Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 23. Aug. 2017 - W 8 K 17.30077

bei uns veröffentlicht am23.08.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 13. März 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 2. Juni 2016 einen Asylantrag. Zur Begründung des Asylantrages gab der Kläger im Wesentlichen an: Er werde von der iranischen Polizei gesucht. Er sei vom Wehrdienst desertiert.

Mit Bescheid vom 2. Januar 2017 erkannte das Bundesamt für ... dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2) und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3). Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Die Abschiebung in den Iran oder in einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Bestrafung wegen Kriegsdienstverweigerung komme lediglich ein ordnungsrechtlicher Charakter zu. Der Kläger habe nicht glaubhaft dargelegt, den Militärdienst wegen ernsthaften, politischen, religiösen und moralischen Bedenken verweigert zu haben. Die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes könne nicht als politisches Statement angesehen werden. Die Befürchtung wegen der Desertation verhaftet zu werden, sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Der Kläger sei in der Vergangenheit zweimal zu seinem Militärdienst zurückgebracht worden. Überdies wären die dort vorzuführenden Haftbedingungen nicht prognostizierbar, so dass nicht von vornherein von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgegangen werden könne.

Am 9. Januar 2017 erhob der Kläger Klage und beantragte,

  • 1.Der Bescheid des Bundesamtes für ... vom 2. Januar 2017 (Az: …) wird aufgehoben.

  • 2.Die Bundesrepublik Deutschland wird verpflichtet,

dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen;

hilfsweise die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu verkürzen.

Mit Schriftsatz vom 8. August 2017 ließ der Kläger zur Klagebegründung im Wesentlichen ausführen: Der Kläger werde von der iranischen Polizei gesucht. Er habe sich aus einer politischen Motivation heraus dem Wehrdienst entzogen. Er habe nicht im Krieg in Syrien eingesetzt werden wollen. In der Woche, in der er sich in einem Dorf bei seiner Tante versteckt gehalten habe, sei die Polizei bei seinen Eltern erschienen, um nach ihm zu suchen. Der Kläger habe nicht für das iranische Regime Krieg führen wollen. Hierin komme seine politische Motivation zum Ausdruck, weil es dieses Regime ablehnen. Bei einer Rückkehr in den Iran müsse der Kläger mit einer sehr harten Strafe rechnen, die auch seine körperliche Unversehrtheit beeinträchtigen könne. Bereits im Jahr 2007 und 2010 sei er einmal zu 85 und einmal zu 170 Peitschenhieben verurteilt worden. Die Narben könnten besichtigt werden. Der Unterschied zu den Wehrdienstentziehungen in der Vergangenheit bestehe darin, dass es sich damals nur um kurzfristige Entfernungen vom Wehrdienst gehandelt habe, die deshalb auch nicht als politisch geprägte Aktion gewertet worden seien. Die dauerhafte Entfernung und Entziehung durch die Flucht nach Europa stellten jedoch eine andere Kategorie dar. Welche Strafe drohe, sei im Rahmen einer objektiven Betrachtung zu klären.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 18. Januar 2017,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 9. Januar 2017 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

In der mündlichen Verhandlung am 23. August 2017 wiederholte der Kläger den Antrag aus dem Schriftsatz vom 9. Januar 2017. Das Gericht hörte den Kläger informatorisch an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Das Gericht ist insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).

Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).

Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht. Der Kläger hat im Verlauf des Behördenverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, ungereimte und widersprüchliche Angaben gemacht. Des Weiteren wirkten die Aussagen des Klägers aufgrund seines Auftretens in der mündlichen Verhandlung zum Teil verworren und unzusammenhängend sowie plakativ und detailarm. Demgegenüber ließ er eine zweifelsfreie, in sich stimmige Verfolgungsgeschichte vermissen. Weiter stützt er seine Verfolgungsfurcht im Wesentlichen auf Vermutungen und Spekulationen. So bleiben letztlich nicht ausräumbare, durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens und einer darauf beruhenden tatsächlich drohenden ernsthaften Gefahr.

Aber selbst wenn man die Kernaussagen des Klägers als wahr unterstellt, kann das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangen, dass ihm aufgrund seines Vorbringens politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr oder erniedrigende Behandlung bzw. gar die Todesstrafe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Auffällig sind schon die teils widersprüchlichen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung. So gab er zunächst an, er habe keinen Wehrdienst geleistet, er sei vom Wehrdienst befreit gewesen. Er korrigierte seine Aussage anschließend dahin, dass er nicht vom Wehrdienst befreit gewesen sei, aber seinen Wehrdienst nicht angetreten habe. Kurz darauf räumte er ein, einmal eine Woche und einmal einen Monat Wehrdienst geleistet zu haben, nachdem der dazu gezwungen worden sei. Bei der Bundesamtsanhörung hat er noch angegeben, zwei Monate beim Militär gewesen zu sein. Auf Übungsplätzen habe er gelernt, wie man mit Pistolen und Gewehren umgehe.

Weiter sind die Angaben des Klägers zu seinem Motiv für die Wehrdienstentziehung widersprüchlich. Beim Bundesamt gab er an, er habe nicht für das Regime kämpfen wollen. Demgegenüber erklärte er in der mündlichen Verhandlung, er habe nicht zum Wehrdienst gewollt, weil er nicht habe getötet werden wollen.

Ungereimt und widersprüchlich sind auch die klägerischen Aussagen zu einem möglichen Kriegseinsatz. Beim Bundesamt gab der Kläger an, er sei festgehalten worden und habe im Syrienkrieg mitkämpfen und in den Krieg gehen sollen. Wiederholt erklärte er, er glaube er müsse in den syrischen Krieg und sterbe beim Kämpfen. „Modaferane Haram“ schicke die Iraner nach Syrien. Dies sei ein heiliger Platz. Dort seien Menschen begraben. Es sei ein Kriegs Platz. Demgegenüber erklärte er in der mündlichen Verhandlung am 23. August 2017, er sei aufgefordert worden in den Krieg zu ziehen. Man habe ihn aufgefordert nach Kerbela in den Irak zu gehen und dort auf den Schrein aufzupassen. Dort gebe es nur Verrückte, die sich in die Luft sprengten. Weiter stritt er in der mündlichen Verhandlung ab, beim Bundesamt gesagt zu haben, er habe eine Einverständniserklärung zur Teilnahme am syrischen Krieg unterschreiben sollen. Weiter bestritt er seine Aussage zum Platz Modaferane Haram.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht keine greifbaren Erkenntnisse hat, dass im Iran tatsächlich eine zwangsweise Entsendung von Wehrpflichtigen nach Syrien bzw. in den Irak erfolgt. Vielmehr erscheint es unwahrscheinlich, dass der iranische Staat neu eingezogene Wehrdienstleistende zwangsweise in ein umkämpftes Gebiet entsendet. Denn den öffentlich zugänglichen Quellen ist zu entnehmen, dass zwar entsprechende Befürchtungen bei angehenden Wehrdienstleistenden bestehen, jedoch werden seitens des iranischen Staates zum Syrieneinsatz bzw. in den Irak tatsächlich die Revolutionsgarden sowie freiwillige Milizen und Söldner eingesetzt, unter anderem auch afghanische Flüchtlinge im Iran (vgl. etwa Zeit Online, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-04/iran-syrien-krieg-militaerdienst-soldaten-islamischer-staat vom 30.4.2017 und http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-08/syrien-russland-iran-aleppo-buergerkrieg-kampfjets-luftangriffe vom 16.8.2016 sowie VG Bayreuth, U.v. 11.8.2016 – B 2 K 16.30837– juris m.w.N.). Auch gegenüber dem Bundesamt hatte der Kläger noch angegeben, man habe ihm gesagt, er solle eine Einverständniserklärung zur Teilnahme am syrischen Krieg unterschreiben oder er müsse ins Gefängnis.

Nicht weiter aufklärbar waren des Weiteren die Aussagen des Klägers zu angeblichen Verfolgungsmaßnahmen seitens der iranischen Behörden. Er gab nur an, er sei von der Polizei bzw. von Feldjägern zum Wehrdienst zurückgebracht worden. Die Feldjäger hätten nach ihm gesucht. Jedoch fällt auf, dass der Kläger nichts von Vorladungen oder sonstigen Schreiben staatliche Stellen zu berichten wusste, die eine Verfolgungsgefahr bzw. ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates belegen könnten, gerade wenn ihm tatsächlich eine Gefängnisstrafe drohen sollte.

Abgesehen von diesen Ungereimtheiten begründet auch eine Wehrdienstentziehung nicht die Annahme einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr politischer Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Zwar kann als Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG die unverhältnismäßig oder diskriminierte Strafverfolgung oder Bestrafung als Verfolgung gelten. Dies gilt auch bei einer unverhältnismäßigen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung. Jedoch ist festzuhalten, dass jeder Staat ein Recht hat, eine Streitkraft zu unterhalten, seine Staatsangehörigen zum Wehrdienst in dieser Streitkraft heranzuziehen und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, angemessen zu bestrafen. Nach der aktuellen Auskunftslage ist die Verweigerung bzw. Umgehung des Wehrdienstes im Iran strafbar. Entzieht sich eine Person in Friedenszeiten für bis zu drei Monate (in Kriegszeiten 15 Tage) dem Wehrdienst, wird die Dauer des verpflichtenden Wehrdienstes um drei Monate verlängert, bei längerer Wehrdienstentziehung als drei Monate (in Kriegszeiten 15 Tage) wird die Dauer des Wehrdienstes um sechs Monate verlängert. Bei längerer Wehrdienstentziehung als ein Jahr (in Kriegszeiten zwei Monate) droht außerdem ein Strafverfahren vor dem Militärgericht. Weiter müssen Wehrdienstverweigerer mit dem Entzug sozialer und bürgerlicher Rechte, wie etwa dem Recht auf Arbeit, auf Bildung oder auf Gründung eines eigenen Unternehmens rechnen. Im Fall, dass sich die betreffende Person freiwillig doch noch zum Wehrdienst meldet, wird die Dauer des Wehrdienstes als Strafe um drei Monate verlängert. Bei Personen, die wegen Wehrdienstentziehung verhaftet werden, verlängert sich der Wehrdienst um sechs Monate (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran v. 31.3.2016, S. 31 ff., sowie neuerdings v. 22.5.2017, S. 33 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran v. 8.12.2016, Stand: Oktober 2016, S. 12 und v. 9.12.2015, Stand: November 2015, S. 20). Die Sanktionen beschränken sich damit grundsätzlich auf ein erneutes – verlängertes – Ableisten des vollständigen Wehrdienstes sowie auf eine verspätete Ausstellung der Bescheinigung über die Ableistung des Wehrdienstes mit den damit verbundenen Folgen und nur ausnahmsweise erfolgt tatsächliche eine Gefängnisstrafe. Dies rechtfertigt nicht die Gewährung von Flüchtlingsschutz (vgl. VG Bayreuth, U.v. 11.8.2016 – B 2 K 16.30837– juris m.w.N.).

Denn die Gefahr selbst einer möglichen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung begründet weder ein Anspruch auf Asylnoch auf Abschiebungsschutz. Denn die Einforderung staatsbürgerlicher Rechten, wie der Militärdienstleistungspflicht, stellt für sich alleine noch keine politische Verfolgung dar. Ebenso wenig handelt es sich bei den aus der Verweigerung dieser Pflichten resultierenden Konsequenzen wie der strafrechtlichen Ahndung und der zwangsweisen Durchsetzung der Wehrpflicht schon um Maßnahmen politischer Verfolgung. Nur wenn die Strafverfolgung aus politischen Gründen verschärft ist, kann es sich um eine politische Verfolgung handeln. Für die Annahme eines solchen Politmalus sind im Falle des Klägers jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen die an eine Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrelevante erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung des Verstoßes gegen eine allgemeinen staatsbürgerlicher Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung und eines sonst asylerheblichen Merkmals treffen sollen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die verhängte Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17 – NVwZ 2017, 1204 m.w.N. sowie etwa VG Augsburg, U.v. 27.11.2006 – Au 7 K 05.30480 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 8.11.2005 – 2 K 1497/04.A – juris). Eine möglicherweise so drohende Gefängnisstrafe begründet kein Abschiebungshindernis.

Vorliegend beschränkt sich die Ahndung der Wehrdienstentziehung im Iran nicht auf die Unterdrückung politisch oder religiös missliebiger Personen. Zudem hat der Kläger zu einer möglichen politisch motivierten Verfolgung nichts Greifbares vorgebracht. Während er gegenüber dem Bundesamt nur angab, er wolle nicht für das Regime kämpfen, erklärte er in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche gerichtliche Frage, er sei dagegen gewesen, weil er nicht getötet werden wollen. Warum er nicht hingewollt habe? – Sie hätten ihn töten wollen. Er erwiderte, die Frage des Gerichts mit der Gegenfrage an das Gericht, ob der Richter getötet werden wollte. So fehlt sowohl für die Desertation ein asylerhebliches Motiv des Klägers als auch für die Ahndung der Wehrdienstentziehung durch den iranischen Staat eine asylerhebliche Zielrichtung. Für einen Politmalus ist nichts ersichtlich.

Auch eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr der Verhängung der Todesstrafe sieht das Gericht als nicht gegeben an. Selbst wenn die Angaben des Klägers zugrunde legt, im Jahr 2007 und 2010 wegen Alkoholvergehens zweimal mit Peitschenhieben bestraft worden zu sein. Zum einen ist festzuhalten, dass bis zur Ausreise Ende 2015 in diese Richtung nichts weiter passiert ist. Zum anderen gab der Kläger an, er habe zwar nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland Alkohol getrunken, aber seit er sich dem Christentum zugewandt habe, trinke er keinen Alkohol mehr. An dieser Aussage muss er sich festhalten lassen.

Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass für den Kläger eine ernsthafte flüchtlingsrelevante Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Kontakte zum Christentum besteht. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass eine religiöse Praxis oder eine religiöse Betätigung, die im Iran verfolgt wird, für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig wäre. Denn nach der vorliegenden Erkenntnislage droht für christliche Konvertiten im Iran nur dann eine beachtliche wahrscheinliche Verfolgungsgefahr, wenn sie ihren Glauben in Gemeinschaft mit Anderen ausüben und sich religiös betätigen. Hinzu kommt, dass der Kläger – trotz ausdrücklicher Aufforderung zur weiteren Klagebegründung mit Hinweis auf § 87b Abs. 3 VwGO – erst zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung ohne weitere Kommentierung eine Bestätigung des geistigen Leiters des Bauhaus e.V. Kitzingen vom 12. August 2017 übersandte, wonach er sich dem Christentum zugewandt habe und sich aktiv am Gemeindeleben beteilige, insbesondere die Gottesdienste sowie auch den Gottesdienst mit Glaubensunterricht speziell für Iraner besuche. Besonders fehlt es bis heute an einer Taufe des Klägers als Manifestation des Glaubenswechsels nach außen (vgl. dazu HessVG, B.v 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120). Das Auswärtige Amt hat zudem in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Schwerin vom 25. August 2015 ausdrücklich vermerkt, dass Apostasie, der Abfall vom Islam, nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes in Iran erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft vorgenommen wird. Im Falle christlicher Glaubensgemeinschaften wäre für einen solchen Apostasievorwurf die Taufe notwendig. Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, er sei Christ geworden und habe sich zwei Kreuze auf dem linken Unterarm tätowieren lassen, aber er sei noch nicht getauft. Er taste sich erst langsam an das Christentum heran. Er wolle erst noch die Bekanntschaft mit dem Christentum machen, bevor er sich taufen lasse. Damit hat der Kläger selbst eingeräumt, dass er die Konversion zum Christentum noch nicht vollzogen hat. Vor diesem Hintergrund fehlt es an einer Grundlage, die als Basis für die Annahme einer möglichen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden religiösen Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Iran dienen könnte.

Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen ihres Auslandsaufenthalts oder ihrer Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Zwar kann es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen; die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Darüber hinaus kommt es jedoch zu keinen staatlichen Repressionen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Zudem wurde auch kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Zurzeit gibt es keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werden die früheren illegalen Ausreisen legalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016). Vorstehendes gilt auch in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2010 (R.C./Sweden, Nr. 41827/07). Denn die dort entschiedene Fallkonstellation ist nicht mit der hier vorliegenden vergleichbar, weil der Europäische Gerichtshof in jenem Fall seiner Beurteilung eine Vorverfolgung (Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter) als substanziiert glaubhaft gemacht zugrunde gelegt hat (OVG NRW, B.v. 10.2.2017 – 13 A 293/17.A – juris; B.v. 16.6.2011 – 13 A 1188/11. A – Asylmagazin 2011, 246; VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; B. v. 21.1.2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174).

Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 25 Anhörung


(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über W

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87b


(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit d

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Tatbestand 1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein 1960 geborener algerischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung.

2

Er stellte im Oktober 1992 einen Asylantrag. Nachdem er unbekannt verzogen war, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - den Antrag mit Bescheid vom 8. November 1993 als offensichtlich unbegründet ab. Einen weiteren Asylantrag unter einem Aliasnamen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 24. September 1993 ab.

3

Im November 1994 wurde der Kläger von den französischen Behörden wegen des Verdachts der Vorbereitung terroristischer Aktionen in Algerien festgenommen. Das Tribunal de Grande Instance de Paris verurteilte ihn am 22. Januar 1999 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren.

4

Nachdem der Kläger im März 2001 aus französischer Haft entlassen worden war, stellte er im Juli 2001 in Deutschland einen Asylfolgeantrag, den er auf die überregionale Berichterstattung über den Strafprozess in Frankreich und die daraus resultierende Verfolgungsgefahr in Algerien stützte. Er gab an, nie für eine terroristische Vereinigung aktiv gewesen zu sein; der Prozess in Frankreich sei eine Farce gewesen. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 lehnte das Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Algeriens fest. Angesichts der Berichterstattung über den Strafprozess müsse davon ausgegangen werden, dass der algerische Auslandsgeheimdienst den Prozess beobachtet habe und der Kläger in das Blickfeld algerischer Behörden geraten sei. Bei einer Rückkehr nach Algerien bestehe deshalb die beachtliche Gefahr von Folter und Haft.

5

Mit Bescheid vom 1. Juni 2005 nahm das Bundesamt den Anerkennungsbescheid vom 15. Oktober 2002 mit Wirkung für die Zukunft zurück. Die Feststellung sei von Anfang an fehlerhaft gewesen, da das Vorliegen der Ausnahmetatbestände in § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 Alt. 3 AuslG verkannt worden sei. Angesichts der rechtskräftigen Verurteilung in Frankreich stehe fest, dass der Kläger eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2006 aufgehoben, da das Bundesamt die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG versäumt habe.

6

Mit Schreiben vom 10. Juli 2007 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren ein, in dessen Verlauf der Kläger bestritt, dass sich die Verhältnisse in Algerien entscheidungserheblich geändert hätten. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 getroffene Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Darüber hinaus stellte es fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Durch die im September 2005 per Referendum angenommene "Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" sowie die zu deren Umsetzung erlassenen Vorschriften habe Algerien weitgehende Straferlasse für Mitglieder islamistischer Terrorgruppen eingeführt. Die Amnestieregelungen würden konsequent und großzügig umgesetzt und fänden auch nach Ablauf des vorgesehenen Stichtags weiter Anwendung. Der Kläger habe daher im Falle seiner Rückkehr nach Algerien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch motivierte Verfolgung zu befürchten.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid durch Urteil vom 20. Mai 2008 aufgehoben, da dem Widerruf bereits die Rechtskraft des Urteils vom 27. Oktober 2006 entgegenstehe. Der angefochtene Widerruf erweise sich im Ergebnis als eine die Rücknahme vom 1. Juni 2005 ersetzende Entscheidung.

8

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. Dezember 2009 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zwar stehe die Rechtskraft des die Rücknahme aufhebenden Urteils dem Widerruf nicht entgegen, denn die Streitgegenstände dieser beiden Verwaltungsakte seien nicht identisch. Dennoch erweise sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig, da die Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nicht vorlägen. Dieser sei gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur möglich, wenn der Betroffene wegen zwischenzeitlicher Veränderungen im Heimatstaat vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall. Er falle nicht unter die Stichtagsregelung der Amnestieregelung; ob die Anwendungspraxis auch den Fall des Klägers erfasse, sei unsicher. Angesichts der weiterhin bestehenden Repressionsstrukturen seien ausreichende Anhaltspunkte für eine allgemeine Liberalisierung in Algerien nicht vorhanden.

9

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von dem abgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgegangen. Unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie würde selbst ein Vorverfolgter nur durch die widerlegbare Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie privilegiert. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH sei beim Widerruf eines nicht Vorverfolgten der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.

10

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil aus den Gründen der Ausgangsentscheidung. Darüber hinaus macht er geltend, dass einem anerkannten Flüchtling aufgrund seines Aufenthalts in der Bundesrepublik und des Vertrauens auf seinen gefestigten Status ein größerer Schutz zu gewähren sei als einem Asylbewerber bei der Entscheidung über seine Anerkennung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet, denn das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar hat das Berufungsgericht den Widerrufsbescheid zu Recht sachlich geprüft und nicht bereits wegen des aus der Rechtskraft folgenden Wiederholungsverbots aufgehoben (1.). Es hat aber der Verfolgungsprognose, die es bei Prüfung der Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gestellt hat, einen unzutreffenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt (2.). Mangels der für eine abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat in der Sache weder in positiver noch in negativer Hinsicht selbst entscheiden. Die Sache ist daher an den Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

1. Dem Erlass des streitgegenständlichen Widerrufsbescheids steht nicht entgegen, dass die zuvor verfügte Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung im Vorprozess rechtskräftig aufgehoben worden ist. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage daran gehindert, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. Urteile vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <257 f.> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 und vom 28. Januar 2010 - BVerwG 4 C 6.08 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 99). Das Wiederholungsverbot erfasst aber nur inhaltsgleiche Verwaltungsakte, d.h. die Regelung desselben Sachverhalts durch Anordnung der gleichen Rechtsfolge (Urteil vom 30. August 1962 - BVerwG 1 C 161.58 - BVerwGE 14, 359 <362> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 4 und Beschluss vom 15. März 1968 - BVerwG 7 C 183.65 - BVerwGE 29, 210 <213 f.>).

13

In Anwendung dieser Kriterien erweisen sich Rücknahme einer Flüchtlingsanerkennung wegen Nichtbeachtung zwingender Ausschlussgründe und deren Widerruf wegen Wegfalls der sie begründenden Umstände nicht als inhaltsgleich. Zwar erfolgte die Rücknahme im Fall des Klägers nur mit Wirkung für die Zukunft, so dass die beiden Verwaltungsakte auf dieselbe Rechtsfolge gerichtet waren (vgl. aus einer anderen Perspektive Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35>). Aber die den beiden Aufhebungsakten zugrunde liegenden rechtlichen Voraussetzungen und die hierbei zu berücksichtigenden Tatsachen unterscheiden sich: Während die Rücknahme auf einer anderen rechtlichen Beurteilung eines vergangenen Sachverhalts beruht, stützt sich der Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG auf eine nach der Anerkennung eingetretene Sachverhaltsänderung. Daher greift das Wiederholungsverbot im vorliegenden Fall nicht.

14

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist § 73 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798). Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

15

Mit § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Daher sind die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren. Dies gilt auch für Fälle, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - juris Rn. 9; zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen).

16

Der angefochtene Bescheid erweist sich nicht deshalb als rechtswidrig, weil das Bundesamt bei seiner Widerrufsentscheidung kein Ermessen ausgeübt hat. Durch die klarstellende Neuregelung in § 73 Abs. 7 AsylVfG ist geklärt, dass in den Fällen, in denen - wie vorliegend - die Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden ist, die Prüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen hat. Damit hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar gewordene Altanerkennungen getroffen und festgelegt, bis wann diese auf einen Widerruf oder eine Rücknahme zu überprüfen sind. Daraus folgt, dass es vor einer solchen Prüfung und Verneinung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen in dem seit dem 1. Januar 2005 vorgeschriebenen Verfahren (Negativentscheidung) keiner Ermessensentscheidung bedarf (Urteil vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 53.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 31 Rn. 13 ff.).

17

Das Berufungsurteil ist aber hinsichtlich der materiellen Widerrufsvoraussetzungen und speziell mit Blick auf den der Verfolgungsprognose zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG zu vereinbaren, der im Lichte der Richtlinie 2004/83/EG auszulegen ist. Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie). Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.

18

a) Diese unionsrechtlichen Vorgaben hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 2. März 2010 (Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505) dahingehend konkretisiert, dass der in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie angesprochene "Schutz des Landes" sich nur auf den bis dahin fehlenden Schutz vor den in der Richtlinie aufgeführten Verfolgungshandlungen bezieht (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 67, 76, 78 f.). Dazu hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass sich die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Veränderungen im Herkunftsland grundsätzlich spiegelbildlich zur Anerkennung verhält. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG sieht - ebenso wie Art. 1 C Nr. 5 GFK - vor, dass die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn die Umstände, aufgrund derer sie zuerkannt wurde, weggefallen sind, wenn also die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht mehr vorliegen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 65). Nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie ist Flüchtling, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes seiner Staatsangehörigkeit befindet, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Ändern sich die der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände und erscheint die ursprüngliche Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG deshalb nicht mehr als begründet, kann der Betreffende es nicht mehr ablehnen, den Schutz seines Herkunftslands in Anspruch zu nehmen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 66), soweit er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor "Verfolgung" im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss (ebd. Rn. 76). Die Umstände, die zur Zuerkennung oder umgekehrt zum Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft führen, stehen sich mithin in symmetrischer Weise gegenüber (so EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 68).

19

Mit Blick auf die Maßstäbe für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 2 der Richtlinie hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend sein muss, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72). Dafür muss feststehen, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, beseitigt sind und diese Beseitigung als dauerhaft angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 73).

20

aa) Eine erhebliche Veränderung der verfolgungsbegründenden Umstände setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland mit Blick auf die Faktoren, aus denen die zur Flüchtlingsanerkennung führende Verfolgungsgefahr hergeleitet worden ist, deutlich und wesentlich geändert haben. In der vergleichenden Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sachlage muss sich durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben. Die Neubeurteilung einer im Kern unveränderten Sachlage reicht nicht aus, denn reiner Zeitablauf bewirkt für sich genommen keine Sachlagenänderung. Allerdings sind wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt (vgl. Urteile vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 <84> und vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 <124 f.>).

21

Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der bisherigen, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht festgehalten werden. Danach setzte der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung voraus, dass sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (Urteile vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 277 <281> und vom 12. Juni 2007 - BVerwG 10 C 24.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 Rn. 18; so auch das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung). Dieser gegenüber der beachtlichen Wahrscheinlichkeit abgesenkte Maßstab ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt worden. Er wurde dann auf den Flüchtlingsschutz übertragen und hat schließlich Eingang in die Widerrufsvoraussetzungen gefunden, soweit nicht eine gänzlich neue oder andersartige Verfolgung geltend gemacht wird, die in keinem inneren Zusammenhang mehr mit der früheren steht (Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 26).

22

Dieses materiellrechtliche Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose ist der Richtlinie 2004/83/EG fremd. Sie verfolgt vielmehr bei einheitlichem Prognosemaßstab für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 und der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zum Ausdruck kommt (Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 20 ff. und vom 7. September 2010 - BVerwG 10 C 11.09 - juris Rn. 15). Das ergibt sich neben dem Wortlaut der zuletzt genannten Vorschrift auch aus der Entstehungsgeschichte, denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Demzufolge gilt unionsrechtlich beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung erlitten hat. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 ; Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22).

23

Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich der Maßstab der Erheblichkeit für die Veränderung der Umstände danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 84 ff., 98 f.). Die Richtlinie kennt nur diesen einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr unabhängig davon, in welchem Stadium - Zuerkennen oder Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft - diese geprüft wird. Es spricht viel dafür, dass die Mitgliedstaaten hiervon in Widerrufsverfahren nicht nach Art. 3 der Richtlinie zugunsten des Betroffenen abweichen können. Denn die zwingenden Erlöschensgründe dürften zu den Kernregelungen zählen, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind, um das von der Richtlinie 2004/83/EG geschaffene System nicht zu beeinträchtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09 und C-101/09, B und D - NVwZ 2011, 285 Rn. 120 zu den Ausschlussgründen). Das kann aber hier dahinstehen, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 bei der Flüchtlingsanerkennung an den oben dargelegten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben des nationalen Rechts festhalten wollte. Vielmehr belegt der neu eingefügte § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, demzufolge für die Feststellung einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ergänzend anzuwenden ist, dass der Gesetzgeber sich den beweisrechtlichen Ansatz der Richtlinie zu eigen gemacht hat.

24

bb) Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72 ff.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d.h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Der Senat hat in einem Fall, in dem ein verfolgendes Regime gestürzt worden ist (Irak), bereits entschieden, dass eine Veränderung in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden kann, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 17). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (Urteil vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>; Beschluss vom 7. Februar 2008 a.a.O. juris Rn. 37), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 90). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden.

25

b) Das Berufungsgericht hat vorliegend bei seiner Verfolgungsprognose den Maßstab der hinreichenden Sicherheit zugrunde gelegt. Damit hat es § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG verletzt; auf dieser Verletzung beruht die Berufungsentscheidung. Da das Berufungsgericht seine tatsächlichen Feststellungen unter einem - wie dargelegt - rechtlich unzutreffenden Maßstab getroffen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Denn es ist Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz, die Verhältnisse im Herkunftsland auf der Grundlage einer Gesamtschau zu würdigen und mit Blick auf die Umstände, die der Flüchtlingsanerkennung des Betroffenen zugrunde lagen, eine Gefahrenprognose unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte zu erstellen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.

2

Der 1972 geborene Kläger wurde im November 2004 in M. aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung gab der Kläger an, er habe sich am bewaffneten Kampf der PKK beteiligt. Im Juni 1991 sei er festgenommen und einen Monat lang von türkischen Sicherheitskräften unter Folter verhört worden. Nach seiner Verurteilung zu zwölfeinhalb Jahren Haft sei er bis Dezember 2000 weiter im Gefängnis gewesen und dann vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Anschließend habe er sich erneut der PKK angeschlossen. Später habe er an deren politischer Linie gezweifelt und sich im Juli 2004 von der PKK getrennt. In der Türkei sei sein Leben trotz des Reuegesetzes gefährdet gewesen, da er keinen Wehrdienst abgeleistet und deswegen gesucht worden sei. Zudem hätten die Sicherheitskräfte erfahren, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Haft wieder der PKK angeschlossen habe.

3

Der Kläger hat dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) unter anderem die Kopie eines Urteils des Staatssicherheitsgerichts D. vom 24. Januar 1992 übergeben, wonach er u.a. wegen "Mitgliedschaft in der illegalen Organisation PKK" gemäß § 168/2 tStGB zu einer Haftstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Das Auswärtige Amt bestätigte die Echtheit der Urkunden und teilte mit, dass nach dem Kläger in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK gefahndet werde. Sein Bruder habe ausgesagt, dass der Kläger sich nach der Entlassung aus der Strafhaft wieder der PKK angeschlossen habe. Außerdem sei bekannt, dass er sich in einem Ausbildungscamp im Iran aufgehalten habe. Würde er wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer Haftstrafe verurteilt, würde zusätzlich die auf Bewährung ausgesetzte Reststrafe vollstreckt werden.

4

Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 4 AsylVfG offensichtlich unbegründet, da der Kläger eine schwere nichtpolitische Straftat begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt habe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.

5

Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nicht weiter verfolgt. Mit Urteil vom 22. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet. Im Berufungsverfahren hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, der Kläger sei im Bundesgebiet für die Nachfolgeorganisation der PKK, den KONGRA-GEL aktiv und habe im Januar 2005 an einer Aktivistenversammlung in N. teilgenommen. Er habe im Jahr 2006 als Leiter des KONGRA-GEL in Offenbach fungiert und ab diesem Zeitpunkt eine Kontrollfunktion innerhalb des KONGRA-GEL in A. ausgeübt. Der Kläger hat das bestritten.

6

Mit Urteil vom 21. Oktober 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nach Rückkehr in die Türkei gemäß § 314 Abs. 2 tStGB 2005 zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests widerrufen würde. Auch wenn dies politische Verfolgung darstellen sollte, stünde § 3 Abs. 2 AsylVfG der Flüchtlingsanerkennung entgegen. Die terroristischen Taten der PKK seien als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, stellten schwere nichtpolitische Straftaten dar und stünden in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Der Kläger habe sich daran zumindest "in sonstiger Weise" beteiligt. Selbst wenn für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG von dem Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgehen müsse, sei das beim Kläger der Fall. Denn er habe sich weder äußerlich von der PKK abgewandt noch innerlich von seiner früheren Verstrickung in den Terror gelöst. Dahinstehen könne, ob § 3 Abs. 2 AsylVfG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetze, denn der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung bedeute keine unbillige Härte für den Kläger.

7

Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Die Todesstrafe sei in der Türkei vollständig abgeschafft. Wegen der dem Kläger in der Türkei drohenden langjährigen Haftstrafe sei ausgeschlossen, dass er im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt sei. Ein Abschiebungsverbot ergebe sich auch nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Zwar greife zugunsten des Klägers, der im Anschluss an seine Festnahme im Juni 1991 Folter erlitten habe, die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Dennoch sprächen aufgrund der Angaben des Auswärtigen Amtes sowie türkischer Menschenrechtsorganisationen stichhaltige Gründe dagegen, dass er bis zum Abschluss des Strafverfahrens Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten habe. Misshandlungen durch türkische Sicherheitskräfte lägen ganz überwiegend Fälle zugrunde, in denen sich der Betroffene nicht offiziell in Gewahrsam befunden habe; das wäre beim Kläger jedoch der Fall. Angesichts bereits vorhandener Beweise bestünde auch keine Notwendigkeit, durch Folter ein Geständnis zu erzwingen. Schließlich lebten in seiner Heimat zahlreiche Personen, die sich seiner annehmen und ihm bereits bei seiner Ankunft anwaltlichen Beistand verschaffen könnten. Zudem würden die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers verfolgen und etwaige Übergriffe auf seine Person publik machen. Ein Schutz durch "Herstellen von Öffentlichkeit" lasse sich zwar nicht während der gesamten Dauer der Strafhaft gewährleisten. Aber auch für diese Zeitspanne sprächen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger, der in einem Gefängnis des Typs F untergebracht würde, Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein würde, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen könnten. Dahinstehen könne, ob das auch für unter dieser Schwelle liegende Maßnahmen gelte, denn derartige Umstände stünden einer Abschiebung des Klägers in die Türkei als Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 3 EMRK stehe bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat dessen eigene Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsrechte im Vordergrund. Eine Mitverantwortung des abschiebenden Landes bestehe nur, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohten und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht rechtzeitig zu erreichen sei. Diese Voraussetzungen lägen angesichts der Verhältnisse in der Türkei nicht vor. Da sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG an Art. 3 EMRK orientiere, beanspruchten diese Grundsätze auch im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG Geltung. Stünden im Herkunftsland ausreichende und effektive Möglichkeiten zur Abwehr drohender Gefahren zur Verfügung, benötige der Betreffende keinen internationalen Schutz. Auch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG greife nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision - beschränkt auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG - zugelassen.

8

Mit der Revision rügt der Kläger vor allem eine Verletzung des § 60 Abs. 2 AufenthG. Das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Quellen selektiv ausgewertet und zu Lasten des Klägers ohne Aufklärung unterstellt, dass seine Familie einen Rechtsanwalt besorgen könne und die Nachfolgeorganisationen der PKK für ihn Öffentlichkeitsarbeit machen würden. Angesichts der umfassenden Geltung des Art. 3 EMRK reiche die Erkenntnislage nicht aus, um ein Abschiebungshindernis auszuschließen. Insofern werde auch eine Gehörsverletzung gerügt, denn wenn das Gericht zu erkennen gegeben hätte, dass es aus tatsächlichen Gründen für den Kläger keine Gefahr einer Misshandlung sehe, hätte der Kläger dazu weiter vorgetragen und Beweisanträge gestellt. Schließlich sei die Auslegung der in Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgründe ungeklärt.

9

Innerhalb der bis einschließlich 4. Juni 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ist der Begründungsschriftsatz nicht vollständig per Fax eingegangen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat Wiedereinsetzung beantragt und zur Begründung Probleme bei der Faxübertragung geltend gemacht.

10

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Berufungsgerichts seien einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Nicht ersichtlich sei, warum der Kläger angesichts der tatsächlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht den Schutz seines Heimatlandes durch Anrufung türkischer Gerichte bzw. eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Anspruch nehmen könne.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision hat Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da er bei der Prüfung des in § 60 Abs. 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbots diejenigen erniedrigenden Behandlungsmaßnahmen übergangen hat, die keine irreparablen oder sonst schweren körperlichen und seelischen Folgen hinterlassen. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend selbst entscheiden. Daher ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

12

1. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Diese durfte nach mehreren nur teilweise erfolgreichen Versuchen einer Faxübertragung infolge der fernmündlich erteilten unrichtigen Auskunft des Gerichtspförtners, es seien alle Seiten angekommen, davon ausgehen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz innerhalb der Frist vollständig eingegangen sei.

13

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen Streitgegenstand bzw. selbständigen Streitgegenstandsteil (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 ). Die Revisionszulassung kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1976 - BVerwG 2 C 39.73 - BVerwGE 50, 292 <295>; BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04 - NJW-RR 2007, 182 <183>).

14

Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens, das auf Feststellung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 15. Oktober 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) von Bedeutung, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.

15

3. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685 - EMRK) enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM(2001) 510 endgültig S. 6, 30).

16

Die Vorschriften zum subsidiären Schutz sind im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt worden, als die in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet worden sind. Denn die in Art. 17 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe greifen nach nationalem Recht gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erst auf einer nachgelagerten Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Daher kommt es entgegen der Annahme der Revision auf die Interpretation der Ausschlussgründe gemäß Art. 17 der Richtlinie im vorliegenden Fall nicht an.

17

Bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG ist der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83 S. 389 - GR-Charta) als verbindlicher Teil des primären Unionsrechts (Art. 6 Abs. 1 EUV) zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Die Vorschrift gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch diese Bestimmung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen.

18

a) Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Prüfung des § 60 Abs. 2 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Ausreise in der Türkei gefoltert worden ist. Dennoch hat das Berufungsgericht seiner Prognose den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht den sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinreichender Sicherheit zugrunde gelegt. Es hat aber zugunsten des Klägers die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltene Beweiserleichterung angewendet (UA Rn. 90). Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

19

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

20

Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Das ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.

21

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 - BVerfGE 54, 341 <360 f.>; dem folgend Urteil vom 31. März 1981 - BVerwG 9 C 237.80 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27; stRspr). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97 <101 ff.>), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (Urteil vom 27. April 1982 - BVerwG 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250 <252>). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - a.a.O. S. 99). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend Urteile vom 25. September 1984 - BVerwG 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 <170 f.> und vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (Urteil vom 3. November 1992 - BVerwG 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150 <154 f.>), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330> zu § 53 Abs. 6 AuslG und vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - InfAuslR 1996, 289 zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK).

22

Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Zum einen wird ihr Anwendungsbereich über den Flüchtlingsschutz hinaus auf alle Tatbestände des unionsrechtlich geregelten subsidiären Schutzes ausgeweitet. Sie erfasst demzufolge auch das im vorliegenden Fall zu prüfende Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG. Zum anderen bleibt der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 84 ff. zum Widerruf der Flüchtlingsanerkennung). Der in dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 stRspr).

23

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 92 ff.). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. Rn. 128 m.w.N.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung (mehr).

24

b) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger während der Strafhaft erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird, den Maßstab des § 60 Abs. 2 AufenthG auf diejenigen tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen verengt, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können, zur Verursachung bleibender Schäden geeignet oder aus sonstigen Gründen als gravierend anzusehen sind (UA Rn. 106). Erniedrigende Behandlungsmaßnahmen im Sinne des Art. 3 EMRK, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen, hat es bei der Prognoseerstellung ausdrücklich nicht geprüft (UA Rn. 111). Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof die eigene Verantwortung der Türkei als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention betont und daraus gefolgert, dass sich der Kläger darauf verweisen lassen müsse, seine Rechte gegen diese Arten von Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus selbst zu verfolgen (UA Rn. 112). Diese Annahme verletzt Bundesrecht.

25

Die Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG hat sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben - wie oben bereits ausgeführt - an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zu orientieren. Dieser betont in seinen Entscheidungen zur Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für die mittelbaren Folgen einer Abschiebung, wenn dem Betroffenen im Zielstaat Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, immer wieder den absoluten und ausnahmslosen Schutz des Art. 3 EMRK (EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering - NJW 1990, 2183 ; vom 15. November 1996 - Nr. 70/1995/576/662, Chahal - NVwZ 1997, 1093 und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. ). Damit erweist es sich als unvereinbar, den Schutzbereich des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG zu verengen, und bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat der Konvention erniedrigende Behandlungsmaßnahmen von vornherein auszunehmen, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen. Sonst käme Rechtsschutz durch türkische Gerichte oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu spät und könnte eine bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht ungeschehen machen. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG gilt mithin uneingeschränkt auch bei der Abschiebung in einen Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention.

26

Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich für seine Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 (nunmehr: § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK. Der damals für die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass eine Mitverantwortung des abschiebenden Vertragsstaates, den menschenrechtlichen Mindeststandard in einem anderen Signatarstaat als Zielstaat der Abschiebung zu wahren, nur dann besteht, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (Urteil vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 <277>). Dieser Rechtssatz schränkt jedoch nicht den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ein. Vielmehr werden - insbesondere mit Blick auf die von dem damaligen Kläger angeführten Haftbedingungen in der Türkei - nur Maßnahmen erfasst, die erst durch Zeitablauf oder Wiederholung in den Tatbestand einer erniedrigenden Behandlung und damit den Schutzbereich des Art. 3 EMRK hineinwachsen. Nur in derartigen Fällen kann der Betroffene auf Rechtsschutz im Abschiebezielstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen werden.

27

4. Das Berufungsgericht hat die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG geprüft und aus tatsächlichen Gründen abgelehnt (UA Rn. 86 f.). Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.

28

5. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder zugunsten noch zulasten des Klägers abschließend entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit bedarf es keiner Entscheidung über die Gehörsrüge. Der Senat bemerkt aber dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen hat. Denn grundsätzlich ist ein Gericht nicht verpflichtet, die abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 und vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52; stRspr). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Urteil vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, da der Kläger selbst in der Berufungsbegründung zur Gefahr der Folter in der Türkei vorgetragen hatte.

29

Der Verwaltungsgerichtshof wird in dem neuen Berufungsverfahren die Prognose, ob die konkrete Gefahr besteht, dass der Kläger in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird, auf aktueller tatsächlicher Grundlage erneut stellen müssen. Dabei besteht auch Gelegenheit, dem Vorbringen des Klägers weiter nachzugehen, dass die ihn belastende Aussage seines Bruders die Gefahr von Folter nicht ausschließe. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG widerlegt ist, kann das Berufungsgericht auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten. Die Berücksichtigung dieses Umstands im Rahmen der Prognose entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (Entscheidungen vom 7. Oktober 2004 - Nr. 33743/03, Dragan - NVwZ 2005, 1043 <1045> und vom 15. Dezember 2009 - Nr. 43212/05, Kaplan - ) und ist durch Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG mit dem darin enthaltenen Kriterium ausreichender Schutzgewährleistung abgedeckt.

(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.

(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.

(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.

(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.

(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.

(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.

(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste nach seinen Angaben am 28.11.2015 über den Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Bei seiner persönlichen Anhörung bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 30.03.2016 gab er im Wesentlichen an, sein Bruder lebe seit sechs Jahren in Deutschland und seine Eltern seien nun auch seit 20 Tagen in Deutschland. In seinem Heimatland lebten noch Tanten und Onkel. Er habe an der Universität studiert und sei Starkstromingenieur. Zeugnisse könne er nicht vorlegen, weil er keinen Wehrdienst geleistet habe. Ohne die Ableistung des Wehrdienstes erhalte man im Iran keine Abschlusszeugnisse. Nach dem Studium habe er den Wehrdienst ableisten müssen. Am 10.11.2015 habe er nach Rascht in die Kaserne gehen müssen. Dort habe er dann erfahren, dass die Leute, die sich an diesem Tag anmelden, in den Krieg nach Syrien geschickt werden. Er sei dann sofort zu seinem Freund geflohen. Die Soldaten hätten ihn zuhause abholen wollen und hätten dabei sein Haus durchsucht und dort eine Bibel und einen Koran gefunden, aus dem einige Seiten herausgerissen waren. Auf Anraten seines Vaters habe er nach wenigen Tagen das Land verlassen. Weiter gab er an, sich seit zwei Jahren als Christ zu fühlen. Er habe sich bereits im Iran ein- bis zweimal im Monat mit anderen Christen in privaten Häusern versammelt. Dort hätten sie in der Bibel gelesen. Als Beispiel erläuterte er die Bibelstelle „Jesus geht auf dem Wasser“. Weiter umschrieb er auf Nachfrage acht von den zehn Geboten und gab an sich an eine Bibelstelle zu erinnern bei der Jesus mit zwei Fischen und fünf Stück Brot mehr als tausend Menschen ernährt hat. Christliche Feste konnte er auf Frage keine benennen und konnte auch nicht den Unterschied zwischen dem katholischen und dem evangelischen christlichen Glauben angeben. Das Vaterunser konnte er auf Nachfrage aufsagen. Weiter gab er an, die Mentalität des muslimischen Landes abzulehnen, weil die Leute so lebten, dass man vor Gott Angst haben müsse, denn wenn man etwas Falsches mache, erwecke man die Wut Gottes. An Jesus Christus habe er sich auf Anraten seines Bruders gewandt, als eine Freundin aufgrund eines Unfalls im Koma lag. Er habe zu Jesus Christus gebetet und sie sei wieder geheilt worden. Seit diesem Ereignis glaube er mit ganzem Herzen und ganzer Seele an Jesus Christus.

Im Rahmen der Anhörung legte der Kläger eine Taufbescheinigung der International Cyrus Church vor, wonach er am 07.02.2016 getauft wurde sowie eine Bestätigung des evangelisch-lutherischen Pfarramtes für die Kirchengemeinde … vom 29.03.2016, wonach er regelmäßig die Gottesdienste in der evangelischlutherischen …kirche in … besuche und aktiv am Leben der örtlichen Kirchengemeinde teilnehme.

Mit Bescheid vom 11.05.2015 wurde der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und der Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der Antrag auf subsidiären Schutz wurde abgelehnt (Nr. 3) und es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Dem Kläger wurde die Abschiebung in den Iran angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr.6). Auf die Begründung des Bescheides wird verwiesen.

Der Bescheid wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 17.06.2016 zugestellt.

In der Akte der Beklagten ist der Bescheid mit handschriftlicher Änderung des Datums auf den 11.05.2016 mit der Anmerkung: „amtlich geändert“ zu finden. Er wurde dem Klger mit Schreiben vom 28.06.2016 erneut übersandt.

Mit Schreiben vom 22.06.2016, eingegangen bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben und beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1), 3), 4), 5) und 6) des auf den 11.05.2015 datierten Bescheides zu verpflichten,

  • 1.dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

  • 2.hilfsweise, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

  • 3.weiter hilfsweise festzustellen, dass im Falle des Klägers Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Iran vorliegen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger berufe sich auf den bei seiner Anhörung geschilderten Sachverhalt. Er stütze sein Asylbegehren zum einen auf die im Iran drohende Strafe wegen Wehrdienstentziehung, sowie den ihm in Fall einer Rückkehr in den Iran drohenden Eingriff in die Religionsfreiheit. Er wäre mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 a Abs. 1 Nr. 1 AslyG ausgesetzt, denn er sei vom islamischen zum christlichen Glauben konvertiert.

Mit Schreiben vom 29.06.2016 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 08.07.2016 wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der handschriftlichen Korrektur des Datums auf dem Bescheid vom 11.05.2015 nur um eine Berichtigung eines Schreibfehlers handeln dürfte und nun der berichtigte Bescheid Streitgegenstand sei. Mit Schreiben vom 11.07.2016 pflichtete die Beklagte bei.

Mit Beschluss vom 13.07.2016 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Mit Beschluss vom 14.07.2016 wurde in dem Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes (Az. B 2 S. 16.30836) die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22.06.2016 gegen die im Bescheid vom 11.05.2016 enthaltene Abschiebungsandrohung angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 08.08.2016 ließ der Kläger über seinen Bevollmächtigten mitteilen, dass er bei seiner Anhörung am 30.03.2016 zu seinen Vorfluchtgründen einen Sachverhalt geschildert hat, der nicht den Tatsachen entspricht. Hauptgrund für die Ausreise des Klägers aus dem Iran sei der drohende Militärdienst und ein eventuell drohender Einsatz in Syrien im Rahmen seines Militärdienstes gewesen. Er lehne das iranische Regime und dessen Politik ab. Er sei zwar aufgrund seiner Geburt Moslem. Er sei jedoch in einer nicht religiösen Familie aufgewachsen und habe die islamische Religion nicht praktiziert. Er sei, wie sein Bruder, der seit 2013 in Deutschland lebe, „vom Islam abgefallen“. Das öffentliche Leben im Iran werde von der islamischen Religion bestimmt. Der Kläger wolle sich dem nicht länger unterwerfen. Im Iran habe der Kläger wenige Möglichkeiten gehabt, sich über den christlichen Glauben zu informieren und den christlichen Glauben zu betätigen. Die Angaben des Klägers zu einer christlichen Glaubensbetätigung im Iran bei dem Bundesamt seien unzutreffend. Auch habe die im Rahmen seiner Anhörung geschilderte Hausdurchsuchung nicht stattgefunden. In der Wohnung des Klägers habe es weder eine Bibel noch einen zerrissenen Koran gegeben. Nach seiner Ankunft in Deutschland habe der Kläger über Facebook Kontakt zu der International Cyrus Church aufgenommen. Er habe sich in Deutschland eine Bibel in persischer Sprache besorgt und beschäftige sich hier intensiv mit der christlichen Religion. Die Taufe sei am 07.02.2016 in Hannover erfolgt. Den Termin für die Taufe habe der Kläger zuvor telefonisch vereinbart. Er praktiziere seinen christlichen Glauben an seinem jetzigen Wohnort … Er bekenne sich offen zu seinem christlichen Glauben. Auf seiner Facebook-Seite tausche er christliche Inhalte mit anderen iranischen Christen aus. Er betreibe seine Facebook-Seite unter seinen korrekten Personalien. Vorgelegt wurde eine Bestätigung des evangelisch-lutherischen Pfarramts für die Kirchengemeinden … vom 25.07.2016, aus der sich ergibt, dass der Kläger sonntäglich den Gottesdienst besuche und aktiv am Gemeindeleben teilnehme. Weiter wird dort vom unterzeichnenden Dekan ausgeführt: „Aus meiner Sicht hängt seine Entscheidung, Christ zu werden damit zusammen, wie er den Islam in seinem Heimaltland erlebte. Das Christentum erscheint ihm nach meiner Einschätzung als eine Religion der Freiheit, in der Menschen verschiedener Herkunft gleichberechtigt miteinander leben können.“

Für den Ablauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Ergänzend wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte und die Gerichtsakte des Verfahrens B 2 S. 16.30836 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Gericht geht hier davon aus, dass sich die Klage auf den berichtigten Bescheid vom 11.05.2016 bezieht. Gegenstand der Berichtigung war der offensichtliche Schreibfehler des Jahresdatums im Datumsfeld. Die Berichtigung wirkt ex tunc und stellt keinen eigenen Verwaltungsakt dar (§ 42 VwVfG, vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, Rn. 31 und 32). Insoweit wird der berichtigte Bescheid Gegenstand der Klage und einer erneuten Anfechtung des berichtigten Bescheides bedurfte es nicht.

Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist ihm auch nicht der subsidiäre Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen, noch liegen nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes: Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden; eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss, ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109/84 - NVwZ 1985, 658 ff.). Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbots führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985, a.a.O.). In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Klägers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (BayVGH, U.v. 26.1.2012 - 20 B 11.30468 - juris Rn. 19).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes. Im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten im Schreiben vom 08.08.2016 mitteilen lassen, dass seine Angaben bei dem Bundesamt zu dem Vorfluchtgeschehen nicht der Wahrheit entsprechen, so dass hierauf nicht mehr einzugehen ist.

In der mündlichen Verhandlung am 11.08.2016 bezog sich der Kläger hinsichtlich des Vorfluchtgeschehens nur noch auf die Furcht im Syrienkonflikt, im Rahmen der Ableistung seines Wehrdienstes, eingesetzt zu werden. Das Gericht hält jedoch seinen Vortrag diesbezüglich - mit dem Bundesamt - für unglaubwürdig. Er hat sein Vorbringen, bezogen auf die - angeblich - beabsichtigte Entsendung nach Syrien, in der mündlichen Verhandlung insoweit relativiert, als er mutmaßte, dass es sich bei der Aussage, die Wehrdienstleistenden seiner Gruppe würden in Syrien eingesetzt werden, auch nur um einen Scherz gehandelt haben könnte. Dies dürfte - den Wahrheitsgehalt der vorgetragenen Einberufung unterstellt - wohl auch der Fall gewesen sein. Es ist nämlich völlig unglaubwürdig, dass der iranische Staat beginnende Wehrdienstleistende in ein so umkämpftes Gebiet entsendet. Den öffentlich zugänglichen Quellen ist zudem zu entnehmen, dass zum Syrieneinsatz die sogenannte Revolutionsgarde, Freiwilligenmilizen und Söldner seitens des iranischen Staates eingesetzt werden (vgl. z.B. http: …www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=7 oder http: …www.welt.de/politik/ausland/article149602776/Warum-Iraner-freiwillig-in-den-Syrien-Krieg-ziehen.html). Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ihm bisher nur bekannt war, dass man sich freiwillig zum Dienst nach Syrien melden konnte.

Ungeachtet der fehlenden Glaubhaftigkeit begründet auch eine - eventuell vorliegende - Wehrdienstentziehung nicht die Annahme einer drohenden Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Zwar kann als Verfolgungshandlung nach § 3 a Abs. 2 Nr. 3 AsylG die unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung als Verfolgung gelten. Dies kann auch eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung sein (vgl. EuGH, U.v. 26.2.2015 - C-472/13 - juris). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass jeder Staat ein Recht hat, eine Streitkraft zu unterhalten, seine Staatsangehörigen zum Wehrdienst in dieser Streitkraft heranzuziehen und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, angemessen zu bestrafen. Nach der aktuellen Auskunftslage ist die Verweigerung bzw. Umgehung des Wehrdienstes im Iran strafbar. Entzieht sich eine Person in Friedenszeiten für bis zu drei Monate (bzw. 15 Tage in Kriegszeiten) dem Wehrdienst, wird die Dauer des verpflichtenden Wehrdienstes um drei Monate verlängert. Entzieht sich jemand in Friedenszeiten länger als drei Monate (bzw. in Kriegszeiten länger als 15 Tage) dem Wehrdienst, so wird die Dauer des Wehrdienstes um sechs Monate verlängert. Bei noch längerer Wehrdienstentziehung (ein Jahr in Friedenszeiten bzw. zwei Monate in Kriegszeiten) droht außerdem ein Strafverfahren vor einem Militärgericht. Weiter müssen Wehrdienstverweigerer mit dem Entzug sozialer und bürgerlicher Rechte wie etwa dem Recht auf Arbeit, auf Bildung oder auf Gründung eines eigenen Unternehmens rechnen. Im Fall, dass sich die betreffende Person freiwillig doch noch zum Wehrdienst meldet, wird die Dauer des Wehrdienstes als Strafe um drei Monate verlängert. Bei Personen, die wegen Wehrdienstentziehung verhaftet werden, verlängert sich der Wehrdienst um sechs Monate (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran, 31.03.2016, Blatt 31 bis 32). Die Sanktionen beschränken sich damit grundsätzlich auf ein erneutes - verlängertes - Ableisten des vollständigen Wehrdienstes sowie auf eine verspätete Ausstellung der Bescheinigung über die Ableistung des Wehrdienstes, die wiederum für die Ausstellung von Reisepapieren oder weiteren Bescheinigungen wie z.B. Studienbescheinigungen - notwendig ist (vgl. z.B. für Deserteure VG Düsseldorf, U.v. 25.5.2004 - 2 K 2/02.A - und VG Berlin, U.v. 16.7.2014 - VG 23 K 252.13.A - beide juris). Dies rechtfertigt nicht die Gewährung von Flüchtlingsschutz.

Im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragene Konversion zum Christentum hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg.

Zwar ist grundsätzlich nach der Auskunftslage die Situation von Konvertiten im Iran als kritisch einzustufen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der islamischen Republik Iran vom 09.12.2015). Im Einzelfall können einem zum Christentum übergetretenen Muslim im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG) Repressionen wegen seiner Religionsausübung drohen.

Beruft sich der Schutzsuchende - wie hier - auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei in Deutschland zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er die inneren Beweggründe glaubhaftmachen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem - aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens - gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde. Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch in seiner Heimatstadt auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommen Konfession ausgerichtet hat (BayVGH, B.v. 29.4.2010 - 14 ZB 10.30043 -; BayVGH B.v. 4.2.2013 - 14 ZB 13.30002 - juris).

Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen vermochte der Kläger die Einzelrichterin nicht davon zu überzeugen, dass er zum christlichen Glauben übergetreten ist und wegen eines Glaubenswechsels bei einer Rückkehr in den Iran mit asyl- bzw. flüchtlingsrelevanten Maßnahmen zu rechnen ist. Vielmehr konnte die Einzelrichterin unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens sowie des Eindrucks, den er in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, nicht die notwenige Überzeugungsgewissheit gewinnen, dass die (behauptete) Hinwendung des Klägers zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung, also auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung beruht.

Der Kläger hat nach seinem aktuellen Vortrag sein Heimatland nicht aus religiösen Gründen verlassen. Er will nunmehr hier in Deutschland zum christlichen Glauben gefunden haben, weswegen er sich hat taufen lassen. Eine oben geschilderte feste innere Überzeugung lässt sich jedoch nicht bereits aus dem formalen Akt der Taufe herleiten (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40/15 -; BayVGH, B.v. 16.11.2015 - 14 ZB 13.30207 - beide juris). Insbesondere das Vorgehen des Klägers betreffend seine Taufe zeigt, dass es dem Kläger nicht um den christlichen Glauben geht, sondern dass er zielgerichtet auf ein positives Asylverfahren hingewirkt hat bzw. hinwirkt. Hätte der Kläger ein tatsächliches Bedürfnis sich von seiner bisherigen Religion zu lösen und sich dem Christentum zuzuwenden, hätte er nicht die Art der „Schnelltaufe“ gewählt. Der Kläger hat sich nach seinen eigenen Bekundungen relativ unmittelbar nach seiner Einreise nach Deutschland per Facebook an eine Kirche (Cyrus Church) in Holland gewandt und einen Tauftermin in Deutschland - Hannover - vereinbart. Die Taufe erfolgte ohne vorherigen Taufkurs oder einer sonstigen Prüfung des Glaubensbekenntnisses. Dem Kläger war es - wie er selbst vortrug - bekannt, dass eine Konversion zum Christentum die Chancen eines Asylverfahrens erhöht. So hat er sich - wie viele andere seiner Landsleute - ebenfalls auf diese Welle eingelassen und sich ohne nennenswerte Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben taufen lassen. Bei einem ernst gemeinten aus innerer Überzeugung gewonnenen Glaubensübertritt kann es der jeweiligen Person aber nicht nur um den formalen Akt der Taufe gehen. Zu dem Vorgehen des Klägers passt es dann auch, wenn er seinen Taufspruch nicht selbst wählt und er auch nicht um die Bedeutung der Taufe an sich weiß. In der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger keine nennenswerten Aussagen zu den Unterschieden zwischen dem Islam und dem Christentum anführen. Allein die „Liebe, Zuneigung und Brüderlichkeit“ reichen ersichtlich nicht aus, um von einer ernstlichen Reflektion auszugehen. Insbesondere ein nicht gläubiger Muslim müsste ernsthaft aufzeigen, warum er nun eine „andere“ Religion wählt, obwohl ihn der Glaube bislang nicht interessiert hat. Der Kläger konnte weder ein besonderes Erweckungserlebnis schildern, noch wie er derzeit seinen Glauben lebt. Angeblich soll ihm sein Bruder das Christentum nahe gebracht haben. Wie dies von statten ging, konnte der Kläger jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht näher aufzeigen. Seine allgemeinen Darlegungen, dass er mit dem Christentum Liebe und Zuneigung verbinde, reichen offensichtlich nicht, um von einem ernsthaften Glaubensübertritt zu sprechen. Die Einzelrichterin konnte sich in der mündlichen Verhandlung schließlich lediglich davon überzeugen, dass der Kläger das Christentum als zum freiheitlichen Leben dazugehörig ansieht. Insoweit trifft die vorgelegte Bescheinigung des evangelisch-lutherischen Pfarramtes vom 25.07.2016 in ihrem Aussagegehalt zu. Der unterzeichnende Dekan führt hier aus, dass seiner Einschätzung nach dem Kläger das Christentum als eine Religion der Freiheit, in der Menschen verschiedener Herkunft gleichberechtigt miteinander leben können, erscheine. Dass der Kläger das Christentum mit dem freiheitlichen Leben verbindet, zeigt jedoch nicht auf, dass er selbst ein überzeugter Christ geworden ist. Der Umstand, dass der Kläger über Facebook christliche Inhalte austauscht sowie sein Vortrag, er würde trotz der bestehenden Gefährdung im Iran seinen Glaubenswechsel öffentlich machen und versuchen das Christentum auch anderen nahezubringen, zeigt, dass er darauf bedacht ist, Außenwirkung zu erzielen und die gefahrenträchtigste Variante der Religionsausübung im Iran wählte, um auf der sicheren Seite im Hinblick auf sein Asylbegehren zu sein. Es ist jedoch auch den iranischen Behörden bekannt, dass iranische Staatsangehörige in Asylverfahren häufig zum christlichen Glauben konvertieren, um so bessere Chancen im Asylverfahren zu erhalten. Hinzu kommt, dass sich iranische Staatsangehörige in der Bundesrepublik Deutschland „im Feindesland“ befinden, und dort ist es durchaus erlaubt, durch Täuschungshandlungen den Feind zu überlisten. Der rein formale Glaubensübertritt und eventuelle Facebookeinträge werden bei einer Rückkehr in den Iran damit keine nachteiligen Folgen für den Kläger haben (vgl. VG Ansbach, U.v. 23.3.2016 - AN 1 K 16.30035 - juris).

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG bzw. auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Das Gericht verweist insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid.

3. Die Ausreisefrist in Ziff. 5 des Bescheides (eine Woche) endet nun 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, da dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in dem Verfahren B 2 S. 16.30836 entsprochen wurde (§ 37 Abs. 2 AsylG).

4. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste nach seinen Angaben am 28.11.2015 über den Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Bei seiner persönlichen Anhörung bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 30.03.2016 gab er im Wesentlichen an, sein Bruder lebe seit sechs Jahren in Deutschland und seine Eltern seien nun auch seit 20 Tagen in Deutschland. In seinem Heimatland lebten noch Tanten und Onkel. Er habe an der Universität studiert und sei Starkstromingenieur. Zeugnisse könne er nicht vorlegen, weil er keinen Wehrdienst geleistet habe. Ohne die Ableistung des Wehrdienstes erhalte man im Iran keine Abschlusszeugnisse. Nach dem Studium habe er den Wehrdienst ableisten müssen. Am 10.11.2015 habe er nach Rascht in die Kaserne gehen müssen. Dort habe er dann erfahren, dass die Leute, die sich an diesem Tag anmelden, in den Krieg nach Syrien geschickt werden. Er sei dann sofort zu seinem Freund geflohen. Die Soldaten hätten ihn zuhause abholen wollen und hätten dabei sein Haus durchsucht und dort eine Bibel und einen Koran gefunden, aus dem einige Seiten herausgerissen waren. Auf Anraten seines Vaters habe er nach wenigen Tagen das Land verlassen. Weiter gab er an, sich seit zwei Jahren als Christ zu fühlen. Er habe sich bereits im Iran ein- bis zweimal im Monat mit anderen Christen in privaten Häusern versammelt. Dort hätten sie in der Bibel gelesen. Als Beispiel erläuterte er die Bibelstelle „Jesus geht auf dem Wasser“. Weiter umschrieb er auf Nachfrage acht von den zehn Geboten und gab an sich an eine Bibelstelle zu erinnern bei der Jesus mit zwei Fischen und fünf Stück Brot mehr als tausend Menschen ernährt hat. Christliche Feste konnte er auf Frage keine benennen und konnte auch nicht den Unterschied zwischen dem katholischen und dem evangelischen christlichen Glauben angeben. Das Vaterunser konnte er auf Nachfrage aufsagen. Weiter gab er an, die Mentalität des muslimischen Landes abzulehnen, weil die Leute so lebten, dass man vor Gott Angst haben müsse, denn wenn man etwas Falsches mache, erwecke man die Wut Gottes. An Jesus Christus habe er sich auf Anraten seines Bruders gewandt, als eine Freundin aufgrund eines Unfalls im Koma lag. Er habe zu Jesus Christus gebetet und sie sei wieder geheilt worden. Seit diesem Ereignis glaube er mit ganzem Herzen und ganzer Seele an Jesus Christus.

Im Rahmen der Anhörung legte der Kläger eine Taufbescheinigung der International Cyrus Church vor, wonach er am 07.02.2016 getauft wurde sowie eine Bestätigung des evangelisch-lutherischen Pfarramtes für die Kirchengemeinde … vom 29.03.2016, wonach er regelmäßig die Gottesdienste in der evangelischlutherischen …kirche in … besuche und aktiv am Leben der örtlichen Kirchengemeinde teilnehme.

Mit Bescheid vom 11.05.2015 wurde der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und der Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der Antrag auf subsidiären Schutz wurde abgelehnt (Nr. 3) und es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Dem Kläger wurde die Abschiebung in den Iran angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr.6). Auf die Begründung des Bescheides wird verwiesen.

Der Bescheid wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 17.06.2016 zugestellt.

In der Akte der Beklagten ist der Bescheid mit handschriftlicher Änderung des Datums auf den 11.05.2016 mit der Anmerkung: „amtlich geändert“ zu finden. Er wurde dem Klger mit Schreiben vom 28.06.2016 erneut übersandt.

Mit Schreiben vom 22.06.2016, eingegangen bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben und beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1), 3), 4), 5) und 6) des auf den 11.05.2015 datierten Bescheides zu verpflichten,

  • 1.dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

  • 2.hilfsweise, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

  • 3.weiter hilfsweise festzustellen, dass im Falle des Klägers Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Iran vorliegen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger berufe sich auf den bei seiner Anhörung geschilderten Sachverhalt. Er stütze sein Asylbegehren zum einen auf die im Iran drohende Strafe wegen Wehrdienstentziehung, sowie den ihm in Fall einer Rückkehr in den Iran drohenden Eingriff in die Religionsfreiheit. Er wäre mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 a Abs. 1 Nr. 1 AslyG ausgesetzt, denn er sei vom islamischen zum christlichen Glauben konvertiert.

Mit Schreiben vom 29.06.2016 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 08.07.2016 wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der handschriftlichen Korrektur des Datums auf dem Bescheid vom 11.05.2015 nur um eine Berichtigung eines Schreibfehlers handeln dürfte und nun der berichtigte Bescheid Streitgegenstand sei. Mit Schreiben vom 11.07.2016 pflichtete die Beklagte bei.

Mit Beschluss vom 13.07.2016 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Mit Beschluss vom 14.07.2016 wurde in dem Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes (Az. B 2 S. 16.30836) die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22.06.2016 gegen die im Bescheid vom 11.05.2016 enthaltene Abschiebungsandrohung angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 08.08.2016 ließ der Kläger über seinen Bevollmächtigten mitteilen, dass er bei seiner Anhörung am 30.03.2016 zu seinen Vorfluchtgründen einen Sachverhalt geschildert hat, der nicht den Tatsachen entspricht. Hauptgrund für die Ausreise des Klägers aus dem Iran sei der drohende Militärdienst und ein eventuell drohender Einsatz in Syrien im Rahmen seines Militärdienstes gewesen. Er lehne das iranische Regime und dessen Politik ab. Er sei zwar aufgrund seiner Geburt Moslem. Er sei jedoch in einer nicht religiösen Familie aufgewachsen und habe die islamische Religion nicht praktiziert. Er sei, wie sein Bruder, der seit 2013 in Deutschland lebe, „vom Islam abgefallen“. Das öffentliche Leben im Iran werde von der islamischen Religion bestimmt. Der Kläger wolle sich dem nicht länger unterwerfen. Im Iran habe der Kläger wenige Möglichkeiten gehabt, sich über den christlichen Glauben zu informieren und den christlichen Glauben zu betätigen. Die Angaben des Klägers zu einer christlichen Glaubensbetätigung im Iran bei dem Bundesamt seien unzutreffend. Auch habe die im Rahmen seiner Anhörung geschilderte Hausdurchsuchung nicht stattgefunden. In der Wohnung des Klägers habe es weder eine Bibel noch einen zerrissenen Koran gegeben. Nach seiner Ankunft in Deutschland habe der Kläger über Facebook Kontakt zu der International Cyrus Church aufgenommen. Er habe sich in Deutschland eine Bibel in persischer Sprache besorgt und beschäftige sich hier intensiv mit der christlichen Religion. Die Taufe sei am 07.02.2016 in Hannover erfolgt. Den Termin für die Taufe habe der Kläger zuvor telefonisch vereinbart. Er praktiziere seinen christlichen Glauben an seinem jetzigen Wohnort … Er bekenne sich offen zu seinem christlichen Glauben. Auf seiner Facebook-Seite tausche er christliche Inhalte mit anderen iranischen Christen aus. Er betreibe seine Facebook-Seite unter seinen korrekten Personalien. Vorgelegt wurde eine Bestätigung des evangelisch-lutherischen Pfarramts für die Kirchengemeinden … vom 25.07.2016, aus der sich ergibt, dass der Kläger sonntäglich den Gottesdienst besuche und aktiv am Gemeindeleben teilnehme. Weiter wird dort vom unterzeichnenden Dekan ausgeführt: „Aus meiner Sicht hängt seine Entscheidung, Christ zu werden damit zusammen, wie er den Islam in seinem Heimaltland erlebte. Das Christentum erscheint ihm nach meiner Einschätzung als eine Religion der Freiheit, in der Menschen verschiedener Herkunft gleichberechtigt miteinander leben können.“

Für den Ablauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Ergänzend wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte und die Gerichtsakte des Verfahrens B 2 S. 16.30836 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Gericht geht hier davon aus, dass sich die Klage auf den berichtigten Bescheid vom 11.05.2016 bezieht. Gegenstand der Berichtigung war der offensichtliche Schreibfehler des Jahresdatums im Datumsfeld. Die Berichtigung wirkt ex tunc und stellt keinen eigenen Verwaltungsakt dar (§ 42 VwVfG, vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, Rn. 31 und 32). Insoweit wird der berichtigte Bescheid Gegenstand der Klage und einer erneuten Anfechtung des berichtigten Bescheides bedurfte es nicht.

Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist ihm auch nicht der subsidiäre Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen, noch liegen nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes: Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden; eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss, ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109/84 - NVwZ 1985, 658 ff.). Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbots führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985, a.a.O.). In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Klägers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (BayVGH, U.v. 26.1.2012 - 20 B 11.30468 - juris Rn. 19).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes. Im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten im Schreiben vom 08.08.2016 mitteilen lassen, dass seine Angaben bei dem Bundesamt zu dem Vorfluchtgeschehen nicht der Wahrheit entsprechen, so dass hierauf nicht mehr einzugehen ist.

In der mündlichen Verhandlung am 11.08.2016 bezog sich der Kläger hinsichtlich des Vorfluchtgeschehens nur noch auf die Furcht im Syrienkonflikt, im Rahmen der Ableistung seines Wehrdienstes, eingesetzt zu werden. Das Gericht hält jedoch seinen Vortrag diesbezüglich - mit dem Bundesamt - für unglaubwürdig. Er hat sein Vorbringen, bezogen auf die - angeblich - beabsichtigte Entsendung nach Syrien, in der mündlichen Verhandlung insoweit relativiert, als er mutmaßte, dass es sich bei der Aussage, die Wehrdienstleistenden seiner Gruppe würden in Syrien eingesetzt werden, auch nur um einen Scherz gehandelt haben könnte. Dies dürfte - den Wahrheitsgehalt der vorgetragenen Einberufung unterstellt - wohl auch der Fall gewesen sein. Es ist nämlich völlig unglaubwürdig, dass der iranische Staat beginnende Wehrdienstleistende in ein so umkämpftes Gebiet entsendet. Den öffentlich zugänglichen Quellen ist zudem zu entnehmen, dass zum Syrieneinsatz die sogenannte Revolutionsgarde, Freiwilligenmilizen und Söldner seitens des iranischen Staates eingesetzt werden (vgl. z.B. http: …www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=7 oder http: …www.welt.de/politik/ausland/article149602776/Warum-Iraner-freiwillig-in-den-Syrien-Krieg-ziehen.html). Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ihm bisher nur bekannt war, dass man sich freiwillig zum Dienst nach Syrien melden konnte.

Ungeachtet der fehlenden Glaubhaftigkeit begründet auch eine - eventuell vorliegende - Wehrdienstentziehung nicht die Annahme einer drohenden Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Zwar kann als Verfolgungshandlung nach § 3 a Abs. 2 Nr. 3 AsylG die unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung als Verfolgung gelten. Dies kann auch eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung sein (vgl. EuGH, U.v. 26.2.2015 - C-472/13 - juris). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass jeder Staat ein Recht hat, eine Streitkraft zu unterhalten, seine Staatsangehörigen zum Wehrdienst in dieser Streitkraft heranzuziehen und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, angemessen zu bestrafen. Nach der aktuellen Auskunftslage ist die Verweigerung bzw. Umgehung des Wehrdienstes im Iran strafbar. Entzieht sich eine Person in Friedenszeiten für bis zu drei Monate (bzw. 15 Tage in Kriegszeiten) dem Wehrdienst, wird die Dauer des verpflichtenden Wehrdienstes um drei Monate verlängert. Entzieht sich jemand in Friedenszeiten länger als drei Monate (bzw. in Kriegszeiten länger als 15 Tage) dem Wehrdienst, so wird die Dauer des Wehrdienstes um sechs Monate verlängert. Bei noch längerer Wehrdienstentziehung (ein Jahr in Friedenszeiten bzw. zwei Monate in Kriegszeiten) droht außerdem ein Strafverfahren vor einem Militärgericht. Weiter müssen Wehrdienstverweigerer mit dem Entzug sozialer und bürgerlicher Rechte wie etwa dem Recht auf Arbeit, auf Bildung oder auf Gründung eines eigenen Unternehmens rechnen. Im Fall, dass sich die betreffende Person freiwillig doch noch zum Wehrdienst meldet, wird die Dauer des Wehrdienstes als Strafe um drei Monate verlängert. Bei Personen, die wegen Wehrdienstentziehung verhaftet werden, verlängert sich der Wehrdienst um sechs Monate (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran, 31.03.2016, Blatt 31 bis 32). Die Sanktionen beschränken sich damit grundsätzlich auf ein erneutes - verlängertes - Ableisten des vollständigen Wehrdienstes sowie auf eine verspätete Ausstellung der Bescheinigung über die Ableistung des Wehrdienstes, die wiederum für die Ausstellung von Reisepapieren oder weiteren Bescheinigungen wie z.B. Studienbescheinigungen - notwendig ist (vgl. z.B. für Deserteure VG Düsseldorf, U.v. 25.5.2004 - 2 K 2/02.A - und VG Berlin, U.v. 16.7.2014 - VG 23 K 252.13.A - beide juris). Dies rechtfertigt nicht die Gewährung von Flüchtlingsschutz.

Im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragene Konversion zum Christentum hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg.

Zwar ist grundsätzlich nach der Auskunftslage die Situation von Konvertiten im Iran als kritisch einzustufen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der islamischen Republik Iran vom 09.12.2015). Im Einzelfall können einem zum Christentum übergetretenen Muslim im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG) Repressionen wegen seiner Religionsausübung drohen.

Beruft sich der Schutzsuchende - wie hier - auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei in Deutschland zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er die inneren Beweggründe glaubhaftmachen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem - aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens - gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde. Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch in seiner Heimatstadt auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommen Konfession ausgerichtet hat (BayVGH, B.v. 29.4.2010 - 14 ZB 10.30043 -; BayVGH B.v. 4.2.2013 - 14 ZB 13.30002 - juris).

Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen vermochte der Kläger die Einzelrichterin nicht davon zu überzeugen, dass er zum christlichen Glauben übergetreten ist und wegen eines Glaubenswechsels bei einer Rückkehr in den Iran mit asyl- bzw. flüchtlingsrelevanten Maßnahmen zu rechnen ist. Vielmehr konnte die Einzelrichterin unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens sowie des Eindrucks, den er in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, nicht die notwenige Überzeugungsgewissheit gewinnen, dass die (behauptete) Hinwendung des Klägers zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung, also auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung beruht.

Der Kläger hat nach seinem aktuellen Vortrag sein Heimatland nicht aus religiösen Gründen verlassen. Er will nunmehr hier in Deutschland zum christlichen Glauben gefunden haben, weswegen er sich hat taufen lassen. Eine oben geschilderte feste innere Überzeugung lässt sich jedoch nicht bereits aus dem formalen Akt der Taufe herleiten (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40/15 -; BayVGH, B.v. 16.11.2015 - 14 ZB 13.30207 - beide juris). Insbesondere das Vorgehen des Klägers betreffend seine Taufe zeigt, dass es dem Kläger nicht um den christlichen Glauben geht, sondern dass er zielgerichtet auf ein positives Asylverfahren hingewirkt hat bzw. hinwirkt. Hätte der Kläger ein tatsächliches Bedürfnis sich von seiner bisherigen Religion zu lösen und sich dem Christentum zuzuwenden, hätte er nicht die Art der „Schnelltaufe“ gewählt. Der Kläger hat sich nach seinen eigenen Bekundungen relativ unmittelbar nach seiner Einreise nach Deutschland per Facebook an eine Kirche (Cyrus Church) in Holland gewandt und einen Tauftermin in Deutschland - Hannover - vereinbart. Die Taufe erfolgte ohne vorherigen Taufkurs oder einer sonstigen Prüfung des Glaubensbekenntnisses. Dem Kläger war es - wie er selbst vortrug - bekannt, dass eine Konversion zum Christentum die Chancen eines Asylverfahrens erhöht. So hat er sich - wie viele andere seiner Landsleute - ebenfalls auf diese Welle eingelassen und sich ohne nennenswerte Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben taufen lassen. Bei einem ernst gemeinten aus innerer Überzeugung gewonnenen Glaubensübertritt kann es der jeweiligen Person aber nicht nur um den formalen Akt der Taufe gehen. Zu dem Vorgehen des Klägers passt es dann auch, wenn er seinen Taufspruch nicht selbst wählt und er auch nicht um die Bedeutung der Taufe an sich weiß. In der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger keine nennenswerten Aussagen zu den Unterschieden zwischen dem Islam und dem Christentum anführen. Allein die „Liebe, Zuneigung und Brüderlichkeit“ reichen ersichtlich nicht aus, um von einer ernstlichen Reflektion auszugehen. Insbesondere ein nicht gläubiger Muslim müsste ernsthaft aufzeigen, warum er nun eine „andere“ Religion wählt, obwohl ihn der Glaube bislang nicht interessiert hat. Der Kläger konnte weder ein besonderes Erweckungserlebnis schildern, noch wie er derzeit seinen Glauben lebt. Angeblich soll ihm sein Bruder das Christentum nahe gebracht haben. Wie dies von statten ging, konnte der Kläger jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht näher aufzeigen. Seine allgemeinen Darlegungen, dass er mit dem Christentum Liebe und Zuneigung verbinde, reichen offensichtlich nicht, um von einem ernsthaften Glaubensübertritt zu sprechen. Die Einzelrichterin konnte sich in der mündlichen Verhandlung schließlich lediglich davon überzeugen, dass der Kläger das Christentum als zum freiheitlichen Leben dazugehörig ansieht. Insoweit trifft die vorgelegte Bescheinigung des evangelisch-lutherischen Pfarramtes vom 25.07.2016 in ihrem Aussagegehalt zu. Der unterzeichnende Dekan führt hier aus, dass seiner Einschätzung nach dem Kläger das Christentum als eine Religion der Freiheit, in der Menschen verschiedener Herkunft gleichberechtigt miteinander leben können, erscheine. Dass der Kläger das Christentum mit dem freiheitlichen Leben verbindet, zeigt jedoch nicht auf, dass er selbst ein überzeugter Christ geworden ist. Der Umstand, dass der Kläger über Facebook christliche Inhalte austauscht sowie sein Vortrag, er würde trotz der bestehenden Gefährdung im Iran seinen Glaubenswechsel öffentlich machen und versuchen das Christentum auch anderen nahezubringen, zeigt, dass er darauf bedacht ist, Außenwirkung zu erzielen und die gefahrenträchtigste Variante der Religionsausübung im Iran wählte, um auf der sicheren Seite im Hinblick auf sein Asylbegehren zu sein. Es ist jedoch auch den iranischen Behörden bekannt, dass iranische Staatsangehörige in Asylverfahren häufig zum christlichen Glauben konvertieren, um so bessere Chancen im Asylverfahren zu erhalten. Hinzu kommt, dass sich iranische Staatsangehörige in der Bundesrepublik Deutschland „im Feindesland“ befinden, und dort ist es durchaus erlaubt, durch Täuschungshandlungen den Feind zu überlisten. Der rein formale Glaubensübertritt und eventuelle Facebookeinträge werden bei einer Rückkehr in den Iran damit keine nachteiligen Folgen für den Kläger haben (vgl. VG Ansbach, U.v. 23.3.2016 - AN 1 K 16.30035 - juris).

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG bzw. auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Das Gericht verweist insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid.

3. Die Ausreisefrist in Ziff. 5 des Bescheides (eine Woche) endet nun 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, da dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in dem Verfahren B 2 S. 16.30836 entsprochen wurde (§ 37 Abs. 2 AsylG).

4. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend gemacht wird, ist unzulässig, weil sie bezüglich beider Zulassungsgründe nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

2

1. Die Revision ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

3

1.1 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 B 7.15 - juris).

4

Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - BVerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in Bezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des Tatsachenstoffes berufenen Instanzgerichte für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des Revisionsrechts festgehalten und für das Bundesverwaltungsgericht keine Befugnis eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher Bedeutung in "Länderleitentscheidungen", wie sie etwa das britische Prozessrecht kennt, zu treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 28 - zur Feststellung einer extremen Gefahrenlage) haben sich allerdings die Berufungsgerichte nach § 108 VwGO (erkennbar) mit abweichenden Tatsachen- und Lagebeurteilungen anderer Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe auseinanderzusetzen.

5

Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 (2 BvR 31/14 - InfAuslR 2017, 75). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss nicht entschieden, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen Beurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des Bundesrechts vorliegt, welche eine Rechtsmittelzulassung gebietet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen einerseits, des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg andererseits eine unterschiedliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass die Behörden des Heimatstaates von einer solchen Betätigung ausgingen. Für Tatsachenfragen - und damit auch für Unterschiede bei der tatsächlichen Bewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das Bundesverwaltungsgericht ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für die Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass die im Ergebnis abweichende Bewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, und diese Frage hinreichend klar zu bezeichnen.

6

Im Ergebnis unterschiedliche Bewertungen von Tatsachen bei (weitgehend) identischer Tatsachengrundlage weisen auch nicht auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 108 VwGO hin; im Übrigen sind (mögliche) Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein - hier nicht geltend gemachter - Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Juni 2004 - 1 B 249.03 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 284 und vom 23. September 2011 - 1 B 19.11 - juris, jeweils m.w.N.). Ein Verfahrensmangel bei der Beweiswürdigung liegt aber nur dann vor, wenn sich der gerügte Fehler hinreichend eindeutig von der materiellrechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat.

7

1.2 Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt.

8

a) Die Beschwerde hält zunächst - unter Hinweis auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 - 2 BvR 31/14 - (InfAuslR 2017, 75) - für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu einem Urteil vom 16.12.2016 nur subsidiärer Schutz, wie das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz meint, zu gewähren ist, oder aber der Flüchtlingsstatus gemäß Artikel 3 AsylG, z.B. der VGH Baden-Württemberg vom 19.06.2013, AZ A 11 S 927/13, der bei der gleichen Tatsachengrundlage abweichend rechtlich gelangt ist."

9

Mit diesem und dem weiteren Vorbringen wird eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Von einer grundsätzlichen Bedeutung ist regelmäßig auszugehen, wenn eine bundesrechtliche Rechtsfrage in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte uneinheitlich beantwortet wird und es an einer Klärung des für die materiellrechtliche Subsumtion sowie die Tatsachenfeststellung und -würdigung heranzuziehenden rechtlichen Maßstabes durch das Bundesverwaltungsgericht fehlt.

10

Dass sich vor diesem Hintergrund im vorliegenden Verfahren eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage stellt, wird von der Beschwerde nicht substantiiert dargelegt. Der bloße Hinweis darauf, dass zwei Obergerichte - bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage - zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien, weist gerade nicht auf eine (klärungsfähige) Rechtsfrage des Bundesrechts, wenn und weil es an Darlegungen zur Frage fehlt, auf welchem (klärungsbedürftigen) Unterschied in den der Tatsachenbewertung zugrunde liegenden Rechtsauffassungen die im Ergebnis abweichende Beurteilung beruht. Es fehlen schon nähere Darlegungen, inwiefern mit Blick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Jahre 2013 weiterhin von einer identischen Tatsachengrundlage auszugehen ist. Soweit die Beschwerde behauptet, das Berufungsgericht gehe davon aus, dass sich die Umstände bis in das Jahr 2016 hinein nicht geändert hätten (UA S. 28), bezieht sich diese Feststellung auf den Umgang der syrischen Behörden mit Personen in Syrien, die aus ihrer Sicht verdächtig sind, die Opposition zu unterstützen (UA S. 27). Hinsichtlich der Situation von Syrern, die nach illegaler Ausreise, Asylantragstellung und längerem Auslandsaufenthalt nach Syrien zurückkehren, ist das Berufungsgericht hingegen unter Einbeziehung neuerer Erkenntnisquellen und im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG Münster, Urteil vom 21. Februar 2017 - 14 A 2316/16.A - juris Rn. 47 ff.; OVG Saarlouis, Urteil vom 2. Februar 2017 - 2 A 515/16 - juris Rn. 21 ff.; VGH München, Urteil vom 12. Dezember 2016 - 21 B 16.30364 - juris Rn. 62 ff.; OVG Schleswig, Urteil vom 23. November 2016 - 3 LB 17/16 - juris Rn. 37) zu dem Ergebnis gekommen, es gebe keine zureichenden tatsächlichen Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden letztlich jeden Rückkehrer, der Syrien verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten habe, ohne weitere Anhaltspunkte der Opposition zurechneten. Dabei hat es insbesondere berücksichtigt, dass inzwischen fast fünf Millionen Menschen und damit knapp ein Viertel der Bevölkerung aus Syrien geflohen ist. Insoweit sei auch dem syrischen Staat bekannt, dass der Großteil der Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck politischer Gegnerschaft zum Regime, sondern aus Angst vor dem Bürgerkrieg verlassen habe (UA S. 15 f.).

11

Dessen ungeachtet formuliert die Beschwerde auch keine einer grundsätzlichen Klärung bedürftige Maßstabsfrage zum Flüchtlingsrecht. Insbesondere legt sie nicht näher dar, inwiefern in Fällen, in denen ein Staat Rückkehrer nicht generell einer regimefeindlichen Gesinnung verdächtigt, sondern - wie vom Berufungsgericht tatrichterlich und mangels durchgreifender Verfahrensrügen das Bundesverwaltungsgericht bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt - in ihnen allenfalls "potentielle" Gegner und "potentielle" Informationsquellen zur Exilszene sieht, auf die er möglicherweise wahllos routinemäßig zugreift (UA S. 21), um nach möglicherweise verwertbaren Informationen über regimegegnerische Bestrebungen zu "fischen" (UA S. 23), von der Zuschreibung eines Verfolgungsgrundes nach § 3b Abs. 2 AsylG und damit von der nach § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung zwischen einer möglichen Verfolgungshandlung und einem flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgrund auszugehen ist. Der Hinweis auf den "wahllosen" Zugriff des Regimes macht auch deutlich, dass das Berufungsgericht - ungeachtet der Verwendung der Bezeichnung "potentielle" Gegner oder "potentielle" Informationsquellen - nicht im rechtlichen Ansatz verkannt haben könnte, dass für die Verknüpfung von (möglicher) Verfolgungshandlung mit dem Verfolgungsgrund hinreicht, dass das Regime einem Rückkehrer eine bestimmte politische Überzeugung bzw. Regimegegnerschaft lediglich zuschreibt (§ 3b Abs. 2 AsylG) und auch sonst "unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist" (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG).

12

b) Ein Klärungsbedarf wird auch nicht hinsichtlich der Frage aufgezeigt,

"ob [dem Kläger] ..., zumal nach längerem Auslandsaufenthalt und Asylanerkennung im Ausland, wegen der Flucht ins Ausland vor der drohenden Einberufung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgungsmaßnahmen seitens des syrischen Regimes drohen."

13

Abgesehen von dem Umstand, dass dem Kläger im Ausland kein Asyl, sondern lediglich subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, zeigt die Beschwerde auch insoweit keine einer grundsätzlichen Klärung bedürftige Maßstabsfrage auf, sondern wendet sich lediglich gegen die den Tatsachengerichten vorbehaltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung folgt insoweit auch nicht aus der von der Beschwerde herangezogenen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.

14

aa) Das Berufungsgericht geht bei der Beurteilung der Frage, ob dem Kläger wegen der durch seine Flucht möglicherweise bewirkten Wehrdienstentziehung Verfolgung wegen eines in § 3b AsylG normierten Verfolgungsgrundes droht, zutreffend von den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäben aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen die an eine Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1986 - 9 C 322.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 54 = DVBl 1987, 47, vom 6. Dezember 1988 - 9 C 22.88 - BVerwGE 81, 41 <44> und vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 - Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 21 = InfAuslR 1991, 310 <313>; allgemein zur Anknüpfung an die politische Überzeugung als Grundlage eines zielgerichteten Eingriffs in ein flüchtlingsrechtlich geschütztes Rechtsgut s.a. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 - BVerfGE 80, 315 <335>; BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 - BVerwGE 133, 55 <60 f.>). Auch für andere Fallgestaltungen wurde eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung dann verneint, wenn die verhängte Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft. So hat das Bundesverwaltungsgericht die Ausbürgerung eines türkischen Staatsangehörigen, der der Aufforderung zur Ableistung des Wehrdienstes nicht nachgekommen war, als nicht asylerheblich gewertet (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1995 - 9 C 3.95 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 180 S. 63 f.). Es hat sich dabei auf eine Vorschrift des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes gestützt, wonach der Ministerrat denjenigen die türkische Staatsangehörigkeit aberkennen kann, die sich im Ausland aufhalten und ohne triftigen Grund drei Monate lang der amtlichen Einberufung zur Ableistung des Militärdienstes nicht nachkommen. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung bestätigt und konkretisiert, in der es um eine Ausbürgerung aufgrund der fehlenden Registrierung in einer ehemaligen Sowjetrepublik ging. Auch hier wurde hervorgehoben, dass eine ordnungsrechtliche Sanktion für die Verletzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht nicht als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung angesehen werden kann (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 - BVerwGE 133, 203 Rn. 24).

15

bb) Von diesen rechtlichen Maßstäben geht auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem von der Beschwerde angeführten Urteil vom 12. Dezember 2016 - 21 B 16.30372 - (juris) aus. Seine im Ergebnis von jener des OVG Rheinland-Pfalz abweichende Bewertung, dass Rückkehrern im militärdienstpflichtigen Alter (Wehrpflichtige, Reservisten), die sich durch Flucht ins Ausland einer in der Bürgerkriegssituation drohenden Einberufung zum Militärdienst entzogen haben, bei der Einreise im Zusammenhang mit den Sicherheitskontrollen von den syrischen Sicherheitskräften in Anknüpfung an eine (unterstellte) oppositionelle Gesinnung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine menschenrechtswidrige Behandlung, insbesondere Folter, droht (Rn. 72), gründet in der in Auswertung der Erkenntnislage gefundenen Überzeugung, dass die Sicherheitskräfte zurückkehrende Personen Maßnahmen nicht wahllos oder allein wegen der Nichterfüllung einer alle Staatsbürger männlichen Geschlechts und einer bestimmten Altersgruppe (wehrfähige Männer) gleichermaßen treffenden Pflicht unterziehen, sondern ihnen durchweg eine illoyale, politisch oppositionelle Haltung unterstellen; diese Einschätzung beruht mit der Zuschreibung einer bestimmten Handlungsmotivation an das syrische Regime und seine Sicherheitskräfte auf einer den Tatsachengerichten vorbehaltenen Sachverhaltswürdigung.

16

cc) Weder die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage selbst noch das sie stützende Vorbringen führt in Bezug auf die unterschiedliche Bewertung der Rückkehrgefährdung nach Syrien zurückkehrender wehrpflichtiger Personen die im Ergebnis unterschiedlichen Bewertungen auf unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Verknüpfung der (möglicherweise) drohenden Verfolgungshandlung (§ 3a AsylG) mit einem Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) zurück, die einer grundsätzlichen revisionsgerichtlichen Klärung zugänglich sein könnten.

17

c) Auch die weiter aufgeworfenen Fragen, insbesondere

"ob Syrern, die aus einer vermeintlichen regierungsfeindlichen Zone ... stammen, in jedem Fall der hypothetischen Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht"

und

"ob aufgrund den vom OVG festgestellten Tatsachengrundlage die genannten Umstände in ihrer Gesamtschau rechtlich als politische Verfolgung zu qualifizieren sind."

rechtfertigen keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, weil die Beschwerde auch insoweit keine einer grundsätzlichen Klärung bedürftige Rechtsfrage aufzeigt, sondern sich in der Sache lediglich gegen die ihrer Auffassung nach unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts wendet.

18

2. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

19

2.1 Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des Beschwerdeführers divergierenden Rechtsätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 und vom 17. Februar 2015 - 1 B 3.15 - juris Rn. 7). Allein das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht.

20

2.2 Auch diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Insbesondere werden die sich angeblich widersprechenden Rechtssätze nicht konkret herausgearbeitet. In dem herangezogenen Kammerbeschluss vom 22. November 1996 (- 2 BvR 1753/96 - AuAS 1997, 6) hatte das Bundesverfassungsgericht - zu Art. 16a GG - dahin erkannt, dass politische Verfolgung auch dann vorliegen kann, wenn der oder die Betroffene lediglich der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist; auch wenn sich die Sicherheitskräfte vom Beschwerdeführer in erster Linie Informationen über seine Verwandten und andere PKK-Mitglieder erhofft haben sollten, hätte er doch die ihm zugefügten Misshandlungen und Erniedrigungen wegen seiner Beziehungen zu den Gesuchten, mithin wegen des asylerheblichen Merkmals der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, erdulden müssen. Dem wird aber kein hiervon abweichender, vom Berufungsgericht aufgestellter Rechtssatz gegenübergestellt. Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist vielmehr zu entnehmen, dass es von einem wahllosen Zugriff der Sicherheitsbehörden ausgeht, der gerade nicht an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal, etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, anknüpft; allenfalls geht das Berufungsgericht, ohne insoweit von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts abzuweichen, implizit davon aus, dass die Gruppe der nach illegaler Ausreise und Schutzbegehren zurückkehrenden Personen oder doch die Untergruppe der zurückkehrenden wehrfähigen Männer keine "bestimmte soziale Gruppe" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG bilden. Im Übrigen erging die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 1996 - 2 BvR 1753/96 - (AuAS 1997, 6) zum Begriff der politischen Verfolgung in Art. 16a Abs. 1 GG, während es vorliegend um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG geht.

21

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. September 2012 - A 11 K 4543/11 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Gewährung von Abschiebungsschutz.
Der Kläger, ein nach seinen Angaben am … 1994 in Teheran geborener iranischer Staatsangehöriger, reiste am 24.2.2011 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 9.3.2011 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung machte er geltend, er habe bis zum Beginn seiner Flucht das ...-Gymnasium in Teheran besucht. Seine Familie und er seien in der „Grünen Welle“ aktiv gewesen und hätten Werbung für Moussawi gemacht. Ab dem 10.3.1388 (31.5.2009) hätten sie immer wieder an Demonstrationen teilgenommen. Bei der Teilnahme an einer Demonstration seien seine Eltern vor seinen Augen von Sicherheitskräften, die mit Motorrädern erschienen seien, brutal zusammengeschlagen worden. Auch am 25.11.1388 (14.2.2010), dem Ashura-Tag, hätten sie an einer Demonstration teilgenommen.
Bassidji und die Sicherheitskräfte hätten mit Tränengas auf die Demonstranten geschossen und seien mit Autos und Motorrädern zwischen die Demonstranten gefahren. Die Demonstranten seien daraufhin geflohen. Er selbst und ein oder zwei seiner Freunde seien von Motorradfahrern aufgegriffen und geschlagen worden. Danach seien sie von anderen Sicherheitskräften festgenommen und ebenfalls geschlagen worden, worauf man sie aber wieder freigelassen habe. Der Rektor seiner Schule habe herausgefunden, dass er an den Demonstrationen teilgenommen habe. Er habe ihm gedroht, ihn von der Schule zu werfen, und ihm gesagt, er werde ihm nicht erlauben, an der Prüfung teilzunehmen. Er sei deshalb zwei oder drei Wochen nicht zur Schule gegangen. Er habe dann aber doch an der Prüfung teilgenommen, er sei jedoch bei allen Prüfungen durchgefallen. Neun oder zehn Tage nach dem Ashura-Tag sei er von der Polizei angehalten worden, als er eines Morgens mit dem Motorrad auf der Straße unterwegs gewesen sei. Da er keinen Führerschein habe vorweisen können, sei er auf das Polizeirevier mitgenommen worden. Nachdem er seinen Namen genannt habe, sei er mit Schlagstöcken geschlagen und mit Füßen getreten worden. Nach seiner Freilassung habe er den Vorfall zu Hause seinen Eltern erzählt. Seine Eltern seien zusammen mit ihm zu dem Hauptkommissar gegangen und hätten ihn gefragt, warum ihr Sohn derart geschlagen worden sei. Er sei daraufhin wiederum festgenommen und drei Tage auf dem Polizeirevier festgehalten worden. Nachdem er irgendetwas unterschrieben habe, sei er freigelassen worden. Am 27. oder 28.5.1389 (18. oder 19.8.2010) sei er abends gegen 23.00 Uhr mit ein paar Freunden im Park gewesen, als Sicherheitskräfte und Bassidjis gekommen seien, die Tränengas und Messer mit sich geführt hätten. Sie hätten sich auf den Boden legen und ihre Kleidung ausziehen müssen. Danach sei von ihnen verlangt worden, ins kalte Wasser zu springen. Als er auf dem Boden gelegen habe, sei er geschlagen worden. Einen Monat lang habe er erfolglos versucht, an irgendeiner anderen Schule seine Schulausbildung zu beenden. Auch seine Eltern hätten Probleme mit Sicherheitskräften gehabt. Sein Vater sei einen Monat lang verhaftet gewesen. Da ein Cousin ähnliche Probleme gehabt habe, hätten sie sich entschieden, den Iran zu verlassen und nach Europa zu fliehen. Die Ausreise sei von seinem Vater finanziert worden. Am 2.7.1388 sei er von Teheran nach Urumiya gefahren und von dort weiter mit einem Transporter nach Van. Nach dem Passieren der Grenze, die sie zu Fuß überschritten hätten, hätten sie gefälschte Pässe erhalten und seien nach Istanbul und von dort aus weiter zur griechischen Grenze gefahren. Nach einem fünfmonatigen Aufenthalt in Athen seien sie mit dem LKW auf einer Fähre nach Italien gekommen und mit dem Zug über Rom und Paris nach Straßburg gereist. Im Zug in der Nähe von Mannheim seien sie von der deutschen Polizei aufgegriffen worden.
Mit Bescheid vom 5.12.2011 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag des Klägers ab (Ziff. 1), stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des § 60 Abs. 1 AufenthG (Ziff. 2) sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (Ziff. 3) nicht vorliegen und drohte dem Kläger unter Setzung einer Ausreisefrist von 30 Tagen die Abschiebung in den Iran an (Ziff. 4). Zur Begründung führte es aus, das Vorbringen des Klägers sei unglaubhaft. Er habe geltend gemacht, für Moussawi tätig gewesen zu sein, habe aber den richtigen Namen von dessen Bewegung nicht gekannt, sondern sie fälschlich „Grüne Welle“ genannt. Auch die schulischen Probleme seien nicht glaubhaft gemacht. Denn wenn der Rektor der Schule den Kläger zu den Prüfungen nicht hätte zulassen wollen, so hätte er das getan und dem Kläger wäre es nicht möglich gewesen, überhaupt an der Prüfung teilzunehmen. Die behauptete Festnahme wegen des Fahrens mit einem Motorrad ohne den dafür nötigen Führerschein sei keine politische Verfolgung. Gegen eine politische Betätigung der Eltern spreche, dass sie nach dem Vorbringen des Klägers auf das Polizeirevier gegangen seien, um sich über die Behandlung ihres Sohnes zu beschweren. Denn wenn die Eltern des Klägers bei den Sicherheitskräften kein unbeschriebenes Blatt gewesen wären, wäre es für sie sicherer gewesen, sich ruhig zu verhalten. Warum der Kläger danach wieder verhaftet worden sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Eine Kontrolle von Jugendlichen nachts in einem Park durch Sicherheitskräfte sei nichts Ungewöhnliches. Auffällig sei auch, dass der Kläger keine Einzelheiten zu der angeblichen Verhaftung seines Vaters habe schildern können.
Der Kläger hat am 22.12.2011 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 5.12.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 7.9.2012 hat das Verwaltungsgericht die Ziff. 3 und 4 des Bescheids des Bundesamts vom 5.12.2011 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter sei gemäß Art. 16a Abs. 2 GG in Verbindung mit § 26a AsylVfG ausgeschlossen, da der Kläger auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist sei. Die Klage sei auch insoweit unbegründet, als der Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehre. Soweit er sich auf die glaubhaft geschilderte Misshandlung am Ashura-Tag am 25.11.1388 berufe, fehle es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen diesem Geschehen und der Ausreise im September/Oktober 2010. Zwar habe der Kläger auch glaubhaft geschildert, dass er im Sommer 2010 auf dem Polizeirevier schwer misshandelt worden sei. Diese Misshandlung stelle eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a RL 2004/83/EG dar. Im Hinblick auf diese Misshandlung sei jedoch ein Verfolgungsgrund im Sinne von Art. 10 RL 2004/83/EG weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Entsprechendes gelte für die im Sommer 2010 erlittenen schwerwiegenden Misshandlungen in einem Park von Teheran. Eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 RL 2004/83/EG genannten Verfolgungsgründen und der im Sommer 2010 erlittenen schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden Menschenrechte des Klägers bestehe nicht.
Beim Kläger liege aber ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Nach dieser Vorschrift dürfe ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Das sei hier der Fall, da dem Kläger bei einer Rückkehr/Abschiebung in den Iran eine unmenschliche Behandlung drohe. Iraner, die ihr Heimatland illegal verlassen hätten, müssten bei einer Rückkehr aufgrund der strikten Kontrollen damit rechnen, am Flughafen verhört und für einige Tage festgehalten zu werden, auch wenn sie nicht auf einer Polizeiliste aufgeführt seien. Ankommende Iraner ohne Reisepass oder gültige Reisepapiere oder in den Iran rückgeschaffte Iraner ohne gültiges Ausreisevisum würden bei der Ankunft festgenommen und zu einem speziellen Gericht in Teheran gebracht. Dort würden die Daten der betreffenden Personen, die Gründe für ihre illegale Ausreise und ihre Verbindungen mit bekannten Organisationen und Gruppierungen kontrolliert. Die Ermittlungen im Verfahren wegen illegaler Ausreise führten häufig zur Feststellung weiterer sekundärer Straftatbestände und zu weiteren Anklagepunkten. Die Verhörmethoden im Iran umfassten seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung. Dementsprechend habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 9.3.2010 entschieden, dass für iranische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in den Iran ein besonderes Risiko bestehe, wenn sie nicht nachweisen könnten, dass sie den Iran legal verlassen hätten. Der Kläger könne eine legale Ausreise aus dem Iran im Falle einer Rückkehr nicht nachweisen, da er seinen Heimatstaat illegal verlassen habe. Da eine Rückkehr des Klägers in den Iran nur im Wege der Abschiebung erfolgen werde, werde sich den iranischen Behörden aufdrängen, dass die Rückkehr des Klägers in den Iran auf besondere Umstände zurückzuführen sei. Nach den bereits genannten Verhörmethoden im Iran spreche alles dafür, dass der Kläger im Falle seiner Abschiebung in den Iran die von ihm bereits in seinem Heimatland erlittenen Misshandlungen und Festnahmen durch Sicherheitskräfte nicht verheimlichen könne. Dabei sei auch in Rechnung zu stellen, dass der Iran kein Rechtsstaat sei, die Behörden willkürlich handelten, Folter bei Verhören, in der Untersuchungshaft und in regulärer Haft vorkomme, sowie willkürliche Festnahmen sowie lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteile festzustellen seien.
10 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 17.7.2013 zugelassene Berufung der Beklagten. Zu deren Begründung macht die Beklagte geltend:
11 
Über die Gewährung von Asyl und die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sei rechtskräftig entschieden. Im Streit stehe noch, ob dem Kläger ein Anspruch auf das unionsrechtlich subsidiäre oder hilfsweise das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot zukomme. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des unionsrechtlichen Abschiebungsverbotes seien unverändert nicht erkennbar. Der Kläger sei unverfolgt und nicht unter dem Druck einer drohenden Gefährdung ausgereist. Zu demselben Ergebnis sei auch das Verwaltungsgericht gekommen. Hinweise auf zwischenzeitlich hinzugekommene Risikogründe fehlten. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht vom 8.10.2012 unverändert aus, dass allein der Umstand, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr nach Iran auslöse. Es könne in Einzelfällen zwar zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Die Befragung gehe in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Keiner westlichen Botschaft sei jedoch bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt gewesen wären. Auch sei kein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden seien. Eigenständig zu bewertende Umstände für das Vorliegen eines nachrangigen nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien nicht ersichtlich. Gegen die erlassene Abschiebungsandrohung sprechende Gründe seien ebenfalls nicht erkennbar.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. September 2012 - A 11 K 4543/11 - zu ändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er erwidert: Das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag, im Iran Opfer von Verfolgung und Misshandlung geworden zu sein, für glaubhaft gehalten. Die von ihm bekundeten Vorverfolgungserlebnisse seien somit Tatsachengrundlage. Gemäß § 60 Abs.2 AufenthG dürfe ein Ausländer nicht in den Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die „konkrete Gefahr“ besteht, Folter oder unmenschlicher Behandlung bzw. Bestrafung unterworfen zu werden. In die Erwägungen über die zu treffende Prognose sei einzustellen, ob bereits Verfolgung und Misshandlung stattgefunden habe und wie schwer diese Übergriffe gewesen seien. Da er erhebliche Misshandlungen erlitten habe, sei auch die Prognose gerechtfertigt, dass diese Gefahren für ihn im Fall seiner Rückkehr in den Iran wiederum bestünden. Durch den Regierungswechsel habe sich im Iran die Situation für Rückkehrer nicht grundlegend geändert.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts und des Bundesamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage somit insgesamt abweisen müssen.
I.
19 
Soweit das Verwaltungsgericht die Anträge des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, abgelehnt hat, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig. Das Berufungsverfahren beschränkt sich dementsprechend auf die Prüfung des Begehrens des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AsylVfG, hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, sowie die Aufhebung der gegen den Kläger in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügten Abschiebungsandrohung.
20 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz in seiner Fassung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.2013 (BGBl I S. 3474) sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2014 (BGBl. I S. 2439). Denn nach § 77 Abs. 1 AsylVfG ist in Streitigkeiten nach diesem Gesetz regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen.
II.
21 
Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
22 
1. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in seiner Fassung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.2013 hat ein Ausländer Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem (Abschiebungs-)Schutz, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass ihm im Falle seiner Abschiebung in sein Heimatland ein „ernsthafter Schaden“ droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG (u.a.) Folter oder eine unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung.
23 
a) Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist diese Frage zu bejahen, da Iraner, die ihr Heimatland illegal verlassen hätten, bei einer Rückkehr aufgrund der strikten Kontrollen damit rechnen müssten, am Flughafen verhört und für einige Tage festgehalten zu werden. Da eine Rückkehr des Klägers in den Iran nur im Wege der Abschiebung erfolgen werde, werde sich den iranischen Behörden aufdrängen, dass die Rückkehr auf besondere Umstände zurückzuführen sei. Die Verhörmethoden im Iran umfassten seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung. Es spreche deshalb alles dafür, dass der Kläger im Falle seiner Abschiebung in den Iran die von ihm bereits in seinem Heimatland erlittenen Misshandlungen und Festnahmen durch Sicherheitskräfte nicht verheimlichen könne. Ihm drohe dann erneut eine unmenschliche Behandlung. Dabei sei auch in Rechnung zu stellen, dass der Iran kein Rechtsstaat sei, die Behörden willkürlich handelten, Folter bei Verhören, in der Untersuchungshaft und in regulärer Haft vorkomme, und willkürliche Festnahmen sowie lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteile festzustellen seien.
24 
b) Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts steht im Widerspruch zu der obergerichtlichen Rechtsprechung, in der einheitlich angenommen wird, dass weder die Stellung eines Asylantrags noch der mehrjährige Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland die Annahme rechtfertigen, iranische Staatsbürger würden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran staatlichen Repressionen ausgesetzt sein (SächsOVG, Urt. v. 14.1.2014 - A 2 A 911/11 - Juris; BayVGH, Beschl. v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - Juris; OVG Niedersachsen, Urt. v. 13.5.2011 - 13 LA 176/10 - Juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.6.2011 - 13 A 1188/11.A - Juris). Dem schließt sich der Senat an.
25 
Grundlage dafür ist die seit Jahren unveränderte Einschätzung in den Lageberichten des Auswärtigen Amts, wonach die Stellung eines Asylantrags im Ausland für sich allein keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr in den Iran auslöse. Zwar könne es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt und insbesondere den Kontakten während dieser Zeit kommen; die Befragung könne in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einhergehen. Es sei aber bisher keiner westlichen Botschaft ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt gewesen seien. Auch sei kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden seien. Ferner gebe es derzeit keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich könnten Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werde die frühere illegale Ausreise legalisiert (Lagebericht vom 24.2.2015, S. 33; ebenso die älteren Lageberichte vom 11.2.2014, 4.11.2011, 27.2.2011, 28.7.2010, 23.2.2009 und 18.3.2008).
26 
Aus den Auskünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 16.11.2010 und 18.8.2011 ergibt sich nichts anderes. In der Auskunft vom 18.8.2011 wird zwar von zwei nach ihrer Abschiebung misshandelten Rückkehrern in den Iran berichtet. Diese hatten aber im Ausland nicht nur einen Asylantrag gestellt, sondern sich dort auch regimekritisch politisch betätigt. Für das vom Verwaltungsgericht angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9.3.2010 gilt das Gleiche. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in diesem Urteil eine Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführer nicht allein wegen der Stellung eines Asylantrags, sondern wegen des Zusammentreffens verschiedener Umstände, insbesondere auch einer individuellen Vorverfolgung des Beschwerdeführers angenommen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.4.2013 - A 3 S 2022/12 -; Beschl. v. 3.4.2013 - A 3 S 2021/12 -; Beschl. v. 13.3.2013 - A 3 S 103/12 -; Beschl. v. 25.2.2013 - A 3 S 3081/11 -; Beschl. v. 17.9.2013 - A 3 S 2306/12 -).
27 
Umstände, die die iranische Sicherheitsbehörden dazu veranlassen könnten, den Kläger der politischen Oppositionsbewegung zuzurechnen und ihn deshalb bei einer Rückkehr in den Iran abweichend von dem sonst üblichen Verfahren einer verschärften Befragung über die näheren Umstände seiner Ausreise und seines anschließenden Aufenthalts in Deutschland zu unterziehen, sind nicht zu erkennen. Zwar hat der Kläger bei seiner Befragung durch das Verwaltungsgericht behauptet, er sei vor seiner Ausreise aus dem Iran zusammen mit einem Freund nach einer Demonstration von zwei Motorradfahrern angehalten, mit Handschellen gefesselt und anschließend geschlagen und getreten worden. Der Kläger hat jedoch zugleich angegeben, er und sein Freund hätten sich mit den Angreifern nicht auf persisch verständigen können. Dafür, dass der Kläger den iranischen Sicherheitsbehörden durch diesen Vorfall als möglicher Regimegegner bekannt geworden ist, kann deshalb nicht ausgegangen werden.
28 
Für die beiden anderen vom Kläger bei seiner Befragung durch das Verwaltungsgericht geschilderten Vorfalle gilt das Gleiche. Dafür, dass die Festnahme des Klägers und seine anschließende Misshandlung durch die Polizei einen politischen Hintergrund hatte, kann den Angaben des Klägers nichts entnommen werden. Als Grund für seine Verhaftung hat der Kläger angegeben, dass er mit seinem Motorrad unterwegs gewesen sei und bei einer Polizeikontrolle keinen Führerschein habe vorweisen können. Vorhaltungen wegen seiner politischen Einstellung wurden ihm nach seinen eigenen Angaben zu keiner Zeit gemacht. Dies ist nach den Angaben des Klägers auch bei dem weiterem Vorfall im Sommer 2010, als er in einem Park zusammen mit Freunden von Bassidji angegriffen und misshandelt worden sei, nicht geschehen. Auch insoweit besteht daher kein Grund zu der Annahme, dass der Kläger von den iranischen Sicherheitsbehörden als möglicher Regimegegner registriert worden sein könnte.
29 
Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Kläger hat dabei zwar angegeben, sein Vater habe ihm am Telefon davon berichtet, von der iranischen Polizei nach dem Aufenthalt seines Sohnes gefragt worden zu sein. Die Frage, welchen Grund die iranische Polizei haben könnte, sich für den Aufenthaltsort des Klägers zu interessieren, blieb dabei jedoch unbeantwortet.
30 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Für die Frage, ob für den Kläger in seinem Heimatland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG besteht, gilt das eben Ausgeführte entsprechend. Die in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG.
32 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
18 
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage somit insgesamt abweisen müssen.
I.
19 
Soweit das Verwaltungsgericht die Anträge des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, abgelehnt hat, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig. Das Berufungsverfahren beschränkt sich dementsprechend auf die Prüfung des Begehrens des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AsylVfG, hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, sowie die Aufhebung der gegen den Kläger in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügten Abschiebungsandrohung.
20 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz in seiner Fassung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.2013 (BGBl I S. 3474) sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2014 (BGBl. I S. 2439). Denn nach § 77 Abs. 1 AsylVfG ist in Streitigkeiten nach diesem Gesetz regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen.
II.
21 
Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
22 
1. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in seiner Fassung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.2013 hat ein Ausländer Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem (Abschiebungs-)Schutz, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass ihm im Falle seiner Abschiebung in sein Heimatland ein „ernsthafter Schaden“ droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG (u.a.) Folter oder eine unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung.
23 
a) Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist diese Frage zu bejahen, da Iraner, die ihr Heimatland illegal verlassen hätten, bei einer Rückkehr aufgrund der strikten Kontrollen damit rechnen müssten, am Flughafen verhört und für einige Tage festgehalten zu werden. Da eine Rückkehr des Klägers in den Iran nur im Wege der Abschiebung erfolgen werde, werde sich den iranischen Behörden aufdrängen, dass die Rückkehr auf besondere Umstände zurückzuführen sei. Die Verhörmethoden im Iran umfassten seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung. Es spreche deshalb alles dafür, dass der Kläger im Falle seiner Abschiebung in den Iran die von ihm bereits in seinem Heimatland erlittenen Misshandlungen und Festnahmen durch Sicherheitskräfte nicht verheimlichen könne. Ihm drohe dann erneut eine unmenschliche Behandlung. Dabei sei auch in Rechnung zu stellen, dass der Iran kein Rechtsstaat sei, die Behörden willkürlich handelten, Folter bei Verhören, in der Untersuchungshaft und in regulärer Haft vorkomme, und willkürliche Festnahmen sowie lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteile festzustellen seien.
24 
b) Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts steht im Widerspruch zu der obergerichtlichen Rechtsprechung, in der einheitlich angenommen wird, dass weder die Stellung eines Asylantrags noch der mehrjährige Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland die Annahme rechtfertigen, iranische Staatsbürger würden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran staatlichen Repressionen ausgesetzt sein (SächsOVG, Urt. v. 14.1.2014 - A 2 A 911/11 - Juris; BayVGH, Beschl. v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - Juris; OVG Niedersachsen, Urt. v. 13.5.2011 - 13 LA 176/10 - Juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.6.2011 - 13 A 1188/11.A - Juris). Dem schließt sich der Senat an.
25 
Grundlage dafür ist die seit Jahren unveränderte Einschätzung in den Lageberichten des Auswärtigen Amts, wonach die Stellung eines Asylantrags im Ausland für sich allein keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr in den Iran auslöse. Zwar könne es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt und insbesondere den Kontakten während dieser Zeit kommen; die Befragung könne in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einhergehen. Es sei aber bisher keiner westlichen Botschaft ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt gewesen seien. Auch sei kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden seien. Ferner gebe es derzeit keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich könnten Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werde die frühere illegale Ausreise legalisiert (Lagebericht vom 24.2.2015, S. 33; ebenso die älteren Lageberichte vom 11.2.2014, 4.11.2011, 27.2.2011, 28.7.2010, 23.2.2009 und 18.3.2008).
26 
Aus den Auskünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 16.11.2010 und 18.8.2011 ergibt sich nichts anderes. In der Auskunft vom 18.8.2011 wird zwar von zwei nach ihrer Abschiebung misshandelten Rückkehrern in den Iran berichtet. Diese hatten aber im Ausland nicht nur einen Asylantrag gestellt, sondern sich dort auch regimekritisch politisch betätigt. Für das vom Verwaltungsgericht angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9.3.2010 gilt das Gleiche. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in diesem Urteil eine Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführer nicht allein wegen der Stellung eines Asylantrags, sondern wegen des Zusammentreffens verschiedener Umstände, insbesondere auch einer individuellen Vorverfolgung des Beschwerdeführers angenommen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.4.2013 - A 3 S 2022/12 -; Beschl. v. 3.4.2013 - A 3 S 2021/12 -; Beschl. v. 13.3.2013 - A 3 S 103/12 -; Beschl. v. 25.2.2013 - A 3 S 3081/11 -; Beschl. v. 17.9.2013 - A 3 S 2306/12 -).
27 
Umstände, die die iranische Sicherheitsbehörden dazu veranlassen könnten, den Kläger der politischen Oppositionsbewegung zuzurechnen und ihn deshalb bei einer Rückkehr in den Iran abweichend von dem sonst üblichen Verfahren einer verschärften Befragung über die näheren Umstände seiner Ausreise und seines anschließenden Aufenthalts in Deutschland zu unterziehen, sind nicht zu erkennen. Zwar hat der Kläger bei seiner Befragung durch das Verwaltungsgericht behauptet, er sei vor seiner Ausreise aus dem Iran zusammen mit einem Freund nach einer Demonstration von zwei Motorradfahrern angehalten, mit Handschellen gefesselt und anschließend geschlagen und getreten worden. Der Kläger hat jedoch zugleich angegeben, er und sein Freund hätten sich mit den Angreifern nicht auf persisch verständigen können. Dafür, dass der Kläger den iranischen Sicherheitsbehörden durch diesen Vorfall als möglicher Regimegegner bekannt geworden ist, kann deshalb nicht ausgegangen werden.
28 
Für die beiden anderen vom Kläger bei seiner Befragung durch das Verwaltungsgericht geschilderten Vorfalle gilt das Gleiche. Dafür, dass die Festnahme des Klägers und seine anschließende Misshandlung durch die Polizei einen politischen Hintergrund hatte, kann den Angaben des Klägers nichts entnommen werden. Als Grund für seine Verhaftung hat der Kläger angegeben, dass er mit seinem Motorrad unterwegs gewesen sei und bei einer Polizeikontrolle keinen Führerschein habe vorweisen können. Vorhaltungen wegen seiner politischen Einstellung wurden ihm nach seinen eigenen Angaben zu keiner Zeit gemacht. Dies ist nach den Angaben des Klägers auch bei dem weiterem Vorfall im Sommer 2010, als er in einem Park zusammen mit Freunden von Bassidji angegriffen und misshandelt worden sei, nicht geschehen. Auch insoweit besteht daher kein Grund zu der Annahme, dass der Kläger von den iranischen Sicherheitsbehörden als möglicher Regimegegner registriert worden sein könnte.
29 
Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Kläger hat dabei zwar angegeben, sein Vater habe ihm am Telefon davon berichtet, von der iranischen Polizei nach dem Aufenthalt seines Sohnes gefragt worden zu sein. Die Frage, welchen Grund die iranische Polizei haben könnte, sich für den Aufenthaltsort des Klägers zu interessieren, blieb dabei jedoch unbeantwortet.
30 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Für die Frage, ob für den Kläger in seinem Heimatland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG besteht, gilt das eben Ausgeführte entsprechend. Die in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG.
32 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.