der bisherigen Rechtsprechung entfaltet bei allgemeinen Gefahren Satz 2 der Vorschrift eine „Sperrwirkung“ dahin, dass über die Gewährung von Abschiebungsschutz allein im Wege politischer Leitentscheidung befunden werden soll. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Rückgriff auf § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 jedoch bei einer allgemeinen Gefahr ausnahmsweise dann nicht gesperrt, wenn die Situation im Zielstaat der Abschiebung so extrem ist, dass die Abschiebung den Einzelnen „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde“ (vgl. wiederum zu § 53 Abs. 6 AuslG, BVerwG, Urteile v. 08.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 ff. m.w.N.). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen. Nur wenn extreme Gefahren mit diesem erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad landesweit drohen, ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG) gerechtfertigt (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2004 - 1 B 132/04 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 80 m.w.N. , Urt. v. 04.02.2004 - B 291/03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75 zitiert nach; Reinhard Marx, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung, § 42 Rdnr. 1 ff.).
21 
Eine extreme Gefahrenlage scheidet allerdings von vornherein aus, wenn gleichwertiger Schutz vor Abschiebung anderweitig durch eine erfolgte Einzelfallregelung oder durch einen Erlass vermittelt wird (vgl. BVerwG, Urteile v. 12. 07.2001 - 1 C 2.01 -, NVwZ 2001, 1420 u. v. 20.10.2004, a.a.O.). Diese Ausnahme greift vorliegend auch unter Berücksichtigung der Beschlusslage der Innenministerkonferenz und deren landesinterner Umsetzung nicht ein (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/03 -, UA S. 13 ff. u. Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -).
22 
Nach der Rechtsprechung des VG Karlsruhe ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) eine extreme Gefahr aufgrund der allgemeinen unzureichenden Versorgungslage zu bejahen für die Bevölkerungsgruppe der langjährig in Europa ansässigen, nicht freiwillig zurückkehrenden Flüchtlinge, die nicht auf den Rückhalt von Verwandten oder Bekannten/Freunden in Afghanistan und/oder dortigen erreichbaren Grundbesitz zurückgreifen können und/oder über für ein Leben am Existenzminimum ausreichende Ersparnisse verfügen und die deshalb außer Stande sind, aus eigener Kraft für ihre Existenz zu sorgen (VG Karlsruhe, Urteile v. 08.01.2008 - A 11 K 242/06 - u. - A 11 K 970/06 -, Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -, Urt. v. 07.12.2007 - A 11 K 432/07 -, Urt. v. 29.03.2006 - A 10 K 10740/04 - u. Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/02 -; i. Erg. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteile v. 05.05.2006 - 12 B 11.05 u. OVG 12 B 9.05 -; VG München, Urt. v. 26.09.2007 - M 23 K 07.50548 - m.w.N. u. Urt. v. 09.03.2007 - M 23 K 07.50194 - u. Urt. v. 12.03.2007 - M 23 K 04.51881 - jeweils in ; VG Frankfurt, Urt. v. 06.06.2007 - 3 E 4744/05.A - für alleinstehende junge Männer u. VG Frankfurt, Urt. v. 30.05.2007 - 3 E 614/04.A - für Frauen ; a.A. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ; OVG NW, Urt. v. 02.01.2007 - 20 A 424/05.A - u. Urt. v. 21.03.2007 - 20 A 5164/04.A - in besonders gelagerten Einzelfällen u. Urt. v. 05.04.2006 - 20 A 5161/04.A - jeweils in ; Bay. VGH, Beschl. v. 21.09.2007 - 6 ZB 06.31140 - ). Zur Versorgungslage hat das erkennende Gericht im Urteil vom 08.01.2008 (- A 11 K 242/06 -) Folgendes ausgeführt:
23 
„Zur Beurteilung der Versorgungslage existieren mehrere unterschiedliche Quellen, die kein einheitliches Bild ergeben. Die Berichte aus jüngster Zeit lassen aber darauf schließen, dass sich die allgemeine Versorgungslage zunehmend verschlechtert und insbesondere durch die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt verschärft hat, dass für den genannten Personenkreis eine extreme Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG anzunehmen ist. Der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.03.2007 führt zur Versorgungslage in Übereinstimmung mit dem Lagebericht vom 13.07.2006 Folgendes aus (Ziff. IV. 1.): Die Vereinten Nationen versorgen weiterhin noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend. Das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. In vielen Gebieten Afghanistans muss die Versorgungslage mit Lebensmitteln auch weiterhin als nicht zufrieden stellend bezeichnet werden. Humanitäre Nothilfeleistungen wurden 2006 in verschiedenen Landesteilen notwendig, zum Teil wegen Dürre, zum Teil wegen schwerer Überschwemmungen. Eine Versorgung der Notstandsgebiete ist oftmals, bedingt durch fehlende oder schlecht ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht mehr möglich. Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird vor allem im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind in Afghanistan nicht bekannt. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stämme übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in größeren Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren (vor allem aus Iran und Pakistan), wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Bei der Frage, wie die Reintegration eines Rückkehrers zu beurteilen ist, ist auch zu bedenken, dass die Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle einen besseren finanziellen Rückhalt, eine qualifizierte Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mitbringen als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Derartige Qualifikationen verschaffen ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Adäquate staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Zurückkehrende und begleitete Minderjährige gibt es nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht. Das Auswärtige Amt berichtet ferner über freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan aus dem Iran, Pakistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Diese sollen vom UNHCR eine begrenzte finanzielle Beihilfe und Sachmittel erhalten. Im Jahr 2006 ging die Zahl der mit Unterstützung durch UNHCR Zurückgekehrten mit ca. 150.000 Menschen (2005: 520.000) deutlich zurück. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kommen in den meisten Fällen bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapaziert. UNHCR hat mit verschiedenen NROen eine Vereinbarung über die Errichtung einer begrenzten Zahl von Unterkünften in den Provinzen und der Zentralregion um Kabul geschlossen. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht v. 17.03.2007, S. 26) leistet UNHCR (und z. T. IOM) über sein Rückkehrerprogramm Hilfe und unterstützt die afghanische Regierung bei der Formulierung von Strategien. Die Mehrzahl der Rückkehrer zieht in die Provinzen Kabul, Parwan, Kapisa, Logar, Wardak, Ghazni und Panjir. Die Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, unterscheiden sich nach Einschätzung des UNHCR nicht von denen anderer Afghanen (insbesondere in den Provinzen), sie sind aber sehr viel prononcierter. In erster Linie sind in diesem Zusammenhang Land- und Grundstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, Rückforderung ehemaligen Eigentums, illegale Besetzung von Land etc. offenbar werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Rechte wie Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc. mit Problemen behaftet. Ein Rückführungsabkommen gibt es bislang zwischen Deutschland und Afghanistan nicht. Die afghanische Regierung verlangt als Teil einer Vereinbarung zusätzliche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer aus Deutschland (Unterkunft, Arbeitsplatzbeschaffung etc.), zu deren Finanzierung sie sich selbst nicht in der Lage sieht (AA, Lagebericht v. 17.03.2007, S. 28).
24 
Das RANA-Programm mit seinem Budget von 4,5 Mio. Euro und weiteren Einrichtungen ist auf Dauer nicht geeignet, die Versorgung der Rückkehrer sicherzustellen, denn es gilt nicht für abgeschobene Asylbewerber. Das RANA-Programm hat zum Ziel, Afghanen, die aus Europa in ihr Heimatland freiwillig zurückkehren, zu unterstützen (IOM v. 07.12.2006 an OVG Bautzen; anderer Ansicht David, Niederschrift des OVG Berlin Brandenburg v. 25.03.2006, S. 10). Außerdem wurde bei seiner Verlängerung bis Ende April 2007 klargestellt, dass dies die letzte Verlängerung ist und das Programm eingestellt wird (AA, Auskunft v. 31.01.2007 an VG Kassel).
25 
Ein weitgehend düsteres Bild zeigt der Sachverständige Dr. Danesch über die tatsächlichen Verhältnisse auf, mit denen sich Asylbewerber nach ihrer Abschiebung konfrontiert sehen. Nach dessen auf einer Reise durch Afghanistan im Dezember 2005 gewonnenen Erfahrungen ist die Lage zurückkehrender Flüchtlinge so katastrophal, dass sie unmittelbar eine Existenzgefährdung für die Betroffenen darstellt (Dr. Danesch, Stellungnahmen v. 24.07.2004 an das OVG Bautzen, v. 25.01.2006 an das VG Hamburg u. v. 04.12.2006 an den VGH Kassel). Dr. Danesch weist insbesondere darauf hin, dass sich die Versorgungslage besonders in Kabul drastisch verschlechtert habe. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen. Der Umstand, dass es keine breite Berichterstattung über Todesfälle unter der armen Bevölkerung von Kabul gebe, bedeute nicht, dass diese nicht geschähen. Es handele sich buchstäblich um Menschen, nach denen in Afghanistan und im Ausland „kein Hahn kräht“ (Stellungnahme v. 04.12.2006 an VGH Kassel). Seinen Ausführungen zufolge ist in den letzten Jahren die Bevölkerungszahl Kabuls so sprunghaft angestiegen, dass nach offiziellen Angaben mittlerweile 4,5 Mio. Menschen dort leben. Insgesamt seien nach Angaben der UNHCR bis heute rund 4,4 Mio. Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt. Gerade durch den massenhaften Zustrom habe sich in den letzten Jahren die Versorgungslage in Kabul noch einmal massiv verschärft. Diese Gruppe von Flüchtlingen kehre keineswegs nach Afghanistan zurück, weil sich dort etwa die Lage verbessert habe, sondern weil sie von den bisherigen Aufnahmeländern Iran und besonders Pakistan massiv und teilweise auch gewaltsam zur Rückkehr gedrängt worden seien. Problematisch sei die geografische Lage Kabuls. Da die Stadt in einem von hohen Bergen umgebenden Talkessel liegt, sei die Möglichkeit zur räumlichen Ausdehnung von Ansiedlungen beschränkt. Auf diesem engen Raum drängten sich Millionen Menschen, von denen die meisten in den letzten Jahren als Flüchtlinge in die Stadt gekommen seien. Das Verkehrschaos, die Luftverschmutzung und der Müll in Kabul seien unbeschreiblich. Selbst die UNO habe sich verschätzt. Ursprünglich sollten die Millionen Rückkehrer wieder in ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten auf dem Land integriert werden; doch stattdessen strömten sie vor allem nach Kabul. Die meisten der ca. 2.400 Hilfsorganisationen säßen in Kabul, so dass in der Bevölkerung der Eindruck entstanden sei, dort würden sie von ihnen versorgt. Millionen Afghanen strebten nach Kabul in der Hoffnung, dort Hilfe - Infrastruktur, medizinische Versorgung, Wohnraum - zu erhalten. Diese Hoffnung trüge jedoch in den meisten Fällen. Grundsätzlich erhalte jede in Kabul eintreffende Familie - also auch abgeschobene Rückkehrer aus Europa - von der UN eine einmalige Hilfe von 12,-- Dollar pro Person. Dann seien die Menschen auf sich gestellt und müssten selbst nach einer Unterkunft suchen. Weitere Hilfen durch die UN oder Nichtregierungsorganisationen (NGOen) gebe es momentan in Kabul nicht. Von einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in Kabul habe er vor Ort nichts erkennen können. Vielmehr sei die Wohnsituation der Flüchtlinge katastrophal (Stellungnahme an VGH Kassel, S. 26). Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht. Der Organisation refutes international zufolge koste ein einfaches Zimmer 15,-- bis 20,-- Dollar im Monat; dazu sei allerdings anzumerken, dass man zu diesem Preis nur in weit vom Zentrum gelegenen Außenbezirken unterkomme, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Für eine primitive Zwei-Zimmer-Wohnung im Stadtgebiet von Kabul ohne Wasser, Heizung und Kanalisation müsse man monatlich mindestens 100,-- Dollar aufbringen, was für einen alleinstehenden Rückkehrer, selbst wenn er Gelegenheitsarbeiten finden sollte, nicht möglich sein werde, weil ein durchschnittlicher Tageslohn in Kabul ca. 2,-- Dollar betrage. Der Betroffene stünde wiederum auf der Straße oder wäre den buchstäblich lebensgefährlichen Zuständen ausgeliefert. Nach Angaben des „Afghanistan research and evaluation unit“ vom April 2006 würden solche provisorischen Siedlungen 70 % des Kabuler Stadtgebiets ausmachen und 80 % seiner Einwohner beherbergen. Die weite Verbreitung solcher Lebensverhältnisse mache sie jedoch nicht ungefährlicher; gerade durch die Verhältnisse und die damit verbundenen hygienischen Mängel seien viele Menschen erkrankt und gestorben. Diese kämen in den Statistiken nicht vor. Besonders gravierend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass ein großer Mangel an sauberem Trinkwasser bestehe. 60 bis 70 % der Kabuler Bevölkerung beziehe ihr Wasser von selbst gegrabenen Flachbrunnen oder öffentlichen Handpumpen, und manche Menschen müssten 1 bis 1½ Stunden zu Fuß gehen, um Wasser heran zu schaffen. Selbst wohlhabende Stadtgebiete würden nur tageweise mit Leitungswasser versorgt.
26 
Diese Beurteilung deckt sich in den hier interessierenden Punkten im Wesentlichen mit den Aussagen des in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 13.11.2007 im Verfahren A 11 K 507/06 vernommenen Zeugen Mir Atiq Sediq. Der Zeuge ist der Sohn des zum Termin geladenen Dolmetschers; er hielt sich in den letzten beiden Jahren zwei Mal längere Zeit in Kabul auf; im Jahr 2005 arbeitete er einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium. Er bestätigte vor allem die Angaben des Dr. Danesch, dass Kabul von der Bevölkerungszahl her stark gewachsen sei und die Preise für Wohnraum in die Höhe geschnellt seien sowie dass bezahlbarer Wohnraum nicht auf dem Wohnungsmarkt zu finden sei. Seinen Angaben zufolge sind die Mieten sehr hoch. Für ein einfaches Zimmer müsse man 50,-- Dollar bezahlen. Ein solches Zimmer werde in Kabul von einer achtköpfigen Familie und noch mehr Personen bewohnt. Die Mieten würden ein Jahr im Voraus verlangt, was auf das fehlende Vertrauen der Vermieter zurückzuführen sei. Außerdem seien die Unterkünfte sehr schlecht. Wegen dieser hohen Mietpreise müssten pro Familie zwei bis drei Personen arbeiten, um außer dem Mietpreis die notwendige Lebensgrundlage zu schaffen. Die Preise für Lebensmittel, die in Kabul grundsätzlich erhältlich seien, seien sehr hoch. Nach den Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq verdient ein Beamter oder Hilfsarbeiter etwa 50,-- Dollar im Monat; dieser Betrag werde allein schon für die Miete benötigt. Selbst wenn der Verdienst mittlerweile für einzelne Berufsgruppen höher ausfallen sollte, würde dies im Hinblick auf die allgemeine Preissteigerung für Lebensmittel und andere Güter nichts daran ändern, dass eine Person allein ein Leben in Kabul nicht bestreiten könne. Im Unterschied zu anders lautenden Quellen teilte der Zeuge Mir Atiq Sediq mit, in Kabul seien keinerlei Hilfsorganisationen mehr tätig. Diese befänden sich in den Provinzen. In Kabul habe er nur wenige Zelte angetroffen, die von Menschen bewohnt würden, die gewissermaßen wie Zigeuner lebten. Sie wanderten in wärmere Städte, wenn es in Kabul kalt werde. Der Zeuge Mir Atiq Sediq war dahin zu verstehen, dass er in Kabul keine Hilfsorganisationen antreffen konnte, die dort ihre Hilfe in Form von Wohnungen, Lagern, Zelten oder Lebensmittelausgaben angeboten hätten. Es bestehen keine Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq. Er hielt sich im Jahr 2006 drei Monate in Kabul auf, im Jahr zuvor insgesamt sechs Monate. Grund für seinen Aufenthalt in Kabul war u. a., dass er dort versucht hat, eine Arbeit zu finden. Er war einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium tätig und besuchte auch Randbezirke Kabuls sowie Mazar-e-Sharif. Beruflich ist er Diplomingenieur im Bereich Elektronik. Wegen zahlreicher Schwierigkeiten, darunter auch der fehlenden Qualifikation der Mitarbeiter bis hin zum Analphabetentum und einer Umorganisation der personellen Zusammensetzung der Ministerien gab er seine Arbeit auf. Der Zeuge berichtete lebensnah und unter Angabe vieler Details über die Verhältnisse in Kabul, weshalb keine Anhaltspunkte gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben und seine Glaubwürdigkeit insgesamt bestehen. Dies gilt auch für seine Ausführungen dazu, in welcher Form die GTZ Rückkehrern, auch aus Deutschland oder anderen Ländern abgeschobenen Afghanen, behilflich ist, einen Job zu finden. Dass sich die Internationalen Hilfsorganisationen aus Kabul zurückgezogen haben, wie er berichtete, wird durch allgemein zugängliche Quellen bestätigt (vgl. ai Info/Pressespiegel August 2007: Handelsblatt v. 23.07.2007 „Hilfsorganisationen überdenken ihre Strategie“; Rheinische Post v. 26.07.2007 „Deutsche Helfer in Gefahr“). Für den Rückzug gibt es mehrere Gründe: Die im letzten Jahr geschehenen Anschläge auf Hilfsorganisationen, bei denen es Tote, Verletzte und Entführte gab, die dadurch bewirkte Entmutigung der NGOen, die allgemein hohe Kriminalität und die damit einhergehende mangelnde Sicherheit. Die teilweise unterschiedlichen Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. Danesch, Mir Atiq Sediq und David, auf die noch näher eingegangen wird (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg v. 27.03.2006 - OVG 12 B 9.05 u. OVG 12 B 11.05 -), betreffen vorwiegend die Sicherheitslage in Kabul (s. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ), die zwar die Versorgungslage berührt, aber auch isoliert betrachtet werden kann. Unterschiede ergeben sich aber weniger in den Angaben zur Versorgungslage, sondern darin, wie die tatsächlichen Verhältnisse zu werten sind und ob sie für eine extreme Gefahr ausreichen. Was die unterschiedlichen Einschätzungen über die Existenz von Flüchtlingslagern angeht (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg über die Vernehmung des Zeugen David v. 27.03.2006, S. 10), sind diese Sachverhalte durch andere Quellen geklärt. Dass Rückkehrer aus europäischen Ländern nicht in Übergangslagern oder Zelten eine Unterkunft finden können, nehmen derzeit alle aktuellen Berichte an. Dies hat schon der Bericht von Veronika Arendt-Rojahn (PRO ASYL, Rückkehr nach Afghanistan, S. 15, 21) für die Situation der Rückkehrer im Jahr 2005 angesprochen. Dort heißt es, es sei die erklärte Politik des UNHCR, keine Zeltlager mehr entstehen zu lassen. Derartige Unterkünfte wurden in der Vergangenheit in beschränktem Umfang und nur vorübergehend für Rückkehrer aus Iran und Pakistan zur Verfügung gestellt (vgl. auch SFH v. 19.09.2006, Michael Kirschner, Auskunft der SFH-Länderanalyse). Dies lässt sich auch den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (v. 17.03.2007, S. 25 f. u. v. 13.07.2006, S. 18 ff.) entnehmen.“
27 
Im Hinblick auf die geschilderte schlechte Versorgungslage droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine extreme Gefahrenlage i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, weil er nach der Überzeugung des Gerichts in Afghanistan nicht auf Familienangehörige zurückgreifen kann und nicht in der Lage sein wird, eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dabei geht die Bedeutung der Familie weit über die verwandtschaftlichen Beziehungen der europäischen Kernfamilie hinaus. Familie hat darüber hinaus die überlebenswichtige Funktion der Versorgung und Pflege im Krankheitsfall und bei der Betreuung von Frauen und Kindern (Veronika Arendt-Rojahn u. a., PRO ASYL, S. 20; s. UNHCR v. 07.04.1998 an VG Hamburg). Bedeutsam wird der Familienverband insbesondere angesichts der Wohnsituation und des desolaten Zustandes des Gesundheitswesens. Zum Verbleib seiner Eltern, Schwestern und Brüder teilte er in der mündlichen Verhandlung - übereinstimmend mit seinen Angaben vor dem Bundesamt - mit, sie seien bei einem Bombenangriff der Taliban ums Leben gekommen. Unterschiedliche Angaben machte er zwar zum Hintergrund, warum er zum Zeitpunkt des Anschlags nicht zuhause gewesen sei. Während er bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte, er habe bei den Schwiegereltern seines Bruders die Kinder abgeholt, weil seine Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe, war davon in der mündlichen Verhandlung zunächst nicht die Rede. Zum Anlass seiner Abwesenheit berichtete er, dass er die künftigen Schwiegereltern seines Bruders aufgesucht habe, um den Besuch seiner Familie dort anzukündigen; beide Familien hätten gemeinsam die Hochzeitsvorbereitungen besprechen wollen und ihn habe man gewissermaßen vorausgeschickt. Erst auf Vorhalt seiner Angaben vor dem Bundesamt seitens des Gerichts, gab er an, eine Tochter eines anderen Bruders von ihm sei bei den künftigen Schwiegereltern ebenfalls im Hause gewesen. Eine Erklärung hierfür blieb aus. Obwohl das Vorbringen des Klägers zu diesem Komplex teilweise widersprüchlich und ungereimt ist, ist das Gericht aufgrund einiger konkreter Angaben und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Kläger, insbesondere seiner zum Ausdruck gebrachten inneren Anteilnahme an seinem Bericht über den todbringenden Anschlag, überzeugt, dass er bei einem Anschlag seine engere Familie verloren hat. Seine Betroffenheit mag auch ein Grund für seine teilweise verworrenen und ungereimten Angaben zu diesem Geschehen sein. Zu dem beim Bundesamt erwähnten einzigen Onkel in Afghanistan berichtete er glaubhaft, er sei gestorben und seine weiteren Verwandten, Onkel und Tanten sowie Cousins lebten außerhalb Afghanistans, im Bundesgebiet, in Kanada, Iran und Pakistan. Eine finanzielle Unterstützung des Klägers durch seinen weiteren Familienverband ist zwar denkbar. Eine solche wäre aber nicht ausreichend dafür, eine extreme Gefahrenlage in seinem Fall zu verneinen. Aufgrund seiner in Afghanistan absolvierten beruflichen Ausbildung als Sportlehrer und seiner im Bundesgebiet gewonnenen Erfahrungen bei der Arbeit im Restaurant seines Cousins ist der Kläger zwar für Hilfsarbeitertätigkeiten vermittelbar. Ob er im Schuldienst derzeit eine Anstellung als Sportlehrer finden würde, ist fraglich. Denn die Leistungsfähigkeit des Klägers ist aufgrund der ihm bescheinigten schwerwiegenden Depression mit Nebenwirkungen (s. Fachärztliches Attest v. 22.01.2008) erheblich reduziert, was seine Möglichkeiten schmälert, im Falle seiner Rückkehr als Alleinstehender eine Lebensgrundlage zu schaffen. Seine Chancen, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, sind deshalb gegenüber Mitbewerbern deutlich geringer. Außerdem fallen vorwiegend bei Bauprojekten Arbeitsplätze an, die dem Kläger auch zumutbar sind, die aber auch von vielen anderen Personen gesucht werden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die außerhalb Afghanistan lebenden Familienmitglieder des Klägers bereit und in der Lage sind, den Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg finanziell zu unterstützen, beispielsweise durch genügend Kapital für eine Geschäftsgründung, zumal auch die ihm attestierten Medikamente finanziert werden müssten. Bei einer Berücksichtigung der Gesamtsituation droht dem Kläger aufgrund der schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahr. Einer Entscheidung darüber, ob die ihm mit ärztlichem Attest vom 22.01.2008 attestierte Erkrankung die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfüllt (BVerwG, Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, 33 ff. m.w.N. = AuAS 2007, 30 ff.), bedarf es hiernach nicht.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Gründe

 
15 
Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).
16 
Nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hat das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Sennekamp, HTK-AuslR/§ 77 AsylVfG Anm. 3 zur Überprüfung der Ermessensentscheidung). Deshalb finden im vorliegenden Verfahren die am 28.08.2007 in Kraft getretenen Neuregelungen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970 ff.) - im Folgenden AufenthG - und die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 unmittelbar geltende Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2004/83/EG) Anwendung (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
17 
Das Bundesamt hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG verneint, soweit dies die Begründung des Folgeantrags unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung vom 22.02.2006 betrifft. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende und ausführliche Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, der es sich anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Ergänzend ist auszuführen: Das Gericht ist nicht befugt, andere als vom Asylbewerber selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2000, DVBl. 2000, 1048 ff. = NVwZ 2000, Beilage Nr. 7, 78 ff.; BVerwG, Urt. v. 30.08.1988, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG a.F. Nr. 8). Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG - wie hier - nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu § 53 Abs. 6 AuslG (§ 60 Abs. 7 AufenthG) zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, II-§ 71 Rdnr. 210 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG für Asylfolgeanträge die Möglichkeit einer solchen Ermessensentscheidung ausschließt; diese Regelungen sind weder unmittelbar noch entsprechend auf erneute Anträge zu § 60 Abs. 2-5 und 7 AufenthG anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 20.10.2004 - 1 C 15/03 -, BverwGE 122, 103 ff. = NVwZ 2005, 462 ff. m.w.N.).
18 
Ausgehend hiervon steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan aufgrund der schlechten Versorgungslage zu.
19 
Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für ihn eine konkrete, individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und dass sie ihm landesweit mit hoher Wahrscheinlichkeit droht (so zu der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, DVBl. 1996, 1257; vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 50; OVG Sachsen, Urt. v. 03.07.2003 - A 1 B 115/00 -, UA S. 28). § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG blieb durch das am 28.08.2007 in Kraft getretene Änderungsgesetz des Aufenthaltsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBI. I S. 1970) unverändert. Betroffen von der Änderung sind die Sätze 2 und 3 des § 60 Abs. 7 AufenthG. Diese lauten wie folgt: Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (S. 2). Gefahren nach S. 1 oder S. 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen gemäß § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen (S. 3).
20 
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfasst wie § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 - auch insoweit der Normstruktur des § 53 Abs. 6 AuslG entsprechend - nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wurden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG 2004 berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG 2004). Eine solchermaßen all-gemeine Gefahr unterfiel § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 grundsätzlich selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen droht; denn nach der bisherigen Rechtsprechung entfaltet bei allgemeinen Gefahren Satz 2 der Vorschrift eine „Sperrwirkung“ dahin, dass über die Gewährung von Abschiebungsschutz allein im Wege politischer Leitentscheidung befunden werden soll. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Rückgriff auf § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 jedoch bei einer allgemeinen Gefahr ausnahmsweise dann nicht gesperrt, wenn die Situation im Zielstaat der Abschiebung so extrem ist, dass die Abschiebung den Einzelnen „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde“ (vgl. wiederum zu § 53 Abs. 6 AuslG, BVerwG, Urteile v. 08.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 ff. m.w.N.). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen. Nur wenn extreme Gefahren mit diesem erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad landesweit drohen, ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG) gerechtfertigt (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2004 - 1 B 132/04 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 80 m.w.N. , Urt. v. 04.02.2004 - B 291/03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75 zitiert nach; Reinhard Marx, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung, § 42 Rdnr. 1 ff.).
21 
Eine extreme Gefahrenlage scheidet allerdings von vornherein aus, wenn gleichwertiger Schutz vor Abschiebung anderweitig durch eine erfolgte Einzelfallregelung oder durch einen Erlass vermittelt wird (vgl. BVerwG, Urteile v. 12. 07.2001 - 1 C 2.01 -, NVwZ 2001, 1420 u. v. 20.10.2004, a.a.O.). Diese Ausnahme greift vorliegend auch unter Berücksichtigung der Beschlusslage der Innenministerkonferenz und deren landesinterner Umsetzung nicht ein (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/03 -, UA S. 13 ff. u. Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -).
22 
Nach der Rechtsprechung des VG Karlsruhe ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) eine extreme Gefahr aufgrund der allgemeinen unzureichenden Versorgungslage zu bejahen für die Bevölkerungsgruppe der langjährig in Europa ansässigen, nicht freiwillig zurückkehrenden Flüchtlinge, die nicht auf den Rückhalt von Verwandten oder Bekannten/Freunden in Afghanistan und/oder dortigen erreichbaren Grundbesitz zurückgreifen können und/oder über für ein Leben am Existenzminimum ausreichende Ersparnisse verfügen und die deshalb außer Stande sind, aus eigener Kraft für ihre Existenz zu sorgen (VG Karlsruhe, Urteile v. 08.01.2008 - A 11 K 242/06 - u. - A 11 K 970/06 -, Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -, Urt. v. 07.12.2007 - A 11 K 432/07 -, Urt. v. 29.03.2006 - A 10 K 10740/04 - u. Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/02 -; i. Erg. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteile v. 05.05.2006 - 12 B 11.05 u. OVG 12 B 9.05 -; VG München, Urt. v. 26.09.2007 - M 23 K 07.50548 - m.w.N. u. Urt. v. 09.03.2007 - M 23 K 07.50194 - u. Urt. v. 12.03.2007 - M 23 K 04.51881 - jeweils in ; VG Frankfurt, Urt. v. 06.06.2007 - 3 E 4744/05.A - für alleinstehende junge Männer u. VG Frankfurt, Urt. v. 30.05.2007 - 3 E 614/04.A - für Frauen ; a.A. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ; OVG NW, Urt. v. 02.01.2007 - 20 A 424/05.A - u. Urt. v. 21.03.2007 - 20 A 5164/04.A - in besonders gelagerten Einzelfällen u. Urt. v. 05.04.2006 - 20 A 5161/04.A - jeweils in ; Bay. VGH, Beschl. v. 21.09.2007 - 6 ZB 06.31140 - ). Zur Versorgungslage hat das erkennende Gericht im Urteil vom 08.01.2008 (- A 11 K 242/06 -) Folgendes ausgeführt:
23 
„Zur Beurteilung der Versorgungslage existieren mehrere unterschiedliche Quellen, die kein einheitliches Bild ergeben. Die Berichte aus jüngster Zeit lassen aber darauf schließen, dass sich die allgemeine Versorgungslage zunehmend verschlechtert und insbesondere durch die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt verschärft hat, dass für den genannten Personenkreis eine extreme Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG anzunehmen ist. Der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.03.2007 führt zur Versorgungslage in Übereinstimmung mit dem Lagebericht vom 13.07.2006 Folgendes aus (Ziff. IV. 1.): Die Vereinten Nationen versorgen weiterhin noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend. Das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. In vielen Gebieten Afghanistans muss die Versorgungslage mit Lebensmitteln auch weiterhin als nicht zufrieden stellend bezeichnet werden. Humanitäre Nothilfeleistungen wurden 2006 in verschiedenen Landesteilen notwendig, zum Teil wegen Dürre, zum Teil wegen schwerer Überschwemmungen. Eine Versorgung der Notstandsgebiete ist oftmals, bedingt durch fehlende oder schlecht ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht mehr möglich. Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird vor allem im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind in Afghanistan nicht bekannt. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stämme übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in größeren Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren (vor allem aus Iran und Pakistan), wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Bei der Frage, wie die Reintegration eines Rückkehrers zu beurteilen ist, ist auch zu bedenken, dass die Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle einen besseren finanziellen Rückhalt, eine qualifizierte Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mitbringen als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Derartige Qualifikationen verschaffen ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Adäquate staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Zurückkehrende und begleitete Minderjährige gibt es nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht. Das Auswärtige Amt berichtet ferner über freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan aus dem Iran, Pakistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Diese sollen vom UNHCR eine begrenzte finanzielle Beihilfe und Sachmittel erhalten. Im Jahr 2006 ging die Zahl der mit Unterstützung durch UNHCR Zurückgekehrten mit ca. 150.000 Menschen (2005: 520.000) deutlich zurück. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kommen in den meisten Fällen bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapaziert. UNHCR hat mit verschiedenen NROen eine Vereinbarung über die Errichtung einer begrenzten Zahl von Unterkünften in den Provinzen und der Zentralregion um Kabul geschlossen. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht v. 17.03.2007, S. 26) leistet UNHCR (und z. T. IOM) über sein Rückkehrerprogramm Hilfe und unterstützt die afghanische Regierung bei der Formulierung von Strategien. Die Mehrzahl der Rückkehrer zieht in die Provinzen Kabul, Parwan, Kapisa, Logar, Wardak, Ghazni und Panjir. Die Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, unterscheiden sich nach Einschätzung des UNHCR nicht von denen anderer Afghanen (insbesondere in den Provinzen), sie sind aber sehr viel prononcierter. In erster Linie sind in diesem Zusammenhang Land- und Grundstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, Rückforderung ehemaligen Eigentums, illegale Besetzung von Land etc. offenbar werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Rechte wie Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc. mit Problemen behaftet. Ein Rückführungsabkommen gibt es bislang zwischen Deutschland und Afghanistan nicht. Die afghanische Regierung verlangt als Teil einer Vereinbarung zusätzliche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer aus Deutschland (Unterkunft, Arbeitsplatzbeschaffung etc.), zu deren Finanzierung sie sich selbst nicht in der Lage sieht (AA, Lagebericht v. 17.03.2007, S. 28).
24 
Das RANA-Programm mit seinem Budget von 4,5 Mio. Euro und weiteren Einrichtungen ist auf Dauer nicht geeignet, die Versorgung der Rückkehrer sicherzustellen, denn es gilt nicht für abgeschobene Asylbewerber. Das RANA-Programm hat zum Ziel, Afghanen, die aus Europa in ihr Heimatland freiwillig zurückkehren, zu unterstützen (IOM v. 07.12.2006 an OVG Bautzen; anderer Ansicht David, Niederschrift des OVG Berlin Brandenburg v. 25.03.2006, S. 10). Außerdem wurde bei seiner Verlängerung bis Ende April 2007 klargestellt, dass dies die letzte Verlängerung ist und das Programm eingestellt wird (AA, Auskunft v. 31.01.2007 an VG Kassel).
25 
Ein weitgehend düsteres Bild zeigt der Sachverständige Dr. Danesch über die tatsächlichen Verhältnisse auf, mit denen sich Asylbewerber nach ihrer Abschiebung konfrontiert sehen. Nach dessen auf einer Reise durch Afghanistan im Dezember 2005 gewonnenen Erfahrungen ist die Lage zurückkehrender Flüchtlinge so katastrophal, dass sie unmittelbar eine Existenzgefährdung für die Betroffenen darstellt (Dr. Danesch, Stellungnahmen v. 24.07.2004 an das OVG Bautzen, v. 25.01.2006 an das VG Hamburg u. v. 04.12.2006 an den VGH Kassel). Dr. Danesch weist insbesondere darauf hin, dass sich die Versorgungslage besonders in Kabul drastisch verschlechtert habe. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen. Der Umstand, dass es keine breite Berichterstattung über Todesfälle unter der armen Bevölkerung von Kabul gebe, bedeute nicht, dass diese nicht geschähen. Es handele sich buchstäblich um Menschen, nach denen in Afghanistan und im Ausland „kein Hahn kräht“ (Stellungnahme v. 04.12.2006 an VGH Kassel). Seinen Ausführungen zufolge ist in den letzten Jahren die Bevölkerungszahl Kabuls so sprunghaft angestiegen, dass nach offiziellen Angaben mittlerweile 4,5 Mio. Menschen dort leben. Insgesamt seien nach Angaben der UNHCR bis heute rund 4,4 Mio. Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt. Gerade durch den massenhaften Zustrom habe sich in den letzten Jahren die Versorgungslage in Kabul noch einmal massiv verschärft. Diese Gruppe von Flüchtlingen kehre keineswegs nach Afghanistan zurück, weil sich dort etwa die Lage verbessert habe, sondern weil sie von den bisherigen Aufnahmeländern Iran und besonders Pakistan massiv und teilweise auch gewaltsam zur Rückkehr gedrängt worden seien. Problematisch sei die geografische Lage Kabuls. Da die Stadt in einem von hohen Bergen umgebenden Talkessel liegt, sei die Möglichkeit zur räumlichen Ausdehnung von Ansiedlungen beschränkt. Auf diesem engen Raum drängten sich Millionen Menschen, von denen die meisten in den letzten Jahren als Flüchtlinge in die Stadt gekommen seien. Das Verkehrschaos, die Luftverschmutzung und der Müll in Kabul seien unbeschreiblich. Selbst die UNO habe sich verschätzt. Ursprünglich sollten die Millionen Rückkehrer wieder in ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten auf dem Land integriert werden; doch stattdessen strömten sie vor allem nach Kabul. Die meisten der ca. 2.400 Hilfsorganisationen säßen in Kabul, so dass in der Bevölkerung der Eindruck entstanden sei, dort würden sie von ihnen versorgt. Millionen Afghanen strebten nach Kabul in der Hoffnung, dort Hilfe - Infrastruktur, medizinische Versorgung, Wohnraum - zu erhalten. Diese Hoffnung trüge jedoch in den meisten Fällen. Grundsätzlich erhalte jede in Kabul eintreffende Familie - also auch abgeschobene Rückkehrer aus Europa - von der UN eine einmalige Hilfe von 12,-- Dollar pro Person. Dann seien die Menschen auf sich gestellt und müssten selbst nach einer Unterkunft suchen. Weitere Hilfen durch die UN oder Nichtregierungsorganisationen (NGOen) gebe es momentan in Kabul nicht. Von einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in Kabul habe er vor Ort nichts erkennen können. Vielmehr sei die Wohnsituation der Flüchtlinge katastrophal (Stellungnahme an VGH Kassel, S. 26). Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht. Der Organisation refutes international zufolge koste ein einfaches Zimmer 15,-- bis 20,-- Dollar im Monat; dazu sei allerdings anzumerken, dass man zu diesem Preis nur in weit vom Zentrum gelegenen Außenbezirken unterkomme, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Für eine primitive Zwei-Zimmer-Wohnung im Stadtgebiet von Kabul ohne Wasser, Heizung und Kanalisation müsse man monatlich mindestens 100,-- Dollar aufbringen, was für einen alleinstehenden Rückkehrer, selbst wenn er Gelegenheitsarbeiten finden sollte, nicht möglich sein werde, weil ein durchschnittlicher Tageslohn in Kabul ca. 2,-- Dollar betrage. Der Betroffene stünde wiederum auf der Straße oder wäre den buchstäblich lebensgefährlichen Zuständen ausgeliefert. Nach Angaben des „Afghanistan research and evaluation unit“ vom April 2006 würden solche provisorischen Siedlungen 70 % des Kabuler Stadtgebiets ausmachen und 80 % seiner Einwohner beherbergen. Die weite Verbreitung solcher Lebensverhältnisse mache sie jedoch nicht ungefährlicher; gerade durch die Verhältnisse und die damit verbundenen hygienischen Mängel seien viele Menschen erkrankt und gestorben. Diese kämen in den Statistiken nicht vor. Besonders gravierend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass ein großer Mangel an sauberem Trinkwasser bestehe. 60 bis 70 % der Kabuler Bevölkerung beziehe ihr Wasser von selbst gegrabenen Flachbrunnen oder öffentlichen Handpumpen, und manche Menschen müssten 1 bis 1½ Stunden zu Fuß gehen, um Wasser heran zu schaffen. Selbst wohlhabende Stadtgebiete würden nur tageweise mit Leitungswasser versorgt.
26 
Diese Beurteilung deckt sich in den hier interessierenden Punkten im Wesentlichen mit den Aussagen des in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 13.11.2007 im Verfahren A 11 K 507/06 vernommenen Zeugen Mir Atiq Sediq. Der Zeuge ist der Sohn des zum Termin geladenen Dolmetschers; er hielt sich in den letzten beiden Jahren zwei Mal längere Zeit in Kabul auf; im Jahr 2005 arbeitete er einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium. Er bestätigte vor allem die Angaben des Dr. Danesch, dass Kabul von der Bevölkerungszahl her stark gewachsen sei und die Preise für Wohnraum in die Höhe geschnellt seien sowie dass bezahlbarer Wohnraum nicht auf dem Wohnungsmarkt zu finden sei. Seinen Angaben zufolge sind die Mieten sehr hoch. Für ein einfaches Zimmer müsse man 50,-- Dollar bezahlen. Ein solches Zimmer werde in Kabul von einer achtköpfigen Familie und noch mehr Personen bewohnt. Die Mieten würden ein Jahr im Voraus verlangt, was auf das fehlende Vertrauen der Vermieter zurückzuführen sei. Außerdem seien die Unterkünfte sehr schlecht. Wegen dieser hohen Mietpreise müssten pro Familie zwei bis drei Personen arbeiten, um außer dem Mietpreis die notwendige Lebensgrundlage zu schaffen. Die Preise für Lebensmittel, die in Kabul grundsätzlich erhältlich seien, seien sehr hoch. Nach den Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq verdient ein Beamter oder Hilfsarbeiter etwa 50,-- Dollar im Monat; dieser Betrag werde allein schon für die Miete benötigt. Selbst wenn der Verdienst mittlerweile für einzelne Berufsgruppen höher ausfallen sollte, würde dies im Hinblick auf die allgemeine Preissteigerung für Lebensmittel und andere Güter nichts daran ändern, dass eine Person allein ein Leben in Kabul nicht bestreiten könne. Im Unterschied zu anders lautenden Quellen teilte der Zeuge Mir Atiq Sediq mit, in Kabul seien keinerlei Hilfsorganisationen mehr tätig. Diese befänden sich in den Provinzen. In Kabul habe er nur wenige Zelte angetroffen, die von Menschen bewohnt würden, die gewissermaßen wie Zigeuner lebten. Sie wanderten in wärmere Städte, wenn es in Kabul kalt werde. Der Zeuge Mir Atiq Sediq war dahin zu verstehen, dass er in Kabul keine Hilfsorganisationen antreffen konnte, die dort ihre Hilfe in Form von Wohnungen, Lagern, Zelten oder Lebensmittelausgaben angeboten hätten. Es bestehen keine Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq. Er hielt sich im Jahr 2006 drei Monate in Kabul auf, im Jahr zuvor insgesamt sechs Monate. Grund für seinen Aufenthalt in Kabul war u. a., dass er dort versucht hat, eine Arbeit zu finden. Er war einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium tätig und besuchte auch Randbezirke Kabuls sowie Mazar-e-Sharif. Beruflich ist er Diplomingenieur im Bereich Elektronik. Wegen zahlreicher Schwierigkeiten, darunter auch der fehlenden Qualifikation der Mitarbeiter bis hin zum Analphabetentum und einer Umorganisation der personellen Zusammensetzung der Ministerien gab er seine Arbeit auf. Der Zeuge berichtete lebensnah und unter Angabe vieler Details über die Verhältnisse in Kabul, weshalb keine Anhaltspunkte gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben und seine Glaubwürdigkeit insgesamt bestehen. Dies gilt auch für seine Ausführungen dazu, in welcher Form die GTZ Rückkehrern, auch aus Deutschland oder anderen Ländern abgeschobenen Afghanen, behilflich ist, einen Job zu finden. Dass sich die Internationalen Hilfsorganisationen aus Kabul zurückgezogen haben, wie er berichtete, wird durch allgemein zugängliche Quellen bestätigt (vgl. ai Info/Pressespiegel August 2007: Handelsblatt v. 23.07.2007 „Hilfsorganisationen überdenken ihre Strategie“; Rheinische Post v. 26.07.2007 „Deutsche Helfer in Gefahr“). Für den Rückzug gibt es mehrere Gründe: Die im letzten Jahr geschehenen Anschläge auf Hilfsorganisationen, bei denen es Tote, Verletzte und Entführte gab, die dadurch bewirkte Entmutigung der NGOen, die allgemein hohe Kriminalität und die damit einhergehende mangelnde Sicherheit. Die teilweise unterschiedlichen Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. Danesch, Mir Atiq Sediq und David, auf die noch näher eingegangen wird (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg v. 27.03.2006 - OVG 12 B 9.05 u. OVG 12 B 11.05 -), betreffen vorwiegend die Sicherheitslage in Kabul (s. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ), die zwar die Versorgungslage berührt, aber auch isoliert betrachtet werden kann. Unterschiede ergeben sich aber weniger in den Angaben zur Versorgungslage, sondern darin, wie die tatsächlichen Verhältnisse zu werten sind und ob sie für eine extreme Gefahr ausreichen. Was die unterschiedlichen Einschätzungen über die Existenz von Flüchtlingslagern angeht (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg über die Vernehmung des Zeugen David v. 27.03.2006, S. 10), sind diese Sachverhalte durch andere Quellen geklärt. Dass Rückkehrer aus europäischen Ländern nicht in Übergangslagern oder Zelten eine Unterkunft finden können, nehmen derzeit alle aktuellen Berichte an. Dies hat schon der Bericht von Veronika Arendt-Rojahn (PRO ASYL, Rückkehr nach Afghanistan, S. 15, 21) für die Situation der Rückkehrer im Jahr 2005 angesprochen. Dort heißt es, es sei die erklärte Politik des UNHCR, keine Zeltlager mehr entstehen zu lassen. Derartige Unterkünfte wurden in der Vergangenheit in beschränktem Umfang und nur vorübergehend für Rückkehrer aus Iran und Pakistan zur Verfügung gestellt (vgl. auch SFH v. 19.09.2006, Michael Kirschner, Auskunft der SFH-Länderanalyse). Dies lässt sich auch den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (v. 17.03.2007, S. 25 f. u. v. 13.07.2006, S. 18 ff.) entnehmen.“
27 
Im Hinblick auf die geschilderte schlechte Versorgungslage droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine extreme Gefahrenlage i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, weil er nach der Überzeugung des Gerichts in Afghanistan nicht auf Familienangehörige zurückgreifen kann und nicht in der Lage sein wird, eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dabei geht die Bedeutung der Familie weit über die verwandtschaftlichen Beziehungen der europäischen Kernfamilie hinaus. Familie hat darüber hinaus die überlebenswichtige Funktion der Versorgung und Pflege im Krankheitsfall und bei der Betreuung von Frauen und Kindern (Veronika Arendt-Rojahn u. a., PRO ASYL, S. 20; s. UNHCR v. 07.04.1998 an VG Hamburg). Bedeutsam wird der Familienverband insbesondere angesichts der Wohnsituation und des desolaten Zustandes des Gesundheitswesens. Zum Verbleib seiner Eltern, Schwestern und Brüder teilte er in der mündlichen Verhandlung - übereinstimmend mit seinen Angaben vor dem Bundesamt - mit, sie seien bei einem Bombenangriff der Taliban ums Leben gekommen. Unterschiedliche Angaben machte er zwar zum Hintergrund, warum er zum Zeitpunkt des Anschlags nicht zuhause gewesen sei. Während er bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte, er habe bei den Schwiegereltern seines Bruders die Kinder abgeholt, weil seine Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe, war davon in der mündlichen Verhandlung zunächst nicht die Rede. Zum Anlass seiner Abwesenheit berichtete er, dass er die künftigen Schwiegereltern seines Bruders aufgesucht habe, um den Besuch seiner Familie dort anzukündigen; beide Familien hätten gemeinsam die Hochzeitsvorbereitungen besprechen wollen und ihn habe man gewissermaßen vorausgeschickt. Erst auf Vorhalt seiner Angaben vor dem Bundesamt seitens des Gerichts, gab er an, eine Tochter eines anderen Bruders von ihm sei bei den künftigen Schwiegereltern ebenfalls im Hause gewesen. Eine Erklärung hierfür blieb aus. Obwohl das Vorbringen des Klägers zu diesem Komplex teilweise widersprüchlich und ungereimt ist, ist das Gericht aufgrund einiger konkreter Angaben und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Kläger, insbesondere seiner zum Ausdruck gebrachten inneren Anteilnahme an seinem Bericht über den todbringenden Anschlag, überzeugt, dass er bei einem Anschlag seine engere Familie verloren hat. Seine Betroffenheit mag auch ein Grund für seine teilweise verworrenen und ungereimten Angaben zu diesem Geschehen sein. Zu dem beim Bundesamt erwähnten einzigen Onkel in Afghanistan berichtete er glaubhaft, er sei gestorben und seine weiteren Verwandten, Onkel und Tanten sowie Cousins lebten außerhalb Afghanistans, im Bundesgebiet, in Kanada, Iran und Pakistan. Eine finanzielle Unterstützung des Klägers durch seinen weiteren Familienverband ist zwar denkbar. Eine solche wäre aber nicht ausreichend dafür, eine extreme Gefahrenlage in seinem Fall zu verneinen. Aufgrund seiner in Afghanistan absolvierten beruflichen Ausbildung als Sportlehrer und seiner im Bundesgebiet gewonnenen Erfahrungen bei der Arbeit im Restaurant seines Cousins ist der Kläger zwar für Hilfsarbeitertätigkeiten vermittelbar. Ob er im Schuldienst derzeit eine Anstellung als Sportlehrer finden würde, ist fraglich. Denn die Leistungsfähigkeit des Klägers ist aufgrund der ihm bescheinigten schwerwiegenden Depression mit Nebenwirkungen (s. Fachärztliches Attest v. 22.01.2008) erheblich reduziert, was seine Möglichkeiten schmälert, im Falle seiner Rückkehr als Alleinstehender eine Lebensgrundlage zu schaffen. Seine Chancen, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, sind deshalb gegenüber Mitbewerbern deutlich geringer. Außerdem fallen vorwiegend bei Bauprojekten Arbeitsplätze an, die dem Kläger auch zumutbar sind, die aber auch von vielen anderen Personen gesucht werden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die außerhalb Afghanistan lebenden Familienmitglieder des Klägers bereit und in der Lage sind, den Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg finanziell zu unterstützen, beispielsweise durch genügend Kapital für eine Geschäftsgründung, zumal auch die ihm attestierten Medikamente finanziert werden müssten. Bei einer Berücksichtigung der Gesamtsituation droht dem Kläger aufgrund der schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahr. Einer Entscheidung darüber, ob die ihm mit ärztlichem Attest vom 22.01.2008 attestierte Erkrankung die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfüllt (BVerwG, Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, 33 ff. m.w.N. = AuAS 2007, 30 ff.), bedarf es hiernach nicht.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.03.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein nach eigenen Angaben im Jahre 1969 geborener afghanischer Staatsangehöriger begehrt die Zuerkennung eines Abschiebungsschutzes.
Am 23.05.2002 stellte er seinen ersten Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 28.05.2002 gab er im Wesentlichen an: Sein Vater sei im Krieg 2001 umgekommen. Seine Mutter sei 2001 gestorben. (Auf die Frage, ob er noch weitere Verwandte im Heimatland habe:) Nein. Alle Geschwister seien im Krieg gestorben. Seine ganze Familie sei Opfer des Krieges geworden. Nur ein Onkel lebe noch dort, bei ihm könne er aber nicht leben. Er habe dort raus gewollt. Er habe nicht gegessen bei denen. Sein Cousin, der hier in Heidelberg lebe, habe ihm gesagt, er helfe ihm, aus Afghanistan raus zu kommen. Mit der Erinnerung habe er dort nicht mehr leben können. (Auf Frage, ob alle Familienangehörige während der Bombenangriffe im letzten Jahr ums Leben gekommen seien:) Zwei Schwestern, drei Brüder und die Eltern in ihrem Haus. Er sei bei den Schwiegereltern seines Bruders gewesen und habe die Kinder abholen wollen, weil die Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe. Dann habe er die Kinder für ein paar Tage geholt. An diesem Tag sei es dann passiert. Als er morgens von den Schwiegereltern seines Bruders habe zurückkehren wollen, sei ein Nachbar gekommen und habe berichtet, dass dies passiert sei.
Mit Bescheid vom 05.11.2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab. Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Dem Kläger wurde seine Abschiebung nach Afghanistan angedroht.
Die dagegen gerichtete Klage hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 28.01.2005 (A 10 K 12733/03) zurückgenommen.
Mit dem am 02.03.2006 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) eingegangenen Schreiben vom 27.02.2006 machte der Kläger ein Wiederaufgreifensantrag zu § 60 Abs. 2-7 AufenthG geltend. Zur Begründung legte er ein ärztliches Attest des Dr. med. ... vom 22.02.2006 vor, aus dem hervorgeht, dass der Kläger seit 2003 wegen Depression in hausärztlicher Behandlung und eine regelmäßige medikamentöse Behandlung sowie eine psychiatrische Therapie erforderlich ist. Eine Anhörung fand nicht statt.
Mit Bescheid vom 27.03.2006 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheides vom 05.11.2003 bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1-6 AuslG ab. Der Bescheid wurde dem Kläger am 29.03.2006 zugestellt.
Am 11.04.2006 hat der Kläger Klage erhoben; er beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG gegeben sind.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Seine Krankheit habe sich durch die in Deutschland fortgeschrittenen ärztlichen Behandlungen positiv entwickelt und diese Verbesserung seiner Krankheit könnte eine Veränderung der Sachlage zu seinen Gunsten im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG darstellen. Selbst wenn in Afghanistan Antidepressiva-Tabletten erhältlich seien, müsse in Deutschland bekannt sein, dass eine Heilung solcher psychologischer Krankheiten, wie sie bei ihm gegeben seien, in Afghanistan schwer vorstellbar sei. Des Weiteren legte er ein fachärztliches Attest eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie (...) vom 12.09.2007 und vom 22.01.2008 vor.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Sie ist der Ansicht, die im ärztlichen Attest vom 12.09.2007 aufgeführten Medikamente seien zwar in Kabul nicht erhältlich. Auf die Auskunft der IOM International Organization for Migration vom 02.02.2006 werde verwiesen. Es seien aber verschiedene andere Antidepressiva in Kabul problemlos verfügbar.
13 
Die Verwaltungsrechtssache wurde durch Beschluss vom 13.11.2007 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger angehört worden. Auf die dazu gefertigte Niederschrift wird verwiesen.
14 
Hinsichtlich des übrigen Vorbringens der Beteiligten sowie der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie die dem Kläger mitgeteilten und zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Erkenntnismittel verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).
16 
Nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hat das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Sennekamp, HTK-AuslR/§ 77 AsylVfG Anm. 3 zur Überprüfung der Ermessensentscheidung). Deshalb finden im vorliegenden Verfahren die am 28.08.2007 in Kraft getretenen Neuregelungen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970 ff.) - im Folgenden AufenthG - und die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 unmittelbar geltende Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2004/83/EG) Anwendung (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
17 
Das Bundesamt hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG verneint, soweit dies die Begründung des Folgeantrags unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung vom 22.02.2006 betrifft. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende und ausführliche Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, der es sich anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Ergänzend ist auszuführen: Das Gericht ist nicht befugt, andere als vom Asylbewerber selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2000, DVBl. 2000, 1048 ff. = NVwZ 2000, Beilage Nr. 7, 78 ff.; BVerwG, Urt. v. 30.08.1988, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG a.F. Nr. 8). Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG - wie hier - nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu § 53 Abs. 6 AuslG (§ 60 Abs. 7 AufenthG) zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, II-§ 71 Rdnr. 210 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG für Asylfolgeanträge die Möglichkeit einer solchen Ermessensentscheidung ausschließt; diese Regelungen sind weder unmittelbar noch entsprechend auf erneute Anträge zu § 60 Abs. 2-5 und 7 AufenthG anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 20.10.2004 - 1 C 15/03 -, BverwGE 122, 103 ff. = NVwZ 2005, 462 ff. m.w.N.).
18 
Ausgehend hiervon steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan aufgrund der schlechten Versorgungslage zu.
19 
Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für ihn eine konkrete, individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und dass sie ihm landesweit mit hoher Wahrscheinlichkeit droht (so zu der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, DVBl. 1996, 1257; vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 50; OVG Sachsen, Urt. v. 03.07.2003 - A 1 B 115/00 -, UA S. 28). § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG blieb durch das am 28.08.2007 in Kraft getretene Änderungsgesetz des Aufenthaltsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBI. I S. 1970) unverändert. Betroffen von der Änderung sind die Sätze 2 und 3 des § 60 Abs. 7 AufenthG. Diese lauten wie folgt: Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (S. 2). Gefahren nach S. 1 oder S. 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen gemäß § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen (S. 3).
20 
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfasst wie § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 - auch insoweit der Normstruktur des § 53 Abs. 6 AuslG entsprechend - nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wurden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG 2004 berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG 2004). Eine solchermaßen all-gemeine Gefahr unterfiel § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 grundsätzlich selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen droht; denn nach der bisherigen Rechtsprechung entfaltet bei allgemeinen Gefahren Satz 2 der Vorschrift eine „Sperrwirkung“ dahin, dass über die Gewährung von Abschiebungsschutz allein im Wege politischer Leitentscheidung befunden werden soll. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Rückgriff auf § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 jedoch bei einer allgemeinen Gefahr ausnahmsweise dann nicht gesperrt, wenn die Situation im Zielstaat der Abschiebung so extrem ist, dass die Abschiebung den Einzelnen „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde“ (vgl. wiederum zu § 53 Abs. 6 AuslG, BVerwG, Urteile v. 08.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 ff. m.w.N.). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen. Nur wenn extreme Gefahren mit diesem erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad landesweit drohen, ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG) gerechtfertigt (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2004 - 1 B 132/04 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 80 m.w.N. , Urt. v. 04.02.2004 - B 291/03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75 zitiert nach; Reinhard Marx, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung, § 42 Rdnr. 1 ff.).
21 
Eine extreme Gefahrenlage scheidet allerdings von vornherein aus, wenn gleichwertiger Schutz vor Abschiebung anderweitig durch eine erfolgte Einzelfallregelung oder durch einen Erlass vermittelt wird (vgl. BVerwG, Urteile v. 12. 07.2001 - 1 C 2.01 -, NVwZ 2001, 1420 u. v. 20.10.2004, a.a.O.). Diese Ausnahme greift vorliegend auch unter Berücksichtigung der Beschlusslage der Innenministerkonferenz und deren landesinterner Umsetzung nicht ein (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/03 -, UA S. 13 ff. u. Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -).
22 
Nach der Rechtsprechung des VG Karlsruhe ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) eine extreme Gefahr aufgrund der allgemeinen unzureichenden Versorgungslage zu bejahen für die Bevölkerungsgruppe der langjährig in Europa ansässigen, nicht freiwillig zurückkehrenden Flüchtlinge, die nicht auf den Rückhalt von Verwandten oder Bekannten/Freunden in Afghanistan und/oder dortigen erreichbaren Grundbesitz zurückgreifen können und/oder über für ein Leben am Existenzminimum ausreichende Ersparnisse verfügen und die deshalb außer Stande sind, aus eigener Kraft für ihre Existenz zu sorgen (VG Karlsruhe, Urteile v. 08.01.2008 - A 11 K 242/06 - u. - A 11 K 970/06 -, Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -, Urt. v. 07.12.2007 - A 11 K 432/07 -, Urt. v. 29.03.2006 - A 10 K 10740/04 - u. Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/02 -; i. Erg. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteile v. 05.05.2006 - 12 B 11.05 u. OVG 12 B 9.05 -; VG München, Urt. v. 26.09.2007 - M 23 K 07.50548 - m.w.N. u. Urt. v. 09.03.2007 - M 23 K 07.50194 - u. Urt. v. 12.03.2007 - M 23 K 04.51881 - jeweils in ; VG Frankfurt, Urt. v. 06.06.2007 - 3 E 4744/05.A - für alleinstehende junge Männer u. VG Frankfurt, Urt. v. 30.05.2007 - 3 E 614/04.A - für Frauen ; a.A. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ; OVG NW, Urt. v. 02.01.2007 - 20 A 424/05.A - u. Urt. v. 21.03.2007 - 20 A 5164/04.A - in besonders gelagerten Einzelfällen u. Urt. v. 05.04.2006 - 20 A 5161/04.A - jeweils in ; Bay. VGH, Beschl. v. 21.09.2007 - 6 ZB 06.31140 - ). Zur Versorgungslage hat das erkennende Gericht im Urteil vom 08.01.2008 (- A 11 K 242/06 -) Folgendes ausgeführt:
23 
„Zur Beurteilung der Versorgungslage existieren mehrere unterschiedliche Quellen, die kein einheitliches Bild ergeben. Die Berichte aus jüngster Zeit lassen aber darauf schließen, dass sich die allgemeine Versorgungslage zunehmend verschlechtert und insbesondere durch die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt verschärft hat, dass für den genannten Personenkreis eine extreme Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG anzunehmen ist. Der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.03.2007 führt zur Versorgungslage in Übereinstimmung mit dem Lagebericht vom 13.07.2006 Folgendes aus (Ziff. IV. 1.): Die Vereinten Nationen versorgen weiterhin noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend. Das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. In vielen Gebieten Afghanistans muss die Versorgungslage mit Lebensmitteln auch weiterhin als nicht zufrieden stellend bezeichnet werden. Humanitäre Nothilfeleistungen wurden 2006 in verschiedenen Landesteilen notwendig, zum Teil wegen Dürre, zum Teil wegen schwerer Überschwemmungen. Eine Versorgung der Notstandsgebiete ist oftmals, bedingt durch fehlende oder schlecht ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht mehr möglich. Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird vor allem im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind in Afghanistan nicht bekannt. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stämme übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in größeren Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren (vor allem aus Iran und Pakistan), wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Bei der Frage, wie die Reintegration eines Rückkehrers zu beurteilen ist, ist auch zu bedenken, dass die Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle einen besseren finanziellen Rückhalt, eine qualifizierte Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mitbringen als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Derartige Qualifikationen verschaffen ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Adäquate staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Zurückkehrende und begleitete Minderjährige gibt es nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht. Das Auswärtige Amt berichtet ferner über freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan aus dem Iran, Pakistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Diese sollen vom UNHCR eine begrenzte finanzielle Beihilfe und Sachmittel erhalten. Im Jahr 2006 ging die Zahl der mit Unterstützung durch UNHCR Zurückgekehrten mit ca. 150.000 Menschen (2005: 520.000) deutlich zurück. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kommen in den meisten Fällen bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapaziert. UNHCR hat mit verschiedenen NROen eine Vereinbarung über die Errichtung einer begrenzten Zahl von Unterkünften in den Provinzen und der Zentralregion um Kabul geschlossen. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht v. 17.03.2007, S. 26) leistet UNHCR (und z. T. IOM) über sein Rückkehrerprogramm Hilfe und unterstützt die afghanische Regierung bei der Formulierung von Strategien. Die Mehrzahl der Rückkehrer zieht in die Provinzen Kabul, Parwan, Kapisa, Logar, Wardak, Ghazni und Panjir. Die Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, unterscheiden sich nach Einschätzung des UNHCR nicht von denen anderer Afghanen (insbesondere in den Provinzen), sie sind aber sehr viel prononcierter. In erster Linie sind in diesem Zusammenhang Land- und Grundstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, Rückforderung ehemaligen Eigentums, illegale Besetzung von Land etc. offenbar werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Rechte wie Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc. mit Problemen behaftet. Ein Rückführungsabkommen gibt es bislang zwischen Deutschland und Afghanistan nicht. Die afghanische Regierung verlangt als Teil einer Vereinbarung zusätzliche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer aus Deutschland (Unterkunft, Arbeitsplatzbeschaffung etc.), zu deren Finanzierung sie sich selbst nicht in der Lage sieht (AA, Lagebericht v. 17.03.2007, S. 28).
24 
Das RANA-Programm mit seinem Budget von 4,5 Mio. Euro und weiteren Einrichtungen ist auf Dauer nicht geeignet, die Versorgung der Rückkehrer sicherzustellen, denn es gilt nicht für abgeschobene Asylbewerber. Das RANA-Programm hat zum Ziel, Afghanen, die aus Europa in ihr Heimatland freiwillig zurückkehren, zu unterstützen (IOM v. 07.12.2006 an OVG Bautzen; anderer Ansicht David, Niederschrift des OVG Berlin Brandenburg v. 25.03.2006, S. 10). Außerdem wurde bei seiner Verlängerung bis Ende April 2007 klargestellt, dass dies die letzte Verlängerung ist und das Programm eingestellt wird (AA, Auskunft v. 31.01.2007 an VG Kassel).
25 
Ein weitgehend düsteres Bild zeigt der Sachverständige Dr. Danesch über die tatsächlichen Verhältnisse auf, mit denen sich Asylbewerber nach ihrer Abschiebung konfrontiert sehen. Nach dessen auf einer Reise durch Afghanistan im Dezember 2005 gewonnenen Erfahrungen ist die Lage zurückkehrender Flüchtlinge so katastrophal, dass sie unmittelbar eine Existenzgefährdung für die Betroffenen darstellt (Dr. Danesch, Stellungnahmen v. 24.07.2004 an das OVG Bautzen, v. 25.01.2006 an das VG Hamburg u. v. 04.12.2006 an den VGH Kassel). Dr. Danesch weist insbesondere darauf hin, dass sich die Versorgungslage besonders in Kabul drastisch verschlechtert habe. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen. Der Umstand, dass es keine breite Berichterstattung über Todesfälle unter der armen Bevölkerung von Kabul gebe, bedeute nicht, dass diese nicht geschähen. Es handele sich buchstäblich um Menschen, nach denen in Afghanistan und im Ausland „kein Hahn kräht“ (Stellungnahme v. 04.12.2006 an VGH Kassel). Seinen Ausführungen zufolge ist in den letzten Jahren die Bevölkerungszahl Kabuls so sprunghaft angestiegen, dass nach offiziellen Angaben mittlerweile 4,5 Mio. Menschen dort leben. Insgesamt seien nach Angaben der UNHCR bis heute rund 4,4 Mio. Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt. Gerade durch den massenhaften Zustrom habe sich in den letzten Jahren die Versorgungslage in Kabul noch einmal massiv verschärft. Diese Gruppe von Flüchtlingen kehre keineswegs nach Afghanistan zurück, weil sich dort etwa die Lage verbessert habe, sondern weil sie von den bisherigen Aufnahmeländern Iran und besonders Pakistan massiv und teilweise auch gewaltsam zur Rückkehr gedrängt worden seien. Problematisch sei die geografische Lage Kabuls. Da die Stadt in einem von hohen Bergen umgebenden Talkessel liegt, sei die Möglichkeit zur räumlichen Ausdehnung von Ansiedlungen beschränkt. Auf diesem engen Raum drängten sich Millionen Menschen, von denen die meisten in den letzten Jahren als Flüchtlinge in die Stadt gekommen seien. Das Verkehrschaos, die Luftverschmutzung und der Müll in Kabul seien unbeschreiblich. Selbst die UNO habe sich verschätzt. Ursprünglich sollten die Millionen Rückkehrer wieder in ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten auf dem Land integriert werden; doch stattdessen strömten sie vor allem nach Kabul. Die meisten der ca. 2.400 Hilfsorganisationen säßen in Kabul, so dass in der Bevölkerung der Eindruck entstanden sei, dort würden sie von ihnen versorgt. Millionen Afghanen strebten nach Kabul in der Hoffnung, dort Hilfe - Infrastruktur, medizinische Versorgung, Wohnraum - zu erhalten. Diese Hoffnung trüge jedoch in den meisten Fällen. Grundsätzlich erhalte jede in Kabul eintreffende Familie - also auch abgeschobene Rückkehrer aus Europa - von der UN eine einmalige Hilfe von 12,-- Dollar pro Person. Dann seien die Menschen auf sich gestellt und müssten selbst nach einer Unterkunft suchen. Weitere Hilfen durch die UN oder Nichtregierungsorganisationen (NGOen) gebe es momentan in Kabul nicht. Von einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in Kabul habe er vor Ort nichts erkennen können. Vielmehr sei die Wohnsituation der Flüchtlinge katastrophal (Stellungnahme an VGH Kassel, S. 26). Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht. Der Organisation refutes international zufolge koste ein einfaches Zimmer 15,-- bis 20,-- Dollar im Monat; dazu sei allerdings anzumerken, dass man zu diesem Preis nur in weit vom Zentrum gelegenen Außenbezirken unterkomme, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Für eine primitive Zwei-Zimmer-Wohnung im Stadtgebiet von Kabul ohne Wasser, Heizung und Kanalisation müsse man monatlich mindestens 100,-- Dollar aufbringen, was für einen alleinstehenden Rückkehrer, selbst wenn er Gelegenheitsarbeiten finden sollte, nicht möglich sein werde, weil ein durchschnittlicher Tageslohn in Kabul ca. 2,-- Dollar betrage. Der Betroffene stünde wiederum auf der Straße oder wäre den buchstäblich lebensgefährlichen Zuständen ausgeliefert. Nach Angaben des „Afghanistan research and evaluation unit“ vom April 2006 würden solche provisorischen Siedlungen 70 % des Kabuler Stadtgebiets ausmachen und 80 % seiner Einwohner beherbergen. Die weite Verbreitung solcher Lebensverhältnisse mache sie jedoch nicht ungefährlicher; gerade durch die Verhältnisse und die damit verbundenen hygienischen Mängel seien viele Menschen erkrankt und gestorben. Diese kämen in den Statistiken nicht vor. Besonders gravierend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass ein großer Mangel an sauberem Trinkwasser bestehe. 60 bis 70 % der Kabuler Bevölkerung beziehe ihr Wasser von selbst gegrabenen Flachbrunnen oder öffentlichen Handpumpen, und manche Menschen müssten 1 bis 1½ Stunden zu Fuß gehen, um Wasser heran zu schaffen. Selbst wohlhabende Stadtgebiete würden nur tageweise mit Leitungswasser versorgt.
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Diese Beurteilung deckt sich in den hier interessierenden Punkten im Wesentlichen mit den Aussagen des in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 13.11.2007 im Verfahren A 11 K 507/06 vernommenen Zeugen Mir Atiq Sediq. Der Zeuge ist der Sohn des zum Termin geladenen Dolmetschers; er hielt sich in den letzten beiden Jahren zwei Mal längere Zeit in Kabul auf; im Jahr 2005 arbeitete er einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium. Er bestätigte vor allem die Angaben des Dr. Danesch, dass Kabul von der Bevölkerungszahl her stark gewachsen sei und die Preise für Wohnraum in die Höhe geschnellt seien sowie dass bezahlbarer Wohnraum nicht auf dem Wohnungsmarkt zu finden sei. Seinen Angaben zufolge sind die Mieten sehr hoch. Für ein einfaches Zimmer müsse man 50,-- Dollar bezahlen. Ein solches Zimmer werde in Kabul von einer achtköpfigen Familie und noch mehr Personen bewohnt. Die Mieten würden ein Jahr im Voraus verlangt, was auf das fehlende Vertrauen der Vermieter zurückzuführen sei. Außerdem seien die Unterkünfte sehr schlecht. Wegen dieser hohen Mietpreise müssten pro Familie zwei bis drei Personen arbeiten, um außer dem Mietpreis die notwendige Lebensgrundlage zu schaffen. Die Preise für Lebensmittel, die in Kabul grundsätzlich erhältlich seien, seien sehr hoch. Nach den Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq verdient ein Beamter oder Hilfsarbeiter etwa 50,-- Dollar im Monat; dieser Betrag werde allein schon für die Miete benötigt. Selbst wenn der Verdienst mittlerweile für einzelne Berufsgruppen höher ausfallen sollte, würde dies im Hinblick auf die allgemeine Preissteigerung für Lebensmittel und andere Güter nichts daran ändern, dass eine Person allein ein Leben in Kabul nicht bestreiten könne. Im Unterschied zu anders lautenden Quellen teilte der Zeuge Mir Atiq Sediq mit, in Kabul seien keinerlei Hilfsorganisationen mehr tätig. Diese befänden sich in den Provinzen. In Kabul habe er nur wenige Zelte angetroffen, die von Menschen bewohnt würden, die gewissermaßen wie Zigeuner lebten. Sie wanderten in wärmere Städte, wenn es in Kabul kalt werde. Der Zeuge Mir Atiq Sediq war dahin zu verstehen, dass er in Kabul keine Hilfsorganisationen antreffen konnte, die dort ihre Hilfe in Form von Wohnungen, Lagern, Zelten oder Lebensmittelausgaben angeboten hätten. Es bestehen keine Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq. Er hielt sich im Jahr 2006 drei Monate in Kabul auf, im Jahr zuvor insgesamt sechs Monate. Grund für seinen Aufenthalt in Kabul war u. a., dass er dort versucht hat, eine Arbeit zu finden. Er war einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium tätig und besuchte auch Randbezirke Kabuls sowie Mazar-e-Sharif. Beruflich ist er Diplomingenieur im Bereich Elektronik. Wegen zahlreicher Schwierigkeiten, darunter auch der fehlenden Qualifikation der Mitarbeiter bis hin zum Analphabetentum und einer Umorganisation der personellen Zusammensetzung der Ministerien gab er seine Arbeit auf. Der Zeuge berichtete lebensnah und unter Angabe vieler Details über die Verhältnisse in Kabul, weshalb keine Anhaltspunkte gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben und seine Glaubwürdigkeit insgesamt bestehen. Dies gilt auch für seine Ausführungen dazu, in welcher Form die GTZ Rückkehrern, auch aus Deutschland oder anderen Ländern abgeschobenen Afghanen, behilflich ist, einen Job zu finden. Dass sich die Internationalen Hilfsorganisationen aus Kabul zurückgezogen haben, wie er berichtete, wird durch allgemein zugängliche Quellen bestätigt (vgl. ai Info/Pressespiegel August 2007: Handelsblatt v. 23.07.2007 „Hilfsorganisationen überdenken ihre Strategie“; Rheinische Post v. 26.07.2007 „Deutsche Helfer in Gefahr“). Für den Rückzug gibt es mehrere Gründe: Die im letzten Jahr geschehenen Anschläge auf Hilfsorganisationen, bei denen es Tote, Verletzte und Entführte gab, die dadurch bewirkte Entmutigung der NGOen, die allgemein hohe Kriminalität und die damit einhergehende mangelnde Sicherheit. Die teilweise unterschiedlichen Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. Danesch, Mir Atiq Sediq und David, auf die noch näher eingegangen wird (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg v. 27.03.2006 - OVG 12 B 9.05 u. OVG 12 B 11.05 -), betreffen vorwiegend die Sicherheitslage in Kabul (s. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ), die zwar die Versorgungslage berührt, aber auch isoliert betrachtet werden kann. Unterschiede ergeben sich aber weniger in den Angaben zur Versorgungslage, sondern darin, wie die tatsächlichen Verhältnisse zu werten sind und ob sie für eine extreme Gefahr ausreichen. Was die unterschiedlichen Einschätzungen über die Existenz von Flüchtlingslagern angeht (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg über die Vernehmung des Zeugen David v. 27.03.2006, S. 10), sind diese Sachverhalte durch andere Quellen geklärt. Dass Rückkehrer aus europäischen Ländern nicht in Übergangslagern oder Zelten eine Unterkunft finden können, nehmen derzeit alle aktuellen Berichte an. Dies hat schon der Bericht von Veronika Arendt-Rojahn (PRO ASYL, Rückkehr nach Afghanistan, S. 15, 21) für die Situation der Rückkehrer im Jahr 2005 angesprochen. Dort heißt es, es sei die erklärte Politik des UNHCR, keine Zeltlager mehr entstehen zu lassen. Derartige Unterkünfte wurden in der Vergangenheit in beschränktem Umfang und nur vorübergehend für Rückkehrer aus Iran und Pakistan zur Verfügung gestellt (vgl. auch SFH v. 19.09.2006, Michael Kirschner, Auskunft der SFH-Länderanalyse). Dies lässt sich auch den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (v. 17.03.2007, S. 25 f. u. v. 13.07.2006, S. 18 ff.) entnehmen.“
27 
Im Hinblick auf die geschilderte schlechte Versorgungslage droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine extreme Gefahrenlage i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, weil er nach der Überzeugung des Gerichts in Afghanistan nicht auf Familienangehörige zurückgreifen kann und nicht in der Lage sein wird, eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dabei geht die Bedeutung der Familie weit über die verwandtschaftlichen Beziehungen der europäischen Kernfamilie hinaus. Familie hat darüber hinaus die überlebenswichtige Funktion der Versorgung und Pflege im Krankheitsfall und bei der Betreuung von Frauen und Kindern (Veronika Arendt-Rojahn u. a., PRO ASYL, S. 20; s. UNHCR v. 07.04.1998 an VG Hamburg). Bedeutsam wird der Familienverband insbesondere angesichts der Wohnsituation und des desolaten Zustandes des Gesundheitswesens. Zum Verbleib seiner Eltern, Schwestern und Brüder teilte er in der mündlichen Verhandlung - übereinstimmend mit seinen Angaben vor dem Bundesamt - mit, sie seien bei einem Bombenangriff der Taliban ums Leben gekommen. Unterschiedliche Angaben machte er zwar zum Hintergrund, warum er zum Zeitpunkt des Anschlags nicht zuhause gewesen sei. Während er bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte, er habe bei den Schwiegereltern seines Bruders die Kinder abgeholt, weil seine Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe, war davon in der mündlichen Verhandlung zunächst nicht die Rede. Zum Anlass seiner Abwesenheit berichtete er, dass er die künftigen Schwiegereltern seines Bruders aufgesucht habe, um den Besuch seiner Familie dort anzukündigen; beide Familien hätten gemeinsam die Hochzeitsvorbereitungen besprechen wollen und ihn habe man gewissermaßen vorausgeschickt. Erst auf Vorhalt seiner Angaben vor dem Bundesamt seitens des Gerichts, gab er an, eine Tochter eines anderen Bruders von ihm sei bei den künftigen Schwiegereltern ebenfalls im Hause gewesen. Eine Erklärung hierfür blieb aus. Obwohl das Vorbringen des Klägers zu diesem Komplex teilweise widersprüchlich und ungereimt ist, ist das Gericht aufgrund einiger konkreter Angaben und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Kläger, insbesondere seiner zum Ausdruck gebrachten inneren Anteilnahme an seinem Bericht über den todbringenden Anschlag, überzeugt, dass er bei einem Anschlag seine engere Familie verloren hat. Seine Betroffenheit mag auch ein Grund für seine teilweise verworrenen und ungereimten Angaben zu diesem Geschehen sein. Zu dem beim Bundesamt erwähnten einzigen Onkel in Afghanistan berichtete er glaubhaft, er sei gestorben und seine weiteren Verwandten, Onkel und Tanten sowie Cousins lebten außerhalb Afghanistans, im Bundesgebiet, in Kanada, Iran und Pakistan. Eine finanzielle Unterstützung des Klägers durch seinen weiteren Familienverband ist zwar denkbar. Eine solche wäre aber nicht ausreichend dafür, eine extreme Gefahrenlage in seinem Fall zu verneinen. Aufgrund seiner in Afghanistan absolvierten beruflichen Ausbildung als Sportlehrer und seiner im Bundesgebiet gewonnenen Erfahrungen bei der Arbeit im Restaurant seines Cousins ist der Kläger zwar für Hilfsarbeitertätigkeiten vermittelbar. Ob er im Schuldienst derzeit eine Anstellung als Sportlehrer finden würde, ist fraglich. Denn die Leistungsfähigkeit des Klägers ist aufgrund der ihm bescheinigten schwerwiegenden Depression mit Nebenwirkungen (s. Fachärztliches Attest v. 22.01.2008) erheblich reduziert, was seine Möglichkeiten schmälert, im Falle seiner Rückkehr als Alleinstehender eine Lebensgrundlage zu schaffen. Seine Chancen, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, sind deshalb gegenüber Mitbewerbern deutlich geringer. Außerdem fallen vorwiegend bei Bauprojekten Arbeitsplätze an, die dem Kläger auch zumutbar sind, die aber auch von vielen anderen Personen gesucht werden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die außerhalb Afghanistan lebenden Familienmitglieder des Klägers bereit und in der Lage sind, den Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg finanziell zu unterstützen, beispielsweise durch genügend Kapital für eine Geschäftsgründung, zumal auch die ihm attestierten Medikamente finanziert werden müssten. Bei einer Berücksichtigung der Gesamtsituation droht dem Kläger aufgrund der schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahr. Einer Entscheidung darüber, ob die ihm mit ärztlichem Attest vom 22.01.2008 attestierte Erkrankung die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfüllt (BVerwG, Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, 33 ff. m.w.N. = AuAS 2007, 30 ff.), bedarf es hiernach nicht.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Gründe

 
15 
Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).
16 
Nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hat das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Sennekamp, HTK-AuslR/§ 77 AsylVfG Anm. 3 zur Überprüfung der Ermessensentscheidung). Deshalb finden im vorliegenden Verfahren die am 28.08.2007 in Kraft getretenen Neuregelungen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970 ff.) - im Folgenden AufenthG - und die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 unmittelbar geltende Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2004/83/EG) Anwendung (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
17 
Das Bundesamt hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG verneint, soweit dies die Begründung des Folgeantrags unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung vom 22.02.2006 betrifft. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende und ausführliche Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, der es sich anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Ergänzend ist auszuführen: Das Gericht ist nicht befugt, andere als vom Asylbewerber selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2000, DVBl. 2000, 1048 ff. = NVwZ 2000, Beilage Nr. 7, 78 ff.; BVerwG, Urt. v. 30.08.1988, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG a.F. Nr. 8). Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG - wie hier - nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu § 53 Abs. 6 AuslG (§ 60 Abs. 7 AufenthG) zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, II-§ 71 Rdnr. 210 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG für Asylfolgeanträge die Möglichkeit einer solchen Ermessensentscheidung ausschließt; diese Regelungen sind weder unmittelbar noch entsprechend auf erneute Anträge zu § 60 Abs. 2-5 und 7 AufenthG anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 20.10.2004 - 1 C 15/03 -, BverwGE 122, 103 ff. = NVwZ 2005, 462 ff. m.w.N.).
18 
Ausgehend hiervon steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan aufgrund der schlechten Versorgungslage zu.
19 
Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für ihn eine konkrete, individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und dass sie ihm landesweit mit hoher Wahrscheinlichkeit droht (so zu der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, DVBl. 1996, 1257; vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 50; OVG Sachsen, Urt. v. 03.07.2003 - A 1 B 115/00 -, UA S. 28). § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG blieb durch das am 28.08.2007 in Kraft getretene Änderungsgesetz des Aufenthaltsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBI. I S. 1970) unverändert. Betroffen von der Änderung sind die Sätze 2 und 3 des § 60 Abs. 7 AufenthG. Diese lauten wie folgt: Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (S. 2). Gefahren nach S. 1 oder S. 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen gemäß § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen (S. 3).
20 
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfasst wie § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 - auch insoweit der Normstruktur des § 53 Abs. 6 AuslG entsprechend - nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wurden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG 2004 berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG 2004). Eine solchermaßen all-gemeine Gefahr unterfiel § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 grundsätzlich selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen droht; denn nach der bisherigen Rechtsprechung entfaltet bei allgemeinen Gefahren Satz 2 der Vorschrift eine „Sperrwirkung“ dahin, dass über die Gewährung von Abschiebungsschutz allein im Wege politischer Leitentscheidung befunden werden soll. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Rückgriff auf § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 jedoch bei einer allgemeinen Gefahr ausnahmsweise dann nicht gesperrt, wenn die Situation im Zielstaat der Abschiebung so extrem ist, dass die Abschiebung den Einzelnen „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde“ (vgl. wiederum zu § 53 Abs. 6 AuslG, BVerwG, Urteile v. 08.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 ff. m.w.N.). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen. Nur wenn extreme Gefahren mit diesem erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad landesweit drohen, ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG) gerechtfertigt (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2004 - 1 B 132/04 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 80 m.w.N. , Urt. v. 04.02.2004 - B 291/03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75 zitiert nach; Reinhard Marx, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung, § 42 Rdnr. 1 ff.).
21 
Eine extreme Gefahrenlage scheidet allerdings von vornherein aus, wenn gleichwertiger Schutz vor Abschiebung anderweitig durch eine erfolgte Einzelfallregelung oder durch einen Erlass vermittelt wird (vgl. BVerwG, Urteile v. 12. 07.2001 - 1 C 2.01 -, NVwZ 2001, 1420 u. v. 20.10.2004, a.a.O.). Diese Ausnahme greift vorliegend auch unter Berücksichtigung der Beschlusslage der Innenministerkonferenz und deren landesinterner Umsetzung nicht ein (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/03 -, UA S. 13 ff. u. Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -).
22 
Nach der Rechtsprechung des VG Karlsruhe ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) eine extreme Gefahr aufgrund der allgemeinen unzureichenden Versorgungslage zu bejahen für die Bevölkerungsgruppe der langjährig in Europa ansässigen, nicht freiwillig zurückkehrenden Flüchtlinge, die nicht auf den Rückhalt von Verwandten oder Bekannten/Freunden in Afghanistan und/oder dortigen erreichbaren Grundbesitz zurückgreifen können und/oder über für ein Leben am Existenzminimum ausreichende Ersparnisse verfügen und die deshalb außer Stande sind, aus eigener Kraft für ihre Existenz zu sorgen (VG Karlsruhe, Urteile v. 08.01.2008 - A 11 K 242/06 - u. - A 11 K 970/06 -, Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -, Urt. v. 07.12.2007 - A 11 K 432/07 -, Urt. v. 29.03.2006 - A 10 K 10740/04 - u. Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/02 -; i. Erg. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteile v. 05.05.2006 - 12 B 11.05 u. OVG 12 B 9.05 -; VG München, Urt. v. 26.09.2007 - M 23 K 07.50548 - m.w.N. u. Urt. v. 09.03.2007 - M 23 K 07.50194 - u. Urt. v. 12.03.2007 - M 23 K 04.51881 - jeweils in ; VG Frankfurt, Urt. v. 06.06.2007 - 3 E 4744/05.A - für alleinstehende junge Männer u. VG Frankfurt, Urt. v. 30.05.2007 - 3 E 614/04.A - für Frauen ; a.A. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ; OVG NW, Urt. v. 02.01.2007 - 20 A 424/05.A - u. Urt. v. 21.03.2007 - 20 A 5164/04.A - in besonders gelagerten Einzelfällen u. Urt. v. 05.04.2006 - 20 A 5161/04.A - jeweils in ; Bay. VGH, Beschl. v. 21.09.2007 - 6 ZB 06.31140 - ). Zur Versorgungslage hat das erkennende Gericht im Urteil vom 08.01.2008 (- A 11 K 242/06 -) Folgendes ausgeführt:
23 
„Zur Beurteilung der Versorgungslage existieren mehrere unterschiedliche Quellen, die kein einheitliches Bild ergeben. Die Berichte aus jüngster Zeit lassen aber darauf schließen, dass sich die allgemeine Versorgungslage zunehmend verschlechtert und insbesondere durch die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt verschärft hat, dass für den genannten Personenkreis eine extreme Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG anzunehmen ist. Der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.03.2007 führt zur Versorgungslage in Übereinstimmung mit dem Lagebericht vom 13.07.2006 Folgendes aus (Ziff. IV. 1.): Die Vereinten Nationen versorgen weiterhin noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend. Das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. In vielen Gebieten Afghanistans muss die Versorgungslage mit Lebensmitteln auch weiterhin als nicht zufrieden stellend bezeichnet werden. Humanitäre Nothilfeleistungen wurden 2006 in verschiedenen Landesteilen notwendig, zum Teil wegen Dürre, zum Teil wegen schwerer Überschwemmungen. Eine Versorgung der Notstandsgebiete ist oftmals, bedingt durch fehlende oder schlecht ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht mehr möglich. Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird vor allem im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind in Afghanistan nicht bekannt. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stämme übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in größeren Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren (vor allem aus Iran und Pakistan), wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Bei der Frage, wie die Reintegration eines Rückkehrers zu beurteilen ist, ist auch zu bedenken, dass die Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle einen besseren finanziellen Rückhalt, eine qualifizierte Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mitbringen als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Derartige Qualifikationen verschaffen ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Adäquate staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Zurückkehrende und begleitete Minderjährige gibt es nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht. Das Auswärtige Amt berichtet ferner über freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan aus dem Iran, Pakistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Diese sollen vom UNHCR eine begrenzte finanzielle Beihilfe und Sachmittel erhalten. Im Jahr 2006 ging die Zahl der mit Unterstützung durch UNHCR Zurückgekehrten mit ca. 150.000 Menschen (2005: 520.000) deutlich zurück. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kommen in den meisten Fällen bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapaziert. UNHCR hat mit verschiedenen NROen eine Vereinbarung über die Errichtung einer begrenzten Zahl von Unterkünften in den Provinzen und der Zentralregion um Kabul geschlossen. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht v. 17.03.2007, S. 26) leistet UNHCR (und z. T. IOM) über sein Rückkehrerprogramm Hilfe und unterstützt die afghanische Regierung bei der Formulierung von Strategien. Die Mehrzahl der Rückkehrer zieht in die Provinzen Kabul, Parwan, Kapisa, Logar, Wardak, Ghazni und Panjir. Die Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, unterscheiden sich nach Einschätzung des UNHCR nicht von denen anderer Afghanen (insbesondere in den Provinzen), sie sind aber sehr viel prononcierter. In erster Linie sind in diesem Zusammenhang Land- und Grundstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, Rückforderung ehemaligen Eigentums, illegale Besetzung von Land etc. offenbar werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Rechte wie Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc. mit Problemen behaftet. Ein Rückführungsabkommen gibt es bislang zwischen Deutschland und Afghanistan nicht. Die afghanische Regierung verlangt als Teil einer Vereinbarung zusätzliche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer aus Deutschland (Unterkunft, Arbeitsplatzbeschaffung etc.), zu deren Finanzierung sie sich selbst nicht in der Lage sieht (AA, Lagebericht v. 17.03.2007, S. 28).
24 
Das RANA-Programm mit seinem Budget von 4,5 Mio. Euro und weiteren Einrichtungen ist auf Dauer nicht geeignet, die Versorgung der Rückkehrer sicherzustellen, denn es gilt nicht für abgeschobene Asylbewerber. Das RANA-Programm hat zum Ziel, Afghanen, die aus Europa in ihr Heimatland freiwillig zurückkehren, zu unterstützen (IOM v. 07.12.2006 an OVG Bautzen; anderer Ansicht David, Niederschrift des OVG Berlin Brandenburg v. 25.03.2006, S. 10). Außerdem wurde bei seiner Verlängerung bis Ende April 2007 klargestellt, dass dies die letzte Verlängerung ist und das Programm eingestellt wird (AA, Auskunft v. 31.01.2007 an VG Kassel).
25 
Ein weitgehend düsteres Bild zeigt der Sachverständige Dr. Danesch über die tatsächlichen Verhältnisse auf, mit denen sich Asylbewerber nach ihrer Abschiebung konfrontiert sehen. Nach dessen auf einer Reise durch Afghanistan im Dezember 2005 gewonnenen Erfahrungen ist die Lage zurückkehrender Flüchtlinge so katastrophal, dass sie unmittelbar eine Existenzgefährdung für die Betroffenen darstellt (Dr. Danesch, Stellungnahmen v. 24.07.2004 an das OVG Bautzen, v. 25.01.2006 an das VG Hamburg u. v. 04.12.2006 an den VGH Kassel). Dr. Danesch weist insbesondere darauf hin, dass sich die Versorgungslage besonders in Kabul drastisch verschlechtert habe. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen. Der Umstand, dass es keine breite Berichterstattung über Todesfälle unter der armen Bevölkerung von Kabul gebe, bedeute nicht, dass diese nicht geschähen. Es handele sich buchstäblich um Menschen, nach denen in Afghanistan und im Ausland „kein Hahn kräht“ (Stellungnahme v. 04.12.2006 an VGH Kassel). Seinen Ausführungen zufolge ist in den letzten Jahren die Bevölkerungszahl Kabuls so sprunghaft angestiegen, dass nach offiziellen Angaben mittlerweile 4,5 Mio. Menschen dort leben. Insgesamt seien nach Angaben der UNHCR bis heute rund 4,4 Mio. Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt. Gerade durch den massenhaften Zustrom habe sich in den letzten Jahren die Versorgungslage in Kabul noch einmal massiv verschärft. Diese Gruppe von Flüchtlingen kehre keineswegs nach Afghanistan zurück, weil sich dort etwa die Lage verbessert habe, sondern weil sie von den bisherigen Aufnahmeländern Iran und besonders Pakistan massiv und teilweise auch gewaltsam zur Rückkehr gedrängt worden seien. Problematisch sei die geografische Lage Kabuls. Da die Stadt in einem von hohen Bergen umgebenden Talkessel liegt, sei die Möglichkeit zur räumlichen Ausdehnung von Ansiedlungen beschränkt. Auf diesem engen Raum drängten sich Millionen Menschen, von denen die meisten in den letzten Jahren als Flüchtlinge in die Stadt gekommen seien. Das Verkehrschaos, die Luftverschmutzung und der Müll in Kabul seien unbeschreiblich. Selbst die UNO habe sich verschätzt. Ursprünglich sollten die Millionen Rückkehrer wieder in ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten auf dem Land integriert werden; doch stattdessen strömten sie vor allem nach Kabul. Die meisten der ca. 2.400 Hilfsorganisationen säßen in Kabul, so dass in der Bevölkerung der Eindruck entstanden sei, dort würden sie von ihnen versorgt. Millionen Afghanen strebten nach Kabul in der Hoffnung, dort Hilfe - Infrastruktur, medizinische Versorgung, Wohnraum - zu erhalten. Diese Hoffnung trüge jedoch in den meisten Fällen. Grundsätzlich erhalte jede in Kabul eintreffende Familie - also auch abgeschobene Rückkehrer aus Europa - von der UN eine einmalige Hilfe von 12,-- Dollar pro Person. Dann seien die Menschen auf sich gestellt und müssten selbst nach einer Unterkunft suchen. Weitere Hilfen durch die UN oder Nichtregierungsorganisationen (NGOen) gebe es momentan in Kabul nicht. Von einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in Kabul habe er vor Ort nichts erkennen können. Vielmehr sei die Wohnsituation der Flüchtlinge katastrophal (Stellungnahme an VGH Kassel, S. 26). Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht. Der Organisation refutes international zufolge koste ein einfaches Zimmer 15,-- bis 20,-- Dollar im Monat; dazu sei allerdings anzumerken, dass man zu diesem Preis nur in weit vom Zentrum gelegenen Außenbezirken unterkomme, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Für eine primitive Zwei-Zimmer-Wohnung im Stadtgebiet von Kabul ohne Wasser, Heizung und Kanalisation müsse man monatlich mindestens 100,-- Dollar aufbringen, was für einen alleinstehenden Rückkehrer, selbst wenn er Gelegenheitsarbeiten finden sollte, nicht möglich sein werde, weil ein durchschnittlicher Tageslohn in Kabul ca. 2,-- Dollar betrage. Der Betroffene stünde wiederum auf der Straße oder wäre den buchstäblich lebensgefährlichen Zuständen ausgeliefert. Nach Angaben des „Afghanistan research and evaluation unit“ vom April 2006 würden solche provisorischen Siedlungen 70 % des Kabuler Stadtgebiets ausmachen und 80 % seiner Einwohner beherbergen. Die weite Verbreitung solcher Lebensverhältnisse mache sie jedoch nicht ungefährlicher; gerade durch die Verhältnisse und die damit verbundenen hygienischen Mängel seien viele Menschen erkrankt und gestorben. Diese kämen in den Statistiken nicht vor. Besonders gravierend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass ein großer Mangel an sauberem Trinkwasser bestehe. 60 bis 70 % der Kabuler Bevölkerung beziehe ihr Wasser von selbst gegrabenen Flachbrunnen oder öffentlichen Handpumpen, und manche Menschen müssten 1 bis 1½ Stunden zu Fuß gehen, um Wasser heran zu schaffen. Selbst wohlhabende Stadtgebiete würden nur tageweise mit Leitungswasser versorgt.
26 
Diese Beurteilung deckt sich in den hier interessierenden Punkten im Wesentlichen mit den Aussagen des in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 13.11.2007 im Verfahren A 11 K 507/06 vernommenen Zeugen Mir Atiq Sediq. Der Zeuge ist der Sohn des zum Termin geladenen Dolmetschers; er hielt sich in den letzten beiden Jahren zwei Mal längere Zeit in Kabul auf; im Jahr 2005 arbeitete er einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium. Er bestätigte vor allem die Angaben des Dr. Danesch, dass Kabul von der Bevölkerungszahl her stark gewachsen sei und die Preise für Wohnraum in die Höhe geschnellt seien sowie dass bezahlbarer Wohnraum nicht auf dem Wohnungsmarkt zu finden sei. Seinen Angaben zufolge sind die Mieten sehr hoch. Für ein einfaches Zimmer müsse man 50,-- Dollar bezahlen. Ein solches Zimmer werde in Kabul von einer achtköpfigen Familie und noch mehr Personen bewohnt. Die Mieten würden ein Jahr im Voraus verlangt, was auf das fehlende Vertrauen der Vermieter zurückzuführen sei. Außerdem seien die Unterkünfte sehr schlecht. Wegen dieser hohen Mietpreise müssten pro Familie zwei bis drei Personen arbeiten, um außer dem Mietpreis die notwendige Lebensgrundlage zu schaffen. Die Preise für Lebensmittel, die in Kabul grundsätzlich erhältlich seien, seien sehr hoch. Nach den Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq verdient ein Beamter oder Hilfsarbeiter etwa 50,-- Dollar im Monat; dieser Betrag werde allein schon für die Miete benötigt. Selbst wenn der Verdienst mittlerweile für einzelne Berufsgruppen höher ausfallen sollte, würde dies im Hinblick auf die allgemeine Preissteigerung für Lebensmittel und andere Güter nichts daran ändern, dass eine Person allein ein Leben in Kabul nicht bestreiten könne. Im Unterschied zu anders lautenden Quellen teilte der Zeuge Mir Atiq Sediq mit, in Kabul seien keinerlei Hilfsorganisationen mehr tätig. Diese befänden sich in den Provinzen. In Kabul habe er nur wenige Zelte angetroffen, die von Menschen bewohnt würden, die gewissermaßen wie Zigeuner lebten. Sie wanderten in wärmere Städte, wenn es in Kabul kalt werde. Der Zeuge Mir Atiq Sediq war dahin zu verstehen, dass er in Kabul keine Hilfsorganisationen antreffen konnte, die dort ihre Hilfe in Form von Wohnungen, Lagern, Zelten oder Lebensmittelausgaben angeboten hätten. Es bestehen keine Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq. Er hielt sich im Jahr 2006 drei Monate in Kabul auf, im Jahr zuvor insgesamt sechs Monate. Grund für seinen Aufenthalt in Kabul war u. a., dass er dort versucht hat, eine Arbeit zu finden. Er war einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium tätig und besuchte auch Randbezirke Kabuls sowie Mazar-e-Sharif. Beruflich ist er Diplomingenieur im Bereich Elektronik. Wegen zahlreicher Schwierigkeiten, darunter auch der fehlenden Qualifikation der Mitarbeiter bis hin zum Analphabetentum und einer Umorganisation der personellen Zusammensetzung der Ministerien gab er seine Arbeit auf. Der Zeuge berichtete lebensnah und unter Angabe vieler Details über die Verhältnisse in Kabul, weshalb keine Anhaltspunkte gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben und seine Glaubwürdigkeit insgesamt bestehen. Dies gilt auch für seine Ausführungen dazu, in welcher Form die GTZ Rückkehrern, auch aus Deutschland oder anderen Ländern abgeschobenen Afghanen, behilflich ist, einen Job zu finden. Dass sich die Internationalen Hilfsorganisationen aus Kabul zurückgezogen haben, wie er berichtete, wird durch allgemein zugängliche Quellen bestätigt (vgl. ai Info/Pressespiegel August 2007: Handelsblatt v. 23.07.2007 „Hilfsorganisationen überdenken ihre Strategie“; Rheinische Post v. 26.07.2007 „Deutsche Helfer in Gefahr“). Für den Rückzug gibt es mehrere Gründe: Die im letzten Jahr geschehenen Anschläge auf Hilfsorganisationen, bei denen es Tote, Verletzte und Entführte gab, die dadurch bewirkte Entmutigung der NGOen, die allgemein hohe Kriminalität und die damit einhergehende mangelnde Sicherheit. Die teilweise unterschiedlichen Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. Danesch, Mir Atiq Sediq und David, auf die noch näher eingegangen wird (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg v. 27.03.2006 - OVG 12 B 9.05 u. OVG 12 B 11.05 -), betreffen vorwiegend die Sicherheitslage in Kabul (s. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ), die zwar die Versorgungslage berührt, aber auch isoliert betrachtet werden kann. Unterschiede ergeben sich aber weniger in den Angaben zur Versorgungslage, sondern darin, wie die tatsächlichen Verhältnisse zu werten sind und ob sie für eine extreme Gefahr ausreichen. Was die unterschiedlichen Einschätzungen über die Existenz von Flüchtlingslagern angeht (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg über die Vernehmung des Zeugen David v. 27.03.2006, S. 10), sind diese Sachverhalte durch andere Quellen geklärt. Dass Rückkehrer aus europäischen Ländern nicht in Übergangslagern oder Zelten eine Unterkunft finden können, nehmen derzeit alle aktuellen Berichte an. Dies hat schon der Bericht von Veronika Arendt-Rojahn (PRO ASYL, Rückkehr nach Afghanistan, S. 15, 21) für die Situation der Rückkehrer im Jahr 2005 angesprochen. Dort heißt es, es sei die erklärte Politik des UNHCR, keine Zeltlager mehr entstehen zu lassen. Derartige Unterkünfte wurden in der Vergangenheit in beschränktem Umfang und nur vorübergehend für Rückkehrer aus Iran und Pakistan zur Verfügung gestellt (vgl. auch SFH v. 19.09.2006, Michael Kirschner, Auskunft der SFH-Länderanalyse). Dies lässt sich auch den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (v. 17.03.2007, S. 25 f. u. v. 13.07.2006, S. 18 ff.) entnehmen.“
27 
Im Hinblick auf die geschilderte schlechte Versorgungslage droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine extreme Gefahrenlage i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, weil er nach der Überzeugung des Gerichts in Afghanistan nicht auf Familienangehörige zurückgreifen kann und nicht in der Lage sein wird, eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dabei geht die Bedeutung der Familie weit über die verwandtschaftlichen Beziehungen der europäischen Kernfamilie hinaus. Familie hat darüber hinaus die überlebenswichtige Funktion der Versorgung und Pflege im Krankheitsfall und bei der Betreuung von Frauen und Kindern (Veronika Arendt-Rojahn u. a., PRO ASYL, S. 20; s. UNHCR v. 07.04.1998 an VG Hamburg). Bedeutsam wird der Familienverband insbesondere angesichts der Wohnsituation und des desolaten Zustandes des Gesundheitswesens. Zum Verbleib seiner Eltern, Schwestern und Brüder teilte er in der mündlichen Verhandlung - übereinstimmend mit seinen Angaben vor dem Bundesamt - mit, sie seien bei einem Bombenangriff der Taliban ums Leben gekommen. Unterschiedliche Angaben machte er zwar zum Hintergrund, warum er zum Zeitpunkt des Anschlags nicht zuhause gewesen sei. Während er bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte, er habe bei den Schwiegereltern seines Bruders die Kinder abgeholt, weil seine Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe, war davon in der mündlichen Verhandlung zunächst nicht die Rede. Zum Anlass seiner Abwesenheit berichtete er, dass er die künftigen Schwiegereltern seines Bruders aufgesucht habe, um den Besuch seiner Familie dort anzukündigen; beide Familien hätten gemeinsam die Hochzeitsvorbereitungen besprechen wollen und ihn habe man gewissermaßen vorausgeschickt. Erst auf Vorhalt seiner Angaben vor dem Bundesamt seitens des Gerichts, gab er an, eine Tochter eines anderen Bruders von ihm sei bei den künftigen Schwiegereltern ebenfalls im Hause gewesen. Eine Erklärung hierfür blieb aus. Obwohl das Vorbringen des Klägers zu diesem Komplex teilweise widersprüchlich und ungereimt ist, ist das Gericht aufgrund einiger konkreter Angaben und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Kläger, insbesondere seiner zum Ausdruck gebrachten inneren Anteilnahme an seinem Bericht über den todbringenden Anschlag, überzeugt, dass er bei einem Anschlag seine engere Familie verloren hat. Seine Betroffenheit mag auch ein Grund für seine teilweise verworrenen und ungereimten Angaben zu diesem Geschehen sein. Zu dem beim Bundesamt erwähnten einzigen Onkel in Afghanistan berichtete er glaubhaft, er sei gestorben und seine weiteren Verwandten, Onkel und Tanten sowie Cousins lebten außerhalb Afghanistans, im Bundesgebiet, in Kanada, Iran und Pakistan. Eine finanzielle Unterstützung des Klägers durch seinen weiteren Familienverband ist zwar denkbar. Eine solche wäre aber nicht ausreichend dafür, eine extreme Gefahrenlage in seinem Fall zu verneinen. Aufgrund seiner in Afghanistan absolvierten beruflichen Ausbildung als Sportlehrer und seiner im Bundesgebiet gewonnenen Erfahrungen bei der Arbeit im Restaurant seines Cousins ist der Kläger zwar für Hilfsarbeitertätigkeiten vermittelbar. Ob er im Schuldienst derzeit eine Anstellung als Sportlehrer finden würde, ist fraglich. Denn die Leistungsfähigkeit des Klägers ist aufgrund der ihm bescheinigten schwerwiegenden Depression mit Nebenwirkungen (s. Fachärztliches Attest v. 22.01.2008) erheblich reduziert, was seine Möglichkeiten schmälert, im Falle seiner Rückkehr als Alleinstehender eine Lebensgrundlage zu schaffen. Seine Chancen, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, sind deshalb gegenüber Mitbewerbern deutlich geringer. Außerdem fallen vorwiegend bei Bauprojekten Arbeitsplätze an, die dem Kläger auch zumutbar sind, die aber auch von vielen anderen Personen gesucht werden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die außerhalb Afghanistan lebenden Familienmitglieder des Klägers bereit und in der Lage sind, den Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg finanziell zu unterstützen, beispielsweise durch genügend Kapital für eine Geschäftsgründung, zumal auch die ihm attestierten Medikamente finanziert werden müssten. Bei einer Berücksichtigung der Gesamtsituation droht dem Kläger aufgrund der schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahr. Einer Entscheidung darüber, ob die ihm mit ärztlichem Attest vom 22.01.2008 attestierte Erkrankung die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfüllt (BVerwG, Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, 33 ff. m.w.N. = AuAS 2007, 30 ff.), bedarf es hiernach nicht.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.03.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein nach eigenen Angaben im Jahre 1969 geborener afghanischer Staatsangehöriger begehrt die Zuerkennung eines Abschiebungsschutzes.
Am 23.05.2002 stellte er seinen ersten Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 28.05.2002 gab er im Wesentlichen an: Sein Vater sei im Krieg 2001 umgekommen. Seine Mutter sei 2001 gestorben. (Auf die Frage, ob er noch weitere Verwandte im Heimatland habe:) Nein. Alle Geschwister seien im Krieg gestorben. Seine ganze Familie sei Opfer des Krieges geworden. Nur ein Onkel lebe noch dort, bei ihm könne er aber nicht leben. Er habe dort raus gewollt. Er habe nicht gegessen bei denen. Sein Cousin, der hier in Heidelberg lebe, habe ihm gesagt, er helfe ihm, aus Afghanistan raus zu kommen. Mit der Erinnerung habe er dort nicht mehr leben können. (Auf Frage, ob alle Familienangehörige während der Bombenangriffe im letzten Jahr ums Leben gekommen seien:) Zwei Schwestern, drei Brüder und die Eltern in ihrem Haus. Er sei bei den Schwiegereltern seines Bruders gewesen und habe die Kinder abholen wollen, weil die Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe. Dann habe er die Kinder für ein paar Tage geholt. An diesem Tag sei es dann passiert. Als er morgens von den Schwiegereltern seines Bruders habe zurückkehren wollen, sei ein Nachbar gekommen und habe berichtet, dass dies passiert sei.
Mit Bescheid vom 05.11.2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab. Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Dem Kläger wurde seine Abschiebung nach Afghanistan angedroht.
Die dagegen gerichtete Klage hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 28.01.2005 (A 10 K 12733/03) zurückgenommen.
Mit dem am 02.03.2006 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) eingegangenen Schreiben vom 27.02.2006 machte der Kläger ein Wiederaufgreifensantrag zu § 60 Abs. 2-7 AufenthG geltend. Zur Begründung legte er ein ärztliches Attest des Dr. med. ... vom 22.02.2006 vor, aus dem hervorgeht, dass der Kläger seit 2003 wegen Depression in hausärztlicher Behandlung und eine regelmäßige medikamentöse Behandlung sowie eine psychiatrische Therapie erforderlich ist. Eine Anhörung fand nicht statt.
Mit Bescheid vom 27.03.2006 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheides vom 05.11.2003 bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1-6 AuslG ab. Der Bescheid wurde dem Kläger am 29.03.2006 zugestellt.
Am 11.04.2006 hat der Kläger Klage erhoben; er beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG gegeben sind.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Seine Krankheit habe sich durch die in Deutschland fortgeschrittenen ärztlichen Behandlungen positiv entwickelt und diese Verbesserung seiner Krankheit könnte eine Veränderung der Sachlage zu seinen Gunsten im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG darstellen. Selbst wenn in Afghanistan Antidepressiva-Tabletten erhältlich seien, müsse in Deutschland bekannt sein, dass eine Heilung solcher psychologischer Krankheiten, wie sie bei ihm gegeben seien, in Afghanistan schwer vorstellbar sei. Des Weiteren legte er ein fachärztliches Attest eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie (...) vom 12.09.2007 und vom 22.01.2008 vor.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Sie ist der Ansicht, die im ärztlichen Attest vom 12.09.2007 aufgeführten Medikamente seien zwar in Kabul nicht erhältlich. Auf die Auskunft der IOM International Organization for Migration vom 02.02.2006 werde verwiesen. Es seien aber verschiedene andere Antidepressiva in Kabul problemlos verfügbar.
13 
Die Verwaltungsrechtssache wurde durch Beschluss vom 13.11.2007 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger angehört worden. Auf die dazu gefertigte Niederschrift wird verwiesen.
14 
Hinsichtlich des übrigen Vorbringens der Beteiligten sowie der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie die dem Kläger mitgeteilten und zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Erkenntnismittel verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).
16 
Nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hat das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Sennekamp, HTK-AuslR/§ 77 AsylVfG Anm. 3 zur Überprüfung der Ermessensentscheidung). Deshalb finden im vorliegenden Verfahren die am 28.08.2007 in Kraft getretenen Neuregelungen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970 ff.) - im Folgenden AufenthG - und die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 unmittelbar geltende Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2004/83/EG) Anwendung (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
17 
Das Bundesamt hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG verneint, soweit dies die Begründung des Folgeantrags unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung vom 22.02.2006 betrifft. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende und ausführliche Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, der es sich anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Ergänzend ist auszuführen: Das Gericht ist nicht befugt, andere als vom Asylbewerber selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2000, DVBl. 2000, 1048 ff. = NVwZ 2000, Beilage Nr. 7, 78 ff.; BVerwG, Urt. v. 30.08.1988, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG a.F. Nr. 8). Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG - wie hier - nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu § 53 Abs. 6 AuslG (§ 60 Abs. 7 AufenthG) zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, II-§ 71 Rdnr. 210 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG für Asylfolgeanträge die Möglichkeit einer solchen Ermessensentscheidung ausschließt; diese Regelungen sind weder unmittelbar noch entsprechend auf erneute Anträge zu § 60 Abs. 2-5 und 7 AufenthG anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 20.10.2004 - 1 C 15/03 -, BverwGE 122, 103 ff. = NVwZ 2005, 462 ff. m.w.N.).
18 
Ausgehend hiervon steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan aufgrund der schlechten Versorgungslage zu.
19 
Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für ihn eine konkrete, individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und dass sie ihm landesweit mit hoher Wahrscheinlichkeit droht (so zu der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, DVBl. 1996, 1257; vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 50; OVG Sachsen, Urt. v. 03.07.2003 - A 1 B 115/00 -, UA S. 28). § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG blieb durch das am 28.08.2007 in Kraft getretene Änderungsgesetz des Aufenthaltsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBI. I S. 1970) unverändert. Betroffen von der Änderung sind die Sätze 2 und 3 des § 60 Abs. 7 AufenthG. Diese lauten wie folgt: Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (S. 2). Gefahren nach S. 1 oder S. 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen gemäß § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen (S. 3).
20 
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfasst wie § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 - auch insoweit der Normstruktur des § 53 Abs. 6 AuslG entsprechend - nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wurden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG 2004 berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG 2004). Eine solchermaßen all-gemeine Gefahr unterfiel § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 grundsätzlich selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen droht; denn nach der bisherigen Rechtsprechung entfaltet bei allgemeinen Gefahren Satz 2 der Vorschrift eine „Sperrwirkung“ dahin, dass über die Gewährung von Abschiebungsschutz allein im Wege politischer Leitentscheidung befunden werden soll. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Rückgriff auf § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 jedoch bei einer allgemeinen Gefahr ausnahmsweise dann nicht gesperrt, wenn die Situation im Zielstaat der Abschiebung so extrem ist, dass die Abschiebung den Einzelnen „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde“ (vgl. wiederum zu § 53 Abs. 6 AuslG, BVerwG, Urteile v. 08.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 ff. m.w.N.). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen. Nur wenn extreme Gefahren mit diesem erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad landesweit drohen, ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG) gerechtfertigt (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2004 - 1 B 132/04 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 80 m.w.N. , Urt. v. 04.02.2004 - B 291/03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75 zitiert nach; Reinhard Marx, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung, § 42 Rdnr. 1 ff.).
21 
Eine extreme Gefahrenlage scheidet allerdings von vornherein aus, wenn gleichwertiger Schutz vor Abschiebung anderweitig durch eine erfolgte Einzelfallregelung oder durch einen Erlass vermittelt wird (vgl. BVerwG, Urteile v. 12. 07.2001 - 1 C 2.01 -, NVwZ 2001, 1420 u. v. 20.10.2004, a.a.O.). Diese Ausnahme greift vorliegend auch unter Berücksichtigung der Beschlusslage der Innenministerkonferenz und deren landesinterner Umsetzung nicht ein (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/03 -, UA S. 13 ff. u. Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -).
22 
Nach der Rechtsprechung des VG Karlsruhe ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) eine extreme Gefahr aufgrund der allgemeinen unzureichenden Versorgungslage zu bejahen für die Bevölkerungsgruppe der langjährig in Europa ansässigen, nicht freiwillig zurückkehrenden Flüchtlinge, die nicht auf den Rückhalt von Verwandten oder Bekannten/Freunden in Afghanistan und/oder dortigen erreichbaren Grundbesitz zurückgreifen können und/oder über für ein Leben am Existenzminimum ausreichende Ersparnisse verfügen und die deshalb außer Stande sind, aus eigener Kraft für ihre Existenz zu sorgen (VG Karlsruhe, Urteile v. 08.01.2008 - A 11 K 242/06 - u. - A 11 K 970/06 -, Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -, Urt. v. 07.12.2007 - A 11 K 432/07 -, Urt. v. 29.03.2006 - A 10 K 10740/04 - u. Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/02 -; i. Erg. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteile v. 05.05.2006 - 12 B 11.05 u. OVG 12 B 9.05 -; VG München, Urt. v. 26.09.2007 - M 23 K 07.50548 - m.w.N. u. Urt. v. 09.03.2007 - M 23 K 07.50194 - u. Urt. v. 12.03.2007 - M 23 K 04.51881 - jeweils in ; VG Frankfurt, Urt. v. 06.06.2007 - 3 E 4744/05.A - für alleinstehende junge Männer u. VG Frankfurt, Urt. v. 30.05.2007 - 3 E 614/04.A - für Frauen ; a.A. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ; OVG NW, Urt. v. 02.01.2007 - 20 A 424/05.A - u. Urt. v. 21.03.2007 - 20 A 5164/04.A - in besonders gelagerten Einzelfällen u. Urt. v. 05.04.2006 - 20 A 5161/04.A - jeweils in ; Bay. VGH, Beschl. v. 21.09.2007 - 6 ZB 06.31140 - ). Zur Versorgungslage hat das erkennende Gericht im Urteil vom 08.01.2008 (- A 11 K 242/06 -) Folgendes ausgeführt:
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„Zur Beurteilung der Versorgungslage existieren mehrere unterschiedliche Quellen, die kein einheitliches Bild ergeben. Die Berichte aus jüngster Zeit lassen aber darauf schließen, dass sich die allgemeine Versorgungslage zunehmend verschlechtert und insbesondere durch die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt verschärft hat, dass für den genannten Personenkreis eine extreme Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG anzunehmen ist. Der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.03.2007 führt zur Versorgungslage in Übereinstimmung mit dem Lagebericht vom 13.07.2006 Folgendes aus (Ziff. IV. 1.): Die Vereinten Nationen versorgen weiterhin noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend. Das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. In vielen Gebieten Afghanistans muss die Versorgungslage mit Lebensmitteln auch weiterhin als nicht zufrieden stellend bezeichnet werden. Humanitäre Nothilfeleistungen wurden 2006 in verschiedenen Landesteilen notwendig, zum Teil wegen Dürre, zum Teil wegen schwerer Überschwemmungen. Eine Versorgung der Notstandsgebiete ist oftmals, bedingt durch fehlende oder schlecht ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht mehr möglich. Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird vor allem im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind in Afghanistan nicht bekannt. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stämme übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in größeren Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren (vor allem aus Iran und Pakistan), wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Bei der Frage, wie die Reintegration eines Rückkehrers zu beurteilen ist, ist auch zu bedenken, dass die Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle einen besseren finanziellen Rückhalt, eine qualifizierte Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mitbringen als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Derartige Qualifikationen verschaffen ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Adäquate staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Zurückkehrende und begleitete Minderjährige gibt es nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht. Das Auswärtige Amt berichtet ferner über freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan aus dem Iran, Pakistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Diese sollen vom UNHCR eine begrenzte finanzielle Beihilfe und Sachmittel erhalten. Im Jahr 2006 ging die Zahl der mit Unterstützung durch UNHCR Zurückgekehrten mit ca. 150.000 Menschen (2005: 520.000) deutlich zurück. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kommen in den meisten Fällen bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapaziert. UNHCR hat mit verschiedenen NROen eine Vereinbarung über die Errichtung einer begrenzten Zahl von Unterkünften in den Provinzen und der Zentralregion um Kabul geschlossen. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht v. 17.03.2007, S. 26) leistet UNHCR (und z. T. IOM) über sein Rückkehrerprogramm Hilfe und unterstützt die afghanische Regierung bei der Formulierung von Strategien. Die Mehrzahl der Rückkehrer zieht in die Provinzen Kabul, Parwan, Kapisa, Logar, Wardak, Ghazni und Panjir. Die Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, unterscheiden sich nach Einschätzung des UNHCR nicht von denen anderer Afghanen (insbesondere in den Provinzen), sie sind aber sehr viel prononcierter. In erster Linie sind in diesem Zusammenhang Land- und Grundstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, Rückforderung ehemaligen Eigentums, illegale Besetzung von Land etc. offenbar werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Rechte wie Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc. mit Problemen behaftet. Ein Rückführungsabkommen gibt es bislang zwischen Deutschland und Afghanistan nicht. Die afghanische Regierung verlangt als Teil einer Vereinbarung zusätzliche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer aus Deutschland (Unterkunft, Arbeitsplatzbeschaffung etc.), zu deren Finanzierung sie sich selbst nicht in der Lage sieht (AA, Lagebericht v. 17.03.2007, S. 28).
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Das RANA-Programm mit seinem Budget von 4,5 Mio. Euro und weiteren Einrichtungen ist auf Dauer nicht geeignet, die Versorgung der Rückkehrer sicherzustellen, denn es gilt nicht für abgeschobene Asylbewerber. Das RANA-Programm hat zum Ziel, Afghanen, die aus Europa in ihr Heimatland freiwillig zurückkehren, zu unterstützen (IOM v. 07.12.2006 an OVG Bautzen; anderer Ansicht David, Niederschrift des OVG Berlin Brandenburg v. 25.03.2006, S. 10). Außerdem wurde bei seiner Verlängerung bis Ende April 2007 klargestellt, dass dies die letzte Verlängerung ist und das Programm eingestellt wird (AA, Auskunft v. 31.01.2007 an VG Kassel).
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Ein weitgehend düsteres Bild zeigt der Sachverständige Dr. Danesch über die tatsächlichen Verhältnisse auf, mit denen sich Asylbewerber nach ihrer Abschiebung konfrontiert sehen. Nach dessen auf einer Reise durch Afghanistan im Dezember 2005 gewonnenen Erfahrungen ist die Lage zurückkehrender Flüchtlinge so katastrophal, dass sie unmittelbar eine Existenzgefährdung für die Betroffenen darstellt (Dr. Danesch, Stellungnahmen v. 24.07.2004 an das OVG Bautzen, v. 25.01.2006 an das VG Hamburg u. v. 04.12.2006 an den VGH Kassel). Dr. Danesch weist insbesondere darauf hin, dass sich die Versorgungslage besonders in Kabul drastisch verschlechtert habe. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen. Der Umstand, dass es keine breite Berichterstattung über Todesfälle unter der armen Bevölkerung von Kabul gebe, bedeute nicht, dass diese nicht geschähen. Es handele sich buchstäblich um Menschen, nach denen in Afghanistan und im Ausland „kein Hahn kräht“ (Stellungnahme v. 04.12.2006 an VGH Kassel). Seinen Ausführungen zufolge ist in den letzten Jahren die Bevölkerungszahl Kabuls so sprunghaft angestiegen, dass nach offiziellen Angaben mittlerweile 4,5 Mio. Menschen dort leben. Insgesamt seien nach Angaben der UNHCR bis heute rund 4,4 Mio. Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt. Gerade durch den massenhaften Zustrom habe sich in den letzten Jahren die Versorgungslage in Kabul noch einmal massiv verschärft. Diese Gruppe von Flüchtlingen kehre keineswegs nach Afghanistan zurück, weil sich dort etwa die Lage verbessert habe, sondern weil sie von den bisherigen Aufnahmeländern Iran und besonders Pakistan massiv und teilweise auch gewaltsam zur Rückkehr gedrängt worden seien. Problematisch sei die geografische Lage Kabuls. Da die Stadt in einem von hohen Bergen umgebenden Talkessel liegt, sei die Möglichkeit zur räumlichen Ausdehnung von Ansiedlungen beschränkt. Auf diesem engen Raum drängten sich Millionen Menschen, von denen die meisten in den letzten Jahren als Flüchtlinge in die Stadt gekommen seien. Das Verkehrschaos, die Luftverschmutzung und der Müll in Kabul seien unbeschreiblich. Selbst die UNO habe sich verschätzt. Ursprünglich sollten die Millionen Rückkehrer wieder in ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten auf dem Land integriert werden; doch stattdessen strömten sie vor allem nach Kabul. Die meisten der ca. 2.400 Hilfsorganisationen säßen in Kabul, so dass in der Bevölkerung der Eindruck entstanden sei, dort würden sie von ihnen versorgt. Millionen Afghanen strebten nach Kabul in der Hoffnung, dort Hilfe - Infrastruktur, medizinische Versorgung, Wohnraum - zu erhalten. Diese Hoffnung trüge jedoch in den meisten Fällen. Grundsätzlich erhalte jede in Kabul eintreffende Familie - also auch abgeschobene Rückkehrer aus Europa - von der UN eine einmalige Hilfe von 12,-- Dollar pro Person. Dann seien die Menschen auf sich gestellt und müssten selbst nach einer Unterkunft suchen. Weitere Hilfen durch die UN oder Nichtregierungsorganisationen (NGOen) gebe es momentan in Kabul nicht. Von einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in Kabul habe er vor Ort nichts erkennen können. Vielmehr sei die Wohnsituation der Flüchtlinge katastrophal (Stellungnahme an VGH Kassel, S. 26). Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht. Der Organisation refutes international zufolge koste ein einfaches Zimmer 15,-- bis 20,-- Dollar im Monat; dazu sei allerdings anzumerken, dass man zu diesem Preis nur in weit vom Zentrum gelegenen Außenbezirken unterkomme, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Für eine primitive Zwei-Zimmer-Wohnung im Stadtgebiet von Kabul ohne Wasser, Heizung und Kanalisation müsse man monatlich mindestens 100,-- Dollar aufbringen, was für einen alleinstehenden Rückkehrer, selbst wenn er Gelegenheitsarbeiten finden sollte, nicht möglich sein werde, weil ein durchschnittlicher Tageslohn in Kabul ca. 2,-- Dollar betrage. Der Betroffene stünde wiederum auf der Straße oder wäre den buchstäblich lebensgefährlichen Zuständen ausgeliefert. Nach Angaben des „Afghanistan research and evaluation unit“ vom April 2006 würden solche provisorischen Siedlungen 70 % des Kabuler Stadtgebiets ausmachen und 80 % seiner Einwohner beherbergen. Die weite Verbreitung solcher Lebensverhältnisse mache sie jedoch nicht ungefährlicher; gerade durch die Verhältnisse und die damit verbundenen hygienischen Mängel seien viele Menschen erkrankt und gestorben. Diese kämen in den Statistiken nicht vor. Besonders gravierend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass ein großer Mangel an sauberem Trinkwasser bestehe. 60 bis 70 % der Kabuler Bevölkerung beziehe ihr Wasser von selbst gegrabenen Flachbrunnen oder öffentlichen Handpumpen, und manche Menschen müssten 1 bis 1½ Stunden zu Fuß gehen, um Wasser heran zu schaffen. Selbst wohlhabende Stadtgebiete würden nur tageweise mit Leitungswasser versorgt.
26 
Diese Beurteilung deckt sich in den hier interessierenden Punkten im Wesentlichen mit den Aussagen des in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 13.11.2007 im Verfahren A 11 K 507/06 vernommenen Zeugen Mir Atiq Sediq. Der Zeuge ist der Sohn des zum Termin geladenen Dolmetschers; er hielt sich in den letzten beiden Jahren zwei Mal längere Zeit in Kabul auf; im Jahr 2005 arbeitete er einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium. Er bestätigte vor allem die Angaben des Dr. Danesch, dass Kabul von der Bevölkerungszahl her stark gewachsen sei und die Preise für Wohnraum in die Höhe geschnellt seien sowie dass bezahlbarer Wohnraum nicht auf dem Wohnungsmarkt zu finden sei. Seinen Angaben zufolge sind die Mieten sehr hoch. Für ein einfaches Zimmer müsse man 50,-- Dollar bezahlen. Ein solches Zimmer werde in Kabul von einer achtköpfigen Familie und noch mehr Personen bewohnt. Die Mieten würden ein Jahr im Voraus verlangt, was auf das fehlende Vertrauen der Vermieter zurückzuführen sei. Außerdem seien die Unterkünfte sehr schlecht. Wegen dieser hohen Mietpreise müssten pro Familie zwei bis drei Personen arbeiten, um außer dem Mietpreis die notwendige Lebensgrundlage zu schaffen. Die Preise für Lebensmittel, die in Kabul grundsätzlich erhältlich seien, seien sehr hoch. Nach den Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq verdient ein Beamter oder Hilfsarbeiter etwa 50,-- Dollar im Monat; dieser Betrag werde allein schon für die Miete benötigt. Selbst wenn der Verdienst mittlerweile für einzelne Berufsgruppen höher ausfallen sollte, würde dies im Hinblick auf die allgemeine Preissteigerung für Lebensmittel und andere Güter nichts daran ändern, dass eine Person allein ein Leben in Kabul nicht bestreiten könne. Im Unterschied zu anders lautenden Quellen teilte der Zeuge Mir Atiq Sediq mit, in Kabul seien keinerlei Hilfsorganisationen mehr tätig. Diese befänden sich in den Provinzen. In Kabul habe er nur wenige Zelte angetroffen, die von Menschen bewohnt würden, die gewissermaßen wie Zigeuner lebten. Sie wanderten in wärmere Städte, wenn es in Kabul kalt werde. Der Zeuge Mir Atiq Sediq war dahin zu verstehen, dass er in Kabul keine Hilfsorganisationen antreffen konnte, die dort ihre Hilfe in Form von Wohnungen, Lagern, Zelten oder Lebensmittelausgaben angeboten hätten. Es bestehen keine Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq. Er hielt sich im Jahr 2006 drei Monate in Kabul auf, im Jahr zuvor insgesamt sechs Monate. Grund für seinen Aufenthalt in Kabul war u. a., dass er dort versucht hat, eine Arbeit zu finden. Er war einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium tätig und besuchte auch Randbezirke Kabuls sowie Mazar-e-Sharif. Beruflich ist er Diplomingenieur im Bereich Elektronik. Wegen zahlreicher Schwierigkeiten, darunter auch der fehlenden Qualifikation der Mitarbeiter bis hin zum Analphabetentum und einer Umorganisation der personellen Zusammensetzung der Ministerien gab er seine Arbeit auf. Der Zeuge berichtete lebensnah und unter Angabe vieler Details über die Verhältnisse in Kabul, weshalb keine Anhaltspunkte gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben und seine Glaubwürdigkeit insgesamt bestehen. Dies gilt auch für seine Ausführungen dazu, in welcher Form die GTZ Rückkehrern, auch aus Deutschland oder anderen Ländern abgeschobenen Afghanen, behilflich ist, einen Job zu finden. Dass sich die Internationalen Hilfsorganisationen aus Kabul zurückgezogen haben, wie er berichtete, wird durch allgemein zugängliche Quellen bestätigt (vgl. ai Info/Pressespiegel August 2007: Handelsblatt v. 23.07.2007 „Hilfsorganisationen überdenken ihre Strategie“; Rheinische Post v. 26.07.2007 „Deutsche Helfer in Gefahr“). Für den Rückzug gibt es mehrere Gründe: Die im letzten Jahr geschehenen Anschläge auf Hilfsorganisationen, bei denen es Tote, Verletzte und Entführte gab, die dadurch bewirkte Entmutigung der NGOen, die allgemein hohe Kriminalität und die damit einhergehende mangelnde Sicherheit. Die teilweise unterschiedlichen Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. Danesch, Mir Atiq Sediq und David, auf die noch näher eingegangen wird (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg v. 27.03.2006 - OVG 12 B 9.05 u. OVG 12 B 11.05 -), betreffen vorwiegend die Sicherheitslage in Kabul (s. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ), die zwar die Versorgungslage berührt, aber auch isoliert betrachtet werden kann. Unterschiede ergeben sich aber weniger in den Angaben zur Versorgungslage, sondern darin, wie die tatsächlichen Verhältnisse zu werten sind und ob sie für eine extreme Gefahr ausreichen. Was die unterschiedlichen Einschätzungen über die Existenz von Flüchtlingslagern angeht (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg über die Vernehmung des Zeugen David v. 27.03.2006, S. 10), sind diese Sachverhalte durch andere Quellen geklärt. Dass Rückkehrer aus europäischen Ländern nicht in Übergangslagern oder Zelten eine Unterkunft finden können, nehmen derzeit alle aktuellen Berichte an. Dies hat schon der Bericht von Veronika Arendt-Rojahn (PRO ASYL, Rückkehr nach Afghanistan, S. 15, 21) für die Situation der Rückkehrer im Jahr 2005 angesprochen. Dort heißt es, es sei die erklärte Politik des UNHCR, keine Zeltlager mehr entstehen zu lassen. Derartige Unterkünfte wurden in der Vergangenheit in beschränktem Umfang und nur vorübergehend für Rückkehrer aus Iran und Pakistan zur Verfügung gestellt (vgl. auch SFH v. 19.09.2006, Michael Kirschner, Auskunft der SFH-Länderanalyse). Dies lässt sich auch den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (v. 17.03.2007, S. 25 f. u. v. 13.07.2006, S. 18 ff.) entnehmen.“
27 
Im Hinblick auf die geschilderte schlechte Versorgungslage droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine extreme Gefahrenlage i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, weil er nach der Überzeugung des Gerichts in Afghanistan nicht auf Familienangehörige zurückgreifen kann und nicht in der Lage sein wird, eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dabei geht die Bedeutung der Familie weit über die verwandtschaftlichen Beziehungen der europäischen Kernfamilie hinaus. Familie hat darüber hinaus die überlebenswichtige Funktion der Versorgung und Pflege im Krankheitsfall und bei der Betreuung von Frauen und Kindern (Veronika Arendt-Rojahn u. a., PRO ASYL, S. 20; s. UNHCR v. 07.04.1998 an VG Hamburg). Bedeutsam wird der Familienverband insbesondere angesichts der Wohnsituation und des desolaten Zustandes des Gesundheitswesens. Zum Verbleib seiner Eltern, Schwestern und Brüder teilte er in der mündlichen Verhandlung - übereinstimmend mit seinen Angaben vor dem Bundesamt - mit, sie seien bei einem Bombenangriff der Taliban ums Leben gekommen. Unterschiedliche Angaben machte er zwar zum Hintergrund, warum er zum Zeitpunkt des Anschlags nicht zuhause gewesen sei. Während er bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte, er habe bei den Schwiegereltern seines Bruders die Kinder abgeholt, weil seine Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe, war davon in der mündlichen Verhandlung zunächst nicht die Rede. Zum Anlass seiner Abwesenheit berichtete er, dass er die künftigen Schwiegereltern seines Bruders aufgesucht habe, um den Besuch seiner Familie dort anzukündigen; beide Familien hätten gemeinsam die Hochzeitsvorbereitungen besprechen wollen und ihn habe man gewissermaßen vorausgeschickt. Erst auf Vorhalt seiner Angaben vor dem Bundesamt seitens des Gerichts, gab er an, eine Tochter eines anderen Bruders von ihm sei bei den künftigen Schwiegereltern ebenfalls im Hause gewesen. Eine Erklärung hierfür blieb aus. Obwohl das Vorbringen des Klägers zu diesem Komplex teilweise widersprüchlich und ungereimt ist, ist das Gericht aufgrund einiger konkreter Angaben und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Kläger, insbesondere seiner zum Ausdruck gebrachten inneren Anteilnahme an seinem Bericht über den todbringenden Anschlag, überzeugt, dass er bei einem Anschlag seine engere Familie verloren hat. Seine Betroffenheit mag auch ein Grund für seine teilweise verworrenen und ungereimten Angaben zu diesem Geschehen sein. Zu dem beim Bundesamt erwähnten einzigen Onkel in Afghanistan berichtete er glaubhaft, er sei gestorben und seine weiteren Verwandten, Onkel und Tanten sowie Cousins lebten außerhalb Afghanistans, im Bundesgebiet, in Kanada, Iran und Pakistan. Eine finanzielle Unterstützung des Klägers durch seinen weiteren Familienverband ist zwar denkbar. Eine solche wäre aber nicht ausreichend dafür, eine extreme Gefahrenlage in seinem Fall zu verneinen. Aufgrund seiner in Afghanistan absolvierten beruflichen Ausbildung als Sportlehrer und seiner im Bundesgebiet gewonnenen Erfahrungen bei der Arbeit im Restaurant seines Cousins ist der Kläger zwar für Hilfsarbeitertätigkeiten vermittelbar. Ob er im Schuldienst derzeit eine Anstellung als Sportlehrer finden würde, ist fraglich. Denn die Leistungsfähigkeit des Klägers ist aufgrund der ihm bescheinigten schwerwiegenden Depression mit Nebenwirkungen (s. Fachärztliches Attest v. 22.01.2008) erheblich reduziert, was seine Möglichkeiten schmälert, im Falle seiner Rückkehr als Alleinstehender eine Lebensgrundlage zu schaffen. Seine Chancen, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, sind deshalb gegenüber Mitbewerbern deutlich geringer. Außerdem fallen vorwiegend bei Bauprojekten Arbeitsplätze an, die dem Kläger auch zumutbar sind, die aber auch von vielen anderen Personen gesucht werden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die außerhalb Afghanistan lebenden Familienmitglieder des Klägers bereit und in der Lage sind, den Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg finanziell zu unterstützen, beispielsweise durch genügend Kapital für eine Geschäftsgründung, zumal auch die ihm attestierten Medikamente finanziert werden müssten. Bei einer Berücksichtigung der Gesamtsituation droht dem Kläger aufgrund der schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahr. Einer Entscheidung darüber, ob die ihm mit ärztlichem Attest vom 22.01.2008 attestierte Erkrankung die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfüllt (BVerwG, Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, 33 ff. m.w.N. = AuAS 2007, 30 ff.), bedarf es hiernach nicht.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Gründe

 
15 
Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).
16 
Nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hat das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Sennekamp, HTK-AuslR/§ 77 AsylVfG Anm. 3 zur Überprüfung der Ermessensentscheidung). Deshalb finden im vorliegenden Verfahren die am 28.08.2007 in Kraft getretenen Neuregelungen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970 ff.) - im Folgenden AufenthG - und die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 unmittelbar geltende Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2004/83/EG) Anwendung (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
17 
Das Bundesamt hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG verneint, soweit dies die Begründung des Folgeantrags unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung vom 22.02.2006 betrifft. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende und ausführliche Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, der es sich anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Ergänzend ist auszuführen: Das Gericht ist nicht befugt, andere als vom Asylbewerber selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2000, DVBl. 2000, 1048 ff. = NVwZ 2000, Beilage Nr. 7, 78 ff.; BVerwG, Urt. v. 30.08.1988, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG a.F. Nr. 8). Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG - wie hier - nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu § 53 Abs. 6 AuslG (§ 60 Abs. 7 AufenthG) zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, II-§ 71 Rdnr. 210 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG für Asylfolgeanträge die Möglichkeit einer solchen Ermessensentscheidung ausschließt; diese Regelungen sind weder unmittelbar noch entsprechend auf erneute Anträge zu § 60 Abs. 2-5 und 7 AufenthG anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 20.10.2004 - 1 C 15/03 -, BverwGE 122, 103 ff. = NVwZ 2005, 462 ff. m.w.N.).
18 
Ausgehend hiervon steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan aufgrund der schlechten Versorgungslage zu.
19 
Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für ihn eine konkrete, individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und dass sie ihm landesweit mit hoher Wahrscheinlichkeit droht (so zu der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, DVBl. 1996, 1257; vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 50; OVG Sachsen, Urt. v. 03.07.2003 - A 1 B 115/00 -, UA S. 28). § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG blieb durch das am 28.08.2007 in Kraft getretene Änderungsgesetz des Aufenthaltsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBI. I S. 1970) unverändert. Betroffen von der Änderung sind die Sätze 2 und 3 des § 60 Abs. 7 AufenthG. Diese lauten wie folgt: Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (S. 2). Gefahren nach S. 1 oder S. 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen gemäß § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen (S. 3).
20 
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfasst wie § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 - auch insoweit der Normstruktur des § 53 Abs. 6 AuslG entsprechend - nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wurden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG 2004 berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG 2004). Eine solchermaßen all-gemeine Gefahr unterfiel § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 grundsätzlich selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen droht; denn nach der bisherigen Rechtsprechung entfaltet bei allgemeinen Gefahren Satz 2 der Vorschrift eine „Sperrwirkung“ dahin, dass über die Gewährung von Abschiebungsschutz allein im Wege politischer Leitentscheidung befunden werden soll. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Rückgriff auf § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 jedoch bei einer allgemeinen Gefahr ausnahmsweise dann nicht gesperrt, wenn die Situation im Zielstaat der Abschiebung so extrem ist, dass die Abschiebung den Einzelnen „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde“ (vgl. wiederum zu § 53 Abs. 6 AuslG, BVerwG, Urteile v. 08.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 ff. m.w.N.). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen. Nur wenn extreme Gefahren mit diesem erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad landesweit drohen, ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG) gerechtfertigt (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2004 - 1 B 132/04 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 80 m.w.N. , Urt. v. 04.02.2004 - B 291/03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75 zitiert nach; Reinhard Marx, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung, § 42 Rdnr. 1 ff.).
21 
Eine extreme Gefahrenlage scheidet allerdings von vornherein aus, wenn gleichwertiger Schutz vor Abschiebung anderweitig durch eine erfolgte Einzelfallregelung oder durch einen Erlass vermittelt wird (vgl. BVerwG, Urteile v. 12. 07.2001 - 1 C 2.01 -, NVwZ 2001, 1420 u. v. 20.10.2004, a.a.O.). Diese Ausnahme greift vorliegend auch unter Berücksichtigung der Beschlusslage der Innenministerkonferenz und deren landesinterner Umsetzung nicht ein (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/03 -, UA S. 13 ff. u. Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -).
22 
Nach der Rechtsprechung des VG Karlsruhe ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) eine extreme Gefahr aufgrund der allgemeinen unzureichenden Versorgungslage zu bejahen für die Bevölkerungsgruppe der langjährig in Europa ansässigen, nicht freiwillig zurückkehrenden Flüchtlinge, die nicht auf den Rückhalt von Verwandten oder Bekannten/Freunden in Afghanistan und/oder dortigen erreichbaren Grundbesitz zurückgreifen können und/oder über für ein Leben am Existenzminimum ausreichende Ersparnisse verfügen und die deshalb außer Stande sind, aus eigener Kraft für ihre Existenz zu sorgen (VG Karlsruhe, Urteile v. 08.01.2008 - A 11 K 242/06 - u. - A 11 K 970/06 -, Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -, Urt. v. 07.12.2007 - A 11 K 432/07 -, Urt. v. 29.03.2006 - A 10 K 10740/04 - u. Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/02 -; i. Erg. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteile v. 05.05.2006 - 12 B 11.05 u. OVG 12 B 9.05 -; VG München, Urt. v. 26.09.2007 - M 23 K 07.50548 - m.w.N. u. Urt. v. 09.03.2007 - M 23 K 07.50194 - u. Urt. v. 12.03.2007 - M 23 K 04.51881 - jeweils in ; VG Frankfurt, Urt. v. 06.06.2007 - 3 E 4744/05.A - für alleinstehende junge Männer u. VG Frankfurt, Urt. v. 30.05.2007 - 3 E 614/04.A - für Frauen ; a.A. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ; OVG NW, Urt. v. 02.01.2007 - 20 A 424/05.A - u. Urt. v. 21.03.2007 - 20 A 5164/04.A - in besonders gelagerten Einzelfällen u. Urt. v. 05.04.2006 - 20 A 5161/04.A - jeweils in ; Bay. VGH, Beschl. v. 21.09.2007 - 6 ZB 06.31140 - ). Zur Versorgungslage hat das erkennende Gericht im Urteil vom 08.01.2008 (- A 11 K 242/06 -) Folgendes ausgeführt:
23 
„Zur Beurteilung der Versorgungslage existieren mehrere unterschiedliche Quellen, die kein einheitliches Bild ergeben. Die Berichte aus jüngster Zeit lassen aber darauf schließen, dass sich die allgemeine Versorgungslage zunehmend verschlechtert und insbesondere durch die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt verschärft hat, dass für den genannten Personenkreis eine extreme Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG anzunehmen ist. Der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.03.2007 führt zur Versorgungslage in Übereinstimmung mit dem Lagebericht vom 13.07.2006 Folgendes aus (Ziff. IV. 1.): Die Vereinten Nationen versorgen weiterhin noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend. Das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. In vielen Gebieten Afghanistans muss die Versorgungslage mit Lebensmitteln auch weiterhin als nicht zufrieden stellend bezeichnet werden. Humanitäre Nothilfeleistungen wurden 2006 in verschiedenen Landesteilen notwendig, zum Teil wegen Dürre, zum Teil wegen schwerer Überschwemmungen. Eine Versorgung der Notstandsgebiete ist oftmals, bedingt durch fehlende oder schlecht ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht mehr möglich. Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird vor allem im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind in Afghanistan nicht bekannt. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stämme übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in größeren Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren (vor allem aus Iran und Pakistan), wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Bei der Frage, wie die Reintegration eines Rückkehrers zu beurteilen ist, ist auch zu bedenken, dass die Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle einen besseren finanziellen Rückhalt, eine qualifizierte Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mitbringen als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Derartige Qualifikationen verschaffen ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Adäquate staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Zurückkehrende und begleitete Minderjährige gibt es nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht. Das Auswärtige Amt berichtet ferner über freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan aus dem Iran, Pakistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Diese sollen vom UNHCR eine begrenzte finanzielle Beihilfe und Sachmittel erhalten. Im Jahr 2006 ging die Zahl der mit Unterstützung durch UNHCR Zurückgekehrten mit ca. 150.000 Menschen (2005: 520.000) deutlich zurück. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kommen in den meisten Fällen bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapaziert. UNHCR hat mit verschiedenen NROen eine Vereinbarung über die Errichtung einer begrenzten Zahl von Unterkünften in den Provinzen und der Zentralregion um Kabul geschlossen. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht v. 17.03.2007, S. 26) leistet UNHCR (und z. T. IOM) über sein Rückkehrerprogramm Hilfe und unterstützt die afghanische Regierung bei der Formulierung von Strategien. Die Mehrzahl der Rückkehrer zieht in die Provinzen Kabul, Parwan, Kapisa, Logar, Wardak, Ghazni und Panjir. Die Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, unterscheiden sich nach Einschätzung des UNHCR nicht von denen anderer Afghanen (insbesondere in den Provinzen), sie sind aber sehr viel prononcierter. In erster Linie sind in diesem Zusammenhang Land- und Grundstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, Rückforderung ehemaligen Eigentums, illegale Besetzung von Land etc. offenbar werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Rechte wie Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc. mit Problemen behaftet. Ein Rückführungsabkommen gibt es bislang zwischen Deutschland und Afghanistan nicht. Die afghanische Regierung verlangt als Teil einer Vereinbarung zusätzliche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer aus Deutschland (Unterkunft, Arbeitsplatzbeschaffung etc.), zu deren Finanzierung sie sich selbst nicht in der Lage sieht (AA, Lagebericht v. 17.03.2007, S. 28).
24 
Das RANA-Programm mit seinem Budget von 4,5 Mio. Euro und weiteren Einrichtungen ist auf Dauer nicht geeignet, die Versorgung der Rückkehrer sicherzustellen, denn es gilt nicht für abgeschobene Asylbewerber. Das RANA-Programm hat zum Ziel, Afghanen, die aus Europa in ihr Heimatland freiwillig zurückkehren, zu unterstützen (IOM v. 07.12.2006 an OVG Bautzen; anderer Ansicht David, Niederschrift des OVG Berlin Brandenburg v. 25.03.2006, S. 10). Außerdem wurde bei seiner Verlängerung bis Ende April 2007 klargestellt, dass dies die letzte Verlängerung ist und das Programm eingestellt wird (AA, Auskunft v. 31.01.2007 an VG Kassel).
25 
Ein weitgehend düsteres Bild zeigt der Sachverständige Dr. Danesch über die tatsächlichen Verhältnisse auf, mit denen sich Asylbewerber nach ihrer Abschiebung konfrontiert sehen. Nach dessen auf einer Reise durch Afghanistan im Dezember 2005 gewonnenen Erfahrungen ist die Lage zurückkehrender Flüchtlinge so katastrophal, dass sie unmittelbar eine Existenzgefährdung für die Betroffenen darstellt (Dr. Danesch, Stellungnahmen v. 24.07.2004 an das OVG Bautzen, v. 25.01.2006 an das VG Hamburg u. v. 04.12.2006 an den VGH Kassel). Dr. Danesch weist insbesondere darauf hin, dass sich die Versorgungslage besonders in Kabul drastisch verschlechtert habe. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen. Der Umstand, dass es keine breite Berichterstattung über Todesfälle unter der armen Bevölkerung von Kabul gebe, bedeute nicht, dass diese nicht geschähen. Es handele sich buchstäblich um Menschen, nach denen in Afghanistan und im Ausland „kein Hahn kräht“ (Stellungnahme v. 04.12.2006 an VGH Kassel). Seinen Ausführungen zufolge ist in den letzten Jahren die Bevölkerungszahl Kabuls so sprunghaft angestiegen, dass nach offiziellen Angaben mittlerweile 4,5 Mio. Menschen dort leben. Insgesamt seien nach Angaben der UNHCR bis heute rund 4,4 Mio. Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt. Gerade durch den massenhaften Zustrom habe sich in den letzten Jahren die Versorgungslage in Kabul noch einmal massiv verschärft. Diese Gruppe von Flüchtlingen kehre keineswegs nach Afghanistan zurück, weil sich dort etwa die Lage verbessert habe, sondern weil sie von den bisherigen Aufnahmeländern Iran und besonders Pakistan massiv und teilweise auch gewaltsam zur Rückkehr gedrängt worden seien. Problematisch sei die geografische Lage Kabuls. Da die Stadt in einem von hohen Bergen umgebenden Talkessel liegt, sei die Möglichkeit zur räumlichen Ausdehnung von Ansiedlungen beschränkt. Auf diesem engen Raum drängten sich Millionen Menschen, von denen die meisten in den letzten Jahren als Flüchtlinge in die Stadt gekommen seien. Das Verkehrschaos, die Luftverschmutzung und der Müll in Kabul seien unbeschreiblich. Selbst die UNO habe sich verschätzt. Ursprünglich sollten die Millionen Rückkehrer wieder in ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten auf dem Land integriert werden; doch stattdessen strömten sie vor allem nach Kabul. Die meisten der ca. 2.400 Hilfsorganisationen säßen in Kabul, so dass in der Bevölkerung der Eindruck entstanden sei, dort würden sie von ihnen versorgt. Millionen Afghanen strebten nach Kabul in der Hoffnung, dort Hilfe - Infrastruktur, medizinische Versorgung, Wohnraum - zu erhalten. Diese Hoffnung trüge jedoch in den meisten Fällen. Grundsätzlich erhalte jede in Kabul eintreffende Familie - also auch abgeschobene Rückkehrer aus Europa - von der UN eine einmalige Hilfe von 12,-- Dollar pro Person. Dann seien die Menschen auf sich gestellt und müssten selbst nach einer Unterkunft suchen. Weitere Hilfen durch die UN oder Nichtregierungsorganisationen (NGOen) gebe es momentan in Kabul nicht. Von einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in Kabul habe er vor Ort nichts erkennen können. Vielmehr sei die Wohnsituation der Flüchtlinge katastrophal (Stellungnahme an VGH Kassel, S. 26). Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht. Der Organisation refutes international zufolge koste ein einfaches Zimmer 15,-- bis 20,-- Dollar im Monat; dazu sei allerdings anzumerken, dass man zu diesem Preis nur in weit vom Zentrum gelegenen Außenbezirken unterkomme, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Für eine primitive Zwei-Zimmer-Wohnung im Stadtgebiet von Kabul ohne Wasser, Heizung und Kanalisation müsse man monatlich mindestens 100,-- Dollar aufbringen, was für einen alleinstehenden Rückkehrer, selbst wenn er Gelegenheitsarbeiten finden sollte, nicht möglich sein werde, weil ein durchschnittlicher Tageslohn in Kabul ca. 2,-- Dollar betrage. Der Betroffene stünde wiederum auf der Straße oder wäre den buchstäblich lebensgefährlichen Zuständen ausgeliefert. Nach Angaben des „Afghanistan research and evaluation unit“ vom April 2006 würden solche provisorischen Siedlungen 70 % des Kabuler Stadtgebiets ausmachen und 80 % seiner Einwohner beherbergen. Die weite Verbreitung solcher Lebensverhältnisse mache sie jedoch nicht ungefährlicher; gerade durch die Verhältnisse und die damit verbundenen hygienischen Mängel seien viele Menschen erkrankt und gestorben. Diese kämen in den Statistiken nicht vor. Besonders gravierend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass ein großer Mangel an sauberem Trinkwasser bestehe. 60 bis 70 % der Kabuler Bevölkerung beziehe ihr Wasser von selbst gegrabenen Flachbrunnen oder öffentlichen Handpumpen, und manche Menschen müssten 1 bis 1½ Stunden zu Fuß gehen, um Wasser heran zu schaffen. Selbst wohlhabende Stadtgebiete würden nur tageweise mit Leitungswasser versorgt.
26 
Diese Beurteilung deckt sich in den hier interessierenden Punkten im Wesentlichen mit den Aussagen des in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 13.11.2007 im Verfahren A 11 K 507/06 vernommenen Zeugen Mir Atiq Sediq. Der Zeuge ist der Sohn des zum Termin geladenen Dolmetschers; er hielt sich in den letzten beiden Jahren zwei Mal längere Zeit in Kabul auf; im Jahr 2005 arbeitete er einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium. Er bestätigte vor allem die Angaben des Dr. Danesch, dass Kabul von der Bevölkerungszahl her stark gewachsen sei und die Preise für Wohnraum in die Höhe geschnellt seien sowie dass bezahlbarer Wohnraum nicht auf dem Wohnungsmarkt zu finden sei. Seinen Angaben zufolge sind die Mieten sehr hoch. Für ein einfaches Zimmer müsse man 50,-- Dollar bezahlen. Ein solches Zimmer werde in Kabul von einer achtköpfigen Familie und noch mehr Personen bewohnt. Die Mieten würden ein Jahr im Voraus verlangt, was auf das fehlende Vertrauen der Vermieter zurückzuführen sei. Außerdem seien die Unterkünfte sehr schlecht. Wegen dieser hohen Mietpreise müssten pro Familie zwei bis drei Personen arbeiten, um außer dem Mietpreis die notwendige Lebensgrundlage zu schaffen. Die Preise für Lebensmittel, die in Kabul grundsätzlich erhältlich seien, seien sehr hoch. Nach den Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq verdient ein Beamter oder Hilfsarbeiter etwa 50,-- Dollar im Monat; dieser Betrag werde allein schon für die Miete benötigt. Selbst wenn der Verdienst mittlerweile für einzelne Berufsgruppen höher ausfallen sollte, würde dies im Hinblick auf die allgemeine Preissteigerung für Lebensmittel und andere Güter nichts daran ändern, dass eine Person allein ein Leben in Kabul nicht bestreiten könne. Im Unterschied zu anders lautenden Quellen teilte der Zeuge Mir Atiq Sediq mit, in Kabul seien keinerlei Hilfsorganisationen mehr tätig. Diese befänden sich in den Provinzen. In Kabul habe er nur wenige Zelte angetroffen, die von Menschen bewohnt würden, die gewissermaßen wie Zigeuner lebten. Sie wanderten in wärmere Städte, wenn es in Kabul kalt werde. Der Zeuge Mir Atiq Sediq war dahin zu verstehen, dass er in Kabul keine Hilfsorganisationen antreffen konnte, die dort ihre Hilfe in Form von Wohnungen, Lagern, Zelten oder Lebensmittelausgaben angeboten hätten. Es bestehen keine Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq. Er hielt sich im Jahr 2006 drei Monate in Kabul auf, im Jahr zuvor insgesamt sechs Monate. Grund für seinen Aufenthalt in Kabul war u. a., dass er dort versucht hat, eine Arbeit zu finden. Er war einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium tätig und besuchte auch Randbezirke Kabuls sowie Mazar-e-Sharif. Beruflich ist er Diplomingenieur im Bereich Elektronik. Wegen zahlreicher Schwierigkeiten, darunter auch der fehlenden Qualifikation der Mitarbeiter bis hin zum Analphabetentum und einer Umorganisation der personellen Zusammensetzung der Ministerien gab er seine Arbeit auf. Der Zeuge berichtete lebensnah und unter Angabe vieler Details über die Verhältnisse in Kabul, weshalb keine Anhaltspunkte gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben und seine Glaubwürdigkeit insgesamt bestehen. Dies gilt auch für seine Ausführungen dazu, in welcher Form die GTZ Rückkehrern, auch aus Deutschland oder anderen Ländern abgeschobenen Afghanen, behilflich ist, einen Job zu finden. Dass sich die Internationalen Hilfsorganisationen aus Kabul zurückgezogen haben, wie er berichtete, wird durch allgemein zugängliche Quellen bestätigt (vgl. ai Info/Pressespiegel August 2007: Handelsblatt v. 23.07.2007 „Hilfsorganisationen überdenken ihre Strategie“; Rheinische Post v. 26.07.2007 „Deutsche Helfer in Gefahr“). Für den Rückzug gibt es mehrere Gründe: Die im letzten Jahr geschehenen Anschläge auf Hilfsorganisationen, bei denen es Tote, Verletzte und Entführte gab, die dadurch bewirkte Entmutigung der NGOen, die allgemein hohe Kriminalität und die damit einhergehende mangelnde Sicherheit. Die teilweise unterschiedlichen Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. Danesch, Mir Atiq Sediq und David, auf die noch näher eingegangen wird (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg v. 27.03.2006 - OVG 12 B 9.05 u. OVG 12 B 11.05 -), betreffen vorwiegend die Sicherheitslage in Kabul (s. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ), die zwar die Versorgungslage berührt, aber auch isoliert betrachtet werden kann. Unterschiede ergeben sich aber weniger in den Angaben zur Versorgungslage, sondern darin, wie die tatsächlichen Verhältnisse zu werten sind und ob sie für eine extreme Gefahr ausreichen. Was die unterschiedlichen Einschätzungen über die Existenz von Flüchtlingslagern angeht (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg über die Vernehmung des Zeugen David v. 27.03.2006, S. 10), sind diese Sachverhalte durch andere Quellen geklärt. Dass Rückkehrer aus europäischen Ländern nicht in Übergangslagern oder Zelten eine Unterkunft finden können, nehmen derzeit alle aktuellen Berichte an. Dies hat schon der Bericht von Veronika Arendt-Rojahn (PRO ASYL, Rückkehr nach Afghanistan, S. 15, 21) für die Situation der Rückkehrer im Jahr 2005 angesprochen. Dort heißt es, es sei die erklärte Politik des UNHCR, keine Zeltlager mehr entstehen zu lassen. Derartige Unterkünfte wurden in der Vergangenheit in beschränktem Umfang und nur vorübergehend für Rückkehrer aus Iran und Pakistan zur Verfügung gestellt (vgl. auch SFH v. 19.09.2006, Michael Kirschner, Auskunft der SFH-Länderanalyse). Dies lässt sich auch den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (v. 17.03.2007, S. 25 f. u. v. 13.07.2006, S. 18 ff.) entnehmen.“
27 
Im Hinblick auf die geschilderte schlechte Versorgungslage droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine extreme Gefahrenlage i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, weil er nach der Überzeugung des Gerichts in Afghanistan nicht auf Familienangehörige zurückgreifen kann und nicht in der Lage sein wird, eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dabei geht die Bedeutung der Familie weit über die verwandtschaftlichen Beziehungen der europäischen Kernfamilie hinaus. Familie hat darüber hinaus die überlebenswichtige Funktion der Versorgung und Pflege im Krankheitsfall und bei der Betreuung von Frauen und Kindern (Veronika Arendt-Rojahn u. a., PRO ASYL, S. 20; s. UNHCR v. 07.04.1998 an VG Hamburg). Bedeutsam wird der Familienverband insbesondere angesichts der Wohnsituation und des desolaten Zustandes des Gesundheitswesens. Zum Verbleib seiner Eltern, Schwestern und Brüder teilte er in der mündlichen Verhandlung - übereinstimmend mit seinen Angaben vor dem Bundesamt - mit, sie seien bei einem Bombenangriff der Taliban ums Leben gekommen. Unterschiedliche Angaben machte er zwar zum Hintergrund, warum er zum Zeitpunkt des Anschlags nicht zuhause gewesen sei. Während er bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte, er habe bei den Schwiegereltern seines Bruders die Kinder abgeholt, weil seine Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe, war davon in der mündlichen Verhandlung zunächst nicht die Rede. Zum Anlass seiner Abwesenheit berichtete er, dass er die künftigen Schwiegereltern seines Bruders aufgesucht habe, um den Besuch seiner Familie dort anzukündigen; beide Familien hätten gemeinsam die Hochzeitsvorbereitungen besprechen wollen und ihn habe man gewissermaßen vorausgeschickt. Erst auf Vorhalt seiner Angaben vor dem Bundesamt seitens des Gerichts, gab er an, eine Tochter eines anderen Bruders von ihm sei bei den künftigen Schwiegereltern ebenfalls im Hause gewesen. Eine Erklärung hierfür blieb aus. Obwohl das Vorbringen des Klägers zu diesem Komplex teilweise widersprüchlich und ungereimt ist, ist das Gericht aufgrund einiger konkreter Angaben und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Kläger, insbesondere seiner zum Ausdruck gebrachten inneren Anteilnahme an seinem Bericht über den todbringenden Anschlag, überzeugt, dass er bei einem Anschlag seine engere Familie verloren hat. Seine Betroffenheit mag auch ein Grund für seine teilweise verworrenen und ungereimten Angaben zu diesem Geschehen sein. Zu dem beim Bundesamt erwähnten einzigen Onkel in Afghanistan berichtete er glaubhaft, er sei gestorben und seine weiteren Verwandten, Onkel und Tanten sowie Cousins lebten außerhalb Afghanistans, im Bundesgebiet, in Kanada, Iran und Pakistan. Eine finanzielle Unterstützung des Klägers durch seinen weiteren Familienverband ist zwar denkbar. Eine solche wäre aber nicht ausreichend dafür, eine extreme Gefahrenlage in seinem Fall zu verneinen. Aufgrund seiner in Afghanistan absolvierten beruflichen Ausbildung als Sportlehrer und seiner im Bundesgebiet gewonnenen Erfahrungen bei der Arbeit im Restaurant seines Cousins ist der Kläger zwar für Hilfsarbeitertätigkeiten vermittelbar. Ob er im Schuldienst derzeit eine Anstellung als Sportlehrer finden würde, ist fraglich. Denn die Leistungsfähigkeit des Klägers ist aufgrund der ihm bescheinigten schwerwiegenden Depression mit Nebenwirkungen (s. Fachärztliches Attest v. 22.01.2008) erheblich reduziert, was seine Möglichkeiten schmälert, im Falle seiner Rückkehr als Alleinstehender eine Lebensgrundlage zu schaffen. Seine Chancen, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, sind deshalb gegenüber Mitbewerbern deutlich geringer. Außerdem fallen vorwiegend bei Bauprojekten Arbeitsplätze an, die dem Kläger auch zumutbar sind, die aber auch von vielen anderen Personen gesucht werden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die außerhalb Afghanistan lebenden Familienmitglieder des Klägers bereit und in der Lage sind, den Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg finanziell zu unterstützen, beispielsweise durch genügend Kapital für eine Geschäftsgründung, zumal auch die ihm attestierten Medikamente finanziert werden müssten. Bei einer Berücksichtigung der Gesamtsituation droht dem Kläger aufgrund der schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahr. Einer Entscheidung darüber, ob die ihm mit ärztlichem Attest vom 22.01.2008 attestierte Erkrankung die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfüllt (BVerwG, Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, 33 ff. m.w.N. = AuAS 2007, 30 ff.), bedarf es hiernach nicht.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.03.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein nach eigenen Angaben im Jahre 1969 geborener afghanischer Staatsangehöriger begehrt die Zuerkennung eines Abschiebungsschutzes.
Am 23.05.2002 stellte er seinen ersten Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 28.05.2002 gab er im Wesentlichen an: Sein Vater sei im Krieg 2001 umgekommen. Seine Mutter sei 2001 gestorben. (Auf die Frage, ob er noch weitere Verwandte im Heimatland habe:) Nein. Alle Geschwister seien im Krieg gestorben. Seine ganze Familie sei Opfer des Krieges geworden. Nur ein Onkel lebe noch dort, bei ihm könne er aber nicht leben. Er habe dort raus gewollt. Er habe nicht gegessen bei denen. Sein Cousin, der hier in Heidelberg lebe, habe ihm gesagt, er helfe ihm, aus Afghanistan raus zu kommen. Mit der Erinnerung habe er dort nicht mehr leben können. (Auf Frage, ob alle Familienangehörige während der Bombenangriffe im letzten Jahr ums Leben gekommen seien:) Zwei Schwestern, drei Brüder und die Eltern in ihrem Haus. Er sei bei den Schwiegereltern seines Bruders gewesen und habe die Kinder abholen wollen, weil die Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe. Dann habe er die Kinder für ein paar Tage geholt. An diesem Tag sei es dann passiert. Als er morgens von den Schwiegereltern seines Bruders habe zurückkehren wollen, sei ein Nachbar gekommen und habe berichtet, dass dies passiert sei.
Mit Bescheid vom 05.11.2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab. Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Dem Kläger wurde seine Abschiebung nach Afghanistan angedroht.
Die dagegen gerichtete Klage hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 28.01.2005 (A 10 K 12733/03) zurückgenommen.
Mit dem am 02.03.2006 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) eingegangenen Schreiben vom 27.02.2006 machte der Kläger ein Wiederaufgreifensantrag zu § 60 Abs. 2-7 AufenthG geltend. Zur Begründung legte er ein ärztliches Attest des Dr. med. ... vom 22.02.2006 vor, aus dem hervorgeht, dass der Kläger seit 2003 wegen Depression in hausärztlicher Behandlung und eine regelmäßige medikamentöse Behandlung sowie eine psychiatrische Therapie erforderlich ist. Eine Anhörung fand nicht statt.
Mit Bescheid vom 27.03.2006 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheides vom 05.11.2003 bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1-6 AuslG ab. Der Bescheid wurde dem Kläger am 29.03.2006 zugestellt.
Am 11.04.2006 hat der Kläger Klage erhoben; er beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG gegeben sind.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Seine Krankheit habe sich durch die in Deutschland fortgeschrittenen ärztlichen Behandlungen positiv entwickelt und diese Verbesserung seiner Krankheit könnte eine Veränderung der Sachlage zu seinen Gunsten im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG darstellen. Selbst wenn in Afghanistan Antidepressiva-Tabletten erhältlich seien, müsse in Deutschland bekannt sein, dass eine Heilung solcher psychologischer Krankheiten, wie sie bei ihm gegeben seien, in Afghanistan schwer vorstellbar sei. Des Weiteren legte er ein fachärztliches Attest eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie (...) vom 12.09.2007 und vom 22.01.2008 vor.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Sie ist der Ansicht, die im ärztlichen Attest vom 12.09.2007 aufgeführten Medikamente seien zwar in Kabul nicht erhältlich. Auf die Auskunft der IOM International Organization for Migration vom 02.02.2006 werde verwiesen. Es seien aber verschiedene andere Antidepressiva in Kabul problemlos verfügbar.
13 
Die Verwaltungsrechtssache wurde durch Beschluss vom 13.11.2007 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger angehört worden. Auf die dazu gefertigte Niederschrift wird verwiesen.
14 
Hinsichtlich des übrigen Vorbringens der Beteiligten sowie der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie die dem Kläger mitgeteilten und zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Erkenntnismittel verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).
16 
Nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hat das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Sennekamp, HTK-AuslR/§ 77 AsylVfG Anm. 3 zur Überprüfung der Ermessensentscheidung). Deshalb finden im vorliegenden Verfahren die am 28.08.2007 in Kraft getretenen Neuregelungen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970 ff.) - im Folgenden AufenthG - und die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 unmittelbar geltende Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2004/83/EG) Anwendung (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
17 
Das Bundesamt hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG verneint, soweit dies die Begründung des Folgeantrags unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung vom 22.02.2006 betrifft. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende und ausführliche Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, der es sich anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Ergänzend ist auszuführen: Das Gericht ist nicht befugt, andere als vom Asylbewerber selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2000, DVBl. 2000, 1048 ff. = NVwZ 2000, Beilage Nr. 7, 78 ff.; BVerwG, Urt. v. 30.08.1988, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG a.F. Nr. 8). Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG - wie hier - nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu § 53 Abs. 6 AuslG (§ 60 Abs. 7 AufenthG) zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, II-§ 71 Rdnr. 210 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG für Asylfolgeanträge die Möglichkeit einer solchen Ermessensentscheidung ausschließt; diese Regelungen sind weder unmittelbar noch entsprechend auf erneute Anträge zu § 60 Abs. 2-5 und 7 AufenthG anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 20.10.2004 - 1 C 15/03 -, BverwGE 122, 103 ff. = NVwZ 2005, 462 ff. m.w.N.).
18 
Ausgehend hiervon steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan aufgrund der schlechten Versorgungslage zu.
19 
Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für ihn eine konkrete, individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und dass sie ihm landesweit mit hoher Wahrscheinlichkeit droht (so zu der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, DVBl. 1996, 1257; vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 50; OVG Sachsen, Urt. v. 03.07.2003 - A 1 B 115/00 -, UA S. 28). § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG blieb durch das am 28.08.2007 in Kraft getretene Änderungsgesetz des Aufenthaltsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBI. I S. 1970) unverändert. Betroffen von der Änderung sind die Sätze 2 und 3 des § 60 Abs. 7 AufenthG. Diese lauten wie folgt: Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (S. 2). Gefahren nach S. 1 oder S. 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen gemäß § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen (S. 3).
20 
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfasst wie § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 - auch insoweit der Normstruktur des § 53 Abs. 6 AuslG entsprechend - nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wurden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG 2004 berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG 2004). Eine solchermaßen all-gemeine Gefahr unterfiel § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 grundsätzlich selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen droht; denn nach der bisherigen Rechtsprechung entfaltet bei allgemeinen Gefahren Satz 2 der Vorschrift eine „Sperrwirkung“ dahin, dass über die Gewährung von Abschiebungsschutz allein im Wege politischer Leitentscheidung befunden werden soll. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Rückgriff auf § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 jedoch bei einer allgemeinen Gefahr ausnahmsweise dann nicht gesperrt, wenn die Situation im Zielstaat der Abschiebung so extrem ist, dass die Abschiebung den Einzelnen „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde“ (vgl. wiederum zu § 53 Abs. 6 AuslG, BVerwG, Urteile v. 08.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 ff. m.w.N.). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen. Nur wenn extreme Gefahren mit diesem erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad landesweit drohen, ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG) gerechtfertigt (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2004 - 1 B 132/04 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 80 m.w.N. , Urt. v. 04.02.2004 - B 291/03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75 zitiert nach; Reinhard Marx, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung, § 42 Rdnr. 1 ff.).
21 
Eine extreme Gefahrenlage scheidet allerdings von vornherein aus, wenn gleichwertiger Schutz vor Abschiebung anderweitig durch eine erfolgte Einzelfallregelung oder durch einen Erlass vermittelt wird (vgl. BVerwG, Urteile v. 12. 07.2001 - 1 C 2.01 -, NVwZ 2001, 1420 u. v. 20.10.2004, a.a.O.). Diese Ausnahme greift vorliegend auch unter Berücksichtigung der Beschlusslage der Innenministerkonferenz und deren landesinterner Umsetzung nicht ein (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/03 -, UA S. 13 ff. u. Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -).
22 
Nach der Rechtsprechung des VG Karlsruhe ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) eine extreme Gefahr aufgrund der allgemeinen unzureichenden Versorgungslage zu bejahen für die Bevölkerungsgruppe der langjährig in Europa ansässigen, nicht freiwillig zurückkehrenden Flüchtlinge, die nicht auf den Rückhalt von Verwandten oder Bekannten/Freunden in Afghanistan und/oder dortigen erreichbaren Grundbesitz zurückgreifen können und/oder über für ein Leben am Existenzminimum ausreichende Ersparnisse verfügen und die deshalb außer Stande sind, aus eigener Kraft für ihre Existenz zu sorgen (VG Karlsruhe, Urteile v. 08.01.2008 - A 11 K 242/06 - u. - A 11 K 970/06 -, Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -, Urt. v. 07.12.2007 - A 11 K 432/07 -, Urt. v. 29.03.2006 - A 10 K 10740/04 - u. Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/02 -; i. Erg. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteile v. 05.05.2006 - 12 B 11.05 u. OVG 12 B 9.05 -; VG München, Urt. v. 26.09.2007 - M 23 K 07.50548 - m.w.N. u. Urt. v. 09.03.2007 - M 23 K 07.50194 - u. Urt. v. 12.03.2007 - M 23 K 04.51881 - jeweils in ; VG Frankfurt, Urt. v. 06.06.2007 - 3 E 4744/05.A - für alleinstehende junge Männer u. VG Frankfurt, Urt. v. 30.05.2007 - 3 E 614/04.A - für Frauen ; a.A. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ; OVG NW, Urt. v. 02.01.2007 - 20 A 424/05.A - u. Urt. v. 21.03.2007 - 20 A 5164/04.A - in besonders gelagerten Einzelfällen u. Urt. v. 05.04.2006 - 20 A 5161/04.A - jeweils in ; Bay. VGH, Beschl. v. 21.09.2007 - 6 ZB 06.31140 - ). Zur Versorgungslage hat das erkennende Gericht im Urteil vom 08.01.2008 (- A 11 K 242/06 -) Folgendes ausgeführt:
23 
„Zur Beurteilung der Versorgungslage existieren mehrere unterschiedliche Quellen, die kein einheitliches Bild ergeben. Die Berichte aus jüngster Zeit lassen aber darauf schließen, dass sich die allgemeine Versorgungslage zunehmend verschlechtert und insbesondere durch die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt verschärft hat, dass für den genannten Personenkreis eine extreme Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG anzunehmen ist. Der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.03.2007 führt zur Versorgungslage in Übereinstimmung mit dem Lagebericht vom 13.07.2006 Folgendes aus (Ziff. IV. 1.): Die Vereinten Nationen versorgen weiterhin noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend. Das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. In vielen Gebieten Afghanistans muss die Versorgungslage mit Lebensmitteln auch weiterhin als nicht zufrieden stellend bezeichnet werden. Humanitäre Nothilfeleistungen wurden 2006 in verschiedenen Landesteilen notwendig, zum Teil wegen Dürre, zum Teil wegen schwerer Überschwemmungen. Eine Versorgung der Notstandsgebiete ist oftmals, bedingt durch fehlende oder schlecht ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht mehr möglich. Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird vor allem im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind in Afghanistan nicht bekannt. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stämme übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in größeren Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren (vor allem aus Iran und Pakistan), wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Bei der Frage, wie die Reintegration eines Rückkehrers zu beurteilen ist, ist auch zu bedenken, dass die Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle einen besseren finanziellen Rückhalt, eine qualifizierte Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mitbringen als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Derartige Qualifikationen verschaffen ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Adäquate staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Zurückkehrende und begleitete Minderjährige gibt es nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht. Das Auswärtige Amt berichtet ferner über freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan aus dem Iran, Pakistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Diese sollen vom UNHCR eine begrenzte finanzielle Beihilfe und Sachmittel erhalten. Im Jahr 2006 ging die Zahl der mit Unterstützung durch UNHCR Zurückgekehrten mit ca. 150.000 Menschen (2005: 520.000) deutlich zurück. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kommen in den meisten Fällen bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapaziert. UNHCR hat mit verschiedenen NROen eine Vereinbarung über die Errichtung einer begrenzten Zahl von Unterkünften in den Provinzen und der Zentralregion um Kabul geschlossen. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht v. 17.03.2007, S. 26) leistet UNHCR (und z. T. IOM) über sein Rückkehrerprogramm Hilfe und unterstützt die afghanische Regierung bei der Formulierung von Strategien. Die Mehrzahl der Rückkehrer zieht in die Provinzen Kabul, Parwan, Kapisa, Logar, Wardak, Ghazni und Panjir. Die Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, unterscheiden sich nach Einschätzung des UNHCR nicht von denen anderer Afghanen (insbesondere in den Provinzen), sie sind aber sehr viel prononcierter. In erster Linie sind in diesem Zusammenhang Land- und Grundstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, Rückforderung ehemaligen Eigentums, illegale Besetzung von Land etc. offenbar werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Rechte wie Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc. mit Problemen behaftet. Ein Rückführungsabkommen gibt es bislang zwischen Deutschland und Afghanistan nicht. Die afghanische Regierung verlangt als Teil einer Vereinbarung zusätzliche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer aus Deutschland (Unterkunft, Arbeitsplatzbeschaffung etc.), zu deren Finanzierung sie sich selbst nicht in der Lage sieht (AA, Lagebericht v. 17.03.2007, S. 28).
24 
Das RANA-Programm mit seinem Budget von 4,5 Mio. Euro und weiteren Einrichtungen ist auf Dauer nicht geeignet, die Versorgung der Rückkehrer sicherzustellen, denn es gilt nicht für abgeschobene Asylbewerber. Das RANA-Programm hat zum Ziel, Afghanen, die aus Europa in ihr Heimatland freiwillig zurückkehren, zu unterstützen (IOM v. 07.12.2006 an OVG Bautzen; anderer Ansicht David, Niederschrift des OVG Berlin Brandenburg v. 25.03.2006, S. 10). Außerdem wurde bei seiner Verlängerung bis Ende April 2007 klargestellt, dass dies die letzte Verlängerung ist und das Programm eingestellt wird (AA, Auskunft v. 31.01.2007 an VG Kassel).
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Ein weitgehend düsteres Bild zeigt der Sachverständige Dr. Danesch über die tatsächlichen Verhältnisse auf, mit denen sich Asylbewerber nach ihrer Abschiebung konfrontiert sehen. Nach dessen auf einer Reise durch Afghanistan im Dezember 2005 gewonnenen Erfahrungen ist die Lage zurückkehrender Flüchtlinge so katastrophal, dass sie unmittelbar eine Existenzgefährdung für die Betroffenen darstellt (Dr. Danesch, Stellungnahmen v. 24.07.2004 an das OVG Bautzen, v. 25.01.2006 an das VG Hamburg u. v. 04.12.2006 an den VGH Kassel). Dr. Danesch weist insbesondere darauf hin, dass sich die Versorgungslage besonders in Kabul drastisch verschlechtert habe. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen. Der Umstand, dass es keine breite Berichterstattung über Todesfälle unter der armen Bevölkerung von Kabul gebe, bedeute nicht, dass diese nicht geschähen. Es handele sich buchstäblich um Menschen, nach denen in Afghanistan und im Ausland „kein Hahn kräht“ (Stellungnahme v. 04.12.2006 an VGH Kassel). Seinen Ausführungen zufolge ist in den letzten Jahren die Bevölkerungszahl Kabuls so sprunghaft angestiegen, dass nach offiziellen Angaben mittlerweile 4,5 Mio. Menschen dort leben. Insgesamt seien nach Angaben der UNHCR bis heute rund 4,4 Mio. Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt. Gerade durch den massenhaften Zustrom habe sich in den letzten Jahren die Versorgungslage in Kabul noch einmal massiv verschärft. Diese Gruppe von Flüchtlingen kehre keineswegs nach Afghanistan zurück, weil sich dort etwa die Lage verbessert habe, sondern weil sie von den bisherigen Aufnahmeländern Iran und besonders Pakistan massiv und teilweise auch gewaltsam zur Rückkehr gedrängt worden seien. Problematisch sei die geografische Lage Kabuls. Da die Stadt in einem von hohen Bergen umgebenden Talkessel liegt, sei die Möglichkeit zur räumlichen Ausdehnung von Ansiedlungen beschränkt. Auf diesem engen Raum drängten sich Millionen Menschen, von denen die meisten in den letzten Jahren als Flüchtlinge in die Stadt gekommen seien. Das Verkehrschaos, die Luftverschmutzung und der Müll in Kabul seien unbeschreiblich. Selbst die UNO habe sich verschätzt. Ursprünglich sollten die Millionen Rückkehrer wieder in ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten auf dem Land integriert werden; doch stattdessen strömten sie vor allem nach Kabul. Die meisten der ca. 2.400 Hilfsorganisationen säßen in Kabul, so dass in der Bevölkerung der Eindruck entstanden sei, dort würden sie von ihnen versorgt. Millionen Afghanen strebten nach Kabul in der Hoffnung, dort Hilfe - Infrastruktur, medizinische Versorgung, Wohnraum - zu erhalten. Diese Hoffnung trüge jedoch in den meisten Fällen. Grundsätzlich erhalte jede in Kabul eintreffende Familie - also auch abgeschobene Rückkehrer aus Europa - von der UN eine einmalige Hilfe von 12,-- Dollar pro Person. Dann seien die Menschen auf sich gestellt und müssten selbst nach einer Unterkunft suchen. Weitere Hilfen durch die UN oder Nichtregierungsorganisationen (NGOen) gebe es momentan in Kabul nicht. Von einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in Kabul habe er vor Ort nichts erkennen können. Vielmehr sei die Wohnsituation der Flüchtlinge katastrophal (Stellungnahme an VGH Kassel, S. 26). Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht. Der Organisation refutes international zufolge koste ein einfaches Zimmer 15,-- bis 20,-- Dollar im Monat; dazu sei allerdings anzumerken, dass man zu diesem Preis nur in weit vom Zentrum gelegenen Außenbezirken unterkomme, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Für eine primitive Zwei-Zimmer-Wohnung im Stadtgebiet von Kabul ohne Wasser, Heizung und Kanalisation müsse man monatlich mindestens 100,-- Dollar aufbringen, was für einen alleinstehenden Rückkehrer, selbst wenn er Gelegenheitsarbeiten finden sollte, nicht möglich sein werde, weil ein durchschnittlicher Tageslohn in Kabul ca. 2,-- Dollar betrage. Der Betroffene stünde wiederum auf der Straße oder wäre den buchstäblich lebensgefährlichen Zuständen ausgeliefert. Nach Angaben des „Afghanistan research and evaluation unit“ vom April 2006 würden solche provisorischen Siedlungen 70 % des Kabuler Stadtgebiets ausmachen und 80 % seiner Einwohner beherbergen. Die weite Verbreitung solcher Lebensverhältnisse mache sie jedoch nicht ungefährlicher; gerade durch die Verhältnisse und die damit verbundenen hygienischen Mängel seien viele Menschen erkrankt und gestorben. Diese kämen in den Statistiken nicht vor. Besonders gravierend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass ein großer Mangel an sauberem Trinkwasser bestehe. 60 bis 70 % der Kabuler Bevölkerung beziehe ihr Wasser von selbst gegrabenen Flachbrunnen oder öffentlichen Handpumpen, und manche Menschen müssten 1 bis 1½ Stunden zu Fuß gehen, um Wasser heran zu schaffen. Selbst wohlhabende Stadtgebiete würden nur tageweise mit Leitungswasser versorgt.
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Diese Beurteilung deckt sich in den hier interessierenden Punkten im Wesentlichen mit den Aussagen des in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 13.11.2007 im Verfahren A 11 K 507/06 vernommenen Zeugen Mir Atiq Sediq. Der Zeuge ist der Sohn des zum Termin geladenen Dolmetschers; er hielt sich in den letzten beiden Jahren zwei Mal längere Zeit in Kabul auf; im Jahr 2005 arbeitete er einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium. Er bestätigte vor allem die Angaben des Dr. Danesch, dass Kabul von der Bevölkerungszahl her stark gewachsen sei und die Preise für Wohnraum in die Höhe geschnellt seien sowie dass bezahlbarer Wohnraum nicht auf dem Wohnungsmarkt zu finden sei. Seinen Angaben zufolge sind die Mieten sehr hoch. Für ein einfaches Zimmer müsse man 50,-- Dollar bezahlen. Ein solches Zimmer werde in Kabul von einer achtköpfigen Familie und noch mehr Personen bewohnt. Die Mieten würden ein Jahr im Voraus verlangt, was auf das fehlende Vertrauen der Vermieter zurückzuführen sei. Außerdem seien die Unterkünfte sehr schlecht. Wegen dieser hohen Mietpreise müssten pro Familie zwei bis drei Personen arbeiten, um außer dem Mietpreis die notwendige Lebensgrundlage zu schaffen. Die Preise für Lebensmittel, die in Kabul grundsätzlich erhältlich seien, seien sehr hoch. Nach den Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq verdient ein Beamter oder Hilfsarbeiter etwa 50,-- Dollar im Monat; dieser Betrag werde allein schon für die Miete benötigt. Selbst wenn der Verdienst mittlerweile für einzelne Berufsgruppen höher ausfallen sollte, würde dies im Hinblick auf die allgemeine Preissteigerung für Lebensmittel und andere Güter nichts daran ändern, dass eine Person allein ein Leben in Kabul nicht bestreiten könne. Im Unterschied zu anders lautenden Quellen teilte der Zeuge Mir Atiq Sediq mit, in Kabul seien keinerlei Hilfsorganisationen mehr tätig. Diese befänden sich in den Provinzen. In Kabul habe er nur wenige Zelte angetroffen, die von Menschen bewohnt würden, die gewissermaßen wie Zigeuner lebten. Sie wanderten in wärmere Städte, wenn es in Kabul kalt werde. Der Zeuge Mir Atiq Sediq war dahin zu verstehen, dass er in Kabul keine Hilfsorganisationen antreffen konnte, die dort ihre Hilfe in Form von Wohnungen, Lagern, Zelten oder Lebensmittelausgaben angeboten hätten. Es bestehen keine Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq. Er hielt sich im Jahr 2006 drei Monate in Kabul auf, im Jahr zuvor insgesamt sechs Monate. Grund für seinen Aufenthalt in Kabul war u. a., dass er dort versucht hat, eine Arbeit zu finden. Er war einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium tätig und besuchte auch Randbezirke Kabuls sowie Mazar-e-Sharif. Beruflich ist er Diplomingenieur im Bereich Elektronik. Wegen zahlreicher Schwierigkeiten, darunter auch der fehlenden Qualifikation der Mitarbeiter bis hin zum Analphabetentum und einer Umorganisation der personellen Zusammensetzung der Ministerien gab er seine Arbeit auf. Der Zeuge berichtete lebensnah und unter Angabe vieler Details über die Verhältnisse in Kabul, weshalb keine Anhaltspunkte gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben und seine Glaubwürdigkeit insgesamt bestehen. Dies gilt auch für seine Ausführungen dazu, in welcher Form die GTZ Rückkehrern, auch aus Deutschland oder anderen Ländern abgeschobenen Afghanen, behilflich ist, einen Job zu finden. Dass sich die Internationalen Hilfsorganisationen aus Kabul zurückgezogen haben, wie er berichtete, wird durch allgemein zugängliche Quellen bestätigt (vgl. ai Info/Pressespiegel August 2007: Handelsblatt v. 23.07.2007 „Hilfsorganisationen überdenken ihre Strategie“; Rheinische Post v. 26.07.2007 „Deutsche Helfer in Gefahr“). Für den Rückzug gibt es mehrere Gründe: Die im letzten Jahr geschehenen Anschläge auf Hilfsorganisationen, bei denen es Tote, Verletzte und Entführte gab, die dadurch bewirkte Entmutigung der NGOen, die allgemein hohe Kriminalität und die damit einhergehende mangelnde Sicherheit. Die teilweise unterschiedlichen Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. Danesch, Mir Atiq Sediq und David, auf die noch näher eingegangen wird (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg v. 27.03.2006 - OVG 12 B 9.05 u. OVG 12 B 11.05 -), betreffen vorwiegend die Sicherheitslage in Kabul (s. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ), die zwar die Versorgungslage berührt, aber auch isoliert betrachtet werden kann. Unterschiede ergeben sich aber weniger in den Angaben zur Versorgungslage, sondern darin, wie die tatsächlichen Verhältnisse zu werten sind und ob sie für eine extreme Gefahr ausreichen. Was die unterschiedlichen Einschätzungen über die Existenz von Flüchtlingslagern angeht (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg über die Vernehmung des Zeugen David v. 27.03.2006, S. 10), sind diese Sachverhalte durch andere Quellen geklärt. Dass Rückkehrer aus europäischen Ländern nicht in Übergangslagern oder Zelten eine Unterkunft finden können, nehmen derzeit alle aktuellen Berichte an. Dies hat schon der Bericht von Veronika Arendt-Rojahn (PRO ASYL, Rückkehr nach Afghanistan, S. 15, 21) für die Situation der Rückkehrer im Jahr 2005 angesprochen. Dort heißt es, es sei die erklärte Politik des UNHCR, keine Zeltlager mehr entstehen zu lassen. Derartige Unterkünfte wurden in der Vergangenheit in beschränktem Umfang und nur vorübergehend für Rückkehrer aus Iran und Pakistan zur Verfügung gestellt (vgl. auch SFH v. 19.09.2006, Michael Kirschner, Auskunft der SFH-Länderanalyse). Dies lässt sich auch den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (v. 17.03.2007, S. 25 f. u. v. 13.07.2006, S. 18 ff.) entnehmen.“
27 
Im Hinblick auf die geschilderte schlechte Versorgungslage droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine extreme Gefahrenlage i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, weil er nach der Überzeugung des Gerichts in Afghanistan nicht auf Familienangehörige zurückgreifen kann und nicht in der Lage sein wird, eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dabei geht die Bedeutung der Familie weit über die verwandtschaftlichen Beziehungen der europäischen Kernfamilie hinaus. Familie hat darüber hinaus die überlebenswichtige Funktion der Versorgung und Pflege im Krankheitsfall und bei der Betreuung von Frauen und Kindern (Veronika Arendt-Rojahn u. a., PRO ASYL, S. 20; s. UNHCR v. 07.04.1998 an VG Hamburg). Bedeutsam wird der Familienverband insbesondere angesichts der Wohnsituation und des desolaten Zustandes des Gesundheitswesens. Zum Verbleib seiner Eltern, Schwestern und Brüder teilte er in der mündlichen Verhandlung - übereinstimmend mit seinen Angaben vor dem Bundesamt - mit, sie seien bei einem Bombenangriff der Taliban ums Leben gekommen. Unterschiedliche Angaben machte er zwar zum Hintergrund, warum er zum Zeitpunkt des Anschlags nicht zuhause gewesen sei. Während er bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte, er habe bei den Schwiegereltern seines Bruders die Kinder abgeholt, weil seine Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe, war davon in der mündlichen Verhandlung zunächst nicht die Rede. Zum Anlass seiner Abwesenheit berichtete er, dass er die künftigen Schwiegereltern seines Bruders aufgesucht habe, um den Besuch seiner Familie dort anzukündigen; beide Familien hätten gemeinsam die Hochzeitsvorbereitungen besprechen wollen und ihn habe man gewissermaßen vorausgeschickt. Erst auf Vorhalt seiner Angaben vor dem Bundesamt seitens des Gerichts, gab er an, eine Tochter eines anderen Bruders von ihm sei bei den künftigen Schwiegereltern ebenfalls im Hause gewesen. Eine Erklärung hierfür blieb aus. Obwohl das Vorbringen des Klägers zu diesem Komplex teilweise widersprüchlich und ungereimt ist, ist das Gericht aufgrund einiger konkreter Angaben und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Kläger, insbesondere seiner zum Ausdruck gebrachten inneren Anteilnahme an seinem Bericht über den todbringenden Anschlag, überzeugt, dass er bei einem Anschlag seine engere Familie verloren hat. Seine Betroffenheit mag auch ein Grund für seine teilweise verworrenen und ungereimten Angaben zu diesem Geschehen sein. Zu dem beim Bundesamt erwähnten einzigen Onkel in Afghanistan berichtete er glaubhaft, er sei gestorben und seine weiteren Verwandten, Onkel und Tanten sowie Cousins lebten außerhalb Afghanistans, im Bundesgebiet, in Kanada, Iran und Pakistan. Eine finanzielle Unterstützung des Klägers durch seinen weiteren Familienverband ist zwar denkbar. Eine solche wäre aber nicht ausreichend dafür, eine extreme Gefahrenlage in seinem Fall zu verneinen. Aufgrund seiner in Afghanistan absolvierten beruflichen Ausbildung als Sportlehrer und seiner im Bundesgebiet gewonnenen Erfahrungen bei der Arbeit im Restaurant seines Cousins ist der Kläger zwar für Hilfsarbeitertätigkeiten vermittelbar. Ob er im Schuldienst derzeit eine Anstellung als Sportlehrer finden würde, ist fraglich. Denn die Leistungsfähigkeit des Klägers ist aufgrund der ihm bescheinigten schwerwiegenden Depression mit Nebenwirkungen (s. Fachärztliches Attest v. 22.01.2008) erheblich reduziert, was seine Möglichkeiten schmälert, im Falle seiner Rückkehr als Alleinstehender eine Lebensgrundlage zu schaffen. Seine Chancen, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, sind deshalb gegenüber Mitbewerbern deutlich geringer. Außerdem fallen vorwiegend bei Bauprojekten Arbeitsplätze an, die dem Kläger auch zumutbar sind, die aber auch von vielen anderen Personen gesucht werden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die außerhalb Afghanistan lebenden Familienmitglieder des Klägers bereit und in der Lage sind, den Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg finanziell zu unterstützen, beispielsweise durch genügend Kapital für eine Geschäftsgründung, zumal auch die ihm attestierten Medikamente finanziert werden müssten. Bei einer Berücksichtigung der Gesamtsituation droht dem Kläger aufgrund der schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahr. Einer Entscheidung darüber, ob die ihm mit ärztlichem Attest vom 22.01.2008 attestierte Erkrankung die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfüllt (BVerwG, Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, 33 ff. m.w.N. = AuAS 2007, 30 ff.), bedarf es hiernach nicht.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Gründe

 
15 
Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2006 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).
16 
Nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hat das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Sennekamp, HTK-AuslR/§ 77 AsylVfG Anm. 3 zur Überprüfung der Ermessensentscheidung). Deshalb finden im vorliegenden Verfahren die am 28.08.2007 in Kraft getretenen Neuregelungen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970 ff.) - im Folgenden AufenthG - und die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 unmittelbar geltende Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2004/83/EG) Anwendung (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
17 
Das Bundesamt hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG verneint, soweit dies die Begründung des Folgeantrags unter Hinweis auf die ärztliche Bescheinigung vom 22.02.2006 betrifft. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende und ausführliche Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, der es sich anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Ergänzend ist auszuführen: Das Gericht ist nicht befugt, andere als vom Asylbewerber selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2000, DVBl. 2000, 1048 ff. = NVwZ 2000, Beilage Nr. 7, 78 ff.; BVerwG, Urt. v. 30.08.1988, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG a.F. Nr. 8). Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG - wie hier - nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu § 53 Abs. 6 AuslG (§ 60 Abs. 7 AufenthG) zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, II-§ 71 Rdnr. 210 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG für Asylfolgeanträge die Möglichkeit einer solchen Ermessensentscheidung ausschließt; diese Regelungen sind weder unmittelbar noch entsprechend auf erneute Anträge zu § 60 Abs. 2-5 und 7 AufenthG anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 20.10.2004 - 1 C 15/03 -, BverwGE 122, 103 ff. = NVwZ 2005, 462 ff. m.w.N.).
18 
Ausgehend hiervon steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan aufgrund der schlechten Versorgungslage zu.
19 
Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für ihn eine konkrete, individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und dass sie ihm landesweit mit hoher Wahrscheinlichkeit droht (so zu der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, DVBl. 1996, 1257; vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 50; OVG Sachsen, Urt. v. 03.07.2003 - A 1 B 115/00 -, UA S. 28). § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG blieb durch das am 28.08.2007 in Kraft getretene Änderungsgesetz des Aufenthaltsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBI. I S. 1970) unverändert. Betroffen von der Änderung sind die Sätze 2 und 3 des § 60 Abs. 7 AufenthG. Diese lauten wie folgt: Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (S. 2). Gefahren nach S. 1 oder S. 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen gemäß § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen (S. 3).
20 
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfasst wie § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 - auch insoweit der Normstruktur des § 53 Abs. 6 AuslG entsprechend - nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wurden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG 2004 berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG 2004). Eine solchermaßen all-gemeine Gefahr unterfiel § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 grundsätzlich selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen droht; denn nach der bisherigen Rechtsprechung entfaltet bei allgemeinen Gefahren Satz 2 der Vorschrift eine „Sperrwirkung“ dahin, dass über die Gewährung von Abschiebungsschutz allein im Wege politischer Leitentscheidung befunden werden soll. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Rückgriff auf § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG 2004 jedoch bei einer allgemeinen Gefahr ausnahmsweise dann nicht gesperrt, wenn die Situation im Zielstaat der Abschiebung so extrem ist, dass die Abschiebung den Einzelnen „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde“ (vgl. wiederum zu § 53 Abs. 6 AuslG, BVerwG, Urteile v. 08.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 ff. m.w.N.). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen. Nur wenn extreme Gefahren mit diesem erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad landesweit drohen, ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG) gerechtfertigt (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2004 - 1 B 132/04 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 80 m.w.N. , Urt. v. 04.02.2004 - B 291/03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75 zitiert nach; Reinhard Marx, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung, § 42 Rdnr. 1 ff.).
21 
Eine extreme Gefahrenlage scheidet allerdings von vornherein aus, wenn gleichwertiger Schutz vor Abschiebung anderweitig durch eine erfolgte Einzelfallregelung oder durch einen Erlass vermittelt wird (vgl. BVerwG, Urteile v. 12. 07.2001 - 1 C 2.01 -, NVwZ 2001, 1420 u. v. 20.10.2004, a.a.O.). Diese Ausnahme greift vorliegend auch unter Berücksichtigung der Beschlusslage der Innenministerkonferenz und deren landesinterner Umsetzung nicht ein (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/03 -, UA S. 13 ff. u. Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -).
22 
Nach der Rechtsprechung des VG Karlsruhe ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) eine extreme Gefahr aufgrund der allgemeinen unzureichenden Versorgungslage zu bejahen für die Bevölkerungsgruppe der langjährig in Europa ansässigen, nicht freiwillig zurückkehrenden Flüchtlinge, die nicht auf den Rückhalt von Verwandten oder Bekannten/Freunden in Afghanistan und/oder dortigen erreichbaren Grundbesitz zurückgreifen können und/oder über für ein Leben am Existenzminimum ausreichende Ersparnisse verfügen und die deshalb außer Stande sind, aus eigener Kraft für ihre Existenz zu sorgen (VG Karlsruhe, Urteile v. 08.01.2008 - A 11 K 242/06 - u. - A 11 K 970/06 -, Urt. v. 13.11.2007 - A 11 K 517/06 -, Urt. v. 07.12.2007 - A 11 K 432/07 -, Urt. v. 29.03.2006 - A 10 K 10740/04 - u. Urt. v. 21.12.2005 - A 10 K 12651/02 -; i. Erg. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteile v. 05.05.2006 - 12 B 11.05 u. OVG 12 B 9.05 -; VG München, Urt. v. 26.09.2007 - M 23 K 07.50548 - m.w.N. u. Urt. v. 09.03.2007 - M 23 K 07.50194 - u. Urt. v. 12.03.2007 - M 23 K 04.51881 - jeweils in ; VG Frankfurt, Urt. v. 06.06.2007 - 3 E 4744/05.A - für alleinstehende junge Männer u. VG Frankfurt, Urt. v. 30.05.2007 - 3 E 614/04.A - für Frauen ; a.A. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ; OVG NW, Urt. v. 02.01.2007 - 20 A 424/05.A - u. Urt. v. 21.03.2007 - 20 A 5164/04.A - in besonders gelagerten Einzelfällen u. Urt. v. 05.04.2006 - 20 A 5161/04.A - jeweils in ; Bay. VGH, Beschl. v. 21.09.2007 - 6 ZB 06.31140 - ). Zur Versorgungslage hat das erkennende Gericht im Urteil vom 08.01.2008 (- A 11 K 242/06 -) Folgendes ausgeführt:
23 
„Zur Beurteilung der Versorgungslage existieren mehrere unterschiedliche Quellen, die kein einheitliches Bild ergeben. Die Berichte aus jüngster Zeit lassen aber darauf schließen, dass sich die allgemeine Versorgungslage zunehmend verschlechtert und insbesondere durch die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt verschärft hat, dass für den genannten Personenkreis eine extreme Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG anzunehmen ist. Der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.03.2007 führt zur Versorgungslage in Übereinstimmung mit dem Lagebericht vom 13.07.2006 Folgendes aus (Ziff. IV. 1.): Die Vereinten Nationen versorgen weiterhin noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend. Das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. In vielen Gebieten Afghanistans muss die Versorgungslage mit Lebensmitteln auch weiterhin als nicht zufrieden stellend bezeichnet werden. Humanitäre Nothilfeleistungen wurden 2006 in verschiedenen Landesteilen notwendig, zum Teil wegen Dürre, zum Teil wegen schwerer Überschwemmungen. Eine Versorgung der Notstandsgebiete ist oftmals, bedingt durch fehlende oder schlecht ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht mehr möglich. Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird vor allem im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind in Afghanistan nicht bekannt. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stämme übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in größeren Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren (vor allem aus Iran und Pakistan), wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Bei der Frage, wie die Reintegration eines Rückkehrers zu beurteilen ist, ist auch zu bedenken, dass die Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle einen besseren finanziellen Rückhalt, eine qualifizierte Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mitbringen als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Derartige Qualifikationen verschaffen ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Adäquate staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Zurückkehrende und begleitete Minderjährige gibt es nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht. Das Auswärtige Amt berichtet ferner über freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan aus dem Iran, Pakistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Diese sollen vom UNHCR eine begrenzte finanzielle Beihilfe und Sachmittel erhalten. Im Jahr 2006 ging die Zahl der mit Unterstützung durch UNHCR Zurückgekehrten mit ca. 150.000 Menschen (2005: 520.000) deutlich zurück. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kommen in den meisten Fällen bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapaziert. UNHCR hat mit verschiedenen NROen eine Vereinbarung über die Errichtung einer begrenzten Zahl von Unterkünften in den Provinzen und der Zentralregion um Kabul geschlossen. Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht v. 17.03.2007, S. 26) leistet UNHCR (und z. T. IOM) über sein Rückkehrerprogramm Hilfe und unterstützt die afghanische Regierung bei der Formulierung von Strategien. Die Mehrzahl der Rückkehrer zieht in die Provinzen Kabul, Parwan, Kapisa, Logar, Wardak, Ghazni und Panjir. Die Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, unterscheiden sich nach Einschätzung des UNHCR nicht von denen anderer Afghanen (insbesondere in den Provinzen), sie sind aber sehr viel prononcierter. In erster Linie sind in diesem Zusammenhang Land- und Grundstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, Rückforderung ehemaligen Eigentums, illegale Besetzung von Land etc. offenbar werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Rechte wie Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc. mit Problemen behaftet. Ein Rückführungsabkommen gibt es bislang zwischen Deutschland und Afghanistan nicht. Die afghanische Regierung verlangt als Teil einer Vereinbarung zusätzliche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer aus Deutschland (Unterkunft, Arbeitsplatzbeschaffung etc.), zu deren Finanzierung sie sich selbst nicht in der Lage sieht (AA, Lagebericht v. 17.03.2007, S. 28).
24 
Das RANA-Programm mit seinem Budget von 4,5 Mio. Euro und weiteren Einrichtungen ist auf Dauer nicht geeignet, die Versorgung der Rückkehrer sicherzustellen, denn es gilt nicht für abgeschobene Asylbewerber. Das RANA-Programm hat zum Ziel, Afghanen, die aus Europa in ihr Heimatland freiwillig zurückkehren, zu unterstützen (IOM v. 07.12.2006 an OVG Bautzen; anderer Ansicht David, Niederschrift des OVG Berlin Brandenburg v. 25.03.2006, S. 10). Außerdem wurde bei seiner Verlängerung bis Ende April 2007 klargestellt, dass dies die letzte Verlängerung ist und das Programm eingestellt wird (AA, Auskunft v. 31.01.2007 an VG Kassel).
25 
Ein weitgehend düsteres Bild zeigt der Sachverständige Dr. Danesch über die tatsächlichen Verhältnisse auf, mit denen sich Asylbewerber nach ihrer Abschiebung konfrontiert sehen. Nach dessen auf einer Reise durch Afghanistan im Dezember 2005 gewonnenen Erfahrungen ist die Lage zurückkehrender Flüchtlinge so katastrophal, dass sie unmittelbar eine Existenzgefährdung für die Betroffenen darstellt (Dr. Danesch, Stellungnahmen v. 24.07.2004 an das OVG Bautzen, v. 25.01.2006 an das VG Hamburg u. v. 04.12.2006 an den VGH Kassel). Dr. Danesch weist insbesondere darauf hin, dass sich die Versorgungslage besonders in Kabul drastisch verschlechtert habe. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen. Der Umstand, dass es keine breite Berichterstattung über Todesfälle unter der armen Bevölkerung von Kabul gebe, bedeute nicht, dass diese nicht geschähen. Es handele sich buchstäblich um Menschen, nach denen in Afghanistan und im Ausland „kein Hahn kräht“ (Stellungnahme v. 04.12.2006 an VGH Kassel). Seinen Ausführungen zufolge ist in den letzten Jahren die Bevölkerungszahl Kabuls so sprunghaft angestiegen, dass nach offiziellen Angaben mittlerweile 4,5 Mio. Menschen dort leben. Insgesamt seien nach Angaben der UNHCR bis heute rund 4,4 Mio. Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt. Gerade durch den massenhaften Zustrom habe sich in den letzten Jahren die Versorgungslage in Kabul noch einmal massiv verschärft. Diese Gruppe von Flüchtlingen kehre keineswegs nach Afghanistan zurück, weil sich dort etwa die Lage verbessert habe, sondern weil sie von den bisherigen Aufnahmeländern Iran und besonders Pakistan massiv und teilweise auch gewaltsam zur Rückkehr gedrängt worden seien. Problematisch sei die geografische Lage Kabuls. Da die Stadt in einem von hohen Bergen umgebenden Talkessel liegt, sei die Möglichkeit zur räumlichen Ausdehnung von Ansiedlungen beschränkt. Auf diesem engen Raum drängten sich Millionen Menschen, von denen die meisten in den letzten Jahren als Flüchtlinge in die Stadt gekommen seien. Das Verkehrschaos, die Luftverschmutzung und der Müll in Kabul seien unbeschreiblich. Selbst die UNO habe sich verschätzt. Ursprünglich sollten die Millionen Rückkehrer wieder in ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten auf dem Land integriert werden; doch stattdessen strömten sie vor allem nach Kabul. Die meisten der ca. 2.400 Hilfsorganisationen säßen in Kabul, so dass in der Bevölkerung der Eindruck entstanden sei, dort würden sie von ihnen versorgt. Millionen Afghanen strebten nach Kabul in der Hoffnung, dort Hilfe - Infrastruktur, medizinische Versorgung, Wohnraum - zu erhalten. Diese Hoffnung trüge jedoch in den meisten Fällen. Grundsätzlich erhalte jede in Kabul eintreffende Familie - also auch abgeschobene Rückkehrer aus Europa - von der UN eine einmalige Hilfe von 12,-- Dollar pro Person. Dann seien die Menschen auf sich gestellt und müssten selbst nach einer Unterkunft suchen. Weitere Hilfen durch die UN oder Nichtregierungsorganisationen (NGOen) gebe es momentan in Kabul nicht. Von einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in Kabul habe er vor Ort nichts erkennen können. Vielmehr sei die Wohnsituation der Flüchtlinge katastrophal (Stellungnahme an VGH Kassel, S. 26). Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht. Der Organisation refutes international zufolge koste ein einfaches Zimmer 15,-- bis 20,-- Dollar im Monat; dazu sei allerdings anzumerken, dass man zu diesem Preis nur in weit vom Zentrum gelegenen Außenbezirken unterkomme, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Für eine primitive Zwei-Zimmer-Wohnung im Stadtgebiet von Kabul ohne Wasser, Heizung und Kanalisation müsse man monatlich mindestens 100,-- Dollar aufbringen, was für einen alleinstehenden Rückkehrer, selbst wenn er Gelegenheitsarbeiten finden sollte, nicht möglich sein werde, weil ein durchschnittlicher Tageslohn in Kabul ca. 2,-- Dollar betrage. Der Betroffene stünde wiederum auf der Straße oder wäre den buchstäblich lebensgefährlichen Zuständen ausgeliefert. Nach Angaben des „Afghanistan research and evaluation unit“ vom April 2006 würden solche provisorischen Siedlungen 70 % des Kabuler Stadtgebiets ausmachen und 80 % seiner Einwohner beherbergen. Die weite Verbreitung solcher Lebensverhältnisse mache sie jedoch nicht ungefährlicher; gerade durch die Verhältnisse und die damit verbundenen hygienischen Mängel seien viele Menschen erkrankt und gestorben. Diese kämen in den Statistiken nicht vor. Besonders gravierend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass ein großer Mangel an sauberem Trinkwasser bestehe. 60 bis 70 % der Kabuler Bevölkerung beziehe ihr Wasser von selbst gegrabenen Flachbrunnen oder öffentlichen Handpumpen, und manche Menschen müssten 1 bis 1½ Stunden zu Fuß gehen, um Wasser heran zu schaffen. Selbst wohlhabende Stadtgebiete würden nur tageweise mit Leitungswasser versorgt.
26 
Diese Beurteilung deckt sich in den hier interessierenden Punkten im Wesentlichen mit den Aussagen des in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 13.11.2007 im Verfahren A 11 K 507/06 vernommenen Zeugen Mir Atiq Sediq. Der Zeuge ist der Sohn des zum Termin geladenen Dolmetschers; er hielt sich in den letzten beiden Jahren zwei Mal längere Zeit in Kabul auf; im Jahr 2005 arbeitete er einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium. Er bestätigte vor allem die Angaben des Dr. Danesch, dass Kabul von der Bevölkerungszahl her stark gewachsen sei und die Preise für Wohnraum in die Höhe geschnellt seien sowie dass bezahlbarer Wohnraum nicht auf dem Wohnungsmarkt zu finden sei. Seinen Angaben zufolge sind die Mieten sehr hoch. Für ein einfaches Zimmer müsse man 50,-- Dollar bezahlen. Ein solches Zimmer werde in Kabul von einer achtköpfigen Familie und noch mehr Personen bewohnt. Die Mieten würden ein Jahr im Voraus verlangt, was auf das fehlende Vertrauen der Vermieter zurückzuführen sei. Außerdem seien die Unterkünfte sehr schlecht. Wegen dieser hohen Mietpreise müssten pro Familie zwei bis drei Personen arbeiten, um außer dem Mietpreis die notwendige Lebensgrundlage zu schaffen. Die Preise für Lebensmittel, die in Kabul grundsätzlich erhältlich seien, seien sehr hoch. Nach den Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq verdient ein Beamter oder Hilfsarbeiter etwa 50,-- Dollar im Monat; dieser Betrag werde allein schon für die Miete benötigt. Selbst wenn der Verdienst mittlerweile für einzelne Berufsgruppen höher ausfallen sollte, würde dies im Hinblick auf die allgemeine Preissteigerung für Lebensmittel und andere Güter nichts daran ändern, dass eine Person allein ein Leben in Kabul nicht bestreiten könne. Im Unterschied zu anders lautenden Quellen teilte der Zeuge Mir Atiq Sediq mit, in Kabul seien keinerlei Hilfsorganisationen mehr tätig. Diese befänden sich in den Provinzen. In Kabul habe er nur wenige Zelte angetroffen, die von Menschen bewohnt würden, die gewissermaßen wie Zigeuner lebten. Sie wanderten in wärmere Städte, wenn es in Kabul kalt werde. Der Zeuge Mir Atiq Sediq war dahin zu verstehen, dass er in Kabul keine Hilfsorganisationen antreffen konnte, die dort ihre Hilfe in Form von Wohnungen, Lagern, Zelten oder Lebensmittelausgaben angeboten hätten. Es bestehen keine Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Mir Atiq Sediq. Er hielt sich im Jahr 2006 drei Monate in Kabul auf, im Jahr zuvor insgesamt sechs Monate. Grund für seinen Aufenthalt in Kabul war u. a., dass er dort versucht hat, eine Arbeit zu finden. Er war einige Monate im Umwelt- und Städtebauministerium tätig und besuchte auch Randbezirke Kabuls sowie Mazar-e-Sharif. Beruflich ist er Diplomingenieur im Bereich Elektronik. Wegen zahlreicher Schwierigkeiten, darunter auch der fehlenden Qualifikation der Mitarbeiter bis hin zum Analphabetentum und einer Umorganisation der personellen Zusammensetzung der Ministerien gab er seine Arbeit auf. Der Zeuge berichtete lebensnah und unter Angabe vieler Details über die Verhältnisse in Kabul, weshalb keine Anhaltspunkte gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben und seine Glaubwürdigkeit insgesamt bestehen. Dies gilt auch für seine Ausführungen dazu, in welcher Form die GTZ Rückkehrern, auch aus Deutschland oder anderen Ländern abgeschobenen Afghanen, behilflich ist, einen Job zu finden. Dass sich die Internationalen Hilfsorganisationen aus Kabul zurückgezogen haben, wie er berichtete, wird durch allgemein zugängliche Quellen bestätigt (vgl. ai Info/Pressespiegel August 2007: Handelsblatt v. 23.07.2007 „Hilfsorganisationen überdenken ihre Strategie“; Rheinische Post v. 26.07.2007 „Deutsche Helfer in Gefahr“). Für den Rückzug gibt es mehrere Gründe: Die im letzten Jahr geschehenen Anschläge auf Hilfsorganisationen, bei denen es Tote, Verletzte und Entführte gab, die dadurch bewirkte Entmutigung der NGOen, die allgemein hohe Kriminalität und die damit einhergehende mangelnde Sicherheit. Die teilweise unterschiedlichen Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. Danesch, Mir Atiq Sediq und David, auf die noch näher eingegangen wird (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg v. 27.03.2006 - OVG 12 B 9.05 u. OVG 12 B 11.05 -), betreffen vorwiegend die Sicherheitslage in Kabul (s. OVG Sachsen, Urt. v. 23.08.2006 - A 1 B 58/06 - ), die zwar die Versorgungslage berührt, aber auch isoliert betrachtet werden kann. Unterschiede ergeben sich aber weniger in den Angaben zur Versorgungslage, sondern darin, wie die tatsächlichen Verhältnisse zu werten sind und ob sie für eine extreme Gefahr ausreichen. Was die unterschiedlichen Einschätzungen über die Existenz von Flüchtlingslagern angeht (s. Niederschrift des OVG Berlin-Brandenburg über die Vernehmung des Zeugen David v. 27.03.2006, S. 10), sind diese Sachverhalte durch andere Quellen geklärt. Dass Rückkehrer aus europäischen Ländern nicht in Übergangslagern oder Zelten eine Unterkunft finden können, nehmen derzeit alle aktuellen Berichte an. Dies hat schon der Bericht von Veronika Arendt-Rojahn (PRO ASYL, Rückkehr nach Afghanistan, S. 15, 21) für die Situation der Rückkehrer im Jahr 2005 angesprochen. Dort heißt es, es sei die erklärte Politik des UNHCR, keine Zeltlager mehr entstehen zu lassen. Derartige Unterkünfte wurden in der Vergangenheit in beschränktem Umfang und nur vorübergehend für Rückkehrer aus Iran und Pakistan zur Verfügung gestellt (vgl. auch SFH v. 19.09.2006, Michael Kirschner, Auskunft der SFH-Länderanalyse). Dies lässt sich auch den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (v. 17.03.2007, S. 25 f. u. v. 13.07.2006, S. 18 ff.) entnehmen.“
27 
Im Hinblick auf die geschilderte schlechte Versorgungslage droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine extreme Gefahrenlage i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, weil er nach der Überzeugung des Gerichts in Afghanistan nicht auf Familienangehörige zurückgreifen kann und nicht in der Lage sein wird, eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dabei geht die Bedeutung der Familie weit über die verwandtschaftlichen Beziehungen der europäischen Kernfamilie hinaus. Familie hat darüber hinaus die überlebenswichtige Funktion der Versorgung und Pflege im Krankheitsfall und bei der Betreuung von Frauen und Kindern (Veronika Arendt-Rojahn u. a., PRO ASYL, S. 20; s. UNHCR v. 07.04.1998 an VG Hamburg). Bedeutsam wird der Familienverband insbesondere angesichts der Wohnsituation und des desolaten Zustandes des Gesundheitswesens. Zum Verbleib seiner Eltern, Schwestern und Brüder teilte er in der mündlichen Verhandlung - übereinstimmend mit seinen Angaben vor dem Bundesamt - mit, sie seien bei einem Bombenangriff der Taliban ums Leben gekommen. Unterschiedliche Angaben machte er zwar zum Hintergrund, warum er zum Zeitpunkt des Anschlags nicht zuhause gewesen sei. Während er bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte, er habe bei den Schwiegereltern seines Bruders die Kinder abgeholt, weil seine Mutter manchmal Sehnsucht nach ihnen gehabt habe, war davon in der mündlichen Verhandlung zunächst nicht die Rede. Zum Anlass seiner Abwesenheit berichtete er, dass er die künftigen Schwiegereltern seines Bruders aufgesucht habe, um den Besuch seiner Familie dort anzukündigen; beide Familien hätten gemeinsam die Hochzeitsvorbereitungen besprechen wollen und ihn habe man gewissermaßen vorausgeschickt. Erst auf Vorhalt seiner Angaben vor dem Bundesamt seitens des Gerichts, gab er an, eine Tochter eines anderen Bruders von ihm sei bei den künftigen Schwiegereltern ebenfalls im Hause gewesen. Eine Erklärung hierfür blieb aus. Obwohl das Vorbringen des Klägers zu diesem Komplex teilweise widersprüchlich und ungereimt ist, ist das Gericht aufgrund einiger konkreter Angaben und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Kläger, insbesondere seiner zum Ausdruck gebrachten inneren Anteilnahme an seinem Bericht über den todbringenden Anschlag, überzeugt, dass er bei einem Anschlag seine engere Familie verloren hat. Seine Betroffenheit mag auch ein Grund für seine teilweise verworrenen und ungereimten Angaben zu diesem Geschehen sein. Zu dem beim Bundesamt erwähnten einzigen Onkel in Afghanistan berichtete er glaubhaft, er sei gestorben und seine weiteren Verwandten, Onkel und Tanten sowie Cousins lebten außerhalb Afghanistans, im Bundesgebiet, in Kanada, Iran und Pakistan. Eine finanzielle Unterstützung des Klägers durch seinen weiteren Familienverband ist zwar denkbar. Eine solche wäre aber nicht ausreichend dafür, eine extreme Gefahrenlage in seinem Fall zu verneinen. Aufgrund seiner in Afghanistan absolvierten beruflichen Ausbildung als Sportlehrer und seiner im Bundesgebiet gewonnenen Erfahrungen bei der Arbeit im Restaurant seines Cousins ist der Kläger zwar für Hilfsarbeitertätigkeiten vermittelbar. Ob er im Schuldienst derzeit eine Anstellung als Sportlehrer finden würde, ist fraglich. Denn die Leistungsfähigkeit des Klägers ist aufgrund der ihm bescheinigten schwerwiegenden Depression mit Nebenwirkungen (s. Fachärztliches Attest v. 22.01.2008) erheblich reduziert, was seine Möglichkeiten schmälert, im Falle seiner Rückkehr als Alleinstehender eine Lebensgrundlage zu schaffen. Seine Chancen, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, sind deshalb gegenüber Mitbewerbern deutlich geringer. Außerdem fallen vorwiegend bei Bauprojekten Arbeitsplätze an, die dem Kläger auch zumutbar sind, die aber auch von vielen anderen Personen gesucht werden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die außerhalb Afghanistan lebenden Familienmitglieder des Klägers bereit und in der Lage sind, den Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg finanziell zu unterstützen, beispielsweise durch genügend Kapital für eine Geschäftsgründung, zumal auch die ihm attestierten Medikamente finanziert werden müssten. Bei einer Berücksichtigung der Gesamtsituation droht dem Kläger aufgrund der schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahr. Einer Entscheidung darüber, ob die ihm mit ärztlichem Attest vom 22.01.2008 attestierte Erkrankung die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfüllt (BVerwG, Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, 33 ff. m.w.N. = AuAS 2007, 30 ff.), bedarf es hiernach nicht.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2007 - A 6 K 4738/07 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am 05.02.1986 im Dorf Tschardehi in der Provinz Ghorband/Distrikt Parwan geborener lediger und kinderloser afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens vom Volk der Tadschiken reiste am 03.10.2003 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 21.10.2003 stellte er einen Asylantrag mit der Begründung, sein Vater und Bruder sowie zwei Vettern seien im Rahmen eines blutigen Familienstreits um die Verheiratung eines Mädchens ums Leben gekommen. Aus Rache werde der Kläger bis heute von seinen Vettern mit dem Tode bedroht. Seine Mutter und ein Onkel lebten zwischenzeitlich im vom Familiendorf etwa 3 ½ Autostunden entfernten Kabul. Die Ausreise Anfang Oktober 2003 über den Flughafen Kabul sei mit Hilfe von Schleppern gegen Bezahlung von 15.000 US-Dollar gelungen.
Die Beklagte lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) vom 28.10.2003 als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - offensichtlich nicht vorliegen sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben sind, und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an. Der Bescheid wurde am 11.11.2003 bestandskräftig.
Unter Berufung auf neuere Rechtsprechung zum Vorliegen einer extremen Gefahrenlage in Afghanistan auch für alleinstehende Männer stellte der Kläger am 16.05.2007 einen so genannten Folgeschutzantrag hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
Mit Bescheid vom 16.08.2007 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Änderung des Bescheids vom 28.10.2003 bezüglich der Feststellungen zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG ab. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens seien nicht erfüllt. Weder führe die Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Tadschiken in Afghanistan zu einer landesweiten Verfolgungsgefahr noch ergebe sich aus der dortigen allgemeinen Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation für den Kläger. Jedenfalls in Kabul könne er sein Existenzminimum sichern.
Am 30.08.2007 hat der Kläger unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamts vom 16.08.2007 zu der Feststellung zu verpflichten, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegen.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 19.09.2007 - A 6 K 4738/07 - hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verpflichtet, insoweit den Bundesamtsbescheid vom 16.08.2007 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung des stattgebenden Teils seines Urteils hat es im Wesentlichen ausgeführt, wegen der in Afghanistan bestehenden unzureichenden Versorgungslage bestehe für den Kläger bei einer Rückkehr dorthin eine extreme Gefahrensituation. Da der Vater des Klägers bereits vor dessen Ausreise aus Afghanistan verstorben sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger in seiner Heimat über keine hinreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung verfüge. Bei einer Abschiebung werde er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert. Zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG äußert sich die übrige Begründung des Urteils nicht.
Der Kläger hat keinen Zulassungsantrag gestellt.
Mit ihrer vom erkennenden Gerichtshof mit Beschluss vom 28.02.2008 - A 8 S 2412/07 - zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, eine extreme Gefahrensituation könne jedenfalls für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Rückkehrer nicht angenommen werden. Die Versorgungslage in Kabul sei für diese Personengruppe nicht derart schlecht, dass eine Hungerkatastrophe befürchtet werden müsse. Unterstützung gebe es für Rückkehrer durch internationale Organisationen, auch bei der Unterkunftsbeschaffung. In der Berufungsverhandlung hat die Vertreterin der Beklagten klargestellt, der angegriffene Bescheid vom 16.08.2007 sei so zu verstehen, dass das Bundesamt das Verfahren in Bezug auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Amts wegen wiederaufgegriffen und zur Sache entschieden habe.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2007 - A 6 K 4738/07 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er trägt im Wesentlichen vor, in Afghanistan heute keinerlei unterstützungsbereite Familienangehörige mehr zu haben; diese seien entweder tot oder geflohen. Aus diesem Grund und wegen der katastrophalen Versorgungssituation in seiner Heimat lägen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
14 
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2009 informatorisch angehört. Dabei gab er an, seine Heimat wegen einer Familienfehde verlassen zu haben. Sein Vater habe zwei Brüder gehabt, die mit Ehefrauen und vier Söhnen bzw. einer Tochter ebenfalls im Dorf Tschardehi gelebt hätten. Ein Vetter des Klägers habe die Tochter des anderen, verstorbenen Onkels heiraten wollen, was diese jedoch vehement abgelehnt habe. Hierüber sei es zu einem blutigen Streit gekommen, in dessen Rahmen sowohl der Vater des Klägers als auch dessen Bruder zu Tode gekommen seien. Daraufhin seien der Kläger und seine Mutter zu einem Onkel mütterlicherseits nach Kabul geflüchtet, der dort ein Geschäft betrieben habe. Dieser Onkel habe die Mutter versorgt und dem Kläger die Ausreise nach Deutschland organisiert und bezahlt. Die Mutter habe später den gesamten Familienbesitz im Dorf Tschardehi verkauft. Sowohl mit seiner Mutter als auch mit dem Onkel in Kabul habe er bis 2005 Telefonkontakt gehabt. Seine Mutter habe über ein Mobiltelefon verfügt. Im letzten Telefonat sei ihm mitgeteilt worden, dass insbesondere die wirtschaftliche Lage sehr schlecht sei und man beabsichtige, das Land zu verlassen. Dann sei der Kontakt abgerissen. Wo seine Mutter oder sein Onkel oder sonstige Familienangehörigen heute seien, wisse er nicht. Es sei ihm seit 2005 nicht mehr gelungen, irgendeinen Familienkontakt herzustellen. In Deutschland arbeite er seit etwa neun Monaten; zuerst bei einer Leiharbeitsfirma, seit Januar 2009 in einer Pizzeria. Er verdiene derzeit netto ca. 700 EUR monatlich. Seine Mietkosten beliefen sich auf monatlich ca. 200 EUR. Relevante Ersparnisse habe er nicht.
15 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte sowie den Verfahrensakten des Bundesamts. Dem Senat liegen des Weiteren die Akte des Verwaltungsgerichts Stuttgart im Verfahren A 6 K 4738/07 sowie die Erkenntnisquellen, die den Beteiligten mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung und in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden sind, vor. Die beigezogenen Akten und die Erkenntnisquellen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- Aufenthaltsgesetz -) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (- Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) beanspruchen kann. Die Zulässigkeit des so genannten Folgeschutzantrags des Klägers vom 16.05.2007 insbesondere hinsichtlich § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG bedarf keiner Klärung, weil die Beklagte klargestellt hat, dass das Bundesamt das Verfahren im angefochtenen Bescheid - jedenfalls - in Bezug auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Amts wegen wiederaufgegriffen und zur Sache entschieden hat.
I.
17 
Das grundsätzlich vorrangige - europarechtlich begründete - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG ist vom Senat im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu prüfen. Zwar ist ein Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im Asylprozess sachdienlich dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = NVwZ 2008, 1241). Auch war im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in seiner heutigen Fassung bereits in Kraft und der Kläger hatte die Feststellung von Abschiebungsverboten „nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG“ beantragt. Das Verwaltungsgericht hat über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG jedoch - rechtsirrtümlich - nicht entschieden. Da es nach den Urteilsgründen keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Verwaltungsgericht bewusst nur über einen Teil des Streitgegenstandes entscheiden und den Rest einer späteren Entscheidung vorbehalten wollte, liegt kein Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO vor. Das Urteil ist vielmehr bezüglich des nicht erwähnten Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlerhaft. Es verstößt gegen § 88 VwGO, weil es über das europarechtliche Abschiebungsverbot rechtsirrtümlich nicht vorrangig entscheidet. Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht einerseits nicht über das Klagebegehren hinausgehen, muss dieses andererseits aber erschöpfen. Das Verwaltungsgericht hat die Eigenständigkeit des Streitgegenstands bzw. abtrennbaren Streitgegenstandsteils des § 60 Abs. 7 Satz 2 VwGO, die das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen erstmals mit Urteil vom 24.06.2008 (a.a.O.) rechtsgrundsätzlich geklärt hat, nicht erkannt und diesen Streitgegenstandsteil irrtümlich als nicht rechtshängig angesehen. Damit wäre insoweit ein Urteilsergänzungsverfahren nach § 120 VwGO von vorneherein nicht in Betracht gekommen, weil kein „Übergehen“ im Rechtssinne vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269), sondern nur ein Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 2 AsylVfG. Der Kläger hat jedoch keinen Zulassungsantrag gestellt und der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung war auf den stattgebenden Teil des angefochtenen Urteils, also das - nationale - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begrenzt; nur insoweit wurde vom Senat die Berufung zugelassen. Nach dem Verfahrensgrundsatz der Dispositionsmaxime ist der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens damit hierauf beschränkt (vgl. §§ 128 Satz 1, 129 VwGO). Mit der rechtskräftigen Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht im Übrigen ist die Rechtshängigkeit des unbeschieden gebliebenen europarechtlich begründeten Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entfallen (ausführlich hierzu: BVerwG, Urteil vom 22.03.1994, a.a.O.). Selbst wenn insoweit von einem Übergehen des Antrags im Sinne des § 120 Abs. 1 VwGO ausgegangen würde, wäre ein Urteilsergänzungsverfahren ausgeschlossen, weil binnen der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO kein entsprechender Antrag gestellt worden ist.
II.
18 
Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) besteht zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Hiernach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das ist beim Kläger aufgrund der in Afghanistan derzeit vorherrschenden katastrophalen Versorgungslage der Fall.
19 
Allerdings sind Gefahren der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Denn hinsichtlich des Schutzes vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich sperrt und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Aus diesem Normzweck folgt weiter, dass sich die „Allgemeinheit“ der Gefahr nicht danach bestimmt, ob diese sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kann vielmehr auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. Denn soweit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände wie etwa Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Gefährdungen geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1). Für die Personengruppe, der der Kläger angehört, besteht eine solche politische Abschiebestopp-Anordnung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in Baden-Württemberg derzeit nicht (mehr), seit mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.04.2005 (geändert am 01.08.2005, vgl. 21. Fortschreibung vom 23.01.2009, Az.: 4-13-AFG/8) in Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder bezüglich der Rückführung afghanischer Staatsangehöriger entschieden wurde, dass „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 2005 noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben, mit Vorrang zurückzuführen sind“. Im konkreten Einzelfall greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG gleichwohl aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein.
20 
1. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde (st. Rspr. des BVerwG, s. Urteile vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 und vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG und Beschluss vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzungen, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 9.95 - BVerwGE 102, 249). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.03.1999 - 9 B 866.98 - juris).
21 
Im Fall einer allgemein schlechten Versorgungslage sind insoweit Besonderheiten zu berücksichtigen. Denn hieraus resultierende Gefährdungen entspringen keinem zielgerichteten Handeln, sondern treffen die Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus und setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er gegebenenfalls auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - juris). Um dem Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung zu entsprechen, kann hinsichtlich einer allgemein schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation zudem nur dann angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Mit dem Begriff „alsbald“ ist dabei einerseits kein nur in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 - 9 C 13.97 - NVwZ 1998, 973). Andererseits setzt die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Eine extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.01.1999 - 9 B 617.98 - InfAuslR 1999, 265).
22 
2. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers gegeben. Denn er gehört zu der Gruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen. Für diese Personengruppe besteht aufgrund der derzeit katastrophalen Versorgungslage bei einer Abschiebung nach Kabul eine extreme Gefahrensituation im dargelegten Sinne (ebenso: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188).
23 
a) Der Kläger wäre bei einer Abschiebung nach Kabul ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte. In der mündlichen Verhandlung hat er glaubhaft und überzeugend ausgeführt, dass sein Vater und Bruder getötet worden sind, er in seinem Heimatdorf Tschardehi keine Unterstützung erlangen könnte, seine Mutter den Familienbesitz veräußert sowie mit dem Onkel aus Kabul Afghanistan - wohl schon 2005 - verlassen hat und dass seither kein Kontakt mehr zu irgendwelchen Personen in seiner Heimat besteht. Der Senat ist aufgrund des schlüssigen Vortrags des Klägers zudem überzeugt, dass er in Deutschland bisher keine nennenswerten Ersparnisse machen konnte. Der gesamte Vortrag des Klägers ist widerspruchsfrei und fügt sich stimmig in seine dokumentierten Angaben vor dem Bundesamt bei der Erstanhörung am 22.10.2003. Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger die Unwahrheit sagt, ergeben sich für den Senat nicht.
24 
b) Aufgrund der nachfolgend (aa) bis cc)) im Einzelnen dargelegten Erkenntnisse und Wertungen ist der Senat überzeugt, dass der Kläger ohne Ersparnisse, Grundbesitz und Unterstützung durch Familie oder Bekannte bei einer Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage unausweichlich dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre. Im Falle der zur Zeit allenfalls nach Kabul tatsächlich möglichen Abschiebung (vgl. AA, Lagebericht vom 03.02.2009, S. 30) müsste er dort mit hoher Wahrscheinlichkeit zunächst mit einem kriminell motivierten Überfall oder einer Entführung rechnen, weil Rückkehrern aus Europa offenbar häufig der Besitz von finanziellen Mitteln unterstellt wird. Da sich die Sicherheitslage auf den Straßen nach und aus Kabul aufgrund der Bürgerkriegssituation schon seit 2007 deutlich verschlechtert hat, wäre dem Kläger ein Ausweichen in andere Landesteile ohne extreme Gefährdung von Leib und Leben nicht möglich; ohnehin verfügt er dort über keine familiäre, tribale oder soziale Vernetzung. In Kabul würde er ohne finanzielle Mittel keinen Wohnraum finden, weil dieser dort knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich ist. Der Kläger, der weder eine Schule noch eine Ausbildung durchlaufen hat und nicht über besondere berufliche Qualifikationen verfügt, hätte in Kabul keine Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit. Aufgrund der Nahrungsmittelkrise wäre er darauf verwiesen, sich, wenn überhaupt, dauerhaft ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren. Dadurch würde er alsbald und unausweichlich in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten, weil eine hinreichende medizinische Versorgung in Kabul nicht gegeben ist. Der Kläger würde mithin durch eine Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert. Im Einzelnen:
25 
aa) Zur Einschätzung der Gefahren für Leib und Leben eines afghanischen Staatsangehörigen, der aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiäre Unterstützung nach Afghanistan zurückkehrt, hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - (AuAS 2008, 188) unter Auswertung auch vom Senat beigezogener Erkenntnisquellen in einem vergleichbaren Fall ausgeführt:
26 
„aa. Im Falle seiner Abschiebung nach Afghanistan würde der Kläger das zum Leben Notwendige an Nahrungsmitteln nicht aus eigener Kraft sichern können.
27 
(…) Der Kläger würde vielmehr in Kabul mit einem geringen Barbetrag und der „Starthilfe“ des UNHCR, der alle Rückkehrer mit 12 US-Dollar (vgl. Dr. Danesch, Gutachten vom 4. Dezember 2006 an HessVGH und vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, in: Informationsverbund Asyl e.V., Zur Lage in Afghanistan, 2006, S. 9 ff.) unterstützt, darauf angewiesen sein, sich durch eine kleingewerbliche Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung den Lebensunterhalt zu verdienen. Das wird ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit weder in Kabul noch in einer Provinz gelingen. Der Sachverständige Rieck, der als Senior Advisor für Arbeitsmarktfragen im Auftrag der International Labour Organisation in Afghanistan tätig war, hat in seinem dem Senat erstatteten Gutachten vom 15. Januar 2008 ausgeführt, auf dem afghanischen Arbeitsmarkt sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass an- und ungelernte Arbeitskräfte eine auf Dauer angelegte und den Lebensunterhalt sichernde Erwerbsmöglichkeit finden. Selbst wenn einem Rückkehrer berufliche Bildungsangebote unterbreitet würden, erlange er durch solche in der Regel keine am Arbeitsmarkt verwertbaren beruflichen Kenntnisse. Fachkräfte aus Handwerksberufen könnten jedoch häufig in Arbeit vermittelt werden. Die Rekrutierung von Arbeitskräften sei so stark von persönlichen Beziehungen geprägt, dass private und öffentliche Arbeitgeber Medien oder Arbeitsvermittlungsbüros erst dann einschalteten, wenn das persönliche Beziehungsgeflecht bei der Stellenbesetzung nicht zum Erfolg geführt habe. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die gutachterliche Stellungnahme vom 31. Januar 2008, die Dr. Glatzer dem Senat gegenüber abgegeben hat. Danach sind für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche Afghanen, die unfreiwillig aus Deutschland nach Kabul zurückkehren und dort nicht mit der Hilfe von Verwandten oder Bekannten bei ihrer Wiedereingliederung rechnen können, legale Erwerbsmöglichkeiten – wenn man die Faktoren Zufall oder Glück außer Acht lässt – kaum gegeben, wenn diese Personen nicht über besondere professionelle Qualifikationen verfügen. Die Arbeitsmarktsituation in den Provinzen sei deutlich ungünstiger als in Kabul. Afghanistan leide unter einer Arbeitslosigkeit von ca. 65 v. H. der arbeitsfähigen Bevölkerung, wobei der Bedarf an ungelernten Arbeitern wegen der sich verschlechternden Sicherheitslage eher zurückgehe. Selbst in Boomzeiten gebe es viel mehr Arbeitswillige als Arbeitsplätze, um die hart und rücksichtslos gekämpft werde. Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) spricht von einer Arbeitslosigkeit im Umfang von 70 bis 80 v. H. der afghanischen Männer. Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) referiert eine Studie der Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) vom April 2006, derzufolge von den befragten armen und armutsgefährdeten Haushalten ein Viertel der Arbeitskräfte maximal 54 Tage im Jahr Zugang zu Arbeit, die Hälfte 131 Tage oder weniger und nur 25 v. H. für 193 und mehr Tage im Jahr eine Arbeitsmöglichkeit hatten. Als Rückkehrer ohne persönliche Bindungen oder Beziehungen und ohne verwertbare berufliche Qualifikation müsste der Kläger der erstgenannten Gruppe zugerechnet werden, also in jeder Woche durchschnittlich für einen Tag eine Aushilfstätigkeit finden, was ihm einen wöchentlichen Durchschnittsverdienst von ca. einem bis zwei US-Dollar verschaffen würde (Dr. Danesch, Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.). Ein selbständiges Kleingewerbe als Schuhputzer (vgl. Rieck, Gutachten vom 15. Januar 2008) bzw. Karrenzieher oder Straßenverkäufer verspricht keine gegenüber der abhängigen Beschäftigung besseren Erwerbsmöglichkeiten (Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) (…)
28 
Unter diesen wirtschaftlichen Verhältnissen würden dem Kläger ausschließlich Tee und Brot als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Er würde zu der Hälfte der Bevölkerung Kabuls gehören, die sich - wie dem Schriftsatz der Beklagten vom 26. Februar 2008 im Verfahren 6 A 10230/08.OVG entnommen werden kann, der insoweit auf Erkenntnisse der Hilfsorganisation „Action contre la faim“ Bezug nimmt – nur von Tee und Brot ernähren und dafür den größten Teil ihres Einkommens verwenden muss. Auch das Auswärtige Amt erwähnt in seinem Lagebericht vom 7. März 2008, dass fast ein Viertel aller Haushalte in Afghanistan die Grundversorgung an Nahrungsmitteln nicht selbständig sichern kann. Dem Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) zufolge leiden 8,9 v. H. der Kabuler Bevölkerung unter akuter Unterernährung. Auf seiner Homepage (www.auswaertiges-amt.de) bezeichnet das Auswärtige Amt die Nahrungmittelunsicherheit, chronische Mangelernährung, fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und Mangel an medizinischer Versorgung als die humanitären Hauptprobleme Afghanistans; der Anstieg der Weizenpreise im Laufe des Jahres 2007 um durchschnittlich 60 Prozent habe die Versorgungslage der besonders bedürftigen Bevölkerungsschichten wie Flüchtlinge und Binnenvertriebene sowie werdender Mütter und Kinder weiter verschlechtert.
29 
bb. Diese Versorgungssituation wird auch nicht durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen in wesentlichem Umfang verbessert (vgl. auch HessVGH, 8 UE 1913/06.A., juris; OVG B-B, 12 B 9.05, juris). Staatliche soziale Sicherungssysteme sind nicht vorhanden; vielmehr übernehmen Familien und Stammesverbände die soziale Absicherung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Deshalb stoßen nach diesem Lagebericht Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbands oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.
30 
Zwar erwähnt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern versorgen und sich die Versorgungslage in Kabul grundsätzlich verbessert habe, schränkt dies aber insoweit ein, als mangels Kaufkraft längst nicht alle Bevölkerungsschichten davon profitierten. Darüber hinaus weist das Auswärtige Amt in diesem Lagebericht auf die Schwierigkeiten humanitärer Nothilfeleistungen infolge schlecht ausgebauter Verkehrswege, widriger Witterungsverhältnisse und wegen Sicherheitsproblemen hin. Dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern (in einem nicht näher bezeichneten Umfang) versorgen, erklärt sich ohne Weiteres aus der eine solche Verantwortlichkeit begründenden Hilfe, die der UNHCR bei der Rückkehr von ca. vier Millionen Afghanen aus Pakistan und dem Iran geleistet hat und die zu einem guten Teil auf den verstärkten „Rückführungsbemühungen“ der pakistanischen und der iranischen Regierung beruhen (vgl. hierzu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilt hat, kann die Versorgung der bedürftigen Bevölkerung angesichts der enorm großen Zahl von Rückkehrern und der prekären Sicherheitslage nicht durch Angebote internationaler Hilfsorganisationen aufgefangen werden, zumal viele dieser Organisationen ihre Aktivitäten aufgrund von Sicherheitsbedenken immer stärker einschränken müssten. Dr. Glatzer teilt diese Einschätzung in seinem Gutachten vom 31. Januar 2008. Auch das Auswärtige Amt (Lagebericht vom 7. März 2008) bestätigt, dass sich die Sicherheitslage für Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen durch regelmäßige Anschläge seit dem Jahr 2006 und durch Entführungen verschlechtert und sich das subjektive Unsicherheitsgefühl in den Reihen der internationalen Gemeinschaft seit dem Anschlag vom 24. Januar 2008 auf das Hotel Kabul Serena erheblich verstärkt habe. Dass internationale Hilfsorganisationen nicht einmal eine notdürftige Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung Kabuls sicherstellen, ist den Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 zu entnehmen. Danach gibt es keine Grundversorgung der Flüchtlinge durch internationale Hilfsorganisationen in Kabul. Die Lebensbedingungen der Kabuler hätten sich seit dem Jahre 2001 drastisch verschlechtert. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen, nach denen in Afghanistan "kein Hahn kräht". Konkrete Zahlen über Todesfälle unter der armen Bevölkerung ließen sich in einem Land, in dem es keine Meldepflicht gebe, nicht erlangen, da sie nicht aktenkundig würden. Außerdem sei unter den afghanischen Verhältnissen die Grenze fließend zwischen regelrechtem Verhungern und Erkrankungen, die aufgrund von Mangelernährung, katastrophaler Hygiene, Kälte bzw. fehlender ärztlicher Behandlung tödlich verliefen. Allein in den drei von der „Action contre la faim“ betreuten Krankenhäusern stürben täglich zwischen fünf und sieben Personen allein wegen Unterernährung, obwohl diese zu den „wenigen Glücklichen“ gehörten, die überhaupt in ein Krankenhaus kämen. Menschen, die Mangelernährung und Krankheiten erlägen, würden ohne viel Umstände verscharrt. Die durch das jahrelange Elend abgestumpfte Bevölkerung nehme solche Todesfälle oft fatalistisch hin.
31 
cc. Auch die Möglichkeiten, eine winterfeste Unterkunft zu erlangen, sind für einen mittellosen Rückkehrer, der nicht auf (groß-)familiäre Hilfe zurückgreifen kann, minimal. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008 führt hierzu aus, die Wohnraumversorgung sei unzureichend; Wohnraum sei knapp und die Preise in Kabul seien hoch. Freiwillig zu ihren Angehörigen zurückkehrende Afghanen strapazierten die nur sehr knappen Ressourcen an Wohnraum und Versorgung weiter. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfüge zudem nicht mehr über solche Anschlussmöglichkeiten. Bemühungen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR und anderer Einrichtungen um die Errichtung von Unterkünften hätten nur geringe Wirkung gehabt. Das afghanische Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer beabsichtige, Rückkehrer in Neubausiedlungen unterzubringen, von denen ein Großteil für eine dauerhafte Ansiedlung ungeeignet sei, so dass von einem „Aussetzen in der Wüste“ gesprochen werden könne. Nichtregierungsorganisationen leisteten hier humanitäre Hilfe. Von dem „Auffangwohnheim“ auf dem Gelände des Flüchtlingsministeriums, das das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof erwähnt und in dem Rückkehrer für eine Übergangszeit Unterkunft finden konnten, ist im Lagebericht vom 7. März 2008 nicht (mehr) die Rede.
32 
Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) berichtet, dass ein einfaches Zimmer bis zu 20 US-Dollar im Monat koste. Dafür erhalte man eine Unterkunft in weitab vom Zentrum gelegenen Außenbezirken, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht.
33 
Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilte, hat der enorme Bevölkerungszuwachs in Kabul einen akuten Mangel an Wohnraum verursacht, so dass sich große Slumviertel gebildet hätten. Viele Menschen lebten in Ruinen. Nach Schätzungen der Caritas verfüge etwa eine Million Menschen in Kabul weder über ausreichenden und winterfesten Wohnraum noch über regelmäßiges Trinkwasser. Die hygienischen Verhältnisse in den Armenvierteln seien katastrophal.
34 
Das Rückkehrerprogramm "Return, Reception and Reintegration of Afghan Nationals to Afghanistan (RANA)" ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof Ende April 2007 ausgelaufen, so dass auf die Darlegungen von Herrn D…, der während einer Beurlaubung als Beamter der Beklagten im Rahmen des RANA-Programms in Kabul bis zum 22. Mai 2006 tätig war und wegen dieser Tätigkeit von dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 24. März 2006 als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist, nicht eingegangen werden muss.
35 
dd. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die medizinische Versorgung selbst in Kabul völlig unzureichend ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Amnesty international berichtet dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007, dass viele Menschen wegen der desolaten Verhältnisse im Gesundheitswesen unter Infektionskrankheiten, Tuberkulose etc. litten. Eine Behandlung sei in der Regel nicht möglich, weil die Gesundheitsversorgung in Afghanistan unzulänglich sei. Während es auf dem Land oft überhaupt keine Versorgung gebe, sei es in Kabul, wo einige Krankenhäuser vorhanden seien, meist nur über Beziehungen oder gegen Bestechung möglich, auch tatsächlich behandelt zu werden. Diese Situation erkläre die geringe Lebenserwartung und eine der weltweit höchsten Kindersterblichkeitsraten. Auch Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.) referiert, dass die Kosten für einen Arztbesuch fast den Tageslohn eines einfachen Arbeiters – Transportkosten nicht inbegriffen – ausmachen; die Mehrheit der Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern betrieben nebenbei private Kliniken und verwiesen die Patienten in diese, was sich die Ärmeren aber nicht leisten könnten.
36 
ee. Ist mithin davon auszugehen, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nur eine notdürftige und nicht winterfeste Unterkunft finden würde, nahezu ohne medizinische Versorgung unter hygienisch völlig unzureichenden Verhältnissen leben müsste und darauf verwiesen wäre, sich ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er durch seine Abschiebung nach Afghanistan zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten würde. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den in sich schlüssigen ernährungsmedizinischen Ausführungen der Sachverständigen Dr. med. T.. Danach führt eine erzwungene Mangelernährung, die aus Brot und Tee besteht, selbst bei ausreichender Kalorienzufuhr, d.h. einer Menge von 1.000g bis 1.500g Weißbrot pro Tag, zu einem verstärkten Abbau von Eiweiß und Fett und insbesondere zu einem Eisenmangel. Die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung habe erhebliche Auswirkungen auf das Gehirn und das Herz und schwäche die Körperimmunabwehr. Dies wiederum könne zu Organschäden am Herzen bis hin zum Herzinfarkt führen. Die Schwächung der Immunabwehr führe in der Regel spätestens nach sechs Monaten zum Ausbruch der Eisenmangelanämie. Die genannten Symptome träten unter den in Afghanistan herrschenden Lebensbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch früher ein, zumal bei einem Rückkehrer nach einem fünf Jahre langen Aufenthalt in Deutschland wegen der erheblichen Klimaumstellungen mit schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane bis hin zur Tuberkulose gerechnet werden müsse. Unter den im Winter in Afghanistan gegebenen Klimabedingungen bestehe die Gefahr von Lungeninfekten. Sie könnten insbesondere dann zum Tod führen, wenn der Organismus bereits zuvor durch Eisenmangel und andere Infekte geschwächt sei. Bei einer Rückkehr nach Kabul im Sommer sei mit Darminfektionen zu rechnen. Unter diesen Umständen könnten bis zu zwei Durchfallerkrankungen möglicherweise ohne große Schäden überwunden werden. Ab der dritten entsprechenden Erkrankung müsse dann aber mit lebensbedrohlichen Entwicklungen gerechnet werden. Eine Anpassung des Körpers im Sinne einer zunehmenden Immunität sei in diesen Fällen ausgeschlossen. Insbesondere im Sommer komme es darüber hinaus auch durch das Trinken von nicht abgekochtem Wasser zu gesundheitlichen Schäden.
37 
Aus diesen sachverständigen Ausführungen ergibt sich, dass vergleichsweise junge Männer, die in gutem Ernährungs- und Gesundheitszustand aus Europa nach Kabul zurückkehren, nicht etwa über körperliche „Reserven“ verfügen, die ihnen ein Überleben auf längere Sicht erleichtern. Vielmehr erweist sich die über mehrere Jahre vollzogene Anpassung an die in Europa herrschenden klimatischen und hygienischen Bedingungen als Nachteil beispielsweise gegenüber afghanischen Rückkehrern aus Pakistan oder dem Iran. Insbesondere die dadurch erhöhte Infektanfälligkeit wird in Verbindung mit dem ernährungsbedingten Eisenmangel zu schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane führen und mit hoher Wahrscheinlichkeit einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen auslösen.
38 
Diese schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen reichen aus, um eine zwangsweise Rückkehr als unzumutbar erscheinen zu lassen, auch wenn sehr viele Afghanen in der beschriebenen Weise unterhalb des Existenzminimums „dahinvegetieren“ und keine Berichte über eine Hungersnot in Kabul vorliegen, wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht (A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris) bemerkt. Gerade den bereits zitierten Ausführungen Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 ist zu entnehmen, aus welchen Gründen sich Angaben über diese Zustände einer „weiteren Präzisierung“, die das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (20 A 5164/04.A, juris) vermisst, entziehen und über Hungertote oder an den Folgeerkrankungen der chronischen Mangelernährung Verstorbene nicht im Einzelnen berichtet wird. Im Übrigen beruhen die Entscheidungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris) und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (20 A 5164/04.A, juris) wesentlich auf den wegen des inzwischen ausgelaufenen RANA-Programms nicht mehr aktuellen Bekundungen des Herrn D.. Zwar geht auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (8 UE 1913/06.A, juris) davon aus, dass ein junger, allein stehender Afghane ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung wahrscheinlich in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren; er räumt aber ein, manche von den Gutachtern mitgeteilte Details sprächen auch für die gegenteilige Schlussfolgerung. Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (12 B 9.05, juris) für männliche Flüchtlinge mittleren Alters im Falle der Rückkehr nach Afghanistan in der Regel keine extremen allgemeinen Gefahren sieht, lagen der Entscheidung tatsächliche Besonderheiten in der Person des Klägers zugrunde, der aus einer wohlhabenden Familie mit einflussreichen Kontakten auch in Kabul stammte (…). Ebenso wenig vergleichbar sind die Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte (OVG S-H, 2 LB 38/07, juris; OVG B-B, 12 B 11.05, juris), deren abweichende Einschätzung der Gefährdungslage darauf beruht, dass die um Abschiebungsschutz nachsuchenden afghanischen Staatsangehörigen in ein (groß-)familiäres Umfeld zurückkehren konnten.“
39 
Dieser überzeugenden Einschätzung schließt sich der Senat an. Die seit Ergehen dieses Urteils eingegangenen weiteren Erkenntnismittel belegen die Richtigkeit dieser Einschätzung und zeigen zudem eine weitere Verschärfung der Situation auf.
40 
bb) Seit Mai 2008 hat sich die Versorgungssituation für Rückkehrer aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiären Rückhalt in Afghanistan weiter verschlechtert. Auch wenn die Lage in einzelnen Provinzen und Distrikten erhebliche Unterschiede aufweist (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 9), befindet sich das Land insgesamt gesehen in einer "Abwärtsspirale" (FAZ vom 07.02.2009). US-Geheimdienste zeichnen ein „äußerst düsteres Bild“ (SZ vom 10.10.2008). Versorgungsengpässe sind an der Tagesordnung, und dies nicht nur in abgelegenen Gebieten oder den Elendsvierteln von Kabul. Die Einwohnerzahl Kabuls explodierte auch aufgrund von Landflucht sowie der massenhaften Rückkehr von Flüchtlingen in den letzten Jahren von circa einer auf nunmehr weit über drei Millionen Menschen (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 224). Im neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03.02.2009 heißt es, Afghanistan durchlebe insbesondere eine Nahrungsmittelkrise. Das Land gelte zwischenzeitlich in Asien als das ärmste. Die Lebensbedingungen seien landesweit schlecht. Seit dem Winter 2007/08 habe sich die Lage mit den weltweit steigenden Nahrungsmittelpreisen, verbunden mit Exportbeschränkungen der Nachbarländer für Weizen und einer Dürre in einigen Landesteilen, noch einmal erheblich verschärft. Eine weitere Verschlechterung im Winter 2008/09 und in der folgenden „mageren Jahreszeit“ im ersten Halbjahr 2009 sei wahrscheinlich. Besonders problematisch sei die Lage in den ländlichen Gebieten, deren Versorgung oftmals sehr schwierig, im Winter überhaupt nicht möglich sei. Aber auch in Kabul und zunehmend in anderen großen Städten sei die Lage nicht wesentlich besser. Wegen sinkender oder ganz fehlender Kaufkraft profitiere von einer seit 2001 zwar grundsätzlich verbesserten Versorgungslage derzeit allenfalls eine kleine Bevölkerungsschicht. Angemessener Wohnraum sei knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. Selbst Kabul habe keine geregelte Stromversorgung. Staatliche soziale Sicherungssysteme seien weiterhin praktisch nicht vorhanden; Korruption sei weit verbreitet, der Verwaltungsapparat sei hoch ineffizient. Die medizinische Versorgung sei immer noch unzureichend. Selbst die Ansiedlung organisiert zurückgeführter Flüchtlinge in vorgesehene „townships“ erfolge etwa wegen fehlender Wasserversorgung und abseitiger Lage unter „schwierigen Rahmenbedingungen“ und gleiche, trotz humanitärer Hilfe von Nichtregierungsorganisationen, teilweise weiterhin einem „Aussetzen in der Wüste“. Der Zugang zu Arbeit, Wasser bzw. Grundversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Ohne familiäre oder soziale Netzwerke und ohne notwendige Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse würden Rückkehrer „auf größere Schwierigkeiten“ stoßen. Sie könnten zudem auf übersteigerte Erwartungen ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen und mit überhöhten Preisen konfrontiert werden. Von den im Land gebliebenen Landsleuten würden Rückkehrer im Übrigen häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert. Hinzu komme, dass die Gefährdung des Einzelnen, zu einem Opfer von Gewalt zu werden, im ganzen Land gegeben sei. Die afghanische Nationalpolizei werde ihrer Aufgabe bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz nicht gerecht und gelte wegen Korruption und niedrigem Ausbildungsstand an vielen Orten selbst als Unsicherheitsfaktor. Von der sich verschlechternden Sicherheitslage seien inzwischen fast alle Landesteile betroffen. Auch die Gefahr, Opfer der deutlich zugenommenen Entführungen zwecks Erpressung von Lösegeld zu werden, treffe Rückkehrer, wenn ihnen ausreichende finanzielle Mittel für einen Freikauf unterstellt würden. Ob sich eine Person diesen Gefahren entziehen könne, hänge maßgeblich von dem Grad ihrer familiären, tribalen und sozialen Vernetzung ab.
41 
Weitere aktuelle Erkenntnisquellen geben kein besseres Bild von der in der Gesamtschau für Rückkehrer ohne Vermögen oder (groß-)familiären Rückhalt katastrophalen Lage: Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die Situation 2009 noch schlechter werde; „so viel Pessimismus war nie“ (Der Spiegel vom 13.10.2008). Die Schere zwischen Reich und Arm klafft immer weiter auseinander. Einerseits lassen sich Drogenbarone und Warlords in Kabul „protzige Villen“ bauen. Andererseits leben immer mehr Menschen in nicht winterfesten Unterkünften, oftmals Ruinen (SFH vom 21.08.2008 u. 26.02.2009), und es müssen nach einer repräsentativen Erhebung von ARD, ABC und BBC zwischenzeitlich über die Hälfte aller Haushalte (54 %) mit weniger als umgerechnet 100 Dollar (ca. 78 EUR) im Monat auskommen. Gerade noch rund ein Drittel der afghanischen Bevölkerung (37 %) gibt an, sich notwendige Lebensmittel leisten zu können. Und nur noch 31 % der Bevölkerung ist in der Lage, den Preis für Heizöl zu bezahlen (dpa-News vom 09.02.2009). Alles sei dramatisch teurer geworden, vor allem Lebensmittel, Brennholz, Benzin, Gas und Baumaterialien (SZ vom 24.10.2008); insbesondere die Lebensmittelpreise sind zwischen Februar 2008 und Februar 2009 um bis zu 130 % gestiegen (SFH vom 26.02.2009) Nach UN-Angaben müssen heute 42 % der Afghanen von weniger als einem Dollar am Tag leben (ai-Pressespiegel 2/2009, S. 46). Die Arbeitslosenrate liege zwischen 32 und 60 Prozent; ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung versuche, sich als Tagelöhner zu verdingen (SFH vom 26.02.2009). Überall könne man Armut sehen, etwa Leute, die sich „nur von Wasser, Brot und ein bisschen Tomatenpüree oder allenfalls mal von einem Teller Reis“ ernähren (SZ vom 24.10.2008). Für die große Mehrheit der Afghanen würden Armut, Krankheit, Dürreperioden und interne Konflikte noch größere Bedrohungen darstellen als das Risiko, durch kriegerische oder terroristische Attacken verletzt oder getötet zu werden. Die Richtigkeit dieser Einschätzung illustrieren auch Indikatoren zum Gesundheitszustand der Bevölkerung: So stirbt heute in Afghanistan durchschnittlich alle 30 Minuten eine Frau aufgrund von Komplikationen während Schwangerschaft oder Geburt. Die Hälfte der Kinder bis zum Alter von fünf Jahren gelten als chronisch unterernährt. Lediglich zwei von zehn ländlichen Haushalten verfügen über sauberes Trinkwasser, was wiederum dazu führt, dass 85.000 Kinder im Alter unter fünf Jahren jährlich an den Folgen von Magen- und Darmerkrankungen sterben. Jedenfalls für die Mehrheit der auf dem Land lebenden Afghanen gibt es weder eine medizinische Grundversorgung noch Ernährungssicherheit (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 105 f.). Die Lebenserwartung der afghanischen Bevölkerung gehört heute mit 42 Jahren zu den geringsten der Welt (SFH vom 26.02.2009). Zudem verläuft der Wiederaufbau offenbar überall schleppend. Die Korruption habe „atemberaubende Ausmaße“ angenommen. Einer der wenigen funktionierenden Erwerbszweige sei die Drogenökonomie. Afghanistan hat zwischenzeitlich beinahe ein weltweites Monopol für Schlafmohn, aus dem Heroin gewonnen wird (dpa-News vom 29.01.2009). Mit den Erlösen aus Schlafmohnanbau und Drogenhandel füllen nicht nur, aber vor allem die Taliban ihre Kriegskasse (dpa-News vom 13.02.2009). Jeder zehnte Afghane baut nach UN-Berichten oftmals notgedrungen Schlafmohn an; das entspricht rund 2,5 Millionen Menschen. Hinzu kommen noch diejenigen, die Drogen schmuggeln, veredeln und weiterverkaufen. Niemand wage, ihre Zahl zu schätzen. Den Wert ihrer Früchte dagegen schon: Allein die 7,7 Tonnen Rohopium, die 2008 in Afghanistan geerntet wurden (93 % der Weltopiumsproduktion), haben einen Marktwert von 3,5 Milliarden Dollar. Ein Kilo Heroin hat derzeit in Afghanistan den Gegenwert von 30 Maschinengewehren. Täglich starten aus Girdi Jungal und Baramcha schwer bewachte Konvois mit mehreren Hundert Kilo Heroin an Bord Richtung Iran. An der Grenze zu Pakistan wurden Labore zur Veredelung des Rohopiums von fabrikartigen Ausmaßen errichtet, in denen mehrere Hundert Menschen arbeiten sollen. Rund 90% der Ernte wird inzwischen in Afghanistan selbst zu Heroin und Morphiumprodukten verarbeitet (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 231). Ein US-Militär brachte die Verbindung zwischen Taliban-Renaissance und Drogenschmuggel lakonisch auf den Punkt: "Drogen raus, Waffen rein." Hochrangige Regierungsvertreter und sogar der Bruder von Präsident Karzai sollen sich nach Ansicht des Weißen Hauses an Drogengeschäften beteiligen (ZEIT-online vom 04.02.2009), weshalb die Bevölkerung Drogenbekämpfungsmaßnahmen als Ausdruck von Doppelmoral ansieht. Vernichtungskampagnen würden vor allem jenen verarmten Bevölkerungsteil treffen, der existenziell auf den Schlafmohnanbau angewiesen sei. Die Nato-Truppen haben dennoch beschlossen, nunmehr aktiv die Drogenproduktion zu bekämpfen; ein durchgreifender Erfolg dieser Aktionen erscheint jedoch außerordentlich fraglich (taz vom 13.10.2008). Die Schwierigkeiten Afghanistans dürften zudem kaum trennbar mit denen Pakistans verbunden sein. Die Problemzone Afghanistan besteht gewissermaßen aus einem Rumpfstaat um Kabul, dessen Aufbau nicht vorankommt, während bei seinem atomar bewaffneten Nachbarn „ein beängstigender Staatszerfall“ stattfindet. Die in der Regierung von Präsident Karzai wütende Korruption habe den Zusammenbruch zentraler Autorität ebenso beschleunigt wie die wachsende Gewalt durch Militante aus Zufluchtsorten in Pakistan (netzwerk-afghanistan.info vom 09.10.2008). Die pakistanische Regierung verliere immer mehr den Zugriff auf ihre nordwestliche Grenzregion. Islamabad hat nun verkündet, man werde dort ein System islamischer Gerichtsbarkeit im Gegenzug für einen Waffenstillstand mit den Taliban akzeptieren (Die Zeit vom 19.02.2009).
42 
cc) Die ohnehin katastrophale Versorgungssituation in Afghanistan wird zudem durch die inzwischen landesweit schwierige Sicherheitslage verschärft. Die Kämpfe zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen haben tausende Familien gezwungen, in größeren Städten Schutz zu suchen. Zehntausende intern Vertriebene leben in Slums rund um Kabul und Herat. UNHCR schätzte im Januar 2009, dass ca. 235.000 Menschen neu vertrieben wurden (SFH vom 11.03.2009). Auch die Versorgung der ländlichen Gebiete mit Hilfsgütern ist aufgrund der schwierigen Sicherheitslage nur noch eingeschränkt möglich. Die Kosten für eine LKW-Fuhre mit Hilfsgütern von Kabul nach Kandahar etwa haben sich wegen der „Gefahrenzulagen“ von 1.800 Dollar im Frühjahr 2008 auf nunmehr fast 18.000 US-Dollar verzehnfacht (Der Spiegel vom 13.10.2008). Afghanistan ist heute eines der am stärksten verminten Länder der Welt (SFH vom 21.08.2008). Für die internationalen Truppen war 2008 das verlustreichste Jahr seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001. Allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2008 hat der Konflikt am Hindukusch nach UN-Angaben mehr als 4.000 Menschen das Leben gekostet, über ein Drittel davon Zivilisten; andere Schätzungen gehen von über 2000 getöteten Zivilisten im letzten Jahr aus (FAZ vom 18.02.2009). Deutschen Soldaten ist es in Kabul verboten, sich zu Fuß oder mit ungepanzerten Fahrzeugen zu bewegen; vom Elend der Flüchtlinge bekommen sie kaum etwas mit (SZ vom 02.09.2008). An eine rein militärische Konfliktlösung glaubt inzwischen offenbar niemand mehr. Präsident Karzai hat den Taliban wiederholt Verhandlungen angeboten, die jedoch abgelehnt wurden, solange ausländische Truppen im Land sind (FR vom 27.02.2009). Im Süden, Osten und Westen konnten die Taliban immer näher an Kabul heranrücken. Sie seien bereits auf 72 % des afghanischen Territoriums „dauerhaft präsent“ (dpa-News vom 10.10.2008). US-Präsident Obama’s angekündigte Offensive und Truppenaufstockungen um mindestens 17.000 weitere Soldaten (Die Welt vom 19.02.2009) bedeuteten noch mehr Kämpfe und Gewalt, denn die Aufständischen seien mächtig wie nie (BNN vom 17.12.2008; FAZ vom 22.12.2008). Aber nicht nur die Taliban, auch kriminelle Banden machen das Land und selbst die Hauptstadt Kabul unsicher (dpa-News vom 29.01.2009). Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen organisierter Kriminalität, ehemaligen Warlords, die ihre Einflussbereiche nun als Gouverneure oder Distriktchefs sichern, bis hin zu Gruppierungen der Taliban oder anderen militanten Kräften fließend verlaufen (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 10). Kabul, jahrelang als „letzte sichere Insel im von Gewalt zerrütteten Land am Hindukusch“ bezeichnet, erscheint im Frühjahr 2009 „alles andere als sicher“ (Der Spiegel vom 25.01.2009). Die Zahl der registrierten Bombenanschläge (ca. 2.000) und Entführungen (ca. 300) hat sich laut US-Angaben 2008 etwa verdoppelt (taz vom 30.12.2008). Zudem habe sich zwischenzeitlich eine Art „Entführungsindustrie“ entwickelt, die jeden treffen könne (SZ vom 24.10.2008). Auch das Auswärtige Amt warnt deshalb dringend vor Reisen nach Kabul und Afghanistan. Das Risiko, Opfer einer Entführung zu werden, bestehe landesweit. Auch in der Hauptstadt Kabul könnten Überfälle und Entführungen nicht ausgeschlossen werden; im übrigen Land bestünden teilweise noch deutlich höhere Sicherheitsrisiken. Wer sich dennoch nach Afghanistan begebe, müsse sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Trotz Präsenz der Internationalen Schutztruppe ISAF komme es überall zu Attentaten. Die Sicherheitskräfte der Regierung seien nicht in der Lage, Ruhe und Ordnung zu gewährleisten. Zudem sei die medizinische Versorgung, insbesondere die stationäre Behandlungsmöglichkeit, völlig unzureichend und in etlichen Landesteilen nahezu nicht existent bzw. nicht nutzbar (www.auswaertiges-amt.de; Zugriff vom 16.03.2009).
43 
In einer Gesamtgefahrenschau muss vor diesem Hintergrund im konkreten Einzelfall des Klägers eine extreme Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bejaht werden.
III.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 83 b AsylVfG. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- Aufenthaltsgesetz -) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (- Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) beanspruchen kann. Die Zulässigkeit des so genannten Folgeschutzantrags des Klägers vom 16.05.2007 insbesondere hinsichtlich § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG bedarf keiner Klärung, weil die Beklagte klargestellt hat, dass das Bundesamt das Verfahren im angefochtenen Bescheid - jedenfalls - in Bezug auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Amts wegen wiederaufgegriffen und zur Sache entschieden hat.
I.
17 
Das grundsätzlich vorrangige - europarechtlich begründete - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG ist vom Senat im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu prüfen. Zwar ist ein Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im Asylprozess sachdienlich dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = NVwZ 2008, 1241). Auch war im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in seiner heutigen Fassung bereits in Kraft und der Kläger hatte die Feststellung von Abschiebungsverboten „nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG“ beantragt. Das Verwaltungsgericht hat über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG jedoch - rechtsirrtümlich - nicht entschieden. Da es nach den Urteilsgründen keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Verwaltungsgericht bewusst nur über einen Teil des Streitgegenstandes entscheiden und den Rest einer späteren Entscheidung vorbehalten wollte, liegt kein Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO vor. Das Urteil ist vielmehr bezüglich des nicht erwähnten Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlerhaft. Es verstößt gegen § 88 VwGO, weil es über das europarechtliche Abschiebungsverbot rechtsirrtümlich nicht vorrangig entscheidet. Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht einerseits nicht über das Klagebegehren hinausgehen, muss dieses andererseits aber erschöpfen. Das Verwaltungsgericht hat die Eigenständigkeit des Streitgegenstands bzw. abtrennbaren Streitgegenstandsteils des § 60 Abs. 7 Satz 2 VwGO, die das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen erstmals mit Urteil vom 24.06.2008 (a.a.O.) rechtsgrundsätzlich geklärt hat, nicht erkannt und diesen Streitgegenstandsteil irrtümlich als nicht rechtshängig angesehen. Damit wäre insoweit ein Urteilsergänzungsverfahren nach § 120 VwGO von vorneherein nicht in Betracht gekommen, weil kein „Übergehen“ im Rechtssinne vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269), sondern nur ein Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 2 AsylVfG. Der Kläger hat jedoch keinen Zulassungsantrag gestellt und der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung war auf den stattgebenden Teil des angefochtenen Urteils, also das - nationale - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begrenzt; nur insoweit wurde vom Senat die Berufung zugelassen. Nach dem Verfahrensgrundsatz der Dispositionsmaxime ist der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens damit hierauf beschränkt (vgl. §§ 128 Satz 1, 129 VwGO). Mit der rechtskräftigen Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht im Übrigen ist die Rechtshängigkeit des unbeschieden gebliebenen europarechtlich begründeten Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entfallen (ausführlich hierzu: BVerwG, Urteil vom 22.03.1994, a.a.O.). Selbst wenn insoweit von einem Übergehen des Antrags im Sinne des § 120 Abs. 1 VwGO ausgegangen würde, wäre ein Urteilsergänzungsverfahren ausgeschlossen, weil binnen der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO kein entsprechender Antrag gestellt worden ist.
II.
18 
Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) besteht zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Hiernach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das ist beim Kläger aufgrund der in Afghanistan derzeit vorherrschenden katastrophalen Versorgungslage der Fall.
19 
Allerdings sind Gefahren der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Denn hinsichtlich des Schutzes vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich sperrt und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Aus diesem Normzweck folgt weiter, dass sich die „Allgemeinheit“ der Gefahr nicht danach bestimmt, ob diese sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kann vielmehr auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. Denn soweit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände wie etwa Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Gefährdungen geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1). Für die Personengruppe, der der Kläger angehört, besteht eine solche politische Abschiebestopp-Anordnung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in Baden-Württemberg derzeit nicht (mehr), seit mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.04.2005 (geändert am 01.08.2005, vgl. 21. Fortschreibung vom 23.01.2009, Az.: 4-13-AFG/8) in Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder bezüglich der Rückführung afghanischer Staatsangehöriger entschieden wurde, dass „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 2005 noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben, mit Vorrang zurückzuführen sind“. Im konkreten Einzelfall greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG gleichwohl aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein.
20 
1. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde (st. Rspr. des BVerwG, s. Urteile vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 und vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG und Beschluss vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzungen, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 9.95 - BVerwGE 102, 249). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.03.1999 - 9 B 866.98 - juris).
21 
Im Fall einer allgemein schlechten Versorgungslage sind insoweit Besonderheiten zu berücksichtigen. Denn hieraus resultierende Gefährdungen entspringen keinem zielgerichteten Handeln, sondern treffen die Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus und setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er gegebenenfalls auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - juris). Um dem Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung zu entsprechen, kann hinsichtlich einer allgemein schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation zudem nur dann angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Mit dem Begriff „alsbald“ ist dabei einerseits kein nur in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 - 9 C 13.97 - NVwZ 1998, 973). Andererseits setzt die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Eine extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.01.1999 - 9 B 617.98 - InfAuslR 1999, 265).
22 
2. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers gegeben. Denn er gehört zu der Gruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen. Für diese Personengruppe besteht aufgrund der derzeit katastrophalen Versorgungslage bei einer Abschiebung nach Kabul eine extreme Gefahrensituation im dargelegten Sinne (ebenso: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188).
23 
a) Der Kläger wäre bei einer Abschiebung nach Kabul ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte. In der mündlichen Verhandlung hat er glaubhaft und überzeugend ausgeführt, dass sein Vater und Bruder getötet worden sind, er in seinem Heimatdorf Tschardehi keine Unterstützung erlangen könnte, seine Mutter den Familienbesitz veräußert sowie mit dem Onkel aus Kabul Afghanistan - wohl schon 2005 - verlassen hat und dass seither kein Kontakt mehr zu irgendwelchen Personen in seiner Heimat besteht. Der Senat ist aufgrund des schlüssigen Vortrags des Klägers zudem überzeugt, dass er in Deutschland bisher keine nennenswerten Ersparnisse machen konnte. Der gesamte Vortrag des Klägers ist widerspruchsfrei und fügt sich stimmig in seine dokumentierten Angaben vor dem Bundesamt bei der Erstanhörung am 22.10.2003. Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger die Unwahrheit sagt, ergeben sich für den Senat nicht.
24 
b) Aufgrund der nachfolgend (aa) bis cc)) im Einzelnen dargelegten Erkenntnisse und Wertungen ist der Senat überzeugt, dass der Kläger ohne Ersparnisse, Grundbesitz und Unterstützung durch Familie oder Bekannte bei einer Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage unausweichlich dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre. Im Falle der zur Zeit allenfalls nach Kabul tatsächlich möglichen Abschiebung (vgl. AA, Lagebericht vom 03.02.2009, S. 30) müsste er dort mit hoher Wahrscheinlichkeit zunächst mit einem kriminell motivierten Überfall oder einer Entführung rechnen, weil Rückkehrern aus Europa offenbar häufig der Besitz von finanziellen Mitteln unterstellt wird. Da sich die Sicherheitslage auf den Straßen nach und aus Kabul aufgrund der Bürgerkriegssituation schon seit 2007 deutlich verschlechtert hat, wäre dem Kläger ein Ausweichen in andere Landesteile ohne extreme Gefährdung von Leib und Leben nicht möglich; ohnehin verfügt er dort über keine familiäre, tribale oder soziale Vernetzung. In Kabul würde er ohne finanzielle Mittel keinen Wohnraum finden, weil dieser dort knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich ist. Der Kläger, der weder eine Schule noch eine Ausbildung durchlaufen hat und nicht über besondere berufliche Qualifikationen verfügt, hätte in Kabul keine Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit. Aufgrund der Nahrungsmittelkrise wäre er darauf verwiesen, sich, wenn überhaupt, dauerhaft ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren. Dadurch würde er alsbald und unausweichlich in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten, weil eine hinreichende medizinische Versorgung in Kabul nicht gegeben ist. Der Kläger würde mithin durch eine Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert. Im Einzelnen:
25 
aa) Zur Einschätzung der Gefahren für Leib und Leben eines afghanischen Staatsangehörigen, der aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiäre Unterstützung nach Afghanistan zurückkehrt, hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - (AuAS 2008, 188) unter Auswertung auch vom Senat beigezogener Erkenntnisquellen in einem vergleichbaren Fall ausgeführt:
26 
„aa. Im Falle seiner Abschiebung nach Afghanistan würde der Kläger das zum Leben Notwendige an Nahrungsmitteln nicht aus eigener Kraft sichern können.
27 
(…) Der Kläger würde vielmehr in Kabul mit einem geringen Barbetrag und der „Starthilfe“ des UNHCR, der alle Rückkehrer mit 12 US-Dollar (vgl. Dr. Danesch, Gutachten vom 4. Dezember 2006 an HessVGH und vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, in: Informationsverbund Asyl e.V., Zur Lage in Afghanistan, 2006, S. 9 ff.) unterstützt, darauf angewiesen sein, sich durch eine kleingewerbliche Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung den Lebensunterhalt zu verdienen. Das wird ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit weder in Kabul noch in einer Provinz gelingen. Der Sachverständige Rieck, der als Senior Advisor für Arbeitsmarktfragen im Auftrag der International Labour Organisation in Afghanistan tätig war, hat in seinem dem Senat erstatteten Gutachten vom 15. Januar 2008 ausgeführt, auf dem afghanischen Arbeitsmarkt sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass an- und ungelernte Arbeitskräfte eine auf Dauer angelegte und den Lebensunterhalt sichernde Erwerbsmöglichkeit finden. Selbst wenn einem Rückkehrer berufliche Bildungsangebote unterbreitet würden, erlange er durch solche in der Regel keine am Arbeitsmarkt verwertbaren beruflichen Kenntnisse. Fachkräfte aus Handwerksberufen könnten jedoch häufig in Arbeit vermittelt werden. Die Rekrutierung von Arbeitskräften sei so stark von persönlichen Beziehungen geprägt, dass private und öffentliche Arbeitgeber Medien oder Arbeitsvermittlungsbüros erst dann einschalteten, wenn das persönliche Beziehungsgeflecht bei der Stellenbesetzung nicht zum Erfolg geführt habe. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die gutachterliche Stellungnahme vom 31. Januar 2008, die Dr. Glatzer dem Senat gegenüber abgegeben hat. Danach sind für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche Afghanen, die unfreiwillig aus Deutschland nach Kabul zurückkehren und dort nicht mit der Hilfe von Verwandten oder Bekannten bei ihrer Wiedereingliederung rechnen können, legale Erwerbsmöglichkeiten – wenn man die Faktoren Zufall oder Glück außer Acht lässt – kaum gegeben, wenn diese Personen nicht über besondere professionelle Qualifikationen verfügen. Die Arbeitsmarktsituation in den Provinzen sei deutlich ungünstiger als in Kabul. Afghanistan leide unter einer Arbeitslosigkeit von ca. 65 v. H. der arbeitsfähigen Bevölkerung, wobei der Bedarf an ungelernten Arbeitern wegen der sich verschlechternden Sicherheitslage eher zurückgehe. Selbst in Boomzeiten gebe es viel mehr Arbeitswillige als Arbeitsplätze, um die hart und rücksichtslos gekämpft werde. Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) spricht von einer Arbeitslosigkeit im Umfang von 70 bis 80 v. H. der afghanischen Männer. Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) referiert eine Studie der Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) vom April 2006, derzufolge von den befragten armen und armutsgefährdeten Haushalten ein Viertel der Arbeitskräfte maximal 54 Tage im Jahr Zugang zu Arbeit, die Hälfte 131 Tage oder weniger und nur 25 v. H. für 193 und mehr Tage im Jahr eine Arbeitsmöglichkeit hatten. Als Rückkehrer ohne persönliche Bindungen oder Beziehungen und ohne verwertbare berufliche Qualifikation müsste der Kläger der erstgenannten Gruppe zugerechnet werden, also in jeder Woche durchschnittlich für einen Tag eine Aushilfstätigkeit finden, was ihm einen wöchentlichen Durchschnittsverdienst von ca. einem bis zwei US-Dollar verschaffen würde (Dr. Danesch, Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.). Ein selbständiges Kleingewerbe als Schuhputzer (vgl. Rieck, Gutachten vom 15. Januar 2008) bzw. Karrenzieher oder Straßenverkäufer verspricht keine gegenüber der abhängigen Beschäftigung besseren Erwerbsmöglichkeiten (Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) (…)
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Unter diesen wirtschaftlichen Verhältnissen würden dem Kläger ausschließlich Tee und Brot als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Er würde zu der Hälfte der Bevölkerung Kabuls gehören, die sich - wie dem Schriftsatz der Beklagten vom 26. Februar 2008 im Verfahren 6 A 10230/08.OVG entnommen werden kann, der insoweit auf Erkenntnisse der Hilfsorganisation „Action contre la faim“ Bezug nimmt – nur von Tee und Brot ernähren und dafür den größten Teil ihres Einkommens verwenden muss. Auch das Auswärtige Amt erwähnt in seinem Lagebericht vom 7. März 2008, dass fast ein Viertel aller Haushalte in Afghanistan die Grundversorgung an Nahrungsmitteln nicht selbständig sichern kann. Dem Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) zufolge leiden 8,9 v. H. der Kabuler Bevölkerung unter akuter Unterernährung. Auf seiner Homepage (www.auswaertiges-amt.de) bezeichnet das Auswärtige Amt die Nahrungmittelunsicherheit, chronische Mangelernährung, fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und Mangel an medizinischer Versorgung als die humanitären Hauptprobleme Afghanistans; der Anstieg der Weizenpreise im Laufe des Jahres 2007 um durchschnittlich 60 Prozent habe die Versorgungslage der besonders bedürftigen Bevölkerungsschichten wie Flüchtlinge und Binnenvertriebene sowie werdender Mütter und Kinder weiter verschlechtert.
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bb. Diese Versorgungssituation wird auch nicht durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen in wesentlichem Umfang verbessert (vgl. auch HessVGH, 8 UE 1913/06.A., juris; OVG B-B, 12 B 9.05, juris). Staatliche soziale Sicherungssysteme sind nicht vorhanden; vielmehr übernehmen Familien und Stammesverbände die soziale Absicherung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Deshalb stoßen nach diesem Lagebericht Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbands oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.
30 
Zwar erwähnt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern versorgen und sich die Versorgungslage in Kabul grundsätzlich verbessert habe, schränkt dies aber insoweit ein, als mangels Kaufkraft längst nicht alle Bevölkerungsschichten davon profitierten. Darüber hinaus weist das Auswärtige Amt in diesem Lagebericht auf die Schwierigkeiten humanitärer Nothilfeleistungen infolge schlecht ausgebauter Verkehrswege, widriger Witterungsverhältnisse und wegen Sicherheitsproblemen hin. Dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern (in einem nicht näher bezeichneten Umfang) versorgen, erklärt sich ohne Weiteres aus der eine solche Verantwortlichkeit begründenden Hilfe, die der UNHCR bei der Rückkehr von ca. vier Millionen Afghanen aus Pakistan und dem Iran geleistet hat und die zu einem guten Teil auf den verstärkten „Rückführungsbemühungen“ der pakistanischen und der iranischen Regierung beruhen (vgl. hierzu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilt hat, kann die Versorgung der bedürftigen Bevölkerung angesichts der enorm großen Zahl von Rückkehrern und der prekären Sicherheitslage nicht durch Angebote internationaler Hilfsorganisationen aufgefangen werden, zumal viele dieser Organisationen ihre Aktivitäten aufgrund von Sicherheitsbedenken immer stärker einschränken müssten. Dr. Glatzer teilt diese Einschätzung in seinem Gutachten vom 31. Januar 2008. Auch das Auswärtige Amt (Lagebericht vom 7. März 2008) bestätigt, dass sich die Sicherheitslage für Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen durch regelmäßige Anschläge seit dem Jahr 2006 und durch Entführungen verschlechtert und sich das subjektive Unsicherheitsgefühl in den Reihen der internationalen Gemeinschaft seit dem Anschlag vom 24. Januar 2008 auf das Hotel Kabul Serena erheblich verstärkt habe. Dass internationale Hilfsorganisationen nicht einmal eine notdürftige Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung Kabuls sicherstellen, ist den Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 zu entnehmen. Danach gibt es keine Grundversorgung der Flüchtlinge durch internationale Hilfsorganisationen in Kabul. Die Lebensbedingungen der Kabuler hätten sich seit dem Jahre 2001 drastisch verschlechtert. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen, nach denen in Afghanistan "kein Hahn kräht". Konkrete Zahlen über Todesfälle unter der armen Bevölkerung ließen sich in einem Land, in dem es keine Meldepflicht gebe, nicht erlangen, da sie nicht aktenkundig würden. Außerdem sei unter den afghanischen Verhältnissen die Grenze fließend zwischen regelrechtem Verhungern und Erkrankungen, die aufgrund von Mangelernährung, katastrophaler Hygiene, Kälte bzw. fehlender ärztlicher Behandlung tödlich verliefen. Allein in den drei von der „Action contre la faim“ betreuten Krankenhäusern stürben täglich zwischen fünf und sieben Personen allein wegen Unterernährung, obwohl diese zu den „wenigen Glücklichen“ gehörten, die überhaupt in ein Krankenhaus kämen. Menschen, die Mangelernährung und Krankheiten erlägen, würden ohne viel Umstände verscharrt. Die durch das jahrelange Elend abgestumpfte Bevölkerung nehme solche Todesfälle oft fatalistisch hin.
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cc. Auch die Möglichkeiten, eine winterfeste Unterkunft zu erlangen, sind für einen mittellosen Rückkehrer, der nicht auf (groß-)familiäre Hilfe zurückgreifen kann, minimal. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008 führt hierzu aus, die Wohnraumversorgung sei unzureichend; Wohnraum sei knapp und die Preise in Kabul seien hoch. Freiwillig zu ihren Angehörigen zurückkehrende Afghanen strapazierten die nur sehr knappen Ressourcen an Wohnraum und Versorgung weiter. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfüge zudem nicht mehr über solche Anschlussmöglichkeiten. Bemühungen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR und anderer Einrichtungen um die Errichtung von Unterkünften hätten nur geringe Wirkung gehabt. Das afghanische Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer beabsichtige, Rückkehrer in Neubausiedlungen unterzubringen, von denen ein Großteil für eine dauerhafte Ansiedlung ungeeignet sei, so dass von einem „Aussetzen in der Wüste“ gesprochen werden könne. Nichtregierungsorganisationen leisteten hier humanitäre Hilfe. Von dem „Auffangwohnheim“ auf dem Gelände des Flüchtlingsministeriums, das das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof erwähnt und in dem Rückkehrer für eine Übergangszeit Unterkunft finden konnten, ist im Lagebericht vom 7. März 2008 nicht (mehr) die Rede.
32 
Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) berichtet, dass ein einfaches Zimmer bis zu 20 US-Dollar im Monat koste. Dafür erhalte man eine Unterkunft in weitab vom Zentrum gelegenen Außenbezirken, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht.
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Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilte, hat der enorme Bevölkerungszuwachs in Kabul einen akuten Mangel an Wohnraum verursacht, so dass sich große Slumviertel gebildet hätten. Viele Menschen lebten in Ruinen. Nach Schätzungen der Caritas verfüge etwa eine Million Menschen in Kabul weder über ausreichenden und winterfesten Wohnraum noch über regelmäßiges Trinkwasser. Die hygienischen Verhältnisse in den Armenvierteln seien katastrophal.
34 
Das Rückkehrerprogramm "Return, Reception and Reintegration of Afghan Nationals to Afghanistan (RANA)" ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof Ende April 2007 ausgelaufen, so dass auf die Darlegungen von Herrn D…, der während einer Beurlaubung als Beamter der Beklagten im Rahmen des RANA-Programms in Kabul bis zum 22. Mai 2006 tätig war und wegen dieser Tätigkeit von dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 24. März 2006 als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist, nicht eingegangen werden muss.
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dd. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die medizinische Versorgung selbst in Kabul völlig unzureichend ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Amnesty international berichtet dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007, dass viele Menschen wegen der desolaten Verhältnisse im Gesundheitswesen unter Infektionskrankheiten, Tuberkulose etc. litten. Eine Behandlung sei in der Regel nicht möglich, weil die Gesundheitsversorgung in Afghanistan unzulänglich sei. Während es auf dem Land oft überhaupt keine Versorgung gebe, sei es in Kabul, wo einige Krankenhäuser vorhanden seien, meist nur über Beziehungen oder gegen Bestechung möglich, auch tatsächlich behandelt zu werden. Diese Situation erkläre die geringe Lebenserwartung und eine der weltweit höchsten Kindersterblichkeitsraten. Auch Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.) referiert, dass die Kosten für einen Arztbesuch fast den Tageslohn eines einfachen Arbeiters – Transportkosten nicht inbegriffen – ausmachen; die Mehrheit der Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern betrieben nebenbei private Kliniken und verwiesen die Patienten in diese, was sich die Ärmeren aber nicht leisten könnten.
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ee. Ist mithin davon auszugehen, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nur eine notdürftige und nicht winterfeste Unterkunft finden würde, nahezu ohne medizinische Versorgung unter hygienisch völlig unzureichenden Verhältnissen leben müsste und darauf verwiesen wäre, sich ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er durch seine Abschiebung nach Afghanistan zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten würde. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den in sich schlüssigen ernährungsmedizinischen Ausführungen der Sachverständigen Dr. med. T.. Danach führt eine erzwungene Mangelernährung, die aus Brot und Tee besteht, selbst bei ausreichender Kalorienzufuhr, d.h. einer Menge von 1.000g bis 1.500g Weißbrot pro Tag, zu einem verstärkten Abbau von Eiweiß und Fett und insbesondere zu einem Eisenmangel. Die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung habe erhebliche Auswirkungen auf das Gehirn und das Herz und schwäche die Körperimmunabwehr. Dies wiederum könne zu Organschäden am Herzen bis hin zum Herzinfarkt führen. Die Schwächung der Immunabwehr führe in der Regel spätestens nach sechs Monaten zum Ausbruch der Eisenmangelanämie. Die genannten Symptome träten unter den in Afghanistan herrschenden Lebensbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch früher ein, zumal bei einem Rückkehrer nach einem fünf Jahre langen Aufenthalt in Deutschland wegen der erheblichen Klimaumstellungen mit schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane bis hin zur Tuberkulose gerechnet werden müsse. Unter den im Winter in Afghanistan gegebenen Klimabedingungen bestehe die Gefahr von Lungeninfekten. Sie könnten insbesondere dann zum Tod führen, wenn der Organismus bereits zuvor durch Eisenmangel und andere Infekte geschwächt sei. Bei einer Rückkehr nach Kabul im Sommer sei mit Darminfektionen zu rechnen. Unter diesen Umständen könnten bis zu zwei Durchfallerkrankungen möglicherweise ohne große Schäden überwunden werden. Ab der dritten entsprechenden Erkrankung müsse dann aber mit lebensbedrohlichen Entwicklungen gerechnet werden. Eine Anpassung des Körpers im Sinne einer zunehmenden Immunität sei in diesen Fällen ausgeschlossen. Insbesondere im Sommer komme es darüber hinaus auch durch das Trinken von nicht abgekochtem Wasser zu gesundheitlichen Schäden.
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Aus diesen sachverständigen Ausführungen ergibt sich, dass vergleichsweise junge Männer, die in gutem Ernährungs- und Gesundheitszustand aus Europa nach Kabul zurückkehren, nicht etwa über körperliche „Reserven“ verfügen, die ihnen ein Überleben auf längere Sicht erleichtern. Vielmehr erweist sich die über mehrere Jahre vollzogene Anpassung an die in Europa herrschenden klimatischen und hygienischen Bedingungen als Nachteil beispielsweise gegenüber afghanischen Rückkehrern aus Pakistan oder dem Iran. Insbesondere die dadurch erhöhte Infektanfälligkeit wird in Verbindung mit dem ernährungsbedingten Eisenmangel zu schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane führen und mit hoher Wahrscheinlichkeit einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen auslösen.
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Diese schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen reichen aus, um eine zwangsweise Rückkehr als unzumutbar erscheinen zu lassen, auch wenn sehr viele Afghanen in der beschriebenen Weise unterhalb des Existenzminimums „dahinvegetieren“ und keine Berichte über eine Hungersnot in Kabul vorliegen, wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht (A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris) bemerkt. Gerade den bereits zitierten Ausführungen Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 ist zu entnehmen, aus welchen Gründen sich Angaben über diese Zustände einer „weiteren Präzisierung“, die das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (20 A 5164/04.A, juris) vermisst, entziehen und über Hungertote oder an den Folgeerkrankungen der chronischen Mangelernährung Verstorbene nicht im Einzelnen berichtet wird. Im Übrigen beruhen die Entscheidungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris) und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (20 A 5164/04.A, juris) wesentlich auf den wegen des inzwischen ausgelaufenen RANA-Programms nicht mehr aktuellen Bekundungen des Herrn D.. Zwar geht auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (8 UE 1913/06.A, juris) davon aus, dass ein junger, allein stehender Afghane ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung wahrscheinlich in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren; er räumt aber ein, manche von den Gutachtern mitgeteilte Details sprächen auch für die gegenteilige Schlussfolgerung. Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (12 B 9.05, juris) für männliche Flüchtlinge mittleren Alters im Falle der Rückkehr nach Afghanistan in der Regel keine extremen allgemeinen Gefahren sieht, lagen der Entscheidung tatsächliche Besonderheiten in der Person des Klägers zugrunde, der aus einer wohlhabenden Familie mit einflussreichen Kontakten auch in Kabul stammte (…). Ebenso wenig vergleichbar sind die Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte (OVG S-H, 2 LB 38/07, juris; OVG B-B, 12 B 11.05, juris), deren abweichende Einschätzung der Gefährdungslage darauf beruht, dass die um Abschiebungsschutz nachsuchenden afghanischen Staatsangehörigen in ein (groß-)familiäres Umfeld zurückkehren konnten.“
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Dieser überzeugenden Einschätzung schließt sich der Senat an. Die seit Ergehen dieses Urteils eingegangenen weiteren Erkenntnismittel belegen die Richtigkeit dieser Einschätzung und zeigen zudem eine weitere Verschärfung der Situation auf.
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bb) Seit Mai 2008 hat sich die Versorgungssituation für Rückkehrer aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiären Rückhalt in Afghanistan weiter verschlechtert. Auch wenn die Lage in einzelnen Provinzen und Distrikten erhebliche Unterschiede aufweist (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 9), befindet sich das Land insgesamt gesehen in einer "Abwärtsspirale" (FAZ vom 07.02.2009). US-Geheimdienste zeichnen ein „äußerst düsteres Bild“ (SZ vom 10.10.2008). Versorgungsengpässe sind an der Tagesordnung, und dies nicht nur in abgelegenen Gebieten oder den Elendsvierteln von Kabul. Die Einwohnerzahl Kabuls explodierte auch aufgrund von Landflucht sowie der massenhaften Rückkehr von Flüchtlingen in den letzten Jahren von circa einer auf nunmehr weit über drei Millionen Menschen (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 224). Im neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03.02.2009 heißt es, Afghanistan durchlebe insbesondere eine Nahrungsmittelkrise. Das Land gelte zwischenzeitlich in Asien als das ärmste. Die Lebensbedingungen seien landesweit schlecht. Seit dem Winter 2007/08 habe sich die Lage mit den weltweit steigenden Nahrungsmittelpreisen, verbunden mit Exportbeschränkungen der Nachbarländer für Weizen und einer Dürre in einigen Landesteilen, noch einmal erheblich verschärft. Eine weitere Verschlechterung im Winter 2008/09 und in der folgenden „mageren Jahreszeit“ im ersten Halbjahr 2009 sei wahrscheinlich. Besonders problematisch sei die Lage in den ländlichen Gebieten, deren Versorgung oftmals sehr schwierig, im Winter überhaupt nicht möglich sei. Aber auch in Kabul und zunehmend in anderen großen Städten sei die Lage nicht wesentlich besser. Wegen sinkender oder ganz fehlender Kaufkraft profitiere von einer seit 2001 zwar grundsätzlich verbesserten Versorgungslage derzeit allenfalls eine kleine Bevölkerungsschicht. Angemessener Wohnraum sei knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. Selbst Kabul habe keine geregelte Stromversorgung. Staatliche soziale Sicherungssysteme seien weiterhin praktisch nicht vorhanden; Korruption sei weit verbreitet, der Verwaltungsapparat sei hoch ineffizient. Die medizinische Versorgung sei immer noch unzureichend. Selbst die Ansiedlung organisiert zurückgeführter Flüchtlinge in vorgesehene „townships“ erfolge etwa wegen fehlender Wasserversorgung und abseitiger Lage unter „schwierigen Rahmenbedingungen“ und gleiche, trotz humanitärer Hilfe von Nichtregierungsorganisationen, teilweise weiterhin einem „Aussetzen in der Wüste“. Der Zugang zu Arbeit, Wasser bzw. Grundversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Ohne familiäre oder soziale Netzwerke und ohne notwendige Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse würden Rückkehrer „auf größere Schwierigkeiten“ stoßen. Sie könnten zudem auf übersteigerte Erwartungen ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen und mit überhöhten Preisen konfrontiert werden. Von den im Land gebliebenen Landsleuten würden Rückkehrer im Übrigen häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert. Hinzu komme, dass die Gefährdung des Einzelnen, zu einem Opfer von Gewalt zu werden, im ganzen Land gegeben sei. Die afghanische Nationalpolizei werde ihrer Aufgabe bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz nicht gerecht und gelte wegen Korruption und niedrigem Ausbildungsstand an vielen Orten selbst als Unsicherheitsfaktor. Von der sich verschlechternden Sicherheitslage seien inzwischen fast alle Landesteile betroffen. Auch die Gefahr, Opfer der deutlich zugenommenen Entführungen zwecks Erpressung von Lösegeld zu werden, treffe Rückkehrer, wenn ihnen ausreichende finanzielle Mittel für einen Freikauf unterstellt würden. Ob sich eine Person diesen Gefahren entziehen könne, hänge maßgeblich von dem Grad ihrer familiären, tribalen und sozialen Vernetzung ab.
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Weitere aktuelle Erkenntnisquellen geben kein besseres Bild von der in der Gesamtschau für Rückkehrer ohne Vermögen oder (groß-)familiären Rückhalt katastrophalen Lage: Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die Situation 2009 noch schlechter werde; „so viel Pessimismus war nie“ (Der Spiegel vom 13.10.2008). Die Schere zwischen Reich und Arm klafft immer weiter auseinander. Einerseits lassen sich Drogenbarone und Warlords in Kabul „protzige Villen“ bauen. Andererseits leben immer mehr Menschen in nicht winterfesten Unterkünften, oftmals Ruinen (SFH vom 21.08.2008 u. 26.02.2009), und es müssen nach einer repräsentativen Erhebung von ARD, ABC und BBC zwischenzeitlich über die Hälfte aller Haushalte (54 %) mit weniger als umgerechnet 100 Dollar (ca. 78 EUR) im Monat auskommen. Gerade noch rund ein Drittel der afghanischen Bevölkerung (37 %) gibt an, sich notwendige Lebensmittel leisten zu können. Und nur noch 31 % der Bevölkerung ist in der Lage, den Preis für Heizöl zu bezahlen (dpa-News vom 09.02.2009). Alles sei dramatisch teurer geworden, vor allem Lebensmittel, Brennholz, Benzin, Gas und Baumaterialien (SZ vom 24.10.2008); insbesondere die Lebensmittelpreise sind zwischen Februar 2008 und Februar 2009 um bis zu 130 % gestiegen (SFH vom 26.02.2009) Nach UN-Angaben müssen heute 42 % der Afghanen von weniger als einem Dollar am Tag leben (ai-Pressespiegel 2/2009, S. 46). Die Arbeitslosenrate liege zwischen 32 und 60 Prozent; ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung versuche, sich als Tagelöhner zu verdingen (SFH vom 26.02.2009). Überall könne man Armut sehen, etwa Leute, die sich „nur von Wasser, Brot und ein bisschen Tomatenpüree oder allenfalls mal von einem Teller Reis“ ernähren (SZ vom 24.10.2008). Für die große Mehrheit der Afghanen würden Armut, Krankheit, Dürreperioden und interne Konflikte noch größere Bedrohungen darstellen als das Risiko, durch kriegerische oder terroristische Attacken verletzt oder getötet zu werden. Die Richtigkeit dieser Einschätzung illustrieren auch Indikatoren zum Gesundheitszustand der Bevölkerung: So stirbt heute in Afghanistan durchschnittlich alle 30 Minuten eine Frau aufgrund von Komplikationen während Schwangerschaft oder Geburt. Die Hälfte der Kinder bis zum Alter von fünf Jahren gelten als chronisch unterernährt. Lediglich zwei von zehn ländlichen Haushalten verfügen über sauberes Trinkwasser, was wiederum dazu führt, dass 85.000 Kinder im Alter unter fünf Jahren jährlich an den Folgen von Magen- und Darmerkrankungen sterben. Jedenfalls für die Mehrheit der auf dem Land lebenden Afghanen gibt es weder eine medizinische Grundversorgung noch Ernährungssicherheit (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 105 f.). Die Lebenserwartung der afghanischen Bevölkerung gehört heute mit 42 Jahren zu den geringsten der Welt (SFH vom 26.02.2009). Zudem verläuft der Wiederaufbau offenbar überall schleppend. Die Korruption habe „atemberaubende Ausmaße“ angenommen. Einer der wenigen funktionierenden Erwerbszweige sei die Drogenökonomie. Afghanistan hat zwischenzeitlich beinahe ein weltweites Monopol für Schlafmohn, aus dem Heroin gewonnen wird (dpa-News vom 29.01.2009). Mit den Erlösen aus Schlafmohnanbau und Drogenhandel füllen nicht nur, aber vor allem die Taliban ihre Kriegskasse (dpa-News vom 13.02.2009). Jeder zehnte Afghane baut nach UN-Berichten oftmals notgedrungen Schlafmohn an; das entspricht rund 2,5 Millionen Menschen. Hinzu kommen noch diejenigen, die Drogen schmuggeln, veredeln und weiterverkaufen. Niemand wage, ihre Zahl zu schätzen. Den Wert ihrer Früchte dagegen schon: Allein die 7,7 Tonnen Rohopium, die 2008 in Afghanistan geerntet wurden (93 % der Weltopiumsproduktion), haben einen Marktwert von 3,5 Milliarden Dollar. Ein Kilo Heroin hat derzeit in Afghanistan den Gegenwert von 30 Maschinengewehren. Täglich starten aus Girdi Jungal und Baramcha schwer bewachte Konvois mit mehreren Hundert Kilo Heroin an Bord Richtung Iran. An der Grenze zu Pakistan wurden Labore zur Veredelung des Rohopiums von fabrikartigen Ausmaßen errichtet, in denen mehrere Hundert Menschen arbeiten sollen. Rund 90% der Ernte wird inzwischen in Afghanistan selbst zu Heroin und Morphiumprodukten verarbeitet (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 231). Ein US-Militär brachte die Verbindung zwischen Taliban-Renaissance und Drogenschmuggel lakonisch auf den Punkt: "Drogen raus, Waffen rein." Hochrangige Regierungsvertreter und sogar der Bruder von Präsident Karzai sollen sich nach Ansicht des Weißen Hauses an Drogengeschäften beteiligen (ZEIT-online vom 04.02.2009), weshalb die Bevölkerung Drogenbekämpfungsmaßnahmen als Ausdruck von Doppelmoral ansieht. Vernichtungskampagnen würden vor allem jenen verarmten Bevölkerungsteil treffen, der existenziell auf den Schlafmohnanbau angewiesen sei. Die Nato-Truppen haben dennoch beschlossen, nunmehr aktiv die Drogenproduktion zu bekämpfen; ein durchgreifender Erfolg dieser Aktionen erscheint jedoch außerordentlich fraglich (taz vom 13.10.2008). Die Schwierigkeiten Afghanistans dürften zudem kaum trennbar mit denen Pakistans verbunden sein. Die Problemzone Afghanistan besteht gewissermaßen aus einem Rumpfstaat um Kabul, dessen Aufbau nicht vorankommt, während bei seinem atomar bewaffneten Nachbarn „ein beängstigender Staatszerfall“ stattfindet. Die in der Regierung von Präsident Karzai wütende Korruption habe den Zusammenbruch zentraler Autorität ebenso beschleunigt wie die wachsende Gewalt durch Militante aus Zufluchtsorten in Pakistan (netzwerk-afghanistan.info vom 09.10.2008). Die pakistanische Regierung verliere immer mehr den Zugriff auf ihre nordwestliche Grenzregion. Islamabad hat nun verkündet, man werde dort ein System islamischer Gerichtsbarkeit im Gegenzug für einen Waffenstillstand mit den Taliban akzeptieren (Die Zeit vom 19.02.2009).
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cc) Die ohnehin katastrophale Versorgungssituation in Afghanistan wird zudem durch die inzwischen landesweit schwierige Sicherheitslage verschärft. Die Kämpfe zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen haben tausende Familien gezwungen, in größeren Städten Schutz zu suchen. Zehntausende intern Vertriebene leben in Slums rund um Kabul und Herat. UNHCR schätzte im Januar 2009, dass ca. 235.000 Menschen neu vertrieben wurden (SFH vom 11.03.2009). Auch die Versorgung der ländlichen Gebiete mit Hilfsgütern ist aufgrund der schwierigen Sicherheitslage nur noch eingeschränkt möglich. Die Kosten für eine LKW-Fuhre mit Hilfsgütern von Kabul nach Kandahar etwa haben sich wegen der „Gefahrenzulagen“ von 1.800 Dollar im Frühjahr 2008 auf nunmehr fast 18.000 US-Dollar verzehnfacht (Der Spiegel vom 13.10.2008). Afghanistan ist heute eines der am stärksten verminten Länder der Welt (SFH vom 21.08.2008). Für die internationalen Truppen war 2008 das verlustreichste Jahr seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001. Allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2008 hat der Konflikt am Hindukusch nach UN-Angaben mehr als 4.000 Menschen das Leben gekostet, über ein Drittel davon Zivilisten; andere Schätzungen gehen von über 2000 getöteten Zivilisten im letzten Jahr aus (FAZ vom 18.02.2009). Deutschen Soldaten ist es in Kabul verboten, sich zu Fuß oder mit ungepanzerten Fahrzeugen zu bewegen; vom Elend der Flüchtlinge bekommen sie kaum etwas mit (SZ vom 02.09.2008). An eine rein militärische Konfliktlösung glaubt inzwischen offenbar niemand mehr. Präsident Karzai hat den Taliban wiederholt Verhandlungen angeboten, die jedoch abgelehnt wurden, solange ausländische Truppen im Land sind (FR vom 27.02.2009). Im Süden, Osten und Westen konnten die Taliban immer näher an Kabul heranrücken. Sie seien bereits auf 72 % des afghanischen Territoriums „dauerhaft präsent“ (dpa-News vom 10.10.2008). US-Präsident Obama’s angekündigte Offensive und Truppenaufstockungen um mindestens 17.000 weitere Soldaten (Die Welt vom 19.02.2009) bedeuteten noch mehr Kämpfe und Gewalt, denn die Aufständischen seien mächtig wie nie (BNN vom 17.12.2008; FAZ vom 22.12.2008). Aber nicht nur die Taliban, auch kriminelle Banden machen das Land und selbst die Hauptstadt Kabul unsicher (dpa-News vom 29.01.2009). Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen organisierter Kriminalität, ehemaligen Warlords, die ihre Einflussbereiche nun als Gouverneure oder Distriktchefs sichern, bis hin zu Gruppierungen der Taliban oder anderen militanten Kräften fließend verlaufen (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 10). Kabul, jahrelang als „letzte sichere Insel im von Gewalt zerrütteten Land am Hindukusch“ bezeichnet, erscheint im Frühjahr 2009 „alles andere als sicher“ (Der Spiegel vom 25.01.2009). Die Zahl der registrierten Bombenanschläge (ca. 2.000) und Entführungen (ca. 300) hat sich laut US-Angaben 2008 etwa verdoppelt (taz vom 30.12.2008). Zudem habe sich zwischenzeitlich eine Art „Entführungsindustrie“ entwickelt, die jeden treffen könne (SZ vom 24.10.2008). Auch das Auswärtige Amt warnt deshalb dringend vor Reisen nach Kabul und Afghanistan. Das Risiko, Opfer einer Entführung zu werden, bestehe landesweit. Auch in der Hauptstadt Kabul könnten Überfälle und Entführungen nicht ausgeschlossen werden; im übrigen Land bestünden teilweise noch deutlich höhere Sicherheitsrisiken. Wer sich dennoch nach Afghanistan begebe, müsse sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Trotz Präsenz der Internationalen Schutztruppe ISAF komme es überall zu Attentaten. Die Sicherheitskräfte der Regierung seien nicht in der Lage, Ruhe und Ordnung zu gewährleisten. Zudem sei die medizinische Versorgung, insbesondere die stationäre Behandlungsmöglichkeit, völlig unzureichend und in etlichen Landesteilen nahezu nicht existent bzw. nicht nutzbar (www.auswaertiges-amt.de; Zugriff vom 16.03.2009).
43 
In einer Gesamtgefahrenschau muss vor diesem Hintergrund im konkreten Einzelfall des Klägers eine extreme Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bejaht werden.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 83 b AsylVfG. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (§ 132 Abs. 2 VwGO).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2007 - A 6 K 4738/07 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am 05.02.1986 im Dorf Tschardehi in der Provinz Ghorband/Distrikt Parwan geborener lediger und kinderloser afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens vom Volk der Tadschiken reiste am 03.10.2003 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 21.10.2003 stellte er einen Asylantrag mit der Begründung, sein Vater und Bruder sowie zwei Vettern seien im Rahmen eines blutigen Familienstreits um die Verheiratung eines Mädchens ums Leben gekommen. Aus Rache werde der Kläger bis heute von seinen Vettern mit dem Tode bedroht. Seine Mutter und ein Onkel lebten zwischenzeitlich im vom Familiendorf etwa 3 ½ Autostunden entfernten Kabul. Die Ausreise Anfang Oktober 2003 über den Flughafen Kabul sei mit Hilfe von Schleppern gegen Bezahlung von 15.000 US-Dollar gelungen.
Die Beklagte lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) vom 28.10.2003 als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - offensichtlich nicht vorliegen sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben sind, und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an. Der Bescheid wurde am 11.11.2003 bestandskräftig.
Unter Berufung auf neuere Rechtsprechung zum Vorliegen einer extremen Gefahrenlage in Afghanistan auch für alleinstehende Männer stellte der Kläger am 16.05.2007 einen so genannten Folgeschutzantrag hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
Mit Bescheid vom 16.08.2007 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Änderung des Bescheids vom 28.10.2003 bezüglich der Feststellungen zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG ab. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens seien nicht erfüllt. Weder führe die Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Tadschiken in Afghanistan zu einer landesweiten Verfolgungsgefahr noch ergebe sich aus der dortigen allgemeinen Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation für den Kläger. Jedenfalls in Kabul könne er sein Existenzminimum sichern.
Am 30.08.2007 hat der Kläger unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamts vom 16.08.2007 zu der Feststellung zu verpflichten, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegen.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 19.09.2007 - A 6 K 4738/07 - hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verpflichtet, insoweit den Bundesamtsbescheid vom 16.08.2007 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung des stattgebenden Teils seines Urteils hat es im Wesentlichen ausgeführt, wegen der in Afghanistan bestehenden unzureichenden Versorgungslage bestehe für den Kläger bei einer Rückkehr dorthin eine extreme Gefahrensituation. Da der Vater des Klägers bereits vor dessen Ausreise aus Afghanistan verstorben sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger in seiner Heimat über keine hinreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung verfüge. Bei einer Abschiebung werde er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert. Zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG äußert sich die übrige Begründung des Urteils nicht.
Der Kläger hat keinen Zulassungsantrag gestellt.
Mit ihrer vom erkennenden Gerichtshof mit Beschluss vom 28.02.2008 - A 8 S 2412/07 - zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, eine extreme Gefahrensituation könne jedenfalls für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Rückkehrer nicht angenommen werden. Die Versorgungslage in Kabul sei für diese Personengruppe nicht derart schlecht, dass eine Hungerkatastrophe befürchtet werden müsse. Unterstützung gebe es für Rückkehrer durch internationale Organisationen, auch bei der Unterkunftsbeschaffung. In der Berufungsverhandlung hat die Vertreterin der Beklagten klargestellt, der angegriffene Bescheid vom 16.08.2007 sei so zu verstehen, dass das Bundesamt das Verfahren in Bezug auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Amts wegen wiederaufgegriffen und zur Sache entschieden habe.
Die Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2007 - A 6 K 4738/07 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er trägt im Wesentlichen vor, in Afghanistan heute keinerlei unterstützungsbereite Familienangehörige mehr zu haben; diese seien entweder tot oder geflohen. Aus diesem Grund und wegen der katastrophalen Versorgungssituation in seiner Heimat lägen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
14 
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2009 informatorisch angehört. Dabei gab er an, seine Heimat wegen einer Familienfehde verlassen zu haben. Sein Vater habe zwei Brüder gehabt, die mit Ehefrauen und vier Söhnen bzw. einer Tochter ebenfalls im Dorf Tschardehi gelebt hätten. Ein Vetter des Klägers habe die Tochter des anderen, verstorbenen Onkels heiraten wollen, was diese jedoch vehement abgelehnt habe. Hierüber sei es zu einem blutigen Streit gekommen, in dessen Rahmen sowohl der Vater des Klägers als auch dessen Bruder zu Tode gekommen seien. Daraufhin seien der Kläger und seine Mutter zu einem Onkel mütterlicherseits nach Kabul geflüchtet, der dort ein Geschäft betrieben habe. Dieser Onkel habe die Mutter versorgt und dem Kläger die Ausreise nach Deutschland organisiert und bezahlt. Die Mutter habe später den gesamten Familienbesitz im Dorf Tschardehi verkauft. Sowohl mit seiner Mutter als auch mit dem Onkel in Kabul habe er bis 2005 Telefonkontakt gehabt. Seine Mutter habe über ein Mobiltelefon verfügt. Im letzten Telefonat sei ihm mitgeteilt worden, dass insbesondere die wirtschaftliche Lage sehr schlecht sei und man beabsichtige, das Land zu verlassen. Dann sei der Kontakt abgerissen. Wo seine Mutter oder sein Onkel oder sonstige Familienangehörigen heute seien, wisse er nicht. Es sei ihm seit 2005 nicht mehr gelungen, irgendeinen Familienkontakt herzustellen. In Deutschland arbeite er seit etwa neun Monaten; zuerst bei einer Leiharbeitsfirma, seit Januar 2009 in einer Pizzeria. Er verdiene derzeit netto ca. 700 EUR monatlich. Seine Mietkosten beliefen sich auf monatlich ca. 200 EUR. Relevante Ersparnisse habe er nicht.
15 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte sowie den Verfahrensakten des Bundesamts. Dem Senat liegen des Weiteren die Akte des Verwaltungsgerichts Stuttgart im Verfahren A 6 K 4738/07 sowie die Erkenntnisquellen, die den Beteiligten mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung und in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden sind, vor. Die beigezogenen Akten und die Erkenntnisquellen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- Aufenthaltsgesetz -) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (- Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) beanspruchen kann. Die Zulässigkeit des so genannten Folgeschutzantrags des Klägers vom 16.05.2007 insbesondere hinsichtlich § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG bedarf keiner Klärung, weil die Beklagte klargestellt hat, dass das Bundesamt das Verfahren im angefochtenen Bescheid - jedenfalls - in Bezug auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Amts wegen wiederaufgegriffen und zur Sache entschieden hat.
I.
17 
Das grundsätzlich vorrangige - europarechtlich begründete - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG ist vom Senat im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu prüfen. Zwar ist ein Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im Asylprozess sachdienlich dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = NVwZ 2008, 1241). Auch war im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in seiner heutigen Fassung bereits in Kraft und der Kläger hatte die Feststellung von Abschiebungsverboten „nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG“ beantragt. Das Verwaltungsgericht hat über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG jedoch - rechtsirrtümlich - nicht entschieden. Da es nach den Urteilsgründen keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Verwaltungsgericht bewusst nur über einen Teil des Streitgegenstandes entscheiden und den Rest einer späteren Entscheidung vorbehalten wollte, liegt kein Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO vor. Das Urteil ist vielmehr bezüglich des nicht erwähnten Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlerhaft. Es verstößt gegen § 88 VwGO, weil es über das europarechtliche Abschiebungsverbot rechtsirrtümlich nicht vorrangig entscheidet. Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht einerseits nicht über das Klagebegehren hinausgehen, muss dieses andererseits aber erschöpfen. Das Verwaltungsgericht hat die Eigenständigkeit des Streitgegenstands bzw. abtrennbaren Streitgegenstandsteils des § 60 Abs. 7 Satz 2 VwGO, die das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen erstmals mit Urteil vom 24.06.2008 (a.a.O.) rechtsgrundsätzlich geklärt hat, nicht erkannt und diesen Streitgegenstandsteil irrtümlich als nicht rechtshängig angesehen. Damit wäre insoweit ein Urteilsergänzungsverfahren nach § 120 VwGO von vorneherein nicht in Betracht gekommen, weil kein „Übergehen“ im Rechtssinne vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269), sondern nur ein Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 2 AsylVfG. Der Kläger hat jedoch keinen Zulassungsantrag gestellt und der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung war auf den stattgebenden Teil des angefochtenen Urteils, also das - nationale - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begrenzt; nur insoweit wurde vom Senat die Berufung zugelassen. Nach dem Verfahrensgrundsatz der Dispositionsmaxime ist der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens damit hierauf beschränkt (vgl. §§ 128 Satz 1, 129 VwGO). Mit der rechtskräftigen Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht im Übrigen ist die Rechtshängigkeit des unbeschieden gebliebenen europarechtlich begründeten Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entfallen (ausführlich hierzu: BVerwG, Urteil vom 22.03.1994, a.a.O.). Selbst wenn insoweit von einem Übergehen des Antrags im Sinne des § 120 Abs. 1 VwGO ausgegangen würde, wäre ein Urteilsergänzungsverfahren ausgeschlossen, weil binnen der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO kein entsprechender Antrag gestellt worden ist.
II.
18 
Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) besteht zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Hiernach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das ist beim Kläger aufgrund der in Afghanistan derzeit vorherrschenden katastrophalen Versorgungslage der Fall.
19 
Allerdings sind Gefahren der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Denn hinsichtlich des Schutzes vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich sperrt und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Aus diesem Normzweck folgt weiter, dass sich die „Allgemeinheit“ der Gefahr nicht danach bestimmt, ob diese sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kann vielmehr auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. Denn soweit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände wie etwa Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Gefährdungen geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1). Für die Personengruppe, der der Kläger angehört, besteht eine solche politische Abschiebestopp-Anordnung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in Baden-Württemberg derzeit nicht (mehr), seit mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.04.2005 (geändert am 01.08.2005, vgl. 21. Fortschreibung vom 23.01.2009, Az.: 4-13-AFG/8) in Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder bezüglich der Rückführung afghanischer Staatsangehöriger entschieden wurde, dass „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 2005 noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben, mit Vorrang zurückzuführen sind“. Im konkreten Einzelfall greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG gleichwohl aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein.
20 
1. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde (st. Rspr. des BVerwG, s. Urteile vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 und vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG und Beschluss vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzungen, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 9.95 - BVerwGE 102, 249). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.03.1999 - 9 B 866.98 - juris).
21 
Im Fall einer allgemein schlechten Versorgungslage sind insoweit Besonderheiten zu berücksichtigen. Denn hieraus resultierende Gefährdungen entspringen keinem zielgerichteten Handeln, sondern treffen die Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus und setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er gegebenenfalls auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - juris). Um dem Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung zu entsprechen, kann hinsichtlich einer allgemein schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation zudem nur dann angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Mit dem Begriff „alsbald“ ist dabei einerseits kein nur in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 - 9 C 13.97 - NVwZ 1998, 973). Andererseits setzt die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Eine extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.01.1999 - 9 B 617.98 - InfAuslR 1999, 265).
22 
2. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers gegeben. Denn er gehört zu der Gruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen. Für diese Personengruppe besteht aufgrund der derzeit katastrophalen Versorgungslage bei einer Abschiebung nach Kabul eine extreme Gefahrensituation im dargelegten Sinne (ebenso: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188).
23 
a) Der Kläger wäre bei einer Abschiebung nach Kabul ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte. In der mündlichen Verhandlung hat er glaubhaft und überzeugend ausgeführt, dass sein Vater und Bruder getötet worden sind, er in seinem Heimatdorf Tschardehi keine Unterstützung erlangen könnte, seine Mutter den Familienbesitz veräußert sowie mit dem Onkel aus Kabul Afghanistan - wohl schon 2005 - verlassen hat und dass seither kein Kontakt mehr zu irgendwelchen Personen in seiner Heimat besteht. Der Senat ist aufgrund des schlüssigen Vortrags des Klägers zudem überzeugt, dass er in Deutschland bisher keine nennenswerten Ersparnisse machen konnte. Der gesamte Vortrag des Klägers ist widerspruchsfrei und fügt sich stimmig in seine dokumentierten Angaben vor dem Bundesamt bei der Erstanhörung am 22.10.2003. Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger die Unwahrheit sagt, ergeben sich für den Senat nicht.
24 
b) Aufgrund der nachfolgend (aa) bis cc)) im Einzelnen dargelegten Erkenntnisse und Wertungen ist der Senat überzeugt, dass der Kläger ohne Ersparnisse, Grundbesitz und Unterstützung durch Familie oder Bekannte bei einer Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage unausweichlich dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre. Im Falle der zur Zeit allenfalls nach Kabul tatsächlich möglichen Abschiebung (vgl. AA, Lagebericht vom 03.02.2009, S. 30) müsste er dort mit hoher Wahrscheinlichkeit zunächst mit einem kriminell motivierten Überfall oder einer Entführung rechnen, weil Rückkehrern aus Europa offenbar häufig der Besitz von finanziellen Mitteln unterstellt wird. Da sich die Sicherheitslage auf den Straßen nach und aus Kabul aufgrund der Bürgerkriegssituation schon seit 2007 deutlich verschlechtert hat, wäre dem Kläger ein Ausweichen in andere Landesteile ohne extreme Gefährdung von Leib und Leben nicht möglich; ohnehin verfügt er dort über keine familiäre, tribale oder soziale Vernetzung. In Kabul würde er ohne finanzielle Mittel keinen Wohnraum finden, weil dieser dort knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich ist. Der Kläger, der weder eine Schule noch eine Ausbildung durchlaufen hat und nicht über besondere berufliche Qualifikationen verfügt, hätte in Kabul keine Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit. Aufgrund der Nahrungsmittelkrise wäre er darauf verwiesen, sich, wenn überhaupt, dauerhaft ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren. Dadurch würde er alsbald und unausweichlich in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten, weil eine hinreichende medizinische Versorgung in Kabul nicht gegeben ist. Der Kläger würde mithin durch eine Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert. Im Einzelnen:
25 
aa) Zur Einschätzung der Gefahren für Leib und Leben eines afghanischen Staatsangehörigen, der aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiäre Unterstützung nach Afghanistan zurückkehrt, hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - (AuAS 2008, 188) unter Auswertung auch vom Senat beigezogener Erkenntnisquellen in einem vergleichbaren Fall ausgeführt:
26 
„aa. Im Falle seiner Abschiebung nach Afghanistan würde der Kläger das zum Leben Notwendige an Nahrungsmitteln nicht aus eigener Kraft sichern können.
27 
(…) Der Kläger würde vielmehr in Kabul mit einem geringen Barbetrag und der „Starthilfe“ des UNHCR, der alle Rückkehrer mit 12 US-Dollar (vgl. Dr. Danesch, Gutachten vom 4. Dezember 2006 an HessVGH und vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, in: Informationsverbund Asyl e.V., Zur Lage in Afghanistan, 2006, S. 9 ff.) unterstützt, darauf angewiesen sein, sich durch eine kleingewerbliche Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung den Lebensunterhalt zu verdienen. Das wird ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit weder in Kabul noch in einer Provinz gelingen. Der Sachverständige Rieck, der als Senior Advisor für Arbeitsmarktfragen im Auftrag der International Labour Organisation in Afghanistan tätig war, hat in seinem dem Senat erstatteten Gutachten vom 15. Januar 2008 ausgeführt, auf dem afghanischen Arbeitsmarkt sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass an- und ungelernte Arbeitskräfte eine auf Dauer angelegte und den Lebensunterhalt sichernde Erwerbsmöglichkeit finden. Selbst wenn einem Rückkehrer berufliche Bildungsangebote unterbreitet würden, erlange er durch solche in der Regel keine am Arbeitsmarkt verwertbaren beruflichen Kenntnisse. Fachkräfte aus Handwerksberufen könnten jedoch häufig in Arbeit vermittelt werden. Die Rekrutierung von Arbeitskräften sei so stark von persönlichen Beziehungen geprägt, dass private und öffentliche Arbeitgeber Medien oder Arbeitsvermittlungsbüros erst dann einschalteten, wenn das persönliche Beziehungsgeflecht bei der Stellenbesetzung nicht zum Erfolg geführt habe. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die gutachterliche Stellungnahme vom 31. Januar 2008, die Dr. Glatzer dem Senat gegenüber abgegeben hat. Danach sind für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche Afghanen, die unfreiwillig aus Deutschland nach Kabul zurückkehren und dort nicht mit der Hilfe von Verwandten oder Bekannten bei ihrer Wiedereingliederung rechnen können, legale Erwerbsmöglichkeiten – wenn man die Faktoren Zufall oder Glück außer Acht lässt – kaum gegeben, wenn diese Personen nicht über besondere professionelle Qualifikationen verfügen. Die Arbeitsmarktsituation in den Provinzen sei deutlich ungünstiger als in Kabul. Afghanistan leide unter einer Arbeitslosigkeit von ca. 65 v. H. der arbeitsfähigen Bevölkerung, wobei der Bedarf an ungelernten Arbeitern wegen der sich verschlechternden Sicherheitslage eher zurückgehe. Selbst in Boomzeiten gebe es viel mehr Arbeitswillige als Arbeitsplätze, um die hart und rücksichtslos gekämpft werde. Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) spricht von einer Arbeitslosigkeit im Umfang von 70 bis 80 v. H. der afghanischen Männer. Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) referiert eine Studie der Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) vom April 2006, derzufolge von den befragten armen und armutsgefährdeten Haushalten ein Viertel der Arbeitskräfte maximal 54 Tage im Jahr Zugang zu Arbeit, die Hälfte 131 Tage oder weniger und nur 25 v. H. für 193 und mehr Tage im Jahr eine Arbeitsmöglichkeit hatten. Als Rückkehrer ohne persönliche Bindungen oder Beziehungen und ohne verwertbare berufliche Qualifikation müsste der Kläger der erstgenannten Gruppe zugerechnet werden, also in jeder Woche durchschnittlich für einen Tag eine Aushilfstätigkeit finden, was ihm einen wöchentlichen Durchschnittsverdienst von ca. einem bis zwei US-Dollar verschaffen würde (Dr. Danesch, Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.). Ein selbständiges Kleingewerbe als Schuhputzer (vgl. Rieck, Gutachten vom 15. Januar 2008) bzw. Karrenzieher oder Straßenverkäufer verspricht keine gegenüber der abhängigen Beschäftigung besseren Erwerbsmöglichkeiten (Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) (…)
28 
Unter diesen wirtschaftlichen Verhältnissen würden dem Kläger ausschließlich Tee und Brot als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Er würde zu der Hälfte der Bevölkerung Kabuls gehören, die sich - wie dem Schriftsatz der Beklagten vom 26. Februar 2008 im Verfahren 6 A 10230/08.OVG entnommen werden kann, der insoweit auf Erkenntnisse der Hilfsorganisation „Action contre la faim“ Bezug nimmt – nur von Tee und Brot ernähren und dafür den größten Teil ihres Einkommens verwenden muss. Auch das Auswärtige Amt erwähnt in seinem Lagebericht vom 7. März 2008, dass fast ein Viertel aller Haushalte in Afghanistan die Grundversorgung an Nahrungsmitteln nicht selbständig sichern kann. Dem Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) zufolge leiden 8,9 v. H. der Kabuler Bevölkerung unter akuter Unterernährung. Auf seiner Homepage (www.auswaertiges-amt.de) bezeichnet das Auswärtige Amt die Nahrungmittelunsicherheit, chronische Mangelernährung, fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und Mangel an medizinischer Versorgung als die humanitären Hauptprobleme Afghanistans; der Anstieg der Weizenpreise im Laufe des Jahres 2007 um durchschnittlich 60 Prozent habe die Versorgungslage der besonders bedürftigen Bevölkerungsschichten wie Flüchtlinge und Binnenvertriebene sowie werdender Mütter und Kinder weiter verschlechtert.
29 
bb. Diese Versorgungssituation wird auch nicht durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen in wesentlichem Umfang verbessert (vgl. auch HessVGH, 8 UE 1913/06.A., juris; OVG B-B, 12 B 9.05, juris). Staatliche soziale Sicherungssysteme sind nicht vorhanden; vielmehr übernehmen Familien und Stammesverbände die soziale Absicherung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Deshalb stoßen nach diesem Lagebericht Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbands oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.
30 
Zwar erwähnt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern versorgen und sich die Versorgungslage in Kabul grundsätzlich verbessert habe, schränkt dies aber insoweit ein, als mangels Kaufkraft längst nicht alle Bevölkerungsschichten davon profitierten. Darüber hinaus weist das Auswärtige Amt in diesem Lagebericht auf die Schwierigkeiten humanitärer Nothilfeleistungen infolge schlecht ausgebauter Verkehrswege, widriger Witterungsverhältnisse und wegen Sicherheitsproblemen hin. Dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern (in einem nicht näher bezeichneten Umfang) versorgen, erklärt sich ohne Weiteres aus der eine solche Verantwortlichkeit begründenden Hilfe, die der UNHCR bei der Rückkehr von ca. vier Millionen Afghanen aus Pakistan und dem Iran geleistet hat und die zu einem guten Teil auf den verstärkten „Rückführungsbemühungen“ der pakistanischen und der iranischen Regierung beruhen (vgl. hierzu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilt hat, kann die Versorgung der bedürftigen Bevölkerung angesichts der enorm großen Zahl von Rückkehrern und der prekären Sicherheitslage nicht durch Angebote internationaler Hilfsorganisationen aufgefangen werden, zumal viele dieser Organisationen ihre Aktivitäten aufgrund von Sicherheitsbedenken immer stärker einschränken müssten. Dr. Glatzer teilt diese Einschätzung in seinem Gutachten vom 31. Januar 2008. Auch das Auswärtige Amt (Lagebericht vom 7. März 2008) bestätigt, dass sich die Sicherheitslage für Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen durch regelmäßige Anschläge seit dem Jahr 2006 und durch Entführungen verschlechtert und sich das subjektive Unsicherheitsgefühl in den Reihen der internationalen Gemeinschaft seit dem Anschlag vom 24. Januar 2008 auf das Hotel Kabul Serena erheblich verstärkt habe. Dass internationale Hilfsorganisationen nicht einmal eine notdürftige Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung Kabuls sicherstellen, ist den Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 zu entnehmen. Danach gibt es keine Grundversorgung der Flüchtlinge durch internationale Hilfsorganisationen in Kabul. Die Lebensbedingungen der Kabuler hätten sich seit dem Jahre 2001 drastisch verschlechtert. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen, nach denen in Afghanistan "kein Hahn kräht". Konkrete Zahlen über Todesfälle unter der armen Bevölkerung ließen sich in einem Land, in dem es keine Meldepflicht gebe, nicht erlangen, da sie nicht aktenkundig würden. Außerdem sei unter den afghanischen Verhältnissen die Grenze fließend zwischen regelrechtem Verhungern und Erkrankungen, die aufgrund von Mangelernährung, katastrophaler Hygiene, Kälte bzw. fehlender ärztlicher Behandlung tödlich verliefen. Allein in den drei von der „Action contre la faim“ betreuten Krankenhäusern stürben täglich zwischen fünf und sieben Personen allein wegen Unterernährung, obwohl diese zu den „wenigen Glücklichen“ gehörten, die überhaupt in ein Krankenhaus kämen. Menschen, die Mangelernährung und Krankheiten erlägen, würden ohne viel Umstände verscharrt. Die durch das jahrelange Elend abgestumpfte Bevölkerung nehme solche Todesfälle oft fatalistisch hin.
31 
cc. Auch die Möglichkeiten, eine winterfeste Unterkunft zu erlangen, sind für einen mittellosen Rückkehrer, der nicht auf (groß-)familiäre Hilfe zurückgreifen kann, minimal. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008 führt hierzu aus, die Wohnraumversorgung sei unzureichend; Wohnraum sei knapp und die Preise in Kabul seien hoch. Freiwillig zu ihren Angehörigen zurückkehrende Afghanen strapazierten die nur sehr knappen Ressourcen an Wohnraum und Versorgung weiter. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfüge zudem nicht mehr über solche Anschlussmöglichkeiten. Bemühungen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR und anderer Einrichtungen um die Errichtung von Unterkünften hätten nur geringe Wirkung gehabt. Das afghanische Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer beabsichtige, Rückkehrer in Neubausiedlungen unterzubringen, von denen ein Großteil für eine dauerhafte Ansiedlung ungeeignet sei, so dass von einem „Aussetzen in der Wüste“ gesprochen werden könne. Nichtregierungsorganisationen leisteten hier humanitäre Hilfe. Von dem „Auffangwohnheim“ auf dem Gelände des Flüchtlingsministeriums, das das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof erwähnt und in dem Rückkehrer für eine Übergangszeit Unterkunft finden konnten, ist im Lagebericht vom 7. März 2008 nicht (mehr) die Rede.
32 
Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) berichtet, dass ein einfaches Zimmer bis zu 20 US-Dollar im Monat koste. Dafür erhalte man eine Unterkunft in weitab vom Zentrum gelegenen Außenbezirken, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht.
33 
Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilte, hat der enorme Bevölkerungszuwachs in Kabul einen akuten Mangel an Wohnraum verursacht, so dass sich große Slumviertel gebildet hätten. Viele Menschen lebten in Ruinen. Nach Schätzungen der Caritas verfüge etwa eine Million Menschen in Kabul weder über ausreichenden und winterfesten Wohnraum noch über regelmäßiges Trinkwasser. Die hygienischen Verhältnisse in den Armenvierteln seien katastrophal.
34 
Das Rückkehrerprogramm "Return, Reception and Reintegration of Afghan Nationals to Afghanistan (RANA)" ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof Ende April 2007 ausgelaufen, so dass auf die Darlegungen von Herrn D…, der während einer Beurlaubung als Beamter der Beklagten im Rahmen des RANA-Programms in Kabul bis zum 22. Mai 2006 tätig war und wegen dieser Tätigkeit von dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 24. März 2006 als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist, nicht eingegangen werden muss.
35 
dd. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die medizinische Versorgung selbst in Kabul völlig unzureichend ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Amnesty international berichtet dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007, dass viele Menschen wegen der desolaten Verhältnisse im Gesundheitswesen unter Infektionskrankheiten, Tuberkulose etc. litten. Eine Behandlung sei in der Regel nicht möglich, weil die Gesundheitsversorgung in Afghanistan unzulänglich sei. Während es auf dem Land oft überhaupt keine Versorgung gebe, sei es in Kabul, wo einige Krankenhäuser vorhanden seien, meist nur über Beziehungen oder gegen Bestechung möglich, auch tatsächlich behandelt zu werden. Diese Situation erkläre die geringe Lebenserwartung und eine der weltweit höchsten Kindersterblichkeitsraten. Auch Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.) referiert, dass die Kosten für einen Arztbesuch fast den Tageslohn eines einfachen Arbeiters – Transportkosten nicht inbegriffen – ausmachen; die Mehrheit der Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern betrieben nebenbei private Kliniken und verwiesen die Patienten in diese, was sich die Ärmeren aber nicht leisten könnten.
36 
ee. Ist mithin davon auszugehen, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nur eine notdürftige und nicht winterfeste Unterkunft finden würde, nahezu ohne medizinische Versorgung unter hygienisch völlig unzureichenden Verhältnissen leben müsste und darauf verwiesen wäre, sich ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er durch seine Abschiebung nach Afghanistan zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten würde. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den in sich schlüssigen ernährungsmedizinischen Ausführungen der Sachverständigen Dr. med. T.. Danach führt eine erzwungene Mangelernährung, die aus Brot und Tee besteht, selbst bei ausreichender Kalorienzufuhr, d.h. einer Menge von 1.000g bis 1.500g Weißbrot pro Tag, zu einem verstärkten Abbau von Eiweiß und Fett und insbesondere zu einem Eisenmangel. Die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung habe erhebliche Auswirkungen auf das Gehirn und das Herz und schwäche die Körperimmunabwehr. Dies wiederum könne zu Organschäden am Herzen bis hin zum Herzinfarkt führen. Die Schwächung der Immunabwehr führe in der Regel spätestens nach sechs Monaten zum Ausbruch der Eisenmangelanämie. Die genannten Symptome träten unter den in Afghanistan herrschenden Lebensbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch früher ein, zumal bei einem Rückkehrer nach einem fünf Jahre langen Aufenthalt in Deutschland wegen der erheblichen Klimaumstellungen mit schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane bis hin zur Tuberkulose gerechnet werden müsse. Unter den im Winter in Afghanistan gegebenen Klimabedingungen bestehe die Gefahr von Lungeninfekten. Sie könnten insbesondere dann zum Tod führen, wenn der Organismus bereits zuvor durch Eisenmangel und andere Infekte geschwächt sei. Bei einer Rückkehr nach Kabul im Sommer sei mit Darminfektionen zu rechnen. Unter diesen Umständen könnten bis zu zwei Durchfallerkrankungen möglicherweise ohne große Schäden überwunden werden. Ab der dritten entsprechenden Erkrankung müsse dann aber mit lebensbedrohlichen Entwicklungen gerechnet werden. Eine Anpassung des Körpers im Sinne einer zunehmenden Immunität sei in diesen Fällen ausgeschlossen. Insbesondere im Sommer komme es darüber hinaus auch durch das Trinken von nicht abgekochtem Wasser zu gesundheitlichen Schäden.
37 
Aus diesen sachverständigen Ausführungen ergibt sich, dass vergleichsweise junge Männer, die in gutem Ernährungs- und Gesundheitszustand aus Europa nach Kabul zurückkehren, nicht etwa über körperliche „Reserven“ verfügen, die ihnen ein Überleben auf längere Sicht erleichtern. Vielmehr erweist sich die über mehrere Jahre vollzogene Anpassung an die in Europa herrschenden klimatischen und hygienischen Bedingungen als Nachteil beispielsweise gegenüber afghanischen Rückkehrern aus Pakistan oder dem Iran. Insbesondere die dadurch erhöhte Infektanfälligkeit wird in Verbindung mit dem ernährungsbedingten Eisenmangel zu schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane führen und mit hoher Wahrscheinlichkeit einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen auslösen.
38 
Diese schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen reichen aus, um eine zwangsweise Rückkehr als unzumutbar erscheinen zu lassen, auch wenn sehr viele Afghanen in der beschriebenen Weise unterhalb des Existenzminimums „dahinvegetieren“ und keine Berichte über eine Hungersnot in Kabul vorliegen, wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht (A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris) bemerkt. Gerade den bereits zitierten Ausführungen Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 ist zu entnehmen, aus welchen Gründen sich Angaben über diese Zustände einer „weiteren Präzisierung“, die das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (20 A 5164/04.A, juris) vermisst, entziehen und über Hungertote oder an den Folgeerkrankungen der chronischen Mangelernährung Verstorbene nicht im Einzelnen berichtet wird. Im Übrigen beruhen die Entscheidungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris) und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (20 A 5164/04.A, juris) wesentlich auf den wegen des inzwischen ausgelaufenen RANA-Programms nicht mehr aktuellen Bekundungen des Herrn D.. Zwar geht auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (8 UE 1913/06.A, juris) davon aus, dass ein junger, allein stehender Afghane ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung wahrscheinlich in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren; er räumt aber ein, manche von den Gutachtern mitgeteilte Details sprächen auch für die gegenteilige Schlussfolgerung. Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (12 B 9.05, juris) für männliche Flüchtlinge mittleren Alters im Falle der Rückkehr nach Afghanistan in der Regel keine extremen allgemeinen Gefahren sieht, lagen der Entscheidung tatsächliche Besonderheiten in der Person des Klägers zugrunde, der aus einer wohlhabenden Familie mit einflussreichen Kontakten auch in Kabul stammte (…). Ebenso wenig vergleichbar sind die Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte (OVG S-H, 2 LB 38/07, juris; OVG B-B, 12 B 11.05, juris), deren abweichende Einschätzung der Gefährdungslage darauf beruht, dass die um Abschiebungsschutz nachsuchenden afghanischen Staatsangehörigen in ein (groß-)familiäres Umfeld zurückkehren konnten.“
39 
Dieser überzeugenden Einschätzung schließt sich der Senat an. Die seit Ergehen dieses Urteils eingegangenen weiteren Erkenntnismittel belegen die Richtigkeit dieser Einschätzung und zeigen zudem eine weitere Verschärfung der Situation auf.
40 
bb) Seit Mai 2008 hat sich die Versorgungssituation für Rückkehrer aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiären Rückhalt in Afghanistan weiter verschlechtert. Auch wenn die Lage in einzelnen Provinzen und Distrikten erhebliche Unterschiede aufweist (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 9), befindet sich das Land insgesamt gesehen in einer "Abwärtsspirale" (FAZ vom 07.02.2009). US-Geheimdienste zeichnen ein „äußerst düsteres Bild“ (SZ vom 10.10.2008). Versorgungsengpässe sind an der Tagesordnung, und dies nicht nur in abgelegenen Gebieten oder den Elendsvierteln von Kabul. Die Einwohnerzahl Kabuls explodierte auch aufgrund von Landflucht sowie der massenhaften Rückkehr von Flüchtlingen in den letzten Jahren von circa einer auf nunmehr weit über drei Millionen Menschen (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 224). Im neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03.02.2009 heißt es, Afghanistan durchlebe insbesondere eine Nahrungsmittelkrise. Das Land gelte zwischenzeitlich in Asien als das ärmste. Die Lebensbedingungen seien landesweit schlecht. Seit dem Winter 2007/08 habe sich die Lage mit den weltweit steigenden Nahrungsmittelpreisen, verbunden mit Exportbeschränkungen der Nachbarländer für Weizen und einer Dürre in einigen Landesteilen, noch einmal erheblich verschärft. Eine weitere Verschlechterung im Winter 2008/09 und in der folgenden „mageren Jahreszeit“ im ersten Halbjahr 2009 sei wahrscheinlich. Besonders problematisch sei die Lage in den ländlichen Gebieten, deren Versorgung oftmals sehr schwierig, im Winter überhaupt nicht möglich sei. Aber auch in Kabul und zunehmend in anderen großen Städten sei die Lage nicht wesentlich besser. Wegen sinkender oder ganz fehlender Kaufkraft profitiere von einer seit 2001 zwar grundsätzlich verbesserten Versorgungslage derzeit allenfalls eine kleine Bevölkerungsschicht. Angemessener Wohnraum sei knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. Selbst Kabul habe keine geregelte Stromversorgung. Staatliche soziale Sicherungssysteme seien weiterhin praktisch nicht vorhanden; Korruption sei weit verbreitet, der Verwaltungsapparat sei hoch ineffizient. Die medizinische Versorgung sei immer noch unzureichend. Selbst die Ansiedlung organisiert zurückgeführter Flüchtlinge in vorgesehene „townships“ erfolge etwa wegen fehlender Wasserversorgung und abseitiger Lage unter „schwierigen Rahmenbedingungen“ und gleiche, trotz humanitärer Hilfe von Nichtregierungsorganisationen, teilweise weiterhin einem „Aussetzen in der Wüste“. Der Zugang zu Arbeit, Wasser bzw. Grundversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Ohne familiäre oder soziale Netzwerke und ohne notwendige Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse würden Rückkehrer „auf größere Schwierigkeiten“ stoßen. Sie könnten zudem auf übersteigerte Erwartungen ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen und mit überhöhten Preisen konfrontiert werden. Von den im Land gebliebenen Landsleuten würden Rückkehrer im Übrigen häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert. Hinzu komme, dass die Gefährdung des Einzelnen, zu einem Opfer von Gewalt zu werden, im ganzen Land gegeben sei. Die afghanische Nationalpolizei werde ihrer Aufgabe bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz nicht gerecht und gelte wegen Korruption und niedrigem Ausbildungsstand an vielen Orten selbst als Unsicherheitsfaktor. Von der sich verschlechternden Sicherheitslage seien inzwischen fast alle Landesteile betroffen. Auch die Gefahr, Opfer der deutlich zugenommenen Entführungen zwecks Erpressung von Lösegeld zu werden, treffe Rückkehrer, wenn ihnen ausreichende finanzielle Mittel für einen Freikauf unterstellt würden. Ob sich eine Person diesen Gefahren entziehen könne, hänge maßgeblich von dem Grad ihrer familiären, tribalen und sozialen Vernetzung ab.
41 
Weitere aktuelle Erkenntnisquellen geben kein besseres Bild von der in der Gesamtschau für Rückkehrer ohne Vermögen oder (groß-)familiären Rückhalt katastrophalen Lage: Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die Situation 2009 noch schlechter werde; „so viel Pessimismus war nie“ (Der Spiegel vom 13.10.2008). Die Schere zwischen Reich und Arm klafft immer weiter auseinander. Einerseits lassen sich Drogenbarone und Warlords in Kabul „protzige Villen“ bauen. Andererseits leben immer mehr Menschen in nicht winterfesten Unterkünften, oftmals Ruinen (SFH vom 21.08.2008 u. 26.02.2009), und es müssen nach einer repräsentativen Erhebung von ARD, ABC und BBC zwischenzeitlich über die Hälfte aller Haushalte (54 %) mit weniger als umgerechnet 100 Dollar (ca. 78 EUR) im Monat auskommen. Gerade noch rund ein Drittel der afghanischen Bevölkerung (37 %) gibt an, sich notwendige Lebensmittel leisten zu können. Und nur noch 31 % der Bevölkerung ist in der Lage, den Preis für Heizöl zu bezahlen (dpa-News vom 09.02.2009). Alles sei dramatisch teurer geworden, vor allem Lebensmittel, Brennholz, Benzin, Gas und Baumaterialien (SZ vom 24.10.2008); insbesondere die Lebensmittelpreise sind zwischen Februar 2008 und Februar 2009 um bis zu 130 % gestiegen (SFH vom 26.02.2009) Nach UN-Angaben müssen heute 42 % der Afghanen von weniger als einem Dollar am Tag leben (ai-Pressespiegel 2/2009, S. 46). Die Arbeitslosenrate liege zwischen 32 und 60 Prozent; ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung versuche, sich als Tagelöhner zu verdingen (SFH vom 26.02.2009). Überall könne man Armut sehen, etwa Leute, die sich „nur von Wasser, Brot und ein bisschen Tomatenpüree oder allenfalls mal von einem Teller Reis“ ernähren (SZ vom 24.10.2008). Für die große Mehrheit der Afghanen würden Armut, Krankheit, Dürreperioden und interne Konflikte noch größere Bedrohungen darstellen als das Risiko, durch kriegerische oder terroristische Attacken verletzt oder getötet zu werden. Die Richtigkeit dieser Einschätzung illustrieren auch Indikatoren zum Gesundheitszustand der Bevölkerung: So stirbt heute in Afghanistan durchschnittlich alle 30 Minuten eine Frau aufgrund von Komplikationen während Schwangerschaft oder Geburt. Die Hälfte der Kinder bis zum Alter von fünf Jahren gelten als chronisch unterernährt. Lediglich zwei von zehn ländlichen Haushalten verfügen über sauberes Trinkwasser, was wiederum dazu führt, dass 85.000 Kinder im Alter unter fünf Jahren jährlich an den Folgen von Magen- und Darmerkrankungen sterben. Jedenfalls für die Mehrheit der auf dem Land lebenden Afghanen gibt es weder eine medizinische Grundversorgung noch Ernährungssicherheit (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 105 f.). Die Lebenserwartung der afghanischen Bevölkerung gehört heute mit 42 Jahren zu den geringsten der Welt (SFH vom 26.02.2009). Zudem verläuft der Wiederaufbau offenbar überall schleppend. Die Korruption habe „atemberaubende Ausmaße“ angenommen. Einer der wenigen funktionierenden Erwerbszweige sei die Drogenökonomie. Afghanistan hat zwischenzeitlich beinahe ein weltweites Monopol für Schlafmohn, aus dem Heroin gewonnen wird (dpa-News vom 29.01.2009). Mit den Erlösen aus Schlafmohnanbau und Drogenhandel füllen nicht nur, aber vor allem die Taliban ihre Kriegskasse (dpa-News vom 13.02.2009). Jeder zehnte Afghane baut nach UN-Berichten oftmals notgedrungen Schlafmohn an; das entspricht rund 2,5 Millionen Menschen. Hinzu kommen noch diejenigen, die Drogen schmuggeln, veredeln und weiterverkaufen. Niemand wage, ihre Zahl zu schätzen. Den Wert ihrer Früchte dagegen schon: Allein die 7,7 Tonnen Rohopium, die 2008 in Afghanistan geerntet wurden (93 % der Weltopiumsproduktion), haben einen Marktwert von 3,5 Milliarden Dollar. Ein Kilo Heroin hat derzeit in Afghanistan den Gegenwert von 30 Maschinengewehren. Täglich starten aus Girdi Jungal und Baramcha schwer bewachte Konvois mit mehreren Hundert Kilo Heroin an Bord Richtung Iran. An der Grenze zu Pakistan wurden Labore zur Veredelung des Rohopiums von fabrikartigen Ausmaßen errichtet, in denen mehrere Hundert Menschen arbeiten sollen. Rund 90% der Ernte wird inzwischen in Afghanistan selbst zu Heroin und Morphiumprodukten verarbeitet (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 231). Ein US-Militär brachte die Verbindung zwischen Taliban-Renaissance und Drogenschmuggel lakonisch auf den Punkt: "Drogen raus, Waffen rein." Hochrangige Regierungsvertreter und sogar der Bruder von Präsident Karzai sollen sich nach Ansicht des Weißen Hauses an Drogengeschäften beteiligen (ZEIT-online vom 04.02.2009), weshalb die Bevölkerung Drogenbekämpfungsmaßnahmen als Ausdruck von Doppelmoral ansieht. Vernichtungskampagnen würden vor allem jenen verarmten Bevölkerungsteil treffen, der existenziell auf den Schlafmohnanbau angewiesen sei. Die Nato-Truppen haben dennoch beschlossen, nunmehr aktiv die Drogenproduktion zu bekämpfen; ein durchgreifender Erfolg dieser Aktionen erscheint jedoch außerordentlich fraglich (taz vom 13.10.2008). Die Schwierigkeiten Afghanistans dürften zudem kaum trennbar mit denen Pakistans verbunden sein. Die Problemzone Afghanistan besteht gewissermaßen aus einem Rumpfstaat um Kabul, dessen Aufbau nicht vorankommt, während bei seinem atomar bewaffneten Nachbarn „ein beängstigender Staatszerfall“ stattfindet. Die in der Regierung von Präsident Karzai wütende Korruption habe den Zusammenbruch zentraler Autorität ebenso beschleunigt wie die wachsende Gewalt durch Militante aus Zufluchtsorten in Pakistan (netzwerk-afghanistan.info vom 09.10.2008). Die pakistanische Regierung verliere immer mehr den Zugriff auf ihre nordwestliche Grenzregion. Islamabad hat nun verkündet, man werde dort ein System islamischer Gerichtsbarkeit im Gegenzug für einen Waffenstillstand mit den Taliban akzeptieren (Die Zeit vom 19.02.2009).
42 
cc) Die ohnehin katastrophale Versorgungssituation in Afghanistan wird zudem durch die inzwischen landesweit schwierige Sicherheitslage verschärft. Die Kämpfe zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen haben tausende Familien gezwungen, in größeren Städten Schutz zu suchen. Zehntausende intern Vertriebene leben in Slums rund um Kabul und Herat. UNHCR schätzte im Januar 2009, dass ca. 235.000 Menschen neu vertrieben wurden (SFH vom 11.03.2009). Auch die Versorgung der ländlichen Gebiete mit Hilfsgütern ist aufgrund der schwierigen Sicherheitslage nur noch eingeschränkt möglich. Die Kosten für eine LKW-Fuhre mit Hilfsgütern von Kabul nach Kandahar etwa haben sich wegen der „Gefahrenzulagen“ von 1.800 Dollar im Frühjahr 2008 auf nunmehr fast 18.000 US-Dollar verzehnfacht (Der Spiegel vom 13.10.2008). Afghanistan ist heute eines der am stärksten verminten Länder der Welt (SFH vom 21.08.2008). Für die internationalen Truppen war 2008 das verlustreichste Jahr seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001. Allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2008 hat der Konflikt am Hindukusch nach UN-Angaben mehr als 4.000 Menschen das Leben gekostet, über ein Drittel davon Zivilisten; andere Schätzungen gehen von über 2000 getöteten Zivilisten im letzten Jahr aus (FAZ vom 18.02.2009). Deutschen Soldaten ist es in Kabul verboten, sich zu Fuß oder mit ungepanzerten Fahrzeugen zu bewegen; vom Elend der Flüchtlinge bekommen sie kaum etwas mit (SZ vom 02.09.2008). An eine rein militärische Konfliktlösung glaubt inzwischen offenbar niemand mehr. Präsident Karzai hat den Taliban wiederholt Verhandlungen angeboten, die jedoch abgelehnt wurden, solange ausländische Truppen im Land sind (FR vom 27.02.2009). Im Süden, Osten und Westen konnten die Taliban immer näher an Kabul heranrücken. Sie seien bereits auf 72 % des afghanischen Territoriums „dauerhaft präsent“ (dpa-News vom 10.10.2008). US-Präsident Obama’s angekündigte Offensive und Truppenaufstockungen um mindestens 17.000 weitere Soldaten (Die Welt vom 19.02.2009) bedeuteten noch mehr Kämpfe und Gewalt, denn die Aufständischen seien mächtig wie nie (BNN vom 17.12.2008; FAZ vom 22.12.2008). Aber nicht nur die Taliban, auch kriminelle Banden machen das Land und selbst die Hauptstadt Kabul unsicher (dpa-News vom 29.01.2009). Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen organisierter Kriminalität, ehemaligen Warlords, die ihre Einflussbereiche nun als Gouverneure oder Distriktchefs sichern, bis hin zu Gruppierungen der Taliban oder anderen militanten Kräften fließend verlaufen (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 10). Kabul, jahrelang als „letzte sichere Insel im von Gewalt zerrütteten Land am Hindukusch“ bezeichnet, erscheint im Frühjahr 2009 „alles andere als sicher“ (Der Spiegel vom 25.01.2009). Die Zahl der registrierten Bombenanschläge (ca. 2.000) und Entführungen (ca. 300) hat sich laut US-Angaben 2008 etwa verdoppelt (taz vom 30.12.2008). Zudem habe sich zwischenzeitlich eine Art „Entführungsindustrie“ entwickelt, die jeden treffen könne (SZ vom 24.10.2008). Auch das Auswärtige Amt warnt deshalb dringend vor Reisen nach Kabul und Afghanistan. Das Risiko, Opfer einer Entführung zu werden, bestehe landesweit. Auch in der Hauptstadt Kabul könnten Überfälle und Entführungen nicht ausgeschlossen werden; im übrigen Land bestünden teilweise noch deutlich höhere Sicherheitsrisiken. Wer sich dennoch nach Afghanistan begebe, müsse sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Trotz Präsenz der Internationalen Schutztruppe ISAF komme es überall zu Attentaten. Die Sicherheitskräfte der Regierung seien nicht in der Lage, Ruhe und Ordnung zu gewährleisten. Zudem sei die medizinische Versorgung, insbesondere die stationäre Behandlungsmöglichkeit, völlig unzureichend und in etlichen Landesteilen nahezu nicht existent bzw. nicht nutzbar (www.auswaertiges-amt.de; Zugriff vom 16.03.2009).
43 
In einer Gesamtgefahrenschau muss vor diesem Hintergrund im konkreten Einzelfall des Klägers eine extreme Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bejaht werden.
III.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 83 b AsylVfG. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- Aufenthaltsgesetz -) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (- Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) beanspruchen kann. Die Zulässigkeit des so genannten Folgeschutzantrags des Klägers vom 16.05.2007 insbesondere hinsichtlich § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG bedarf keiner Klärung, weil die Beklagte klargestellt hat, dass das Bundesamt das Verfahren im angefochtenen Bescheid - jedenfalls - in Bezug auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Amts wegen wiederaufgegriffen und zur Sache entschieden hat.
I.
17 
Das grundsätzlich vorrangige - europarechtlich begründete - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG ist vom Senat im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu prüfen. Zwar ist ein Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im Asylprozess sachdienlich dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = NVwZ 2008, 1241). Auch war im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in seiner heutigen Fassung bereits in Kraft und der Kläger hatte die Feststellung von Abschiebungsverboten „nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG“ beantragt. Das Verwaltungsgericht hat über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG jedoch - rechtsirrtümlich - nicht entschieden. Da es nach den Urteilsgründen keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Verwaltungsgericht bewusst nur über einen Teil des Streitgegenstandes entscheiden und den Rest einer späteren Entscheidung vorbehalten wollte, liegt kein Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO vor. Das Urteil ist vielmehr bezüglich des nicht erwähnten Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlerhaft. Es verstößt gegen § 88 VwGO, weil es über das europarechtliche Abschiebungsverbot rechtsirrtümlich nicht vorrangig entscheidet. Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht einerseits nicht über das Klagebegehren hinausgehen, muss dieses andererseits aber erschöpfen. Das Verwaltungsgericht hat die Eigenständigkeit des Streitgegenstands bzw. abtrennbaren Streitgegenstandsteils des § 60 Abs. 7 Satz 2 VwGO, die das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen erstmals mit Urteil vom 24.06.2008 (a.a.O.) rechtsgrundsätzlich geklärt hat, nicht erkannt und diesen Streitgegenstandsteil irrtümlich als nicht rechtshängig angesehen. Damit wäre insoweit ein Urteilsergänzungsverfahren nach § 120 VwGO von vorneherein nicht in Betracht gekommen, weil kein „Übergehen“ im Rechtssinne vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269), sondern nur ein Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 2 AsylVfG. Der Kläger hat jedoch keinen Zulassungsantrag gestellt und der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung war auf den stattgebenden Teil des angefochtenen Urteils, also das - nationale - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begrenzt; nur insoweit wurde vom Senat die Berufung zugelassen. Nach dem Verfahrensgrundsatz der Dispositionsmaxime ist der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens damit hierauf beschränkt (vgl. §§ 128 Satz 1, 129 VwGO). Mit der rechtskräftigen Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht im Übrigen ist die Rechtshängigkeit des unbeschieden gebliebenen europarechtlich begründeten Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entfallen (ausführlich hierzu: BVerwG, Urteil vom 22.03.1994, a.a.O.). Selbst wenn insoweit von einem Übergehen des Antrags im Sinne des § 120 Abs. 1 VwGO ausgegangen würde, wäre ein Urteilsergänzungsverfahren ausgeschlossen, weil binnen der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO kein entsprechender Antrag gestellt worden ist.
II.
18 
Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) besteht zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Hiernach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das ist beim Kläger aufgrund der in Afghanistan derzeit vorherrschenden katastrophalen Versorgungslage der Fall.
19 
Allerdings sind Gefahren der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Denn hinsichtlich des Schutzes vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich sperrt und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Aus diesem Normzweck folgt weiter, dass sich die „Allgemeinheit“ der Gefahr nicht danach bestimmt, ob diese sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kann vielmehr auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. Denn soweit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände wie etwa Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Gefährdungen geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1). Für die Personengruppe, der der Kläger angehört, besteht eine solche politische Abschiebestopp-Anordnung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in Baden-Württemberg derzeit nicht (mehr), seit mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.04.2005 (geändert am 01.08.2005, vgl. 21. Fortschreibung vom 23.01.2009, Az.: 4-13-AFG/8) in Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder bezüglich der Rückführung afghanischer Staatsangehöriger entschieden wurde, dass „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 2005 noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben, mit Vorrang zurückzuführen sind“. Im konkreten Einzelfall greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG gleichwohl aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein.
20 
1. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde (st. Rspr. des BVerwG, s. Urteile vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 und vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG und Beschluss vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzungen, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 9.95 - BVerwGE 102, 249). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.03.1999 - 9 B 866.98 - juris).
21 
Im Fall einer allgemein schlechten Versorgungslage sind insoweit Besonderheiten zu berücksichtigen. Denn hieraus resultierende Gefährdungen entspringen keinem zielgerichteten Handeln, sondern treffen die Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus und setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er gegebenenfalls auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - juris). Um dem Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung zu entsprechen, kann hinsichtlich einer allgemein schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation zudem nur dann angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Mit dem Begriff „alsbald“ ist dabei einerseits kein nur in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 - 9 C 13.97 - NVwZ 1998, 973). Andererseits setzt die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Eine extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.01.1999 - 9 B 617.98 - InfAuslR 1999, 265).
22 
2. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers gegeben. Denn er gehört zu der Gruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen. Für diese Personengruppe besteht aufgrund der derzeit katastrophalen Versorgungslage bei einer Abschiebung nach Kabul eine extreme Gefahrensituation im dargelegten Sinne (ebenso: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188).
23 
a) Der Kläger wäre bei einer Abschiebung nach Kabul ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte. In der mündlichen Verhandlung hat er glaubhaft und überzeugend ausgeführt, dass sein Vater und Bruder getötet worden sind, er in seinem Heimatdorf Tschardehi keine Unterstützung erlangen könnte, seine Mutter den Familienbesitz veräußert sowie mit dem Onkel aus Kabul Afghanistan - wohl schon 2005 - verlassen hat und dass seither kein Kontakt mehr zu irgendwelchen Personen in seiner Heimat besteht. Der Senat ist aufgrund des schlüssigen Vortrags des Klägers zudem überzeugt, dass er in Deutschland bisher keine nennenswerten Ersparnisse machen konnte. Der gesamte Vortrag des Klägers ist widerspruchsfrei und fügt sich stimmig in seine dokumentierten Angaben vor dem Bundesamt bei der Erstanhörung am 22.10.2003. Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger die Unwahrheit sagt, ergeben sich für den Senat nicht.
24 
b) Aufgrund der nachfolgend (aa) bis cc)) im Einzelnen dargelegten Erkenntnisse und Wertungen ist der Senat überzeugt, dass der Kläger ohne Ersparnisse, Grundbesitz und Unterstützung durch Familie oder Bekannte bei einer Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage unausweichlich dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre. Im Falle der zur Zeit allenfalls nach Kabul tatsächlich möglichen Abschiebung (vgl. AA, Lagebericht vom 03.02.2009, S. 30) müsste er dort mit hoher Wahrscheinlichkeit zunächst mit einem kriminell motivierten Überfall oder einer Entführung rechnen, weil Rückkehrern aus Europa offenbar häufig der Besitz von finanziellen Mitteln unterstellt wird. Da sich die Sicherheitslage auf den Straßen nach und aus Kabul aufgrund der Bürgerkriegssituation schon seit 2007 deutlich verschlechtert hat, wäre dem Kläger ein Ausweichen in andere Landesteile ohne extreme Gefährdung von Leib und Leben nicht möglich; ohnehin verfügt er dort über keine familiäre, tribale oder soziale Vernetzung. In Kabul würde er ohne finanzielle Mittel keinen Wohnraum finden, weil dieser dort knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich ist. Der Kläger, der weder eine Schule noch eine Ausbildung durchlaufen hat und nicht über besondere berufliche Qualifikationen verfügt, hätte in Kabul keine Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit. Aufgrund der Nahrungsmittelkrise wäre er darauf verwiesen, sich, wenn überhaupt, dauerhaft ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren. Dadurch würde er alsbald und unausweichlich in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten, weil eine hinreichende medizinische Versorgung in Kabul nicht gegeben ist. Der Kläger würde mithin durch eine Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert. Im Einzelnen:
25 
aa) Zur Einschätzung der Gefahren für Leib und Leben eines afghanischen Staatsangehörigen, der aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiäre Unterstützung nach Afghanistan zurückkehrt, hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - (AuAS 2008, 188) unter Auswertung auch vom Senat beigezogener Erkenntnisquellen in einem vergleichbaren Fall ausgeführt:
26 
„aa. Im Falle seiner Abschiebung nach Afghanistan würde der Kläger das zum Leben Notwendige an Nahrungsmitteln nicht aus eigener Kraft sichern können.
27 
(…) Der Kläger würde vielmehr in Kabul mit einem geringen Barbetrag und der „Starthilfe“ des UNHCR, der alle Rückkehrer mit 12 US-Dollar (vgl. Dr. Danesch, Gutachten vom 4. Dezember 2006 an HessVGH und vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, in: Informationsverbund Asyl e.V., Zur Lage in Afghanistan, 2006, S. 9 ff.) unterstützt, darauf angewiesen sein, sich durch eine kleingewerbliche Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung den Lebensunterhalt zu verdienen. Das wird ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit weder in Kabul noch in einer Provinz gelingen. Der Sachverständige Rieck, der als Senior Advisor für Arbeitsmarktfragen im Auftrag der International Labour Organisation in Afghanistan tätig war, hat in seinem dem Senat erstatteten Gutachten vom 15. Januar 2008 ausgeführt, auf dem afghanischen Arbeitsmarkt sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass an- und ungelernte Arbeitskräfte eine auf Dauer angelegte und den Lebensunterhalt sichernde Erwerbsmöglichkeit finden. Selbst wenn einem Rückkehrer berufliche Bildungsangebote unterbreitet würden, erlange er durch solche in der Regel keine am Arbeitsmarkt verwertbaren beruflichen Kenntnisse. Fachkräfte aus Handwerksberufen könnten jedoch häufig in Arbeit vermittelt werden. Die Rekrutierung von Arbeitskräften sei so stark von persönlichen Beziehungen geprägt, dass private und öffentliche Arbeitgeber Medien oder Arbeitsvermittlungsbüros erst dann einschalteten, wenn das persönliche Beziehungsgeflecht bei der Stellenbesetzung nicht zum Erfolg geführt habe. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die gutachterliche Stellungnahme vom 31. Januar 2008, die Dr. Glatzer dem Senat gegenüber abgegeben hat. Danach sind für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche Afghanen, die unfreiwillig aus Deutschland nach Kabul zurückkehren und dort nicht mit der Hilfe von Verwandten oder Bekannten bei ihrer Wiedereingliederung rechnen können, legale Erwerbsmöglichkeiten – wenn man die Faktoren Zufall oder Glück außer Acht lässt – kaum gegeben, wenn diese Personen nicht über besondere professionelle Qualifikationen verfügen. Die Arbeitsmarktsituation in den Provinzen sei deutlich ungünstiger als in Kabul. Afghanistan leide unter einer Arbeitslosigkeit von ca. 65 v. H. der arbeitsfähigen Bevölkerung, wobei der Bedarf an ungelernten Arbeitern wegen der sich verschlechternden Sicherheitslage eher zurückgehe. Selbst in Boomzeiten gebe es viel mehr Arbeitswillige als Arbeitsplätze, um die hart und rücksichtslos gekämpft werde. Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) spricht von einer Arbeitslosigkeit im Umfang von 70 bis 80 v. H. der afghanischen Männer. Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) referiert eine Studie der Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) vom April 2006, derzufolge von den befragten armen und armutsgefährdeten Haushalten ein Viertel der Arbeitskräfte maximal 54 Tage im Jahr Zugang zu Arbeit, die Hälfte 131 Tage oder weniger und nur 25 v. H. für 193 und mehr Tage im Jahr eine Arbeitsmöglichkeit hatten. Als Rückkehrer ohne persönliche Bindungen oder Beziehungen und ohne verwertbare berufliche Qualifikation müsste der Kläger der erstgenannten Gruppe zugerechnet werden, also in jeder Woche durchschnittlich für einen Tag eine Aushilfstätigkeit finden, was ihm einen wöchentlichen Durchschnittsverdienst von ca. einem bis zwei US-Dollar verschaffen würde (Dr. Danesch, Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.). Ein selbständiges Kleingewerbe als Schuhputzer (vgl. Rieck, Gutachten vom 15. Januar 2008) bzw. Karrenzieher oder Straßenverkäufer verspricht keine gegenüber der abhängigen Beschäftigung besseren Erwerbsmöglichkeiten (Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) (…)
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Unter diesen wirtschaftlichen Verhältnissen würden dem Kläger ausschließlich Tee und Brot als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Er würde zu der Hälfte der Bevölkerung Kabuls gehören, die sich - wie dem Schriftsatz der Beklagten vom 26. Februar 2008 im Verfahren 6 A 10230/08.OVG entnommen werden kann, der insoweit auf Erkenntnisse der Hilfsorganisation „Action contre la faim“ Bezug nimmt – nur von Tee und Brot ernähren und dafür den größten Teil ihres Einkommens verwenden muss. Auch das Auswärtige Amt erwähnt in seinem Lagebericht vom 7. März 2008, dass fast ein Viertel aller Haushalte in Afghanistan die Grundversorgung an Nahrungsmitteln nicht selbständig sichern kann. Dem Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) zufolge leiden 8,9 v. H. der Kabuler Bevölkerung unter akuter Unterernährung. Auf seiner Homepage (www.auswaertiges-amt.de) bezeichnet das Auswärtige Amt die Nahrungmittelunsicherheit, chronische Mangelernährung, fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und Mangel an medizinischer Versorgung als die humanitären Hauptprobleme Afghanistans; der Anstieg der Weizenpreise im Laufe des Jahres 2007 um durchschnittlich 60 Prozent habe die Versorgungslage der besonders bedürftigen Bevölkerungsschichten wie Flüchtlinge und Binnenvertriebene sowie werdender Mütter und Kinder weiter verschlechtert.
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bb. Diese Versorgungssituation wird auch nicht durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen in wesentlichem Umfang verbessert (vgl. auch HessVGH, 8 UE 1913/06.A., juris; OVG B-B, 12 B 9.05, juris). Staatliche soziale Sicherungssysteme sind nicht vorhanden; vielmehr übernehmen Familien und Stammesverbände die soziale Absicherung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Deshalb stoßen nach diesem Lagebericht Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbands oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.
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Zwar erwähnt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern versorgen und sich die Versorgungslage in Kabul grundsätzlich verbessert habe, schränkt dies aber insoweit ein, als mangels Kaufkraft längst nicht alle Bevölkerungsschichten davon profitierten. Darüber hinaus weist das Auswärtige Amt in diesem Lagebericht auf die Schwierigkeiten humanitärer Nothilfeleistungen infolge schlecht ausgebauter Verkehrswege, widriger Witterungsverhältnisse und wegen Sicherheitsproblemen hin. Dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern (in einem nicht näher bezeichneten Umfang) versorgen, erklärt sich ohne Weiteres aus der eine solche Verantwortlichkeit begründenden Hilfe, die der UNHCR bei der Rückkehr von ca. vier Millionen Afghanen aus Pakistan und dem Iran geleistet hat und die zu einem guten Teil auf den verstärkten „Rückführungsbemühungen“ der pakistanischen und der iranischen Regierung beruhen (vgl. hierzu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilt hat, kann die Versorgung der bedürftigen Bevölkerung angesichts der enorm großen Zahl von Rückkehrern und der prekären Sicherheitslage nicht durch Angebote internationaler Hilfsorganisationen aufgefangen werden, zumal viele dieser Organisationen ihre Aktivitäten aufgrund von Sicherheitsbedenken immer stärker einschränken müssten. Dr. Glatzer teilt diese Einschätzung in seinem Gutachten vom 31. Januar 2008. Auch das Auswärtige Amt (Lagebericht vom 7. März 2008) bestätigt, dass sich die Sicherheitslage für Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen durch regelmäßige Anschläge seit dem Jahr 2006 und durch Entführungen verschlechtert und sich das subjektive Unsicherheitsgefühl in den Reihen der internationalen Gemeinschaft seit dem Anschlag vom 24. Januar 2008 auf das Hotel Kabul Serena erheblich verstärkt habe. Dass internationale Hilfsorganisationen nicht einmal eine notdürftige Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung Kabuls sicherstellen, ist den Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 zu entnehmen. Danach gibt es keine Grundversorgung der Flüchtlinge durch internationale Hilfsorganisationen in Kabul. Die Lebensbedingungen der Kabuler hätten sich seit dem Jahre 2001 drastisch verschlechtert. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen, nach denen in Afghanistan "kein Hahn kräht". Konkrete Zahlen über Todesfälle unter der armen Bevölkerung ließen sich in einem Land, in dem es keine Meldepflicht gebe, nicht erlangen, da sie nicht aktenkundig würden. Außerdem sei unter den afghanischen Verhältnissen die Grenze fließend zwischen regelrechtem Verhungern und Erkrankungen, die aufgrund von Mangelernährung, katastrophaler Hygiene, Kälte bzw. fehlender ärztlicher Behandlung tödlich verliefen. Allein in den drei von der „Action contre la faim“ betreuten Krankenhäusern stürben täglich zwischen fünf und sieben Personen allein wegen Unterernährung, obwohl diese zu den „wenigen Glücklichen“ gehörten, die überhaupt in ein Krankenhaus kämen. Menschen, die Mangelernährung und Krankheiten erlägen, würden ohne viel Umstände verscharrt. Die durch das jahrelange Elend abgestumpfte Bevölkerung nehme solche Todesfälle oft fatalistisch hin.
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cc. Auch die Möglichkeiten, eine winterfeste Unterkunft zu erlangen, sind für einen mittellosen Rückkehrer, der nicht auf (groß-)familiäre Hilfe zurückgreifen kann, minimal. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008 führt hierzu aus, die Wohnraumversorgung sei unzureichend; Wohnraum sei knapp und die Preise in Kabul seien hoch. Freiwillig zu ihren Angehörigen zurückkehrende Afghanen strapazierten die nur sehr knappen Ressourcen an Wohnraum und Versorgung weiter. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfüge zudem nicht mehr über solche Anschlussmöglichkeiten. Bemühungen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR und anderer Einrichtungen um die Errichtung von Unterkünften hätten nur geringe Wirkung gehabt. Das afghanische Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer beabsichtige, Rückkehrer in Neubausiedlungen unterzubringen, von denen ein Großteil für eine dauerhafte Ansiedlung ungeeignet sei, so dass von einem „Aussetzen in der Wüste“ gesprochen werden könne. Nichtregierungsorganisationen leisteten hier humanitäre Hilfe. Von dem „Auffangwohnheim“ auf dem Gelände des Flüchtlingsministeriums, das das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof erwähnt und in dem Rückkehrer für eine Übergangszeit Unterkunft finden konnten, ist im Lagebericht vom 7. März 2008 nicht (mehr) die Rede.
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Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) berichtet, dass ein einfaches Zimmer bis zu 20 US-Dollar im Monat koste. Dafür erhalte man eine Unterkunft in weitab vom Zentrum gelegenen Außenbezirken, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht.
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Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilte, hat der enorme Bevölkerungszuwachs in Kabul einen akuten Mangel an Wohnraum verursacht, so dass sich große Slumviertel gebildet hätten. Viele Menschen lebten in Ruinen. Nach Schätzungen der Caritas verfüge etwa eine Million Menschen in Kabul weder über ausreichenden und winterfesten Wohnraum noch über regelmäßiges Trinkwasser. Die hygienischen Verhältnisse in den Armenviert